Finera - New Adventures von Kalliope ================================================================================ Kapitel 58: Der Super-GAU ------------------------- Das Armband, das Joel ihr geschenkt hatte, baumelte an Faiths Handgelenk, wobei der bronzefarbene Herzanhänger immer wieder gegen ihre Haut trommelte. Sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart, auch wenn sie noch immer von Lucarios Verhalten gekränkt war, was allerdings mehr ihrem angekratzten Stolz zuzuschreiben war als der Rivalität mit Joel, die sie so pflegte. Während die beiden Seite an Seite in die Innenstadt von Moorbach gingen, erzählte er ihr ein wenig von der Zeit, die er bis jetzt hier in der Stadt verbracht hatte. Natürlich bestand der Großteil in Training und dem Pauken von Strategien, aber als Faith ihn auf das Schwimmbad mit dem Palmengarten ansprach, erinnerte er sich daran. „Wenn du Trixi fragst, wird sie bestimmt mit dir dort hingehen. Sie ist so verrückt nach diesem ganzen Beautyzeug und soweit ich weiß, hat das Schwimmbad auch einen Spa-Bereich.“ Faith lächelte und dachte kurz darüber nach. „Vielleicht mache ich das sogar, mal schauen.“ „Sie ist kein schlechter Mensch“, fügte Joel daraufhin an seinen vorherigen Satz an. „Sie ist nur etwas schwierig, man muss mit ihr umgehen können.“ Kurz darauf bog Joel in eine andere Straße ein und das Schild des Restaurants leuchtete in warmen Farben über dem doppeltürigen Eingang. „Da wären wir, jetzt müssen wir nur noch Trixi finden. Ich glaube, sie hatte einen Tisch bestellt, lass uns einfach nachfragen.“ „Ich folge dir, mach du nur.“ Faith ließ ihm den Vortritt und ging nach ihm die vier Stufen zum Eingang hoch. Kaum war die Tür geöffnet, kam ihr ein altbekannter Duft entgegen. Es war der Geruch nach der Küche eines Restaurants, so wie sie ihn von zu Hause kannte. „Du hast ein Fischrestaurant ausgesucht?“ „Du hast eine feine Nase“, urteilte Joel grinsend und ging zielstrebig zu der kleinen Rezeption. „Ich suche nach Trixi Light, meiner Schwester, sie müsste einen Tisch reserviert haben.“ Während der Mann an der Rezeption in seinem Buch blätterte, lehnte Faith sich gegen das Pult und blickte Joel an. „Na ja, meine Eltern haben auch ein Restaurant direkt am Meer und ihre Spezialität sind Fischgerichte. Ich glaube, diesen Geruch werde ich noch als alte Oma in der Nase haben und sofort überall wiedererkennen.“ „Fräulein Light hat Tisch Nummer 22, das ist im Obergeschoss. Einfach die Treppe hoch und dann auf der linken Seite.“ „Vielen Dank.“ Joel und Faith folgten dem Fingerzeig des Mannes und erklommen die Treppe hoch in den ersten Stock. Die Wände waren auch hier komplett in einem hellen Holz vertäfelt und lediglich von einer marineblauen Bordüre unterbrochen, auf der verschiedene Wasserpokémon abgebildet waren. Als Faith ein Mantax und ein Lapras entdeckte, musste sie lächeln. Oben angekommen war der Raum nicht sofort zu überblicken. Viele große Blumenkübel umgaben die einzelnen Tische und schafften so etwas Privatsphäre. Trixi saß zwischen einer Bananenstaude und einem Gummibaum und winkte ihrem Zwillingsbruder zu, als sie ihn sah, wobei sie mitten in der Bewegung innehielt, als sie auch Faith entdeckte. Sie stand auf, kam auf die beiden zu und musterte Faith interessiert. „Ich wusste gar nicht, dass Joel dich heute Abend eingeladen hat.“ „Wir haben uns gerade im Pokémoncenter getroffen und ich habe sie spontan gefragt, ob sie mitkommen möchte. Ich denke, das stört dich doch nicht?“ „Nein, ganz und gar nicht.