Robin Hood von Kittykate (Das goldene Kreuz) ================================================================================ Kapitel 7: So viel gäbe es zu sagen… ------------------------------------ *** Hallöchen :) Vielen Dank für eure lieben Kommentare. Nach einer unkreativen Phase, Schreibblockade, akuter Lustlosigkeit, wie auch einfach keine Zeit, hab ich es endlich geschafft ein neues Kapitel zu schreiben. Hier ist es nun! ^^ Leider weiß ich nicht, wie lange meine Muse bei mir bleibt, aber ich hoffe sie bleibt mir noch eine Zeitlang treu! Viel Spaß mit diesem Kapitel. Eure Sunshine84 *** „Sternschnuppe“, rief Marian aufgeregt und zugleich erleichtert. Ihrer treuen Stute schien nichts zu fehlen. Seit dem Sturz im Wald, war und blieb die Stute verschwunden. Umso schöner war es für Marian ihr Pferd wieder zusehen. Die schneeweiße Stute spitzte die Ohren und hob den Kopf. Im nächsten Moment setzte sich das Pferd in Bewegung und trabte auf die Gruppe Menschen zu. „So ein schöner Name“, strahlte Barbara übers ganze Gesicht. Sie sprang auf die unterste Zaunlatte. Das weiße Pferd streckte Marian seinen Kopf entgegen und die streichelte ihre Stute. Auch von Barbara ließ sie sich streicheln. „Dieses Pferd gehört dir?“ Will musterte Marian aufmerksam. In seinem wie auch Robins Kopf begann es zu arbeiten und beide versuchten auf ihre stille Art und Weise herauszufinden, wie Marian ihr Pferd verloren haben könnte. Diese wusste nun, dass sie sich in eine missliche Lage gebracht hatte. Wenn sie doch nur so getan hätte, als würde sie dieses Pferd nicht kennen. Unsicher suchte sie Robins Gesicht, dessen Gesichtszüge angespannt waren und sie eindringlich ansahen. Zögernd begann Marian mit ihrer Geschichte. Endlich sollten sie die Wahrheit erfahren, auch wenn es nur ein kleiner Teil davon sein würde. Sie haben für sie soviel getan und sie war ihnen eine Antwort schuldig. Schuldbewusst senkte sie ihren Kopf, führte ihre geballte Hand zur Brust und schloss die Augen. Ihr würden die letzten Wochen für immer in Erinnerung gebrannt sein. „Mein Vater will mich verheiraten“, gestand sie leise. Überrascht sog Winnifred die Luft ein, während Marian weiter erzählte. „Mein zukünftiger Gemahl ist ein Kronprinz aus dem fernen Frankreich. Meine Eltern arrangierten ein Treffen. Sie wollten, dass wir uns vor unserer Hochzeit kennen lernen. Ich… ich…“, sie wusste nicht, wie sie sich ausdrücken sollte. Vorsichtig sah Marian auf und suchte zu Robin den Blickkontakt. Aber sie konnte nichts an seinem Gesichtsausdruck erkennen. Seine Gefühle blieben hinter einer neutralen Maske versteckt. Ängstlich, aber ehrlich fügte sie noch hinzu: „Ich liebe ihn nicht!“ Ihre Augen glitten zu ihren anderen Zuhörern. Entsetzen, wie auch Unverständnis konnte sie in deren Gesichtern lesen. Einzig und allein Robins Gefühle blieben vor ihr verborgen. Hilflos suchte sie den Augenkontakt zu ihrer langjährigen Freundin. Sie hoffte auf moralische Unterstützung. „Meine Flucht… Ich musste aus diesem Schloss fliehen. Ich wollte nicht mehr dort leben. Ich sattelte Sternschnuppe und floh. Meine Eltern bemerkten meine Flucht und schickten mir diese Männer nach. Sie sollten mich ins Schloss zurückholen.“ Leider war es ihnen egal ob sie tot oder lebendig ins Schloss zurückkehrte. All zu viel bedeutete Marian ihren Eltern oder diesem Prinz Jean wohl nicht. Immerhin ging es diesem eitlen Kronprinzen nur um das Kreuz. Marian schob die finsteren Gedanken beiseite und lächelte Much an. „Ich stürzte zu Boden, als Sternschnuppe scheute, und wachte wenige Tage später in einer Hütte auf. Much hatte mich im Wald gefunden und zu Little John und der Sherwood Bande gebracht. Sie versorgten meine Wunden, die ich mir auf der Flucht holte, und halfen mir wieder zu Kräften zu kommen.“ Anfangs war ihr Lächeln gestellt, aber nun strahlte es aufrichtig. *************** Marian schlug ihre Augen auf. Verschwommen nahm sie die Umrisse einer Holzdecke wahr. Benommen schloss sie nochmals ihre Augen. Als die Blondine ihre Augen wieder öffnete, sah sie klarer, doch die Holzdecke blieb. Sie lag in einem weichen Bett unter einer wärmenden Decke. Wo war sie? Zuletzt befand sie sich im Wald. Es regnete stark. Sie hielt das Kreuz in ihren Händen… Das Kreuz… Mit einem Ruck saß sie senkrecht im Bett, spürte das Schwindelgefühl in ihrem Kopf, ignorierte es aber gänzlich und fasste sich an ihre Brust. Nichts… Da war nichts…. Sie starrte ihre Hände an, die stark zitterten. Wo war das Kreuz? Wo konnte es nur sein? Hatte sie es verloren? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Was war geschehen? Marian ballte ihre Hände zu Fäusten und kniff verärgert und traurig ihre Augen zusammen. Wenn sie es im Wald verloren hatte, dann war Sherwood Forrest in Gefahr. Eine Tür öffnete sich. Unbemerkt von Marian trat eine Person ein. Erfreut stellte eine tiefe Stimme fest: „Du bist ja wach!