Robin Hood von Kittykate (Das goldene Kreuz) ================================================================================ Prolog: Finsternis ------------------ Eine Fackel brannte langsam ab. Das Licht erhellte das dunkle Gemäuer nur noch spärlich und warf beängstigende Schatten. Jeder Gegenstand erschien seit einiger Zeit düster und unheimlich. Das Gemäuer bestand aus schwarzem Backstein. Es gab keine Fenster nur eine Tür. Diese war von so schwarzem Holz, dass man sie nur schwer in dieser Dunkelheit erkennen konnte. Kein Laut drang von draußen rein. Nur einige wenige Ratten fiepten und flitzten über den kalten steinernen Boden. Sie spitzten aus einem kaum sehbaren Loch und verschwanden auch wieder darin. Die Luft war verbraucht, dennoch roch es nicht unangenehm. Der Gestank sammelte sich an der Decke. In welcher Höhe sich diese befand war nicht zu sehen, denn nach ein paar Fuß hoch herrschte bereits die absolute Finsternis. Eine Ratte krabbelte schnüffelnd über den Boden. Sie wurde immer langsamer und ihre Nase tastete den Steinboden ab. Ihr langer Schwanz schwang noch langsam hin und her. Noch einen Schritt weiter und das kleine Tierchen blieb ganz stehen. Sie setzte sich auf die Hinterbeine, putzte sich das Fell und die Vorderfüßchen. Ihre kleine Nase schnüffelte in die Gegend. Plötzlich rührte sich etwas. Aus dem Schatten bewegte sich ein Arm und packte mit einem flinken Handgriff die Ratte am Schwanz. Langsam hob das kleine Nagetier in die Luft ab. Sie ruckelte und zuckte. Ein lautes Quieken und Fiepen trat aus dem kleinen Tier heraus. Sie schnüffelte und bewegte die kleinen Füßchen, doch der Angreifer ließ sie nicht los. Ein paar Fuß vom Boden weg, fiepte sie immer noch, stellte die Bewegung allerdings ein. Etwas Weißes trat aus dem Schatten. Zwei weiße fast ovale Punkte mit je einem kleinen schwarzen Fleck in ihrer Mitte zeigten sich und sie fixierten das kleine gefangene Tier. Ein gehässiges, fast krankes Lachen erklang plötzlich und hallte so extrem laut wieder, das die Ratte aus ihrer Erstarrung riss und erneut zu quieken begann. Sie verbog sich inzwischen und biss wie wild um sich, um den Angreifer in die Flucht zu schlagen. Allerdings blieb sie erfolglos. Ein klirrendes Geräusch drang von draußen herein. Langsam, schwer und ächzend öffnete sich die alte dunkle Holztüre. Das plötzlich eindringende Licht erhellte ein paar Fuß um die Tür den Raum. Erst jetzt konnte man sehen, wie viele Ratten sich im Licht aufhielten, und nur annähernd erahnen wie viele Nagetiere es insgesamt waren. Eine Gestalt stellte sich in das Licht und trat ein. Das dumpfe Geräusch des Auftretens ließ die umher laufenden Ratten flüchten. Sie alle zogen sich in ein kleines Loch zurück, dass sich irgendwo in der Dunkelheit befand. Auch die kleine Ratte in der Luft zuckte energischer. In dem kleinen Körper loderte der Fluchttrieb, doch zwei spindeldürre, lange Finger hielten das Nagetier fest. Hinter der schattigen Gestalt fiel die Türe wieder ins Schloss. Aufmerksam richteten sich die zwei weißen Punkte auf den Eindringling. Papier raschelte und eine tiefe dunkle Stimme drang durch den Raum. „Ich habe mir euer Angebot noch einmal durch den Kopf gehen lassen.“ Im fahlen Licht der Fackel erkannte man nur eine große Gestalt. Die weißen Punkte kniffen sich misstrauisch zusammen. Die kleine wild hin und herbewegende Ratte wurde zur Nebensache. „Sagt mir alles was Ihr wisst. Dafür verspreche ich Euch ein hohes Ansehen! Ich habe beschlossen Euch zu meinem ersten Berater zu ernennen.“ Die Ratte flog plötzlich mit einem quieken quer durch den Raum und landete hart auf dem Boden. Dennoch flitzte sie, kaum den Boden berührend, ebenfalls in das rettende Loch. Langsam und bedächtig erhob sich jemand in der Dunkelheit. Kleidung raschelte und im Schatten der Fackel tat sie einen Schritt auf sein Gegenüber vor. „Ich sehe, wir verstehen uns! Auf unsere Zusammenarbeit!“ Die weißen Punkte blitzten auf. Der Mundwinkel zuckte verdächtig und wieder erklang das gehässige Lachen und erfüllte den Raum. In dieses Lachen stimmte auch die zweite Person mit ein. Kapitel 1: Das Unwetter ----------------------- Lange hatte es nicht mehr aufgehört zu regnen. Seit vielen Tagen und Nächten hingen die dunklen, schwarzen Wolken über Sherwood Forrest und ließen keinen einzigen Sonnenstrahl mehr durch. Es war wie ein Fluch. Eine Ankündigung des Unheils, das im Laufe der Zeit immer wiederkehrte. Der Weg war lange und anstrengend. Die Flucht erst ein paar Tage her. Dennoch gab es hartnäckige Verfolger. Bewaffnet mit Armbrust und Schwertern. Es waren gefährliche Menschen. Krieger, die nur eines kannten – töten! Sie hatten einen Auftrag. Es gab einen Flüchtling und der musste gefangen werden. Egal ob tot oder lebendig. Der Auftraggeber selbst entschied das so und sein Gefolge leistete treuen Dienst. So ritten sie dahin und waren dem Flüchtling dicht auf den Fersen. Immer wieder blickte ein Reiter über die Schulter zurück. Lange hatte er keine Rast mehr gemacht. Er wusste, dass sein Pferd geschwächt war, dennoch eine Rast wäre sein sicherer Tod. Er hatte einen Auftrag. Es war seine Bestimmung das kommende Unheil abzuwenden. Auch wenn es hieß, dass er dabei sterben könnte. Er war sich im Klaren, dass er keine Freunde auf seiner Seite hatte. Er war auf sich allein gestellt. Für seinen innerlichen Frieden hatte er sich diese Last auferlegt. Seit Tagen ritt er des Weges. Er schlug Haken und versuchte die Fährte zu verwischen. Anfangs konnte er noch durch die Flüsse galoppieren, doch seitdem der starke Regen eingesetzt hatte, war jeder Fluss unpassierbar. Reißende Strömungen verhinderten ebenso den Weg wie eingestürzte Brücken. Der Wald kam näher und näher und schon stob er hinein. Sein tapferes Ross gehorchte. Immer wieder warf der Reiter gehetzte Blicke über seine Schulter zurück. Er wusste nicht wie nah seine Verfolger waren. Er hatte sie seit längerem nicht mehr gehört oder gesehen. Der Regen peitschte ihm nur so ins Gesicht. Es fühlte sich an als trafen ihn kleine Kieselsteine. Bis jetzt konnte er mit seinem Kopf tief hängenden Ästen gut ausweichen, doch an Armen und Beinen peitschten sie hin. Der Schmerz brannte, doch er durfte ihn nicht Herr werden lassen. Er hatte eine Aufgabe. Sie war die wichtigste überhaupt. Nur er konnte einen neuen Krieg verhindern. Nur er konnte verhindern, dass das mächtigste und wertvollste Stück in die falschen Hände fiel. Vor einem Baum hielt er sein Pferd an. Gehetzt blickte er sich um. Sein großer dunkler Umhang hing ihm schwer über die Schultern. Auch die große Kapuze, die sein Gesicht komplett verhüllte war völlig durchnässt. Er sprang ab, hielt sein Pferd an den Zügeln und trat ein paar Schritte näher an den Baum. Dort müsste es sein. Wenn es nicht mehr da war, war alles vorbei. Dann war die ganze Mühe vergebens. Nach einem kurzen stillen Gebet, griff er in eine Baummulde und tastete nach dem gesuchten Gegenstand. Er war nicht da. Er konnte ihn nicht fühlen. Nur wo war er? Er musste da sein. Mit vor Schreck geweiteten Augen tastete er tiefer in den Baum und plötzlich berührten seine Finger etwas Kaltes. Er tastete den Gegenstand ab und atmete sichtlich erleichtert auf. Es war da! Er hatte es gefunden. Mit seiner rechten Hand hielt er den Gegenstand fest umschlossen. Schnell stieg der Reiter wieder in den Sattel und setzte zum Trab an. Gleich darauf zum Galopp. Sie durften es nicht bekommen. Niemals durfte es ihnen in die Hände fallen. Er fühlte den kalten Gegenstand in seiner Hand und hielt ihn so fest er nur konnte. Das Pferd galoppierte durch den finsteren Wald. Der Regen prasselte nur so auf die Erde nieder, doch das Unwetter hielt den Reiter nicht von seinem Weg ab. Der erdige Waldboden wurde durch das viele gefallene Wasser lehmig und rutschig. Behände kämpfte sich das Pferd seinen Weg hindurch. Schaum hatte sich vor seinem Maul gebildet, doch sein Reiter trieb es ohne Gnade weiter. Erneut sprang es über Wurzeln und Steine hinfort. Immer tiefer in den Wald hinein. Es hatte Mühe nicht auszurutschen, aber allmählich ließ die Kraft des Tieres nach. Immer weiter führte der Reiter das Tier in den Wald. Sie galoppierten auf einen umgefallenen Baum zu und der Reiter nahm die Züge kürzer um mit seinem Pferd hinüber zuspringen, doch es scheute, mangels an Kraft und auch aus Angst. Es stoppte so abrupt ab, dass der Reiter sich nicht mehr im Sattel halten konnte und über den Kopf des Tieres sowie auch über den Baumstamm hinweg flog. Hart und unsanft prallte der Reiter auf den lehmigen, nassen und kalten Boden des Waldes mit seinem Bauch auf und blieb liegen. Verängstigt tänzelte das Pferd. In diesem Moment fuhr ein Blitz vom Himmel herab und ein ohrenbetäubendes Donnern folgte sofort. Erschrocken von dem Geräusch bäumte sich das Pferd auf, drehte um und ergriff die Flucht. Der Reiter blieb regungslos auf dem Boden liegen. Der Regen prasselte mitleidslos weiterhin kräftig vom Himmel. Es begann energischer zu blitzen und auch lauter zu donnern. Im Schein der elektrischen Schläge, die sich vom Himmel auf die Erde hinab ließen, begann der Gegenstand in der rechten Hand des Reiters zu blinken. Im hellen gleißenden Licht blitzte es immer wieder auf, doch verschwand ebenso schnell wieder in der Dunkelheit. Angezogen von dem stetigen Aufleuchten des Gegenstandes trat ein Schatten zwischen den Bäumen hervor. Es war gefährlich in den Wäldern, wenn es nachts wurde und die Finsternis Herr wurde. Dennoch schlich jemand zwischen den Bäumen herum. Langsam trat die Gestalt auf den bewusstlosen Reiter zu. Wieder schlug ein Blitz vom Himmel nieder. Im kurzen hellen Schein erkannte man den schmächtigen Mann mit einer Mütze und einem diebischen Lächeln. Schritt für Schritt trat er näher und seine Augen waren nur auf das glitzernde Etwas in der Hand des Bewusstlosen gerichtet. Er bückte sich hinab und in diesem Moment schoss ein weiterer Blitz aus dem Himmel herab, gefolgt von einem lauten und langen Donner. Vorsichtig und mit einem hämischen Lachen zog er die Hand hervor und entnahm das aufblitzende Ding. Als er es in beiden Händen hielt und die rechte schlaffe Hand wieder auf den Boden zurückfiel, fuhr der nächste Blitz aus dem Himmel. In diesem Moment glänzte das Gut so hell in den Händen des Mannes, dass dieser es mit Schreckgeweiteten Augen musterte. Entsetzt wich der Blick von dem Gegenstand in seinen Händen zu der bewusstlosen Person auf dem Boden. Immer wieder schwenkte der Blick zwischen beiden, ohne recht zu wissen was er als nächstes tun sollte. Vorsichtig kniete er sich hin und mit einer zitternden Hand zog er den Bewusstlosen auf den Rücken. Wieder fuhr ein Blitz mit lautem Getöse den Himmel hinab und erleuchtete für einen Moment das Gesicht des Reiters. Regen prasselte ungehindert auf das blasse Gesicht, doch zu sich kam der Reiter nicht. Er blieb bewusstlos. Dem Mann lief ein eiskalter Schauer über seinen Rücken. Seine Lippen begannen zu zittern. Ungläubig starrte er auf die am Boden liegende Person. Aus Angst konnte er sich kaum rühren. Das Zittern nahm seinen ganzen Körper ein und er fühlte sich unfähig den Gegenstand weiterhin in seinen schmalen Fingern zu halten. Seine Lippen bewegten sich, jedoch ohne einen Ton von sich zu geben. Das Zimmer war warm durch das brennende Feuer. Es war gemütlich eingerichtet. Eine große Sitzgruppe nahm den einen Teil des Raumes komplett ein. Diese bestand aus einem breiten Sofa und zwei großen gemütlichen Sesseln. In ihrer Mitte stand ein wunderschöner, rustikaler Holztisch mit vielen Schnitzereien und an der Wand prunkte ein großer offener Kamin. Hinter der Sitzecke hing ein Portrait der Familie. Es zeigte sie alle zusammen. Zwei Mädchen und zwei Jungs. Das größere der beiden Mädchen hatte ihre braunen Haare zu einem Zopf gebunden und saß auf einem Stuhl. Sie saß leicht schräg zum Maler, hielt ihre Hände auf dem Schoß ineinander verschränkt und das Kleid versteckte zum Teil die Stuhlbeine wie auch ihre Füße. Das zweite Mädchen stand in einem Bodenlangen Kleid rechts neben der Frau. Ihre roten Haare fielen ihr locker über die Schultern. Ihre Arme hatte sie hinter ihrem Rücken versteckt und das schelmische Grinsen war unverkennbar. Hinter den beiden Schönheiten standen zwei Jungs. Beide trugen edle Hemden und feine Hosen. Dem größeren fielen seine braunen Haare offen bis zur Schulter, während der andere seine hellbraunen Haare zu einem kleinen Zopf im Nacken gebunden hatte. Es waren vier Kinder die lächelten und fröhlich wirkten, doch ihre Augen wirkten leer und traurig. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein kleiner Beistelltisch mit drei rustikalen Holzstühlen. Hier zierte eine große Pendeluhr die Wand. Diese Uhren waren sehr selten und wurden nur in Italien gebaut. Da sie so einzigartig waren, wurden sie sehr hoch gehandelt und somit zu einem wertvollen Besitz. Die hohe weiße Decke war mit Stuck verziert, während der dunkle Holzboden einen schönen aber schlichten Kontrast zu ihr bildete. Der offene Kamin bei der Sitzecke spendete viel Wärme, gerade in solch kalten Nächten. Zwei Türen führten aus dem Zimmer und drei große Fenster im Rundbogen gaben den Blick auf das Land und den großen Wald frei. Das Kaminfeuer brannte hell und lichterloh und jedes Scheitel Holz knackte. Unruhig lief eine hübsche braunhaarige Frau in diesem Zimmer auf und ab. Ihr langes Kleid bestand aus violettem Stoff und wirkte sehr fein. Die langen braunen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, während sie ihre zarten Finger in ihrem Rock vergrub. „Ich hasse dieses Wetter“, schimpfte sie zum wiederholten Male. „Ich habe Angst. Ich habe schreckliche Angst!“ „Winnifred, so beruhige dich bitte“, drang eine weibliche Stimme zu ihr. Die hübsche Frau drehte sich zum Fenster und betrachtete ihre auf einem Schemel kniende Schwester. Mit großen Augen betrachtete das junge Mädchen das Schauspiel des Wetters. Die rotbraunen Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden und das lange blaue Kleid fiel ihr schön um die schlanke Taille und endete auslaufend auf dem Boden. „Sieh doch nur. Sherwood Forrest sieht richtig beängstigend aus.“ Langsam trat die Braunhaarige zum Fenster und blickte ebenfalls hinaus. „Kaum zu glauben, dass wir vor ein paar Jahren noch dort gelebt haben.“ Sie löste eine Hand von ihrem Rock und legte sie auf die Schulter ihrer Schwester. „Stell dir nur vor wir müssten jetzt dort leben. Draußen und das bei diesem Unwetter. Barbara, wie schrecklich!“ „Es gab damals ein Unwetter, weißt du das denn nicht mehr?“ Die junge Frau blickte auf und sah ihrer Schwester in die braunen Augen. „Oh doch und es war die schrecklichste Nacht in meinem Leben“, erwiderte sie kurz angebunden. Sie wollte gar nicht auf diese alten Geschichten weiter eingehen. Zu viele Erinnerungen hingen damit zusammen und die meisten von ihnen waren für sie schlecht. „Aber, Winnifred“, erwiderte die jüngere als plötzlich die Tür aufgerissen wurde. „Das ist ein schreckliches Wetter. Die Stallburschen und ich hatten mächtig was zu tun um die Pferde zu beruhigen. Wir sind zum Glück noch rechtzeitig gekommen. Noch ein paar Augenblicke und die ersten Pferde wären uns durchgegangen.“ Triefend nass trat ein junger Mann ein. Sein braunes Haar hing ihm lasch über die Schulter und das Wasser rann nur so heraus. Er hielt sich sein dunkelblaues Hemd seitlich vom Körper weg um das kalte Nass nicht mehr auf der Haut zu spüren, doch es half nicht wirklich. Der Weg vom Stall ins Schloss war nicht weit, dennoch hatte es gereicht ihn bis auf die Knochen durchzuweichen. „Will“, schrie Winnifred entsetzt auf. „Geh sofort in dein Zimmer und zieh dir trockene Kleidung an. Du wirst sonst krank.“ „Aber Winnifred“, setzte der junge Mann zur Widerrede an, doch es half nichts. Nach einem letzten Hilfesuchenden Blick zu Barbara, drehte er sich um und verließ das Zimmer. Diese war schon nicht mehr bei den älteren und ihren Diskussionen, sondern blickte sehnsüchtig zum Wald. Sie verstand nicht, warum Winnifred immer gleich alles abwies. Sie erinnerte sich an viele schöne Zeiten im Sherwood Forrest. Sie hatten zusammen so viel erlebt und viele Freunde gefunden. Natürlich erinnerte sie sich auch an die nicht schönen Zeiten. Sie waren ständig auf der Flucht und wurden von Soldaten gejagt und verfolgt. Dennoch überwogen die positiven Erinnerungen. Sherwood Forrest hatte viele Geheimnisse und mit jedem Tag entdeckte man ein bisschen mehr von dieser wundervollen Natur. Ihre braunen Augen nahmen einen sentimentalen Schimmer an. Sie war froh darüber, dass Robin veranlasste das Schloss seiner Eltern wieder aufzubauen, doch gegen ein Leben im Sherwood Forrest hätte sie auch nichts einzuwenden gehabt. Anders war da Winnifred. Barbara drehte sich leicht um und betrachtete die hübsche Frau. Ja, ihre Schwester war zu einer wunderschönen Dame herangereift. Und Winnifred hatte sich noch nie sehr wohl im Wald gefühlt. Von Anfang an hatte sie Angst vor Tieren oder auch den Soldaten gehabt. Doch sie fand sich ebenso schnell zurecht, wie sie alle. Sie verstand nicht was damals vorgefallen war, aber plötzlich hatte Winnifred darauf gedrängt wieder ins Schloss Huntington zurück zu kehren. Robin gestattete ihren Wunsch, denn er fühlte sich ebenso nicht mehr wohl. Auch er hatte sich verändert. Barbara war damals zu klein um alles zu verstehen und seitdem wurde die Vergangenheit im Schloss Huntington auch nicht mehr angesprochen. Sie hatte viele Fragen, traute sich diese aber nicht zu stellen. Sie hatte einige Vermutungen, war sich aber nicht sicher ob diese nicht ihrer Fantasie entsprangen. Sie hatte niemanden hier. Ihre Freunde lebten in den tiefen des Waldes. Sie fühlte sich nicht verstanden, weder von ihren Geschwistern, noch von ihrem Cousin. Keiner wollte an etwas aus der Vergangenheit erinnert werden. Auch nicht Will, wobei Barbara bei ihm erst recht nicht einordnen konnte, warum dem so war. Traurig richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Wald. Ihrem so geliebten Wald – dem Sherwood Forrest. In diesem Moment öffnete sich die Tür erneut und ein junger Mann mit braunem Wuschelkopf trat ein. Auch er trug ein blaues Hemd nur hatte er nicht denselben Fehler wie sein Cousin begangen und war zuerst Winnifred unter die Augen getreten. Nein, er hatte sich erst umgezogen und konnte sich in aller Ruhe vor den offenen Kamin setzen. „Robin, nimm dir doch wenigstens ein Kissen zum Unterlegen“, schimpfte Winnifred auch schon. Dieser drehte sich um, schenkte ihr sein süßestes Lächeln und winkte dankend ab. „Das geht schon. Mach dir um mich keine Gedanken!“ Die blauen Augen blitzten fröhlich auf, doch schon verschwand der Glanz wieder als er in das knisternde Feuer sah. Wieder mal ließ er seine Schultern hängen und hing ganz allein seinen Gedanken nach. Schon wieder ließ er niemanden daran teilhaben, grenzte seine Familie aus und das obwohl sie ihm doch nur helfen wollte. Sie verstand seinen Schmerz. Sie würde es ebenso rückgängig machen wie er, wenn sie es könnte. Doch es brachte nichts. Sah er denn nicht, dass sie sich alle nur Sorgen um ihn machten? „Robin“, bemerkte Winnifred sanft als sie sich ihm näherte. Barbara lauschte den Beiden, doch der Blick war weiterhin nach draußen gerichtet. Sie nahmen sie nicht ernst. Sie war inzwischen genauso erwachsen wie ihre Geschwister, dennoch hielten sie die Jüngste für ein kleines Kind. Siebzehn Jahre lang lebte sie nun schon auf diesem Planeten. Wann nur sahen dass auch ihre Geschwister endlich ein? „Ist schon gut, liebste Cousine“, erwiderte Robin und drehte sich ihr zu. Er lächelte bereits wieder. „Ich bin nur müde von der ganzen Arbeit heute. Zudem hat es viel Mühe und Kraft gekostet die Pferde im Stall zu beruhigen. Mach dir keine Sorgen um mich.“ Winnifred ballte ihre Hand zur Faust und legte sie sich auf ihre Brust. Besorgt beobachtete sie Robin, doch sah sie ein, dass er nicht mit ihr reden wollte oder auch nicht konnte. „Ich werde mich zurückziehen. Es ist schon spät“, bemerkte sie in die schweigende Runde. „Ist gut, Winnifred“, erwiderte Robin ohne noch einmal aufzusehen. Barbara drehte sich zu ihr und lächelte. „Schlaf gut, Schwesterchen!“ „Danke, Barbara, du auch“, verabschiedete sich die Braunhaarige und verließ das Zimmer. Das Unwetter zog weiter, nur der Regen blieb. Schweigend verharrten die zwei übrig gebliebenen. Barbara starrte in die dunkle Nacht hinaus. Robin hingegen starrte in das Feuer. Es beruhigte ihn und spendete Wärme, die er jetzt gut gebrauchen konnte. Endlich konnte er abschalten und entspannen. Winnifreds Sorge rührte ihn, dennoch war es nicht nötig. Blaue große Kinderaugen erschienen vor ihm in den Flammen. Blaue große Augen, die ihn besorgt musterten. Wieder mal zerriss es ihm das Herz in der Brust. Wie lange hatte er nicht mehr an sie gedacht? Er hatte die ganze Zeit über eine Beschäftigung im Pferdestall gehabt. So war es ihm möglich seinen Gedanken zu entkommen. Denn inzwischen kreisten seine Gedanken nur noch um sie. Jeden Tag und in jedem Augenblick der Ruhe. Er dachte so oft an sie, dass ihm schmerzlich bewusst wurde, was ihm fehlte. Seine Gedanken verloren sich. *************** Eines Tages klopfte es an der Tür. James öffnete die Eingangstür und ein hoch gewachsener Mann mit dunkelrotem Haar trat ein. Sein weißer Umhang flatterte bei seinem Gang, die langen Haare fielen ihm offen über seine Schulter und seine rechte Gesichtshälfte. Die Rüstung symbolisierte seine Zugehörigkeit zum Königreich. Er war König Richards treuester Diener und Berater. Robin hatte den Ritter bereits erwartet und empfing ihn fröhlich in der Halle. „Gilbert, alter Freund, was führt dich zu mir?“ Sie reichten sich die Hände und Robin führte ihn in ein anderes Zimmer. Es war ein kleiner Raum mit einem kleinen Tisch und zwei Stühlen. Das Feuer im Kamin erwärmte das Zimmer. Der Raum war höher als breit, doch das störte die Freunde nicht. Sie setzten sich an den Tisch. Teegeschirr stand schon bereit und auch der Tee dampfte noch. „Ich wollte nach dir sehen. Wenn ich schon mal in der Nähe bin muss ich auch mal vorbeischauen.“ Gilbert lächelte Robin an. Er hatte eine Überraschung mit dabei, doch wollte er nicht zuviel verraten. „Außerdem hab ich etwas für dich. Von König Richard“, blieb er geheimnisvoll. „Hat dich Big gebeten mich zu überreden mit ihm in den Krieg zu ziehen?“ Robin schenkte seinem Gast und sich ein. Während dieser Frage umspielte seinen Mundwinkel ein Lächeln. Er wusste nicht wie oft der König schon angefragt hatte. Robin war der beste Bogenschütze im Land und seine Erfahrung wie auch Treffsicherheit wären sehr hilfreich im Kampf. „Du weißt doch, dass ich mit dieser Bitte immer komme“, scherzte Gilbert. Er nahm einen Schluck Tee zu sich und stellte die Tasse wieder ab. Leicht tadelnd sah er nun seinen Freund an. „Nenn ihn nicht Big, er ist schließlich dein König!“ „Ich weiß, entschuldige“, grinste Robin nun und nahm ebenfalls einen Schluck Tee. Danach blickte er dann fragend auf. „Wegen was bist du dann hier?“ Gilbert begann zu lächeln. Er hatte eine große Überraschung für seinen Freund und konnte kaum noch erwarten dessen große Augen zu sehen. Der Ritter zückte zwei Karten und reichte sie Robin. Verwirrt musterte der kleinere der beiden Männer das Geschenk und blickte ratlos auf. „Was soll ich damit?“ Gilbert beschloss ihn noch ein wenig im Dunkeln tappen zu lassen. „Du weißt doch was es ist“, hakte er nach. „Das sind Karten“, antwortete Robin nicht viel schlauer als vorher. „Und was macht man mit Karten?“ Inzwischen beschlich den Ritter ein breites Grinsen. „Auf einen Ball gehen?“, stellte Robin die Gegenfrage. „Du bist gut“, erwiderte der Ritter. „Und weißt du auch auf welchen Ball wir gehen?“ „Wir gehen auf einen Ball?“, wiederholte der junge Huntington sprachlos. „Ja“, antwortete Gilbert lang gezogen um Robin noch ein wenig hinzuhalten. „Nun sag schon“, wurde der langsam ungeduldig. „Woher hast du diese Karten und wieso soll ich mit kommen?“ Ein Lächeln umspielte die Lippen des jungen Mannes als er den unruhig sitzenden Freund betrachtete. „König Richard hat eine Einladung zu einem Maskenball erhalten. Ich habe selbst auch eine bekommen. Da König Richard leider an diesem Abend verhindert ist, hat er dich als seine Vertretung auserkoren.“ „Und wo findet dieser Maskenball statt?“ Irgendwie behagte Robin die Geschichte nicht. König Richard erhielt eine Einladung zu einem Ball und war verhindert? Da stimmte doch etwas ganz und gar nicht. Misstrauisch beobachtete Robin die kleinste Regung in Gilberts Gesicht. „Im Schloss Lancaster“, antwortete Gilbert zögernd. Er wusste welche Reaktion kam und fügte noch in weiser Vorrausicht schnell hinzu: „Bitte reg dich nicht auf, Robin!“ „Das Schloss Lancaster? Du weißt genau, dass ich mich dort nicht sehen lassen darf. Ich war vor zwei Jahren dort. Sie haben mich nicht mal in die Nähe dieses Schlosses gelassen. Im Gegenteil sie drohten mich zu hängen, sollte ich mich nochmals dort zeigen. Ich kann dort nicht hin.“ Robin war entsetzt aufgesprungen und hatte seine Hände auf den kleinen Tisch geschlagen. Das Teeservice klirrte in diesem Moment von dem Aufprall zerbrach aber nicht. Wollten Big und Gilbert sein Leben auf dem Gewissen haben? Er konnte nicht glauben was er da hörte. Auch Gilbert stand auf. „Beruhige dich, Robin. Denkst du nicht, dass König Richard sich darüber keine Gedanken gemacht hat? Du darfst nicht dorthin, das ist ihm auch bewusst, aber niemand wird dich erkennen. Es ist ein Maskenball. Robin, siehst du nicht die einmalige Möglichkeit die sich dir bietet? Du wirst sie wieder sehen. Du kannst dich ungestört mit ihr unterhalten und niemand kann dir etwas antun. Außerdem bin ich auch da, sollte trotz allem unsere Tarnung auffliegen.“ Gilberts Worte klangen überzeugend, dennoch musste Robin zu geben, dass er Angst hatte. „Deine Worte in Ehren, Gilbert, nur“, begann er zögernd, doch Gilbert unterbrach ihn. „Ich wusste gar nicht, dass sie dir inzwischen nichts mehr bedeutet.“ Er wusste dass er Robin reizte, doch anders würde er niemals seine Zustimmung erhalten. „Natürlich bedeutet sie mir noch etwas. Mehr als alles andere auf der Welt“, konterte Robin sofort. „Warum zierst du dich so? Früher wärst du auch für sie gestorben“, im nächsten Moment biss sich Gilbert auf die Zunge. Auch er wäre damals für die schöne Marian gestorben. Er hatte beinahe sein Leben verloren, nur um ihres zu retten. Auch Robin kamen in diesem Moment die gleichen Erinnerungen. Mit einem undurchdringbaren Blick musterte er den Ritter der königlichen Garde. „Wie ist mein Name?“ „Wir sind die Ritter der königlichen Garde. Unsere Namen sind anonym wie wir auch sein werden.“ „Gut“, stimmte Robin zu. „Morgen Nachmittag reiten wir los.“ Robin nickte zu, obwohl er glaubte, in dieser Nacht nicht viel Schlaf zu bekommen. Seit Gilbert von ihr gesprochen hatte, pochte Robins Herz unrund und fühlte das stetige Kribbeln im Bauch. „Ich lasse dir ein Zimmer richten!“ „Danke, Robin!“ *************** „Robin, he, Robin!“ Barbara stand auf und trat auf ihren Cousin zu. Dieser schrak auf und richtete seinen Blick auf die hübsche junge Frau. „Was ist los? Hast du etwas auf dem Herzen, Barbara?“ Unschlüssig betrachtete sie ihn. Und wie sie das hatte. So gerne würde sie mit ihm reden, doch sie wusste, dass er sich ebenso sehr verschloss wie Winnifred oder Will. „Nein, Robin“, erwiderte sie und setzte ein Lächeln auf. „Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht, Cousin!“ Sie ging an ihm vorbei zur Tür und öffnete diese. „Schlaf gut, Barbara!“ Wieder verlor sich sein Blick im Kamin. Kapitel 2: Sherwood Forrest --------------------------- Nach vielen Tagen des Regens, kehrte die Sonne wieder über Nottingham zurück. Lange hatten die dunklen Wolken über dem Wald und der Stadt verharrt. Die Bauern sehnten sich nach besseres Wetter, aus Angst die Ernte würde verkommen. Die Menschen und Tiere hatten die warmen Strahlen der großen gelben Kugel vermisst und ihre Bitten um besseres Wetter wurden erhört. Jeden freien Augenblick, jeden Abend und besonders jede Nacht hatte Robin Zeit an sie zu denken. Das ging schon seit sieben Jahren. Er saß mit seinen Cousins am Frühstückstisch und aß schweigend vor sich hin. Wieder mal, denn das Schweigen hielt seltsamer Weise immer nur am Tisch. Er sah sehr müde aus. Wie lange er am Vorabend noch im Bett wach lag, konnte Robin nicht mehr sagen, doch er fühlte sich sehr müde. Ihre Köchin und zwei Mägde hatten bereits sehr früh morgens angefangen das Essen zuzubereiten. Seitdem Robin mit Hilfe des Königs das Schloss seiner Eltern wieder aufbauen hat lassen hatte er Angestellte. Es waren hauptsächlich die Angestellten von früher, die wieder zurückkamen als sie von der Nachricht hörten, dass die jungen Huntingtons wieder im alten Familiensitz hausten. Die einzigen neuen auf dem Hof waren zwei jungen Mägde und ein Stalljunge. Die Mägde halfen der Köchin in der Küche und waren für Winnifred und Barbara zuständig. Auch gehörte das abstauben und sauber halten des Schlosses zu ihren Aufgaben. Der Stalljunge hingegen war für die Pferde im Stall und auf der Koppel verantwortlich. Barbara stand auf. „Entschuldigt mich bitte.“ Wieder mal erdrückte sie das Schweigen. Seit sie zurückgekehrt waren redeten sie nicht mehr miteinander. Ihre Augen nahmen einen traurigen Ausdruck an als sie in die Runde sah. Früher im Wald hatten sie immer miteinander geredet. Und es war so schön und lustig. Sie hatten soviel gemeinsam gelacht, doch das ging schon lange nicht mehr. Schweigend verließ sie das Zimmer. Sie hatte die Sonne gesehen und wollte an die frische Luft. Und dieses Vorhaben setzte sie um. Die Älteren sahen ihr etwas erstaunt nach, ließen sie aber gehen. Schweigend saßen sie den ganzen Morgen schon zusammen. Will und Winnifred warfen ihrem Cousin besorgte Blicke zu, doch dieser nahm die kaum wahr. Er legte das Besteck beiseite und erklärte: „Ich werde mit Weißer Donner einen Ausritt machen.“ Mit diesen Worten stand er auf, rückte seinen Stuhl zurecht und verließ ebenfalls das Zimmer. Unsicher wand sich Winnifred an ihren Bruder. „Ich mache mir sorgen. Er scheint sie von Tag zu Tag mehr zu vermissen.“ Auch Will legte sein Besteck beiseite. „Ich weiß, was du meinst.“ Seufzend blickte er auf die soeben geschlossene Tür: „Damals hat er alle Gefühle für sie verleugnet, inzwischen sperrt er sie ein.“ „Ich kann mich noch gut daran erinnern. Seine Worte klangen so hasserfüllt.“ Winnifred lief es eiskalt den Rücken runter als sie an damals dachte. An den Abschied. An Marians Abschied. *************** Alle verfolgten mit blassem Gesicht wie der Kutscher die Kutsche wendete und langsam in die Ferne und im tiefen Wald verschwand. Marian saß darin und niemand konnte ihr helfen. Winnifred und Barbara schafften es sich aus ihrer Erstarrung zu lösen. Beide rannten so schnell sie konnten der Kutsche nach. „Marian, bleib hier!“ Will und Much eilten ihnen nach und hielten sie zurück. „Es ist zu spät“, bemerkte Will. Barbara und Winnifred traten Tränen in die Augen und sie klammerten sich an ihren Bruder. Little John ging auf Robin zu. „Das lässt du dir gefallen? Wenn du dich nicht beeilst siehst du sie nie wieder, ist dir das klar?“ Mit seinem rechten Daumen deutete er auf die in der Ferne verschwundene Kutsche. Er verzog sein Gesicht, beinahe als wäre er enttäuscht, dass Robin anscheinend aufgab. Missmutig verschränkte er die Arme vor der Brust. „Du bist dabei sie zu verlieren, für immer!“ Immer noch rührte sich der Junge nicht. Er hatte seinen Kopf gesenkt. Niemand konnte seine Augen sehen, die den Boden anstarrten. Es spiegelte sich Wut, Enttäuschung und auch Verletzlichkeit in ihnen. Er fühlte sich mies. Sie war weg. Er konnte nichts dagegen tun. „Ich hab ja nicht erwartet, dass du so schnell aufgibst“, reizte Little John ihn zusätzlich. Doch nun fuchtelte er wütend mit seinen Armen vor dem kleineren Jungen herum: „Ich dachte du liebst sie, wie kannst du sie so einfach gehen lassen?“ Robins geballte Faust begann zu zittern. Die Knöchel traten weiß hervor. Er versuchte den Schmerz mit seiner Hand zu zerquetschen. Alle Kraft legte er in diese Hand. Little John rechnete auch dieses Mal mit keiner Reaktion, doch plötzlich ertönten Worte. Leise, nachdrücklich und sehr hart. Sie nahmen jedem die allerletzte Hoffnung auf ein gutes Ende. „Ich liebe sie nicht, Little John! Ich habe sie nie geliebt!“ Mit diesen Worten drehte sich Robin um und rannte weg. *************** „Es waren damals so harte Worte. Ich bin froh, dass Marian sie niemals gehört hat.“ Winnifred faltete ihre Hände auf dem Schoss zusammen. Sie senkte ihren Kopf und gab sich dieser Erinnerung hin. Ihr Bruder nickte zustimmend. Er konnte Robin damals nicht verstehen. Aber nun dachte Will anders. „Es war damals sein Eigenschutz. Nur so konnte er sich vor den Gefühlen verschließen.“ „Wie grausam“, schluchzte Winnifred. Will sah sie an und legte ihr sanft seine Hand auf ihre. „Die Zeit heilt alle Wunden. Das weißt du doch.“ Traurig blickte sie in Wills Augen und nickte zustimmend. Wie recht ihr Bruder doch hatte und trotzdem… Nach all den Jahren spürte sie immer noch den Schmerz in ihrem Herzen. Robin trat in den Stall und zu Weißer Donners Box. Er bemerkte nicht die Schatten im Stall, die sich hinter dem Stroh versteckten. Seine Gedanken waren bereits wieder weit entfernt. Doch vor der Box kehrte er in die reale Welt zurück. Lächelnd begrüßte er seinen Freund. Nicht nur Robin war in den letzten Jahren zu einem stattlichen Mann herangewachsen, sondern auch sein Kindheitsfreund und Bruder der Weißer Donner war zu einem ausgewachsenen Hengst geworden. Robin öffnete die Box, holte Zaumzeug und einen Sattel hervor und bereitete sein Pferd für den bevorstehenden Ausritt vor. Wenig später verließ er den Stall mit samt Hengst. Barbara lugte hervor und atmete tief aus. „Das war knapp“, grinste sie zu ihrem Begleiter. Dieser rappelte sich nun auch auf. Er war etwa einen Kopf größer als die jüngste Huntington und ein eher schmächtiger Typ. Dennoch konnte er richtig anpacken wenn es nötig war. „Robin reitet heute aber früh aus. Weißt du was er hat?“ Er setzte sich auf einen Heuballen und streckte die Füße weit von sich. Aufmerksam suchte er Barbaras Gesicht nach Antworten ab. „Nein, ich weiß es nicht. Ich erfahre gar nichts. Mir wird alles verheimlicht. Winnifred geht es seit Jahren schlecht nur sie vertraut mir ihren Kummer nicht an. Will bereitet auch etwas Sorgen, lässt aber auch nichts verlauten. Und Robin verschließt sich vor Gefühlen. Ich weiß nicht was sie haben. Sie sagen mir nichts. Sie halten mich immer noch für ein Kind. Nur ich bin kein Kind mehr!“ Betrübt und traurig ließ sich Barbara neben den Jungen nieder. „Nein, das bist du wirklich nicht.“ Gedankenverloren kam die Antwort und im nächsten Moment schämte sich der Junge diese Gedanken laut ausgesprochen zu haben. „Meinst du das wirklich?“ Erfreut über dieses Kompliment nahm Barbara etwas Farbe auf den Wangen an. „Na…natürlich“, nickte der Junge zu und drehte verlegen seinen Kopf zur Seite. Plötzlich sprang er auf, schnappte sich eine Mistgabel und ging zu Weißer Donners Box hinüber. Wenn der Herr außer Haus war, konnte er schon mal die Box ausmisten. „Ben“, zog Barbara seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Mit noch mehr Farbe im Gesicht lächelte sie: „Du bist sehr nett! Danke!“ Und schon stob sie aus dem Stall hinaus. Ihre Gesichtsfarbe war nichts zu der des Stalljungen. Robin ritt nach Nottingham, doch kurz vor der Stadt entschied er sich um und lenkte sein Pferd zum Sherwood Forrest. Lange war er nicht mehr in diesem Wald gewesen und er fand es war an der Zeit nach dem Rechten zu sehen. Die Regentage hatten geendet und endlich schien die Sonne wieder über Sherwood Forrest. Bald schon hatte er die ersten Bäume passiert. Alte Erinnerungen wurden wach an seine Kindheit. Unfreiwillig waren sie damals in diesen Wald geflohen, nachdem Lord Alwine und seine Soldaten das Huntington Anwesen zerstört hatten. Die ersten Tage waren sehr anstrengend gewesen, doch sie hatten auch etwas Gutes an sich. Er lernte Marian kennen. Sie freundeten sich an und er half ihr oft in gefährlichen Situationen. Doch recht schnell bemerkte er, dass sie ihren eigenen Willen hatte und sehr stur sein konnte. Außerdem war sie sehr klug für ihr Alter. Der Weg führte ihn durch den Wald und viele dieser Pfade hatten sie damals zu Fuß passiert. Sein Ziel war der Wasserfall, ihr altes Versteck. Weißer Donner schien den Weg zu kennen, denn er schlug ihn fast von alleine an. Robin hingegen verfiel wieder ins Grübeln. Seit Marian auf ihr Schloss zurückgekehrt war fehlte etwas im Sherwood Forrest und besonders in ihm. Er war damals dankbar über die Möglichkeit sie wieder zu sehen. Ihm war sehr wohl die Gefahr bewusst gewesen in die er sich begab. Gilbert hatte aber Recht, denn Robin würde für Marian sterben. *************** Gilbert und Robin hatten eine Tasche mit ihren Masken dabei und begaben sich auf den langen Ritt zum Schloss Lancaster. Sie ritten damals durch den Sherwood Forrest, über hügelige Landschaften und durch kleine Dörfer. Als die Sonne hinter dem Horizont verschwand und die Nacht hereinbrach erreichten sie das Schloss. Bevor sie es betraten setzten sie ihre Masken auf. Es konnte losgehen. An der Burgwache zeigten sie die Einladungskarten. Misstrauisch beäugten die Soldaten die Fremden, doch ließen sie schließlich passieren. In diesem Moment war Robin das Herz in die Hose gerutscht auch wenn er das vor Gilbert nie zugegeben hätte. Beide ritten sie durch das große Tor. Im Hof wartete bereits ein Stallbursche um die Pferde zu versorgen. Die beiden jungen Männer sprangen ab und blickten vor sich auf das große erhellte Schloss. Ritter Gilbert nickte Robin aufmunternd zu und sie begaben sich gemeinsam auf den Weg zum Festsaal. Je näher sie dem Saal kamen, desto schneller begann Robins Herz zu schlagen. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von seinem Wiedersehen mit Marian. Sie betraten das Schloss und hörten die Musik spielen. Je näher sie der großen Tür zum Saal kamen, desto lauter wurde die Musik. Gilbert betrachtete noch einmal Robin und nickte ihm aufmunternd zu. Dieser atmete tief durch, ehe der Ritter den letzten entscheidenden Schritt tat und die Dienerschaft das große Doppeltor öffnete. Vor ihnen bot sich ein atemberaubender Anblick. Der ganze Saal war mit Kerzen hell erleuchtet. Auf einer Empore musizierten die Musiker. Gegenüber von Gilbert und Robin standen die Thronsessel von Lord und Lady Lancaster. Zwischen ihnen und dem Saal lagen wenige Treppenstufen nach unten. Schritt für Schritt folgte Robin seinem Freund, doch als er Lord Lancaster erblickte bekam er kalte Hände. Er betete zu Gott, dass dieser Mann ihn nicht erkannte. Kaum hatten sie den Boden berührt standen sie auf der Tanzfläche. Um nicht im Weg zu sein gesellten sie sich an den Rand, nahe der Treppe. Von diesem Standpunkt aus hatten sie alles im Blick. Erst jetzt wurde Robin wirklich bewusst wie viele Soldaten um ihn herum standen und auch im Saal verteilt waren. „Ich habe sie noch nicht gesehen“, raunte Gilbert seinem Freund zu. Robin schüttelte seinen Kopf. Er hatte sie auch noch nicht gesehen, aber ihn hatten auch die Soldaten etwas abgelenkt. Immer wieder blickten sie sich im Saal um, doch weder bei den Herrschaften in Konversation, noch bei den tanzenden Paaren konnten sie Marian entdecken. Robin beobachtete aus den Augenwinkeln das Herrscherpaar. Etwas tat sich, dass konnte er an Lord Lancasters Gesichtausdruck erkennen. Im selben Moment spürte er Gilberts Ellbogen. „Sie kommt“, zischte er ihm zu. Robin verzog das Gesicht und rieb sich unauffällig die getroffene Stelle während sein Blick die Treppe hinauf glitt und stockte. Er hielt in seiner Bewegung inne, ja, sogar sein Atem stockte für einen Moment und er hatte das Gefühl sein Herz blieb stehen. Soeben betrat sie den Saal. Ihre Haare waren in den letzten drei Jahren wieder gewachsen und so schön wie früher als er sie zum ersten Mal traf. Ihr zartrosa Kleid übertraf jedes andere in diesem Saal. Es saß an ihr wie eine zweite Haut und schmeichelte ihrer Figur. Ab der Taille fiel es weit aus. Robin schluckte. Sie war eine Frau geworden. Und was für eine. Ihre Figur war zierlich und schlank, ihr Gesicht war noch schöner als er es in Erinnerung hatte. Ihre Maske schmeichelte ihren Gesichtszügen und ihre blonde wallende Mähne trug sie offen. In ihrem Haar rundete ein Diadem das Erscheinungsbild ab. Anmutig und stolz schritt sie die Treppe hinab. Ihr Blick glitt durch den Saal als suche sie jemanden, dennoch lächelte sie so zärtlich, dass Robin sofort Herzrasen bekam. Erst suchte sie den rechten Teil des Saals ab, glitt über die Mitte bis hin zur linken Seite. Ihre Augen fixierten für einen Moment Robin und Gilbert als sie schon auf den Boden trat. Sie richtete ihren Blick nach vorne, die tanzende Gesellschaft hatte ihren Tanz unterbrochen um die Prinzessin würdig zu empfangen. Robin hielt erneut seinen Atem an. Sie stand nur eine Armlänge vor ihm. Er musste nur seinen Arm strecken um ihre Schulter zu berühren. Alle in diesem Saal verneigten sich vor der Prinzessin, selbst Robin als er von Gilbert einen erneuten unauffälligen Stoß bekommen hatte. Marian schenkte ihnen keinerlei Beachtung. Sie schritt auf ihre Eltern zu um sie standesgemäß zu begrüßen. Danach setzte die Musik ein und die Paare schwebten über den Boden. Kaum dass die ersten Takte erklangen, war Marian umgeben von männlichen Anwärtern. Von einem wurde sie auf die Tanzfläche geführt. Robin sah ihr einfach nur zu. Er nahm nichts mehr von seiner Umgebung wahr. Er sah sie und war hin und weg. Unaufhaltsam pochte sein Herz laut gegen seine Brust und er hoffte inständig, dass es niemand hörte. Gilbert grinste ihn verschämt an. „Bitte sie doch um den nächsten Tanz!