“ Sofort schenkte Trixi der Widersacherin ihres Bruders ein warmes Lächeln. „Setz dich ruhig dazu, dann können wir ein wenig plaudern. Auf Dauer ist mein Bruder nämlich ein äußerst langweiliger Gesprächspartner.“ „Hey!“ Grinsend gab sie ihm einen Klaps auf den Rücken. „Mit dir kann man sich einfach nicht über Themen unterhalten, die für Mädchen besser geeignet sind.“ Joel lachte, rieb sich über den Rücken und setzte sich gerade in Bewegung, als eine dünne Mädchenstimme ganz aus der Nähe ertönte. „Faith?“ Die Angesprochene schaute sich erschrocken um und ihr Herz schlug sofort etwas schneller. Da! Sie hatte sie entdeckt, Mira und Matt saßen zu zweit an einem Tisch, jeder hatte einen halb leeren Teller vor sich stehen. „Hey“, antwortete Faith und fühlte sich auf einmal mehr als unwohl in ihrer Haut. Was Mira wohl denken würde, wenn sie sie jetzt hier mit Joel und Trixi sah? Aber eigentlich konnte ihr das auch egal sein, Mira war immerhin diejenige, die ihr das Telefonat mit Itsuki vorenthalten hatte. „Was machst du hier?“ Als Mira ihre Gabel auf den Tellerrand legte, konnte man ihr die Verwunderung und auch das Unwohlsein ansehen. Sofort flammte in Faith das Gefühl der unterdrückten Wut wieder auf. Sie war niemand, der Gefühle gut unterdrücken konnte, weshalb sie sich auch nicht daran hindern konnte ein paar Spitzen in Richtung Mira zu verteilen. „Ich bin hier, um mit Trixi und Joel zusammen zu Abend zu essen, weil du einfach mit Matt abgezogen bist, das sieht man doch.“ Miras Mundwinkel sackten nach unten ab und Matt legte sein Besteck ebenfalls hin, wobei er Faith einen kritischen Blick zuwarf. „Ja…“, sprach Mira leise und räusperte sich. „Wir wussten nicht, wann du zurück kommst. Wenn du etwas gesagt hättest, hätten wir natürlich auch auf dich gewartet.“ „Hättet ihr das, ja? Wie nett, dass du das sagst. Vermutlich hättet ihr genau so gewartet, wie ihr heute Morgen im Pokémoncenter mitten im Moor auf mich mit dem Frühstücken gewartet habt oder bei der Ankunft in Moorbach, als ich meterweit hinter euch gelaufen bin, nicht wahr? Natürlich, auf so ein Warten kann ich verzichten. Ihr müsst euch keine Sorgen um mich machen und könnt morgen auch gerne den ganzen Tag miteinander verbringen, ich habe nämlich schon etwas vor.“ Es war kaum zu sehen, aber Miras Augen wurden ein wenig wässriger. „Faith…“ Faith hingegen kam gerade erst so richtig in Fahrt und ließ sich auch nicht davon ablenken, dass Joel ihr warnend eine Hand auf den Unterarm legte, denn er hatte die Lage sofort analysiert und richtig interpretiert. „Ich unternehme etwas mit Trixi zusammen, wir gehen schwimmen und dann werden wir noch ein wenig über den kommenden Wettbewerb plauschen.“ Trixi zuckte ein wenig zusammen. Sie starrte Faith ausdruckslos an und schien nicht gerade begeistert davon zu sein, dass sie jetzt in die ganze Sache mit hineingezogen wurde. „Es tut mir leid, Faith…“ Miras Stimme wurde nur noch dünner, doch dann schluckte sie und richtete ihre violetten Augen auf ihre Freundin. „Ich wollte deine Gefühle nicht verletzen…“ „Hast du mir deswegen das Telefonat mit Itsuki verschwiegen?“ Das Blut rauschte durch Faiths Adern, weshalb ihr nicht bewusst war, dass ihre Stimme etwas lauter und spitzer ausfiel. „Ja, da schaust du. Ich weiß davon. Mira, wie konntest du das tun? Ich bin immer davon ausgegangen, dass wir beide Freundinnen sind, aber seit Matt da ist, richtest du dich an ihm aus und sagst mir nicht einmal, wenn sich Itsuki meldet. Hast du überhaupt den Hauch einer Ahnung, was ich mir für Gedanken mache, seit er ohne ein Abschiedswort gegangen ist? Ich habe noch Sachen mit ihm zu klären und ich leide darunter, dass sie ungeklärt im Raum stehen. Und dann hast du nichts Besseres zu tun als es mir nicht zu sagen!