“ Erschrocken blickte die Prinzessin auf. Ein junger Mann stand im Türrahmen und hielt eine dampfende Schüssel in der einen Hand, während er die andere verlegen an seinen Hinterkopf gelegt hatte. Sie musterte den jungen Mann aufmerksam. Seine Kleider waren einfach und mehrfach geflickt. Der Drei-Tage-Bart umspielte die Kinnpartie bis zu den Ohren. Er wirkte schlaksig. Sie kannte ihn nicht und dennoch spürte sie das Vertrauen zu ihm. „Bist du in Ordnung? Hast du Schmerzen?“ Der junge Mann trat auf die Blondine zu und blieb vor ihrem Bett stehen. Besorgt ruhten seine braunen Augen auf ihr. Unsicher betrachtete Marian ihn. Er kam ihr so bekannt vor, nur wusste sie noch nicht woher sie ihn zu kennen schien. „Du erkennst mich nicht, hab ich recht?“, hakte der junge Mann nach. Ihm war die Skepsis in ihrem Blick nicht entgangen. „Es ist auch lange her, seit unserem Abschied.“ Ein verlegendes Lächeln trat auf seine Lippen, während er nicht so recht wusste, was er mit seiner freien Hand machen sollte. So legte er sie wieder an seinen Hinterkopf und kratzte sich an seiner Kopfhaut. Marian durchforstete ihre Erinnerungen. Aufmerksam betrachtete sie das ihr entgegengrinsende Gesicht. Vorsichtig hauchte sie plötzlich: „Much?“ Das männliche Gesicht begann zu strahlen. „Du kennst mich ja doch noch“, stellte er begeistert fest. Sie hatte ihn nicht vergessen. Nach all den Jahren erkannte sie ihn wieder. Eine zarte Röte schlich sich auf seine Wangen, während er ihr die Schüssel überreichte und sie weiterhin ansah. Dort saß sie… Marian… Die Prinzessin nahm die Schüssel entgegen und löffelte die noch dampfende Suppe. Seit ihrer Flucht aus dem Schloss Lancaster, hatte sie nichts mehr gegessen. Zwischendurch warf sie Much einen überwältigten Blick zu. Niemals hatte sie früher angenommen, dass aus dem schmächtigen, kleinen Jungen, ein recht ansehnlicher Mann werden könnte. Nach dem letzten Löffel überreichte sie Much die leere Schüssel und lächelte ihn an. „Danke, Much.“ Neugierig sah sie sich nun in der Holzhütte um. In diesem Raum standen das Bett und eine kleine Kommode mit einer Waschschüssel. Ein Spiegel hing über der Kommode an der Wand. „Wo bin ich?“ „Du bist in unserem Versteck“, mit diesen Worten zog Much Marians Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Little John hat dieses Versteck gefunden und wir haben alle zusammen geholfen und die Hütte für uns aufgebaut.“ Marian lauschte den Worten. „Warum habt ihr euer altes Versteck verlassen?“ Insgeheim bewunderte sie das handwerkliche Geschick der ehemaligen Räuberbande des Sherwood Forrest. Der braunhaarige Bandit setzte sich zu Marian aufs Bett und schlug ein Bein über das andere. Er betrachtete ebenfalls das Versteck der Räuberbande und dachte mit einem Lächeln auf den Lippen an den Bau dieser Hütte. Sie lag versteckt auf einer kleinen Lichtung im Osten des Waldes. Bisher hatte sich niemand in diese Ecke des Waldes verlaufen. Der Weg war beschwerlich, die Bäume standen enger beieinander, als in anderen Teilen des Sherwood Forrest. Durch die dicht bewachsenen Stellen wirkte der Wald finster und unheimlich. Somit war dieser Ort bestens geeignet um die Räuberbande vor unangenehmen Besuchern zu schützen. Bedacht erklärte Much: „Das alte Versteck war zu auffällig im Wald. Hier findet uns niemand so leicht.“ Als Marian die Worte hörte, zwinkerte sie überrascht. Warum sollte jemand die Sherwood-Bande suchen? König Richard regierte über den Sherwood Forrest. Er sorgte damals für alle, gab den Jungen Kleidung und Essen. Und ihrem Wissen nach, tat er das immer noch, über all die Jahre hatte er es getan. „Sucht euch jemand?“ „Schon möglich“, antwortete Much knapp. Er verfiel in Schweigen, richtete seinen Blick auf die leere Schüssel in seinen Händen und versank in Gedanken. Was sollte diese Antwort bedeuten? Die Prinzessin wusste mit solch einer Antwort nichts anzufangen. Ihre blauen Augen ruhten auf dem verstummten Much, während ihre Gedanken sich im Kreis bewegten. Ehe sie die richtigen Worte finden konnten, um das abgebrochene Gespräch wieder aufzunehmen, seufzte Much plötzlich auf. „Es hat sich viel verändert… in den letzten zehn Jahren. Wir haben uns verändert“, ergänzte er. Immer noch nicht aussagekräftiger als zuvor, aber dennoch ein Anfang. Marian beschloss für sich still zu zuhören, denn vielleicht folgte noch eine weitere Auskunft. Aber nichts geschah. Much verharrte stumm neben ihr. Die Tür wurde schwungvoll aufgerissen. „Wo bleibst du denn so lange?“, grummelte eine tiefe Stimme. Überrascht blickten beiden zur Türe und Marian sah einen stämmigen, jungen Mann eintreten. Es war unverkennbar, wer dieser Junge war. Abgesehen davon, dass er größer und auch etwas breiter geworden war und sein Gesicht männlicher und markanter wirkte, erkannte Lady Lancaster den Räuberhäuptling. Little John, persönlich, erstattete ihr einen Krankenbesuch. „Marian“, stellte er überrascht fest, hatte er nicht damit gerechnet sie schon erwacht zu sehen. „Little John“, lächelte die Blondine und nickte ihm zu. Der Räuberhäuptling richtete seinen Blick zu seinem besten Freund und deutete mit seinem Daumen auf die Tür hinter sich. „Wir müssen los. Komm endlich“, forderte er ungeduldig. Much erhob sich, warf Marian noch einen lächelnden Blick zu und verschwand schnell aus dem Zimmer. Der stämmige Mann sah seinen Besucher an. „Wir sind jetzt eine Weile weg. Fühl dich hier wie zu Hause, aber verlass diese Hütte nicht. Hast du mich verstanden?