“ „Wie?“, erschrocken wie Gilbert nur auf so eine Idee kam, blieb Robin das Herz stehen. „Das geht nicht.“ „Natürlich geht das“, grinste Gilbert und lächelte ihn wissend an. Robin beschlich das Gefühl, dass sein Freund etwas ausheckte. Doch als Marian an ihm vorbeischwebte, hafteten seine Augen und seine ganze Aufmerksamkeit nur noch auf ihr. Nach vielen Tänzen schaffte es Marian eine kleine Pause zu erlangen. Sie trat auf den großen angrenzenden Balkon, atmete tief die frische Nachtluft ein und genoss den Augenblick der Ruhe. Ihre blauen Augen blickten traurig in die weite Landschaft, denn wieder mal musste sie an ihren alten Freund denken. Durch die Aufwartung der vielen adligen Herren begannen ihre Gedanken um ihn zu kreisen und es stimmte sie traurig. Wenn sie ihn doch nur noch einmal sehen könnte, das war ihr sehnlichster Wunsch in dieser Nacht. Wie töricht, schalt sie sich selbst und kehrte in den Saal zurück. Robin und Gilbert hatten ihr aufgelauert und sich in der Nähe des Balkons positioniert. Sobald sie zurückkam, würde Robin sie um einen Tanz bitten. Sie trat ein und ging an Robin vorbei. Er tat nichts um sie in ein Gespräch zu verwickeln oder gar mit ihr zu tanzen. Gilbert konnte es nicht fassen, hing es denn wieder mal von ihm ab. Er trat ihr in den Weg. Die Prinzessin beachtete ihn gar nicht und wollte schon an ihm vorbei gehen, als seine Stimme sie zurück hielt. „Es freut mich euch wieder zu sehen, Marian.“ Sie schrak zurück und blickte auf. Erst jetzt erkannte sie die hohe Statur, die dunklen roten Haare und seine braunen Augen, die unter der Maske zu sehen war. „Ritter Gilbert“, hauchte sie zurück. Also hatte er ihre Einladung erhalten und sich auf den weiten Weg gemacht. Sie hatte so viele Fragen und sie erhoffte sich, dass sie ungestört mit einander reden konnten. „Lasst uns ein wenig an die frische Luft gehen.“ Er bot ihr seinen Arm und führte sie an Robin vorbei hinaus. Dieser beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Was hatte Gilbert nur vor? Marian sah sich um, konnte aber nur zwei Wachen ausmachen und die standen in einiger Entfernung. Wenn sie leise sprachen sollten ihre Worte unter ihnen bleiben. „Ihr seid wunderschön“, gestand Gilbert und wurde traurig, nicht dieselben Gefühle in ihr hervorzurufen wie sie es bei ihm tat. „Vielen Dank für euer Kompliment“, antwortete Marian, konnte es aber nicht verhindern leicht rot zu werden. „Wie ist eure Reise?“ „Sehr anstrengend, aber ich habe für ein paar Tage frei. Diese Zeit verbringe ich in Nottingham.“ Marian stutzte. Wollte er ihr damit etwas sagen? Unsicher sah sie zu ihm auf. „Alte Freunde leben dort. Wenn ich nur wüsste wie es ihnen geht.“ „Soweit ich das beurteilen kann geht es ihnen gut. Nur einer von ihnen hat Sehnsucht.“ Gilbert überkam ein Grinsen. Marian errötete. Konnte er Robin meinen? Hatte er von Robin gesprochen? Ihr Herz klopfte schnell und laut gegen ihren Brustkorb. Aus Angst sie könnte ihn falsch verstanden haben, hakte sie nochmals nach. „Einer von ihnen hat Sehnsucht, sagtet ihr. Sehnt er sich nach den Wäldern?“ „Das auch“, schmunzelte Gilbert. Konnte es sein? Marian nahm sich zusammen. Sie durfte nicht euphorisch werden. „Entschuldigt mich, bitte, ich bin gleich wieder da“, bat der Ritter und verbeugte sich tief vor der Prinzessin. Er drehte sich um und ging zurück in den Saal. Marian sah ihm nach und versuchte ihr rasendes Herz wieder zur Ruhe zu bringen. Langsam drehte sie sich um und blickte wieder in die Ferne. Gilbert ging an Robin vorbei ohne ihn anzusehen. „Sie wartet“, raunte er und schritt weiter voran. Erst als der Ritter in der Menge verschwunden war, nahm Robin all seinen Mut zusammen und trat zögernd auf den Balkon hinaus. Marian hatte ihm den Rücken zugewandt. Ihr Blick weilte in den Sternen. Ihr Haar schimmerte silbern im Mondlicht und sie raubte Robin den Atem. Zaghaft räusperte er sich. Freudig über Gilberts Rückkehr drehte sie sich um und strahlte übers ganze Gesicht, bis sie erkannte, dass es nicht der Ritter war. Ihr Lächeln verschwand. Ihre Augen blickten fast enttäuscht auf ihr Gegenüber. „MyLady“, Robin verbeugte sich tief vor ihr. Als er sich wieder aufrichtete sah er direkt in ihre wundervollen blauen Augen. Sie strahlten durch ihre Maske hindurch und er spürte tausende von Schmetterlingen in seinem Bauch aufflattern. „Entschuldigt, ich habe jemand anderen erwartet. Ich wollte nicht unhöflich sein“, sie lächelte ihn an und betrachtete ihn genauer. „Ich habe euch hier alleine stehen sehen und wollte euch ein wenig Gesellschaft leisten.“ Diese Stimme… Marian hielt inne, doch dann lächelte sie erneut. Ein junger Mann, etwa einen Kopf größer als sie. Er trug ein hellblaues Hemd und eine weiße Hose. Ein Adliger, vermutete sie. „Das ist sehr nett von euch“, sie ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Er trat näher an sie ran. Von der Seite blickte er auf sie herab. „Verzeiht mir meine Offenheit, aber ihr seht nicht glücklich aus.“ Marian betrachtete sein Profil. Er hatte Ähnlichkeit mit ihm. Sie drehte sich um und blickte wieder in die weiten des Schlossgartens. Sehnsüchtig verloren sich ihre Augen in der Ferne. „Das täuscht.“ Sie blickte ihn kurz von der Seite an. Auch er erwiderte ihren Blick. Langsam drehten sie sich einander zu, wobei er noch einen Schritt auf sie zu ging. Sie konnte ihm in die Augen sehen. Sie waren so blau wie der Ozean. Sie spendeten ihr Kraft und ließen sie nicht den Mut verlieren. Der entschlossene Blick, die braunen Haare, die schlanke Figur. Wie sein Vater, kam ihr plötzlich in den Sinn. „Bist du es wirklich?“, hauchte sie. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch starteten auf einmal. Ihr Herz begann zu rasen. Zittrig führte sie ihre Finger zu seiner linken Wange. Kaum dass ihre Hand seine Haut berührte folgte seine Hand und schloss ihre Finger fest ein. „Marian“, hauchte er zurück. Er blickte in ihre wundervollen blauen Augen und verlor sich in ihnen. Er hatte das Gefühl in ihnen zu ertrinken. Glücklich strahlten ihre Augen unter ihrer Maske hervor. Beide genossen diesen Moment. Lange hatten sie ihn sich herbeigesehnt, doch niemals erhofft, dass ihre Träume Wirklichkeit wurden. Seit ihrer plötzlichen Abreise waren drei Jahre ins Land gezogen. Sie gab die Hoffnung nicht auf, lebte in ihrer Gedankenwelt, doch an ein Wiedersehen glaubte sie nicht. Sie spürte ihre Hand in seiner. Die Wärme, die von seiner Hand ausging, und seine Finger hinterließen ein wohliges Kribbeln auf ihrer Haut. Sie sah ihn einfach nur an, betete dass diese Begegnung kein Traum war und wünschte sich ihn für immer ansehen zu können. Robin verfing sich in ihren Augen. Schon damals bewunderte er dieses ausdrucksstarke Blau. Er hatte immer das Gefühl verstanden zu werden, wenn er in diese Augen blickte. Sie waren sein Rettungsanker. Selbst wenn er an seinen Taten zweifelte, Marian gab ihm den Halt und die Unterstützung allein durch ihre Augen. Er spürte ihre zarten Finger an seiner Wange, das wohlige kribbeln, welches diese Berührung auf seiner Haut hinterließ und die ausbreitende Wärme in seinem Körper. Ihr Abschied hatte ihn sehr getroffen. Zu hoffen hatte er nicht gewagt, aber dank Big und diesem Maskenball konnte Robin sie wieder ansehen. Sie stand vor ihm und war noch schöner als er sie in Erinnerung hatte. Sie verloren sich in den Augen des anderen, doch plötzlich weiteten sich ihre aus Angst. Sie entriss ihm ihre Hand, legte sich diese an ihre Brust und wich zurück. „Du darfst nicht hier sein“, raunte sie. Immer wieder warf sie einen flüchtigen Blick um sich. Er setzte ihr einen Schritt nach und ergriff ihre freie linke Hand. Mit beiden Händen verdeckte er ihre komplett und spendete Marian in diesem Moment soviel Wärme, dass sie nur noch einen einzigen Wunsch verspürte. Sie wollte in seine Arme. Sie wollte in diese starken Arme. Wünschte sich, dass er seine Arme um ihren Körper legte, ihr Geborgenheit und Liebe schenkte. Traurig senkte sie ihren Blick und betrachtete den Steinboden. Es war ein Wunsch, der sich niemals erfüllen würde. „Bitte, schenkst du mir einen Tanz?“ Mit diesem Satz entriss er sie aus ihren Gedanken. Unsicher blickte sie auf. Sein Gesicht war markanter geworden. Bartstoppeln zeigten sich um sein Kinn. Die Haare trug er etwas kürzer als früher, dennoch hatte er seinen Wuschelkopf behalten. Vereinzelte Strähnen fielen ihm über die Stirn ins Gesicht und seine blauen Augen stachen unter der Maske hervor. Immer noch beunruhigt und besorgt starrten ihre Augen in die seinen. Aber dann legte sich doch ein Lächeln auf ihre Lippen. „Gerne!“ Robin führte seine Marian in den Saal und begab sich mit ihr auf die Tanzfläche. Zum Takt der Musik bewegten sie sich wie eine Einheit. Keiner von ihnen konnte den Blick abwenden. Sie schwebten in ihrer Welt und nur sie alleine zählten in diesem Moment. *************** Robin hatte den Wasserfall erreicht und blickte ihn nun hinauf. Hier war ihr ehemaliges Versteck. Er sprang vom Rücken seines Pferdes und trat ans Ufer. Damals konnten sie hier noch glücklich zusammen sein. Sie hatten vieles erlebt, viel für ihr Leben gelernt und sie waren gezwungen ihre Kindheit schnell hinter sich zu lassen und erwachsen zu werden. Einzig und allein Barbara durfte ein Kind sein. Will, Winnifred und Robin taten alles dafür um der jüngsten ihre Kindheit zu lassen. Sie zu schützen und sie nicht zu beunruhigen. Seine Augen verengten sich. Sie hatte sich verändert. Robin wusste, dass er Barbara immer noch als Kind ansah. Sie war seine kleine Cousine, fast wie eine Schwester und er wollte sie nur beschützen. Er konnte sie nicht mit seinen Problemen belasten. Es war zu ihrem Besten. „Weißer Donner, warte hier.“ Er begab sich auf den Weg hinauf. Der Eingang lag hinter dem Wasserfall und nach vielen Jahren kehrte er an den Ort seiner Kindheit zurück. *************** Plötzlich unterbrach die Musik und Robin war innerhalb weniger Augenblicke umkreist von Wachen. Entsetzt starrte Marian ihr Gefolge an. Die anderen Gäste wichen überrascht zurück. Gilbert hielt sich in der Menge versteckt, doch er überlegte tatkräftig wie er Robin helfen konnte. Robin baute sich schützend vor seiner Freundin auf. Lord Lancaster erhob sich. Langsam, aber entschlossenen Schrittes trat er auf seine Tochter und ihren Tanzpartner zu. „Robert Huntington.“ Marian riss entsetzt ihre Augen auf. Hatte doch jemand gelauscht und sie hatte es nicht mitbekommen? Ängstlich kauerte sie sich hinter Robins Rücken. Sie wusste nicht was jetzt passieren würde. Sie hatte Angst um ihren Freund. Ihm durfte nichts geschehen. Robin lächelte ergeben und nahm sich die Maske vom Gesicht. „Lord Lancaster, ich bin beeindruckt. Wie haben Sie mich erkannt?“ Der junge Huntington hatte nichts zu verbergen. „Robin, nicht, bitte!“ Marians Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Ihr seid ein Freund König Richards. Dieser sagte ab und schickte eine Vertretung. Welch bessere Gelegenheit bietet sich schon für einen jungen Mann um seine alte Freundin wieder zu sehen? Ein Maskenball ist die beste Möglichkeit ungesehen ins Schloss zu kommen. So musste ich nur noch abwarten.“ Der Lord war beeindruckt von Robins Mut, trotz der hohen auferlegten Strafe, sich im Schloss einzuschleichen. „Trotz allem, du weißt was dir blüht.“ Entschlossen stellte sich Robin gegen den Lord. Er hatte keine Angst und wenn er sterben musste, dann war es für Marian. Die Soldaten zogen ihre Waffen. „Werft ihn in den Kerker. Bei Sonnenaufgang wird er hängen.“ Ritter Gilbert stand in der Menge. Mit zusammengekniffenen Augen und einem rasenden Herz war er einsatzbereit. Finster beobachtete er seinen Freund umkreist von den Soldaten des Schlosses Lancaster. Er wollte ihm helfen, aber taktischer war es abzuwarten. Die Wachen rührten sich und traten einen Schritt auf Robin zu. Sie würden den Befehl ausführen, den jungen Mann einkerkern und beim nächsten Sonnenaufgang hängen. Plötzlich gebot ihnen eine helle, liebliche Stimme Einhalt. Niemand hatte mit Marian gerechnet. Sie stellte sich neben Robin, drückte ihren Körper eng an den seinen und ergriff mit ihren Händen seine linke Hand und seinen Unterarm. Fest verschlossen sich ihre Finger mit den seinen. „Nein, Lord, bitte nicht! Lasst Gnade walten!“ Lord Lancaster betrachtete seine Tochter wütend. „Robin hat nichts Böses getan. Er wollte mich nach all den Jahren besuchen. Ihn trifft keine Schuld. Er ist mein engster Vertrauter, Lord! Tut mir das nicht an! Ich bitte euch!“ Der braunhaarige Junge betrachtete Marian bewundernd von der Seite. Sie setzte sich für ihn und sein Leben ein. Zumal spürte er ihren Körper und ihre Hand auf seinem Arm, doch das unbeschreiblichste Gefühl war der Knoten ihrer beider Hände. Genau so sollte es sich anfühlen. Es war das wovon er so lange geträumt hatte. So nah war er ihr noch nie zuvor gewesen. „Marian“, bemerkte Robin leise, doch diese beachtete ihn nicht, sondern hielt dem Blick ihres Vaters stand. „Gnade! Ich flehe euch an! Gnade!“ Sie ließ Robin los und warf sich dafür auf ihre Knie. Lord Lancaster blieb die Luft weg. Seine Tochter bettelte um das Leben dieses Verbrechers. Er konnte das nicht dulden. Er durfte das nicht dulden. „Nein!“, gab er unnachgiebig von sich, doch Lady Lancaster trat auf ihn zu und legte ihm beruhigend eine Hand auf seinen Arm. „Lass ihn am Leben. Gib ihm noch eine Chance!“ Robin starrte Marian an. Eine Prinzessin durfte niemals auf die Knie fallen und um Gnade betteln. Doch sie tat es. Für ihn. Für sein Leben. „Robert Huntington!“ Robin blickte erschrocken auf. Der Ton in dieser Stimme ließ nichts Gutes verlauten. „Dies ist meine letzte Warnung. Solltest du noch einmal in die Nähe meines Schlosses kommen wirst du hängen! Und nun geh! Verlasse diesen Hof!“ Robin rührte sich nicht. Seine Augen glitten zu Marian, die nach wie vor kniete. „Noch einmal werde ich dich nicht auffordern, Robert Huntington!“ Diese Drohung wirkte. Robin setzte sich in Bewegung. Er drehte sich um und trat an den anderen Gästen vorbei. Sein Weg führte über die Treppe hinauf und hinaus auf den Gang. Gilbert blickte Robin nach, wie er den Saal verließ. Seine Augen wichen zu Marian, die nach wie vor auf dem Boden kniete mit gesenktem Haupt. Er ballte seine rechte Hand zur Faust, kniff seine Augen zusammen und wand sich ab. Auch er verließ den Saal. Marian indessen kniete am Boden und rührte sich nicht. Ihren Kopf hielt sie gesenkt. Niemand sollte die Tränen in ihren Augen sehen. Sie hatte Robin das Leben gerettet, doch sie würde ihn niemals wieder sehen. Sie konnte nicht aufstehen und ihn ansehen, denn sie wusste, dass sie dann diese Trennung nicht mehr überlebt hätte. *************** Gilbert war ihm an diesem Abend vor sieben Jahren auf den Innenhof gefolgt. Beide stiegen auf ihre Rösser und kehrten nach Nottingham zurück. Schweigend. Im Schloss Huntington erzählten sie alles Will und Winnifred und natürlich sorgte sich seine Cousine sofort um ihn. Sie hatte Angst ihn zu verlieren. Sie konnten ohne ihn nicht leben. Er war immer für sie da gewesen. Inständig bat sie ihn auf sich aufzupassen. Ein Schmunzeln trat auf seine Lippen. Wann war Winnifred wie seine Mutter geworden? Robin hatte den Unterschlupf fast erreicht. Das kleine Gartentor konnte er schon erkennen. Es wurde langsam marode, doch funktionierte es noch, als Robin es öffnete. Nun stand er hier. Zu seiner linken befand sich ihr selbst gebautes Haus. Es kam ihm gar nicht mehr sehr groß vor wie früher. Vor ihm lag ein Holztrümmerhaufen. Erschrocken musterte er ihn genauer. Es war der ursprüngliche Aussichtsturm gewesen. Er musste vor vielen Jahren zusammengebrochen sein. Er trat näher und blickte auf die kleine Sitzgruppe aus Baumstämmen. Er erinnerte sich noch sehr gut daran, wie sie früher gemeinsam gegessen hatten. Es waren schöne Augenblicke der anstrengenden und gefährlichen Tage gewesen. Er hob seinen Blick und hielt die Luft an. Die Aussicht war atemberaubend schön. Sherwood Forrest breitete sich vor ihm aus und es war noch lange kein Ende des Waldes in Sicht. Dies war er. Der große Wald, seine alte Heimat und sein Schlupfloch. In diesem Wald hatte er sich zu Hause gefühlt, nachdem Lord Alwine das Anwesen seiner Eltern zerstört hatte. Dieser Wald barg viele Gefahren, dennoch war es ein Wunder der Natur. Es gab soviel zu entdecken und Robin war sich sicher, dass er einige der Geheimnisse des Waldes kannte, aber noch lange nicht alle. Er beschloss einmal wieder herzukommen. Er wollte Barbara mitnehmen. Es war an der Zeit auch sie als Erwachsene anzusehen und sie dennoch an den Ort ihrer Kindheit zurückzubringen. Mit diesem Gedanken kehrte Robin um und verließ den Unterschlupf. Weißer Donner schabte bereits mit seinem Huf und prustete durch die Nüstern. Er wollte wieder zurück. Als Robin wieder näher trat, warf er nochmals einen Blick auf ihr ehemaliges Versteck hoch oben beim Wasserfall. Langsam sattelte er auf und drehte sein Pferd zur Rückkehr. Langsam ritt er durch den Sherwood Forrest zurück zum Anwesen der Huntingtons. Kapitel 3: Marian ----------------- Ein seltsames Gefühl breitete sich in Robin aus. Dunkle Wolken zogen auf und hüllten den Sherwood Forrest in Finsternis. Die Sonne, die hoch oben am Himmel stand, war nicht mehr zu sehen. Auch trat die Kälte mit dem Auftauchen der Wolken ein. Weißer Donner wurde immer unruhiger und in Robin wuchs das schlechte Gefühl Aufmerksam über die noch so kleinste Regung in seinem Umfeld trieb er sein Pferd langsam voran. Er spürte wie es begann unruhig zu tänzeln, doch Robin wusste es unter Kontrolle zu halten. Energisch nahm er die Zügel kürzer und klopfte seinem Freund den Hals. „Ganz ruhig, Weißer Donner!“ Er vernahm ein Rascheln und viele Stimmen. Robin bremste sein Pferd ab, sprang von seinem Rücken hinunter und führte ihn an seinen Zügeln weiter. Aufmerksam suchten seine Augen die Gegend ab und folgte den immer lauter werdenden Stimmen. Robin tätschelte Weißer Donners Hals und ließ ihn stehen. Leise pirschte er sich an die kleine Lichtung heran. Sein Körper war bis aufs äußerste gespannt. Er versteckte sich im Gebüsch und lugte hervor. Mehrere Männer mit Armbrüsten und Schwertern saßen zwischen ihren Pferden. Einer von ihnen sprang sehr wütend auf. Er war groß und wirkte Angst einflößend. Seine Muskeln zeigten wie stark er war. Auch wenn er eine Uniform trug, zeichneten diese sich darunter ab. Die langen schwarzen Haare hatte er zusammengebunden und fielen ihm über die Schulterblätter. Seine Augen blitzten argwöhnisch hervor. „Ihr wollt mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass ihr sie aus den Augen verloren habt?“, er knurrte sein Gefolge wütend an. „Sir, der Wald ist riesig“, verteidigte sich einer der Männer, doch verstummte sofort wieder. „Unser Auftrag lautet sie zurückzubringen. Tot oder Lebendig! Dreht jeden Stein um und sucht in jedem Winkel des Waldes nach ihr. Wir müssen sie finden! Viel zu lange schon sitzen wir in diesem Wald fest.“ Seine Männer erhoben sich und sattelten auf. Nach und nach verteilten sie sich in verschiedene Richtungen des Waldes. Robin kniff seine Augen wütend zusammen. Er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, aber er ahnte schreckliches. Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung hinter sich wahr. Vorsichtig zog er sich zurück und nahm die Verfolgung auf. Es dauerte nicht lange und schon stieß er auf eine Lichtung. Angespannt sah er sich um. Aus einem Impuls heraus wollte er seinen Bogen zücken. Er griff hinter sich und ins Leere. Wieso dachte er auch nie daran ihn mitzunehmen? Seit der Frieden in Nottingham eingekehrt war trug er keine Waffen mehr bei sich. Einzig und allein seinen Dolch hatte er immer dabei, da er diesen an seinem Gürtel trug. Aufmerksam wartete Robin. Doch es geschah nichts. Sein Körper war zum Zerbersten angespannt. Seine Augen auf jede möglich kommenden Gefahr gerichtet. Eine Falle, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf als jemand von einem Baum herunter sprang. „Angriff!“, rief die männliche Stimme. Im selben Moment blickte Robin hinauf und sah nur noch eine riesige Schwertklinge auf ihn niedersausen. Reflexartig zog er seinen Dolch und hielt ihn schützend über sich. Ein starker Druck breitete sich über seinen rechten Arm aus, doch er biss die Zähne zusammen. Die Büsche um ihn herum raschelten. Nach und nach traten Gestalten aus ihren Verstecken. Robin blickte sich hastig um und konnte sieben Gestalten ausmachen plus seinen persönlichen Angreifer. Der Druck auf seinen rechten Arm verstärkte sich. Robin kniff seine Augen zusammen. Nein, er gab nicht auf. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen den Angreifer und schaffte es schließlich ihn zurück zu stoßen. Wütend suchte er seinen Feind. Ein junger Mann nicht viel älter als er, jedoch wohl ernährt, stand ihm gegenüber. Er war einen Kopf größer als Robin selbst und die schwarzen Haare trug er nicht mal bis zur Schulter. Überrascht betrachtete Robin sein Gegenüber, dennoch war er auf einen weiteren Angriff vorbereitet. Erst war der fremde Angreifer perplex, dass ein solcher Schwächling sich gegen ihn auflehnte, doch nun war sein Kampfgeist herausgefordert. „Ich fordere dich zum Duell“, rief er dem, in seinen Augen schmächtigen, Jungen entgegen. Robin konnte es nicht glauben. Er war sich nicht sicher, ob er sein Gegenüber nicht verwechselte. Mehr Zeit zum Überlegen hatte Robin schon gar nicht mehr, denn der Kräftigere griff an. Es war ein ungleicher Kampf zweier ungleicher Größen. Schwert gegen Dolch, Schwere gegen Leichtigkeit. Immer wieder wich Robin den Angriffen aus, sprang hinweg oder hielt den Schlag mit seinem Dolch auf. Die Kampfweise erinnerte Robin an früher, ebenso der Sturkopf und die Aufforderung zum Duell. Soeben blockte der junge Huntington den nächsten Angriff als er in die braunen Augen seines Gegenübers blickte. „Little John, bist du das?“ Der nächste Angriff wurde vollführt. „Ja, der bin ich. Der große Little John! Räuber und Anführer der Sherwood Bande!“ Nachdem der Gegner wendig ausgewichen war, schlug der Bandit erneut auf Robin ein. „Meinst du nicht auch, dass wir diesen Kampf beenden können? Er ist doch sinnlos“, wagte Robin einen weiteren Einwand, doch er hatte nicht mit Little John gerechnet. „Ich bestimme wann ein Kampf sinnlos ist. Merk dir das endlich mal, Robin Hood!“ Erstarrt über seinen Spitznamen stellte Robin den Kampf ein. Mit großen blauen Augen betrachtete er seinen Gegner. Er hatte ihn also erkannt. Unfähig weiter zu kämpfen, ließ er seine rechte Hand mit dem Dolch sinken und betrachtete seinen ehemaligen Freund. Dieser startete einen erneuten Angriff. Er nahm Anlauf und hechtete mit der Klinge voran auf Robin zu. Der junge Huntington konnte sich nicht mehr rühren. War Johns Hass so groß auf Robin? Es war damals so viel passiert und vieles hätte Robin am Liebsten rückgängig gemacht, doch er konnte es nicht. Seine Augen waren einzig und allein auf Little John gerichtet. Stumm betrachtete er die herannahende Schwertklinge. Wenn das sein Ende war so sollte es sein. Er schloss seine Augen und wartete auf den alles vernichtenden Schlag. Er bereitete sich auf unsagbare Schmerzen vor, wie das Schwert in sein Fleisch eindrang. Aber vielleicht ging alles ja ganz schnell und er merkte kaum etwas von den Schmerzen. „Little John“, drang eine sanfte Stimme über die Lichtung. Es passierte nichts. Der erwartete Gnadenstoß blieb aus. Robin öffnete seine Augen und blickte direkt in Johns Gesicht. Es zeigte Hass und Wut, die braunen Augen blitzten ihn förmlich an und er biss sich auf seine Unterlippe. Das Schwert berührte Robins Brust, doch ohne ihm wirklich einzuschneiden. Der Räuberhauptmann hatte seinen Angriff abgebrochen. Er hatte im Kampf inne gehalten. Verärgerung spiegelte sich in seinen Augen wieder. Darüber, dass er es nicht zu Ende gebracht hatte sondern auf ihre Bitte hörte. Er hatte das Flehen in ihrer Stimme gehört. Seit wann war er so verweichlicht? Er war Little John, der große und bekannte Räuber. „Chefchen“, hakte ein junger Mann mit schmächtiger Gestalt nach. Er trug eine braune Zipfelmütze auf seinem Kopf und betrachtete die Szene mehr als ängstlich. Robin hielt Little Johns Blick stand. Immer noch rührte sich der kräftige Junge nicht. Plötzlich seufzte er und richtete sich zu seiner ganzen Größe auf. Das Schwert ließ er sinken. Robin hatte einen Augenblick Zeit sich umzusehen. Er war umkreist von acht Räubern. Es war die Sherwood Bande von früher. Viele hatten sich verändert. Bei einigen tat er sich schwer sie richtig zuzuordnen. Sein Blick glitt durch die Runde bis er an Much hängen blieb. Auch er hatte sich verändert. Er war zu einem jungen Mann herangewachsen. Seine markanten Gesichtszüge wurden durch die Stoppeln eines Barts unterstrichen. Einzig und allein seine schmächtige Figur hatte er behalten. Robin erstarrte. Hinter Much stand ein weiterer Räuber. Er erinnerte sich anfangs sieben gezählt zu haben, doch inzwischen waren es acht. Er war kleiner und in einen großen Umhang eingehüllt. Die große Kapuze hielt die Haare und das Gesicht in der Dunkelheit verhüllt. Little John bemerkte Robins Blick und drehte sich zu Much um. „Bring sie weg!“ „Jawohl, Chefchen.“ In diesem Moment drehte er sich um als ein weiterer Räuber durch die Büsche angehechtet kam. „Schnell. Zurück ins Versteck. Sie kommen!“ Erschrocken über diese Nachricht, funkelten Little Johns Augen. „Ihr habt Bug gehört! Los, beeilt euch!“, befahl er und sie alle rannten weg. Robin sah, wie Much den anderen Räuber an der Hand nahm und hinter sich herzog. Auch er nahm die Verfolgung auf und schloss zu Little John gleich auf. Aus den Augenwinkeln hatte er die Männer gesehen. Sie saßen auf ihren Pferden und schlossen schnell zu den Räubern auf. „Was geht hier vor? Wer sind diese Leute?“ „Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, keifte der Räuberhauptmann zurück. „Es geht mich sehr wohl etwas an. Immerhin geht es hier um den Sherwood Forrest. Was suchen diese Männer?“ Robin gab nicht auf, nein, er würde solange fragen, bis ihm Little John die Antworten gab, die er hören wollte. „Sie suchen mich“, antwortete der eingehüllte Räuber. Robin blickte auf als er wieder diese sanfte Stimme hörte. Erst jetzt bemerkte er, dass er direkt hinter Much und seinem Anhang lief. Little John überholte die beiden und trieb seine Leute an. „Los, schneller. Wir müssen hier weg.“ Die ersten Pfeile der Armbrust bohrten sich in die Bäume neben der Bande. Alle rannten sie noch schneller. Much sprang über eine Wurzel hinweg, doch sein Anhang hatte diese übersehen, stolperte und fiel der Länge nach hin. Much und Robin blieben erschrocken stehen. Langsam rappelte sich der Räuber auf. Robin sah die fremden Reiter näher kommen. Immer wieder sausten Pfeile an ihm mit einem Zischen vorbei. Er rannte zurück, kniete sich hin und fasste nach der zierlichen Hand. Als der Räuber seinen Kopf hob und ihn ansah, glaubte Robin sein Herz würde stehen bleiben. „Marian“, hauchte er fassungslos. Auch sie blickte ihn stumm an. Much trat unruhig auf der Stelle. Die Reiter kamen näher, der Beschuss wurde stärker. „Sie kommen. Beeilt euch!“ Robin blickte wütend auf, half Marian aufzustehen und umfasste ihre Hand fester. Entschlossen zog er sie hinter sich her. Kaum hatten sie einen Schritt getan, traf ein Pfeil die Stelle wo Marian zuvor gelegen war. Sie rannten an Much vorbei und dieser starrte erschrocken den Pfeil an. Doch ein Zischen direkt neben seinem Ohr ließ ihn aus der Erstarrung fahren und auch er trat die Flucht an. Schnell hatte er Robin und Marian eingeholt. Little John und der Rest der Bande waren längst verschwunden. Die Reiter verfolgten die drei flüchtigen Banditen. Der Abstand wurde von Zeit zu Zeit geringer. „Was machen wir denn nur?“ Much klang ängstlich und hilflos. Er hatte keine Idee. Sie kamen dem Versteck immer näher, jedoch brachten sie die anderen dadurch in Gefahr. „Wir verstecken uns bei mir. Kommt mit!“ Robin schlug einen Haken und zog Marian hinter sich her. Diese wusste nicht mehr wie lange sie noch durchhielt. Doch sie biss die Zähne zusammen. Much rannte neben ihr und betrachtete sie besorgt. „Bald haben wir es geschafft!“ Marian nickte kaum merklich. In Robin kreisten die Gedanken. Was war nur in all den Jahren geschehen? Warum befand sich Marian auf der Flucht und wieso verfolgten diese Männer sie? Im Moment fand er keine Antworten. Für ihn stand nur eines fest: Er würde sie beschützen. Ohne es zu merken verfestigte er seinen Griff. Marian hingegen spürte es. Erschrocken blickte sie zu ihm auf. Er rannte ein gutes Stück vor ihr, dennoch wusste sie welch entschlossenen Blick seine Augen hatten. Sie betrachtete seine Rückansicht. Seit ihrer letzten Begegnung war er noch einmal ein gutes Stück gewachsen. Inzwischen überragte er sie um einen Kopf. Er trug feine Kleidung, nicht mehr die von früher. Und er war ohne Bogen unterwegs. Marian starrte ihn traurig an. Er hatte nicht mehr mit Angriffen und Feinden gerechnet. Er war von einem friedlichen Leben ausgegangen. „Wir sind bald am Ziel“, riss seine Stimme Marian aus ihrer Gedankenwelt. Die drei schlugen Haken um ihre Verfolger abzuhängen und es wirkte. Sie liefen durch den dicht bewachsenen Wald, in dem die Pferde nicht durchkamen. Much warf einen Blick zurück, doch er konnte niemanden mehr sehen. Endlich hatten sie den Waldrand erreicht. Nach ein paar Schritten blieben sie stehen und hielten eine kurze Rast. Marian hatte sich vorne über gebeugt. Ihre Hände stützte sie auf ihren Knien. Ihre Lunge zersprang. Sie brannte beim Atmen. Es dauerte ein bisschen, bis sie ihre Atmung wieder richtig kontrollieren konnte. Much erging es ebenso, doch er stützte sich an einen nahe stehenden Baum. Er atmete tief ein und aus, doch plötzlich stockte ihm der Atem. „Was ist das?“ Mit großen Augen betrachtete er die Gegend vor sich. Robin hatte bis jetzt den Waldrand beobachtet, doch niemand erschien. Sie hatten es tatsächlich geschafft ihre Verfolger abzuhängen. Erst durch Much’ Aufschrei registrierte er seine Umwelt. Die Sonne hing bereits sehr tief. Bald würde die Nacht hereinbrechen. Alles schimmerte im goldenen und orangefarbenen Licht. Robin folgte dem Fingerzeig seines Freundes. Natürlich wunderte Much sich. Er war noch nie in diesem Gebiet gewesen. Zudem dieses Gebiet damals völlig zerstört war. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf Marian, die nach wie vor tief ein und ausatmete und den Boden unter sich betrachtete. „Das ist das Huntington Anwesen. Mein zuhause“, verkündete er nebenbei. Auch das Mädchen blickte auf das Bild vor sich und erstarrte. Er hatte es tatsächlich wieder aufgebaut. Sie war vor vielen Jahren zuletzt dort gewesen. Alles war zerstört. Er hatte die Hilfe König Richards angenommen um das Schloss seiner Eltern wieder zu erbauen. Das Anwesen war umringt von Koppeln, Ställen und einem kleineren Haus. Bestimmt war dieses für die Angestellten. Sie richtete sich auf und drehte sich zu ihm. In diesem Moment trafen sich ihre Augen. Sein Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung. Und Marian wurde unwohl unter diesem Blick. Er sah sie einfach nur an. Kein Lächeln, kein Wort. Stumm betrachtete er sie. Marian löste den Augenkontakt und lächelte Much an. „Lasst uns gehen, es wird bald dunkel!“ Much erwiderte ihr Lächeln und trat voran. Robin nickte und folgte dem Räuber. Marian blieb noch einen Moment stehen und betrachtete das wunderschöne Anwesen. Robin hatte ganze Arbeit geleistet. Sie war stolz auf ihn und seine Eltern wären das bestimmt auch gewesen. Sie wollte ihren beiden Begleitern folgen, doch beim nächsten Schritt spürte sie einen stechenden Schmerz im Fuß. Die ganze Zeit über hatte sie das Pochen gemerkt, doch sie konnte nicht aufgeben und hatte fest die Zähne zusammen gebissen. Nach der kurzen Rast musste sich die Verletzung verschlimmert haben. Sie hob ihren Umhang mit samt dem Kleid hoch und betrachtete ihren Fuß argwöhnisch. Er war angeschwollen. Der Sturz über die Wurzel war der Auslöser für den schmerzenden Fuß. Sie biss sich auf ihre Unterlippe und tat einen erneuten Schritt, doch die Belastung tat zu weh. Die Panik und Angst gefangen genommen zu werden, hatten sie den Schmerz nicht spüren lassen. Dafür kam dieser nun umso geballter. Robin drehte sich Marian zu. Als diese sich keinen Schritt rührte, kam er näher. Er sah in ihr schönes Gesicht und entdeckte den Schmerz darin. Schnell war er bei ihr, nahm sie ohne ein Wort unter den Knien und dem Rücken und hob sie auf seine Arme. Wie ein Baby trug er die Prinzessin zum Anwesen. Marian umfasste vor Schreck seinen Hals und klammerte sich fest. Mit großen Augen starrte sie ihn an. Ihr Herz klopfte unrund in ihrer Brust und in ihrem Bauch fing es zu kribbeln an. Er hatte nichts gesagt, er hatte nichts hinterfragt. Er tat es einfach. „Robin“, hauchte sie nahe an seinem Ohr, doch dieser reagierte nicht auf sie. Zielstrebig und die Augen nach vorn gerichtet folgte er Much. Als er seinen Namen nahe an seinem Ohr hörte, lief es ihm kalt den Rücken runter. Ihre Stimme war so sanft. Jedes Mal wenn er ihre Stimme hörte, stellten sich die Nackenhaare bei ihm auf. Sein Herz klopfte wild und laut in seinem Brustkorb. Er hoffte so sehr, dass sie es nicht hören konnte. Es war ein wunderbares Gefühl sie in seinem Arm zu halten und dieses Gefühl wollte er niemals wieder missen. „Ich bin doch sicher sehr schwer“, startete Marian einen neuen Versuch Robin dazu zu bewegen sie auf den Boden abzusetzen, doch er schüttelte nur seinen Kopf. Als er kurz zu ihr blickte, trat ein Lächeln auf seine Lippen. „Keine Sorge, du bist nicht schwer.“ Als müsste er es ihr beweisen, fing er mit ihr zu rennen an. Marian klammerte sich fester um ihn. Sie vertraute ihm, dennoch wollte sie einen Sturz vermeiden. Die beiden überholten Much. Überrascht setzte dieser nun auch zu einem Lauf an um die beiden wieder einzuholen. „Was soll das werden?“ Robin blieb kurz stehen, drehte sich um und antwortete: „Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch vor Einbruch der Dunkelheit ankommen möchten.“ Schon folgte er seinem Weg und rannte weiter. Much eilte hinterher. Die beiden argwöhnisch musternd. Barbara kniete am Fenster und beobachtete das weite Land bis hin zum Wald. Ihre braunen Augen blickten so besorgt und hilflos über die Wiese als hoffte sie etwas zu entdecken. Will und Winnifred standen hinter ihr und blickten ebenfalls in die Ferne. Die Sonne war verschwunden um der Nacht Platz zu lassen. Ein erneuter Schluchzer ließ Winnifreds zarten Körper erzittern. Will verfestigte den Griff um die Schulter seiner Schwester. Besorgt fixierte er den Wald. „Ich könnte ihn suchen gehen“, bemerkte eine männliche Stimme aus dem hinteren Teil des Zimmers. Will drehte sich um und betrachtete Ben, seinen Stalljungen. „Du weißt, dass wir das nicht zulassen.“ Barbara stand auf und trat auf Ben zu. „Ich möchte nicht, dass du dich in Gefahr begibst. Robin ist stark und mutig. Er kommt zurück.“ Sie drehte sich zu ihren Geschwistern um. „Vielleicht hat er die Zeit vergessen und bleibt über Nacht im Wald. Robin geht es bestimmt gut!“ „Ich weiß, Barbara“, nickte Will ihr lächelnd zu. „Dennoch mache ich mir große Sorgen!“ „Little John ist doch im Wald. Und die Sherwood Bande. Sie werden sich um ihn kümmern, davon bin ich überzeugt.“ Selbstbewusst blickte Barbara ihrem Bruder entgegen, doch Winnifred erlag einem erneuten Weinkrampf. Besorgt trat sie zu ihrer Schwester und nahm sie in den Arm. „Winnifred, bitte beruhige dich. Hör auf zu weinen.“ In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein junger Mann trat ein. Seine Mütze hatte er vom Kopf gezogen und das helle braune Haar stand ihm wild ab. Überrascht drehten sich die Huntington Geschwister zur Tür und erstarrten. Auch Ben beobachtete den Gast mit argwöhnischem Blick. Barbaras Augen wurden größer und begannen zu strahlen. „Das ist Much. Much!“ Erfreut rannte sie auf den alten Freund zu. Er war gewachsen in den letzten Jahren, genau wie sie. Lange hatten sie sich nicht mehr gesehen. Bewundernd musste der junge Räuber feststellen, dass Barbara zu einer wunderschönen Frau herangewachsen war. Auch ihr übermütiges und fröhliches Gemüt hatte sie behalten, worüber er sich sehr freute. Fast schon verlegen schloss er seine Arme um die junge Frau, die sich vor Freude an ihn schmiegte und eine Träne unterdrückte. „Barbara“, flüsterte Much überwältigt und betrachtete das Mädchen das nur noch zwei Köpfe kleiner war als er. Winnifred wischte sich über die Augen und starrte den Bandit überrascht an. Teils auch mit Entsetzen, denn ihr wurde wieder bewusst, dass Much nie ohne seinen Chef unterwegs war. Erwartete sie gleich eine schlimme Überraschung? Sie konnte sich nicht rühren, während Will fröhlich auf Much zuging. „Alter Freund“, begrüßte er ihn. Barbara löste sich aus der Umarmung und gab den Weg zu Much frei. Die Jungs reichten sich fröhlich die Hände. Much betrachtete den stattlich herangewachsenen Will und schluckte. „Will, sieh dich an! Aus dir ist ja was geworden“, grinste er neckisch. „Siehst du, dass hättest du niemals angenommen, nicht wahr?“, konterte der lachend. „Nicht wirklich“, lachte nun auch Much und entdeckte erst jetzt die dritte der Geschwister. „Hallo, Winnifred!“ Fast verlegen schabte er mit seiner rechten Fußspitze auf dem dunklen Holzboden. Kein Wort folgte, nur ein ausdrucksloser Blick traf den Bandit. Ben hatte alles genau beobachtet. Ihm fiel auf, dass Barbara errötet war, seit sie den Fremden begrüßt hatte. Will hingegen war erleichtert und fröhlich ihn zu treffen, während Winnifred ihn am liebsten wieder hinausgeworfen hätte. Im Stillen fragte sich Ben, woher sie den Fremden kannten und was geschehen war, dass die verschiedensten Gefühlsregungen auf eine Person so hervortraten. „Much, was machst du hier?“, fragte Will nach, dem kein Grund dieses Besuches einfiel. „Bist du allein hergekommen?“, hakte auch Barbara neugierig nach. Winnifreds Miene erstarrte und sie blickte Much kaltherzig an. Dieser legte verlegen seine Hand an seinen Hinterkopf und lächelte verschämt. „Nein, ich bin nicht alleine.“ „Ist Little John bei dir? Warum kommt er nicht rein?“ Barbara sah ihn verständnislos an, doch Winnifred ballte ihre Hand zur Faust. „Nein, Little John ist nicht hier“, bemerkte Much leise, während er Winnifred ansah. „Ich bin mit Robin hergekommen!“ „Robin? Er ist zurück?“ Will starrte seinen alten Freund an, doch in diesem Moment erschien Robin im Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Mit bedrückter Miene blickte er von einem zum anderen, jedoch verharrte er bei seinem Stalljungen. „Ben?“ „Herr“, verbeugte der angesprochene sich sofort. „Weißer Donner kam ohne euch zurück.“ „Er ist hier?“ Mit großen Augen sah er seinen Stallburschen an. Dann hatte Weißer Donner von sich aus den Wald verlassen und war nach Hause zurückgekehrt. Erleichtert atmete Robin aus. Das war gut, also ging es seinem treuen Pferd gut. „Wo bist du nur gewesen?“ Will sah seinen Cousin besorgt an. „Ben kam zu uns. Er sagte, dass Weißer Donner zurückgekehrt ist, ohne dich! Was ist passiert?“ Robin starrte Ben an und lächelte schließlich. „Ist er versorgt?“ „Ja, ich habe ihn trocken gerieben und ihn versorgt.“ „Das ist lieb von dir. Vielen Dank Ben, du kannst jetzt gehen!“ Der Stalljunge verbeugte sich noch einmal und verließ das Zimmer. Kaum war die Tür geschlossen richtete Robin den Blick auf seine Familie. Argwohn und Besorgnis spiegelten sich in seinem Blick wieder. „Marian ist hier“, er suchte Winnifreds Augen. „Sie ist verletzt und ich habe sie in mein Nebenzimmer gebracht. Betty kümmert sich gerade um sie und kocht ihr eine Suppe.“ Barbara und Winnifred blickten sich besorgt an. „Dürfen wir zu ihr?“ „Natürlich“, lächelte Robin seine kleine Cousine an. Die beiden Mädchen stürmten aus dem Zimmer und trafen im Eingangsbereich auf ihre Köchin. Gemeinsam traten sie die Treppenstufen in das obere Stockwerk hinauf. Kaum waren die Mädchen zur Tür raus, blickte Robin besorgt zu Will. „Hör zu, im Wald sind Kopfgeldjäger. Sie suchen nach Marian. Wir sind heute vor ihnen geflohen.“ „Was?“ Erschrocken starrte Will seinen Cousin an. Much nickte bestätigend. „Warum sind sie hinter Marian her?“ Beide blickten Much an, der seine Schultern hochzog. „Das wissen wir leider auch nicht. Sie hat uns nichts erzählt.“ Robin nickte und suchte die Augen seines Cousins. „Ich werde es herausfinden.“ Er klang so entschlossen wie lange nicht mehr. Much stand neben ihnen mit gesenktem Haupt. Ein seltsames Knurren war zu hören und als die Huntington Söhne zu ihrem Freund aus dem Wald blickten, nahm dieser eine rote Farbe auf den Wangen an. „Lasst uns zu Abend essen“, verkündete Will fröhlich. Nebenbei stieß er seinen Cousin mit dem Ellbogen in die Seite. „Vor lauter Sorge haben wir noch nichts gegessen.