Finera - New Adventures von Kalliope ================================================================================ Kapitel 49: Angst, Verlust und Einsamkeit ----------------------------------------- Eine weitere Woche verging, in der sich die Dinge um Faith veränderten. Ihre Eltern, die beide nach der Nachricht, dass ihr einziges Kind in Nautica City im Krankenhaus lag, sofort das Restaurant geschlossen und zu ihr gekommen waren, mussten vor drei Tagen wieder abreisen, da sie auf die Einnahmen in der Urlaubssaison angewiesen waren. Mira und Matt kamen sie jeden Tag im Krankenhaus besuchen, spielten Schach oder Mensch-ärgere-dich-nicht mit ihr und versuchten Faith irgendwie aufzumuntern. Folipurba hatte bei dem Wiedersehen mit der geliebten Trainerin fürchterlich geweint und Bibor, Tauboga und Voltilamm hatten Faith minutenlang gedrückt und geherzt. Selbst das kleine Glumanda aus dem Labor schien Vertrauen zu Faith gefasst zu haben und kam sie besuchen, ließ allerdings außer Faith und Schwester Joy niemanden an sich heran. All das konnte Faith jedoch nicht wirklich aufmuntern, zumal Itsuki nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus ohne ein Wort zu ihr die Gruppe verlassen hatte und alleine zur Weiterreise angetreten war. Er fühlte sich verantwortlich für das, was ihr passiert war, weil er nicht richtig auf sie geachtet und sie zurückgelassen hatte. Sie konnte ihn sogar verstehen, immerhin hätte ihre eigene Dummheit ihn fast das Leben gekostet. Dass er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, war für Faith absolut nachvollziehbar, wenngleich sie natürlich nicht den Grund für seine Abreise kannte. Im Laufe der Woche hatte Team Dark die Öffentlichkeit über einen Fernsehsender kontaktiert und mittlerweile wusste ganz Finera von der Videobotschaft, die drei Gestalten im Schatten zeigte und über die verzerrte Stimme vom Team Dark Boss verlauten ließ, dass Team Dark zurückgekehrt war und nun alle ausschalten wollte, die sich dem Streben nach einer besseren Welt, was wohl das Ziel der Untergrundorganisation war, in den Weg stellten. Angst griff um sich und die Tonaufzeichnung verriet nicht einmal das Geschlecht vom Team Dark Boss, so sehr war die Stimme verzerrt. Faith zweifelte jedoch nicht daran, an den ganz groben Umrissen einer der drei Figuren Caleb, den Team Dark Vorstand, erkannt zu haben. Der Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus war da, Faith war schmerzfrei und gesund, aber sie fühlte sich noch immer innerlich einsam und schuldig, auch wenn man ihr immer sagte, dass sie nichts dafür konnte. Sie hatte Officer Rockys anklagenden Blick, Schwester Joys überschwängliches Mitgefühl und Davids Schweigen zu dem Thema doch miterlebt. Mira und Matt schnitten das Thema so gut sie konnten nicht an, aber Faith erinnerte sich selbst immer wieder daran, dass sie andere dafür gar nicht brauchte. Als Mira und Matt sie vom Krankenhaus abholten, schien die Sonne, doch die heißen Temperaturen schienen vorbei, immerhin war es fast September und ganz langsam schlich sich der Herbst an. In gut zwei Monaten hatte Itsuki Geburtstag und so wie es aussah, würde der kühle Einzelgänger ihn alleine feiern. „Du siehst erholt aus, hast du letzte Nacht gut geschlafen?“ Mira lächelte sie an und umarmte ihre Freundin kurz. Evoli trottete wie so oft neben Mira her und Matts Kramurx thronte auf seiner Schulter, um alles überwachen zu können. „Es geht.“ Faith zuckte mit den Schultern. Sie würde den beiden nicht sagen, dass sie, seitdem sie aufgewacht war, jede Nacht von dem Feuer im Labor träumte und schweißgebadet mit rasendem Herzen aus dem Alptraum aufwachte. „Das Wetter ist heute ganz gut.“ „Ja.“ Mira warf Matt einen gequälten Blick zu. Wenn es nach der sensiblen Koordinatorin ging, dann würde sie alles dafür tun, dass Faith wieder so ausgelassen und fröhlich wie früher war, doch Matt mahnte sie immer wieder dazu, dass Faith Zeit brauchte, um alles zu verarbeiten. „Wir werden den Bus in einer Stunde nehmen und bis in die nächste kleine Ortschaft auf unserer Route fahren.“ Faith nickte abwesend. „Ist gut.“ Sie nahm ihren Rucksack, schulterte ihn und ließ die Finger über die Pokébälle an ihrem Gürtel wandern. Natürlich war ihr bewusst, dass Mira und Matt sie schonen wollten und deshalb dafür sorgten, dass sie nicht erneut in der kleinen Holzhütte nahe des Bunkers übernachteten. Der Bus würde ihnen zwei ganze Tagesstrecken abnehmen und sie in einem Dorf namens Rosenheim abliefern, das an der Grenze zum Finstermoor lag. „Brauchst du noch irgendetwas, Faith? Wir könnten beispielsweise in einem Souvenirshop vorbeischauen“, schlug Matt gut gelaunt vor. Die Angesprochene schüttelte jedoch den Kopf und verzog das Gesicht. „Beim letzten Mal, als wir Nautica City verlassen haben, habe ich doch auch keine Souvenirs gekauft. Leute, bitte, behandelt mich nicht als wäre ich aus Zucker und Glas und könnte zerbrechen.