“ Unter strengem Blick nickte Marian zu. Little John drehte sich um und verschwand. Die junge Lady Lancaster blieb zurück. Wenn die Zeit gekommen war, würde sie ihn fragen. *************** „Little John, Much und die Sherwood Bande halfen mir mich zu verstecken. Aber ich wollte nicht nur in der Hütte bleiben. Ich wollte hinaus. Auf meinem ersten Streifzug mit der Sherwoodbande bin ich Robin begegnet“, endete Marian leise. Ihre erste Begegnung nach sieben Jahren. Sie hatte längst die Hoffnung aufgegeben ihn jemals wieder zu treffen. Aber, so schien es, führte sie das Schicksal erneut zusammen. Während Barbara mit großen Augen Marians Abenteuer lauschte, Much in seinen Gedanken versunken schien und Will und Robin versuchten zwischen den Zeilen zu lesen, wurde Winnifred hingegen ganz blass. Dass dieser schnelle Farbwechsel von der Erwähnung Little Johns Namen ausging, ahnten nur Robin und Will Huntington. Marian entging die ungewöhnliche Blässe auf den sonst rosigen Wangen ihrer Kindheitsfreundin auch nicht, konnte sich aber auch keinen Grund dafür erklären. Besorgt suchte sie die Augen ihrer Freundin, aber die Brünette wich ihr geschickt aus. Besorgt trat Will zu Winnifred und legte sachte seinen Arm um ihre Schultern. „Ich bringe dich auf dein Zimmer“, flüsterte er sanft und begleitete seine Schwester zurück ins Haus. Ben wusste, dass er bereits viel zu lange bei diesen privaten Gesprächen dabei stand. Somit schnappte er sich die Mistgabel und ging zum Stall. Die Arbeit würde sich nicht von alleine erledigen. Zudem wollte er es nicht riskieren von Robin getadelt zu werden. Barbara blickte erst Winnifred und Will hinterher, ehe sie ihren Blick auf Ben richtete. Sie hegte bereits einen Verdacht über das Verhalten ihrer Schwester. Immerhin passierte Winnifred nicht zum ersten Mal, dass sie von einem Moment auf den anderen die Farbe verlor. Zu gerne würde sie mit jemanden über ihre Gedanken sprechen, aber das konnte und durfte sie einfach nicht. Sie konnte nicht über Vergangenes urteilen. Dazu hatte sie kein Recht. Um sich selbst auf andere Gedanken zu bringen, blickte sie zu dem Räuber auf und lächelte. „Soll ich dir noch den Rest unseres Anwesens zeigen?“ Much warf einen misstrauischen Blick zu Robin und Marian. Lieber wäre er in der Nähe der Prinzessin geblieben, doch Barbaras Bemühungen einfach so abtun, wollte er auch nicht. Nach einem kaum merklichen Nicken, folgte Much dem jungen Mädchen. Zurück blieben die junge Lady Lancaster und der junge Lord Robert Huntington. Es schien ihnen ebenso bewusst, wie unangenehm zu sein, dass sie nun alleine waren. Wann sind sie zuletzt wirklich alleine gewesen? Er konnte sich nicht erinnern. Es gab kaum Momente, die sie nur zu zweit hatten. Dafür traten ihm andere Erinnerungen mit ihr ins Gedächtnis. *************** Big befand sich wieder auf Streifzug. Der Krieg war noch lange nicht beendet, doch in Nottingham hatte er sein Ende gefunden. Die Kinder des Sherwood Forrest waren nicht länger die Geächteten. Es herrschte wieder Frieden in der Stadt und die Dorfbewohner konnten alles wieder aufbauen. König Richard versprach für Nottingham zu sorgen und erließ die hohen Steuern. Die Kinder selbst lebten zufrieden und glücklich in ihrem Wald. Robin Hood war zum König der Wälder ernannt. Auch hatte er sich mit seinen Cousins und Marian in ihr altes Versteck zurückgezogen. Im Felsvorsprung des Wasserfalls. Marian und Winnifred waren im Wald unterwegs und sammelten Beeren. So ausgelassen und fröhlich sah Marian ihre Freundin lange nicht mehr. „Ich bin so froh, dass Big für Frieden gesorgt hat“, erzählte Winnifred glücklich. Sie pflückte eben ein paar Beeren von einem der Büsche, als sie sich umdrehte und Marians Augen suchte. Diese sammelte gedankenverloren ebenfalls Beeren. Ihre blauen Augen blickten trübsinnig vor sich hin und ein Lächeln hatte Winnifred an diesem Tag auch noch nicht in dem hübschen Gesicht gesehen. „Marian, bist du denn nicht glücklich?“ Erschrocken ließ sie die eben gepflückten Beeren fallen und drehte sich zu ihrer Freundin. Sie sah das besorgte Gesicht und setzte ein Lächeln auf. „Ich bin sehr glücklich über den Frieden“, bestätigte sie, während sie ihre Augen schloss und sich dem Busch zuwandte. Sie öffnete ihre Augen und dieses Mal funkelten sie wütend. Unbewusst ballte sie ihre rechte Hand, ungesehen von Winnifred. „Na, wen haben wir denn da?“ Eine Jungenstimme riss Marian aus ihren Gedanken. „Die liebliche Marian und die bezaubernde Winnifred!