“ Entschuldigend lächelte Robin seinen Cousin an und hob abwehrend die Hände. „Es war keine Absicht, ehrlich!“ Doch im nächsten Moment breitete sich wieder eine tiefe Sorgenfalte auf seiner Stirn aus. Er verstand so vieles nicht. Marian war auf der Flucht vor diesen Kopfgeldjägern. Nur warum? Was war geschehen? Wieso war sie in den Sherwood Forrest zurückgekehrt? Fühlte sie sich dort sicher? Wieso hatte sie nicht das Land verlassen? Als sie durch den Eingangsbereich liefen, blieb Robin stehen und sah die Treppe hinauf. In einem der Zimmer lag Marian und wurde von Betty versorgt. Nie hätte er gedacht, sie noch einmal wieder zu sehen. Niemals hätte er auch nur erahnen können, dass sie in einem seiner Zimmer Schutz fand. Schutz vor diesen fremden Männern. Das Bild seiner Beobachtung trat ihm wieder in den Sinn. Die Männer saßen im Kreis. Einer sprang nun wütend auf. Er war groß und wirkte Angst einflößend. Seine Muskeln zeigten wie stark er war. Auch wenn er eine Uniform trug, zeichneten diese sich darunter ab. Die langen schwarzen Haare hatte er zusammengebunden und fielen ihm über die Schulterblätter. Seine Augen blitzten argwöhnisch hervor. Ungläubig erinnerte er sich an die gesagten Worte. Sie hatte von einem Mädchen gesprochen. Und von einem Auftrag. Sie mussten sie zurückbringen – tot oder lebendig. Es waren ganz sicher Kopfgeldjäger nur warum suchten sie Marian? Und wohin sollten sie Marian hinbringen? Zum Schloss Lancaster? War etwas mit ihren Eltern geschehen? Egal, was auch passiert war, er würde Marian beschützen und er würde sie nicht nochmals alleine lassen. Niemals würde er sie wieder gehen lassen. Robin senkte seinen Kopf, kniff die Augen wütend zusammen und ballte seine Hand zur Faust. Will drehte sich in der offenen Tür um und beobachtete besorgt seinen Freund. „Robin“, murmelte er leise. Kapitel 4: Schloss Huntington ----------------------------- Marian öffnete ihre Augen. Die Decke war mit Stuck verziert. Verwirrt blickte sie sich um. Das Zimmer, in welchem sie lag, war groß. Ein Schrank, ein Tisch, ein brennender offener Kamin und das Bett standen darin. Ein großes Fenster befand sich zu ihrer rechten Seite und zeigte die Dunkelheit der Nacht. Gegenüber der Fensterwand, befand sich eine Holztür. Eine zweite war nur ein paar Schritte von ihrem Bett entfernt. Überrascht, dass dieses Zimmer sogar eine dritte Tür hatte, nahm sie das Holz auch gegenüber ihrem Bett wahr. An den Wänden hingen Kerzenhalter. Wenige von ihnen brannten und hüllten alles in dämmriges Licht. Langsam richtete sie sich auf. Neben dem Bett befand sich ein kleiner Nachttisch auf dem eine kleine dampfende Schüssel stand. Der Holzboden in diesem Zimmer war in dunklem Holz gehalten. Das offene Feuer erwärmte das Zimmer. Sie betrachtete gedankenverloren den Kamin. Das Feuer brannte lichterloh. Es brannte als wäre es soeben angezündet worden. Unsicher wandte sie ihren Blick zum Fenster. Durch das Glas konnte sie in die Ferne blicken und eine Stadt im Licht des Mondscheins ausmachen. Neugierig sah sie sich erneut um. Wo war sie? Wie kam sie an diesen Ort? Sie schlug die Decke weg, schwang ihre Beine aus dem Bett und betrachtete verwirrt ihre Kleidung. Sie trug ein einfaches Leinenkleid. Fragend starrte sie an sich hinab und überlegte, wie sie plötzlich zu so etwas kam. Wieder blickte sie sich in dem großen Zimmer um. Die Tür neben dem Bett war nur angelehnt und Marian beschloss sich genauer umzusehen. Sie stellte sich auf und spürte einen stechenden Schmerz in ihrem Fuß. Vor Schmerzen kniff sie ihre Augen zusammen. Nun erinnerte sie sich wieder. Sie war auf der Flucht gewesen. Marian hatte eine Wurzel nicht gesehen und war darüber gestolpert. Sanft zog sie ihr Leinenkleid etwas hoch und entdeckte ihren dick einbandagierten Knöchel. Es war kein Traum, sie hatte es wirklich erlebt. Mit großen Augen blickte sie sich um. Dann hatte sie auch nicht geträumt Robin wieder zu sehen? Dann war sie tatsächlich im Anwesen der Huntingtons? Marian kramte in ihren Erinnerungen. Sie konnte sich erinnern, dass Robin sie getragen hatte. Bevor sie das Anwesen erreicht hatten, war Marian in seinen Armen eingeschlafen. Sie wollte es genauer wissen. Sie musste dieses Zimmer verlassen. Sie wollte zu ihm. Ihm für seine Hilfe danken und einfach nur in seine Augen sehen. Sie tat einen Schritt. Sie wollte ihren Fuß möglichst wenig belasten, doch bei der kleinsten Bewegung nahm der Schmerz überhand und ließ sie stürzen. Stimmen wurden laut. Lachen war zu vernehmen. In diesem Moment öffnete sich die Tür und das soeben erklungene Lachen verstummte. Marian biss sich auf ihre Unterlippe und versuchte den Schmerz unter Kontrolle zu bringen, doch er hörte nicht auf. Ihre Augen kniff sie fest zusammen und ihre zierlichen Hände ballte sie zu Fäusten. Schritte wurden lauter. Jemand rannte zu ihr. „Marian“, rief eine weibliche Stimme. Sie klang besorgt und erschrocken. Die Frau kniete sich zu ihr hinunter und packte sie an ihren Schultern. Marian konnte ihre Augen nicht öffnen. Zu gern hätte sie dieser Frau in die Augen gesehen, doch der Schmerz hinderte sie in ihren Bewegungen. „Marian!“ Weitere Schritte vernahm die Prinzessin, ehe sie in eine tiefe Dunkelheit fiel. Die Köchin Betty, Winnifred und Barbara waren ins Zimmer getreten und verstummten augenblicklich als sie die blonde, junge Frau auf dem Boden kniend vorfanden. Winnifred eilte zu ihrer alten Freundin und kniete sich zu ihr. Sie sprach Marian an, allerdings reagierte diese nicht auf sie. Hilfe suchend blickte sie zu ihren Vertrauten, doch keine von ihnen rührte sich. Mit einem Mal spürte Winnifred, wie Marian vorne überfiel. Rechtzeitig verhinderte die Braunhaarige einen Sturz. Entsetzt starrte sie auf die junge Frau hinunter. „Schnell, holt Robin!“ Barbara rührte sich und verschwand wieder zur Türe raus. Betty eilte nun auch auf die Mädchen zu und kniete sich ebenfalls auf den Boden. Sie half Winnifred Marian auf den Rücken zu legen und suchte nach dem Puls. Ihr Gesichtsausdruck war so ernst, dass Winnifred angst und bange wurde. Mit besorgten Augen blickte sie auf das blasse Gesicht hinunter bis die erlösenden Worte erklangen. „Sie ist nur ohnmächtig! Sorge dich nicht“, lächelte Betty erheiternd auf und betrachtete den jungen Gast. *************** Sie war eben auf dem Weg in die Küche gewesen als James die Eingangstür öffnete und der Herr des Hauses mit einem blonden Mädchen auf dem Arm eintrat. Verwirrt blieb Betty stehen und betrachtete das Bild. Ihre Augen richteten sich besorgt auf das Mädchen, doch Robin nahm ihr die Sorge. „Sie schläft!“ Auch er richtete seine Augen auf die junge Frau in seinen Armen. „Ich werde sie in meine Gemächer bringen. Betty, bitte kümmere dich um sie. Sie ist verwundet. Ihr Knöchel ist angeschwollen.“ Mit diesen Worten strebte er die Treppe an. Bevor der die ersten Stufen in Angriff nahm, drehte er sich nochmals zur Eingangstür. „Much, geh schon mal vor. James, bitte bring ihn zu meinen Cousins.“ James verneigte sich, ehe er hinter dem Gast die Tür verschloss und ihm den Weg zeigte. Betty blickte Robin verwirrt nach, der die Treppen hinauf stieg. Sie wusste nicht, wer dieses Mädchen war und wo er sie gefunden hatte, doch sie hatte eine Aufgabe erhalten. Mit schnellem Schritt war sie in die Küche geeilt. „Sally, koche eine Suppe und Tee. Beeil dich! Nancy, du kommst mit mir. Ich brauche deine Hilfe“, befahl Betty, während sie zu einem Regal eilte und ein bestimmtes Fläschchen ergriff. Im nächsten Moment verließ sie die Küche gefolgt von Nancy. Robin hatte das Mädchen in einem Zimmer am Ende des Ganges gebracht. Zuvor schickte Betty Nancy noch Kleidung und Verbände holen. Die Köchin betrat das kleine Gemach und hielt inne. Erstaunt beobachtete sie den Hausherren. Robin hatte Marian ins Bett gelegt und war gerade dabei sie zuzudecken. Zärtlich strich er ihr noch eine der blonden Strähnen aus dem Gesicht und betrachtete sie besorgt, ehe er sich aufrichtete. Erst als er neben dem Bett stand und gedankenverloren in die Nacht hinaus blickte, räusperte sich Betty und trat ein. „Robert, wir kümmern uns um sie. Sorge dich nicht!“ Sie lächelte ihn aufmunternd zu und auch er blickte sie an und lächelte. „Ich weiß, Betty. Vielen Dank, du bist die Beste!“ Er legte seine Hand auf ihre Schulter und drückte diese. Nancy klopfte an der Tür und trat ein. In ihren Händen hielt sie Leinentücher. Robin musterte sie erstaunt und suchte Antworten in Bettys Gesicht, doch diese lächelte nur wissend. „Mein Herr, ich muss euch jetzt bitten zu gehen. Wir werden die junge Dame umkleiden und uns um ihre Wunden kümmern.“ Der junge Huntington ließ überrascht Bettys Schulter los, rührte sich aber nicht. Wie festgefroren blieb er im Zimmer stehen. Nancy trat an ihrem Herren vorbei und legte die Leinentücher, sowie ein Leinenkleid über die Bettkante. Erst danach trat die junge Magd auf das Bett zu und schlug Marian die Decke weg. Mit großen Augen verfolgte Robin jede Bewegung. Seine Augen hafteten auf Marian und fast kritisch beobachtete er jeden Handgriff der jungen Magd. Plötzlich schob sich etwas Großes in sein Blickfeld und als er den Blick hob, sah er direkt in Bettys schelmisch grinsendes Gesicht. Sie hatte sich vor ihm aufgebaut und in sein Blickfeld gestellt. Ihre Arme hielt sie vor der Brust verschränkt und ihre Augenbrauen waren soweit hochgezogen, dass sie fast den Haaransatz berührten. Verwirrt wich Robin einen Schritt zurück und blickte seine Köchin fragend an. Er verstand nicht wieso Betty sich vor ihm aufbaute und ihren Gesichtsausdruck konnte er auch nicht deuten. „Robert Huntington. Ich verstehe ja, dass du gerne hier bleiben würdest, doch wir werden dieses Mädchen nicht vor deinen Augen umkleiden.“ Mit einem Schlag wurde Robin knallrot und ein verschämtes Lächeln trat auf seine Lippen. „Ich werde zu den anderen gehen. Immerhin haben wir einen weiteren Gast im Haus.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ eiligst das Zimmer. Bettys Grinsen wurde breiter. Sie drehte sich zum Bett und betrachtete Nancy. Diese hatte ebenso gerötete Wangen. „Was ist los, mein Kind?“ Entsetzt blickte die junge Magd auf und schüttelte ihren Kopf. Die Köchin nickte wissend und erklärte schließlich lächelnd. „Ich kenne diesen Jungen, seitdem er auf dieser Welt mit seinem ersten Schrei seine Ankunft verkündet hatte. Ich bin diesem Jungen ein Mutterersatz gewesen seit seine Eltern diesen schrecklichen Unfall gehabt hatten.“ Die beiden Frauen begannen Marian die Kleider auszuziehen und das einfache Leinenkleid anzuziehen. „Ich kenne ihn besser als sonst jemand in diesem Haus“, verkündete sie nun und betrachtete Nancy. Diese nickte bestätigend und machte sich mit raschen Fingern an ihre Arbeit. Die Röte auf ihren Wangen jedoch schwand nicht. *************** Schnelle Schritte hallten im Flur. Und schon stand er in der Tür. Mit besorgten, doch wachen Augen verschaffte er sich einen schnellen Überblick und war schon zur Stelle. „Was ist passiert?“ Eindringlich suchten seine Augen in Winnifreds Gesicht Antworten. Unsicher, besorgt und ängstlich blickte sie in die blauen Augen ihres Cousins. „Ich weiß auch nicht. Marian ist wohl aufgestanden. Als wir in das Zimmer kamen kniete sie auf dem Boden und reagierte nicht auf uns. Dann brach sie zusammen!“ Robin betrachtete das bewusstlose Mädchen. Ihre sowieso schon blasse Haut wirkte fast durchsichtig. Sie wirkte in diesem Zustand noch zierlicher und zerbrechlicher als sie war. Betty stand auf und stellte sich neben den jungen Mann. „Wir sollten sie ins Bett zurückbringen. Sie wird den Schlaf brauchen.“ Robin nickte ohne seine Augen von ihr abzuwenden. Immer noch konnte er nicht glauben, dass sie nun hier bei ihm war. Niemals hätte er es auch nur gewagt, sich so eine Möglichkeit zu erträumen. Entschlossenen Blicks kniete er sich zu ihr hinunter und hob sie auf seine Arme. Betty war mit einem Schritt beim Bett und schlug die Decke zurück. Vorsichtig als wäre sie ein kostbares Gut legte Robin seine Freundin in das Bett zurück. Betty schlug die Decke über das Mädchen und wickelte sie richtig ein. Winnifred stand auf und betrachtete die weiße Haut ihrer Freundin. Die blasse Gesichtsfarbe unterschied sich kaum zu dem weißen Laken. „Lassen wir sie schlafen.“ Mit diesen Worten drehte sich Betty um und trieb Winnifred und Robin aus dem Zimmer. In der Tür stand Barbara. Mit einem besorgten Blick auf Marian trat auch sie zurück auf den Flur und ließ die anderen aus dem Zimmer kommen. „Wird sie wieder gesund?“ Sorgenvoll richteten sich die braunen Augen des Mädchens auf Robin. Dieser legte seiner Cousine eine Hand auf ihre Schulter und lächelte sie ermutigend an. „Natürlich. Du kennst Marian. Sie ist stark.“ Auch Barbara begann nun zu lächeln, die Sorge schwand. „Ja, das stimmt. Sie ist ein tapferes und starkes Mädchen!“ Winnifred nickte ebenfalls. „Das stimmt. Das war sie schon immer gewesen!“ Auch in ihren Augen wich die Sorge der Fröhlichkeit. Betty beobachtete ihre Schützlinge und lauschte ihren Worten. Dieses Mädchen musste eine sehr gute Freundin dieser Kinder sein. Ihr Blick galt Robin. Für ihn bedeutete dieses Mädchen sehr viel. Das hatte Betty schnell gemerkt. Ein Lächeln trat auf ihre Lippen bei diesem Gedanken. Robin sah verwundert auf, doch sie schüttelte nur ihren Kopf. „Kommt mit, dann gibt es endlich Abendessen!“ Mit diesen Worten verließen sie den Flur und zogen sich in das Esszimmer zurück. Much und Will saßen bereits an dem großen Tisch und warteten sehnsüchtig auf die Rückkehr der anderen. Nicht nur des Hungers wegen sondern auch um zu erfahren, was mit Marian geschehen war. *************** „Willkommen in meinem Schloss, Majestät“, begrüßte Lord Lancaster seinen Gast und verbeugte sich tief. Die Familie Lancaster und ihre soeben angekommen Gäste standen im Thronsaal des Schlosses. Marians Vater begrüßte die Fremden höflich, Lady Lancaster betrachtete ihren hohen Gast aus Frankreich mit einem strahlenden Lächeln, während Marian ihn misstrauisch musterte. Drei Männer standen vor den Lancaster. Der Lord selbst stand dem Prinzen Frankreichs gegenüber, der zwischen seinen beiden Leibwächtern und treuesten Rittern stand. Er war so groß wie der Lord, sein blondes Haar fiel ihm offen auf die Schulter und rahmte das markante, männliche Gesicht ein. Die hellen blauen Augen stachen hervor und warfen Marian hin und wieder lüsterne Blicke zu. Er war schlank und seine Muskeln zeichneten sich unter seiner feinen Kleidung ab. Ein großer Umhang hing ihm um die Schultern. Sein Weg war weit und beschwerlich gewesen, dennoch hatte der sich gelohnt. Marian betrachtete die Rüstungen. Das Symbol kam ihr fremd vor. Sie wusste, dass dieser Gast aus dem Ausland kam. Und es erschreckte sie, dass er bei ihren Eltern so freundlich begrüßt wurde. „Euer Hoheit, meine Frau“, Lord Lancaster deutete zu seiner linken Seite, ehe er auf Marian zeigte. „Und das ist meine Tochter.“ Der Blondhaarige küsste Lady Lancaster die Hand, die daraufhin errötete und sie verlegen eine Hand an ihre Wange legte. Schon drehte er sich zur anderen Seite und trat auf die Prinzessin zu. Sie war eine schöne junge Frau. Ihr Körper war in sanftem Blau gehüllt und das Kleid schmeichelte der zarten Figur. Sie hatte wallendes, blondes Haar und wundervolle blaue Augen. Er verbeugte sich vor der Schönheit und ergriff ihre Hand. „Lady Marian, ich bin erfreut eure Bekanntschaft zu machen.“ Soeben wollte er auch ihre Hand küssen, als Marian ihm diese entzog. Überrascht blickte er auf und diese blauen Augen fesselten ihn. Wütend funkelte die Prinzessin ihn an und das war für den Blonden der Moment in dem er sich verliebt hatte. Lord Lancaster war über das Verhalten seiner Tochter empört. Seitdem sie diesen Robert Huntington kannte, hatte sie in jeder möglichen Situation ein sehr schlechtes Benehmen an den Tag gelegt. „Marian!“, warnte ihr Vater sie. „Entschuldigt, bitte Prinz Jean“, bemerkte Lord Lancaster zerknirscht. „Lord Lancaster, das ist schon in Ordnung“, beruhigte der Prinz lächelnd den Engländer, woraufhin Marian ihn noch wütender anfunkelte. Seine Augen trafen ihre und er lächelte über ihre Widerspenstigkeit. „Wir werden uns schon noch anfreunden“, fügte er hinzu und betrachtete die hübsche Prinzessin. *************** Marian wälzte sich unruhig in ihrem Bett umher. Sie träumte, doch es war kein Traum sondern die Realität, die ihr Bewusstsein erst verarbeiten musste. Ihre Augen flatterten unter den geschlossenen Lidern und ihre Lippen bewegten sich monoton. Sanft entfloh ein heißeres „Nein!“ *************** Tage waren vergangen und Marian versuchte diesem Prinzen immer wieder auszuweichen. Doch der schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, ihr auf Schritt und Tritt zu folgen. Eben war die Prinzessin des Schlosses Lancaster wieder auf der Flucht und trat in die große Bibliothek. Hinter sich schloss sie die Tür. Ihr Atem ging schnell und ihr Puls raste. Es war nicht die höfliche Art, doch als sie diesen Prinz gesehen hatte war sie davon gelaufen. Überrascht blickte sie sich um. Lange war sie nicht mehr in diesem Raum gewesen. Sie hatte ihn beinahe schon vergessen. Mit großen Augen besah sie sich die meterhohen Wandregale und jedes einzelne war gefüllt mit alten Büchern. Kaum war sie ein paar Schritte in die Mitte des Raumes getreten, öffnete sich die Tür und eine weitere Person drückte sich durch den Türspalt. Marian nahm die Bewegung hinter sich wahr. Sie musste nicht erst sehen, wer eingetreten war, denn dieser Jemand begrüßte sie bereits. „Lady Marian, welch Zufall euch hier anzutreffen.“ Prinz Jean war eingetreten und verbeugte sich vor der jungen Frau. „So ein Zufall“, keifte sie nicht sehr höflich zurück. Sie hielt ihm den Rücken zugewandt, verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und würdigte ihm keines Blickes. Prinz Jean lächelte hämisch über ihre spitze Bemerkung, ehe er sich umsah und neben die Prinzessin trat. „Welch schöne und große Bibliothek“, bemerkte er bewundernd. Misstrauisch beäugte sie ihn von der Seite. Zaghaft ging sie auf eines der Regale zu. „Ich bitte euch, eure Bibliothek ist mit Wahrscheinlichkeit um einiges größer als diese!“ Aus ihrer Stimme sprach der pure Hohn. Sie trat auf ein Regal zu und strich mit ihren Fingern sanft über die Buchrücken. Viele von ihnen waren sehr alt und wertvoll. Es waren Schätze! Wissen, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Und sie selbst verfügte über einen ebenso großen Schatz in ihrem Herzen. Sollte sie einmal Kinder haben, wird sie ihnen von Robin Hoods Abenteuern berichten. Der Held, der alles verloren hatte, dennoch niemals aufgab. Er trat für die Armen ein und bekämpfte die Bösen. Lange hatte sie nicht mehr an die vergangen Zeiten gedacht. Sie fühlte wie sich Hass in ihrem Körper ausbreitete, der die Wut über diesen egoistischen und Selbstvernarrten Prinz Jean bei weitem überstieg, und sich auf ihren alten verhassten Feind richtete - Lord Alwine! Ihre Meinung hatte sich nicht geändert, auch übte sie heimlich und im Dunkeln ihre Schwertkampftechnik. Sie wusste, dass Lord Alwine lebte und falls sie ihm begegnen sollte, wollte sie die Stärke besitzen um ihm seine gerechte Strafe zu erteilen. Prinz Jean beobachtete sie und bemerkte, wie die hübsche junge Dame ihre Hände zu Fäusten ballte und die Augen sich verfinsterten. Ein breiteres Lächeln trat ihm auf die Lippen. „Wie kann ein Mädchen, so jung wie Ihr seid, schon so einen starken Hass auf jemanden schüren, den es noch gar nicht lange kennt?“ Marian hielt inne. Und als sie seine Worte verarbeitet hatte, wurde ihr bewusst, dass dieser Prinz ihr Verhalten falsch interpretiert hatte. Überrascht blickte sie auf und in seine stechend blauen Augen. Dieser betrachtete das verwirrte Gesicht einen Moment, ehe er seinen Blick zu ihrer Hand schweifen ließ. Überrascht las er den Titel des Buches und trat einen Schritt auf die Lady zu. „Schätze und Kostbarkeiten aus Lancaster“, las er laut vor. „Wie bitte?“, hakte Marian irritiert nach, ehe ihr bewusst wurde, dass er ein Buch fixierte. Es war das Buch, auf dessen Rücken Marians Finger verweilten. Wie durch einen Zufall. Sie zog ihre Hand zurück und senkte ihren Kopf. Der Prinz hingegen wandte sich ihr zu. Er verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken und blickte auf die junge Frau hinab. Er war fast zwei Köpfe größer als die schöne Blondine und ein erneutes siegreiches Lächeln spielte um seinen Mundwinkel. „Ich habe gehört, dass sich ein goldenes Kreuz im Familienbesitz der Lancaster befinden soll. Es soll das Symbol der Lancasters sein.“ Kaum merklich zuckte Marian bei der Erwähnung zusammen. „Alte Legenden berichten, dass ein einfacher französischer Goldschmied dieses Kreuz für seinen König schmiedete, aber es einem alten Wandersmann aus England schenkte. Laut den Legenden war dieser Mann arm hatte Frau und Kind verloren und wollte nur noch zurück in seine alte Heimat. Man sagt, der Goldschmied habe Mitleid bekommen und ihm des Königs Kreuz geschenkt“, berichtete Prinz Jean, während er Marian beobachtete. „Er gab es ihm mit den Worten: Es soll dir Glück bringen und helfen deine Verzweiflung zu überstehen! Der Engländer wies dieses Angebot ab, doch der Goldschmied bestand darauf. Nachdrücklich gab er es in die Hände des bescheidenen Mannes. Dieser packte es ein und mit Zuversicht kehrte er zurück. Zurück in sein Heimatland. Zurück nach England. Den Schmied ereilte daraufhin ein furchtbares Schicksal. Als der König erfahren hatte, dass das Kreuz nicht fertig geschmiedet wurde, ließ er den freundlichen Schmied in seine tiefsten Kerker sperren.“ Marian fasste ihre Hände an ihrer Brust zusammen. Sie erinnerte sich noch zu gut daran, als es um ihren Hals hing und Lord Alwine es in seinen Besitz bringen wollte. Sie hielt ihre Augen geschlossen, denn wieder mal dachte sie an Robin. Fast sieben Jahre waren seit ihrem letzten Treffen vergangen. „Wie ich höre, kennt ihr die alten Geschichten auch.“ Unbeteiligt wollte Prinz Jean klingen, doch musterte er die junge Lady. „Natürlich. Ich bin eine Lancaster“, verkündete Marian entschlossen und blickte auf. Sie hielt den blauen Augen des Prinzen stand. „Ich habe Interesse an diesen alten Geschichten. Ich bewundere sie und möchte alles über die Wahrheit an ihnen erfahren“, er hielt kurz inne, doch schon sprach der Prinz weiter: „Ich möchte es gerne sehen. Gestattet ihr mir einen Blick auf dieses Kreuz zu werfen?“ Marian wich zurück. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. Sie konnte es ihm nicht zeigen. Es war unmöglich. Warum hatte dieser Mann bloß solch ein Interesse an dem Kreuz? „Aus welchem Grund?“ Er drehte sich ganz zu ihr. Marian wich zurück, doch hinter ihr befand sich ein großer Arbeitstisch an den sie mit ihrem Rücken stieß. Nur ein Schritt trennte ihn von der hübschen Frau und diesen Schritt überwand er schnell. „My Lady, ich möchte es nur kurz sehen. Man sagt es soll von einem unschätzbaren Wert. Der Schmied habe es so anmutig geschmiedet allein für seinen König.“ Marian wurde unbehaglich zumute. „Es ist nicht hier“, antwortete sie ängstlich. Immer wieder fragte sie sich, was dieser Prinz damit vorhatte. War er etwa, wie Lord Alwine damals, hinter dem Schatz der Wälder in Sherwood Forrest her? Marian durfte das nicht zulassen. Schon einmal hatten sie mit Habgier fast den Wald zerstört. Ein weiteres Mal würde sie es nicht zulassen. Sie hatte es dem Wald versprochen. Sie würde ihn beschützen für immer und ewig. Zu gut erinnerte sie sich daran, wo sie das Kreuz versteckt hatte. Sie und Robin wussten davon, sonst niemand. Sie beide hatten gebeten und geschworen für den Wald einzutreten. Und sie hielt ihr Versprechen. Sie schluckte und wiegelte schließlich ab. „Ich werde es euch bei Gelegenheit zeigen. Im Moment hab ich es nicht hier.“ „Dann lasst es uns holen. Weit kann es ja nicht sein“, drängte Prinz Jean, doch Marian schüttelte ihren Kopf. „Nicht an diesem Tag, Majestät“, beharrte sie stur. In diesem Moment konnte Marian in seinen Augen lesen. Sie bekam es mit der Angst zu tun, doch es gab kein Entkommen. Noch näher trat der Prinz auf sie zu. Streng fixierte er ihre Augen. Er wollte etwas sagen, als die Tür aufging und Lord Lancaster eintrat. Überrascht und doch leicht misstrauisch betrachtete er das Bild. „Darf ich erfahren, was ihr hier zu suchen habt?“ „Wir haben uns ein wenig unterhalten“, antwortete Prinz Jean lächelnd und trat von Marian weg. Erleichtert über das Erscheinen ihres Vaters lächelte Marian. „Wir haben uns nur unterhalten.“ Mit diesen Worten eilte sie an dem Prinz vorbei und strebte die Tür an. Sie knickste vor dem Prinzen und ihren Vater und verließ ängstlich und mit klopfendem Herzen die Bibliothek. „Oh, Robin“, murmelte sie vor sich hin. „Robin, wo bist du nur?“ *************** „Robin“, hauchte Marian. Ihre Stirn war nass geschwitzt, unruhig warf sie ihren Kopf im Schlaf umher. „Robin!“ Robin saß auf einem Stuhl in einer Decke eingehüllt und wurde durch die leisen, aber ängstlichen Rufe geweckt. Erst wusste er nicht zuzuordnen was er hier tat, doch als sein Blick auf die unruhig schlafende Marian fiel, war es ihm schlagartig wieder bewusst. Vorsichtig stand er auf und setzte sich zu Marian ans Bett. „Robin, wo bist du?“, hauchte sie im Schlaf und die ersten Tränen lösten sich aus den geschlossenen Augen. „Robin.“ Besorgt betrachtete er Marian. Die erste Träne wischte er ihr von der Wange und strich ihr eine nasse Strähne aus der Stirn. Sanft umfasste er ihr zartes Gesicht und strich mit seinem Daumen über ihre Wange. „Marian, ist gut“, flüsterte er. Sein Herz klopfte wie wild in seiner Brust. Er wusste nicht was sie träumte, doch es schien ein schrecklicher Traum zu sein. Sanft fuhr er mit seinem Daumen zu ihrer Nase um anschließend ihre Lippenkontur nachzufahren. „Ich bin hier, Marian. Ich lass dich nicht allein!“ Anhand der Berührung, wie auch den Worten, erschien ein Lächeln auf ihren Lippen. Ruhig und gleichmäßig atmete sie weiter. „Marian“, flüsterte er, sichtlich erleichtert ihr etwas Halt geben zu können. Seine Augen glitten über ihr schlafendes Gesicht hinab zu ihren Mund. Ihre vollen rosafarbenen Lippen waren leicht geöffnet und sahen so verführerisch einladend aus. Ohne weiter nachzudenken beugte sich Robin vor und stupste ihre Nase mit der seinen sanft an. Nach einem letzten kurzen Blick auf ihr hübsches Gesicht, schloss er seine Augen und ließ seine Lippen auf die ihrigen sinken. Kapitel 5: Claire und Marisa ---------------------------- Zaghaft klopfte es an der Tür, kaum wahrnehmbar. Im nächsten Moment öffnete diese sich leise knarrend und Betty trat ein. In einer ihrer Hände hielt sie eine dampfende Schüssel, mit der anderen schloss sie die Tür ebenso leise, wie sie diese geöffnet hatte. Erst jetzt richtete sie ihren Blick in das Zimmer. Marian lag in ihrem Bett und zu Bettys Überraschung saß Robin, in einer Decke eingehüllt, auf einem Stuhl. Besorgt, überrascht und auch entsetzt, dass der Junge sich in diesem Zimmer aufhielt und nicht in seinem eigenen, war sie mit schnellen Schritten am Bett und betrachtete ihn argwöhnisch. Sie wollte ihn bereits tadeln als ihr Blick auf das schlafende Gesicht des Jungen fiel. Ungläubig wandte sie ihre Augen zu der schlafenden Blondine, doch schon musterte sie den seligen Gesichtsausdrucks ihres Schützlings. Ob diese Schlafposition bequem war? Betty konnte es sich nicht so recht vorstellen. Mit einem Lächeln auf ihren Lippen stellte sie ihre eigenen Vermutungen auf. Und diese besagten, dass der junge Herr weit mehr als eine gute Freundschaft für dieses Mädchen empfand. Er konnte ihr alles erzählen, doch Betty war zu erfahren und hatte vieles erlebt in ihrem Leben um die Wahrheit nicht zu erkennen. Robin fehlte diese Eigenschaft noch. Sie konnte es ihm nicht verübeln, er war ja noch sehr jung. Als Betty in seinem Alter war wusste sie auch vieles nicht. Ein letztes zaghaftes Lächeln schenkte sie ihrem Schützling ehe sie sich zu Marian ans Bett setzte und sie liebevoll, dennoch nachdrücklich weckte. Das Kind hatte am Vorabend nichts mehr gegessen und wer wusste schon wie lange sie da draußen umher irrte bis Robin sie letztendlich gefunden hatte. „Liebes, aufwachen. Ein neuer Tag hat begonnen und die Sonne scheint“, erklangen Bettys sanfte Worte, jedoch sehr leise. Das junge Mädchen regte sich und öffnete müde ihre Augen. Zum ersten Mal konnte Betty die Augenfarbe des Kindes sehen und warf einen schelmischen Blick zu dem immer noch schlafenden Jungen. Kein Wunder, dass Robert verliebt war. Überrascht, über diese fremde Frau, schreckte Marian hoch und wich vor ihr zurück. Betty lächelte mütterlich. „Hab keine Angst, mein Kind. Ich bin Betty, die Köchin. Ich habe dir etwas zu Essen gebracht.“ Misstrauisch beäugte Marian die ältere Frau. Die schwarzen Haare nahmen bereits einen gräulichen Schimmer an und waren zu einem Knoten gebunden. Das Gesicht war rundlich, die Augen hatten einen grüngrauen Schimmer und blickten gütig drein. Betty griff nach der Schüssel und wollte Marian soeben füttern, als diese ablehnte. „Ich habe keinen Appetit“, erklärte sie argwöhnisch. „Oh, du musst aber was Essen. Du musst wieder zu Kräften kommen“, erwiderte Betty betreten über den Widerspruch. „Nein, danke“, konterte die Prinzessin ebenso, doch plötzlich gab Betty den Blick auf Robin frei. Überrascht und mit klopfendem Herzen betrachtete Marian ihren alten Freund. Er hatte an ihrer Seite gewacht. Eine Decke schenkte ihm Wärme über die Nacht. Er schlief tief und fest und sein Kopf hing ihm vorn über. Sicherlich bekam er Nacken und Rückenschmerzen von dieser Sitzhaltung. „Wenn du schon nicht für dich etwas essen möchtest, dann tu es wenigstens für Robert. Seit er dich hierher gebracht hat ist er stets in Sorge um dich und nicht mehr von deiner Seite gewichen. Iss etwas und wenn du es nur ihm zuliebe tust!“ Betty lächelte sie liebevoll an. Erstaunt lauschte Marian den Worten dieser Frau. Langsam begegnete ihr Blick Bettys und sie konnte Lachfältchen um die sanften Augen ausmachen. Skeptisch betrachtete sie die kleine dampfende Schüssel. Sie überlegte wie lange es her war, seit sie etwas Richtiges gegessen hatte. Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor. Nach einem letzten Blick in Bettys Augen, umschlossen sich Marians Hände zaghaft um die Schüssel. Unsicher blickte sie erneut kurz auf. „Danke!“ Betty nickte und lächelte sie einfach nur an. Unter strengem Blick aß Marian die Suppe und nach dem ersten Bissen spürte sie erst das starke Hungergefühl. Plötzlich begann sie die heiße, dickflüssige Creme hinunter zu schlingen. Schnell war die Schüssel geleert und Marian gab sie Betty verlegen zurück. Diese begann breiter zu grinsen und stand auf. „Ich nehme an, dein Hunger ist noch nicht gestillt.“ Auf diese Bemerkung hin entdeckte sie einen aufkommenden Rotschimmer auf Marians Wangen. Betty begann zu lachen. „Deswegen musst du dich doch nicht schämen, Kind. Ich hole dir gerne noch eine Schüssel.“ Mit diesen Worten stand Betty auf und verließ fröhlich das Zimmer. Marian wurde soeben bewusst wie unhöflich sie sich der Köchin gegenüber verhalten hatte. Sobald sie zurückkam wollte Marian sich noch bedanken. Unsicher blickte sie auf und betrachtete Robin. Er hatte wirklich die ganze Nacht an ihrem Bett Wache gehalten. Empfand er etwa doch Zuneigung für Marian? Sie wollte es so gerne glauben, doch die Unsicherheit überwog. Schmerzlich erinnerte sie sich an früher. Sie glaubte, er war verliebt, ebenso wie sie. Doch dann folgte die Nachricht, dass er eine andere liebte. Ein hübsches Mädchen aus der Stadt. In diesem Moment zerbrach ihr Herz. Von da an war ihr bewusst, dass sie nicht die gleichen Gefühle in ihm hervorrief, wie er in ihr. Ab diesem Augenblick hatte sich für sie alles verändert. Sie lernte mit dem Schmerz zu Recht zu kommen und doch war sie verwirrt. Zu viele Momente gab es in denen sie das Gefühl hatte, es gäbe nur sie, Marian, für ihn. Sie wusste nicht was er fühlte und in diesen Dingen vertraute er sich ihr auch nicht an. Robin regte sich. Langsam schlug er seine Augen auf und orientierte sich erstmal. Verschlafen blickte er sich um, konnte nicht zuordnen wo er sich befand. Er rührte sich, merkte aber die Verspannung in seinem Nacken. Verärgert über den Schmerz ließ er seinen Kopf kreisen, doch plötzlich hielt er inne. Überrascht blickte er auf. Vor ihm saß Marian in ihrem Bett. Sie sah ihn schüchtern an. Ihm entgingen nicht der sanfte Rotschimmer auf ihren Wangen und das verhaltene Lächeln auf ihren Lippen. Seine Augen blieben an ihren Lippen hängen. Er erinnerte sich wieder genau daran, wie sie sich anfühlten, wie sie schmeckten. Robin wusste, dass er seine Tat gerne wiederholen würde. Es hatte sich richtig angefühlt, auch wenn sie nichts davon mitbekommen hatte. Immerhin hatte er ihr einen Kuss geraubt, während sie friedlich geschlafen hatte. „Marian“, bemerkte er verlegen, während er seine Augen ihren verführerischen Lippen entriss. Er wollte aufspringen, doch sein Rücken weigerte sich. Robin hatte in einer unmöglichen Position genächtigt und die Schmerzen waren nur die gerechte Strafe dafür. Langsam richtete er sich auf, streckte seine müden Gliedmaßen und auch seinen Rücken. Er versuchte es erneut und dieses Mal gelang ihm das Aufstehen. Die Decke faltete er zusammen und hing sie über die Stuhllehne. „Hast du gut geschlafen?“ Besorgt beobachtete er seine Freundin. Seit diesem Morgen war ihr Blick verhalten. Was hatte sie nur? Sie blickte ihm in die Augen und nickte bedächtig. Etwas verwirrt wandte sie ihren Blick ab. Ihr wurde bewusst, dass sie auf Robins Lippen gestiert hatte. Langsam kamen die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück. Sie erinnerte sich schlecht geträumt zu haben. Doch dann kam ihr in diesem Traum Robin zu Hilfe. Er rettete Marian und in einem stillen, zärtlichen Moment küsste er sie. Sie fragte sich, wie es wohl sein würde seine Lippen zu spüren. In ihrem Körper spielten bereits wieder ihre Gefühle verrückt. Kaum sah sie ihn überschlug sich ihr Magen. Seine blauen Augen sorgten für ein wohliges Kribbeln in ihrem Bauch und seine Stimme brachte ihr Herz zum Rasen. Hilflos stand Robin vor ihrem Bett. Wie ein kleines Kind, unfähig etwas zu sagen oder zu machen, kam er sich in diesem Augenblick vor. Er hatte sie angesehen, einfach nur kurz angesehen, und sein Körper spielte verrückt. Jede Faser seines Körpers wollte zu ihr. Die Gefühle verwirrten ihn. Am liebsten hätte er sie in seine Arme geschlossen und geküsst. Er erstarrte ertappt. Ein Rotschimmer trat auf seine Wangen. Was dachte er da nur? Er wusste nicht was er tun oder sagen sollte. Marian blickte wieder zu ihm auf. Unsicherheit spiegelte sich in ihrem Gesichtsausdruck stärker als zuvor. Sie verstand nicht, warum er so schweigsam war. Hatte er ihr nichts zu erzählen? Seit sie vor langer Zeit fort gegangen war, musste doch viel geschehen sein. Wollte er sie nicht an diesen Dingen teilhaben lassen? Sie senkte ihren Kopf und richtete ihre Augen auf die weiße Decke. Vor sieben Jahren war er zu ihr gekommen, doch Marian erinnerte sich kaum, dass sie sich viel erzählt hatten. Sie verlor sich damals in dem Gefühl des Glücklichseins. Sie hatten zusammen getanzt, ehe Robin das Schloss für immer verlassen musste. Aber geredet hatten sie nicht. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie er sich eine Hand an seinen Hinterkopf legte und auf den Boden stierte. Traurigkeit überfiel plötzlich ihren Körper. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen. Doch Marian wollte mit ihm reden. Sie wollte ihm ihre Ängste mitteilen, Schutz in seinen starken Armen erbeten und die Vergangenheit einfach vergessen. Entschlossen richtete sie ihren Blick wieder auf ihren alten Freund. Ihre blauen Augen betrachteten sein Gesicht und sie verharrte so. Robin erwiderte ihren Blick. Unentschlossen was er nun tun sollte. Er musste etwas zu ihr sagen. Irgendetwas, ganz egal was. Aber ihm trat kein Wort über die Lippen. Stumm sah er sie an. „Robin“, hauchte Marian. Der Mut hatte sie wieder verlassen. Sie senkte ihren Blick wieder auf die Decke. „Hab vielen Dank, für alles was du für mich getan hast!“ Erstaunt lauschte er ihren Worten, doch schon lächelte er. „Und ich werde noch mehr für dich tun, Marian! Ich werde dich in allem unterstützen. Glaub mir, das werde ich.“ Im nächsten Moment biss er sich auf die Zunge. Was sagte er da? Sie hatte sich doch einfach nur bei ihm bedankt. Für seine Hilfe im Wald, für das Tragen zum Anwesen und für die Unterkunft. Marian nickte kaum merklich, doch dann sah sie auf. „Ich danke dir, mein Freund!“ Sie lächelte, schloss ihre Augen und wirkte in diesem Moment glücklich. Auch Robin lächelte, immer noch die Hand an seinem Hinterkopf. Die Tür öffnete sich erneut und Betty trat wieder mit einer dampfenden Schüssel. Ihre Lippen umspielten ein fröhliches Grinsen als sie die beiden wachen Kinder vorfand. Ihr Gesichtsausdruck wirkte unschuldig, dennoch irritierte das Grinsen auf ihren Lippen die Kinder. Betty reichte Marian die Schüssel mit der Suppe und diese nahm sie dankbar und lächelnd an. „Vielen Dank, Betty! Ihr kümmert euch so liebevoll um mich.“ „Das ist schon in Ordnung, mein Kind“, winkte die Köchin ab und zwinkerte schelmisch zu ihrem Schützling. „Für Roberts Freunde mach ich doch alles.“ Der wissende Blick, das schelmische Grinsen und das Augenzwinkern verunsicherten Robin so stark, dass er es vorzog sich zurück zu ziehen. „Ich werde dich in Ruhe essen lassen“, stotterte er verlegen. Mit ein paar Schritten war er zurück gewichen. Betty hatte es noch nie geschafft ihn derart aus der Fassung zu bringen, doch in Marians Gegenwart schaffte sie es seit dem Vorabend immer wieder. Wusste Betty mehr als er selbst? Was sollten ihre Anspielungen? Robin kam sich überfahren vor, unsicher und hilflos. Marian brachte ihn komplett durcheinander. Seit ihrer Ankunft war er nicht einmal an seinem Arbeitstisch gesessen um wichtige Unterlagen durchzusehen. Er hatte kaum Ruhe gefunden in der Nacht. Er hatte sich erst in sein Bett gelegt und versucht zu schlafen, doch der Gedanke allein, dass Marian im Zimmer nebenan lag, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Zudem wirkte sie so unheimlich blass und er sorgte sich um sie. Aus diesem Grund hatte er sich sein Nachtlager auf einem Stuhl eingerichtet. Allein aus Sorge um dieses Mädchen, das ihn um den Verstand brachte und vor Jahren ein tiefes Loch in sein Herz gerissen hatte. Betty und Marian kümmerten sich nicht weiter um ihn. Marian löffelte ihre Suppe und Betty achtete wieder darauf, dass sie alles aufaß um zu Kräften zu kommen. Robin verließ unauffällig ihr Zimmer und lehnte sich an die hinter ihm geschlossene Türe. Tief atmete er ein und aus. Sein Körper tat nicht mehr das was er wollte. Seine Gefühle sehnten sich nach diesem Mädchen und das so stark, dass Robin Mühe hatte dagegen anzukämpfen. Am Besten wäre es, wenn er sie für den Rest des Tages in Ruhe ließ. Er würde sich eine Suppe holen und sich in sein Arbeitszimmer zurückziehen. Vielleicht brachte der räumliche Abstand Robin wieder zur Vernunft. Marian hatte alles aufgegessen und bekam einen heiteren und stolzen Blick von Betty zugeworfen. „Heute kommt jemand um sich deinen Fuß anzusehen“, verkündete die Köchin. Erschrocken blickte Marian auf. „Wenn alles gut geht, kannst du morgen schon wieder aufstehen und ein wenig spazieren gehen.“ Ein Lächeln trat auf die Lippen des Mädchens. „Vielen Dank, Betty.“ Betty schob den Stuhl zurück an den Schreibtisch und warf sich die Decke über ihren Arm. „Ist schon gut, mein Kind. Du brauchst dich nicht dafür zu bedanken. Dank lieber Robert! Er hat dich hierher gebracht hat.“ Marian errötete und nickte lächelnd. „Das werde ich“, antwortete sie. Betty nickte zufrieden und ging zur Tür. Als sie die Tür öffnete um das Zimmer zu verlassen blieb sie kurz stehen. Vor ihr standen Barbara und der andere Gast aus letzter Nacht. „Dürfen wir zu ihr?“ Mit großen Augen blickte Barbara ihre Köchin an. „Natürlich, geht nur hinein.“ Betty trat zurück um den Eintretenden Platz zu machen und verließ selbst das Zimmer. Barbara und Much traten zu Marian ans Bett. „Hallo Marian“, lächelten die Beiden. Marian hatte sie gar nicht bemerkt. Doch als sie die Stimmen hörten blickte sie überrascht auf. „Much“, lächelte sie und ihre Augen glitten zu Barbara und musterten sie aufmerksam. „Barbara.“ Sie öffnete ihre Arme und das rotbraunhaarige Mädchen ließ sich in eine Umarmung nehmen. „Du bist ja gewachsen. Es ist viel Zeit vergangen seit ich euch verlassen habe!“ „Marian, ich bin so froh, dass du wieder bei uns bist“, erwiderte Barbara und drückte sich an die schöne Frau. Much zog sich den Stuhl heran, während Barbara auf Marians Bettkante Platz nahm. „Aus dir ist eine richtige Lady geworden.“ Überrascht betrachtete Marian Barbara, dessen Wangen mit einem Rotschimmer überzogen waren. „Sicher hast du vieles erlebt. Erzähl doch etwas, bitte.“ Marian verknotete ihre Hände ineinander. „Als ich damals zurückkehrte unterrichteten meine Eltern mich in der Etikette.“ „Etikette?“ Much warf dieses Wort fragend ein. „Das Benehmen am Hofe, das richtige Verhalten in Gesprächen mit anderen Adligen und auch das Tanzen.