“ Matt und Mira warfen sich eindeutige Blicke zu, räusperten sich und schlenderten mit Faith zu der Bushaltestelle des Fernlinienverkehrs. Als ihr Bus kam, suchten sie sich einen Vierersitz und verstauten ihre Rucksäcke auf dem vierten Sitz, der nun, da Itsuki ja nicht mehr bei ihnen war, frei war. Schon kurz darauf startete der Motor und der Bus rollte los. Nautica City war schnell hinter ihnen und auch die kleinen Vororte verschwanden, dann kamen große Felder und Wiesen zum Vorschein. Diverse Pokémon waren dort draußen zu sehen, beispielsweise Schmerbe und Welsar in den Flüssen oder Taubsi und Habitak am Himmel. In der Nähe eines kleinen Walds hingen hunderte Webarak in den Bäumen und teilten sich den Platz mit Safcon, Schaloko und Panekon. Nach einer vierstündigen Busfahrt über die verschlungenen Straßen, die eindeutig einen Umweg darstellten, passierten sie große Blumenwiesen und erreichten schließlich Rosenheim mit seinen zierlichen Fachwerkhäusern und majestätischen Kalksteinbrunnen. Die drei Jungtrainer nahmen ihr Gepäck und stiegen aus. Es war Mittagszeit und in dem schmucken Dorf mit knapp fünfhundert Einwohnern herrschte reges Treiben. Die einzige Bushaltestelle des Dorfs befand sich mitten auf dem Marktplatz aus Kopfsteinpflaster, in dessen Mitte ein elliptischer Kalksteinbrunnen stand. In der Mitte des Brunnen befand sich ein Podest, auf dem ein Meganie, ein Sonnflora und eine Frau mit breitem Hut als Bronzeplastik standen. Darunter war ein Schriftzug eingraviert: Rosa, Gründerin von Rosenheim. „Na, interessiert ihr euch für den Brunnen?“ Die drei Trainer drehten sich zu einem alten Mann um, der sich zu ihnen gesellt hatte und einen stolzen Blick zu dem Brunnen warf. Mira nickte schließlich und lächelte freundlich. „Wir sind auf der Durchreise und wollen hier in Rosenheim übernachten. Die Frau von dem Monument im Brunnen ist wohl so eine Art Stadtpatronin, nehme ich an.“ Der alte Mann nickte und fuhr mit den Fingern durch seinen gezwirbelten, grauen Bart. „Vor einhundert Jahren war dies hier ein trostloser Fleck. Rosa war damals eine junge Frau und reiste mit ihren beiden Pokémon durch das Land. Ihr Vater war schwer krank und sie suchte nach einer Heilpflanze, die den alten Geschichten zufolge in dieser Gegend wachsen sollte. Sie war sehr enttäuscht, als sie diesen Ort erreichte, weil sie nichts als weite Wiesen fand, jedoch keine Blumen. Wie schon viele andere Leute vor ihr musste sie feststellen, dass der Mythos der magischen Heilpflanze nicht stimmte. Als sie die Nachricht vom Tod ihres Vaters erhielt, war sie sehr betrübt. Rosa wollte nicht, dass noch mehr Leute auf der Suche nach diesem Ort waren und nur trostlose Felder vorfanden, weshalb sie in jahrelanger Arbeit mit ihren beiden Pokémon die Blumenfelder anlegte. Immer mehr Menschen kamen an diesen Ort, sahen ihre Zuversicht und ihr gutes Herz und so siedelten sich die ersten Leute hier an. Zu Ehren von Rosa, die diesen Ort zu dem wunderschönen Fleck gemacht hat, der er heute ist, hat man den Brunnen erbaut und dem Dorf den Namen ihrer Lieblingspflanze, den Rosen, gegeben.“ „Sie müssen sehr stolz auf Ihr Dorf sein.“ Matt nickte anerkennend und warf dem Brunnen einen letzten Blick zu. Rosa wirkte dort auf dem Podest so jung, mutig und stark. „Oh ja, das sind wir auch, deshalb halten wir hier am ersten Wochenende jedes Monats sogar einen Wettbewerb für Koordinatoren ab.“ „Das wäre ja schon nächstes Wochenende, dann ist das erste Septemberwochenende!“, quiekte Mira und schnappte aufgeregt nach Luft. Sie warf Matt einen flehenden Blick zu und schaute dann zu Faith, die eher teilnahmslos wirkte. „Lasst uns hier bleiben, bitte. Ich würde so gerne an dem Wettbewerb teilnehmen, es sind doch nur wenige Tage, um die wir hier unseren Aufenthalt verlängern.“ Matt stimmte selbstverständlich sofort zu, er würde Mira den Wunsch nicht abschlagen. Faith zuckte lediglich mit den Schultern, es war ihr egal, ob sie hier blieben oder nicht. Momentan war ihr alles mehr oder weniger egal, weil ihre Gedanken einzig und allein um ihre Schuldgefühle kreisten, die sie hegte und pflegte, damit sie nicht die Pokémon vergaß, die ihretwegen in dem Feuer umgekommen waren, auch wenn sie eigentlich nichts dafür konnte. Und so checkten die drei Jungtrainer bis Sonntag in dem Pokémoncenter von Rosenheim ein, jeder von ihnen mit unterschiedlichen Gedanken, Wünschen und Hoffnungen. Mira, die hoffte, dass sie den Wettbewerb gewinnen konnte. Matt, der hoffte, dass er bei der Pflege der Blumen helfen konnte. Und Faith, die irgendwo in ihrem Inneren hoffte, dass sie der Aufenthalt in dem ruhigen, freundlichen Dorf von ihrer inneren Leere befreien konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)