“ Beide Mädchen drehten sich zeitgleich um und erblickten Little John lässig an einem Baum lehnen. Die Füße hielt er über Kreuz und seine Arme vor der Brust verschränkt. Seine Augen sahen kurz zu Marian, ehe sie zu Winnifred glitten und dort hängen blieben. Da war sie – seine Winnifred. Er war der glücklichste Mann in ganz Sherwood Forrest. Das braunhaarige Mädchen sprang auf und lief auf den Chef der Räuberbande zu. „John“, rief sie glücklich aus und blieb kurz vor ihm stehen. Auch Marian stand auf. Mit großen Augen beobachtete sie das verliebte Pärchen. John stellte sich nun gerade hin, während Winnifred ihm ein Küsschen auf die Wange drückte. Beide erröteten prompt. Während John verlegen seine rechte Hand hinter seinen Kopf legte, senkte Winnifred ihren Kopf und starrte glücklich lächelnd den Boden an. Marian senkte ebenfalls den Blick. Sie musste den beiden ihre Privatsphäre lassen. Auch wenn es schön war, die beiden miteinander zu sehen, ein wenig neidisch war sie auch auf ihre Freundin. Immerhin wusste Winnifred das Little John in sie verliebt war. Sie gab sich selbst einen Ruck. Unbemerkt schnappte sie sich die beiden Körbe und verschwand. Marians blaue Augen blickten traurig auf den Boden. Wenn sie sich selbst nur auch so sicher sein könnte. Sie dachte an die letzten Wochen und Monate zurück. Er war immer da, wenn sie in Gefahr schwebte und doch hatte er sich ihr gegenüber nur wie ein Freund verhalten. Sie konnte nicht mehr sagen, wann sie sich in ihn verliebt hatte, doch sie hatte es. Es war eine Qual zu wissen, dass er in Lebensgefahr steckte und sie ihm nicht helfen durfte. Dass er alles über ihren Kopf hinweg entschied mit der Begründung es wäre das Beste für sie. Doch es war nicht das Beste für sie. Sich tagein und tagaus Sorgen zu machen, nicht zu wissen ob er lebte oder bereits irgendwo verwundet lag und sie ihm nicht helfen konnte. Sooft wäre sie beinahe daran zerbrochen. Sie blieb stehen und blickte hinauf in die mächtigen Waldkronen. Sie wünschte es sich so sehr, dass Robin die gleichen Gefühle für sie hegte, doch glauben konnte sie nicht daran. Seufzend ging sie weiter. Unbemerkt von Marian trat ein Junge hinter einem Baum hervor. Seine rechte Hand stützte er am Baumstamm. Die braunen Haare fielen ihm locker ins Gesicht. Traurig, fast wehmütig sah er der hübschen Blondine nach. Sein Köcher mit den Pfeilen hing ihm über den Rücken und den Bogen hatte er sich über die linke Schulter gehängt. Die blauen Augen verfolgten jeden ihrer Schritte. Zwar herrschte Frieden, dennoch sorgte er sich rund um die Uhr um seine beste Freundin. Sie so traurig zu sehen, riss ihm das Herz aus der Brust. Was sie nur hatte? Langsam und ungesehen folgte er ihr. Am Fuße des Wasserfalls konnte Marian Barbara, Much und Will im Wasser spielen sehen. Immer wieder tobten sie und spritzten sich gegenseitig nass. Mit einem Lächeln auf den Lippen trat sie näher heran. „Hey, was macht ihr denn da?“ Much drehte sich zu der Blondine und strahlte sie an. „Wir spielen mit Barbara!“ In diesem Moment schwappte Wasser auf ihn. „Hey“, schrie er auf und rächte sich sofort an der kichernden Barbara. „Das war unfair!“ „Ach was“, winkte das Mädchen ab und ergriff die Flucht vor dem herannahenden Much. Will hingegen trat aus dem Wasser heraus und eilte auf Marian zu. „Wo ist Winnifred?“ Fast besorgt schon blickten seine Augen in Marians. „Keine Sorge. Sie ist bei Little John!“, lächelte das Mädchen aufmunternd, doch Will erwiderte prompt: „Und da soll ich mir keine Sorgen machen?!“ Eine Jungenstimme mischte sich in das Gespräch. „Little John passt gut auf Winnifred auf, da bin ich mir ganz sicher!“ Robin trat näher an die Gruppe und blickte zuversichtlich seinen Cousin an. „Wie kannst du dir da so sicher sein, Robin?! Immerhin reden wir von Little John!“ Robin lächelte Will an und erklärte besonnen: „Weil er ein sehr guter Freund ist und uns in allem immer unterstützt hat.“ Sein Blick glitt zu Marian und blieb an ihren blauen Augen hängen. „Wo kommst du denn jetzt her?“ Irritiert über das plötzliche Erscheinen des Freundes musterte sie ihn aufmerksam. „Ich dachte du bist im Wald und kommst nicht vor Sonnenuntergang zurück.“ Plötzlich schoss Robin die Röte auf die Wangen und wandte den Blick von ihr ab. Er konnte ihr ja schlecht sagen, dass er die ganze Zeit über auf sie aufpasste. Ihr auf Schritt und Tritt folgte. Denn wenn er dies sagte, war sie berechtigt zu erfahren warum er das tat. Er wusste die Antwort selbst nicht, er hatte nur so ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Jedes Mal wenn er dies hatte, war etwas geschehen und hatte meist mit ihr zu tun gehabt. Immer noch starrten ihre Augen in sein Gesicht und das Gefühl, dass er ihr etwas verheimlichte, wuchs stetig an. „Naja, dann hast du eben falsch gedacht“, erwiderte Robin, setzte ein künstliches Lächeln auf und trat an ihr vorbei. Im nächsten Moment verfinsterte sich seine Mine. Marian starrte ihm irritiert nach. Langsam verschwand die Sonne hinter dem Horizont. Marian und Barbara bereiteten das Essen vor und Robin spannte seinen Bogen neu. Währenddessen lief Will unruhig hin und her. „Wo bleibt sie nur. Es wird gleich dunkel.“ „Will, lass es gut sein. Sie kommt bestimmt gleich“, beruhigte Robin seinen Cousin, doch der hielt nicht inne. „Ich wusste, dass Little John gefährlich ist. Er ist nicht gut für meine Schwester.