“ Beide schauten sie mit großen Augen an. „Meine Eltern gaben viele Bälle und wir wurden auch auf viele Bälle eingeladen.“ Die großen Augen von Barbara wurden noch strahlender und größer. „Das ist ja toll. Du hast bestimmt viele Menschen kennen gelernt.“ „Ja, das habe ich“, Marian dachte an diesen widerlichen Prinzen zurück und krallte ihre Finger in die Decke, doch rissen die folgenden Worte Marian wieder in die Realität. Sie konnte Fröhlichkeit, kindliche Bewunderung und begeisterte Aufregung heraushören. „Ich möchte auch gerne auf einen Ball. Das muss sehr aufregend sein. Es gibt so viele andere nette Menschen mit denen man sich einfach unterhalten kann oder auch nur tanzen. Wenn ich doch nur tanzen könnte“, seufzte Barbara und war im nächsten Moment zu Tode betrübt. Marian hatte Barbaras Worten gelauscht, hatte die Augen gesehen und das strahlende Lächeln auf den Lippen der jungen Frau wahrgenommen. Ab diesem Moment wusste Marian, dass Barbara die Welt als friedlich sah. Sie beschloss ihr die Träume nicht zu nehmen. Sie lächelte und bemerkte: „Es ist wirklich aufregend. Sollte ich wieder auf einen Ball kommen, werde ich dich dann mitnehmen.“ „Versprochen?“ Die braunen Augen erstrahlten wieder, doch dann: „Aber ich kann gar nicht tanzen.“ Marian lachte. „Keine Angst, das kann ich dir beibringen!“ Much hatte dem Mädchengespräch desinteressiert zugehört. Er hatte eines seiner schlaksigen Beine über das andere gelegt und die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Sein Blick war an die Decke gerichtet und die Gedanken nicht in diesem Raum. In diesem Moment träumte er vor sich hin. Er befand sich inmitten eines großen Saals. Um ihn herum standen viele Menschen, doch das alles zählte nicht. Es zählte in diesem Augenblick nur er. Er, der eine Krone auf dem Kopf trug und Marian, die ihn anstrahlte. Sie beide waren die einzigen auf der Tanzfläche und Much führte seine Königin zu den Takten der Musik. Unsanft riss Barbara ihn aus seiner Träumerei. „Hast du das gehört? Marian bringt mir das Tanzen bei.“ Ihre Augen leuchteten vor Freude und Much, der immer noch in seinem Tagtraum schwebte, lächelte nur und nickte. Marian beobachtete die beiden lächelnd. „Und was habt ihr so alles erlebt?“ Barbara überlegte. Sie tippte sich mit ihrem Zeigefinger ans Kinn und verschränkte den anderen Arm über die Brust. Diese Stellung hatte auch Bruder Tuck immer eingenommen wenn er überlegt hatte. „Du bist nicht lange fort gewesen, da kamen zwei Mädchen zu uns in den Wald.“ Überrascht blickte Marian auf und lauschte den Worten Barbaras. Much nickte plötzlich. „Das stimmt ja, ich habe sie fast wieder vergessen.“ *************** Es war ein sonniger Tag in Sherwood Forrest und der Frieden hielt schon seit einigen Monaten. König Richard hatte sein Versprechen, sich gut um Nottingham und den Wald zu kümmern, gehalten. Der Räuberbande von Sherwood Forrest fehlte es an nichts. Sie bekamen einmal in der Woche aus der Stadt eine Fuhre mit Essen und Kleidung gebracht. So mussten sie nicht mehr stehlen und Unschuldige überfallen. Little John, Robin und Will waren zusammen beim Schloss Huntington gewesen um zu sehen, wie die Arbeiten des Aufbaus vorangingen. Noch ein paar Monate dann würde das Anwesen der Familie Huntington wieder stehen. Robin blickte mit stolzen Augen auf das bereits fast fertige Schloss. Little John lehnte gelangweilt an einem Baum und rümpfte seine Nase. Will hingegen drängte zur Rückkehr, da die Nacht langsam hereinbrach. Die Nacht war schneller gekommen als sie erwartet hatten. Mit wachen Augen traten die drei Jungen durch den Wald. Sie wussten dass um sie herum Gefahren lauerten. Auf dem Rückweg hörten sie Wölfe jaulen und auch knurren. Im nächsten Moment erklang ein heller, spitzer Schrei durch die Äste des Waldes. Die Jungs blickten sich an und folgten dem grellen Schrei. Hinter einem Busch blieben sie stehen und verschafften sich einen Überblick. Sieben Wölfe standen knurrend und bedrohend auf einer Seite der kleinen Lichtung. Gegenüber kniete ein zitterndes Mädchen. Hinter ihr lag jemand auf dem Boden. Robin stand entschlossen auf. „Ich lenke die Wölfe ab und ihr helft den beiden.“ Mit diesen Worten rannte er weg. Little John und Will warteten ab, bis sich eine Gelegenheit ergab um die gefährdeten Personen zu retten. Schon schoss der erste Pfeil auf die Lichtung, direkt vor dem anführenden Wolf. Überrascht hielt der Wolf inne als Robin neben den Wölfen erschien. Er befand sich auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung. Will und Little John hielten sich bereit. Ein weiterer Pfeil bohrte sich in den Boden direkt vor einer der Tatzen des Wolfes. „Na, los, kommt schon, hier bin ich.“ Und schon verschwand Robin im Gebüsch. Die Wölfe jagten ihm sofort hinter her. Dies war die Chance für Little John und Will. Sie sprangen aus ihrer Deckung heraus. Will eilte auf das zitternde Mädchen zu und kniete sich vor sie hin. „Hab keine Angst. Sie sind weg, sie können dir nichts mehr tun.“ Ängstlich starrte sie den großen Jungen, unfähig etwas zu sagen. „Ich bin Will“, stellte sich der junge Huntington vor, während er ihr seine Hand reichte um ihr aufzuhelfen. Little John hingegen fixierte seinen Freund wütend. Er wollte dem zitternden Mädchen helfen, doch hatte Will ihm da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und funkelte böse. „Wir wissen nicht wie lange Robin die Wölfe ablenken kann. Wir sollten hier so schnell es geht verschwinden!“ Will nickte zustimmend und blickte wieder das Mädchen an. „Komm mit, wir bringen dich in Sicherheit.“ Er hielt ihr seine Hand hin und blickte sie mit seinen warmen braunen Augen zuversichtlich an. Zögernd reichte sie ihm ihre Hand, doch im selben Moment drehte sie sich zu dem Bündel hinter sich. „Meine Schwester“, sagte sie leise. „Little John, du trägst ihre Schwester.“ Will stand auf und zog das Mädchen mit sich auf die Beine. „Ach, und warum soll ich sie tragen? Trag du sie doch!“ Little John hasste es Befehle entgegenzunehmen und schon gar nicht hörte er auf die Befehle von Will. Will ließ keine Widerworte zu. „Du hast einfach mehr Masse und bist dadurch stärker.“ „Du sagst, ich bin dick?“ Nun hatte Will sich endgültig unbeliebt gemacht. „Nein, ich sagte du bist stärker…“, erwiderte Robins Cousin, doch die Stichelei konnte er einfach nicht lassen. „…da du mehr Masse hast!“ Dies war zuviel für Little John. Er machte einen Satz auf Will zu, der vor Schreck die Hand des Mädchens losließ. „Na, warte du, du Würstchen. Wenn ich mit dir fertig bin, dann…“ In diesem Moment kam Robin zurück. „Na, los. Ich weiß nicht, wann sie wiederkommen. Wir müssen schnell weg!“ Sein Blick fiel auf das am Boden liegende Bündel. Ohne ein weiteres Wort war er bei ihr und hob sie auf seine Arme. „Los, jetzt“, drängte der junge Huntington zur Eile und rannte voraus. Das Mädchen rannte ihrer Schwester und dem mutigen Jungen nach, während Will und Little John sich noch finster anfunkelten. „Kommt jetzt, endlich“, drang Robins Stimme erneut zu ihnen und endlich setzten sich die beiden auch in Bewegung. „Wir sind noch nicht fertig“, verkündete Little John. „Bestimmt nicht“, gab Will ebenso düster zurück. Im Lager kümmerten sich Winnifred und Barbara sofort um die beiden Mädchen. Während Barbara munter auf das zurückhaltende Mädchen einredete, kümmerte sich Winnifred um das bewusstlose Mädchen. Robin lehnte neben der Tür ihres kleinen Hauses und wartete auf seine Cousine. Seine Augen waren geschlossen, die Arme vor der Brust verschränkt. Das fremde Mädchen saß am Tisch und hielt ihre Finger ineinander verknotet und wartete. Barbara saß neben ihr und betrachtete sie immer wieder. Auf keine ihrer Fragen hatte sie geantwortet und selbst auf ermutigende und aufbauende Worte reagierte sie nicht. Will saß ebenfalls am Tisch dem fremden Mädchen gegenüber, während Little John in der größtmöglichen Entfernung zu Winnifreds Bruder stand, grimmig seine Arme vor der Brust verschränkt hielt und vor sich hin dampfte. Das fremde Mädchen blickte plötzlich auf und sah zu Will. „Danke“, hauchte sie. Will, zu überrascht über diese unerwartete Reaktion, hob seine Hände und grinste verlegen. „Mir musst du nicht danken, Robin hat die Wölfe abgelenkt. Ihm gilt es zu danken.“ Sie drehte sich zu dem mutigen Jungen, der nach wie vor unverändert am Haus lehnte und wollte ihm soeben danken, als der schon entgegnete: „Wir haben alle zusammen geholfen.“ Seine Augen waren immer noch geschlossen, doch nun sah er das fremde Mädchen an. „Außerdem helfen wir immer, wenn sich jemand in Not befindet. Das haben wir schon immer getan.“ Seine Augen schlossen sich wieder. Das Mädchen senkte wieder ihren Blick und Will betrachtete sie genauer. Ihre dunkelbraunen Haare fielen ihr offen bis über die Schulterblätter. Ihre Augen waren rehbraun und sie hatte ein hübsches Gesicht. Als Will sich bewusst wurde, dass er starrte, senkte er verlegen seinen Kopf. Unsicher begann das Mädchen neben Barbara zu erzählen. „Ich bin Claire und Marisa ist meine Schwester. Wir kommen aus einem Dorf nahe dem Schloss Lancaster. Wir sind seit Tagen unterwegs. Unsere Eltern schickten uns nach Nottingham um im Schloss als Magd unsere Dienste anzubieten.“ Aufmerksam lauschten sie den Worten des Mädchens. Besonders Robin, da dieser nicht verstand warum die Mädchen nicht im Schloss Lancaster arbeiteten. Das Mädchen schaute in die Runde und sah die besorgten und verwirrten Blicke. Sofort senkte sie ihre Augen wieder. „Wisst ihr, unsere Eltern sind sehr arm. Für unsere Dienste am Schloss können wir sie unterstützen.“ „Warum seid ihr nicht zu Lord Lancaster gegangen?“ Robin, hielt seine Augen immer noch geschlossen. In seinem Kopf arbeitete es, zumal er wieder an Marian dachte, an die er in den letzten Tage, so gut es eben ging, aus seinen Gedanken verdrängt hatte. Claire sah auf und zu dem Jungen, der ihrer Schwester geholfen hatte. Betrübt starrten ihre braunen Augen durch Robin hindurch. „Wir waren im Schloss. Doch Lord Lancaster schickte uns wieder weg. Er brauche keine neue Magd.“ „Ihr seid im Schloss gewesen?“ Will starrte sie aufgeregt an. Ihr verwirrter Blick begegnete seinem hitzigen, bevor er hinzufügte. „Hast du Marian gesehen?“ Nun riss auch Robin seine Augen auf und fixierte das fremde Mädchen, er starrte es fast an. Überrascht weiteten sich Claire. „Ihr meint die Tochter von Lord Lancaster?“ Selbst Little John vergaß für einen Moment seine Wut und fixierte das fremde Mädchen. Alle starrten sie an. Die Braunhaarige fühlte sich unwohl unter dieser Beobachtung. „Nein“, schüttelte sie ihren Kopf. „Ich habe sie nicht gesehen.“ Robin fiel in seine alte Pose zurück. Claire betrachtete ihn mit einem mulmigen Gefühl. „Tut mir leid euch enttäuschen zu müssen. Kennt ihr sie?“ Robin antwortete nicht, also richtete sie ihren Blick ihrem Gegenüber. Will antwortete ihr. „Ja, wir kennen sie. Das ist aber eine lange Geschichte.“ Claire verstand ihn und fragte nicht weiter nach. Die Jungs wollten nicht darüber reden. Noch nicht. Die Tür öffnete sich und Winnifred trat heraus. „Ihr geht’s gut, sie schläft jetzt!“ Ihre Augen trafen das fremde Mädchen. „Und du? Hast du dich verletzt?“ Überrascht blickte Claire auf. Lächelnd schüttelte sie ihren Kopf. Winnifred setzte sich neben ihren Bruder und betrachtete eine Weile das fremde Mädchen. Claire fühlte sich unwohl unter diesem Blick, doch Winnifred nahm ihr das Gefühl sofort wieder. „Oh, du bist so mutig! Ich weiß nicht, was ich in so einer Situation gemacht hätte!“ Sie seufzte tief aus, denn sie beneidete das fremde Mädchen ein wenig. Auch Marian war tapfer und Barbara war es für ihr Alter auch immer gewesen. Winnifred selbst war ein Angsthase. Das war sie schon immer gewesen. „Solche Situationen solltest du auch vermeiden“, brummte Little John. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie seine Winnifred von Wölfen bedroht wird. „Das wird sie schon, Little John, denn Robin und ich sorgen für sie und passen auf“, erinnerte Will den Banditen an seine Verantwortung für seine Schwestern. Ehe wieder ein handfester Streit entstehen konnte, gebot Winnifred Einhalt. „Ich werde schon auf mich selbst aufpassen.“ Mit diesen Worten ging sie wieder zur Tür des Hauses. Sie drehte sich nochmals zu Claire. „Magst du mit mir kommen?“ „Zu Marisa?“, sah die Dunkelhaarige auf. „Gerne!“ Schon stand sie auf und folgte Winnifred. *************** „Bis es Marisa besser ging, sind sie bei uns im Versteck geblieben. Dann brachten Will, Little John und Robin die Mädchen nach Nottingham“, erzählte Barbara. „Sie waren nett. Schade, dass sie so schnell wieder weg mussten.“ Marian betrachtete Barbara mitleidig. Es musste schlimm für das kleine Mädchen gewesen sein. Sie wusste auch nicht, wie schlimm Barbara Marians plötzliche Abreise getroffen hatte. Sie wusste, dass das Mädchen damals noch sehr klein war. Alle Kinder waren älter als Barbara. Much und Barbaras Geschwister, sowie Robin und Marian selbst, hatten sich mit ihr beschäftigt. Little John sah Barbara immer als lästigen Anhang, genauso wie der Rest der Sherwood Bande es tat. Sie wollte ein aufheiterndes Wort sagen, irgendwas, aber Marian fiel in diesem Moment nichts ein. Damals war sie so herzlich bei den Kindern im Wald aufgenommen worden, aber sie konnte nichts von alledem zurückgeben. Traurig senkte sie ihre Augen und starrte die weiße Decke an. Much hatte bemerkt, dass es Marian plötzlich schlechter ging. „Bist du in Ordnung?“ Marian wie auch Barbara blickten auf und die Prinzessin konnte zwei besorgte Augenpaare sehen. Sie lächelte, während sie mit dem Kopf nickte. „Ja, mir geht’s gut!“ Es klopfte an der Tür und schon trat Betty ein. Ihr folgte ein älterer Mann. Er trug eine gelbe Kutte mit einer schwarzen Kordel. Er hatte ein kleines Säckchen umgeschnürt. „Dort ist sie“, verkündete Betty und Marian blickte auf. Sie erstarrte und plötzlich trat ein breites Lächeln in ihr Gesicht. „Bruder Tuck“, rief sie erfreut aus. Dieser wusste bereits von Betty und auch von Will von dem überraschenden Besuch im Hause Huntington. Lächelnd trat er an ihr Bett. „Lady Marian, wie schön euch wieder zu sehen!“ Much räumte den Stuhl und auch Barbara stand auf. „Kinder, könntet ihr bitte den Raum verlassen?“ Die beiden nickten und waren wenige Augenblicke später zur Tür hinaus. „Bruder Tuck, Ihr habt den langen Weg auf euch genommen, wegen meiner Fußverletzung?“ Marian konnte es nicht glauben. Der Mönch hatte selten den Wald verlassen und nur wegen ihr sollte er gekommen sein? „Nicht nur, Lady Marian. Ich habe auch noch etwas mit Robin zu besprechen“, antwortete der runde Mann. Er löste die Tücher von Marians Fuß und besah sich die Schwellung. „Euer Knöchel ist sehr dick. Wie ist das passiert?“ Marian wich seinem forschenden Blick aus. Zögernd begann sie: „Ich bin über eine Wurzel gestolpert.“ „Nun ja, von einem einfachen anstoßen kommt das nicht. Seid Ihr gerannt?“ Langsam nickte sie. „Verstehe.“ Schon löste er seinen kleinen Beutel und zog eine kleine Flasche hervor. „Ich werde euch jetzt einen Umschlag machen. Das ist eine Tinktur aus Ringelblumen. Sie wirkt gegen Schwellungen und morgen sollte diese wieder ein wenig zurückgegangen sein. Morgen werdet Ihr bereits wieder herumlaufen können! Betty wird dann abends die Umschläge machen. Und in ein paar Tagen ist dann alles überstanden!“ Bruder Tuck tropfte die Tinktur auf eines der Tücher und wickelte Marians Fuß darin ein. Mehrere Tücher folgten und schon hatte die Prinzessin wieder einen dick eingepackten Fuß. „Bruder Tuck? Worüber wollt Ihr mit Robin sprechen?“ Neugierig aber auch besorgt hafteten Marians blaue Augen an dem Gesicht des Mönchs. „Es ist nichts worüber Ihr euch sorgen machen solltet. Ich war schon lange nicht mehr hier und ich denke wir haben uns gegenseitig viel zu erzählen“, lachte der Mönch. Er stand auf, reichte Betty das kleine Fläschchen und wurde von ihr wieder aus dem Zimmer geleitet. Marian blieb alleine zurück. Sie sah aus dem Fenster und erkannte in der Ferne die ersten Häuser der Stadt. Eine tiefe Sorgenfalte trat auf ihre Stirn. Sie musste Robin warnen. Sie musste ihn so schnell es ging um Hilfe bitten, aber… Sie stockte in ihren Gedanken. Dann würde sie ihn, Winnifred, Barbara und Will, sowie alle Angestellten in diesem Haus in Gefahr bringen. Wenn herauskam dass Robert Huntington mit ihr zusammen kämpfte, würden sie bestimmt sein Leben und ein erneutes Mal sein Schloss, sein zu Hause zerstören. Und Marian könnte sich das nicht verzeihen. Zu groß waren bereits die Schuldgefühle, dass ihr Vater so einen Zorn auf ihn hegte. Sie ballte ihre Hand zur Faust und eine stumme Träne löste sich aus ihrem Auge. Sie musste es alleine schaffen, ohne Hilfe. Kapitel 6: Sternschnuppe ------------------------ Winnifred war den ganzen Nachmittag über bei Marian gewesen und die Freundinnen hatten sich das viele erlebte aus den letzten zehn Jahren erzählt. Sie hatten zusammen gelacht, zusammen geweint und waren gemeinsam in Erinnerungen geschwelgt. Sie hatten sich gegenseitig an ihre schlimme aber dennoch fröhliche Kindheit erinnert. Sie sind gemeinsam ihre Abenteuer durchgegangen und waren sich zwischenzeitlich auch nur stumm und still in den Armen gelegen. Winnifred hatte Marian sehr vermisst und Marian hätte ihre Freundin in den teilweise nicht so erfreuten Schlosstagen mehr gebraucht denn je. Dennoch sie waren beide getrennt von einander erwachsen geworden, hatten vieles erlebt und freuten sich nun endlich wieder zusammen zu sein. Nur hatte jede von ihnen ein Problem auf ihrem Herzen, das sie der anderen nicht anvertrauen konnte. Marian wollte Winnifred nicht in Schwierigkeiten bringen und Winnifred wollte Marian nicht zur Last fallen. Längst war die Dunkelheit hereingebrochen und Betty wechselte soeben den Umschlag an Marians Fuß. Winnifred beobachtete die Tätigkeit aufmerksam, während sie auf dem Stuhl saß und sich lachend mit Marian unterhielt. „Und plötzlich stand Ritter Gilbert in der Tür. Du hättest Robins Gesicht sehen müssen als er ihn entdeckt hatte.“ Marian lächelte. Gilbert, ihn hatte sie zuletzt vor drei Jahren gesehen. König Richard war auf Schloss Lancaster zu Besuch gewesen. Ritter Gilbert hatte ihn begleitet. An diesem Tag war Marian so glücklich wie lange nicht mehr. Endlich war einer ihrer alten Freunde zu Besuch. Endlich konnte sie sich ungestört mit jemandem unterhalten, ohne Angst haben zu müssen belauscht oder beobachtet zu werden. Marian hatte sich mit Ritter Gilbert ein wenig Zeit gestohlen und war mit ihm durch die königlichen Schlossgärten spaziert. Lange hatten sie geredet. Die junge Prinzessin konnte sich endlich alle Gefühle, die sie so lange eingesperrt hatte, von der Seele reden. Gilbert hörte ihr zu und war einfach nur für sie da. Dafür war sie ihm so unendlich dankbar. Er war ein sehr guter Freund und sie wusste, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Auch erkundigte sich Marian nach Robin, doch Gilbert erzählte nur wenig. Er hatte ihr erklärt, dass er sich nicht einmischen wollte. Er wollte nicht unnötig Sehnsüchte schüren und auch würde er keinen von ihnen mit Geschichten quälen. Er war die Verbindungsperson der beiden, doch er hatte sich geschworen weder bei Marian über Robin, noch bei Robin über Marian einen Ton zu sagen. Es war so schon schwer genug für die beiden. Schwerer wollte er es ihnen nicht machen. „Marian? Hörst du mir überhaupt zu?“ Winnifred wusste nicht, was ihrer Freundin in diesem Moment durch den Kopf gegangen war. Sie hätte es gerne gewusst, doch fragen und bedrängen wollte sie ihre Freundin auch nicht. Marian riss sich aus ihren Gedanken und schalt sich selbst nicht zugehört zu haben. „Entschuldige“, lächelte die Prinzessin, doch die fröhliche Stimmung war vorbei. Augenblicklich war Winnifreds Fröhlichkeit der Sorge gewichen. Es klopfte an der Tür und Will trat mit einem breiten Grinsen ein. „Ich wollte nur nach unserem Gast sehen.“ Er trat ans Bett und schloss Marian in eine feste Umarmung. Er hatte sich seit ihrer Ankunft nicht einmal bei ihr gezeigt. Das wollte er somit wieder gutmachen. Er setzte sich auf die Bettkante. Betty war fertig mit ihrer Arbeit und ließ ihre Schützlinge allein. „Schlaft gut“, waren ihre Worte ehe sie die Tür hinter sich schloss. Winnifred betrachtete Will aufmerksam. „Wo ist denn Robin? Ich habe ihn den ganzen Tag noch nicht gesehen!“ „Er ist in seinem Arbeitszimmer und geht die verschiedenen Anträge durch.“ Marian hatte den Geschwistern stumm zugehört, doch ihre Augen schienen mehr als fragend drein zublicken. „Robin ist König Richards Vertretung. Wenn die Bürger der Stadt Nottingham Wünsche haben, müssen sie diese an Robin schicken. Der entscheidet dann, welchen Wünschen stattgegeben wird. Immer wenn König Richard in Nottingham ist, besprechen sie alle wichtigen Ereignisse.“ Mit großen Augen lauschte sie dieser Erklärung und fragte sich, ob Robin wusste, welch wichtige Aufgabe er hatte. Er entschied über die Zukunft der Bürger von Nottingham. Sollten die das jemals herausbekommen, würden sie alle Bürger dieser Stadt gegen ihn aufhetzen. Lord Alwine hatte es schon mal geschafft, warum also sollten die es nicht auch schaffen? Besorgnis spiegelte sich in Marians Augen wieder. Nein, sie konnte ihn wirklich nicht bitten ihr zu helfen. Sie würde sein Leben zerstören. Niemals dürfen sie auch nur ahnen wie Marian zu Robin stand. Niemals, das schwor sie sich. „Marian?“ Will tauschte einen irritierten Blick mit seiner Schwester aus. „Es ist nichts“, antwortete diese auch schon. „Er hat also einen sehr wichtigen Auftrag und er muss gerecht handeln. Darf niemanden bevorzugen und muss alle Wünsche einander abwägen.“ „Ja, genau. Aber das macht er prima. Wenn er Wünsche abschlägt, erklärt er auch aus welchem Grund. Er ist sehr gerecht und versucht alle gleich zu behandeln“, stimmte Winnifred zu. „Aber er könnte trotzdem vorbei sehen und sich erkundigen wie es Marian geht, findest du nicht auch, Will?“ „Ich werde nach ihm sehen und ihn zu euch schicken. Schlaft gut ihr zwei!“ Mit diesen Worten stand der älteste Huntington auf und verließ das Zimmer. „Du auch!“ Marian sah ihm noch kurz nach, doch schon trafen ihre Augen die von Winnifred. „Es macht nichts wenn er nicht kommt. Es ist schon spät. Außerdem war er letzte Nacht hier.“ Überrascht blinzelte Winnifred. „Robin war hier? Die ganze Nacht?“ Errötend nickte Marian. „Ja, er hat auf dem Stuhl gesessen – die ganze Nacht über.“ „Davon hat er ja gar nichts erzählt. Deswegen war er heute morgen so müde und ich habe mich schon gefragt, mit was er sich die Nacht um die Ohren geschlagen hat“, lachte Winnifred plötzlich auf und auch Marian stimmte in das Lachen mit ein. Will ging die Treppenstufen hinunter, trat in den Eingangsbereich und bog links ab. Hinter einer Tür befand sich ein kleiner Gang. Diesen schritt er entlang bis er wieder in eine größere Halle trat. Von da an strebte er ein Zimmer rechts von sich an. Er klopfte leise an und öffnete die Tür. Überrascht Bruder Tuck noch hier vorzufinden trat er ganz ein und schloss die Türe hinter sich wieder. Beide blickten besorgt und ernst wie lange nicht mehr. Irgendwas musste passiert sein. Robin saß hinter seinem großen braunen rustikalen Tisch auf dem drei Stapel Papiere lagen. „Will“, rang Bruder Tuck sich ein Lächeln ab. „Was ist passiert? Ihr schaut beide so ernst?“ Der junge Huntington verschränkte seine Finger in einander und senkte seinen Kopf. Ernst schloss er seine Augen, während er langsam zu sprechen begann. „Seit Tagen sind diese Männer schon im Wald unterwegs und suchen nach Marian.“ „Wir müssen sie fragen, warum sie nach ihr suchen. Wieso diese Männer nicht einfach aufgeben? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas Schlimmes verbrochen hat, doch müssen wir davon ausgehen und dann bringt sie uns in Gefahr“, erklärte Will aufgebracht. Er wusste, dass die Spur im Wald früher oder später zu ihrem Anwesen führen würde. Und er hatte Angst sein zuhause ein weiteres Mal zu verlieren. Robin hatte soviel Arbeit in dieses Anwesen gesteckt, sie hatten Angestellte, die zurückkamen als die Nachricht über das Schloss Huntington ihre Dörfer erreicht hatte. Sie durften nicht alles verlieren, nicht noch einmal. „Beruhige dich, Will“, mischte sich Bruder Tuck milde lächelnd ein. Er konnte sich vorstellen was in diesem Jungen vor sich ging, dennoch sollten sie alle einen kühlen Kopf bewahren und nach einer Lösung des Problems suchen. „Bruder Tuck hat Recht“, mischte sich Robin ein. Er wusste um die Ängste seines Cousins, so hatte er dieselben Befürchtungen. Auch das mehr geschehen sein musste, als er zu hoffen wagte, war ihm mehr als bewusst. Dennoch konnte und wollte er Marian nicht bedrängen. Er hoffte, dass sie zu ihm kam, ihm Vertrauen schenkte und ihn um Hilfe bat. Er öffnete seine Augen und begutachtete seine Finger. „Lasst uns eine Nacht schlafen und morgen fällt uns bestimmt eine Lösung ein.“ Bruder Tuck nickte und stand auf. Robin sah dem älteren Mann ins Gesicht. „Bruder Tuck, Betty hat euer Gemach herrichten lassen. Es ist schon spät. Ihr könnt morgen früh aufbrechen.“ „Danke, Robin“, lächelte Bruder Tuck. Schnell war er in sein Zimmer verschwunden, dass Robert Huntington für den Mönch einrichten hat lassen. Eigentlich hatte der Junge anfangs angenommen, dass Bruder Tuck ebenfalls ins Schloss einzog, doch der Mönch lebte schon viel zu lange im Sherwood Forrest, um diesem Wald so plötzlich den Rücken zuzukehren. Auch Will und Robin gingen schlafen. Sie wussten, dass es keinen Sinn mehr an diesem Abend machte, sich über die Probleme den Kopf zu zerbrechen. Am nächsten Tag schlug Marian ihre Augen auf. Langsam richtete sie sich auf und blickte zum Fenster hinaus. Die Sonne stand weit oben am Himmel, also hatte sie den halben Tag verschlafen. Ihr Blick schweifte zur Bettdecke und ein sanftes Lächeln trat auf ihre Lippen. Bruder Tuck sagte, dass sie heute wieder gehen konnte. Nach einem kurzen Blick nach draußen schlug sie die Decke weg und schwang ihre Füße aus dem Bett. Zaghaft berührten ihre Fußzehen den kalten Holzboden. Über einem Stuhl hing Kleidung und Marians Schuhe standen geordnet neben dem Bett auf dem Boden. Überrascht blinzelte sie, denn dieses Kleid war nicht ihres. Neugierig stand sie auf und wagte langsam einen Schritt voran. Bruder Tuck behielt Recht denn die Schmerzen waren vorbei. Die Schwellung war noch leicht zu sehen aber Marian fühlte sich gut. Sie kleidete sich um. Denn die Sonne und der blaue Himmel zogen sie an die frische Luft und in die Natur. Barbara führte Much schon seit Sonnenaufgang über das Anwesen und zeigte ihm jeden Winkel. Sie war froh darüber den Jungen von damals wieder um sich zu haben. Er war der einzige der Sherwood Bande, der sich auch mit ihr beschäftigt hatte und sie nicht als Anhang sah. Er war ihr Freund und sie hatte ihn sehr vermisst. „Robin hat alles wieder genauso errichten lassen, wie es vor Lord Alwines Zerstörung war. Es war ihm wichtig, dass wir uns wieder wie zu Hause fühlen.“ Much brachte vor Staunen kein Wort heraus. „Ich vermisse den Sherwood Forrest, auch wenn das hier unser zuhause ist“, erzählte Barbara weiter und blickte traurig auf den Boden. Much sah zu seiner Begleiterin. Er hatte ihren Tonfall bemerkt. Verlegen, da er nicht wusste was er sagen sollte, schluckte er. „Es war schön im Wald. Damals haben wir uns alles sagen können, wir haben zusammen gelacht und tolle Dinge erlebt.“ Aufmerksam betrachtete Much das junge Mädchen. Er wollte sie wieder lachen sehen. „Hier ist es doch auch schön. Du musst hier doch auch tolle Dinge erleben, oder nicht?“ Ihm entging nicht, wie traurig Barbara bei seinen Worten wurde und sichtlich mit den Tränen rang. Er blieb stehen. Erschüttert wie traurig dieses kleine Mädchen war, fing er an sich zu fragen, was genau in den letzten Jahren alles passiert war. Die erste Träne kullerte Barbara über die Wange. Sie blieb ebenfalls stehen, da Much nicht mehr neben ihr war. Langsam drehte sie sich um. Sie suchte seinen Blick und lächelte verzweifelt. In diesem Moment brach es Much das Herz. Das einst so fröhliche Mädchen war erwachsen geworden und mit Sorgen und Traurigkeit geplagt. Hilflos stand er Barbara gegenüber. Er hatte mit Mädchen noch nie gut umgehen können und schon gar nicht hatte er jemals ein weinendes Mädchen gesehen. „Hier ist gar nichts schön“, klagte Barbara leise. Immer mehr Tränen lösten sich aus ihren Augen. „Seit wir wieder zurück sind schweigen wir. Keiner von uns redet mit dem anderen. Niemand teilt seine Geheimnisse, Sorgen und Ängste.“ Sie schluckte, da sie von ihren Gefühlen überrannt wurde. Ängstlich, hilflos und verloren überwand Barbara die wenigen Schritte Abstand zu Much und warf sich an seine Brust. Wie eine Ertrinkende krallte sie sich in sein Hemd ein und weinte. Much fühlte sich in diesem Moment maßlos überfordert. Da klammerte sich das kleine Mädchen an ihn und weinte bitterlich. Vorsichtig legte er eine Hand an ihren Rücken, während er die andere an ihrem Hinterkopf platzierte und ihr sanft über die Haare strich. Langsam und leise drangen Barbaras Worte an seine Ohren. „Im Wald waren wir eine Familie. Hier sind wir vier einzelne Lebewesen, die sich eine Unterkunft teilen. Ich weiß nicht was sie so verändert hat, aber es hat unser Leben zerstört – unsere Familie“, schniefte sie und erlag einem weiteren Weinkrampf. Unbeholfen drückte er das Mädchen noch ein wenig fester an sich. Unfähig etwas zu sagen verarbeitete er ihre Worte. Nicht mal annähernd hatte er etwas geahnt, doch es hätte ihm auffallen müssen. Beim Essen am Vorabend hatten sie schweigend zusammen gesessen, ebenso auch an diesem Morgen. Es musste schrecklich sein acht Jahre lang so zu leben. Unbemerkt trat jemand an das augenscheinliche Paar. Es war Ben, der Stallbursche, der mit einer Heugabel gewappnet auf dem Weg zum Stall war. Sein Gesicht verfinsterte sich und die Augen blitzten als er Barbara und den Fremden zusammen sah. Wut loderte in ihm auf. Die beiden wirkten so vertraut miteinander und das missfiel dem jungen Mann. Laut räusperte er sich während er sich näherte. Barbara löste sich erschrocken von Much. Ihre Tränen waren augenblicklich versiegt und überrascht erblickte sie Ben. Ihr Mund fühlte sich trocken an und ein beklemmendes Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie fühlte sich ertappt. Much drehte sich ebenfalls um. Er errötete leicht um die Nase und beobachtete den jungen Mann, den er am Vorabend nur kurz gesehen hatte. Der finstere Blick und die Heugabel erschreckten Much, doch war Barbara bei ihm. Sie würde ihn schon vor diesem seltsamen Kerl beschützen. „Ben“, ungewollt hüpfte Barbaras Herz bei seinem Namen kurz und sie fühlte eine ungewohnte Hitze in sich aufsteigen. Das unschöne Gefühl, etwas Falsches getan zu haben, wuchs. „Barbara“, nickte Ben zu und blieb bei ihnen stehen. Sein Blick glitt zu Much und wurde finster. Dieser lächelte schief und versteckte entschuldigend seine Hände hinter dem Rücken. „Ich zeige Much unser Anwesen“, erklärte Barbara ehrlich. Sie befürchtete, dass sich etwas in dieser Freundschaft ändern könnte, wenn sie nicht ehrlich zu Ben war. „Wir wollten soeben zum Stall. Dürfen wir dich begleiten?“ Ein Blick in ihr wunderschönes Gesicht besänftigte Ben, auch wenn es ihm nicht passte, dass dieser Kerl sie begleiten würde. Ein wenig freundlicher nickte Ben und zu dritt gingen sie zu den Stallungen. Neugierig inspizierte Marian die beiden Türen, die aus ihrem Zimmer hinausführten. Zuerst nahm sie die Tür zur linken Seite und erblickte ein angrenzendes Badezimmer. Waschschüsseln, Tücher und eine große Badewanne standen in diesem Raum. Die Einrichtung stand der im Schloss Lancaster in nichts nach. Im Gegenteil sogar; Marian fühlte sich heimisch. Von der Neugierde getrieben, trat sie nun an die gegenüberliegende Tür und platzierte vorsichtig ihre Hand an den Knauf. Unsicher ob jemand das, was sie hier tat, gutheißen würde, öffnete sie vorsichtig die Tür und erspähte einen Blick auf das geräumige und sehr große Gemach. Mit großen Augen öffnete sie die Tür weiter und trat bewundernd ein. Eine kleine Sitzgruppe erstreckte sich über die Ecke zu ihrer rechten Seite. Viele Fenster im Rundbogen erhellten das große Zimmer und ihr gegenüber an der langen Seite des Zimmers führte eine Glastüre hinaus auf einen Balkon. Marian konnte von ihrem jetzigen Standpunkt die Größe des Balkons nur erahnen. Auf der linken Seite füllte ein großes Himmelbett den Raum. Auch aus diesem Zimmer führten zwei weitere Türen hinaus. Eine befand sich neben dem Himmelbett und führte in einen dahinter liegenden, abgetrennten Raum, während die andere auf den Flur hinaus führte. Sie fragte sich, wem dieses Zimmer gehörte. Ob es Robins Gemach war? Dieser Gedanke ließ sie erröten. Ihr Puls begann zu rasen wenn sie nur daran dachte, dass Robin so nah war. Leise zog sie sich zurück und begab sich auf den Weg durch das Schloss. Sie wollte hinaus an die frische Luft und das so schnell es möglich war. Aufmerksam sah sie sich im Schloss um, erkannte die vielen kleinen Details, die an Robins Kindheit erinnerten. Gemälde zeigten verschiedene Szenerien, die Gäste als schöne Landschaftsbilder ansahen, doch Marian in ihnen ihre Abenteuer wieder erkannte. Mit großen Augen betrachtete sie eines der großen Bilder, in dem der Wald erstrahlte doch über ihm sich Flammen des Feuers bildeten. Wie sehr sie sich an die Zerstörung von Sherwood Forrest erinnern konnte. Es war schrecklich mit anzusehen, wie der Wald von dem roten Flammenmeer zerstört wurde. Marian griff sich an die Brust. Das Kreuz hatte sie immer um den Hals getragen, bis zu diesem schicksalhaftem Tag. Sie kniff ihre Augen zusammen und Bilder des Unheils traten ihr in Erinnerung. Schreckliche Bilder der Angst. *************** Marian hielt es nicht mehr aus. Prinz Jean verfolgte sie, fragte immer wieder nach dem goldenen Kreuz, doch den Grund erfuhr sie nie. Nachdem sie ihm immer wieder tagelang ausgewichen war, wusste sie dass es kein entkommen gab. Er würde es finden, früher oder später. Die Prinzessin wusste dass ihm jedes Mittel recht war und beschloss es zu suchen und an sich zu nehmen. Sie wollte es in Sicherheit wissen und im Wald war es nicht mehr lange sicher. Früher oder später würde ihn die Spur in den Sherwood Forrest führen. Seit Tagen hingen dunkle schwarze Wolken über dem Schloss Lancaster und auch über Sherwood Forrest als könne der Himmel die schlimmen, schweren Stunden für England spüren und wolle die Menschen auf die kommenden Ereignisse vorbereiten. In einer der regnerischen Nächte stahl sich Marian aus ihrem Zimmer, floh leisen Schrittes und unbemerkt in den Stall, sattelte ihre Stute und ritt in die Nacht hinaus. Der prasselnde Regen dämpfte das hallende Hufgeklapper. Leider war ihr Verschwinden nicht ganz unbemerkt geblieben und Prinz Jean bot sich an seine Ritter hinter her zu schicken, allerdings wusste niemand im Schloss von seinem Auftrag. Sie war seit langer Zeit unterwegs und der Weg anstrengend. Dennoch blieben ihre Verfolger hartnäckig. Marian wusste, dass sie mit Armbrust und Schwertern bewaffnet waren. Sie waren gefährliche Menschen. Krieger, die nur eines kannten – töten! Marian fühlte sich schwach, sie konnte nicht mehr. Auch wusste sie dass Sternschnuppe kämpfte. Wie oft hatte das Pferd gescheut, sich gesträubt weiter zu laufen, doch Marian wusste wie knapp nur der Vorsprung war. Immer wieder blickte sie gehetzt über die Schulter. Sie hatte es sich selbst zur Bestimmung gemacht das kommende Unheil abzuwenden. Auch wenn es hieß, dass sie dabei sterben könnte. Sie war sich im Klaren, dass sie alleine war und dieses Mal keine Freunde an ihrer Seite hatte. Dieses Mal war sie ganz auf sich allein gestellt. Um ihre Verfolger abzuhängen schlug Marian inzwischen Haken und versuchte die Fährte zu verwischen. Der Ritt wurde immer anstrengender für Reiter und Pferd, doch Marian wusste, dass sie nicht aufgeben durfte. Sie wusste, dass sie dem Wald näher kamen, auch wenn reißende Flüsse und eingestürzte Brücken ihr immer wieder den Weg erschwerten. Aber die blonde Prinzessin gab nicht auf. Niemals. Sie würde sich Prinz Jean entgegen stellen. Endlich stob Sternschnuppe in den Wald hinein. Sie hatte es geschafft. Sie hatte den Sherwood Forrest erreicht. Immer wieder warf sie gehetzte Blicke über ihre Schulter zurück. Marian wusste nicht wie nah ihre Verfolger letztendlich waren. Sie hatte sie seit längerem nicht mehr gehört oder gesehen. Der Regen peitschte ihr hart ins Gesicht. Es fühlte sich an als trafen die Prinzessin kleine Kieselsteine. Sie biss die Zähne zusammen und ignorierte den immer wieder aufkommenden Schmerz. Auch konnte sie bis jetzt den tief hängenden Ästen gut ausweichen, doch an Armen und Beinen trafen sie die Stöcke hart. Der Schmerz brannte, doch sie durfte ihn nicht Herr werden lassen. Marian hatte eine Aufgabe. Sie war die wichtigste überhaupt. Nur so konnte sie einen neuen Krieg verhindern. Nur sie alleine konnte verhindern, dass das mächtigste und wertvollste Stück in die falschen Hände fiel. Endlich traf sie auf eine kleine Lichtung. Sie hatte es geschafft und eine unendliche Erleichterung machte sich in ihrem Körper breit. Sie musste es in Sicherheit bringen. Niemand durfte je davon erfahren. Sollten sie die Wachen einholen, würde sie lügen. Sie würde behaupten, dass das Kreuz gestohlen wurde. Sie wollte es holen um es Prinz Jean zu überreichen, doch hatte es jemand gefunden und mitgenommen. Ihre Lüge erschien so glaubhaft. Angespannt hielt sie Sternschnuppe vor einem bestimmten Baum an. Gehetzt blickte sie sich um. Der große dunkle Umhang hing ihr schwer und nasskalt über die Schultern. Auch die große Kapuze, die ihr hübsches Gesicht komplett verhüllte, war völlig durchnässt. Marian sprang ab, hielt ihr Pferd an den Zügeln und trat ein paar Schritte näher an den Baum. Dort müsste es sein. Wenn es nicht mehr da war, war alles vorbei. Dann war die ganze Mühe vergebens. Nach einem kurzen stillen Gebet, griff sie in eine Baummulde und tastete nach dem gesuchten Gegenstand. Er war nicht da. Marian konnte ihn nicht fühlen. Nur wo war er? Er musste da sein. Ihr Herz raste vor Angst. Mit vor Schreck geweiteten Augen tastete sie tiefer in den Baum und plötzlich berührten ihre zarten Finger etwas Kaltes. Vorsichtig tastete sie den Gegenstand ab und atmete sichtlich erleichtert auf. Es war da! Die junge Lady Lancaster hatte es gefunden. Sie zog ihre Hand zurück und betrachtete es kurz. Das goldene Kreuz. Der Schatz der Sherwood Forrest soviel Unheil gebracht hatte. Mit ihrer rechten Hand hielt sie den Gegenstand fest umschlossen. Schnell stieg sie wieder in den Sattel und setzte zum Trab an. Gleich darauf zum Galopp. Sie durften es nicht bekommen. Niemals durfte es ihnen in die Hände fallen. Kalt fühlte sich das Kreuz an, doch sie ließ es nicht los. Sie hielt es so fest sie konnte. *************** Ihre an der Brust geballte Hand begann bereits zu zittern, so stark drückte die Blondine ihre zarten Finger zur Faust. Es war weg. Sie wusste nicht wo es war, sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Zuletzt fiel ihr der Sturz von ihrem Pferd ein. Sie flog durch die blitzende Nacht und schlug auf den Boden auf, danach erwachte sie in einem Holzhaus. Sie wusste nicht mehr, was alles zwischen dem Sturz und dem Erwachen passiert war. Winnifred trat lächelnd an die Blondine heran. „Wie schön dich zu sehen. Dir geht es schon besser“, stellte sie fröhlich fest. Aufmerksam betrachtete die Brünette ihre Freundin. Winnifred hatte Marians zerrissene Kleider gesehen und so beschlossen ihr eines von ihren zu schenken. Es war in hellem Blau gehalten und ein dunkelblaues Band zierte die schmale Taille und führte in eine gebundene Schleife. Die blonde wallende Mähne der Prinzessin passte zu dem Kleid und die Augen glichen der Farbe des Bandes. Sie selbst hatte dieses Kleid geschneidert bekommen, doch Blau war nicht Winnifreds Farbe. Zu ihrem Typ passte es nicht. Aber Marian konnte es tragen und somit beschloss sie ihrer Freundin dieses Kleid zu überlassen. Auch freute sie sich der Prinzessin helfen zu können, wobei sie überhaupt nicht wusste warum sie ihr helfen musste. Weder Robin, Will noch Marian hatten ein Wort über Marians Erscheinen verloren. Sie war plötzlich im Schloss Huntington gewesen ohne Erklärung. War etwas passiert? Sorge zeigte sich in dem fröhlichen Gesicht der Braunhaarigen und ließ das Lächeln verschwinden. Marian und sie hatten den vorigen Tag über geredet, doch über ihre Anwesenheit hatte die Lady kein Wort verloren. Winnifred spürte, dass etwas geschehen war, dass Marian etwas bedrückte, doch fragen traute sie sich nicht. Sie hatte Angst die alte Freundin gleich wieder zu verlieren wenn sie zu neugierig war. Aber an diesem Tag wollte sie die Wahrheit erfahren, egal wie schlimm sie war. „Du siehst wunderschön aus“, lächelte Winnifred wieder. Marian hingegen war es die die Freundin verwirrt beobachtete. Ihr war nicht entgangen, dass Winnifred über etwas grübelte. Doch sie wollte diesen Gedanken nicht weiter verfolgen, da sie das ungute Gefühl hatte, es ginge um sie. „Danke für das Kleid“, lächelte nun auch Marian. Winnifred nickte und griff nach der zarten Hand ihrer Freundin. „Wollen wir hinausgehen?