“ Matt drückte Miras Hand, als diese aufschluchzte. „Hör auf sie so grob anzufahren, Faith!“ „Halt du dich da raus, Matt!“ „Faith, beruhig dich. Bitte.“ Für einen kurzen Moment wollte Faith auf Joels Worte hören, doch dann schüttelte sie seine Hand ab und trat bis an Miras Tisch heran. „Matt ist ein Keil in unserer Freundschaft und ich will dich nicht vor die Wahl stellen, aber so geht es nicht weiter.“ „Bitte halt Matt da raus“, wimmerte Mira und die Tränen stiegen ihr in die Augen. Es machte den Anschein, als würde sie gleich überlaufen. „Er ist ein alter Freund von mir und die Freundschaft mit ihm bedeutet mir wirklich viel, weil Kohana und ich ihn schon seit unserer Kindheit kennen. Aber du bist mir auch wichtig, bitte zwing mich nicht dazu, dass ich mich zwischen euch entscheiden muss, Faith. Bitte, tu mir das nicht an…“ „Du verängstigst sie, Faith!“, polterte nun wieder Matt und legte einen Arm um Miras Schultern. Faith zögerte, sie wollte das nicht tun, aber ihr stieg das alles zu Kopf. „Oh Matt, bitte, spiel dich nicht auf. Dass du vollkommen parteiisch auf Miras Seite stehst, ist mir klar. Mich nervt dein Verhalten und dass du permanent an Mira klebst. Merkst du nicht, dass sie das nicht braucht? Mira wird nie die eigenständige Person werden, die sie sein will, wenn du sie ständig in Schutz nimmst und bevormundest.“ „Und Itsuki wird nie zurückkommen, weil du totalen Mist gebaut hast in dem Bunker, kapier das doch! Du hast Mira in Gefahr gebracht und ich will nicht, dass sie durch dich nochmal in so eine Gefahr kommt!“ Es herrschte Stille. Unangenehme, eklige Stille, die wie kalter Schweiß den Rücken herunterlief und einen Schauer verursachte. Faith sog scharf die Luft ein. „Das hast du nicht gesagt…“, wisperte sie und ballte die Hände zu Fäusten. Auch ihr stiegen Tränen in die Augen. „Das hast du jetzt nicht wirklich gerade gesagt…“ Dieses Mal sprach sie etwas lauter. Auch Mira war schockiert und rückte ein Stück von Matt ab. Tränen liefen der sensiblen Koordinatorin stumm die Wangen herunter. „Du…! Unterstell mir nicht, dass ich eine schlechte Freundin wäre! Deine Liebe zu Mira wird sich nie erfüllen, sie ist in Itsuki verliebt und wird deine Gefühle nicht erwidern, du kannst also einfach verschwinden, dich deiner Suche nach Damian Draco widmen und uns in Ruhe lassen!“ Erschrocken riss Mira den Mund auf und konnte kaum Matts Blick standhalten. „Wieso hast du das gesagt, Faith! Ich habe es dir im Vertrauen als Freundin anvertraut!“ Sie schnappte nach Luft und begann am ganzen Körper zu zittern. „Na so wie es aussieht sind wir wohl kein Freundinnen mehr, denn Freundinnen belügen sich nicht! Du hättest mir das mit Itsuki einfach sagen sollen, dann wäre es vielleicht nicht so weit gekommen. Ich nehme ihn dir nicht weg, ich bin nicht so jemand. Du hättest mir vertrauen können, ich habe dir immer vertraut!“ Wütend, enttäuscht und mit einem unendlich schlechten Gefühl im Magen drehte Faith sich um, stürmte an Trixi und Joel vorbei die Treppen herunter und aus dem Restaurant hinaus. Faith lief ziellos in die Nacht hinein, heiße Tränen hinterließen ihre salzigen Spuren auf ihrem Gesicht. Konnte ihre Freundschaft diesen Super-GAU wirklich verkraften? War das jetzt das Ende? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)