“ „Will“, ermahnte Robin ihn von neuem, als auch schon Winnifred den Weg hinauf eilte. Sie lachte fröhlich und auch Little Johns Lache konnte man bereits von weitem vernehmen. Barbara und Marian richteten ihre Aufmerksamkeit auf das kleine Gartentor. Will mit vor Zorn gerötetes Gesicht machte sich kampfbereit, während Robin seine Pfeile in den Köcher verstaute. Da erschienen die beiden und traten durch das kleine Tor durch. Kaum standen sie vor ihren Freunden, sprang Will auch schon auf Little John zu und griff ihn an. „Du, du, du Hund. Wie kannst du meine Schwester nur so lange da draußen im Wald lassen?!“ Erschrocken ließ Winnifred Little Johns Hand los, die sie bis eben gehalten hatte und sprang zur Seite. Little John, der auf einen Angriff von Will nicht vorbereitet war, hatte alle Mühe sich den wilden Bruder seiner Freundin vom Hals zu schaffen. „Hört auf!“, kreischte Winnifred erschrocken. „Will, lass ihn in Ruhe!“ Ungeachtet kämpften die beiden weiter. Auch Little John hatte nun die Nase voll. „Ich hab sie doch wieder hergebracht. Was willst du eigentlich von mir?!“ „Ich will, dass du sie in Ruhe lässt. Du bist nicht gut für sie!“ „Ach ja?“ Little John stieß Will von sich. Der schlanke Junge landete sitzend am Boden, doch schon stand er prompt wieder auf den Beinen. Er nahm Anlauf und sprang seinen Konkurrenten um. Beide lagen auf dem Boden und rangen miteinander. „Sie mag mich!“ „Sie hat das nicht zu bestimmen“, erwiderte Will. „Hört auf, bitte“, mischte sich Barbara ein, doch Marian legte dem kleinen Mädchen eine Hand auf ihre Schulter. Robin sprang auf um dem ganzen Theater ein Ende zu setzen, als Winnifreds Stimme erklang. Traurig, gebrechlich und verletzt. „Hört auf, ihr Idioten! Ich hasse euch!“ Mit diesen Worten löste sich die erste Träne aus ihren Augen und sie rannte weg. Durch das Tor hindurch und den Weg zurück in den Wald. Erschrocken über ihre Worte hielten die Raufbolde in ihrem Kampf inne. Beide blickten sich an, ehe sie ihr nachriefen: „Winnifred!“ „Ich werde nach ihr sehen“, bestimmte Marian und eilte der Freundin nach. Robin gefiel diese Idee gar nicht, doch war es zu spät sie aufzuhalten. Wütend fixierte er die beiden Jungs. „Seid ihr nun zufrieden? Ist es das was ihr wolltet?“ „Aber“, setzte Little John ein und auch Will wollte etwas erwidern, doch Robin duldete keine Zwischenrufe. „Werdet endlich erwachsen. Ich suche jetzt die Mädchen. Barbara, du bleibst hier, bitte!“ Mit diesen Worten folgte Robin den Mädchen. „Ich möchte aber mitkommen“, erwiderte Barbara, ihre Worte verhallten aber ungehört. Nun traf ihr Blick die beiden Jungs. Sie stemmte ihre Arme in die Hüfte trat auf die beiden zu. „Ich wusste gar nicht, wie blöd Jungs sein können!“ Mit diesen Worten rannte sie ebenfalls hinaus. „Barbara!“ Will sprang auf um seiner kleinen Schwester zu folgen, doch Little John stellte ihm ein Bein. Der große Bruder der beiden Mädchen flog der Länge nach hin. Wütend fixierte er seinen Konkurrenten. „Hör zu, Little John, ich habe jetzt keine Zeit für so etwas.“ „Und du hörst mir jetzt mal zu“, Little John stand auf und baute sich bedrohlich vor seinem Kontrahenten auf. „Wenn Winnifred mich jetzt hasst und kein Wort mehr mit mir redet, dann kannst du dich auf was gefasst machen!“ „Ach ja?!“ Auch Will stand auf und funkelte Little John an. „Ja!“ Wenn Blicke töten könnten wären sie beide auf der Stelle tot umgefallen. „Findest du nicht, wir sollten lieber deine Schwestern suchen?“ „Natürlich, nur du musstest mir ein Bein stellen“, fauchte Will zurück und sprintete los. „Aber nur, weil du es nicht anders verstanden hättest!“ Little John folgte ihm wütend. Es wurde immer dunkler und mächtige Schatten tauchten den Wald finster ein und ließen ihn gespenstisch werden. Weinend ließ sich Winnifred auf ihre Knie fallen. Ihre Hände griffen ins Gras und eine Träne nach der anderen löste sich aus ihren Augen. „Ich hasse sie. Wieso tun sie das?“ Immer wieder stellte sie sich diese beiden Fragen, denn eine Antwort hatte sie noch nicht darauf gefunden. Plötzlich raschelte etwas neben ihr im Gebüsch. Die Tränen versiegten plötzlich und Angst kroch ihr den Rücken hinauf. Sie blickte sich mit großen Augen um, bis sie den raschelnden Busch fixiert hatten. Ängstlich beobachtete sie die sich bewegenden Äste. Ihr Herz begann zu rasen und ihre Hände zu zittern. Sie wurde ganz weiß. Ein dunkler Schatten trat heraus. Ein seltsames Geräusch erklang. Winnifred konnte nicht anders und begann zu schreien. Marian hörte den Schrei. „Winnifred“, rief sie. Ihre rechte Hand umfasste fest den Griff ihres Holzschwertes und sie rannte los. Ihr Herz klopfte wie wild und sie rechnete mit allem möglichen. Wieder ertönte ein Schrei, dieses Mal näher. Marian war sich sicher, dass sie gleich bei Winnifred war. Besorgt und in der Hoffnung, dass mit ihrer Freundin alles in Ordnung sei, sprang sie durch das nächste Gebüsch auf eine kleine Lichtung. Dort saß sie. Zusammengekauert, mit ängstlichem Blick auf ihr Gegenüber. Sie zitterte am ganzen Körper. Marian sah sich um und entdeckte ein Wildschwein. Einen Eber mit großen, weißen Stoßzähnen. Zum Angriff bereit. Noch hatten sie die beiden nicht bemerkt. Aber Marian musste etwas tun. Jeden Moment könnte es zu spät sein. Sie suchte den Boden ab und fand schließlich einen Stein. Schnell hatte sie ihn aufgelesen und auf das gereizte Tier geschmissen. „Hier bin ich! Na, los, komm schon!