“ Marian nickte und gemeinsam traten sie durch die große Empfangshalle hinaus in den warmen, sonnigen Tag. Much, Barbara und Ben traten an großen Koppeln vorbei in Richtung Stall. Plötzlich blieb der Räuber stehen und blickte überrascht auf eine der Koppeln. Seine braunen Augen hatten ein wunderschönes weißes Pferd erblickt. Ihm gefiel das strahlende Weiß und er trat an den Zaun der Koppel. Um es besser zu sehen, stellte er sich auf die unterste Zaunlatte. Barbara tauschte mit Ben einen überraschten Blick aus und folgte ihrem alten Freund, während Ben ihr nur widerwillig folgte. Das Mädchen kletterte auf den Holzzaun der Koppel und setzte sich oben auf. Während ihre Hände sie stützten, ließ sie ihre Füße baumeln. Ben folgte ihr, lehnte erst die Mistgabel neben sich an den Zaun, ehe er sich selbst lässig mit dem Rücken dagegen lehnte und setzte ein unbeteiligtes Gesicht auf, allerdings ließ er Barbara und Much keine Sekunde aus den Augen. „Wem gehört dieses Pferd?“ Much konnte seine Augen nicht von dem hoheitsvollen, schlanken, weißen Geschöpf abwenden. Ihm gefiel das Pferd. „Das wissen wir nicht“, antwortete Barbara. „Es stand plötzlich in unserem Hof. Wir wissen nicht woher es kommt oder wem es gehört. Es war ganz nass geschwitzt und sein Lauf war verletzt. Ben hat sich sofort um das Tier gekümmert, hat es versorgt und geputzt. Seitdem steht es hier auf der Koppel.“ Barbara blickte ununterbrochen auf das schöne Tier. „Wieso steht es nicht mit den anderen Pferden auf der Koppel dort hinten?“, hakte Much neugierig nach, während er mit seinem Daumen in eine Richtung hinter sich deutete. Er spielte auf die zweite noch größere Pferdekoppel an, bei der sie zuvor vorbeigegangen waren. Ben schloss genervt seine Augen, verschränkte seine Arme vor der Brust und beantwortete spöttisch: „Sie ist eine Stute, zudem nicht aus unserer Züchtung. Die Hengste müssen von ihr getrennt bleiben, wenn wir ein großes Unglück vermeiden wollen.“ Sprachlos betrachtete Much wieder das schöne Pferd. Unbemerkt traten die Huntington Männer heran. Der jüngere Huntington stellte sich neben Ben, während Will sich zu Much stellte. Beide blickten ebenfalls auf die weiße Stute. „Und gefällt es dir hier?“ Much drehte sich zu Robin und grinste verlegen. „Ob mir das hier gefällt? Machst du Scherze? Natürlich. Dieses Anwesen gleicht einem Königreich.“ Robin richtete seinen Blick auf Much. „Du kannst gerne bleiben.“ Ben rümpfte auf diese Worte seine Nase, verkniff sich allerdings jeglichen Kommentar. Er war nicht in der Position sich äußern zu dürfen. Much verharrte. „Robin, das ist wirklich nett von dir, doch ich muss zurück zu den anderen.“ Barbara hatte unentwegt in die Ferne geblickt, doch nun senkte sie ihren Kopf. „Du willst uns verlassen?“ Much hörte wieder diese traurige Stimme. Um jeden Preis wollte er die Tränen verhindern, die eben in dem Mädchen aufstiegen. „Ja, aber ich werde noch ein bisschen bleiben. Versprochen, Barbara! Nur irgendwann muss ich zu Little John und den anderen zurückkehren. Sie machen sich bestimmt schon Sorgen.“ Barbara verstand die Beweggründe ihres alten Freundes. Doch dass er sie wieder verlassen wollte, gefiel ihr nicht. Sie kämpfte allerdings die Tränen hinunter und lächelte schon wieder fröhlich. „Schön, dann können wir noch ein bisschen Zeit gemeinsam verbringen.“ Wütend schnaubte Ben. Er war nur froh, wenn dieser seltsame Typ endlich wieder dorthin zurückkehrte, wo er herkam. „Bruder Tuck ist heute vor Sonnenaufgang aufgebrochen. Er versprach, Little John aufzusuchen und ihm alles zu berichten“, erklärte Will. „Du kannst also unbesorgt noch ein paar Tage hier bleiben.“ Barbaras Augen fingen zu Strahlen an und sie warf sich Much um den Hals. Leider etwas zu stürmisch, denn dieser verlor den Halt auf der untersten Latte und fiel rücklings zu Boden. Barbara, die sich an ihn geklammert hatte und somit ihre stützenden Hände gelöst hatte, folgte ihm unweigerlich. Nach einem harten Aufprall lagen sie auf dem Boden und lachten. Will, Ben und Robin beobachteten den Absturz mit Entsetzen, doch das erheiternde Lachen nahm ihnen die Besorgnis. Winnifred und Marian konnten den Fall von weitem sehen und rannten besorgt auf die beiden zu. „Ist euch was geschehen?“ Winnifred kniete sich zu ihrer Schwester und half ihr wieder auf die Beine. Much stand ebenfalls auf. Beide lachten immer noch, doch er beruhigte sich langsam. „Alles in Ordnung. Hast du dich verletzt?“ Seine Aufmerksamkeit ruhte auf dem jungen Mädchen, das ebenfalls den Kopf schüttelte. „Alles noch dran“, lächelte sie. Marian hingegen verharrte als sie Robin am Gatter stehen sah. Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Ihre blauen Augen ruhten auf dem jungen Mann, der in den letzten drei Jahren noch erwachsener geworden war. Auf ihrem Zimmer im Schein der Kerzen, war ihr das nicht aufgefallen, jedoch als sie ihm nun gegenüber stand, merkte sie den Unterschied. Unruhig pochte ihr Herz in ihrer Brust. Doch den Blick konnte sie nicht abwenden. Zu sehr fesselten sie seine Augen. Auch Robin betrachtete sie. Er stand reglos am Zaun und blickte sie einfach nur an. Ihm schossen viel zu viele Gedanken auf einmal durch den Kopf. Kein einziger von ihnen war klar. Er hielt sie in seinem Blick gefangen und betrachtete ihre Schönheit. Sein Herz begann zu rasen, als wäre er auf der Flucht und in seinem Magen kribbelte es ganz leicht. Wieder mal dachte er an den Kuss, den er ihr gestohlen hatte. Leichte Röte stieg ihm auf die Wange, aber von ihr abwenden konnte er sich nicht. Winnifred riss beide aus ihren Gedanken: „Was macht ihr eigentlich alle hier?“ „Wir haben uns das zugelaufene Pferd angesehen“, erklärte Barbara und deutete mit ihrem Finger auf die Koppel, wo die Stute friedlich graste. Marian riss ihren Blick von Robin los und suchte das eben angesprochene Pferd. Als sie es erblickte musste sie kein zweites Mal hinsehen. Sie wusste es auch so: „Sternschnuppe!“ Kapitel 7: So viel gäbe es zu sagen… ------------------------------------ *** Hallöchen :) Vielen Dank für eure lieben Kommentare. Nach einer unkreativen Phase, Schreibblockade, akuter Lustlosigkeit, wie auch einfach keine Zeit, hab ich es endlich geschafft ein neues Kapitel zu schreiben. Hier ist es nun! ^^ Leider weiß ich nicht, wie lange meine Muse bei mir bleibt, aber ich hoffe sie bleibt mir noch eine Zeitlang treu! Viel Spaß mit diesem Kapitel. Eure Sunshine84 *** „Sternschnuppe“, rief Marian aufgeregt und zugleich erleichtert. Ihrer treuen Stute schien nichts zu fehlen. Seit dem Sturz im Wald, war und blieb die Stute verschwunden. Umso schöner war es für Marian ihr Pferd wieder zusehen. Die schneeweiße Stute spitzte die Ohren und hob den Kopf. Im nächsten Moment setzte sich das Pferd in Bewegung und trabte auf die Gruppe Menschen zu. „So ein schöner Name“, strahlte Barbara übers ganze Gesicht. Sie sprang auf die unterste Zaunlatte. Das weiße Pferd streckte Marian seinen Kopf entgegen und die streichelte ihre Stute. Auch von Barbara ließ sie sich streicheln. „Dieses Pferd gehört dir?“ Will musterte Marian aufmerksam. In seinem wie auch Robins Kopf begann es zu arbeiten und beide versuchten auf ihre stille Art und Weise herauszufinden, wie Marian ihr Pferd verloren haben könnte. Diese wusste nun, dass sie sich in eine missliche Lage gebracht hatte. Wenn sie doch nur so getan hätte, als würde sie dieses Pferd nicht kennen. Unsicher suchte sie Robins Gesicht, dessen Gesichtszüge angespannt waren und sie eindringlich ansahen. Zögernd begann Marian mit ihrer Geschichte. Endlich sollten sie die Wahrheit erfahren, auch wenn es nur ein kleiner Teil davon sein würde. Sie haben für sie soviel getan und sie war ihnen eine Antwort schuldig. Schuldbewusst senkte sie ihren Kopf, führte ihre geballte Hand zur Brust und schloss die Augen. Ihr würden die letzten Wochen für immer in Erinnerung gebrannt sein. „Mein Vater will mich verheiraten“, gestand sie leise. Überrascht sog Winnifred die Luft ein, während Marian weiter erzählte. „Mein zukünftiger Gemahl ist ein Kronprinz aus dem fernen Frankreich. Meine Eltern arrangierten ein Treffen. Sie wollten, dass wir uns vor unserer Hochzeit kennen lernen. Ich… ich…“, sie wusste nicht, wie sie sich ausdrücken sollte. Vorsichtig sah Marian auf und suchte zu Robin den Blickkontakt. Aber sie konnte nichts an seinem Gesichtsausdruck erkennen. Seine Gefühle blieben hinter einer neutralen Maske versteckt. Ängstlich, aber ehrlich fügte sie noch hinzu: „Ich liebe ihn nicht!“ Ihre Augen glitten zu ihren anderen Zuhörern. Entsetzen, wie auch Unverständnis konnte sie in deren Gesichtern lesen. Einzig und allein Robins Gefühle blieben vor ihr verborgen. Hilflos suchte sie den Augenkontakt zu ihrer langjährigen Freundin. Sie hoffte auf moralische Unterstützung. „Meine Flucht… Ich musste aus diesem Schloss fliehen. Ich wollte nicht mehr dort leben. Ich sattelte Sternschnuppe und floh. Meine Eltern bemerkten meine Flucht und schickten mir diese Männer nach. Sie sollten mich ins Schloss zurückholen.“ Leider war es ihnen egal ob sie tot oder lebendig ins Schloss zurückkehrte. All zu viel bedeutete Marian ihren Eltern oder diesem Prinz Jean wohl nicht. Immerhin ging es diesem eitlen Kronprinzen nur um das Kreuz. Marian schob die finsteren Gedanken beiseite und lächelte Much an. „Ich stürzte zu Boden, als Sternschnuppe scheute, und wachte wenige Tage später in einer Hütte auf. Much hatte mich im Wald gefunden und zu Little John und der Sherwood Bande gebracht. Sie versorgten meine Wunden, die ich mir auf der Flucht holte, und halfen mir wieder zu Kräften zu kommen.“ Anfangs war ihr Lächeln gestellt, aber nun strahlte es aufrichtig. *************** Marian schlug ihre Augen auf. Verschwommen nahm sie die Umrisse einer Holzdecke wahr. Benommen schloss sie nochmals ihre Augen. Als die Blondine ihre Augen wieder öffnete, sah sie klarer, doch die Holzdecke blieb. Sie lag in einem weichen Bett unter einer wärmenden Decke. Wo war sie? Zuletzt befand sie sich im Wald. Es regnete stark. Sie hielt das Kreuz in ihren Händen… Das Kreuz… Mit einem Ruck saß sie senkrecht im Bett, spürte das Schwindelgefühl in ihrem Kopf, ignorierte es aber gänzlich und fasste sich an ihre Brust. Nichts… Da war nichts…. Sie starrte ihre Hände an, die stark zitterten. Wo war das Kreuz? Wo konnte es nur sein? Hatte sie es verloren? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Was war geschehen? Marian ballte ihre Hände zu Fäusten und kniff verärgert und traurig ihre Augen zusammen. Wenn sie es im Wald verloren hatte, dann war Sherwood Forrest in Gefahr. Eine Tür öffnete sich. Unbemerkt von Marian trat eine Person ein. Erfreut stellte eine tiefe Stimme fest: „Du bist ja wach!“ Erschrocken blickte die Prinzessin auf. Ein junger Mann stand im Türrahmen und hielt eine dampfende Schüssel in der einen Hand, während er die andere verlegen an seinen Hinterkopf gelegt hatte. Sie musterte den jungen Mann aufmerksam. Seine Kleider waren einfach und mehrfach geflickt. Der Drei-Tage-Bart umspielte die Kinnpartie bis zu den Ohren. Er wirkte schlaksig. Sie kannte ihn nicht und dennoch spürte sie das Vertrauen zu ihm. „Bist du in Ordnung? Hast du Schmerzen?“ Der junge Mann trat auf die Blondine zu und blieb vor ihrem Bett stehen. Besorgt ruhten seine braunen Augen auf ihr. Unsicher betrachtete Marian ihn. Er kam ihr so bekannt vor, nur wusste sie noch nicht woher sie ihn zu kennen schien. „Du erkennst mich nicht, hab ich recht?“, hakte der junge Mann nach. Ihm war die Skepsis in ihrem Blick nicht entgangen. „Es ist auch lange her, seit unserem Abschied.“ Ein verlegendes Lächeln trat auf seine Lippen, während er nicht so recht wusste, was er mit seiner freien Hand machen sollte. So legte er sie wieder an seinen Hinterkopf und kratzte sich an seiner Kopfhaut. Marian durchforstete ihre Erinnerungen. Aufmerksam betrachtete sie das ihr entgegengrinsende Gesicht. Vorsichtig hauchte sie plötzlich: „Much?“ Das männliche Gesicht begann zu strahlen. „Du kennst mich ja doch noch“, stellte er begeistert fest. Sie hatte ihn nicht vergessen. Nach all den Jahren erkannte sie ihn wieder. Eine zarte Röte schlich sich auf seine Wangen, während er ihr die Schüssel überreichte und sie weiterhin ansah. Dort saß sie… Marian… Die Prinzessin nahm die Schüssel entgegen und löffelte die noch dampfende Suppe. Seit ihrer Flucht aus dem Schloss Lancaster, hatte sie nichts mehr gegessen. Zwischendurch warf sie Much einen überwältigten Blick zu. Niemals hatte sie früher angenommen, dass aus dem schmächtigen, kleinen Jungen, ein recht ansehnlicher Mann werden könnte. Nach dem letzten Löffel überreichte sie Much die leere Schüssel und lächelte ihn an. „Danke, Much.“ Neugierig sah sie sich nun in der Holzhütte um. In diesem Raum standen das Bett und eine kleine Kommode mit einer Waschschüssel. Ein Spiegel hing über der Kommode an der Wand. „Wo bin ich?“ „Du bist in unserem Versteck“, mit diesen Worten zog Much Marians Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Little John hat dieses Versteck gefunden und wir haben alle zusammen geholfen und die Hütte für uns aufgebaut.“ Marian lauschte den Worten. „Warum habt ihr euer altes Versteck verlassen?“ Insgeheim bewunderte sie das handwerkliche Geschick der ehemaligen Räuberbande des Sherwood Forrest. Der braunhaarige Bandit setzte sich zu Marian aufs Bett und schlug ein Bein über das andere. Er betrachtete ebenfalls das Versteck der Räuberbande und dachte mit einem Lächeln auf den Lippen an den Bau dieser Hütte. Sie lag versteckt auf einer kleinen Lichtung im Osten des Waldes. Bisher hatte sich niemand in diese Ecke des Waldes verlaufen. Der Weg war beschwerlich, die Bäume standen enger beieinander, als in anderen Teilen des Sherwood Forrest. Durch die dicht bewachsenen Stellen wirkte der Wald finster und unheimlich. Somit war dieser Ort bestens geeignet um die Räuberbande vor unangenehmen Besuchern zu schützen. Bedacht erklärte Much: „Das alte Versteck war zu auffällig im Wald. Hier findet uns niemand so leicht.“ Als Marian die Worte hörte, zwinkerte sie überrascht. Warum sollte jemand die Sherwood-Bande suchen? König Richard regierte über den Sherwood Forrest. Er sorgte damals für alle, gab den Jungen Kleidung und Essen. Und ihrem Wissen nach, tat er das immer noch, über all die Jahre hatte er es getan. „Sucht euch jemand?“ „Schon möglich“, antwortete Much knapp. Er verfiel in Schweigen, richtete seinen Blick auf die leere Schüssel in seinen Händen und versank in Gedanken. Was sollte diese Antwort bedeuten? Die Prinzessin wusste mit solch einer Antwort nichts anzufangen. Ihre blauen Augen ruhten auf dem verstummten Much, während ihre Gedanken sich im Kreis bewegten. Ehe sie die richtigen Worte finden konnten, um das abgebrochene Gespräch wieder aufzunehmen, seufzte Much plötzlich auf. „Es hat sich viel verändert… in den letzten zehn Jahren. Wir haben uns verändert“, ergänzte er. Immer noch nicht aussagekräftiger als zuvor, aber dennoch ein Anfang. Marian beschloss für sich still zu zuhören, denn vielleicht folgte noch eine weitere Auskunft. Aber nichts geschah. Much verharrte stumm neben ihr. Die Tür wurde schwungvoll aufgerissen. „Wo bleibst du denn so lange?“, grummelte eine tiefe Stimme. Überrascht blickten beiden zur Türe und Marian sah einen stämmigen, jungen Mann eintreten. Es war unverkennbar, wer dieser Junge war. Abgesehen davon, dass er größer und auch etwas breiter geworden war und sein Gesicht männlicher und markanter wirkte, erkannte Lady Lancaster den Räuberhäuptling. Little John, persönlich, erstattete ihr einen Krankenbesuch. „Marian“, stellte er überrascht fest, hatte er nicht damit gerechnet sie schon erwacht zu sehen. „Little John“, lächelte die Blondine und nickte ihm zu. Der Räuberhäuptling richtete seinen Blick zu seinem besten Freund und deutete mit seinem Daumen auf die Tür hinter sich. „Wir müssen los. Komm endlich“, forderte er ungeduldig. Much erhob sich, warf Marian noch einen lächelnden Blick zu und verschwand schnell aus dem Zimmer. Der stämmige Mann sah seinen Besucher an. „Wir sind jetzt eine Weile weg. Fühl dich hier wie zu Hause, aber verlass diese Hütte nicht. Hast du mich verstanden?“ Unter strengem Blick nickte Marian zu. Little John drehte sich um und verschwand. Die junge Lady Lancaster blieb zurück. Wenn die Zeit gekommen war, würde sie ihn fragen. *************** „Little John, Much und die Sherwood Bande halfen mir mich zu verstecken. Aber ich wollte nicht nur in der Hütte bleiben. Ich wollte hinaus. Auf meinem ersten Streifzug mit der Sherwoodbande bin ich Robin begegnet“, endete Marian leise. Ihre erste Begegnung nach sieben Jahren. Sie hatte längst die Hoffnung aufgegeben ihn jemals wieder zu treffen. Aber, so schien es, führte sie das Schicksal erneut zusammen. Während Barbara mit großen Augen Marians Abenteuer lauschte, Much in seinen Gedanken versunken schien und Will und Robin versuchten zwischen den Zeilen zu lesen, wurde Winnifred hingegen ganz blass. Dass dieser schnelle Farbwechsel von der Erwähnung Little Johns Namen ausging, ahnten nur Robin und Will Huntington. Marian entging die ungewöhnliche Blässe auf den sonst rosigen Wangen ihrer Kindheitsfreundin auch nicht, konnte sich aber auch keinen Grund dafür erklären. Besorgt suchte sie die Augen ihrer Freundin, aber die Brünette wich ihr geschickt aus. Besorgt trat Will zu Winnifred und legte sachte seinen Arm um ihre Schultern. „Ich bringe dich auf dein Zimmer“, flüsterte er sanft und begleitete seine Schwester zurück ins Haus. Ben wusste, dass er bereits viel zu lange bei diesen privaten Gesprächen dabei stand. Somit schnappte er sich die Mistgabel und ging zum Stall. Die Arbeit würde sich nicht von alleine erledigen. Zudem wollte er es nicht riskieren von Robin getadelt zu werden. Barbara blickte erst Winnifred und Will hinterher, ehe sie ihren Blick auf Ben richtete. Sie hegte bereits einen Verdacht über das Verhalten ihrer Schwester. Immerhin passierte Winnifred nicht zum ersten Mal, dass sie von einem Moment auf den anderen die Farbe verlor. Zu gerne würde sie mit jemanden über ihre Gedanken sprechen, aber das konnte und durfte sie einfach nicht. Sie konnte nicht über Vergangenes urteilen. Dazu hatte sie kein Recht. Um sich selbst auf andere Gedanken zu bringen, blickte sie zu dem Räuber auf und lächelte. „Soll ich dir noch den Rest unseres Anwesens zeigen?“ Much warf einen misstrauischen Blick zu Robin und Marian. Lieber wäre er in der Nähe der Prinzessin geblieben, doch Barbaras Bemühungen einfach so abtun, wollte er auch nicht. Nach einem kaum merklichen Nicken, folgte Much dem jungen Mädchen. Zurück blieben die junge Lady Lancaster und der junge Lord Robert Huntington. Es schien ihnen ebenso bewusst, wie unangenehm zu sein, dass sie nun alleine waren. Wann sind sie zuletzt wirklich alleine gewesen? Er konnte sich nicht erinnern. Es gab kaum Momente, die sie nur zu zweit hatten. Dafür traten ihm andere Erinnerungen mit ihr ins Gedächtnis. *************** Big befand sich wieder auf Streifzug. Der Krieg war noch lange nicht beendet, doch in Nottingham hatte er sein Ende gefunden. Die Kinder des Sherwood Forrest waren nicht länger die Geächteten. Es herrschte wieder Frieden in der Stadt und die Dorfbewohner konnten alles wieder aufbauen. König Richard versprach für Nottingham zu sorgen und erließ die hohen Steuern. Die Kinder selbst lebten zufrieden und glücklich in ihrem Wald. Robin Hood war zum König der Wälder ernannt. Auch hatte er sich mit seinen Cousins und Marian in ihr altes Versteck zurückgezogen. Im Felsvorsprung des Wasserfalls. Marian und Winnifred waren im Wald unterwegs und sammelten Beeren. So ausgelassen und fröhlich sah Marian ihre Freundin lange nicht mehr. „Ich bin so froh, dass Big für Frieden gesorgt hat“, erzählte Winnifred glücklich. Sie pflückte eben ein paar Beeren von einem der Büsche, als sie sich umdrehte und Marians Augen suchte. Diese sammelte gedankenverloren ebenfalls Beeren. Ihre blauen Augen blickten trübsinnig vor sich hin und ein Lächeln hatte Winnifred an diesem Tag auch noch nicht in dem hübschen Gesicht gesehen. „Marian, bist du denn nicht glücklich?“ Erschrocken ließ sie die eben gepflückten Beeren fallen und drehte sich zu ihrer Freundin. Sie sah das besorgte Gesicht und setzte ein Lächeln auf. „Ich bin sehr glücklich über den Frieden“, bestätigte sie, während sie ihre Augen schloss und sich dem Busch zuwandte. Sie öffnete ihre Augen und dieses Mal funkelten sie wütend. Unbewusst ballte sie ihre rechte Hand, ungesehen von Winnifred. „Na, wen haben wir denn da?“ Eine Jungenstimme riss Marian aus ihren Gedanken. „Die liebliche Marian und die bezaubernde Winnifred!“ Beide Mädchen drehten sich zeitgleich um und erblickten Little John lässig an einem Baum lehnen. Die Füße hielt er über Kreuz und seine Arme vor der Brust verschränkt. Seine Augen sahen kurz zu Marian, ehe sie zu Winnifred glitten und dort hängen blieben. Da war sie – seine Winnifred. Er war der glücklichste Mann in ganz Sherwood Forrest. Das braunhaarige Mädchen sprang auf und lief auf den Chef der Räuberbande zu. „John“, rief sie glücklich aus und blieb kurz vor ihm stehen. Auch Marian stand auf. Mit großen Augen beobachtete sie das verliebte Pärchen. John stellte sich nun gerade hin, während Winnifred ihm ein Küsschen auf die Wange drückte. Beide erröteten prompt. Während John verlegen seine rechte Hand hinter seinen Kopf legte, senkte Winnifred ihren Kopf und starrte glücklich lächelnd den Boden an. Marian senkte ebenfalls den Blick. Sie musste den beiden ihre Privatsphäre lassen. Auch wenn es schön war, die beiden miteinander zu sehen, ein wenig neidisch war sie auch auf ihre Freundin. Immerhin wusste Winnifred das Little John in sie verliebt war. Sie gab sich selbst einen Ruck. Unbemerkt schnappte sie sich die beiden Körbe und verschwand. Marians blaue Augen blickten traurig auf den Boden. Wenn sie sich selbst nur auch so sicher sein könnte. Sie dachte an die letzten Wochen und Monate zurück. Er war immer da, wenn sie in Gefahr schwebte und doch hatte er sich ihr gegenüber nur wie ein Freund verhalten. Sie konnte nicht mehr sagen, wann sie sich in ihn verliebt hatte, doch sie hatte es. Es war eine Qual zu wissen, dass er in Lebensgefahr steckte und sie ihm nicht helfen durfte. Dass er alles über ihren Kopf hinweg entschied mit der Begründung es wäre das Beste für sie. Doch es war nicht das Beste für sie. Sich tagein und tagaus Sorgen zu machen, nicht zu wissen ob er lebte oder bereits irgendwo verwundet lag und sie ihm nicht helfen konnte. Sooft wäre sie beinahe daran zerbrochen. Sie blieb stehen und blickte hinauf in die mächtigen Waldkronen. Sie wünschte es sich so sehr, dass Robin die gleichen Gefühle für sie hegte, doch glauben konnte sie nicht daran. Seufzend ging sie weiter. Unbemerkt von Marian trat ein Junge hinter einem Baum hervor. Seine rechte Hand stützte er am Baumstamm. Die braunen Haare fielen ihm locker ins Gesicht. Traurig, fast wehmütig sah er der hübschen Blondine nach. Sein Köcher mit den Pfeilen hing ihm über den Rücken und den Bogen hatte er sich über die linke Schulter gehängt. Die blauen Augen verfolgten jeden ihrer Schritte. Zwar herrschte Frieden, dennoch sorgte er sich rund um die Uhr um seine beste Freundin. Sie so traurig zu sehen, riss ihm das Herz aus der Brust. Was sie nur hatte? Langsam und ungesehen folgte er ihr. Am Fuße des Wasserfalls konnte Marian Barbara, Much und Will im Wasser spielen sehen. Immer wieder tobten sie und spritzten sich gegenseitig nass. Mit einem Lächeln auf den Lippen trat sie näher heran. „Hey, was macht ihr denn da?“ Much drehte sich zu der Blondine und strahlte sie an. „Wir spielen mit Barbara!“ In diesem Moment schwappte Wasser auf ihn. „Hey“, schrie er auf und rächte sich sofort an der kichernden Barbara. „Das war unfair!“ „Ach was“, winkte das Mädchen ab und ergriff die Flucht vor dem herannahenden Much. Will hingegen trat aus dem Wasser heraus und eilte auf Marian zu. „Wo ist Winnifred?“ Fast besorgt schon blickten seine Augen in Marians. „Keine Sorge. Sie ist bei Little John!“, lächelte das Mädchen aufmunternd, doch Will erwiderte prompt: „Und da soll ich mir keine Sorgen machen?!“ Eine Jungenstimme mischte sich in das Gespräch. „Little John passt gut auf Winnifred auf, da bin ich mir ganz sicher!“ Robin trat näher an die Gruppe und blickte zuversichtlich seinen Cousin an. „Wie kannst du dir da so sicher sein, Robin?! Immerhin reden wir von Little John!“ Robin lächelte Will an und erklärte besonnen: „Weil er ein sehr guter Freund ist und uns in allem immer unterstützt hat.“ Sein Blick glitt zu Marian und blieb an ihren blauen Augen hängen. „Wo kommst du denn jetzt her?“ Irritiert über das plötzliche Erscheinen des Freundes musterte sie ihn aufmerksam. „Ich dachte du bist im Wald und kommst nicht vor Sonnenuntergang zurück.“ Plötzlich schoss Robin die Röte auf die Wangen und wandte den Blick von ihr ab. Er konnte ihr ja schlecht sagen, dass er die ganze Zeit über auf sie aufpasste. Ihr auf Schritt und Tritt folgte. Denn wenn er dies sagte, war sie berechtigt zu erfahren warum er das tat. Er wusste die Antwort selbst nicht, er hatte nur so ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Jedes Mal wenn er dies hatte, war etwas geschehen und hatte meist mit ihr zu tun gehabt. Immer noch starrten ihre Augen in sein Gesicht und das Gefühl, dass er ihr etwas verheimlichte, wuchs stetig an. „Naja, dann hast du eben falsch gedacht“, erwiderte Robin, setzte ein künstliches Lächeln auf und trat an ihr vorbei. Im nächsten Moment verfinsterte sich seine Mine. Marian starrte ihm irritiert nach. Langsam verschwand die Sonne hinter dem Horizont. Marian und Barbara bereiteten das Essen vor und Robin spannte seinen Bogen neu. Währenddessen lief Will unruhig hin und her. „Wo bleibt sie nur. Es wird gleich dunkel.“ „Will, lass es gut sein. Sie kommt bestimmt gleich“, beruhigte Robin seinen Cousin, doch der hielt nicht inne. „Ich wusste, dass Little John gefährlich ist. Er ist nicht gut für meine Schwester.“ „Will“, ermahnte Robin ihn von neuem, als auch schon Winnifred den Weg hinauf eilte. Sie lachte fröhlich und auch Little Johns Lache konnte man bereits von weitem vernehmen. Barbara und Marian richteten ihre Aufmerksamkeit auf das kleine Gartentor. Will mit vor Zorn gerötetes Gesicht machte sich kampfbereit, während Robin seine Pfeile in den Köcher verstaute. Da erschienen die beiden und traten durch das kleine Tor durch. Kaum standen sie vor ihren Freunden, sprang Will auch schon auf Little John zu und griff ihn an. „Du, du, du Hund. Wie kannst du meine Schwester nur so lange da draußen im Wald lassen?!“ Erschrocken ließ Winnifred Little Johns Hand los, die sie bis eben gehalten hatte und sprang zur Seite. Little John, der auf einen Angriff von Will nicht vorbereitet war, hatte alle Mühe sich den wilden Bruder seiner Freundin vom Hals zu schaffen. „Hört auf!“, kreischte Winnifred erschrocken. „Will, lass ihn in Ruhe!“ Ungeachtet kämpften die beiden weiter. Auch Little John hatte nun die Nase voll. „Ich hab sie doch wieder hergebracht. Was willst du eigentlich von mir?!“ „Ich will, dass du sie in Ruhe lässt. Du bist nicht gut für sie!“ „Ach ja?“ Little John stieß Will von sich. Der schlanke Junge landete sitzend am Boden, doch schon stand er prompt wieder auf den Beinen. Er nahm Anlauf und sprang seinen Konkurrenten um. Beide lagen auf dem Boden und rangen miteinander. „Sie mag mich!“ „Sie hat das nicht zu bestimmen“, erwiderte Will. „Hört auf, bitte“, mischte sich Barbara ein, doch Marian legte dem kleinen Mädchen eine Hand auf ihre Schulter. Robin sprang auf um dem ganzen Theater ein Ende zu setzen, als Winnifreds Stimme erklang. Traurig, gebrechlich und verletzt. „Hört auf, ihr Idioten! Ich hasse euch!“ Mit diesen Worten löste sich die erste Träne aus ihren Augen und sie rannte weg. Durch das Tor hindurch und den Weg zurück in den Wald. Erschrocken über ihre Worte hielten die Raufbolde in ihrem Kampf inne. Beide blickten sich an, ehe sie ihr nachriefen: „Winnifred!“ „Ich werde nach ihr sehen“, bestimmte Marian und eilte der Freundin nach. Robin gefiel diese Idee gar nicht, doch war es zu spät sie aufzuhalten. Wütend fixierte er die beiden Jungs. „Seid ihr nun zufrieden? Ist es das was ihr wolltet?“ „Aber“, setzte Little John ein und auch Will wollte etwas erwidern, doch Robin duldete keine Zwischenrufe. „Werdet endlich erwachsen. Ich suche jetzt die Mädchen. Barbara, du bleibst hier, bitte!“ Mit diesen Worten folgte Robin den Mädchen. „Ich möchte aber mitkommen“, erwiderte Barbara, ihre Worte verhallten aber ungehört. Nun traf ihr Blick die beiden Jungs. Sie stemmte ihre Arme in die Hüfte trat auf die beiden zu. „Ich wusste gar nicht, wie blöd Jungs sein können!“ Mit diesen Worten rannte sie ebenfalls hinaus. „Barbara!“ Will sprang auf um seiner kleinen Schwester zu folgen, doch Little John stellte ihm ein Bein. Der große Bruder der beiden Mädchen flog der Länge nach hin. Wütend fixierte er seinen Konkurrenten. „Hör zu, Little John, ich habe jetzt keine Zeit für so etwas.“ „Und du hörst mir jetzt mal zu“, Little John stand auf und baute sich bedrohlich vor seinem Kontrahenten auf. „Wenn Winnifred mich jetzt hasst und kein Wort mehr mit mir redet, dann kannst du dich auf was gefasst machen!“ „Ach ja?!“ Auch Will stand auf und funkelte Little John an. „Ja!“ Wenn Blicke töten könnten wären sie beide auf der Stelle tot umgefallen. „Findest du nicht, wir sollten lieber deine Schwestern suchen?“ „Natürlich, nur du musstest mir ein Bein stellen“, fauchte Will zurück und sprintete los. „Aber nur, weil du es nicht anders verstanden hättest!“ Little John folgte ihm wütend. Es wurde immer dunkler und mächtige Schatten tauchten den Wald finster ein und ließen ihn gespenstisch werden. Weinend ließ sich Winnifred auf ihre Knie fallen. Ihre Hände griffen ins Gras und eine Träne nach der anderen löste sich aus ihren Augen. „Ich hasse sie. Wieso tun sie das?“ Immer wieder stellte sie sich diese beiden Fragen, denn eine Antwort hatte sie noch nicht darauf gefunden. Plötzlich raschelte etwas neben ihr im Gebüsch. Die Tränen versiegten plötzlich und Angst kroch ihr den Rücken hinauf. Sie blickte sich mit großen Augen um, bis sie den raschelnden Busch fixiert hatten. Ängstlich beobachtete sie die sich bewegenden Äste. Ihr Herz begann zu rasen und ihre Hände zu zittern. Sie wurde ganz weiß. Ein dunkler Schatten trat heraus. Ein seltsames Geräusch erklang. Winnifred konnte nicht anders und begann zu schreien. Marian hörte den Schrei. „Winnifred“, rief sie. Ihre rechte Hand umfasste fest den Griff ihres Holzschwertes und sie rannte los. Ihr Herz klopfte wie wild und sie rechnete mit allem möglichen. Wieder ertönte ein Schrei, dieses Mal näher. Marian war sich sicher, dass sie gleich bei Winnifred war. Besorgt und in der Hoffnung, dass mit ihrer Freundin alles in Ordnung sei, sprang sie durch das nächste Gebüsch auf eine kleine Lichtung. Dort saß sie. Zusammengekauert, mit ängstlichem Blick auf ihr Gegenüber. Sie zitterte am ganzen Körper. Marian sah sich um und entdeckte ein Wildschwein. Einen Eber mit großen, weißen Stoßzähnen. Zum Angriff bereit. Noch hatten sie die beiden nicht bemerkt. Aber Marian musste etwas tun. Jeden Moment könnte es zu spät sein. Sie suchte den Boden ab und fand schließlich einen Stein. Schnell hatte sie ihn aufgelesen und auf das gereizte Tier geschmissen. „Hier bin ich! Na, los, komm schon!“ Das Wildschwein richtete sich auf und fixierte Marian. Auch Winnifred starrte ihre Freundin mit großen, ängstlichen Augen an. Immer noch war sie unfähig sich zu rühren und brachte somit auch keinen Ton über die zittrigen Lippen. Marian hingegen zog ihr Holzschwert und stellte sich zum Angriff bereit. Der Eber schabte mit seiner Hufe in der Erde und schon griff er das blonde Mädchen an. Diese sprang in die Luft und schlug ihn mit ihrem Holzschwert auf den Rücken. Wütend über diesen Angriff positionierte sich das Wildschwein neu. Marian landete auf ihren Füßen und richtete sich auf. Sie fixierte den Feind. „Winnifred. Los beeil dich! Lauf endlich weg!“ Wieder griff der Eber an und Marian sprang zur Seite. Doch dieses Mal nahm das Tier die Verfolgung auf und ließ ihr nicht die Pause zum Verschnaufen. „Marian“, hauchte Winnifred. Sie wollte aufstehen, doch ihre Glieder waren so steif und zittrig, dass sie sich nicht rühren konnte. Barbara rannte auf die Lichtung und stürzte auf ihre Schwester zu. „Winnifred, ist alles in Ordnung mit dir?“ Den Eber hatte sie noch nicht gesehen, er aber hatte die Bewegung hinter sich ausgemacht. Mit einem Ruck drehte er sich um und begann seinen Angriff auf die beiden Schwestern. Marian musste das zu verhindern wissen und blickte mit festem Blick auf ihr Holzschwert. Es war die einzige Möglichkeit. Sie holte aus und warf es so fest sie konnte auf das Wildschwein. Barbara und Winnifred regten sich nicht vor Schreck. Sie sahen das große gefährliche Tier auf sich zukommen und begannen nur noch zu schreien. Kurz bevor der Eber sie erreicht hatte, traf ihn das hölzerne Schwert am Hinterteil. Mit einem Ruck und richtig wütend drehte er sich wieder zu Marian um. „Falsche Richtung“, forderte sie und deutete auf sich. Wieder richtete sich die ganze Aggression auf diese eine Angreiferin. „Lauft endlich weg“, rief Marian zu, ehe das Tier auf sie losstürmte. Unbewaffnet starrte sie das große Wildschwein an. In diesem Moment rannten Little John und Will auf die Lichtung. Marian sprang wieder über das Wildschwein hinweg, doch dieses Mal bekam es von Marian den Fuß zu fassen. Mit seinem scharfkantigen Stoßzahn riss er ihr eine Fleischwunde in die linke Wade. Marian fiel und stürzte hart auf dem Boden. Sie konnte noch aus den Augenwinkeln wahrnehmen, dass die Jungs gekommen waren. „Bringt die Mädchen hier weg! Schnell!“ „Marian“, rief Barbara besorgt, doch schon hatte Will sie auf seinen Arm gehoben und war mit ihr davon gerannt. Auch Little John half Winnifred auf die Beine und stützte sie. Beide blickten ängstlich zu Marian. Die jedoch ihren Blick jetzt voll und ganz auf das Wildschwein gerichtet hatte. Es schabte wieder mit den Hufen und grunzte laut. Ein Angriff stand kurz bevor. Unsagbare Schmerzen hielten Marian am Boden. Sie konnte nicht mehr springen und sie konnte nicht mehr laufen. Schmerzverzerrt kniff sie ein Auge zu. Die Wunde blutete sehr stark. Marian begann zu zittern und sie verlor zunehmend an Farbe. „Marian“, rief Winnifred. „Ich sagte doch schon, ihr sollt endlich weglaufen!“ „Nicht ohne dich“, erwiderte Winnifred und ignorierte Little Johns ziehen und schieben. Marian biss die Zähne zusammen und rappelte sich auf, doch kaum stand sie auf ihren Füßen brach sie wieder ein. Der Fuß tat zu weh, als um ihn zu belasten. Der Eber hingegen wertete das als neuen Angriff und spurtete auf Marian los. „Marian!“ Ihr wurde schwindlig. Sie verlor zuviel Blut. Nur noch vage nahm sie den Eber wahr. Sie wusste, dass ihr Ende nahte. Doch in diesem Moment schoss ein Pfeil in den Boden, direkt vor den Eber. Erschrocken bäumte sich der auf. Marian riss ihre Augen auf. Als sie schon ihren Namen hörte. „Marian, ich komme!“ Sie richtete ihren Blick in die Luft und sah ihn an einem Seil heran schwingen. Sie erinnerte sich zu gut, er hatte es schon einmal getan um sie zu retten. Damals als sie von den Jagdhunden angegriffen wurde. Er hatte sie gerettet. Mit letzter Kraft richtete sie sich auf und stellte sich hin. Nicht zu knapp, denn im nächsten Moment hatte er sie schon mit seinem linken Arm eng um die Taille gepackt. Sie hielt sich um seinen Hals fest, während sie über die Lichtung hinweg schwangen und hinter dem Gebüsch verschwanden. Diesen Moment nutzte auch Little John um Winnifred mit sich zuziehen. Der Eber ließ sich wieder auf seine Vorderfüße fallen und blieb an Ort und Stelle. Robin landete mit Marian in der Wiese. Will mit Barbara und auch Little John und Winnifred traten heran und betrachteten besorgt die Freundin. Marians blaue Augen blickten in Robins blaue Augen. „Danke!“ Es war das letzte Wort, ehe sie in Ohnmacht fiel. „Marian!“ Robin blickte sie besorgt an. „Marian, was ist mit ihr?“ Barbara wollte von Wills Arm, doch dieser hielt sie fest. Winnifred kniete sich zu ihrer Freundin. Sie riss sich ein Stück Stoff von ihrem Kleid und verband Marians Wunde notdürftig. Besorgt beobachtete Robin Winnifred, ehe er seinen Blick auf das Gesicht seiner Freundin richtete. Nun sah er entschlossen auf. „Ich bringe sie zu Bruder Tuck. Will, bring deine Schwestern zum Versteck zurück. Little John, pass auf deine Bande auf.“ „Ja“, antworteten die beiden Jungs gleichzeitig, doch die Mädchen machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. „Wir wollen mit euch gehen. Und bei Marian bleiben.“ „Nein. Ihr geht mit Will und keine Widerrede. Wir kommen zurück, sobald es Marian besser geht.“ Mit diesen Worten hob er Marian auf seine Arme und nickte seinen Freunden entschlossen zu. Schon verschwand er mit ihr im dunklen Wald. Little John und Will brachten die Mädchen ins Versteck zurück. Robin rannte so schnell er konnte. Kurz trafen seine Augen ihr blasses Gesicht. Der Junge rannte und rannte. Marian verlor immer mehr Farbe. Er sprang über Wurzeln und duckte sich unter Ästen durch. Nicht mehr weit, dann hatte er Bruder Tucks Haus erreicht. „Marian, halte durch!“ Robin atmete schwer, er fühlte wie ihn die Kraft verließ. Doch er durfte nicht aufgeben. Wenn er aufgab, dann war Marian verloren. Nein, er gab nicht auf. Er biss die Zähne zusammen. Seine Schritte wurden langsamer und schwerer. Doch er riss sich zusammen. Er trat auf eine Lichtung und entdeckte das Holzhaus im Licht des Mondes. Er hatte es geschafft. Schritt für Schritt trat er näher. Gleich waren sie in Sicherheit. Er trat auf die Eingangstür zu. Mit seinen Fuß trat er gegen die Türe. Er spürte wie ihm die Kraft ausging. Er lauschte doch nichts tat sich. Wieder trat er gegen die Tür. Schwach ließ er sich auf seine Knie sinken. Er fühlte sich total ausgelaugt und Marian wurde immer schwerer auf seinen Armen, doch loslassen konnte er sie einfach nicht. Er hatte sich geschworen sie zu Bruder Tuck zu bringen, koste es was es wolle. Langsam ließ er sich auf den Hintern plumpsen, Marian lag in seinem Schoß. Er senkte seinen Blick auf ihre zarte weiße Haut. Sie wirkte so zerbrechlich und war immer noch nicht zu sich gekommen. Die Wunde blutete immer noch sehr stark und das Tuch von Winnifred war bereits ganz durchgeweicht. Robin fühlte sich so schwach. Er hoffte inständig das Bruder Tuck zuhause war. Er zog ein Bein hervor und trat ein letztes Mal mit aller Kraft gegen die Tür. Plötzlich polterte ein Stuhl und die Tür wurde aufgerissen. Aufgeregt suchte Bruder Tuck die Gegend ab, als er hinunter sah traf ihn jedoch der Schlag. Dort kniete Robin mit einer bewusstlosen Marian auf dem Arm. „Um Himmels Willen, Kinder. Was ist denn nur passiert?“ Robin blickte auf. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Bin ich froh euch gefunden zu haben, Bruder Tuck. Marian ist verletzt. Ein Eber hat sie angegriffen und verletzt. Sie blutet sehr stark! Können Sie ihr helfen?“ Seine blauen Augen blickten so hilflos und verwirrt drein. Der Mönch konnte sehen wie schlimm diese Situation für Robin war. Bruder Tuck nahm Robin die kleine Prinzessin ab und brachte sie in sein Häuschen. Robin rappelte sich auf und folgte den beiden. Er war froh Hilfe gefunden zu haben. Bruder Tuck wusste bestimmt, wie man ihr helfen konnte. Eines wusste Robin, Marian hatte sehr viel Blut verloren. Als er eintrat und die Tür hinter sich schloss, war Bruder Tuck gerade dabei Marians Bein zu untersuchen. „Das sieht nicht gut aus. Wie, um alles in der Welt, konnte das nur passieren?“ Robin zog sich einen Stuhl näher heran und senkte verlegen seinen Blick. „Ich glaube, das ist meine Schuld! Will und John haben sich wegen Winnifred gestritten. Winnifred ist weggerannt und Marian ist ihr nachgelaufen. Sie wollte sie wieder zurückholen und im Wald trafen sie dann dieses Wildschwein. Marian hat seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen um Winnifred zu schützen. Little John, Will und ich wären fast zu spät gekommen. Bitte, Bruder Tuck, kann ich etwas tun? Irgendwas? Ich möchte, dass es ihr sobald wie möglich besser geht.“ Bruder Tuck nickte nachdenklich und stand schließlich auf. Robin stellte sich zu Marian und blickte sie besorgt an. „Sie ist ohnmächtig geworden und seitdem nicht mehr aufgewacht.“ „Sie braucht den Schlaf. Immerhin hat sie sehr viel Blut verloren.“ Bruder Tuck stand vor einem Regal und suchte seine Heiltinktur. Mit einem kleinen Fläschchen und ein paar Blättern in der Hand trat er wieder auf das schlafende Mädchen zu. Er legte Marian zwei sattgrüne Blätter in die Hand und löste den Verband um ihre Wade. Robin beobachtete Bruder Tuck genau, doch als der Mönch den Blick auf die Fleischwunde freigab, kniff der Junge seine Augen zusammen. Wieder traten Schuldgefühle in ihm hoch. Hätte er doch besser auf sie aufgepasst. Das Blut, welches aus der offenen Wunde austrat, verringerte sich bis es schließlich ganz aufhörte. Zufrieden über den Erfolg seiner medizinischen Weisheit, holte er sich Wasser um die Wunde zu reinigen. Erst danach konnte er seine Heiltinktur auf die Verletzung auftragen und Marians Bein erneut verbinden. „Was habt ihr gemacht, Bruder Tuck? Die Wunde blutete die ganze Zeit so stark, doch plötzlich hat sie aufgehört“, überrascht suchte Robin den Blick des weisen Mannes. „Siehst du die Blätter, die ich in Marians Hände gelegt habe?