“ Das Wildschwein richtete sich auf und fixierte Marian. Auch Winnifred starrte ihre Freundin mit großen, ängstlichen Augen an. Immer noch war sie unfähig sich zu rühren und brachte somit auch keinen Ton über die zittrigen Lippen. Marian hingegen zog ihr Holzschwert und stellte sich zum Angriff bereit. Der Eber schabte mit seiner Hufe in der Erde und schon griff er das blonde Mädchen an. Diese sprang in die Luft und schlug ihn mit ihrem Holzschwert auf den Rücken. Wütend über diesen Angriff positionierte sich das Wildschwein neu. Marian landete auf ihren Füßen und richtete sich auf. Sie fixierte den Feind. „Winnifred. Los beeil dich! Lauf endlich weg!“ Wieder griff der Eber an und Marian sprang zur Seite. Doch dieses Mal nahm das Tier die Verfolgung auf und ließ ihr nicht die Pause zum Verschnaufen. „Marian“, hauchte Winnifred. Sie wollte aufstehen, doch ihre Glieder waren so steif und zittrig, dass sie sich nicht rühren konnte. Barbara rannte auf die Lichtung und stürzte auf ihre Schwester zu. „Winnifred, ist alles in Ordnung mit dir?“ Den Eber hatte sie noch nicht gesehen, er aber hatte die Bewegung hinter sich ausgemacht. Mit einem Ruck drehte er sich um und begann seinen Angriff auf die beiden Schwestern. Marian musste das zu verhindern wissen und blickte mit festem Blick auf ihr Holzschwert. Es war die einzige Möglichkeit. Sie holte aus und warf es so fest sie konnte auf das Wildschwein. Barbara und Winnifred regten sich nicht vor Schreck. Sie sahen das große gefährliche Tier auf sich zukommen und begannen nur noch zu schreien. Kurz bevor der Eber sie erreicht hatte, traf ihn das hölzerne Schwert am Hinterteil. Mit einem Ruck und richtig wütend drehte er sich wieder zu Marian um. „Falsche Richtung“, forderte sie und deutete auf sich. Wieder richtete sich die ganze Aggression auf diese eine Angreiferin. „Lauft endlich weg“, rief Marian zu, ehe das Tier auf sie losstürmte. Unbewaffnet starrte sie das große Wildschwein an. In diesem Moment rannten Little John und Will auf die Lichtung. Marian sprang wieder über das Wildschwein hinweg, doch dieses Mal bekam es von Marian den Fuß zu fassen. Mit seinem scharfkantigen Stoßzahn riss er ihr eine Fleischwunde in die linke Wade. Marian fiel und stürzte hart auf dem Boden. Sie konnte noch aus den Augenwinkeln wahrnehmen, dass die Jungs gekommen waren. „Bringt die Mädchen hier weg! Schnell!“ „Marian“, rief Barbara besorgt, doch schon hatte Will sie auf seinen Arm gehoben und war mit ihr davon gerannt. Auch Little John half Winnifred auf die Beine und stützte sie. Beide blickten ängstlich zu Marian. Die jedoch ihren Blick jetzt voll und ganz auf das Wildschwein gerichtet hatte. Es schabte wieder mit den Hufen und grunzte laut. Ein Angriff stand kurz bevor. Unsagbare Schmerzen hielten Marian am Boden. Sie konnte nicht mehr springen und sie konnte nicht mehr laufen. Schmerzverzerrt kniff sie ein Auge zu. Die Wunde blutete sehr stark. Marian begann zu zittern und sie verlor zunehmend an Farbe. „Marian“, rief Winnifred. „Ich sagte doch schon, ihr sollt endlich weglaufen!“ „Nicht ohne dich“, erwiderte Winnifred und ignorierte Little Johns ziehen und schieben. Marian biss die Zähne zusammen und rappelte sich auf, doch kaum stand sie auf ihren Füßen brach sie wieder ein. Der Fuß tat zu weh, als um ihn zu belasten. Der Eber hingegen wertete das als neuen Angriff und spurtete auf Marian los. „Marian!“ Ihr wurde schwindlig. Sie verlor zuviel Blut. Nur noch vage nahm sie den Eber wahr. Sie wusste, dass ihr Ende nahte. Doch in diesem Moment schoss ein Pfeil in den Boden, direkt vor den Eber. Erschrocken bäumte sich der auf. Marian riss ihre Augen auf. Als sie schon ihren Namen hörte. „Marian, ich komme!“ Sie richtete ihren Blick in die Luft und sah ihn an einem Seil heran schwingen. Sie erinnerte sich zu gut, er hatte es schon einmal getan um sie zu retten. Damals als sie von den Jagdhunden angegriffen wurde. Er hatte sie gerettet. Mit letzter Kraft richtete sie sich auf und stellte sich hin. Nicht zu knapp, denn im nächsten Moment hatte er sie schon mit seinem linken Arm eng um die Taille gepackt. Sie hielt sich um seinen Hals fest, während sie über die Lichtung hinweg schwangen und hinter dem Gebüsch verschwanden. Diesen Moment nutzte auch Little John um Winnifred mit sich zuziehen. Der Eber ließ sich wieder auf seine Vorderfüße fallen und blieb an Ort und Stelle. Robin landete mit Marian in der Wiese. Will mit Barbara und auch Little John und Winnifred traten heran und betrachteten besorgt die Freundin. Marians blaue Augen blickten in Robins blaue Augen. „Danke!“ Es war das letzte Wort, ehe sie in Ohnmacht fiel. „Marian!“ Robin blickte sie besorgt an. „Marian, was ist mit ihr?“ Barbara wollte von Wills Arm, doch dieser hielt sie fest. Winnifred kniete sich zu ihrer Freundin. Sie riss sich ein Stück Stoff von ihrem Kleid und verband Marians Wunde notdürftig. Besorgt beobachtete Robin Winnifred, ehe er seinen Blick auf das Gesicht seiner Freundin richtete. Nun sah er entschlossen auf. „Ich bringe sie zu Bruder Tuck. Will, bring deine Schwestern zum Versteck zurück. Little John, pass auf deine Bande auf.“ „Ja“, antworteten die beiden Jungs gleichzeitig, doch die Mädchen machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. „Wir wollen mit euch gehen. Und bei Marian bleiben.“ „Nein. Ihr geht mit Will und keine Widerrede. Wir kommen zurück, sobald es Marian besser geht.“ Mit diesen Worten hob er Marian auf seine Arme und nickte seinen Freunden entschlossen zu. Schon verschwand er mit ihr im dunklen Wald. Little John und Will brachten die Mädchen ins Versteck zurück. Robin rannte so schnell er konnte. Kurz trafen seine Augen ihr blasses Gesicht. Der Junge rannte und rannte. Marian verlor immer mehr Farbe. Er sprang über Wurzeln und duckte sich unter Ästen durch. Nicht mehr weit, dann hatte er Bruder Tucks Haus erreicht. „Marian, halte durch!“ Robin atmete schwer, er fühlte wie ihn die Kraft verließ. Doch er durfte nicht aufgeben. Wenn er aufgab, dann war Marian verloren. Nein, er gab nicht auf. Er biss die Zähne zusammen. Seine Schritte wurden langsamer und schwerer. Doch er riss sich zusammen. Er trat auf eine Lichtung und entdeckte das Holzhaus im Licht des Mondes. Er hatte es geschafft. Schritt für Schritt trat er näher. Gleich waren sie in Sicherheit. Er trat auf die Eingangstür zu. Mit seinen Fuß trat er gegen die Türe. Er spürte wie ihm die Kraft ausging. Er lauschte doch nichts tat sich. Wieder trat er gegen die Tür. Schwach ließ er sich auf seine Knie sinken. Er fühlte sich total ausgelaugt und Marian wurde immer schwerer auf seinen Armen, doch loslassen konnte er sie einfach nicht. Er hatte sich geschworen sie zu Bruder Tuck zu bringen, koste es was es wolle. Langsam ließ er sich auf den Hintern plumpsen, Marian lag in seinem Schoß. Er senkte seinen Blick auf ihre zarte weiße Haut. Sie wirkte so zerbrechlich und war immer noch nicht zu sich gekommen. Die Wunde blutete immer noch sehr stark und das Tuch von Winnifred war bereits ganz durchgeweicht. Robin fühlte sich so schwach. Er hoffte inständig das Bruder Tuck zuhause war. Er zog ein Bein hervor und trat ein letztes Mal mit aller Kraft gegen die Tür. Plötzlich polterte ein Stuhl und die Tür wurde aufgerissen. Aufgeregt suchte Bruder Tuck die Gegend ab, als er hinunter sah traf ihn jedoch der Schlag. Dort kniete Robin mit einer bewusstlosen Marian auf dem Arm. „Um Himmels Willen, Kinder. Was ist denn nur passiert?“ Robin blickte auf. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Bin ich froh euch gefunden zu haben, Bruder Tuck. Marian ist verletzt. Ein Eber hat sie angegriffen und verletzt. Sie blutet sehr stark! Können Sie ihr helfen?“ Seine blauen Augen blickten so hilflos und verwirrt drein. Der Mönch konnte sehen wie schlimm diese Situation für Robin war. Bruder Tuck nahm Robin die kleine Prinzessin ab und brachte sie in sein Häuschen. Robin rappelte sich auf und folgte den beiden. Er war froh Hilfe gefunden zu haben. Bruder Tuck wusste bestimmt, wie man ihr helfen konnte. Eines wusste Robin, Marian hatte sehr viel Blut verloren. Als er eintrat und die Tür hinter sich schloss, war Bruder Tuck gerade dabei Marians Bein zu untersuchen. „Das sieht nicht gut aus. Wie, um alles in der Welt, konnte das nur passieren?“ Robin zog sich einen Stuhl näher heran und senkte verlegen seinen Blick. „Ich glaube, das ist meine Schuld! Will und John haben sich wegen Winnifred gestritten. Winnifred ist weggerannt und Marian ist ihr nachgelaufen. Sie wollte sie wieder zurückholen und im Wald trafen sie dann dieses Wildschwein. Marian hat seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen um Winnifred zu schützen. Little John, Will und ich wären fast zu spät gekommen. Bitte, Bruder Tuck, kann ich etwas tun? Irgendwas? Ich möchte, dass es ihr sobald wie möglich besser geht.“ Bruder Tuck nickte nachdenklich und stand schließlich auf. Robin stellte sich zu Marian und blickte sie besorgt an. „Sie ist ohnmächtig geworden und seitdem nicht mehr aufgewacht.“ „Sie braucht den Schlaf. Immerhin hat sie sehr viel Blut verloren.“ Bruder Tuck stand vor einem Regal und suchte seine Heiltinktur. Mit einem kleinen Fläschchen und ein paar Blättern in der Hand trat er wieder auf das schlafende Mädchen zu. Er legte Marian zwei sattgrüne Blätter in die Hand und löste den Verband um ihre Wade. Robin beobachtete Bruder Tuck genau, doch als der Mönch den Blick auf die Fleischwunde freigab, kniff der Junge seine Augen zusammen. Wieder traten Schuldgefühle in ihm hoch. Hätte er doch besser auf sie aufgepasst. Das Blut, welches aus der offenen Wunde austrat, verringerte sich bis es schließlich ganz aufhörte. Zufrieden über den Erfolg seiner medizinischen Weisheit, holte er sich Wasser um die Wunde zu reinigen. Erst danach konnte er seine Heiltinktur auf die Verletzung auftragen und Marians Bein erneut verbinden. „Was habt ihr gemacht, Bruder Tuck? Die Wunde blutete die ganze Zeit so stark, doch plötzlich hat sie aufgehört“, überrascht suchte Robin den Blick des weisen Mannes. „Siehst du die Blätter, die ich in Marians Hände gelegt habe?