“ Er kümmerte sich derweil um die Wunde. „Das ist Acker-Schachtelhalm. Auch Zinnkraut genannt. Es hat eine blutstillende Wirkung. Es reicht alleine schon, wenn man nur ein paar Blätter in die Hände der verletzten Person legt und die Blutung hört auf. Aber zur Sicherheit werde ich ihr morgen auch noch einen Tee daraus zubereiten. Es fördert auch die Wundheilung. Und meine Tinktur kennst du bereits.“ Robin nickte und beobachtete wieder seine schlafende Freundin. Der Mönch versorgte ihre Wunde und drehte sich schließlich um. „Ich hab etwas zu Essen für dich. Nimm dir eine Schüssel und fülle die Suppe hinein. Iss, damit du zu Kräften kommst.“ „Ich habe keinen Hunger“, erwiderte der Braunhaarige, doch der Mönch wusste es besser. „Papperlapapp, du brauchst etwas im Magen. Ich sehe doch wie erschöpft du bist.“ Widerwillig folgte Robin den Anweisungen und ließ sich am Tisch nieder. Erst jetzt bemerkte er die dampfende Schüssel auf dem Tisch stehen. Ihm wurde bewusst, dass er den Mönch beim Essen gestört hatte. Robin saß vor seiner Pilzsuppe und löffelte sie. Nachdem Bruder Tuck Marians Bein dick verbunden hatte, setzte er sich wieder an den Tisch. „Robin, du schläfst heute Nacht in meinem Bett. Du musst morgen bei Kräften sein und Marian versorgen.“ Überrascht sah der Junge auf. „Wieso? Das kommt gar nicht in Frage, dass ich euer Bett nutze. Wo schlaft dann Ihr?“ Bruder Tuck lächelte und blickte auf seinen Schaukelstuhl nahe des Kamins. „Ich muss morgen unbedingt Heilkräuter sammeln. Marian braucht dich dann. Es kann durchaus sein, dass sie Fieber in dieser Nacht bekommt und ich habe nicht mehr viele Kräuter da.“ Robins Blick wich zu Marian. „Ihr könnt euer Bett nutzen. Ich werde heute Nacht kein Auge zumachen.“ Besorgt beobachtete Bruder Tuck den Jungen. Auch wenn er wusste, dass Robin erschöpft war, wusste er, dass ihn niemand vom Gegenteil überzeugen hätte können. Die Nacht war lang. Bruder Tuck war bereits auf seinem Schaukelstuhl eingeschlafen, während Robin an Marians Bett wachte. Er hatte sich einen Stuhl zum Bett gezogen und beobachtete ihren Schlaf. Bruder Tuck hatte Recht behalten. In der Nacht bekam Marian Fieber. Robin hatte frisches Wasser besorgt und tränkte immer wieder ein Tuch, um es ihr auf die Stirn zu legen. Sein Körper schrie inzwischen nach Schlaf, doch fühlte er sich hellwach. Seine blauen Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Große Sorge konnte man in ihnen ablesen. Seine rechte Hand ballte sich auf seinem Schoß. Hätte er es doch bloß verhindert. Er hätte sie davon abhalten müssen nach Winnifred zu suchen. Alles allein war seine Schuld. *************** Robin ahnte, dass Marian sich wieder in Gefahr begab. Wie damals auf der Suche nach Winnifred. Er wollte nicht noch einmal riskieren, dass ihr etwas Schlimmes zustieß. Aber würde sie sich ihm anvertrauen? Würde sie ihm die Wahrheit sagen, wenn er sie danach fragte? Würde sie ihm wieder ihr vollstes Vertrauen schenken, nach der langen Zeit, die ins Land gezogen war? Sie verlor sich in seinen Augen. Sie wollte ihm die Wahrheit sagen, aber damit würde sie ihn in Gefahr bringen. Er könnte alles verlieren. Barbara, Will und Winnifred könnten ihr Haus verlieren. Sie würden vielleicht wieder wie die Geächteten im Wald leben müssen. Dafür wollte Marian nicht verantwortlich sein. Je weniger sie wissen, desto besser wäre es für alle. „Sag mir die Wahrheit, Marian. Warum verfolgen diese Männer dich wirklich?“ Robin durchbrach die Stille und tat den ersten Schritt. Aber Marian schüttelte ihren Kopf. Sie hielt an ihrer Geschichte fest. „Sie wollen mich zurück nach Schloss Lancaster holen.“ „Du verschweigst mir etwas“, beharrte Robin stur. Er wollte nicht glauben, dass Armbrustschützen, Kopfgeldjäger, gefährliche Männer sie verfolgten, um sie nur sicher nach Hause zu bringen. Plötzlich packte er sie an ihren Schultern und schüttelte sie durch. Verzweifelt und eindringlich hoffte er, dass sie ihn in Kenntnis setzte. Oder hatte sie sämtliches Vertrauen, welches einmal unter ihnen geherrscht hatte, komplett verloren? Er hielt inne, lockerte seinen Griff aber nicht. Marian, die ihn ängstlich irritiert ansah, während er sie schüttelte, blickte ihn umso erstaunter an, als er damit aufhörte und verharrte. „Ich möchte für dich da sein, dir helfen, dich beschützen! Du bedeutest mir alles, Marian! Ich will dich nicht verlieren, nicht noch einmal.“ Überrascht, über dieses Geständnis, verharrte die Blondine in seinen Armen. Seine Worte hallten in ihren Ohren wieder, unfassbar welch tiefere Bedeutung sie hatten. Er ließ sie los. Es dämmerte bereits. Gemeinsam mit Ben und Will brachte Robin die Pferde in den Stall und Marian half ihnen schweigend. Schweigend verlief auch das Abendessen, ehe sie sich einzeln zurückzogen. Much, Will und Barbara unterhielten sich im Salon, Winnifred war in ihrem Zimmer, Marian zog sich in das Gästezimmer zurück und Robin suchte durch Arbeit Ablenkung und ging in sein Arbeitszimmer. Kapitel 8: … um das Vertrauen zu stärken… ----------------------------------------- Robin versuchte seine Konzentration auf die vielen Unterlagen vor sich zu richten, allerdings wichen seine Gedanken ständig ab. König Richard befand sich auf Streifzug, würde aber bald zurückkommen. Er musste wenigstens einige der Unterlagen durcharbeiten. Aber so sehr er sich auch die Dringlichkeit einredete, seine Gedanken gehörten einzig und allein Marian. Er hatte nicht die geringste Vorstellung, was diese wunderschöne Frau durchlebt hatte. Sie erzählte, dass ihre Eltern sie verheiraten wollten. Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Sie war einem anderen Mann versprochen. Auch wenn sie sagte, dass sie ihn nicht liebte, so würde ihr keine andere Möglichkeit bleiben, als ihn zu heiraten. Robin tat es von Herzen weh, sie in den Armen eines anderen Mannes zu wissen, dennoch würde er keinen Einfluss auf ihr Schicksal haben. Als sie ihm diese Nachricht am Nachmittag verkündete, erstarrte er. Seine Gefühle versteckte er hinter einer Maske, aber innerlich zerriss es ihn. Er legte die Feder zur Seite und raufte sich seinen braunen Haarschopf. Wieso war nur alles so schwierig? Warum musste alles so kommen, wie es kam? Er ärgerte sich ihr nicht früher seine Liebe gestanden zu haben. Vielleicht hätte er etwas verändern können. Ohne es zu wollen, drifteten seine Gedanken ab. Ihr Abschied kam so plötzlich und er fühlte sich, als wäre dieser erst ein paar Tage her. *************** Die Tage zogen ins Land. Das satte grün der Bäume und Büsche wich einem gelblichen Ton bis hin zum Braun. Der Herbst nahte und bereitete die Natur, den Sherwood Forrest und seine Bewohner auf den kommenden Winter vor. Marians Fieber senkte sich und verschwand. Der blonden Prinzessin ging es von Tag zu Tag besser. Die Fleischwunde in Marians Wade heilte sehr gut. Es würde eine Narbe zurück bleiben, aber durch ihre Stiefel oder langen Kleider könnte sie diese gut verstecken. Robin wachte an ihrem Bett, unterhielt sie, kümmerte sich um sie und achtete darauf, dass sie genug aß um schnell wieder zu Kräften zu kommen. Bruder Tuck war seit dem Morgengrauen aufgebrochen um Heilkräuter zu sammeln und auch die Nachricht über Marians Genesung den Freunden zu überbringen. „Hier, du musst etwas essen.“ Robin reichte ihr eine dampfende Schüssel und setzte sich auf den Stuhl neben ihrem Bett. Marian errötete, wandte sich schnell ihrer Suppe zu und löffelte sie langsam. Unsicher unterbrach sie ihre Tätigkeit und blickte auf. „Robin, du kümmerst dich so gut um mich. Danke!“ Sie lächelte ihn an. Schon schoss ihr die Röte auf die Wangen, ihr Herz klopfte unruhig in ihrer Brust und sie spürte das Kribbeln in ihrem Bauch, welches sie immer verspürte, wenn er bei ihr war. Schnell wandte sie wieder ihren Blick ihrer Suppe zu und aß weiter. Robin, der ebenfalls stark errötete, stellte erleichtert fest, dass sie sich abwandte. Nicht auszudenken welchen Eindruck sie von ihm bekäme, sollte sie ihn in solcher einer Verfassung sehen. Aufgeregt und nervös überlegte er nach passenden Worten. Er schuldete ihr eine Reaktion auf ihre Dankbarkeit. „Du musst mir nicht danken. Wir sind Freunde. Du würdest dasselbe für mich tun.“ In diesem Moment begann Marian so stark zu husten, da sie sich an ihrer Suppe verschluckt hatte. Es stimmte, sie würde auch alles für ihn tun; Aber nicht nur weil sie Freunde waren. Draußen wurden Stimmen lauter. Little John, die Sherwood Bande und die Huntington Geschwister befanden sich auf dem Weg zur Hütte von Bruder Tuck. Sie wollten Robin und Marian abholen. Bruder Tuck hatte ihnen am Vormittag mitgeteilt, dass Marian auf dem Weg der Besserung war und schon wieder das Haus verlassen könnte. Diese Gelegenheit ließen sich die Kinder des Sherwood Forrest nicht entgehen. Alle zusammen näherten sie sich der Hütte. Neugierig, von dem Stimmengewirr angelockt, stand Robin auf, half Marian aufzustehen und reichte ihr einen Stock. Sie durfte das verletzte Bein noch nicht belasten. Langsam humpelte sie ihrem Freund nach. Fröhlich lachend blieb die Gruppe vor der Tür stehen. Diese öffnete sich schon und Robin trat hinaus, dicht gefolgt von der blonden Prinzessin. Überrascht, all ihre Freunde zu sehen, stahl sich ein glückliches Lächeln auf ihre Lippen. „Das ist ja eine Überraschung!“ Robin grinste breit: „Sie sind alle nur wegen dir hier!“ „Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht!“ Barbara und Winnifred stürmten auf ihre Freundin zu und schlossen sie gleich in eine feste Umarmung. „Schön dich wieder zu sehen!“ Amüsiert beobachteten die Jungs das Wiedersehen, doch Little John setzte dem ein Ende: „Lasst uns gehen!“ Lachend setzte sich die Truppe in Bewegung. So durchquerte die Gruppe ihren Sherwood Forrest. Plötzlich vernahmen sie das Geräusch einer herannahenden Kutsche. Auch wenn jetzt Frieden herrschte, Little John hatte sich noch nicht daran gewöhnt. In ihm kam wieder der Räuber durch. „Was für eine Beute es wohl dieses Mal sein wird? Los, Jungs, versteckt euch. Das wird ein Spaß“, kommandierte Little John und sprang wie seine Kumpane hinter den nächsten Busch. Much lugte hervor und blickte die verbliebenen Kinder entsetzt an. „Was ist denn? Los, versteckt euch!“ Widerwillig folgten die Huntingtons und Marian den Anweisungen. Sie versteckten sich ebenfalls im Gebüsch und warteten auf die sich rasch nähernde Kutsche. Unsicher suchte Marian Robins Augen. Doch dieser schenkte ihr in diesem Moment keine Beachtung. Egal was Little John auch vorhatte, er würde es zu verhindern wissen. Aber zuerst musste er abwarten. Die Kutsche war nun ganz nah. Marian erstarrte. Diese weiße Kutsche, mit den silbernen Verzierungen an den Rundungen vom Dach zum Boden, kam ihr bekannt vor. Sie wollte soeben aufspringen und aus ihrer Deckung kommen, als die Banditen bereits lautstark angriffen. Sie sprangen aus ihren Verstecken und umkreisten die Kutsche. Der Kutscher hielt die Pferde an. Ängstlich saß er auf seinem Kutschbock und beobachtete die Banditen. Auch Little John trat aus seinem Versteck und baute sich vor der Kutsche auf. „Aussteigen! Aber schnell!“, befahl er selbstbewusst. Erst tat sich nichts, doch dann öffnete sich die Tür und ein stattlicher Mann stieg aus. Hinter ihm folgte eine gut aussehende Frau. Marian riss ihre blauen Augen auf. Ungläubig starrte sie das Paar an. Auch Robin wusste sofort, wen Little John angegriffen hatte. Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch blickte er kurz zu Marian. Diese erhob sich, griff nach ihrer Stütze und humpelte aus dem Gebüsch heraus. So schnell es ging eilte sie zwischen die Räuber. „Wir sind die Sherwood Bande und ich bin ihr Chef, Little John, persönlich! Und jetzt gebt uns euer Geld!“ Als Marian neben Much stehen blieb, erhob sie ihre Stimme: „Halt, Little John! Lass sie in Ruhe!“ Überrascht krochen auch die Huntington Geschwister aus ihren Verstecken und traten näher. Verärgert über den Zwischenruf, drehte sich der Chef der Räuberbande zu Marian. „Warum? Kennst du sie etwa?“ Robin trat ebenfalls zu Marian und betrachtete die Adligen ebenfalls. „Lord und Lady Lancaster!“ Beide blickten in die Richtung aus der ihre Namen erklangen. Dort entdeckten sie ihre Tochter. Mit weit aufgerissenen Augen betrachteten sie ihr inzwischen gewachsenes Kind. „Vater! Mutter“, rief Marian. Sie wollte zu ihnen, doch ihr Bein schmerzte wieder. Sie hatte sich wohl doch überanstrengt. „Marian“, besorgt blickte Robin seine Gefährtin an, doch diese schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. „Marian?“ Lady Lancaster konnte es nicht glauben ihrer Tochter im Wald zu begegnen. Sie hatte angenommen, dass Marian im Schloss Nottingham verweilte, seit König Richard wieder zurückgekehrt war. Sie musterte ihre Tochter. Alles an ihr war anders. Sie trug nicht mehr ihr Kleid, sondern nur noch ein weißes Unterkleid mit dem rosafarbenen Überrock. Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass Marians Unterkleid ihr nur bis zur Mitte des Oberschenkels reichte und viel zu viel Bein zeigte. Auch dass sie auf einen Stock gestützt stand und ihre linke Wade dick verbunden war, entging Lady Lancaster nicht. Besorgt eilte sie zwischen den Banditen hindurch auf ihre Tochter zu. „Kind, was ist mit deinen Haaren passiert? Und wie bist du überhaupt gekleidet?“ Marian konnte nicht einmal antworten, da ihrer Mutter schon Tränen in die Augen stiegen. „Was haben sie dir angetan? Haben sie dich erpresst oder zu etwas gezwungen, dass du nicht wolltest?“ Schon liefen die ersten Tränen über das zarte und hübsche Gesicht von Lady Lancaster. Ehe Marian überhaupt etwas erklären oder richtig stellen konnte, trat ihr Vater mit vor Wut geballter Faust auf sie zu. Ängstlich wichen die Räuber zu einem Halbkreis auseinander, bis nur noch Robin neben den Lancaster Frauen stand, und der Lord sich ihm gegenüber stellte. Der stattliche, hoch gewachsene Edelmann ignorierte das Zurückweichen der Räuber, denn seine Augen waren einzig und allein auf Robin Hood gerichtet. „Robert Huntington, ich vertraute dir meine Tochter an, doch was sich mir nun zeigt entsetzt mich sehr. Hätte ich gewusst, dass du ein Räuber bist und meine Tochter nicht gut behandelst, hätte ich sie dir niemals anvertraut.“ Er ballte seine Hand so fest zur Faust, dass sie zu zittern begann. Robin erschrak über die Vorwürfe. Sie waren berechtigt, zwar nicht wie Lord Lancaster es ausdrückte, dennoch er wusste wie oft er Marian in Gefahr gebracht hatte. Die Gegner hatten sie oft als Geisel genommen um an ihn heranzukommen. Bestürzt über sein eigenes selbstloses Verhalten senkte er seinen Kopf. Die Sherwoodbande und die Huntingtons lauschten erschrocken den Vorhaltungen. Niemals hatte Robin Marian schlecht behandelt, aber keiner traute sich auch nur einen Ton zu sagen. Marian starrte ihren Vater entsetzt an. Sie konnte kaum glauben was sie hörte. Ihr Vater gab Robin an allem Schuld. Doch es war ihre eigene Entscheidung, sie hatte sich selbst oft in Gefahr begeben. Sie war töricht und dumm. Robin hatte oft genug versucht sie von ihren Vorhaben abzuhalten. Doch sie wollte nicht hören. „Vater, du irrst dich! Robin war sehr gut zu mir!“ „Schweig!“ Marian wich einen Schritt zurück. Ängstlich verstummte sie. „Ich verabscheue dich, Robert Huntington!“ Robin zuckte merklich zusammen und ballte seine Hand zur Faust. Doch er ließ seinen Kopf gesenkt. „Nein, Vater“, erwiderte Marian, doch ein weiterer Blick ließ sie verstummen. Lord Lancaster betrachtete seine Tochter misstrauisch. „Bring sie in die Kutsche!“ „Ja, Geliebter“, antwortete ihm seine Frau. Sanft umfasste sie die Schultern ihrer Tochter und schob sie nachdrücklich zur Kutsche. Marian weigerte sich und kämpfte dagegen an. Verzweifelt suchte sie Robins Gesicht, sie suchte seine blauen Augen, die ihr immer Kraft spendeten und sie nie den Mut verlieren ließen. Aber Robin stand nach wie vor mit gesenktem Haupt vor Lord Lancaster. Er rührte sich nicht. „Robin!“ Nichts tat sich. „Robin, bitte!“ Lady Lancaster verfestigte ihren Handgriff um Marians Schulter. Marian bemerkte wie sehr sie sich von Robin entfernte. Sie wollte nicht. Sie wollte nicht weg von ihm. Er war immer für sie da, hatte ihr geholfen und ihr Mut zugesprochen, wenn sie traurig war. Tränen stiegen ihr in die Augen. „Robin“, schrie sie verzweifelter denn je, aber ihre Worte prallten an ihm ab. Sie sah ihn an, doch er rührte sich nicht. Die ersten Tränen liefen ihr über die Wange. Schließlich gab sie es auf. Mit einem Mal war all der Mut verschwunden. Traurig ließ sie ihren Kopf hängen und folgte ihrer Mutter, ohne Widerstand, zur Kutsche. „Ich rate dir niemals auch nur in die Nähe meines Schlosses zu kommen!“ Mit diesen Worten drehte sich Lord Lancaster um und kehrte zu seiner Kutsche zurück. Er gab noch seinem Kutscher eine kurze Anweisung, ehe er einstieg und die Tür hinter sich schloss. Alle verfolgten mit blassem Gesicht wie der Kutscher die Kutsche wendete und Marian in ihr eingeschlossen langsam in die Ferne verschwand. Winnifred und Barbara schafften es sich aus ihrer Erstarrung zu lösen. Beide rannten so schnell sie konnten der Kutsche. „Marian, bleib hier!“ Will und Much eilten ihnen nach und hielten sie zurück. „Es ist zu spät“, bemerkte Will. Barbara und Winnifred traten Tränen in die Augen und sie klammerten sich an ihren Bruder. Little John trat auf Robin zu. „Das lässt du dir gefallen? Wenn du dich nicht beeilst siehst du sie nie wieder, ist dir das klar?“ Enttäuscht darüber, dass Robin anscheinend aufgab verschränkte er die Arme vor der Brust. „Du bist dabei sie zu verlieren, für immer!“ Immer noch rührte sich der Junge nicht. „Ich hab ja nicht erwartet, dass du so schnell aufgibst. Ich dachte du liebst sie, wie kannst du sie so einfach gehen lassen?“ Robins Faust begann zu zittern. „Ich liebe sie nicht, Little John! Ich habe sie nie geliebt!“ Mit diesen Worten drehte sich Robin um und rannte weg. Alle sahen ihm irritiert nach. *************** Während seine Hände durch die Haare fuhren, starrten seine blauen Augen auf die Tischplatte. Immer wieder fragte er sich, ob er den Gang der Dinge verändern hätte können, wenn er ihr damals gesagt hätte: Ich tue das für dich, weil ich dich liebe. Er wusste es nicht und zu ändern war es auch nicht. Aber nun, nie hatte er geglaubt ihr im Wald zu begegnen und sie in seinem Haus zu beherbergen. Ich verabscheue dich, Robert Huntington! Ich rate dir, niemals auch nur in die Nähe meines Schlosses zu kommen! Diese Worte waren tief in seinem Bewusstsein eingebrannt. Er ahnte die Bedeutung dieser Worte, dennoch brach er eines Nachts auf um sie wieder zu sehen. *************** Robin und Will brachten Claire und Marisa nach Nottingham Castle und kehrten anschließend zu ihrem Versteck zurück. Die ganze Zeit über bemerkte Will, wie schweigsam sein Cousin war. „Was bedrückt dich?“ Robin schreckte aus seinen Gedanken und winkte ab. „Nichts!“ Der größere Huntington schüttelte seinen Kopf und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Das stimmt nicht. Also sag mir die Wahrheit“, drängte Will ungeduldig. Der Bogenschütze blieb stehen. Er zögerte seine Gedanken auszusprechen, aber er wusste Will würde nicht eher Ruhe geben. „Ich werde zum Schloss Lancaster reiten“, verkündete er schließlich. „Aber…“, brachte Will besorgt hervor, doch Robin blickte ihn entschlossen an. „Ich werde sie besuchen und wenn sie mich nicht zu ihr lassen, dann werde ich einen Weg finden um zu ihr zu kommen.“ „Lord Lancaster wird dich nicht zu ihr lassen“, räumte Will ein, dem die Drohung wieder einfiel. „Trotzdem muss ich es versuchen“, erwiderte Robin. „Ich breche noch diese Nacht auf.“ „Winnifred und Barbara werden nicht begeistert sein“, mutmaßte Will erneut, doch Robin wehrte auch diesen Gedanken ab. „Sie müssen davon nichts wissen.“ „Lass mich mitkommen, Robin“, bat der schlanke Junge und fügte hinzu: „Falls du Schwierigkeiten bekommst.“ Robin schüttelte vehement den Kopf. „Du musst auf die Mädchen aufpassen.“ Der größere Huntington gab auf. Sein Cousin blieb stur. Er wusste, dass er nicht gegen Robins Dickkopf ankam. So beugte er sich dem Vorhaben und überlegte sich eine Ausrede für seine Schwestern. Kurz vor ihrem Versteck, hoch oben hinter dem Wasserfall, schlug der Bogenschütze einen anderen Weg ein und pfiff nach Weißer Donner. Dieser trabte wenig später. Robin schwang sich auf den Rücken seines Hengsts und ritt in die Nacht hinein. Das Schloss Lancaster war prächtig und eindrucksvoll. Seine Mauern beherbergten den Charakter und die lange Familientradition. Die sehr breite Brücke führte auf den Schlosshof zum Haupttor zu. Zu beiden Seiten ragte je ein runder Turm empor. Die sonst gräuliche Farbe der Steine wirkte im Mondlicht des Vollmonds silbern. Als er das Schloss erblickte hielt Robin Weißer Donner an. Es war ein wunderschönes Schloss und irgendwo darin befand sich Marian. Sein Magen fühlte sich etwas flau an, dennoch biss er die Zähne zusammen. Er lenkte seinen Hengst seitlich an die Brücke heran und sprang ab. Ernst suchte er Weißer Donners Augen. „Hör zu, mein Freund! Warte hier. Ich bin bald wieder da“, flüsterte er. Als hätte er es verstanden, schnaubte der Hengst und warf seinen Kopf in die Höhe. Robin lächelte, drehte sich um und rutschte den Hang hinab, immer darauf bedacht im Schatten zu bleiben. Er befand sich am Außengemäuer der Kellerräume. Durch die großen Fenster drang Licht heraus. Vorsichtig trat er auf eines der Fenster zu und sah hinein. Die Köche arbeiteten emsig am Abendessen für die Lordschaft. Ein Koch trat auf das Fenster hinzu. Robin duckte sich hinweg und wartete ab. Verdutzt blickte der Koch hinaus, ehe er sich abwandte und seiner Arbeit nachging. Der Bogenschütze schlich sich weiter, immer darauf bedacht im Schatten und unentdeckt zu bleiben. Er kam zu einer Hintertür in einem Innenhof, verharrte aber abwartend in der Dunkelheit. Die blauen Augen suchten den Hof ab und entdeckten zwei Soldaten. Krampfhaft überlegte Robin, wie er in das Schloss eindringen konnte, ohne Aufsehen zu erregen. Das Schicksal eilte ihm zu Hilfe. Die Hintertür öffnete sich und eine junge Magd trat auf den Hof und eilte zu den Soldaten. Die beiden richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Magd und hörten zu, was sie ihnen auszurichten hatte. Der junge Huntington nutzte diese Möglichkeit, schlich zur Tür und schlüpfte hinein. Er fühlte sich wie ein Räuber. Aufmerksam schlich er den dämmrigen Gang entlang. Er bog um eine Ecke und ging weiter. Noch nie zuvor war er in diesem Schloss, aber instinktiv folgte er den Gängen. Damals, bevor Lord Alwine, sein zu Hause zerstört hatten, war er die geheimsten Gänge gegangen. Als Kind fand er schon heraus, dass es verschiedenen solcher Gänge gab und nachdem seine Eltern verstorben waren und seine Tante mit ihrem Mann und ihren drei Kindern zu ihm zogen und sich seiner Erziehung annahmen, fanden er und seine Cousins mehr und mehr Geheimgänge. Im Schloss Nottingham, als er Marian rettete, fand er heraus, dass alle Schlösser im Grundbau die gleichen Wege hatten. Für ihn stellte es nicht die geringste Schwierigkeit dar. Er trat auf eine Tür zu. Es war die einzige in den letzten Gängen. Zögernd und vorsichtig griff er nach der Klinke und öffnete sie. Dahinter zeigte sich eine alte Treppe, die hinauf führte. Er tastete sich voran, da es stockdunkel war. Hin und wieder erhellte eine Fackel die Treppe, aber diese Fackeln brannten soweit von einander entfernt, dass er den Rest im Dunkeln ertappen musste. Die Treppen endeten bei einer Tür. Er musste sich nun dem Hauptteil des Schlosses genähert haben. Jetzt ermahnte er sich zur Vorsicht. Er öffnete die Tür einen Spalt und erforschte den Gang. Niemand war zu sehen. Schnell schlüpfte er auf den Gang, schloss die Türe leise und schlich sich den Gang entlang. Überall hingen Kerzenständer und Fackeln. Dieser Gang war hell erleuchtet. Sein Blick huschte zur Wand. Ein großer Wandteppich mit dem Familiensymbol der Lancaster hing herunter. Auf der gegenüberliegenden Wand hingen Gemälde von Marians Urahnen. Neugierig blieb er vor dem Portrait von Lord Lancaster stehen. Er verlor sich in Gedanken bis plötzlich Schritte wieder hallten. Robin blickte sich nervös um. Er konnte nicht sagen, von wo sie kamen und wie schnell sie kamen, aber sie näherten sich rasch. Der braunhaarige Junge sah sich mit klopfendem Herzen und rasendem Puls um. Er fand kein Versteck. Doch dann fiel sein Blick auf den Wandteppich. Schnell stand er davor, hob ihn an und blickte dahinter. Tatsächlich fand er dort eine Nische. Schnell schlüpfte er hinein und wartete ab. Gerade noch rechtzeitig, denn sechs Soldaten gingen im Gleichschritt den Gang entlang und an dem Wandteppich vorbei, ohne ihm Beachtung zu schenken. Hätten sie ihm Beachtung geschenkt, wäre ihnen aufgefallen, dass er sich noch leicht bewegte. Es wurde wieder ruhig im Schloss. Erleichtert atmete er aus. Schon schob er sich wieder aus seinem Versteck hervor. Er blickte sich um. Wo befand sich Marians Gemach? Er würde den Soldaten folgen. So ging er los und bog um die nächste Ecke. Schritt für Schritt schlich er den Gang entlang. Er entdeckte eine Tür den Gang entlang. In diesem Moment öffnete sich diese Tür und Lady Lancaster trat heraus. Ihr weißes Kleid mit blauer Schärpe umspielte ihre schlanke Figur. Ihre blonden Haare fielen ihr offen über ihre Schulter. Ein Diadem zierte die blonde Haarpracht. Sie schloss die Türe hinter sich und drehte sich zum Gehen, als sie eine Gestalt neben sich wahrnahm und sich dieser zuwandte. Robin war so überrascht, dass er nach seinen Bemühungen nun doch erwischt wurde, und erstarrte zur Säule. Sie blickte ihn ebenso überrascht wie auch erstarrt an, bis ihr bewusst wurde, wer vor ihr stand und in welcher Gefahr er sich befand. In einem geistesgegenwärtigen Moment, eilte sie zu ihm und redete leise auf ihn ein. „Was machst du hier, Robert?“ Aufgeregt, wie auch ängstlich, suchte sie den Gang nach Wachen ab, ehe sie besorgt Robin ansah. „Du darfst nicht hier sein!“ „Ich möchte Marian sehen. Erfahren ob es ihr gut geht!“ Robin blickte sie stur an. Natürlich ging es ihr gut, sie war zu Hause. Dennoch sorgte er sich um seine beste Freundin und er vermisste sie. Ohne sie war es nicht dasselbe durch die Wälder zu streifen. Alles erinnerte ihn an sie. Sie hatten so lange zusammen im Wald gelebt, hatten so viel zusammen erlebt. „Natürlich geht es ihr gut“, riss sie ihn aus seinen Gedanken. „Sie ist wieder zu Hause. Du musst gehen, bevor dich der Lord hier findet. Du hast ihn sehr enttäuscht und er ist unberechenbar“, warnte sie ihn. Schon wieder sah sie sich ängstlich um, still hoffend, dass sie niemand sehen würde. Schritte näherten sich. Robin schüttelte seinen Kopf. „Ich möchte zu Marian. Ich will sie sehen, sehen dass es ihr gut geht!“ „Das geht nicht.“ beharrte Lady Lancaster lauter. Sie nahm die Schritte wahr und wenig später fand sie sich mit Robert Huntington eingekreist von Soldaten. Lord Lancaster trat zu ihnen. Missmutig blickte er seine Frau an, ehe er sich an Robin wandte: „Ich habe dich gewarnt, Robert Huntington.“ „Bitte, Geliebter. Er ist doch nur ein Junge und vermisst seine beste Freundin.“ Robin betrachtete irritiert Lady Lancaster, die sich gegen ihren Mann stellte. Lord Lancaster, durch ihr störrisches Benehmen sichtlich verstimmt, ignorierte seine Frau, ballte seine Hand zur Faust und ließ seine Augen nicht von seinem erklärten Feind weichen. „Du hast mein Vertrauen missbraucht, du hast dich gegen meine Familie gestellt und Marian in Gefahr gebracht.“ Robin rechtfertigte sich. „Lord Alwine hat uns gejagt. Ich habe mich niemals gegen Eure Familie gestellt“, erwiderte er selbstbewusst. Doch nun wurde er selbst traurig. „Und Marian… Ich hätte sie beschützen müssen, ich hätte auf sie aufpassen müssen… Ich habe versagt, da muss ich Euch zustimmen, aber ich…“ „Schweig!“, unterbrach Lord Lancaster. …liebe sie und würde alles dafür tun, dass so etwas nicht mehr vorkommt, fügte Robin in seinen Gedanken hinzu. „Geliebter!“, mischte sich Lady Lancaster ein, doch Lord Lancaster fuhr sie auch an. „Du schweigst auch!“ Schon wandte er sich mit einem Blick der so viel Hass zeigte, wieder an Robin. So einen verachtenden Blick kannte Robin nur von Lord Alwine. „Du wirst bei Sonnenaufgang hängen. Ich habe dich gewarnt!“ Zwei Wachen ergriffen Robin und packten ihn fest an seinen Oberarmen. Robin hielt dem verachtenden Blick stand. „Ich möchte Marian sehen!“, verlangte er. „Niemals, du Verräter!“, erwiderte Lord Lancaster. „Bitte, Geliebter, lass ihn gehen. Er wollte doch nur seine alte Freundin sehen. Er ist doch noch ein Kind.“ „Schweig!“, schrie Lord Lancaster endgültig. Dass seine Frau sich so für diesen Jungen einsetzte, konnte er nicht verstehen. Nicht nach allem was Marian passierte. Durch den Lärm auf dem Gang angelockt, trat die Prinzessin auf den Gang und suchte nach den Lärmenden. Überrascht verharrte sie. Lord Lancaster nahm als einziger das Erscheinen seiner Tochter war. Als sie Robin sah, trat ein Lächeln auf ihre Lippen und Tränen füllten ihre Augen. Eine Welle der Erleichterung suchte ihren Körper heim und dies bemerkte auch Lord Lancaster. Er ahnte, dass dieser Junge Marian mehr bedeutete, als er es gutheißen würde. Für seine Tochter und sonst für niemanden, brummte er: „Solltest du dich jemals noch ein einziges mal in diesem Schloss einschleichen, wirst du hängen! Und nun werft ihn hinaus. Er soll mir aus den Augen verschwinden.“ Die Wachen führten Robin ab. Niemand sonst hatte Marian bemerkt. Sie sah ihn nur von hinten. Mit Tränen in den Augen zog sie sich in ihr Gemach zurück. *************** Robin spürte, dass seine Konzentration sich nicht auf die Arbeit lenken ließ. Zu sehr beschäftigten ihn alte Erinnerungen, die er in den letzten Jahren so gut verdrängen konnte. Seit sie hier war, brachte sie ihn und seine Gedanken vollkommen durcheinander. Seit ihrer erneuten Begegnung im Wald, fühlte er das Chaos seiner Gefühle umso deutlicher. Wie sehr hatte er sie in den letzten Jahren vermisst. Und nun war sie endlich bei ihm. Nichts sehnlicher wünschte er sich seit sieben Jahren. Sieben lange Jahre, in denen er sich von seiner Familie und seinen Freunden zurückzog. Er sah es ihnen an, wie sehr sie litten. Will bedrückte seit langer Zeit etwas, aber er ließ es sich nicht anmerken. Robin wusste es, Winnifred sah es und Barbara ahnte es. Winnifred kam nicht über die Erinnerungen an die Vergangenheit hinweg. Robin und Will wussten es, Barbara ahnte es. Barbara hatte es am schwersten in dieser Familie. Vieles in den letzten Jahren, bekam sie einfach nicht mit, weil sie zu klein war. Mit den Folgen musste sie nun leben, ohne zu wissen was vorgefallen war. Jeder von ihnen schloss sie aus. Robin bemerkte wie erwachsen die Kleinste schon war, aber niemand vertraute sich ihr an. Jeder sah in ihr das unbeschwerte, unbekümmerte Kind. Keiner von ihnen wollte in ihr die erwachsene junge Frau sehen, keiner wollte ihr ihre Kindheit nehmen. Jeder einzelne kämpfte für sich. Keiner wollte die anderen mit Gedanken oder Worten belästigen. Barbara spürte es und je länger sie ihr die Vergangenheit verbargen, desto eher würde die Jüngste daran zerbrechen. Robin stand auf. Er schloss die Augen, versuchte alle schlechten Erinnerungen und Gedanken an die Vergangenheit zur Seite zu schieben und richtete seine blauen Augen auf den großen Aktenstapel. Es hatte keinen Sinn sich mit den Anfragen zu quälen. Er würde sich in sein Gemach zurückziehen und überlegen wie er Marian helfen konnte. Wenn sie nicht bald mit ihm redete… Er wusste es nicht. Er fühlte nur ein ungutes Gefühl im Magen. Diese Männer in Schwarz durchsuchten nach wie vor den Sherwood Forrest. Bald würden sie auf dieses Schloss stoßen. Nicht auszudenken was passieren könnte. Er löschte die Kerzen und verließ sein Arbeitszimmer. Langsam schlich er durch die Gänge bis er an der Treppe ankam. Er blickte hinauf. Sehnsuchtsvoll starrten seine Augen ins Leere. Er hoffte so sehr, dass sie sich ihm anvertraute. Sollte sie es nicht von sich aus tun, würde er sie dazu zwingen müssen, auch wenn er es nicht gerne tat. Langsam stieg er die Treppen hinauf. Es war so still in diesem Haus. Den Gang zu seiner rechten Seite bewohnten Will, Barbara und Winnifred. Much schlief im Gästezimmer vor dessen Tür er soeben stand. Er ging links und trat an Marians Zimmertür vorbei. Kurz blieb er stehen. Vielleicht sollte er noch kurz nach ihr sehen? Schnell schüttelte er den Kopf und ging weiter. Sie schlief bereits. Es war schon spät in der Nacht. Er trat auf seine Tür zu, öffnete sie und betrat sein, in Dunkelheit gehülltes, Zimmer. Das Mondlicht schien durch die vielen Fenster herein und zeichnete die Umrisse der Möbel ab. Langsam schloss er die Türe und lehnte sich noch mit dem Rücken dagegen. Diese Nacht würde kurz werden. Er spürte etwas. Jemand war hier. Aufmerksam richtete er seine Augen auf und suchte mit ihnen langsam den Raum ab. Vor ihm stand das große Bett. Seine Augen wichen nach rechts zu der großen Sitzgruppe, aber auch dort war niemand. Seine Augen glitten zu den Rundbogenfenstern und nun sah er es: Die Glastüre zu seinem Balkon stand offen und eine leichte Brise wehte in das Gemach. Mit der Hand an seinem Dolch trat er leise zu seinem Balkon und spähte hinaus. Ihm gegenüber am Geländer stand sie. Eine engelsgleiche Gestalt mit langen, blonden Haaren und dieser schmalen Figur. Der leicht aufkommende Wind spielte mit ihren Haaren, die ihr offen über den Rücken fielen. Er spielte mit ihrem Kleid, welches sich leicht hob und senkte. Robin stand wie angewurzelt in der Tür und war unfähig zu denken. Sie stand hier auf seinem Balkon und nahm ihm den Atem. Sein Herz klopfte so rasend schnell in seiner Brust, das ihm der Puls sogar im Ohr pochte. Er löste die Hand von seinem Dolch und schritt langsam auf sie zu. Er fühlte sich zu ihr hingezogen und er erinnerte sich an den einzigen Augenblick in den letzten sieben Jahren, in dem er mit ihr alleine war. Auf dem Maskenball ihrer Eltern standen sie nah beieinander, fühlten sich zu dem anderen hingezogen und spürten die knisternde Spannung zwischen ihnen. Er stand neben ihr und betrachtete ihr Antlitz. Der Mond schmeichelte ihrer Haut, ihrem Haar. Immer noch spielte der Wind mit ihrem Haar. Sie spürte, dass er neben ihr stand, riss ihren Blick aus der Ferne und sah ihn an. Stumm und mit großen blauen Augen. Er verfing sich in ihren blauen Augen. „Marian.“ Kapitel 9: … aber nichts geschah -------------------------------- Hallöchen, soo, eins hab ich noch geschafft. Aber das nächste ist noch in Arbeit. Mal sehen wie lange ich brauche um es fertig zu stellen. Viel Spaß beim Lesen, Eure Sunshine84 Marian musste mit Robin reden. Seit dem frühen Abend saß sie in ihrem Zimmer und versuchte für sich eine Lösung zu finden. Sie trat zur Tür und klopfte leise. Als sie sein Zimmer betrat, fand sie es leer vor. Dafür zog sie sein Balkon an. Neugierig ging sie zur Glastüre und trat hinaus. Seit geraumer Zeit stand auf dem Balkon in Robins Gemach und blickte in die Nacht hinaus. Sie haderte mit sich. Wenn sie ihm ihre Geschichte erzählte, könnte sie ihn in Gefahr bringen. Wenn sie sich ihm nicht anvertraute, müsste sie sich ihnen alleine stellen. Sie sah keine Möglichkeit. Prinz Jean würde sie so oder so mit sich nach Frankreich nehmen. Er würde sie heiraten, aber so leicht wollte sie es ihm nicht machen. Wenn sie nur mit ihren Eltern reden könnte. Wenn sie ihnen doch nur von seinen Plänen erzählen könnte. Würden sie ihr glauben? Jetzt noch, da sie nicht einmal das Kreuz bei sich hatte und auch nicht erklären konnte, wo es war? Sie hatte es aus seinem sichersten Versteck geholt und dann im Wald verloren. Bestimmt hatten diese Männer in Schwarz es schon gefunden und zu Prinz Jean gebracht… Erschrocken riss sie ihre Augen auf. Sie musste unbedingt zurück. Wenn er es wirklich bereits in Händen hielt…. Robin trat neben sie. Sie spürte seine Anwesenheit, seine Wärme und seinen Duft. Sie liebte seinen Geruch. Sie sah ihn an und spürte ihren schnellen Herzschlag in ihrer Brust. „Marian“, hauchte er überwältigt von ihrem Anblick. Ihr Gesicht wirkte im Schein des Mondes zart und zerbrechlich. Er fühlte nur noch sein Herz und jede Faser seines Körpers zog ihn zu der wundervollen Frau. Eigentlich wollte er mit ihr reden. Aber in diesem Moment erkannte er, dass ihm nicht nach reden zumute war. Marian verlor sich in seinen blauen Augen. Sie drehte sich ihm zu und führte sanft eine Hand zu seiner Brust. Sie legte die Handfläche auf die Stelle unter der sein Herz pochte und fühlte den kräftigen, rhythmischen Schlag. Ein leichter Rotschimmer zierte ihre Wangen. Auch sie dachte an die Vergangenheit zurück. An den schönsten Moment in ihrem Leben. Robin, wie er ihr auf dem Balkon gegenüberstand und sie einfach nur festhielt. Er spürte ihre Berührung durch seine Kleidung hindurch und prompt verstärkte sich das Klopfen in seiner Brust. Zögernd legte er seine Hand auf ihre an seiner Brust, während seine andere Hand, die ihre suchte. „Marian“, wiederholte er fester. Marian fasste sich all ihren Mut und hauchte: „Robin, so lange habe ich mich danach gesehnt.“ Diese Worte ließen ihn seinen geistigen Widerstand vergessen. Er ließ sich von seinen Gefühlen leiten, trat auf sie zu und schloss sie in seine Arme. Es war an der Zeit ihr die Wahrheit zu sagen. Er bereute es, ihr seine Gefühle nicht schon vor zehn Jahren gestanden zu haben, aber damals wusste er nicht, ob es der richtige Weg war. Inzwischen wünschte er sich, mit seinen Worten den richtigen Weg einzuschlagen. Er nahm all seinen Mut zusammen und gestand: „Ich liebe dich! So lange schon, Marian.“ Sie blickte ihn an, erstaunt über sein Geständnis. Aber nun lächelte sie, begann zu strahlen und drückte sich glücklich an seine Brust: „Oh, Robin.