“ Er kümmerte sich derweil um die Wunde. „Das ist Acker-Schachtelhalm. Auch Zinnkraut genannt. Es hat eine blutstillende Wirkung. Es reicht alleine schon, wenn man nur ein paar Blätter in die Hände der verletzten Person legt und die Blutung hört auf. Aber zur Sicherheit werde ich ihr morgen auch noch einen Tee daraus zubereiten. Es fördert auch die Wundheilung. Und meine Tinktur kennst du bereits.“ Robin nickte und beobachtete wieder seine schlafende Freundin. Der Mönch versorgte ihre Wunde und drehte sich schließlich um. „Ich hab etwas zu Essen für dich. Nimm dir eine Schüssel und fülle die Suppe hinein. Iss, damit du zu Kräften kommst.“ „Ich habe keinen Hunger“, erwiderte der Braunhaarige, doch der Mönch wusste es besser. „Papperlapapp, du brauchst etwas im Magen. Ich sehe doch wie erschöpft du bist.“ Widerwillig folgte Robin den Anweisungen und ließ sich am Tisch nieder. Erst jetzt bemerkte er die dampfende Schüssel auf dem Tisch stehen. Ihm wurde bewusst, dass er den Mönch beim Essen gestört hatte. Robin saß vor seiner Pilzsuppe und löffelte sie. Nachdem Bruder Tuck Marians Bein dick verbunden hatte, setzte er sich wieder an den Tisch. „Robin, du schläfst heute Nacht in meinem Bett. Du musst morgen bei Kräften sein und Marian versorgen.“ Überrascht sah der Junge auf. „Wieso? Das kommt gar nicht in Frage, dass ich euer Bett nutze. Wo schlaft dann Ihr?“ Bruder Tuck lächelte und blickte auf seinen Schaukelstuhl nahe des Kamins. „Ich muss morgen unbedingt Heilkräuter sammeln. Marian braucht dich dann. Es kann durchaus sein, dass sie Fieber in dieser Nacht bekommt und ich habe nicht mehr viele Kräuter da.“ Robins Blick wich zu Marian. „Ihr könnt euer Bett nutzen. Ich werde heute Nacht kein Auge zumachen.“ Besorgt beobachtete Bruder Tuck den Jungen. Auch wenn er wusste, dass Robin erschöpft war, wusste er, dass ihn niemand vom Gegenteil überzeugen hätte können. Die Nacht war lang. Bruder Tuck war bereits auf seinem Schaukelstuhl eingeschlafen, während Robin an Marians Bett wachte. Er hatte sich einen Stuhl zum Bett gezogen und beobachtete ihren Schlaf. Bruder Tuck hatte Recht behalten. In der Nacht bekam Marian Fieber. Robin hatte frisches Wasser besorgt und tränkte immer wieder ein Tuch, um es ihr auf die Stirn zu legen. Sein Körper schrie inzwischen nach Schlaf, doch fühlte er sich hellwach. Seine blauen Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Große Sorge konnte man in ihnen ablesen. Seine rechte Hand ballte sich auf seinem Schoß. Hätte er es doch bloß verhindert. Er hätte sie davon abhalten müssen nach Winnifred zu suchen. Alles allein war seine Schuld. *************** Robin ahnte, dass Marian sich wieder in Gefahr begab. Wie damals auf der Suche nach Winnifred. Er wollte nicht noch einmal riskieren, dass ihr etwas Schlimmes zustieß. Aber würde sie sich ihm anvertrauen? Würde sie ihm die Wahrheit sagen, wenn er sie danach fragte? Würde sie ihm wieder ihr vollstes Vertrauen schenken, nach der langen Zeit, die ins Land gezogen war? Sie verlor sich in seinen Augen. Sie wollte ihm die Wahrheit sagen, aber damit würde sie ihn in Gefahr bringen. Er könnte alles verlieren. Barbara, Will und Winnifred könnten ihr Haus verlieren. Sie würden vielleicht wieder wie die Geächteten im Wald leben müssen. Dafür wollte Marian nicht verantwortlich sein. Je weniger sie wissen, desto besser wäre es für alle. „Sag mir die Wahrheit, Marian. Warum verfolgen diese Männer dich wirklich?“ Robin durchbrach die Stille und tat den ersten Schritt. Aber Marian schüttelte ihren Kopf. Sie hielt an ihrer Geschichte fest. „Sie wollen mich zurück nach Schloss Lancaster holen.“ „Du verschweigst mir etwas“, beharrte Robin stur. Er wollte nicht glauben, dass Armbrustschützen, Kopfgeldjäger, gefährliche Männer sie verfolgten, um sie nur sicher nach Hause zu bringen. Plötzlich packte er sie an ihren Schultern und schüttelte sie durch. Verzweifelt und eindringlich hoffte er, dass sie ihn in Kenntnis setzte. Oder hatte sie sämtliches Vertrauen, welches einmal unter ihnen geherrscht hatte, komplett verloren? Er hielt inne, lockerte seinen Griff aber nicht. Marian, die ihn ängstlich irritiert ansah, während er sie schüttelte, blickte ihn umso erstaunter an, als er damit aufhörte und verharrte. „Ich möchte für dich da sein, dir helfen, dich beschützen! Du bedeutest mir alles, Marian! Ich will dich nicht verlieren, nicht noch einmal.“ Überrascht, über dieses Geständnis, verharrte die Blondine in seinen Armen. Seine Worte hallten in ihren Ohren wieder, unfassbar welch tiefere Bedeutung sie hatten. Er ließ sie los. Es dämmerte bereits. Gemeinsam mit Ben und Will brachte Robin die Pferde in den Stall und Marian half ihnen schweigend. Schweigend verlief auch das Abendessen, ehe sie sich einzeln zurückzogen. Much, Will und Barbara unterhielten sich im Salon, Winnifred war in ihrem Zimmer, Marian zog sich in das Gästezimmer zurück und Robin suchte durch Arbeit Ablenkung und ging in sein Arbeitszimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)