“ Sie blickte auf, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf seine Lippen. Endlich spürte er ihre Lippen. Ihre sanften Lippen, die er bereits einmal küsste. Sie fühlten sich so gut an. Es war das richtige. Er fühlte es. Ein unbeschreibliches Kribbeln übernahm seinen Körper, während er ihren Kuss erwiderte. Er drückte sie näher an sich, schob sie an das Balkongeländer und hörte nicht wieder auf sie zu küssen. Langsam öffnete er seine Lippen um seine Zunge auf Wanderschaft zu schicken. Er wollte sie intensiver spüren, stieß allerdings auf ihre verschlossenen Lippen. Zärtlich strich er ihre Konturen nach, bis Marian zögernd ihre Lippen öffnete und ihn erwartete. Langsam drang er mit seiner Zunge in ihre Mundhöhle ein und erkundete sie vorsichtig. Es war ein seltsames Gefühl, aber dennoch gewöhnte sie sich schnell daran und stupste seine Zunge mit der ihren an. Er reagierte auf sie und gemeinsam fochten sie einen Kampf miteinander aus, umkreisten sich und spielten miteinander. Robin drückte sie enger an sich, in dem er einen Schritt auf sie zukam. Er spürte die Wärme in seinem Körper, das stetige Kribbeln, und wie sich sein Blut in unteren Regionen zu sammeln begann. Alles war neu, aber er war sich sicher, dass es richtig war. Er liebte sie, sehnte sich nach ihr und nun konnte er ihr die Sterne vom Himmel holen, wenn sie es wünschte. Er würde alles für sie tun, nur um sie glücklich zu machen. Marian umschloss seinen Nacken mit ihren Händen, zog ihn näher an sich und fühlte sich eingeklemmt zwischen dem Balkongeländer und Robins Körper. Aber es störte sie nicht, keinesfalls. Sie spürte ein wunderbares, warmes Gefühl in ihrem Körper und eine nicht zu erklärende Hitze in ihrem Unterleib. Sie fühlte seine Nähe, seine Zunge an ihrer, seine Lippen auf ihren und seinen Atem auf ihrer Haut. Sie spielten mit seinem Zopf in seinem Nacken und küsste ihn so liebevoll wie es ihr nur möglich war. Sie liebte ihn. Seit langer Zeit und niemals hatte sie es glauben wollen, dass er ihre Gefühle erwidern könnte. Aber er tat es. Er gestand ihr seine Liebe und sie spürte es an seiner Zärtlichkeit. Der Wind wurde stärker, die Nacht kühler und sorgte dafür dass die Liebenden sich trennten. Robin löste den Kuss und blickte sie mit verschleiertem Blick an. Er spürte sein Glied in seiner Hose, welches deutlich erregt war und aufgeregt zuckend gegen seine Hose drückte. Marian spürte wie er sich von ihr löste und es gefiel ihr nicht. Überall kribbelte es, aber am meisten spürte sie die Wärme in ihrer intimsten Zone. Noch wusste sie es nicht ganz zuzuordnen, aber sie war sich sicher, dass es so richtig war. „Wir sollten hinein gehen. Es wird kalt“, raunte Robin mit ganz belegter Stimme. Sie nickte und ließ sich von ihm in sein Gemach führen. Er schloss die Glastüre und stand ihr verlegen gegenüber. Auch sie wusste nun nicht, was sie sagen oder tun sollte. Unsicher blickten sie sich an, bis Marian lächelte: „Gute Nacht“, hauchte sie. Als sie sich umdrehte, griff Robin nach ihrer Hand und zog sie zu sich. Ganz nah trat er an sie heran: „Geh nicht, bitte“, raunte er flehend, schloss seine Arme um sie und begann sie erneut zu küssen. Marian wünschte sich nichts sehnlicher, als bei ihm zu bleiben und schloss auch ihre Arme um seinen Nacken und nahm seine Küsse gerne wieder auf. Seine Hände strichen ihr auf ihrem Rücken auf und ab. Seine Finger suchten nach dem Verschluss ihres Kleides. Sie aus dem Stoff zu schälen würde mühsam werden und das obwohl er immer erregter wurde und sich kaum noch zurückhalten konnte. Auch Marians Fingerspitzen strichen ihm über den samtenen Stoff und flink öffnete sie Knopf für Knopf seines Hemdes. Nach und nach fielen die Stoffe zu Boden bis sie beide nichts mehr trugen. Robin unterbrach ihren Kuss und betrachtete ihren wunderschönen Körper im Schein des Mondlichts. Zögernd führte er seine Hände an ihre runden Brüste und begann sie zaghaft zu kneten und mit ihren Brustwarzen zu spielen. Marian selbst von den Berührungen etwas unsicher, strich an Robins Armen hinab, zog sachte Linien mit ihren Fingerspitzen hinab zur Taille und sorgte für eine unerklärliche Gänsehaut auf Robins Körper. Robin löste sich von ihren Brüsten, beugte sich zu ihr hinab, hauchte ihr einen Kuss auf ihre Lippen und hob sie plötzlich auf seine Arme. Mit wenigen Schritten erreichte er sein Himmelbett, ließ sie sanft darauf nieder und beugte sich über sie. Er betrachtete ihr wunderschönes Gesicht. Die blonden Haare verteilten sich auf den Kissen wie ein ausgebreiteter Fächer. Ihre großen blauen Augen blickten tief in seine Augen und sanft berührte sie ihn an seiner Wange. Robin lächelte zärtlich, beugte sich hinab und führte seine Lippen wieder zu ihren. Im Zuge der Leidenschaft fanden sich ihre Zungen zu einem erneuten Spiel, während ihre Hände auf Wanderschaft gingen. Wieder strichen Robins Hände über ihren schmalen Körper, fanden ihre Brüste und spielten mit ihnen. Marians Hände strichen ihm über die muskulöse Brust und fuhren den Muskellinien nach, zwirbelten seine Brustwarzen und strichen hinab. Auch Robins Hände lösten sich von ihren Brüsten und strichen hinab bis zu ihrem Bauchnabel und tiefer zu ihrer intimen Zone. Er spürte den weichen Flaum an seinen Fingerspitzen, strich weiter hinab und glitt mit seinen Fingern zwischen ihre Beine. Ein Lustlaut entfloh Marians Kehle. Robin löste sich von ihren Lippen, küsste sie über ihre Wange hinab zu ihrem Hals, und weiter hinab zu ihren Brüsten. Dort küsste er ihre Rundung, liebkoste ihre Knospe und zwickte sie zärtlich, bis sie ganz hart wurde. Ihre Hände strichen über seinen Bauch hinab und trafen sein stehendes Glied. Leicht berührte sie es und es begann freudig zu zucken. Überrascht, was sie bei ihm bewirken konnte, berührte sie es sanft, strich den Schaft hinauf und wieder hinunter. Dabei zog sie leicht seine Haut mit, worauf Robin zwischen seinen Küssen ein heiseres Stöhnen entwich. Marian fühlte seine Finger, die sich in ihrer Intimzone regten, an ihr spielten und schließlich ein Loch fanden, dem sie sich intensiver widmeten. Durch seine Finger und dem lustvollen Laut aus seiner Kehle angeregt, umfasste sie sein Glied mit ihren Fingern und schob seine Haut vor und zurück. Er drang mit einem Finger in ihr Loch ein und erforschte es. Ihre Körper erhitzten sich mit jeder ihrer Berührungen mehr. Marian spürte das Pulsieren seines Glieds und Robin fühlte die Feuchtigkeit, die er mit seinen Berührungen hervorrief und schob einen zweiten Finger hinein. Langsam brachte er Marian um ihren Verstand und sie bestätigte es ihm mit ihrer Hand. Immer schneller wurden ihre Bewegungen, doch so sollte es nicht sein. Abrupt zog er seinen Finger aus ihr hervor und sie hielt überrascht inne. Irritiert blickte sie auf und suchte unsicher seine Augen. Hatte sie etwas falsch gemacht? Wollte er sie nicht mehr? Als könnte er ihre Gedanken lesen, begann er wieder ihre Lippen in Besitz zu nehmen, schob vorsichtig ein Bein zwischen ihre und drückte sie zaghaft auseinander. Als sie ihm zu Hilfe kam, ihre Beine auseinander stellte, kniete er sich mit seinem anderen Bein auch dazwischen. Er rutschte näher an sie heran und drückte ihre Beine noch weiter auseinander. Vorsichtig ließ er sich vor ihr nieder und suchte mit seinem Glied den feuchten Eingang ihrer Intimzone. Er fand den Eingang und drückte sich in den schmalen, feuchten Gang. Marian kniff ihre Augen zusammen. Zu sehr schmerzte der plötzlich Druck in ihr. Robin öffnete seine Augen und verharrte in ihr. „Ich… entschuldige“, hauchte er und wollte schon den Rückzug antreten, als Marian ihre Beine um seine Hüfte verschränkte und ihm somit den Weg versperrte. Sie blickte ihn an. Ihre Augen strahlten von der Leidenschaft und sie hauchte: „Nein, mach weiter!“ Von ihren Worten ermutigt, drang er tiefer in sie ein. Schmerzhaft kniff sie die Augen zusammen. Wieder rührte Robin sich nicht. Besorgt betrachtete er ihre Mimik, beobachtete sie und fühlte sich schlecht ihr solche Schmerzen zu bereiten. Aber er war in ihr, so nah hätte er niemals sonst kommen können. Der Schmerz schwand und Marian entspannte sich sichtlich. Sie öffnete ihre Augen, lächelte ihn an und versuchte seine Lippen mit ihren zu berühren. Robin lächelte zurück, beugte sich zu ihr hinab und nahm ihren süßen Mund zu gern wieder in Besitz. Während sie sich intensiver küssten, begann Robin sich in ihr zu bewegen. Schnell fand Marian in seinen Rhythmus und bewegte sich mit ihm. Sie lösten den Kuss, intensivierten ihre Bewegungen und keuchten zunehmend lauter auf. Ein ungewöhnliches Gefühl, dennoch schien es genau das zu sein, was ihre Körper seit vielen Jahren schon vor ihnen gewusst hatten. Sie waren sich so nah, das Kribbeln in ihren Körper stieg an und ein seltsames Gefühl stieg in ihren Körpern auf. Eine Welle der Wärme sammelte sich in Marians Unterleib und breitete sich immer weiter aus. Sie spürte, dass ihr ganzer Körper von dieser Welle heimgesucht wurde und jeder ihrer Muskeln spannte sich an. Schließlich brach diese Welle, ein lustvoller Schrei löste sich aus ihrer Kehle und sie fühlte die rasante Entspannung in ihrem Körper. Auch Robin fühlte dieses fremde Gefühl, spannte seine Muskeln an und als wäre es eine Erlösung, ergoss er sich in Marian, stöhnte dabei laut auf und ließ sich anschließend erschöpft auf ihr nieder. Schwer atmend lagen sie in seinem Bett. Nackt, verschwitzt, aber vollkommen glücklich. „Ich liebe dich“, flüsterte Robin ihr ins Ohr. „Und ich liebe dich“, hauchte Marian glücklich zurück. Er zog sich aus ihr zurück, rollte sich von ihr runter und blickte sie verliebt an. Sanft strich er ihr wenige Schweißperlen von der Haut. Marian drehte sich ihm zu und blickte ihm in seine Augen, die ihr Kraft und Mut spendeten, es schon immer getan haben. Sie war so glücklich bei ihm zu sein. Sie kuschelte sich aneinander. Robin zog die Decke über sie beide, schob seinen Arm unter ihren Kopf und drückte sich näher an sie. Marian versteckte ihren Kopf in seiner Halsbeuge und strich ihm zaghaft mit den Fingerspitzen über seine Brust. Rasch, aber glücklich schliefen sie beide ein. Marian schlug ihre Augen auf, richtete sich auf und blickte sich um. Sie fühlte sich noch so müde, also konnte sie nicht lange geschlafen haben. Draußen stand der Mond noch am Himmel und hüllte das Land in tiefe Dunkelheit. Sie hatte geträumt, aber als sie an sich herunter sah und Robin neben ihr schlafend liegen sah, wusste sie, dass es kein Traum war. Sie hatte sich ihm hingegeben, sie hatte ihm ihre Liebe gestanden und sie fühlte sich so glücklich. Ihre Augen durchsuchten das dunkle Zimmer und gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit. Die Zeit drängte und ihre Vergangenheit würde sie bald einholen. Es war an der Zeit eine Entscheidung zu treffen. Sie blickte wieder Robin an. Ihre Augen ruhten auf seinem schlafenden Gesicht. Sie liebte ihn. Entschlossen blickte sie ihren Geliebten an. Und aus diesem Grund durfte sie ihm nichts sagen. Sie krabbelte vorsichtig aus dem Bett. Robin rührte sich. Ängstlich hielt sie inne und starrte ihn an. Aber er schlief weiter. Erleichtert atmete sie aus, stand auf und suchte sich ihre Kleidung zusammen. Mit leisen Schritten huschte sie in ihr Zimmer, zog sich an und blickte sich in ihrer Unterkunft um. Ihr Blick fiel auf den Tisch, auf dem eine Feder und ein Blatt Papier lagen. Zögernd trat sie auf den Tisch zu, entzündete die Kerze und setzte sich auf den Stuhl. Langsam nahm sie die Feder, tunkte sie in ein Fläschchen und schrieb im Schein der Kerze. Sie löschte die Kerze, schlich sich hinaus auf den Flur und achtete darauf, dass keine Bodendielen zu knarren anfingen. Ungesehen wollte sie das Schloss verlassen. Langsam und vorsichtig schlich sie die Treppe hinab, verließ das Schloss zur Tür hinaus und trat in die kühle Nacht hinaus. Ihre Augen richteten sich zum Himmel und sie sah, dass der Mond bereits sehr tief stand. Es würde bald hell werden. Sie rannte zum Stall, öffnete das Tor und trat in die dunkle Scheune ein. Pferdegeruch erfüllte die Luft und sie trat tiefer in den Stall. Sie entzündete eine Kerze, die sofort ein wenig Licht hereinbrachte. Wenig später stand sie vor Sternschnuppe´s Box und öffnete das Gatter. „Hallo, meine Schöne“, begrüßte Marian ihr treues Pferd. Die Stute schnaubte und plötzlich erschien ein weiterer Pferdekopf aus der Box daneben. Marian erkannte es sofort und streichelte ihm über die Nüstern: „Hallo, Weißer Donner“, flüsterte sie dem Hengst zu. Sie strich ihm ein letztes Mal gedankenverloren über die Nüstern, denn sie fragte sich wirklich ob es das richtige war, was sie tat. Sie dachte an Robin, Will, Winnifred und Barbara. Sie dachte an James, Betty und Ben. Much, Little John und die Sherwoodbande. Sie brachte alle nur in Gefahr wenn sie blieb, so wie sie bereits die Räuber in Gefahr gebracht hatte. Sie löste sich von Weißer Donner, führte Sternschnuppe aus ihrer Box und sattelte sie. Während sie ihre Stute hinaus führte, löschte sie das Licht, verließ die Scheune und schloss das Tor. Sie hörte Weißer Donners Wiehern und hoffte, davon würde keiner erwachen. Sie sattelte auf, was sich erneut als schwierig mit diesem Kleid herausstellte, doch sie schaffte es. Sie zog sich ihre Kapuze ihres Mantels über und drückte Sternschnuppe ihre Fersen in die Flanken. Schon ritten sie in die Nacht hinein. Die Sonnenstrahlen kitzelten Robin an der Nase. Langsam öffnete er die Augen und schon erinnerte er sich an die letzte Nacht. Endlich war Marian bei ihm und sie fühlte so wie er. Kein Mann auf der Welt konnte glücklicher in diesem Moment sein, als Robin sich fühlte. Er richtete auf, blickte zärtlich auf die Seite um ihre Schönheit betrachten zu können, doch das Bett war leer. Mit großen, besorgten Augen und klopfendem Herzen sah er sich im Zimmer um, aber selbst die Balkontüre war verschlossen. Überrascht sprang er auf, zog sich so schnell es ging seine Kleidung an und riss die Tür zu Marians Zimmer auf. Er erfasste schnell den Raum und sah das er leer war, das Bett unbenutzt. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Körper aus. Konnte es sein? Hatte sie ihn wirklich verlassen? Langsam trat er auf den Tisch zu. Er ahnte es bereits und fühlte sich in seiner Ahnung bestätigt, als er das Schreiben entdeckte. Er nahm es in seine Hände und las es durch. Diese Worte konnte und wollte er nicht glauben. Seine Finger spannten sich um das Papier und seine Augen lasen immer und immer wieder ihre Worte. Eine unsagbare Traurigkeit breitete sich in seinem Körper aus, eine kalte Hand griff nach seinem Herzen und drückte es schmerzvoll zusammen. Es klopfte an der Tür des Anwesen Huntington. James trat auf die Türe zu und öffnete sie. Überrascht wer den Herrschaften so früh morgens bereits einen Besuch abstatten wollte. Fremde Männer in schwarzer Kleidung, bewaffnet mit Armbrust und Schwert, standen vor der Tür. „Ja, bitte“, verlangte James von den Herren. Er ahnte nichts Gutes bei diesen Männern. Die Angestellten dieses Anwesen unterhielten sich über das blonde Mädchen und ihrem Auftauchen. Auch vermuteten sie, dass diese junge Frau Ärger mit sich brachte. War dies etwa der Ärger den ihm die Zimmermädchen und Ben prophezeit hatten? „Wir möchten mit dem Hausherren sprechen!“, verlangte einer von ihnen. Er war groß und wirkte Angst einflößend. Seine Muskeln zeigten wie stark er war. Auch wenn er eine Uniform trug, zeichneten diese sich darunter ab. Die langen schwarzen Haare, hatte er zusammengebunden und fielen ihm über die Schulterblätter. Er schien der Anführer der Männer zu sein. Much und Will traten aus dem Esszimmer heraus und wollten soeben um die Ecke treten, als sie diese fremde tiefe Stimme hörten. Much verharrte zur Sicherheit hinter der Mauerecke. Will trat hervor und musterte die fremden Männer in Schwarz. Er ahnte, dass diese Kerle die Kopfgeldjäger waren, denn Robin und Bruder Tuck hatten sich über sie unterhalten. Während Will sich neben James stellte, guckte Much um die Ecke und wich sofort zurück. Das waren sie. Wenn sie ihn hier sahen, dann würden sie das ganze Haus durchsuchen bis sie Marian gefunden haben. Sie wussten wie er aussah und wenn sie ihn wieder erkannten, wäre alles vorbei. Will musterte die Fremden und blickte ihnen ernst entgegen. Es war abzusehen, dass sie auf dieses Anwesen stoßen würden. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Autoritär trat er den Kopfgeldjägern entgegen. Der Anführer musterte Will aufmerksam. So ein kleines Bürschchen konnte unmöglich der Hausherr sein. „Sind Sie der Hausherr?“ „Ja!“ Mit einem strengen Blick schickte Will James zum Gehen. Dieser verbeugte sich und trat den Rückzug an. Als er an der Treppe vorbei ging, erkannte er den zweiten Gast, der sich zitternd und mit ängstlichem Gesichtsausdruck an die schützende Mauer drückte. Lauschend und hoffend, dass Will diese Männer abwehren konnte. James ging weiter und zog sich in die Küche zu Betty zurück um sie über diese fremden Männer aufzuklären. „Sir, wir suchen ein blondes Mädchen. Sie ist auf der Flucht und ihr Vater vermisst sie.“ „Ich habe kein blondes Mädchen gesehen“, widersprach Will. „Sie ist so groß“, deutete der Mann mit seiner Hand ihre Größe. Glauben wollte er dem jungen Mann nicht. „Sie hat lange Haare, trägt einen dunklen Umhang…“, beschrieb der Anführer der Kopfgeldjäger. Will lauschte den Angaben und schüttelte seinen Kopf. Er tat als müsse er überlegen, doch schließlich schüttelte er seinen Kopf. „Kann mich nicht daran erinnern ein solches Mädchen gesehen zu haben.“ Misstrauisch beobachtete der Kopfgeldjäger sein Gegenüber. So recht wollte er ihm nicht glauben. Immer wieder warf er auch einen Blick in die Empfangshalle. „Mit Verlaub wer wohnt alles bei Ihnen?“ Will stand dem misstrauischen Blick stramm gegenüber. „Meine beiden Schwestern und unsere Angestellten! Von einem Mädchen, wie ihr es beschrieben habt, haben wir nichts gesehen oder gehört.“ Winnifred öffnete die Tür vom Salon und trat heraus. Sie hörte Stimmen und wollte nach dem Rechten sehen. Als sie die fremden, großen, beängstigenden Männer sah, bekam sie Angst. Schnell und besorgt stand sie bei ihrem Bruder und klammerte sich an seinen Arm: „Bruder, was ist geschehen?“ Eingeschüchtert blickte sie auf und sah in das ausdrucksstarke männliche Gesicht. Was wollten diese Kerle hier? Wer waren sie? Was suchten sie hier? Robin verließ Marians Zimmer. Immer noch hielt er ihren Brief fest in seinen Händen. Er trat die Treppen hinunter, doch bevor er in das Sichtfeld der Kopfgeldjäger treten konnte, nahm er den wild winkenden Much wahr, der ihm deutete sich nicht zu bewegen. Irritiert verharrte Robin, doch schon vernahm er die fremde Stimme. Sie kam ihm bekannt vor, er hatte sie schon einmal gehört. Misstrauisch über das Verhalten des Mädchens, wollte der Kopfgeldjäger nicht aufgeben. „Würdet ihr uns erlauben uns auf eurem Hof umzusehen.“ Will schüttelte vehement den Kopf und blieb stur. „Was gibt euch das Recht dazu?“ „Sir, dieses Mädchen könnte sich bei euch verstecken“, erklärte er nur noch misstrauischer. Wie konnten zwei Kinder ein Anwesen unterhalten? Wo waren ihre Eltern? Verbargen sie vielleicht doch mehr, als der Junge es ihm weismachen wollte? Das Mädchen sah nur mehr als ängstlich aus. Will sah dem Mann entgegen: „Nun gut. Ihr könnt euch auf diesem Anwesen umsehen, doch mein Haus bleibt unberührt!“ Seine Augen verdunkelten sich. Er würde seinen Männer auftragen unauffällig durch die Fenster zu sehen. Er traute diesen Kindern nicht. „Danke, Sir!“ Mit diesen Worten schweiften die Männer aus. Will schloss die Tür und konnte nur noch hoffen, dass Ben im Stall seinen Mund hielt und ihnen nichts von Marian verriet. Die restlichen Angestellten öffneten die Türe zur Küche und blickten die jungen Hausherren besorgt an. Sie hatten aufmerksam gelauscht und sorgten sich sehr über diese beängstigende Situation. Robin eilte die restlichen Stufen hinunter. „Das waren sie, hab ich recht? Sie suchen Marian“, stellte er fest. Und er wusste, hätte Much ihn nicht aufgehalten, sie hätten ihn wieder erkannt. Ihn, der Much und Marian zur Flucht verhalf. „Sie suchen sie, ja“, antwortete Winnifred. „Warum? Was wollen diese Männer von ihr?“ Sie blickte wütend ihren Bruder und dann Robin an. Niemand hatte ihr von diesen Männern erzählt und auch kein Wort erwähnt, dass Marian verfolgt wurde. Much wagte sich nun auch wieder hervor. Er zitterte immer noch am ganzen Körper. „Ich weiß es nicht“, antwortete Robin. Sie hatte ihm nichts gesagt und dieser Brief gab ihm auch nicht die Antworten, die er wissen wollte. Gedankenverloren blickte er auf das Blatt in seinen Händen. Will versuchte alle zu beruhigen: „Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten. Irgendwann werden sie wieder gehen müssen!“ Robin und Much blieben vorerst in der Eingangshalle um nicht doch noch zu riskieren entdeckt zu werden. Winnifred sollte wieder ihrem Tagesablauf nachgehen um keinen Verdacht zu schöpfen und die Angestellten gingen wieder an ihre Arbeiten zurück. Der Tag rückte voran und so stand die Nachmittagssonne schon sehr tief. Immer noch durchsuchten die Männer das Anwesen nach Spuren, auch das Haus wurde von außen in Augenschein genommen, aber sie konnten nichts Verdächtiges entdecken. Schließlich gaben sie auf und der Anführer der Kopfgeldjäger klopfte erneut. Robin und Much versteckten sich hinter der Mauer und Will öffnete die Türe. Der Kopfgeldjäger warf erneut einen misstrauischen Blick in das Haus, dennoch konnte er nichts entdecken, das ihm eine Spur gezeigt hätte. „Wir konnten sie nicht finden. Entschuldigt bitte vielmals“, knurrte er, aber die Männer zogen ab. Sie konnten nicht grundlos ihre Zeit auf diesem Anwesen verschwenden. Auch wenn sie den Stallburschen und ein rothaariges Mädchen im Stall befragt hatten, die beide ebenso unwissend taten, wie der Hausbesitzer selbst, hatte der Kopfgeldjäger den Verdacht, er wäre auf der richtigen Spur. Aber ohne Argumente mussten sie abziehen. Endlich verschwanden die Männer. Große Erleichterung breitete sich über das Anwesen aus. Will schloss die Türe und lehnte sich erleichtert gegen das schwere, schwarze Holz. „Wo ist Marian“, hakte Will endlich nach, als Robin hinter der Mauer hervorkam. „Sie ist weg!“ In diesem Moment klopfte es erneut und Will zuckte zusammen. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt um zu sehen, wer davor stand. Waren diese Männer etwa wieder zurückgekommen? Aber nicht die Männer in Schwarz standen davor, sondern Bruder Tuck und Little John. „Endlich sind sie weg“, atmete Little John erleichtert aus und trat in das Haus ein, an Will vorbei, der ihn finster anblickte. „Oh, große Hütte“, bemerkte Little John sarkastisch. Robin und Much starrten den Chef der Räuberbande überrascht an. Auch Bruder Tuck trat ein und ehe Will die Tür schließen konnte, huschte auch Barbara mit Ben herein. Sofort bestürmte die kleinste Huntington ihren Cousin. Sie hing sich an seine Brust und blickte ihn besorgt an. „Robin, wer waren diese Männer? Was haben sie gesucht? Sie haben uns nach Marian befragt? Warum? Was ist geschehen?“ Robin legte beruhigend seine Hände auf ihre Schultern, doch schon entdeckte sie den Brief und riss ihm diesen aus der Hand. „Barbara gib ihn wieder her“, rief Robin erschrocken aus und versuchte sich den Brief zurück zu holen, doch die kleinste wich ihm geschickt aus. „Was willst du hier?!“, fauchte Will stattdessen Little John an, der gelassen und desinteressiert seine Arme vor der Brust verschränkte und die Augen schloss. „Na, was schon, mein treuster Freund kommt nicht zurück, da hab ich mir Sorgen gemacht.“ „Chefchen“, grinste Much und stand schon bei Little John. „Das du mich so vermisst hast!“ „Von wegen vermisst“, konterte Little John und schob Much zur Seite. „Wer kocht mir denn jetzt meine Suppe? Seit Tagen muss ich sie mir selbst kochen.“ Much betrachtete seinen Boss mit einem irritierten Gesicht. Von dem Lärm angelockt, trat Winnifred aus dem Salon heraus. „Was ist denn hier los?!“, verkündete sie und in einem Mal verstummten alle. Little John starrte Winnifred einfach nur an. Löste seine Arme von der Brust und betrachtete sie mit großen Augen und leicht offenem Mund. Erst jetzt entdeckte Winnifred auch ihren neuen Gast. Und diesen hatte sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Sie hatte das Gefühl ihr Herz müsse stehen bleiben. Erstarrt und nach Worten suchend stand sie ihm gegenüber. Ihm, dem Mann, dem einmal ihr Herz gehört hatte. Kapitel 10: … aber nichts geschah - zensiert -------------------------------------------- Marian musste mit Robin reden. Seit dem frühen Abend saß sie in ihrem Zimmer und versuchte für sich eine Lösung zu finden. Sie trat zur Tür und klopfte leise. Als sie sein Zimmer betrat, fand sie es leer vor. Dafür zog sie sein Balkon an. Neugierig ging sie zur Glastüre und trat hinaus. Seit geraumer Zeit stand auf dem Balkon in Robins Gemach und blickte in die Nacht hinaus. Sie haderte mit sich. Wenn sie ihm ihre Geschichte erzählte, könnte sie ihn in Gefahr bringen. Wenn sie sich ihm nicht anvertraute, müsste sie sich ihnen alleine stellen. Sie sah keine Möglichkeit. Prinz Jean würde sie so oder so mit sich nach Frankreich nehmen. Er würde sie heiraten, aber so leicht wollte sie es ihm nicht machen. Wenn sie nur mit ihren Eltern reden könnte. Wenn sie ihnen doch nur von seinen Plänen erzählen könnte. Würden sie ihr glauben? Jetzt noch, da sie nicht einmal das Kreuz bei sich hatte und auch nicht erklären konnte, wo es war? Sie hatte es aus seinem sichersten Versteck geholt und dann im Wald verloren. Bestimmt hatten diese Männer in Schwarz es schon gefunden und zu Prinz Jean gebracht… Erschrocken riss sie ihre Augen auf. Sie musste unbedingt zurück. Wenn er es wirklich bereits in Händen hielt…. Robin trat neben sie. Sie spürte seine Anwesenheit, seine Wärme und seinen Duft. Sie liebte seinen Geruch. Sie sah ihn an und spürte ihren schnellen Herzschlag in ihrer Brust. „Marian“, hauchte er überwältigt von ihrem Anblick. Ihr Gesicht wirkte im Schein des Mondes zart und zerbrechlich. Er fühlte nur noch sein Herz und jede Faser seines Körpers zog ihn zu der wundervollen Frau. Eigentlich wollte er mit ihr reden. Aber in diesem Moment erkannte er, dass ihm nicht nach reden zumute war. Marian verlor sich in seinen blauen Augen. Sie drehte sich ihm zu und führte sanft eine Hand zu seiner Brust. Sie legte die Handfläche auf die Stelle unter der sein Herz pochte und fühlte den kräftigen, rhythmischen Schlag. Ein leichter Rotschimmer zierte ihre Wangen. Auch sie dachte an die Vergangenheit zurück. An den schönsten Moment in ihrem Leben. Robin, wie er ihr auf dem Balkon gegenüberstand und sie einfach nur festhielt. Er spürte ihre Berührung durch seine Kleidung hindurch und prompt verstärkte sich das Klopfen in seiner Brust. Zögernd legte er seine Hand auf ihre an seiner Brust, während seine andere Hand, die ihre suchte. „Marian“, wiederholte er fester. Marian fasste sich all ihren Mut und hauchte: „Robin, so lange habe ich mich danach gesehnt.“ Diese Worte ließen ihn seinen geistigen Widerstand vergessen. Er ließ sich von seinen Gefühlen leiten, trat auf sie zu und schloss sie in seine Arme. Es war an der Zeit ihr die Wahrheit zu sagen. Er bereute es, ihr seine Gefühle nicht schon vor zehn Jahren gestanden zu haben, aber damals wusste er nicht, ob es der richtige Weg war. Inzwischen wünschte er sich, mit seinen Worten den richtigen Weg einzuschlagen. Er nahm all seinen Mut zusammen und gestand: „Ich liebe dich! So lange schon, Marian.“ Sie blickte ihn an, erstaunt über sein Geständnis. Aber nun lächelte sie, begann zu strahlen und drückte sich glücklich an seine Brust: „Oh, Robin.“ Sie blickte auf, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf seine Lippen. Endlich spürte er ihre Lippen. Ihre sanften Lippen, die er bereits einmal küsste. Sie fühlten sich so gut an. Es war das richtige. Er fühlte es. Ein unbeschreibliches Kribbeln übernahm seinen Körper, während er ihren Kuss erwiderte. Er drückte sie näher an sich, schob sie an das Balkongeländer und hörte nicht wieder auf sie zu küssen. Langsam öffnete er seine Lippen um seine Zunge auf Wanderschaft zu schicken. Er wollte sie intensiver spüren, stieß allerdings auf ihre verschlossenen Lippen. Zärtlich strich er ihre Konturen nach, bis Marian zögernd ihre Lippen öffnete und ihn erwartete. Langsam drang er mit seiner Zunge in ihre Mundhöhle ein und erkundete sie vorsichtig. Es war ein seltsames Gefühl, aber dennoch gewöhnte sie sich schnell daran und stupste seine Zunge mit der ihren an. Er reagierte auf sie und gemeinsam fochten sie einen Kampf miteinander aus, umkreisten sich und spielten miteinander. Robin drückte sie enger an sich, in dem er einen Schritt auf sie zukam. Er spürte die Wärme in seinem Körper, das stetige Kribbeln, und wie sich sein Blut in unteren Regionen zu sammeln begann. Alles war neu, aber er war sich sicher, dass es richtig war. Er liebte sie, sehnte sich nach ihr und nun konnte er ihr die Sterne vom Himmel holen, wenn sie es wünschte. Er würde alles für sie tun, nur um sie glücklich zu machen. Marian umschloss seinen Nacken mit ihren Händen, zog ihn näher an sich und fühlte sich eingeklemmt zwischen dem Balkongeländer und Robins Körper. Aber es störte sie nicht, keinesfalls. Sie spürte ein wunderbares, warmes Gefühl in ihrem Körper und eine nicht zu erklärende Hitze in ihrem Unterleib. Sie fühlte seine Nähe, seine Zunge an ihrer, seine Lippen auf ihren und seinen Atem auf ihrer Haut. Sie spielten mit seinem Zopf in seinem Nacken und küsste ihn so liebevoll wie es ihr nur möglich war. Sie liebte ihn. Seit langer Zeit und niemals hatte sie es glauben wollen, dass er ihre Gefühle erwidern könnte. Aber er tat es. Er gestand ihr seine Liebe und sie spürte es an seiner Zärtlichkeit. Der Wind wurde stärker, die Nacht kühler und sorgte dafür dass die Liebenden sich trennten. Robin löste den Kuss und blickte sie mit verschleiertem Blick an. Er spürte sein Glied in seiner Hose, welches deutlich erregt war und aufgeregt zuckend gegen seine Hose drückte. Marian spürte wie er sich von ihr löste und es gefiel ihr nicht. Überall kribbelte es, aber am meisten spürte sie die Wärme in ihrer intimsten Zone. Noch wusste sie es nicht ganz zuzuordnen, aber sie war sich sicher, dass es so richtig war. „Wir sollten hinein gehen. Es wird kalt“, raunte Robin mit ganz belegter Stimme. Sie nickte und ließ sich von ihm in sein Gemach führen. Er schloss die Glastüre und stand ihr verlegen gegenüber. Auch sie wusste nun nicht, was sie sagen oder tun sollte. Unsicher blickten sie sich an, bis Marian lächelte: „Gute Nacht“, hauchte sie. Als sie sich umdrehte, griff Robin nach ihrer Hand und zog sie zu sich. Ganz nah trat er an sie heran: „Geh nicht, bitte“, raunte er flehend, schloss seine Arme um sie und begann sie erneut zu küssen. Marian wünschte sich nichts sehnlicher, als bei ihm zu bleiben und schloss auch ihre Arme um seinen Nacken und nahm seine Küsse gerne wieder auf. Seine Hände strichen ihr auf ihrem Rücken auf und ab. Seine Finger suchten nach dem Verschluss ihres Kleides. Sie aus dem Stoff zu schälen, würde mühsam werden und das obwohl er immer erregter wurde und sich kaum noch zurückhalten konnte. Auch Marians Fingerspitzen strichen ihm über den samtenen Stoff und flink öffnete sie Knopf für Knopf seines Hemdes. Nach und nach fielen die Stoffe zu Boden bis sie beide nichts mehr trugen. ---- zensiert ---- Schwer atmend lagen sie in seinem Bett. Nackt, verschwitzt, aber vollkommen glücklich. „Ich liebe dich“, flüsterte Robin ihr ins Ohr. „Und ich liebe dich“, hauchte Marian glücklich zurück. Er zog sich aus ihr zurück, rollte sich von ihr runter und blickte sie verliebt an. Sanft strich er ihr wenige Schweißperlen von der Haut. Marian drehte sich ihm zu und blickte ihm in seine Augen, die ihr Kraft und Mut spendeten, es schon immer getan haben. Sie war so glücklich bei ihm zu sein. Sie kuschelte sich aneinander. Robin zog die Decke über sie beide, schob seinen Arm unter ihren Kopf und drückte sich näher an sie. Marian versteckte ihren Kopf in seiner Halsbeuge und strich ihm zaghaft mit den Fingerspitzen über seine Brust. Rasch, aber glücklich schliefen sie beide ein. Marian schlug ihre Augen auf, richtete sich auf und blickte sich um. Sie fühlte sich noch so müde, also konnte sie nicht lange geschlafen haben. Draußen stand der Mond noch am Himmel und hüllte das Land in tiefe Dunkelheit. Sie hatte geträumt, aber als sie an sich herunter sah und Robin neben ihr schlafend liegen sah, wusste sie, dass es kein Traum war. Sie hatte sich ihm hingegeben, sie hatte ihm ihre Liebe gestanden und sie fühlte sich so glücklich. Ihre Augen durchsuchten das dunkle Zimmer und gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit. Die Zeit drängte und ihre Vergangenheit würde sie bald einholen. Es war an der Zeit eine Entscheidung zu treffen. Sie blickte wieder Robin an. Ihre Augen ruhten auf seinem schlafenden Gesicht. Sie liebte ihn. Entschlossen blickte sie ihren Geliebten an. Und aus diesem Grund durfte sie ihm nichts sagen. Sie krabbelte vorsichtig aus dem Bett. Robin rührte sich. Ängstlich hielt sie inne und starrte ihn an. Aber er schlief weiter. Erleichtert atmete sie aus, stand auf und suchte sich ihre Kleidung zusammen. Mit leisen Schritten huschte sie in ihr Zimmer, zog sich an und blickte sich in ihrer Unterkunft um. Ihr Blick fiel auf den Tisch, auf dem eine Feder und ein Blatt Papier lagen. Zögernd trat sie auf den Tisch zu, entzündete die Kerze und setzte sich auf den Stuhl. Langsam nahm sie die Feder, tunkte sie in ein Fläschchen und schrieb im Schein der Kerze. Sie löschte die Kerze, schlich sich hinaus auf den Flur und achtete darauf, dass keine Bodendielen zu knarren anfingen. Ungesehen wollte sie das Schloss verlassen. Langsam und vorsichtig schlich sie die Treppe hinab, verließ das Schloss zur Tür hinaus und trat in die kühle Nacht hinaus. Ihre Augen richteten sich zum Himmel und sie sah, dass der Mond bereits sehr tief stand. Es würde bald hell werden. Sie rannte zum Stall, öffnete das Tor und trat in die dunkle Scheune ein. Pferdegeruch erfüllte die Luft und sie trat tiefer in den Stall. Sie entzündete eine Kerze, die sofort ein wenig Licht hereinbrachte. Wenig später stand sie vor Sternschnuppe´s Box und öffnete das Gatter. „Hallo, meine Schöne“, begrüßte Marian ihr treues Pferd. Die Stute schnaubte und plötzlich erschien ein weiterer Pferdekopf aus der Box daneben. Marian erkannte es sofort und streichelte ihm über die Nüstern: „Hallo, Weißer Donner“, flüsterte sie dem Hengst zu. Sie strich ihm ein letztes Mal gedankenverloren über die Nüstern, denn sie fragte sich wirklich ob es das richtige war, was sie tat. Sie dachte an Robin, Will, Winnifred und Barbara. Sie dachte an James, Betty und Ben. Much, Little John und die Sherwoodbande. Sie brachte alle nur in Gefahr wenn sie blieb, so wie sie bereits die Räuber in Gefahr gebracht hatte. Sie löste sich von Weißer Donner, führte Sternschnuppe aus ihrer Box und sattelte sie. Während sie ihre Stute hinaus führte, löschte sie das Licht, verließ die Scheune und schloss das Tor. Sie hörte Weißer Donners Wiehern und hoffte, davon würde keiner erwachen. Sie sattelte auf, was sich erneut als schwierig mit diesem Kleid herausstellte, doch sie schaffte es. Sie zog sich ihre Kapuze ihres Mantels über und drückte Sternschnuppe ihre Fersen in die Flanken. Schon ritten sie in die Nacht hinein. Die Sonnenstrahlen kitzelten Robin an der Nase. Langsam öffnete er die Augen und schon erinnerte er sich an die letzte Nacht. Endlich war Marian bei ihm und sie fühlte so wie er. Kein Mann auf der Welt konnte glücklicher in diesem Moment sein, als Robin sich fühlte. Er richtete auf, blickte zärtlich auf die Seite um ihre Schönheit betrachten zu können, doch das Bett war leer. Mit großen, besorgten Augen und klopfendem Herzen sah er sich im Zimmer um, aber selbst die Balkontüre war verschlossen. Überrascht sprang er auf, zog sich so schnell es ging seine Kleidung an und riss die Tür zu Marians Zimmer auf. Er erfasste schnell den Raum und sah das er leer war, das Bett unbenutzt. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Körper aus. Konnte es sein? Hatte sie ihn wirklich verlassen? Langsam trat er auf den Tisch zu. Er ahnte es bereits und fühlte sich in seiner Ahnung bestätigt, als er das Schreiben entdeckte. Er nahm es in seine Hände und las es durch. Diese Worte konnte und wollte er nicht glauben. Seine Finger spannten sich um das Papier und seine Augen lasen immer und immer wieder ihre Worte. Eine unsagbare Traurigkeit breitete sich in seinem Körper aus, eine kalte Hand griff nach seinem Herzen und drückte es schmerzvoll zusammen. Es klopfte an der Tür des Anwesen Huntington. James trat auf die Türe zu und öffnete sie. Überrascht wer den Herrschaften so früh morgens bereits einen Besuch abstatten wollte. Fremde Männer in schwarzer Kleidung, bewaffnet mit Armbrust und Schwert, standen vor der Tür. „Ja, bitte“, verlangte James von den Herren. Er ahnte nichts Gutes bei diesen Männern. Die Angestellten dieses Anwesen unterhielten sich über das blonde Mädchen und ihrem Auftauchen. Auch vermuteten sie, dass diese junge Frau Ärger mit sich brachte. War dies etwa der Ärger den ihm die Zimmermädchen und Ben prophezeit hatten? „Wir möchten mit dem Hausherren sprechen!“, verlangte einer von ihnen. Er war groß und wirkte Angst einflößend. Seine Muskeln zeigten wie stark er war. Auch wenn er eine Uniform trug, zeichneten diese sich darunter ab. Die langen schwarzen Haare, hatte er zusammengebunden und fielen ihm über die Schulterblätter. Er schien der Anführer der Männer zu sein. Much und Will traten aus dem Esszimmer heraus und wollten soeben um die Ecke treten, als sie diese fremde tiefe Stimme hörten. Much verharrte zur Sicherheit hinter der Mauerecke. Will trat hervor und musterte die fremden Männer in Schwarz. Er ahnte, dass diese Kerle die Kopfgeldjäger waren, denn Robin und Bruder Tuck hatten sich über sie unterhalten. Während Will sich neben James stellte, guckte Much um die Ecke und wich sofort zurück. Das waren sie. Wenn sie ihn hier sahen, dann würden sie das ganze Haus durchsuchen bis sie Marian gefunden haben. Sie wussten wie er aussah und wenn sie ihn wieder erkannten, wäre alles vorbei. Will musterte die Fremden und blickte ihnen ernst entgegen. Es war abzusehen, dass sie auf dieses Anwesen stoßen würden. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Autoritär trat er den Kopfgeldjägern entgegen. Der Anführer musterte Will aufmerksam. So ein kleines Bürschchen konnte unmöglich der Hausherr sein. „Sind Sie der Hausherr?“ „Ja!“ Mit einem strengen Blick schickte Will James zum Gehen. Dieser verbeugte sich und trat den Rückzug an. Als er an der Treppe vorbei ging, erkannte er den zweiten Gast, der sich zitternd und mit ängstlichem Gesichtsausdruck an die schützende Mauer drückte. Lauschend und hoffend, dass Will diese Männer abwehren konnte. James ging weiter und zog sich in die Küche zu Betty zurück um sie über diese fremden Männer aufzuklären. „Sir, wir suchen ein blondes Mädchen. Sie ist auf der Flucht und ihr Vater vermisst sie.“ „Ich habe kein blondes Mädchen gesehen“, widersprach Will. „Sie ist so groß“, deutete der Mann mit seiner Hand ihre Größe. Glauben wollte er dem jungen Mann nicht. „Sie hat lange Haare, trägt einen dunklen Umhang…“, beschrieb der Anführer der Kopfgeldjäger. Will lauschte den Angaben und schüttelte seinen Kopf. Er tat als müsse er überlegen, doch schließlich schüttelte er seinen Kopf. „Kann mich nicht daran erinnern ein solches Mädchen gesehen zu haben.“ Misstrauisch beobachtete der Kopfgeldjäger sein Gegenüber. So recht wollte er ihm nicht glauben. Immer wieder warf er auch einen Blick in die Empfangshalle. „Mit Verlaub wer wohnt alles bei Ihnen?“ Will stand dem misstrauischen Blick stramm gegenüber. „Meine beiden Schwestern und unsere Angestellten! Von einem Mädchen, wie ihr es beschrieben habt, haben wir nichts gesehen oder gehört.“ Winnifred öffnete die Tür vom Salon und trat heraus. Sie hörte Stimmen und wollte nach dem Rechten sehen. Als sie die fremden, großen, beängstigenden Männer sah, bekam sie Angst. Schnell und besorgt stand sie bei ihrem Bruder und klammerte sich an seinen Arm: „Bruder, was ist geschehen?“ Eingeschüchtert blickte sie auf und sah in das ausdrucksstarke männliche Gesicht. Was wollten diese Kerle hier? Wer waren sie? Was suchten sie hier? Robin verließ Marians Zimmer. Immer noch hielt er ihren Brief fest in seinen Händen. Er trat die Treppen hinunter, doch bevor er in das Sichtfeld der Kopfgeldjäger treten konnte, nahm er den wild winkenden Much wahr, der ihm deutete sich nicht zu bewegen. Irritiert verharrte Robin, doch schon vernahm er die fremde Stimme. Sie kam ihm bekannt vor, er hatte sie schon einmal gehört. Misstrauisch über das Verhalten des Mädchens, wollte der Kopfgeldjäger nicht aufgeben. „Würdet ihr uns erlauben uns auf eurem Hof umzusehen.“ Will schüttelte vehement den Kopf und blieb stur. „Was gibt euch das Recht dazu?“ „Sir, dieses Mädchen könnte sich bei euch verstecken“, erklärte er nur noch misstrauischer. Wie konnten zwei Kinder ein Anwesen unterhalten? Wo waren ihre Eltern? Verbargen sie vielleicht doch mehr, als der Junge es ihm weismachen wollte? Das Mädchen sah nur mehr als ängstlich aus. Will sah dem Mann entgegen: „Nun gut. Ihr könnt euch auf diesem Anwesen umsehen, doch mein Haus bleibt unberührt!“ Seine Augen verdunkelten sich. Er würde seinen Männer auftragen unauffällig durch die Fenster zu sehen. Er traute diesen Kindern nicht. „Danke, Sir!“ Mit diesen Worten schweiften die Männer aus. Will schloss die Tür und konnte nur noch hoffen, dass Ben im Stall seinen Mund hielt und ihnen nichts von Marian verriet. Die restlichen Angestellten öffneten die Türe zur Küche und blickten die jungen Hausherren besorgt an. Sie hatten aufmerksam gelauscht und sorgten sich sehr über diese beängstigende Situation. Robin eilte die restlichen Stufen hinunter. „Das waren sie, hab ich recht? Sie suchen Marian“, stellte er fest. Und er wusste, hätte Much ihn nicht aufgehalten, sie hätten ihn wieder erkannt. Ihn, der Much und Marian zur Flucht verhalf. „Sie suchen sie, ja“, antwortete Winnifred. „Warum? Was wollen diese Männer von ihr?“ Sie blickte wütend ihren Bruder und dann Robin an. Niemand hatte ihr von diesen Männern erzählt und auch kein Wort erwähnt, dass Marian verfolgt wurde. Much wagte sich nun auch wieder hervor. Er zitterte immer noch am ganzen Körper. „Ich weiß es nicht“, antwortete Robin. Sie hatte ihm nichts gesagt und dieser Brief gab ihm auch nicht die Antworten, die er wissen wollte. Gedankenverloren blickte er auf das Blatt in seinen Händen. Will versuchte alle zu beruhigen: „Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten. Irgendwann werden sie wieder gehen müssen!“ Robin und Much blieben vorerst in der Eingangshalle um nicht doch noch zu riskieren entdeckt zu werden. Winnifred sollte wieder ihrem Tagesablauf nachgehen um keinen Verdacht zu schöpfen und die Angestellten gingen wieder an ihre Arbeiten zurück. Der Tag rückte voran und so stand die Nachmittagssonne schon sehr tief. Immer noch durchsuchten die Männer das Anwesen nach Spuren, auch das Haus wurde von außen in Augenschein genommen, aber sie konnten nichts Verdächtiges entdecken. Schließlich gaben sie auf und der Anführer der Kopfgeldjäger klopfte erneut. Robin und Much versteckten sich hinter der Mauer und Will öffnete die Türe. Der Kopfgeldjäger warf erneut einen misstrauischen Blick in das Haus, dennoch konnte er nichts entdecken, das ihm eine Spur gezeigt hätte. „Wir konnten sie nicht finden. Entschuldigt bitte vielmals“, knurrte er, aber die Männer zogen ab. Sie konnten nicht grundlos ihre Zeit auf diesem Anwesen verschwenden. Auch wenn sie den Stallburschen und ein rothaariges Mädchen im Stall befragt hatten, die beide ebenso unwissend taten, wie der Hausbesitzer selbst, hatte der Kopfgeldjäger den Verdacht, er wäre auf der richtigen Spur. Aber ohne Argumente mussten sie abziehen. Endlich verschwanden die Männer. Große Erleichterung breitete sich über das Anwesen aus. Will schloss die Türe und lehnte sich erleichtert gegen das schwere, schwarze Holz. „Wo ist Marian“, hakte Will endlich nach, als Robin hinter der Mauer hervorkam. „Sie ist weg!“ In diesem Moment klopfte es erneut und Will zuckte zusammen. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt um zu sehen, wer davor stand. Waren diese Männer etwa wieder zurückgekommen? Aber nicht die Männer in Schwarz standen davor, sondern Bruder Tuck und Little John. „Endlich sind sie weg“, atmete Little John erleichtert aus und trat in das Haus ein, an Will vorbei, der ihn finster anblickte. „Oh, große Hütte“, bemerkte Little John sarkastisch. Robin und Much starrten den Chef der Räuberbande überrascht an. Auch Bruder Tuck trat ein und ehe Will die Tür schließen konnte, huschte auch Barbara mit Ben herein. Sofort bestürmte die kleinste Huntington ihren Cousin. Sie hing sich an seine Brust und blickte ihn besorgt an. „Robin, wer waren diese Männer? Was haben sie gesucht? Sie haben uns nach Marian befragt? Warum? Was ist geschehen?“ Robin legte beruhigend seine Hände auf ihre Schultern, doch schon entdeckte sie den Brief und riss ihm diesen aus der Hand. „Barbara gib ihn wieder her“, rief Robin erschrocken aus und versuchte sich den Brief zurück zu holen, doch die kleinste wich ihm geschickt aus. „Was willst du hier?!“, fauchte Will stattdessen Little John an, der gelassen und desinteressiert seine Arme vor der Brust verschränkte und die Augen schloss. „Na, was schon, mein treuster Freund kommt nicht zurück, da hab ich mir Sorgen gemacht.“ „Chefchen“, grinste Much und stand schon bei Little John. „Das du mich so vermisst hast!“ „Von wegen vermisst“, konterte Little John und schob Much zur Seite. „Wer kocht mir denn jetzt meine Suppe? Seit Tagen muss ich sie mir selbst kochen.“ Much betrachtete seinen Boss mit einem irritierten Gesicht. Von dem Lärm angelockt, trat Winnifred aus dem Salon heraus. „Was ist denn hier los?!“, verkündete sie und in einem Mal verstummten alle. Little John starrte Winnifred einfach nur an. Löste seine Arme von der Brust und betrachtete sie mit großen Augen und leicht offenem Mund. Erst jetzt entdeckte Winnifred auch ihren neuen Gast. Und diesen hatte sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Sie hatte das Gefühl ihr Herz müsse stehen bleiben. Erstarrt und nach Worten suchend stand sie ihm gegenüber. Ihm, dem Mann, dem einmal ihr Herz gehört hatte. Kapitel 11: Rückkehr in den Sherwood Forrest -------------------------------------------- Little John starrte Winnifred an. Solange hatte er sie nicht mehr gesehen, aber er sah sofort, dass sie noch schöner geworden war. Sein Herz klopfte wild und unbändig in seiner Brust. Vergebens versuchte er es wieder unter Kontrolle zu bringen. Es musste vorher bestimmt sein, sie endlich, nach all der Zeit, wieder zu sehen. Winnifred fühlte sich von dieser Begegnung überfordert. Sie war plötzlich von Erinnerungen umgeben, die sie so erfolgreich in den letzten Jahren verdrängt hatte. Ihr Herz wurde mit einem Mal ganz schwer. Barbara beobachtete ihre Schwester aufmerksam und vergaß dabei den Brief. Robin hingegen bemerkte Barbaras Unaufmerksamkeit sofort und riss ihr den Brief aus der Hand. Mit ernster Stimme und sorgenvoller Mine durchbrach er die Stille. „Können wir uns in den Salon zurückziehen? Es gibt da etwas worüber wir reden sollten.“ Alle folgten ihm in den Salon. Jeder nahm Platz, wobei Winnifred darauf achtete, weit genug von Little John entfernt zu sitzen. Ihr Bruder kam ihr dabei zu Hilfe. „Marian ist letzte Nacht verschwunden und sie hat mir diesen Brief hinterlassen“, erklärte Robin nun. Er las seinen Freunden den Brief vor: „Wenn du diese Zeilen liest, bin ich bereits fort. Wie du bereits weißt, suchen mich diese Männer, aber nicht weil ich weggelaufen bin. Das ist ihnen gleichgültig. Ihnen ist mein kostbarstes Stück wichtiger, als mein Leben. Ich wollte deine Hilfe erbeten, aber du hast eine zu wichtige Aufgabe in Nottingham. Ich bringe es nicht übers Herz mich dir anzuvertrauen. Du bist in Gefahr, wenn ich bei dir bleibe und dir die Wahrheit erzähle. Ich kann es nicht zulassen, dass sie euer Schloss, dein zu Hause zerstören. Aus diesem Grund werde ich zurückkehren und mich ihnen alleine stellen. Hab Verständnis und folge mir nicht!“ „Wieso hat sie sich uns nicht anvertraut?“, fragte Barbara besorgt nach. „Wir haben doch immer alles zusammen durch gestanden.“ Winnifred hingegen fragte: „Welch kostbares Stück besitzt Marian, dass es solch gefährliche Männer haben wollen?“ Little Johns Augen und seine ganze Aufmerksamkeit waren einzig und allein auf Winnifred gerichtet. Will suchte den Blick seines Cousins, der in Gedanken versunken auf den Brief starrte. Ben beobachtete aufmerksam die Gruppe, während Much auf seinem Platz hin und her rutschte. Bruder Tuck, der bis jetzt seine Augen geschlossen hatte, öffnete diese jetzt und sah direkt zu Robin. „Was wirst du jetzt tun?“ Immer noch den Brief anblickend antwortete er: „Ich werde ihr folgen.“ Diese Antwort klang monoton, fast beiläufig, obwohl sie eine der wichtigsten Entscheidungen überhaupt sein würde. „Nein, das wirst du nicht!“ Winnifred sprang auf und ballte ihre Hände zu Fäusten. Wasser füllte langsam ihre Augen. Ihr Herz pochte schmerzhaft in ihrer Brust. Zu groß war die Angst ihren Cousin verlieren zu können. Immer noch blickte der junge Mann nicht auf. „Ich muss, verstehst du das nicht?“ „Sie werden dich hängen“, erwiderte seine Cousine aufgebracht. Alle in diesem Raum hielten inne. Little John schaffte es seinen Blick von Winnifred auf Robin zu richten. Much saß mit einem Mal ganz still. Ben beobachtete stumm, wie auch verwirrt die Reaktionen. Und Barbara sah, dass ihr Bruder und Bruder Tuck ebenfalls wussten, wovon hier geredet wurden. Wut breitete sich in ihrem Bauch aus. Sie war kein kleines Kind mehr. Wann würden ihre Geschwister dies endlich erkennen? Ihre Schwester riss Barbara aus ihren Gedanken. „Oder hast du das vergessen?“ Winnifreds Stimme brach, die ersten Tränen lösten sich aus ihren Augen. Immer noch blickte Robin nicht auf. Dafür klang seine Stimme anders. Enttäuschung und Wut, über die falsche Anklage, schwangen in seiner Stimme mit. „Wie könnte ich das jemals vergessen.“ Endlich blickte er auf und seine blauen Augen waren einzig auf seine Cousine gerichtet. „Ich muss gehen, Winnifred. Marian ist in Gefahr und ich kann sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Dazu bedeutet sie mir zu viel.“ „Mehr als dein Leben?“, erwiderte Winnifred. „Versteh mich nicht falsch, Robin. Marian ist mir eine liebe Freundin, aber Lord Lancaster will dich hängen sehen. Zu oft hat er dich bereits aus Gnade gehen lassen.“ Diese Nachricht erschütterte Barbara. Was bedeutete das? Hatte Robin in der Vergangenheit Marian öfter aufgesucht? Sie erinnerte sich an den unschönen Moment, in dem Lord Lancaster Robin verachtete. Aber dass er ihm nach seinem Leben trachtete, hörte die Rothaarige zum ersten Mal. Aufmerksam, wie auch besorgt, beobachtete sie ihre Schwester und Robin. „Du überreizt es, Robert!“ Robins Augen verdunkelten sich. Langsam stand er auf um mit seiner Cousine auf Augenhöhe zu stehen. „Nenn mich nicht, Robert! Du bist nicht meine Mutter, Winnifred“, erwiderte er barsch. Er atmete einmal tief durch, ehe er ihr erneut in die Augen blickte. „Ich weiß, dass du dich sorgst, aber ich sorge mich auch. Marian befindet sich in Gefahr. Ich muss gehen.“ Barbara hatte genug von allem. Sie würde ihnen zeigen wie erwachsen sie bereits war. „Ich werde dich begleiten.“ Robin sah überrascht seine kleine Cousine an. „Nein, das wirst du nicht. Es wird viel zu gefährlich werden.“ „Ich werde mit gehen“, beharrte Barbara und stand auf. Entschlossen funkelten ihre Augen. Robin wollte erneut widersprechen, als auch Ben aufstand. „Herr, ich werde euch ebenfalls begleiten.“ Winnifred starrte hin und her gerissen den Boden an. Auch Will schien in Gedanken versunken zu sein. Doch schon blickte er auf. „Es wird gefährlich werden, aber gemeinsam stehen wir das durch. Ich begleite dich auch.“ Robin sah zu Much und Little John. „Kommt ihr auch mit?“ Little John stand auf. „Nein, wir kehren in den Wald zurück. Irgendwann werden diese Männer verschwinden und wir können wieder in Frieden leben.“ Der junge Mann nickte zu und sah letztendlich Winnifred an. Er wusste nur zu gut, dass sie sich sorgte. „Winnifred“, sagte er so sanft, das sie aufblickte. Ein zaghaftes Lächeln trat auf ihre Lippen. „Ich werde euch begleiten, wie früher.“ Barbara jubelte und sprang ihrer Schwester um den Hals, während Robin lächelnd zustimmte. Er wusste, dass ihre Reise gefährlich war, dennoch konnte er sich auf seine Freunde verlassen. „Wir werden noch heute Nacht aufbrechen. Ruht euch aus und bereitet euch auf die Abreise vor.“ Mit diesen Worten verließ Robin den Salon und informierte James und Betty über sein Vorhaben. Die beiden sollten sich in seiner Abwesenheit um das Anwesen kümmern. Danach betrat Robin sein Arbeitszimmer. Zielstrebig trat er an eine Wand und betrachtete den Bogen und auch den Köcher mit den Pfeilen. Lange hatte er diesen nicht mehr gebraucht, aber nun war es wieder an der Zeit. Der Frieden war vorbei. „Schickt einen Boten aus. Sie sollen unverzüglich zurückkehren.“ „Sehr wohl, Sire“, ein Mann im Anzug verbeugte sich tief vor dem Prinzen. Dieser saß im Thronstuhl, ein Bein über die Armlehne baumelnd, und betrachtete seine Hände und auch den Siegelring, der an seinem Ringfinger thronte. „Sagt ihnen, die Prinzessin ist wohlbehalten zurückgekehrt.“ „Natürlich, Sire“, wieder verbeugte sich der Mann unterwürfig. „Und wenn wir ihren Unterschlupf ausfindig gemacht haben, lasst Ihr diesen zerstören, haben wir uns verstanden?“ Wieder verbeugte sich der Mann, allerdings mit zusammengekniffenen Lippen. Er wollte nicht verantwortlich für den Tod vieler unschuldiger Menschen sein. Dennoch blieb ihm keine andere Wahl. Leiser antwortete er schließlich. „Ja, Sire.“ In diesem Moment schwang die Flügeltür auf und Marian betrat den Thronsaal. Wütend und feindselig ging sie erhobenen Hauptes zum Thron. Sie war in eines ihrer Kleider gehüllt. Es hatte eine samtgrüne Farbe und schmiegte sich um ihren wohlgeformten Körper. Nach ihrer Rückkehr im Schloss bat sie um ein Gespräch mit ihren Eltern. Sie bestand darauf Prinz Jean nicht zu heiraten. Als ihre Eltern ihr den Wunsch verwehrten, würde Marian ihn eben offensichtlich anfeinden. Irgendwann müssten dann alle sehen, dass sie sich für eine andere Zukunft entschieden hatte, als ihre Eltern ihr vorgaben. Sie blieb vor dem Thron stehen und funkelte den Prinzen wütend an. Er saß auf dem Thron, anstelle ihres Vaters. „Was bildet Ihr euch eigentlich ein?“, fauchte sie. Der französische Thronfolger richtete sich im Thron auf und nickte seinem Berater zu. „Ihr kennt eure Aufgabe!“ „Sehr wohl, Sire“, wieder eine Verbeugung vor dem Prinzen. Er drehte sich zu der Prinzessin um und verbeugte sich vor ihr ebenfalls tief. „Lady Marian“, verabschiedete er sich und verließ den Thronsaal. „Es ist schön euch gesund und wohlbehalten wieder zu sehen“, verkündete Prinz Jean. Dabei stand er auf, strich sich mit seiner Hand durch sein blondes Schulterlanges Haar. „Natürlich seid Ihr nur um mein Wohl besorgt“, erwiderte Marian voller Hohn. Er ließ sich von ihren Anfeindungen nicht aus der Ruhe bringen und trat gelassenen Schrittes auf sie zu. „Was nützt mir eine Braut, die verletzt oder gar tot ist?“ „Was nützt euch eine Braut, die euch zutiefst verachtet?“, gab sie ihm bissig zurück. Sie wich nicht vor ihm zurück, auch wenn ihr seine Nähe nicht behagte. Er blieb ganz nah vor ihr stehen und lächelte selbstgefällig. „Ich liebe die Herausforderung, Prinzessin.“ Sie funkelte ihn an, hielt seinem höhnischen Blick stand. Doch schon spürte sie, seine Finger, die ihr Kinn umfassten und fest hielten. Was auch immer er damit bezweckte, in Marian löste es nur Ekel aus. Sie liebte Robin und nur er durfte sie anfassen, küssen und ihr nahe kommen. „Eure Augen sind so wunderschön, wenn ihr wütend seid. Schon bald seid Ihr die meine und ich freue mich auf diesen Tag.“ Er beugte sich zu ihr hinab, legte seine Lippen auf die ihren und schloss seine Augen. Marian hingegen riss ihre Augen weiter auf. Er wagte es sie zu küssen. Diese Unverschämtheit ließ sie nicht währen. Sie biss ihm, so fest sie konnte, auf die Unterlippe. Mit einem Schmerzenslaut löste sich Prinz Jean von ihr, schmeckte das Blut, welches aus seiner Lippe trat und hielt sich seine Finger an seine Unterlippe. Zuerst blickte er sie für den Bruchteil eines Augenblicks wütend an, ehe sein zorniger Blick in Erheiterung umschlug. Marian hingegen wischte sich selbst über ihre Lippen um die Schande, die er über sie gebracht hatte, fortzuwischen. Mit blitzenden Augen beobachtete sie seine Reaktion. „Ihr werdet nur noch anziehender.“ Er lächelte sie an, ging an ihr vorbei und verließ wenig später den Thronsaal. Marian blieb zitternd vor Wut im nun leeren Thronsaal stehen. Gemeinsam brachen sie in den Sherwood Forrest auf. Bruder Tuck führte die Gruppe an und ging zielstrebig auf den Waldrand zu. Die jungen Erwachsenen folgten ihm leisen Schrittes und jeder in eigene Gedanken vertieft. Little John versuchte sich und seine Gedanken von Winnifred abzulenken. Seit er sie wieder gesehen hatte, drehten sich seine Gedanken nur um sie und ihre Schönheit. Er hatte ganz vergessen wie wunderschön sie war. Und nichts sehnlicher wünschte er sich die alten Zeiten herbei, wo sie noch zusammen sein konnten und glücklich waren. Much ging neben seinem Chef, war allerdings mit dessen Entscheidung nicht einverstanden. Zu gern wollte er Marian retten. Er würde mit Robin und seinen Gefährten weiterziehen, wenn Little John sich weigern würde. Er wollte mit in den Kampf ziehen, auch wenn es heißen sollte, dass er sein Leben verlor. Aber davor schreckte er nicht zurück. Er spürte den kalten Gegenstand an der Brust und wollte ihn berühren, aber er tat es nicht. Er wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Robin trug ein grünes Hemd und eine grüne Hose, dazu braune Stiefel und einen braunen Gürtel an dem sein Dolch hing. Auf dem Rücken trug er den Köcher und seinen Bogen. Inständig betete er darum, dass Marian nichts zugestoßen war. Auch wenn er aus dem Brief ihre Beweggründe entnehmen konnte, so verstand er ihr Misstrauen nicht. Wieso vertraute sie sich ihm nicht an? Will trug eine dunkelblaue Hose und dazu ein hellblaues Hemd. Er trug einen braunen Gürtel an dem ein Jagdmesser hing. Er hoffte wirklich, dass er es niemals im Kampf einsetzen musste, aber die Waffe diente zu seiner Sicherheit, wie auch zur Sicherheit seiner Schwestern. Er musste sie beschützen, er war verantwortlich für sie. Barbara war ihrem ehemaligen Kleid lange schon entwachsen, dennoch hatte sie sich für ein farbenähnliches Kleid entschieden. Sie trug ein hellbraunes Kleid, mit langen Ärmeln, dennoch nicht bodenlang, sondern nur bis zu den Knöcheln. Ihre braunen Stiefel waren deutlich zu erkennen. Sie trug einen braunen Gürtel an dem ein Dolch befestigt war. Auch wenn ihr mit dieser Waffe unbehaglich zumute war, so wusste sie sich damit zu wehren. Sie blickte zu Ben, der neben ihr lief und ebenfalls einen Dolch an seiner Kleidung trug. Sie war ihm dankbar, dass er solche Gefahren auf sich nahm um ihrer Familie beizustehen. Ben bemerkte ihren Blick und erwiderte diesen mit einem sanften Lächeln. Auch Winnifred trug ein Kleid. Es war dunkelgrün und bodenlang mit langen Ärmeln, welche sie auch vor der Kälte der Nacht schützten. An ihrem braunen Gürtel hing ein Dolch. Da Little John direkt vor ihr lief, blieb ihr keine andere Wahl als auf den Boden zu blicken. Sie hatte ihn so lange nicht gesehen und war gerade dabei ihn zu vergessen, als er wieder in ihr Leben treten musste. Sie gingen eine Weile schweigend durch den Wald, als sie Pferde traben hörten. Wer auch immer das war, sie kamen schnell auf die Gruppe zu. Barbara, Ben, Much und Will sprangen hinter die seitlich gelegenen Büsche. Bruder Tuck versteckte sich hinter einem Strauch. Robin suchte Deckung hinter einem Baum. Ehe Winnifred entscheiden konnte wo sie sich verstecken sollte, fasste Little John sie an ihrer Hand und zog sie mit sich. Er hatte vor wenigen Metern einen Fels gesehen, in dem sie Schutz suchen konnten. Gerade noch rechtzeitig rutschten die beiden in die Mulde unter dem Fels, der ein Eingang zu einer Höhle war. Schon trabten Pferde im Galopp vorbei. Der Boden bebte. Die aufschlagenden Hufe wirbelten Staub und Steine auf. Winnifred hielt sich ihre Hände vors Gesicht, dennoch atmete sie den Staub ein und konnte sich nur mühsam einen Hustenreiz verkneifen. Little John reagierte sofort, zog ihren Kopf fest an seine Brust um Winnifreds Atemwege zu schützen. Die Reitergruppe zog vorüber, der Boden bebte nach. Die Gegend war mit Staub aufgewirbelt, aber die Klänge verstummten. Jemand trat auf den Felsen zu und kniete sich hin. „Seid ihr in Ordnung?“ Es war Will. Winnifred löste sich von Little Johns drückender Umklammerung und nickte Will zu. Sie reichte ihm ihre zitternden Hände und er zog sie aus der Mulde. Little John kletterte selbst hinaus. Endlich konnte Winnifred laut husten. Der Staub hatte ihre Lungen extrem gereizt. Robin und Bruder Tuck blickten sich ernst an. Langsam sammelten sich alle wieder zusammen. „Das waren sie. Sie suchen immer noch den Wald ab“, erklärte Robin. „Wir müssen immer wieder damit rechnen, dass wir ihnen begegnen“, stimmte Bruder Tuck zu. Alle nickten. Gemeinsam gingen sie weiter, jederzeit mit einer weiteren Begegnung rechnend. Langsam stieg die Sonne auf und erhellte mit den ersten Strahlen ein Teil des Waldes. Mehr und mehr vertrieb sie die Finsternis. Robins Gedanken kreisten um Marian und ihren Brief. Er konnte ihr Handeln nachvollziehen. Marian wusste um seine verantwortungsvolle Aufgabe. Es würde leicht sein, die Bürger von Nottingham gegen ihn aufzuhetzen, damit wäre seine Familie, seine Angestellten, sein Schloss in Gefahr. Andererseits hatte er ihr versprochen sie immer zu beschützen. Wieder mal hatte er versagt. Er dachte an die letzte Nacht zurück. Marian lag in seinen Armen, alles schien als würde es sich endlich zum Guten wenden. Nur dann ergriff sie die Flucht. Inzwischen stand die Sonne schon über dem Horizont und ihre Strahlen begannen das Land zu erwärmen. „Lasst uns einen Moment rasten und etwas essen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, verkündete Bruder Tuck und ließ sich auf die grüne Wiese nieder. Barbara setzte sich zu dem Mönch und auch Winnifred war dankbar um eine kleine Rast. Will und Much setzten sich ebenso und streckten ihre Beine aus. Robin, Little John und Ben blieben stehen. „Setzt euch. Ein Päuschen wird euch ebenso gut tun“, bat Barbara und blickte dabei besorgt ihren treuen Freund an. Ben trat auf Barbara zu und setzte sich neben sie. Robin war so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkt hatte, wie er auf diese kleine Lichtung kam. Bruder Tuck war vorausgegangen und hatte die Gruppe zielstrebig angeführt. Er setzte sich zu seinen Freunden, während Bruder Tuck einen Teil des Proviants verteilte. Er zog den Brief aus seiner Hosentasche hervor und faltete ihn auf. Geliebter, wenn du diese Zeilen liest, bin ich bereits fort. Wie du bereits weißt, suchen mich diese Männer, aber nicht weil ich weggelaufen bin. Das ist ihnen gleichgültig. Ihnen ist mein kostbarstes Stück wichtiger, als mein Leben. Ich wollte deine Hilfe erbeten, aber du hast eine zu wichtige Aufgabe in Nottingham. Ich bringe es nicht übers Herz mich dir anzuvertrauen. Du bist in Gefahr, wenn ich bei dir bleibe und dir die Wahrheit erzähle. Ich kann es nicht zulassen, dass sie euer Schloss, dein zu Hause zerstören. Aus diesem Grund werde ich zurückkehren und mich ihnen alleine stellen. Hab Verständnis und folge mir nicht! In Liebe Marian Um welches kostbarste Stück ging es? Er überlegte. Konnte sie damit das goldene Kreuz meinen? Zu gut erinnerte er sich noch, welche Macht es besaß. Lord Alwine hatte mit seiner Hilfe fast Sherwood Forrest zerstört. Aber es war sicher versteckt. Er und Marian hatten es dem Wald geschenkt mit dem Versprechen immer für den Wald einzutreten. Schon stellte sich ihm die nächste Frage. Warum suchten die Kopfgeldjäger nach dem Kreuz? Woher wussten sie von seiner Existenz? Woher wussten sie, dass Marian wusste wo sich das Kreuz befand? War es überhaupt noch an seinem Ort? Einem plötzlichen flauen Gefühl im Bauch folgend, sprang Robin auf. „Wir müssen sofort weiter!“ Schon lief er voraus. Überrascht hielten alle inne, doch schnell war wieder alles verpackt und sie folgten Robin. Bald hatten sie ihn eingeholt. Will fragte: „Wohin gehen wir?“ Er merkte sofort, dass sie vom Weg abkamen. Und er erkannte die Gegend wieder. „Wir müssen nach dem Kreuz sehen“, erklärte Robin. „Dem Kreuz? Du meinst, Marians goldenes Kreuz?“, hakte Winnifred verwirrt nach. „Ja.“ Much zuckte zusammen. Instinktiv fasste er sich an die Brust. Dort spürte er den kalten Gegenstand auf seiner Haut. „Aber es hat Marian. Nachdem wir Lord Alwine besiegt haben, hat sie es wieder an sich genommen“, behauptete Winnifred. „Nein“, entgegnete Robin. Niemand wusste von Marians und Robins Versprechen. Niemand wusste, wo sie es versteckt hatten. „Wir haben es dem Wald überlassen.“ Zielstrebig folgte er dem Pfad. Es dauerte nicht lange, dann trat er auf die Lichtung zu. Alle blieben stehen. Langsam trat Robin auf einen großen Baum zu. Er stellte sich vor ihn und legte seine Hand sanft auf die Rinde. Kurz schloss er die Augen, ehe er sie öffnete und die Baummulde erblickte. Er griff hinein, führte seine Finger immer tiefer hinein, aber das Kreuz konnte er nicht erfühlen. Er ertastete die Mulde aber sie war und blieb leer. Marian hatte das Kreuz entnommen, oder aber die Männer haben das Kreuz bereits in ihren Besitz. Robin zog seine Hand zurück und blickte seine Freunde an. „Es ist nicht mehr da. Es ist weg!“ Stille. „Wenn das Kreuz in die falschen Hände kommt, ist der Wald in Gefahr. Die Tragödie würde sich wiederholen“, rief Barbara verzweifelt aus. „Wir müssen es verhindern, Robin. Wir müssen das Kreuz finden!“ „Vielleicht hat Marian es bei sich. Es kann doch sein, dass sie es wieder um ihren Hals trägt“, vermutete Winnifred. Robin wusste, dass dem nicht so war. Es wäre ihm aufgefallen, wenn sie das Kreuz um ihren Hals getragen hätte. „Wenn die Kopfgeldjäger das Kreuz in ihrem Besitz haben“, mutmaßte Will, wurde von Barbara aber unterbrochen. „Woher sollten sie wissen, welche Macht es hat. Und was würden sie mit dem Kreuz wollen?“ „Das gilt es herauszufinden“, mischte sich Robin wieder ein. „Wir müssen Marian finden. Nur sie kann uns alles erklären.“ „Lasst uns sofort aufbrechen.“ „Ohne uns“, verkündete Little John, als die Gruppe aufbrechen wollte. „Much und ich kehren zur Sherwood-Bande zurück.“ Winnifred konnte diese Entscheidung nur recht sein. Bisher hatte sie Little John zu ignorieren versucht. Ob sie dies noch länger schaffen konnte, dem war sie sich absolut nicht sicher. Much blickte seinen Chef an. „Ich werde sie begleiten!“ Wütend fixierte Little John seinen Kumpanen. „Wenn du unbedingt willst“, fauchte er und ging allein seines Weges. „Jetzt ist Little John sauer“, stellte Barbara fest, aber Much zuckte nur mit seinen Schultern. „Der fängt sich schon wieder.“ Gemeinsam gingen sie ihren Weg. Marian betrat den Thronsaal. Skeptisch trat sie zu ihren Eltern, bei denen auch Prinz Jean stand. Sie verbeugte sich vor ihren Eltern. „Ihr habt nach mir rufen lassen?“ Lord Lancaster stand auf. „Marian, mein Kind, es fällt mir schwer dich gehen zu lassen. Aber bei Sonnenaufgang wirst du mit Prinz Jean nach Frankreich reisen. Beim nächsten Vollmond findet die Hochzeit statt, der wir auch beiwohnen werden.“ Marians Augen wurden größer und größer. „Nein, Vater! Schick mich nicht fort. Ich werde ihn nicht ehelichen.“ Prinz Jean trat auf Marian zu. „Ihr werdet meine Gemahlin werden, mir Kinder schenken und in Frankreich leben.“ „Ich werde euch nicht ehelichen. Lieber sterbe ich, als die eurige zu werden!“ „Marian, schweig!“ Lord Lancaster stand auf. „Keine Widerworte. Bei Sonnenaufgang reist du ab.“ Marian funkelte Prinz Jean an. „Aber euer Hoheit, was ist mit dem Kreuz? Habt ihr vergessen, dass ihr das Kreuz sehen wolltet?“ Prinz Jean kniff seine Augen zusammen. „Ich weiß nicht, wovon ihr sprecht.“ „Ihr habt vergessen, wovon ich spreche? Ihr habt mich Tagelang bedrängt, es euch zu zeigen“, erwiderte Marian zuckersüß. Lord Lancaster folgte der Unterhaltung mit Misstrauen. Mit einem Mal fiel ihm die Begegnung in der Bibliothek ein. Prinz Jean hatte Marian wirklich bedrängt. „Wozu wollt ihr das Kreuz sehen?“ Prinz Jean blickte den Lord an. „My Lord. Das Kreuz symbolisiert eure Familie.“ „Ich kenne die Sagen und Legenden um das Kreuz, Prinz Jean. Marian, warum zeigst du es ihm nicht?“ Marian ballte ihre Hände zu Fäusten. „Ich habe es verloren. Auf meiner Flucht vor den Kopfgeldjägern.“ „Kopfgeldjägern?“ Lady Lancaster sprang auf. Prinz Jean schritt ein. „Marian meinte meine Leibwache, Sire. Sie sind keine Kopfgeldjäger. Ich habe meine Wachen auf die Suche nach der Prinzessin geschickt.“ „Mit dem Auftrag mich zu töten“, keifte Marian. „Natürlich nicht“, tat Prinz Jean entsetzt. „Wieso sollte ich euch töten lassen?“ „Das frage ich mich auch“, mischte sich Lord Lancaster ein. „Und du sagst, du hast das Kreuz verloren? Marian, wie konntest du nur so unachtsam sein. Prinz Jean, es ist mir unangenehm, wie meine Tochter euch behandelt.“ Prinz Jean lächelte. „Es muss euch nicht unangenehm sein. Sie ist ein Wildfang aber ich werde sie zähmen.“ Marian funkelte ihn bitterböse an. Lord Lancaster nickte dem Prinzen zu. „Bereitet euch auf eure Abreise vor. „Vater, nicht, bitte“, erwiderte Marian schockiert. „Es ist alles gesagt“, erwiderte Lord Lancaster. Zwei Hofdamen traten ein und führten Marian in ihr Gemach. Prinz Jean verneigte sich vor dem Lord und der Lady und zog sich ebenfalls zurück. Kapitel 12: Aufbruch -------------------- Die Kutsche stand bereit. Die Wachen Frankreichs saßen auf ihren Pferden und warteten. Die Koffer waren verstaut, der Kutscher saß auf seinem Bock. Prinz Jean stand an der offenen Kutschentür. Lady Lancaster umarmte ihre Tochter und drückte sie ganz fest an sich. Diesen Moment nutzte Marian für sich. „Mutter“, flüsterte sie leise. „Ich hab bei Robin Unterschlupf gefunden. Ich liebe ihn, Mutter. Ich werde ihn immer lieben.“ Lady Lancaster löste sich von ihrer Tochter. Sie lächelte bekümmert. „Ich weiß“, hauchte sie zurück. „Es tut mir so leid.“ Marian verbeugte sich vor ihrem Vater. „Marian, bring keine Schande über unsere Familie.“ „Ja, Vater“, antwortete Marian. Sie stand auf und ging erhobenen Hauptes zur Kutsche. Prinz Jean reichte ihr behilflich seine Hand, doch Marian schlug diese aus und stieg ohne Hilfe in die Kutsche. Prinz Jean nickte dem Lord und der Lady zu und folgte der Prinzessin in die Kutsche. Nachdem die Tür geschlossen war fuhr die Kutsche los. Gefolgt und begleitet von den königlichen Wachen Frankreichs. Marian saß schweigend in der Kutsche, blickte aus dem Fenster und sah das Land vorbeiziehen. Prinz Jean saß ihr gegenüber. Mit einem Lächeln auf den Lippen betrachtete er die blonde Schönheit. „Mit Verlaub, Ihr habt gut gekämpft.“ Marian starrte hinaus. „Eurem Vater von meinem Interesse am Kreuz zu berichten, zu behaupten ich würde euch Kopfgeldjäger hinterher schicken, die euch töten sollten. Wie gut, dass er euch nicht glaubte.“ Marian richtete ihre Augen auf ihr Gegenüber. „Natürlich ist es mir angenehmer euch lebendig mit nach Frankreich zu nehmen, so kann ich mich noch lange Zeit an eurem Anblick erfreuen.“ „Wieso?“ Nüchtern und klar stellte sie die einzige Frage von Belang. „Eine berechtigte Frage, My Lady“, erwiderte Prinz Jean. „Aber ich habe auch eine Frage, ehe ich euch antworte.“ „Welche?“ „Wo ist das Kreuz?“ Marian schluckte. „Ich hab es verloren.“ Prinz Jean betrachtete sein Gegenüber misstrauisch. Er öffnete das Fenster und gab mit seiner Hand einen Wink. Ein Reiter schloss auf. Immer noch Marian anblickend befahl er: „Reitet zu ihnen. Sie sollen jeden Winkel des Waldes absuchen, bis sie das Kreuz gefunden haben. Ach ja, und zerstört jeden möglichen Unterschlupf im Wald.“ „Nein“, mischte Marian sich ein. Prinz Jean deutete mit seiner Hand, dass sein Befehl klar und deutlich war. Der Reiter verneigte sich und Marian hörte den Takt der sich rasch entfernenden Hufe. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und blickte wieder zum Fenster hinaus. Still hoffend und betend, dass weder Bruder Tucks Haus, noch das Versteck der Räuber und schon gar nicht das Schloss Huntington Opfer dieses Befehls würden. Sie erreichten das Schloss Lancaster zur Morgenstunde. Zu ihrer Überraschung standen Reiterheere über den Hof verteilt. Alles deutete auf einen Aufbruch hin. Sie hielten sich im Schatten des Gemäuers und beschlossen erst einmal abzuwarten. Wenig später setzte sich der Reitertrupp in Bewegung, inmitten fuhr die königliche Kutsche der Familie Lancaster. Keiner von ihnen konnte erkennen wer in dieser Kutsche saß. Das einzige was jedem sofort auffiel, waren die befremdlichen Uniformen. Robin erinnerte sich, dass Marian einem Mann aus Frankreich versprochen war. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Kaum war der letzte Reiter an ihnen vorbei gekommen, richtete sich Robin auf und lief den Weg hinauf zum Schloss. Von weitem sah er Lord und Lady Lancaster, die soeben in den Palast zurückkehren wollten. „Lord Lancaster“, rief Robin laut und sofort zogen die Wachen ihre Schwerter. Der Lord drehte sich um und erkannte den jungen Mann kaum wieder. Lange hatte er ihn nicht mehr gesehen. „Robert Huntington.“ Lady Lancaster eilte auf den jungen Mann zu. „Robert. Marian sagte mir, dass sie bei dir Unterschlupf fand. Sag mir bitte, wie es dazu kam.“ Winnifred trat mit den anderen näher. „Lady Lancaster, Marian wurde verfolgt. Ihre Verfolger waren Kopfgeldjäger. Sie suchten nach Marian.“ Lady Lancaster schossen Tränen in die Augen. Hilflos suchte sie den Blick ihres Mannes. „Sie hat nicht gelogen. Er ist wirklich ein gefährlicher Mann.“ Lord Lancaster trat ebenso näher. Nicht mehr ganz so störrisch, wie er sich sonst verhielt. Nein, diesmal sah er sehr besorgt aus. Ein sorgender Vater, der nicht mehr zu wissen schien, was er glauben sollte. „Unmöglich“, erwiderte er dennoch, nicht einsehend einen großen Fehler begangen zu haben. Robin blickte Marians Eltern an und reichte dem Lord ihren Brief. Nach kurzer Zeit fügte er hinzu: „My Lord, My Lady, Ihr habt mir damals eure Tochter anvertraut und ich habe in meiner Aufgabe versagt. Aber ich schwöre euch bei allem was mir heilig ist, ich liebe eure Tochter. Und wenn ich sie die meine nennen darf, dann werde ich ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen und sie auf Händen tragen. Ich werde sie mit meinem Leben beschützen, für immer!“ Lady Lancaster lächelte Robin an und nickte schließlich. Lord Lancaster ließ die Hand mit dem Brief sinken und blickte den jungen Mann traurig an. „Robert Huntington, ich tat dir Unrecht. Meine Tochter ist mit Prinz Jean auf dem Weg zum Hafen. Dort wartet das königliche Schiff, welches sie nach Frankreich bringt. Bitte, rette meine Tochter. Bring sie zu uns zurück.“ Robin nickte und drehte sich seinen Freunden zu. „Bruder Tuck, kehrt zurück in den Wald und nehmt bitte Winnifred und Barbara mit euch. Much, kehre auch zur Sherwood-Bande zurück. Ben und Will, ihr werdet mich begleiten.“ „Zu Fuß werdet ihr nie rechtzeitig den Hafen erreichen“, warf Barbara ein. Sie spürte, wie ihnen die Zeit davon rann. Das junge Mädchen verstand das Robin, Ben und Will zu dritt schneller sein würden. „Nehmt meine Pferde“, bot Lord Lancaster an. Einer von den Wachen eilte zum Stall. Wenig später kam er mit drei gesattelten Pferden zurück. Nach einem kurzen Blick zu seiner Gattin sprach der Lord: „Ich werde euch begleiten!“ Die drei stiegen auf die Pferde. „Vielen Dank, My Lord. Ich denke jedoch das es besser wäre hier zu warten“, nickte Robin Marians Vater zu, ehe er sich seinen Cousinen zu wandte. „Seid vorsichtig.“ „Ihr auch“, bat Barbara besorgt. Schon preschten die drei los und folgten dem Weg, den die französischen Reiter mit der königlichen Kutsche von Lancaster vor einiger Zeit eingeschlagen haben. Der Lord führte seine Lady zurück in den Palast. Bruder Tuck, Barbara, Winnifred und Much kehrten um und gingen zurück zum Sherwood Forrest. Einmal wären sie fast auf die Kopfgeldjäger gestoßen, die immer noch durch die Wälder ritten. Ganz knapp nur entgingen sie diesen gefährlichen fremden Männern, aber dann fanden sie sich im sicheren Versteck der Sherwood-Bande wieder. Eine unheilvolle Stille drückte auf die sonst so freche und fröhliche Räuberbande. Die Huntington Schwestern saßen bedrückt und über alle Maßen besorgt an einem Tisch, während um sie herum all die jungen Männer saßen und nicht wussten, was sie tun sollten. Much führte die jungen Frauen durch den Wald. Bruder Tuck trennte sie schon kurz darauf von ihnen und überließ die Verantwortung dem Räuber. Dieser wusste auch nicht was er jetzt tun sollte und entschied sich sein Chefchen aufzusuchen. Sie kamen ungesehen im Versteck an und Much erzählte alles seinen Freunden. „Ich mach mir Sorgen, Winnifred“, bemerkte Barbara in die Stille hinein. „Wenn Robin es nicht schafft rechtzeitig zum Schiff zu kommen, werden wir Marian nie wieder sehen.“ „Ich weiß, Barbara“, antwortete Winnifred ebenso trübsinnig. „Auch sorge ich mich um Will und Ben“, sie stockte kurz, dann fügte sie hinzu: „Wenn sie diesen Kopfgeldjägern in die Arme laufen...“ „Daran darfst du nicht mal denken“, unterbrach Little John sie barsch. Winnifred sah zu ihm auf und das erste Mal seit langer Zeit hielt sie seinem Blick stand. „Das wird nicht passieren“, fügte der Chef der Räuberbande etwas sanfter hinzu und blickte zu seinen treuen Gefährten. Sie alle waren keine kleinen Jungen mehr, sondern erwachsene Männer. „Lasst uns beraten was wir tun können und wie wir es angehen können“, sprach er und erweckte den Kampfgeist der Räuberbande. So setzten sich die Räuber um den Tisch und beratschlagten die nächsten Schritte. Marian starrte schweigend zum Fenster hinaus, sah die weite und grüne Landschaft an sich vorbei ziehen und betete, das niemand ihrer Freunde Schaden nahm. In ihren Gedanken zogen die Erinnerungen ihrer Kindheit vorbei. Sie sah sich selbst bei Robin und seinen Freunden Unterschlupf finden, traf auf die Sherwood-Bande, fand sich in Gefangenschaft von Lord Alwine und Bischof Herford wieder, traf und schätzte Ritter Gilbert, wurde von ihren Freunden befreit, zusammen retteten sie Nottingham und sie war einfach nur noch glücklich. Bis ihr Vater sie von Robin trennte. Sie verstand bis zu diesem Tage nicht, warum er solch einen Groll gegen Robin hegte. Der Junge war der erste Mann, der sich wirklich um sie gekümmert und gesorgt hatte. Und er war derjenige, dem Marian nicht nur ihr Herz schenkte. Und sie bereute nur, dass sie ihre große Liebe nicht schon viel früher aufsuchte und um ihn und ein gemeinsames Leben kämpfte. Innerlich warf sie sich vor viele Fehler begangen zu haben. Und auch fragte sie sich still, ob ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn sie sich gegen ihre Eltern gestellt hätte. „Es ist wahrlich eine Freude euch anzusehen.“ Unsanft wurde Marian aus ihren Gedanken gerissen und nun erkannte sie auch die bereits großen Lagerhäuser am Hafen. Traurigkeit breitete sich in ihrem Herzen aus. Schon bald erreichten sie das Schiff und ihre Zukunft in dem fernen Land Frankreich blieb auch ungewiss. Wut breitete sich schlagartig in ihrem Bauch aus. Unsagbare Wut und Abscheu. Wie sehr sie doch ihr Gegenüber verabscheute. Sie verbiss sich einen unpassenden Wortlaut und achtete auf die Lagerhäuser, in denen die verschiedensten Waren gelagert wurden. Zwischen den großen Holzhallen, erhaschte sie einen Blick auf das klare, im Sonnenlicht glänzende, ozeanblaue Gewässer. „My Lady, wir sind gleich bei meinem Schiff. Verabschiedet euch von eurem Land, denn ihr werdet es nie wieder betreten.“ Marian blickte Prinz Jean entgegen. Und auch wenn sie es vermeiden wollte, so erkannte man die Angst in ihren großen blauen Augen. Seine Worte ernüchterten sie und sprachen das aus, was ihr Kopf nicht wahrhaben wollte. Die Kutsche stoppte abrupt und der Kutscher öffnete die Türe. Prinz Jean erhob sich mit einem siegreichen Lächeln auf den Lippen, stieg aus und reichte Marian die Hand. Der Thronfolger Frankreichs stand ihr im Weg und somit war es für Marian unmöglich seine Hand auszuschlagen um alleine aus der Kutsche zu steigen. Zögerlich nahm sie die ihr gebotene Hand entgegen. Im nächsten Moment spürte sie ein kräftiges Ziehen und sie fand sich in den starken Armen ihres Gegenüber wieder. „Ich freue mich auf unsere gemeinsame Zeit, Marian“, flüsterte er ihr ins Ohr und streifte es dabei mit seinen Lippen. „Da seid ihr ja endlich“, erklang eine arrogante und so zischende Stimme plötzlich neben ihnen, welche Marian einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Unwillkürlich verspannte sich die junge Lady Lancaster in den Armen des französischen Prinzen. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und ihr Atem begann zu stocken. Diese Stimme hatte sich tief in ihr innerstes gebrannt und sie würde den Besitzer dieser Stimme unter tausenden sofort erkennen. In der Hoffnung sich doch zu täuschen, blickte Marian auf und starrte in die gefühllosen, kalten dunklen Augen, die ihr so lange Albträume bescherten. Sie schluckte, suchte ihre Stimme und als sie sich sicher war, dass man ihr die Angst und Verunsicherung nicht anmerkte, spuckte sie hasserfüllt aus: „Lord Alwine!“ Der Prinz blickte überrascht zwischen Marian und seinem Berater umher, doch dann legte sich ein bösartiges Lächeln auf seine Lippen. „Wie schön, ihr kennt euch bereits. Dennoch möchte ich euch kurz miteinander bekanntmachen. Lord Alwine ist mein erster Berater.“ „Dieser Mann ist ein Verräter“, fauchte Marian empört. „Aber ich bitte euch, liebste Marian, Ihr seid es doch gewesen, die mich damals verraten hat.“ „Ihr sollt in der Hölle schmoren“, keifte Marian in alter Manier und sie fühlte sich wirklich wieder in ihre Kindheit versetzt, als dieser Mann ihr größter Feind war. Sie erinnerte sich an ihre vielen Übungseinheiten mit dem Holzschwert, denn sie wollte Rache üben. Hätte Robin sie nicht mehrfach daran gehindert, würde dieser Mann schon längst nicht mehr leben. „Oh, welch Wonne eure Worte zu hören“, lachte Lord Alwine bösartig auf. „Mein Prinz, wir sollten uns dem Grund widmen, wegen dem wir nach England gereist sind.“ „König Richard ist in London! Ihr Verräter, wenn Ihr ihm in die Hände fallt seid Ihr erledigt“, fauchte Marian. „Beruhigt euch, kleine Wildkatze“, lachte Prinz Jean auf und deutete zwei Soldaten Marian auf das Schiff zu geleiten. „Lasst mich sofort frei“, befahl sie, als sie die festen Griffe um ihre Oberarme spürte, doch die Wachen standen unter dem Befehl des französischen Prinzen. Daher führten sie die junge Lady über eine Zugangsbrücke auf das Schiff hinauf. Dort fand sie sich wenig später ihrem Erzfeind gegenüber stehen. Dieser betrachtete die inzwischen hübsche junge Frau und fuhr sich mit der Zunge über seine Lippen. „Zu schade das unser Plan damals nicht aufging. Lord Herford hatte Recht, Ihr seid eine wunderschöne Frau.“ Ein kalter Schauer lief Marian über den Rücken und sie spürte Angst in sich aufsteigen. Dennoch würde sie das niemals zeigen. Verbissen fauchte sie: „Ihr seid widerwärtig!“ „Ihr seid charmant wie eh und je, Verehrte“, grinste Lord Alwine, doch dann sah er über den Kopf der Blonden hinweg und sein Blick wurde ernst. „Wo ist es?“ „Es ist leider nicht auffindbar“, antwortete Prinz Jean, der ebenfalls auf das Schiff trat. Lord Alwine blickte direkt zu Marian und seine Augen waren so dunkel wie die Finsternis. „Ich weiß, das Ihr das goldene Kreuz habt! Wo ist es? Wo habt Ihr es versteckt?“ „Eher sterbe ich, als euch das Kreuz zu überlassen“, widersprach Marian stur. Wütend ballte Lord Alwine seine Hände zu Fäusten, dann nickte er. „Wie Ihr wünscht.“ Blitzschnell zog er einen Dolch hervor und setzte einen Schritt auf Marian zu. Erschreckt über den Angriff und das sie sich nicht wehren konnte, da die Soldaten sie immer noch gefangen hielten, entfloh ihr ein spitzer Aufschrei. Ihre Augen weiteten sich und sie schloss innerhalb einer Sekunde mit ihrem Leben ab. „Nein“, brüllte Prinz Jean, aber auch er konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren. Ein Zischen durchzog die Luft und bevor der Dolch Marians Körper durchbohren konnte, landete dieser klirrend auf dem Boden. Prinz Jean, der zeitgleich die Soldaten zur Seite stieß riss Marian im nächsten Augenblick schützend hinter sich. Für einige Momente standen alle fassungslos und reglos auf dem Schiff. Lord Alwine blickte auf seinen blutigen rechten Handrücken, erkannte einen länglichen Schnitt und suchte nach seinem auf den Boden liegenden Dolch. Er wollte nach diesem greifen, als sein Blick etwas weiter abwich und er einen spitzen Pfeil in den Planken stecken sah. Auch Prinz Jean schien diesen entdeckt zu haben, denn er erkundete die Umgebung. Zuerst konnte er nichts entdecken, doch dann sah er unweit von sich entfernt einen Mann, der einen Bogen in seiner linken Hand hielt: „Lord Alwine, dieses Mal seid Ihr zu weit gegangen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)