Robin Hood von Kittykate (Das goldene Kreuz) ================================================================================ Kapitel 3: Marian ----------------- Ein seltsames Gefühl breitete sich in Robin aus. Dunkle Wolken zogen auf und hüllten den Sherwood Forrest in Finsternis. Die Sonne, die hoch oben am Himmel stand, war nicht mehr zu sehen. Auch trat die Kälte mit dem Auftauchen der Wolken ein. Weißer Donner wurde immer unruhiger und in Robin wuchs das schlechte Gefühl Aufmerksam über die noch so kleinste Regung in seinem Umfeld trieb er sein Pferd langsam voran. Er spürte wie es begann unruhig zu tänzeln, doch Robin wusste es unter Kontrolle zu halten. Energisch nahm er die Zügel kürzer und klopfte seinem Freund den Hals. „Ganz ruhig, Weißer Donner!“ Er vernahm ein Rascheln und viele Stimmen. Robin bremste sein Pferd ab, sprang von seinem Rücken hinunter und führte ihn an seinen Zügeln weiter. Aufmerksam suchten seine Augen die Gegend ab und folgte den immer lauter werdenden Stimmen. Robin tätschelte Weißer Donners Hals und ließ ihn stehen. Leise pirschte er sich an die kleine Lichtung heran. Sein Körper war bis aufs äußerste gespannt. Er versteckte sich im Gebüsch und lugte hervor. Mehrere Männer mit Armbrüsten und Schwertern saßen zwischen ihren Pferden. Einer von ihnen sprang sehr wütend auf. Er war groß und wirkte Angst einflößend. Seine Muskeln zeigten wie stark er war. Auch wenn er eine Uniform trug, zeichneten diese sich darunter ab. Die langen schwarzen Haare hatte er zusammengebunden und fielen ihm über die Schulterblätter. Seine Augen blitzten argwöhnisch hervor. „Ihr wollt mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass ihr sie aus den Augen verloren habt?“, er knurrte sein Gefolge wütend an. „Sir, der Wald ist riesig“, verteidigte sich einer der Männer, doch verstummte sofort wieder. „Unser Auftrag lautet sie zurückzubringen. Tot oder Lebendig! Dreht jeden Stein um und sucht in jedem Winkel des Waldes nach ihr. Wir müssen sie finden! Viel zu lange schon sitzen wir in diesem Wald fest.“ Seine Männer erhoben sich und sattelten auf. Nach und nach verteilten sie sich in verschiedene Richtungen des Waldes. Robin kniff seine Augen wütend zusammen. Er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, aber er ahnte schreckliches. Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung hinter sich wahr. Vorsichtig zog er sich zurück und nahm die Verfolgung auf. Es dauerte nicht lange und schon stieß er auf eine Lichtung. Angespannt sah er sich um. Aus einem Impuls heraus wollte er seinen Bogen zücken. Er griff hinter sich und ins Leere. Wieso dachte er auch nie daran ihn mitzunehmen? Seit der Frieden in Nottingham eingekehrt war trug er keine Waffen mehr bei sich. Einzig und allein seinen Dolch hatte er immer dabei, da er diesen an seinem Gürtel trug. Aufmerksam wartete Robin. Doch es geschah nichts. Sein Körper war zum Zerbersten angespannt. Seine Augen auf jede möglich kommenden Gefahr gerichtet. Eine Falle, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf als jemand von einem Baum herunter sprang. „Angriff!“, rief die männliche Stimme. Im selben Moment blickte Robin hinauf und sah nur noch eine riesige Schwertklinge auf ihn niedersausen. Reflexartig zog er seinen Dolch und hielt ihn schützend über sich. Ein starker Druck breitete sich über seinen rechten Arm aus, doch er biss die Zähne zusammen. Die Büsche um ihn herum raschelten. Nach und nach traten Gestalten aus ihren Verstecken. Robin blickte sich hastig um und konnte sieben Gestalten ausmachen plus seinen persönlichen Angreifer. Der Druck auf seinen rechten Arm verstärkte sich. Robin kniff seine Augen zusammen. Nein, er gab nicht auf. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen den Angreifer und schaffte es schließlich ihn zurück zu stoßen. Wütend suchte er seinen Feind. Ein junger Mann nicht viel älter als er, jedoch wohl ernährt, stand ihm gegenüber. Er war einen Kopf größer als Robin selbst und die schwarzen Haare trug er nicht mal bis zur Schulter. Überrascht betrachtete Robin sein Gegenüber, dennoch war er auf einen weiteren Angriff vorbereitet. Erst war der fremde Angreifer perplex, dass ein solcher Schwächling sich gegen ihn auflehnte, doch nun war sein Kampfgeist herausgefordert. „Ich fordere dich zum Duell“, rief er dem, in seinen Augen schmächtigen, Jungen entgegen. Robin konnte es nicht glauben. Er war sich nicht sicher, ob er sein Gegenüber nicht verwechselte. Mehr Zeit zum Überlegen hatte Robin schon gar nicht mehr, denn der Kräftigere griff an. Es war ein ungleicher Kampf zweier ungleicher Größen. Schwert gegen Dolch, Schwere gegen Leichtigkeit. Immer wieder wich Robin den Angriffen aus, sprang hinweg oder hielt den Schlag mit seinem Dolch auf. Die Kampfweise erinnerte Robin an früher, ebenso der Sturkopf und die Aufforderung zum Duell. Soeben blockte der junge Huntington den nächsten Angriff als er in die braunen Augen seines Gegenübers blickte. „Little John, bist du das?“ Der nächste Angriff wurde vollführt. „Ja, der bin ich. Der große Little John! Räuber und Anführer der Sherwood Bande!“ Nachdem der Gegner wendig ausgewichen war, schlug der Bandit erneut auf Robin ein. „Meinst du nicht auch, dass wir diesen Kampf beenden können? Er ist doch sinnlos“, wagte Robin einen weiteren Einwand, doch er hatte nicht mit Little John gerechnet. „Ich bestimme wann ein Kampf sinnlos ist. Merk dir das endlich mal, Robin Hood!“ Erstarrt über seinen Spitznamen stellte Robin den Kampf ein. Mit großen blauen Augen betrachtete er seinen Gegner. Er hatte ihn also erkannt. Unfähig weiter zu kämpfen, ließ er seine rechte Hand mit dem Dolch sinken und betrachtete seinen ehemaligen Freund. Dieser startete einen erneuten Angriff. Er nahm Anlauf und hechtete mit der Klinge voran auf Robin zu. Der junge Huntington konnte sich nicht mehr rühren. War Johns Hass so groß auf Robin? Es war damals so viel passiert und vieles hätte Robin am Liebsten rückgängig gemacht, doch er konnte es nicht. Seine Augen waren einzig und allein auf Little John gerichtet. Stumm betrachtete er die herannahende Schwertklinge. Wenn das sein Ende war so sollte es sein. Er schloss seine Augen und wartete auf den alles vernichtenden Schlag. Er bereitete sich auf unsagbare Schmerzen vor, wie das Schwert in sein Fleisch eindrang. Aber vielleicht ging alles ja ganz schnell und er merkte kaum etwas von den Schmerzen. „Little John“, drang eine sanfte Stimme über die Lichtung. Es passierte nichts. Der erwartete Gnadenstoß blieb aus. Robin öffnete seine Augen und blickte direkt in Johns Gesicht. Es zeigte Hass und Wut, die braunen Augen blitzten ihn förmlich an und er biss sich auf seine Unterlippe. Das Schwert berührte Robins Brust, doch ohne ihm wirklich einzuschneiden. Der Räuberhauptmann hatte seinen Angriff abgebrochen. Er hatte im Kampf inne gehalten. Verärgerung spiegelte sich in seinen Augen wieder. Darüber, dass er es nicht zu Ende gebracht hatte sondern auf ihre Bitte hörte. Er hatte das Flehen in ihrer Stimme gehört. Seit wann war er so verweichlicht? Er war Little John, der große und bekannte Räuber. „Chefchen“, hakte ein junger Mann mit schmächtiger Gestalt nach. Er trug eine braune Zipfelmütze auf seinem Kopf und betrachtete die Szene mehr als ängstlich. Robin hielt Little Johns Blick stand. Immer noch rührte sich der kräftige Junge nicht. Plötzlich seufzte er und richtete sich zu seiner ganzen Größe auf. Das Schwert ließ er sinken. Robin hatte einen Augenblick Zeit sich umzusehen. Er war umkreist von acht Räubern. Es war die Sherwood Bande von früher. Viele hatten sich verändert. Bei einigen tat er sich schwer sie richtig zuzuordnen. Sein Blick glitt durch die Runde bis er an Much hängen blieb. Auch er hatte sich verändert. Er war zu einem jungen Mann herangewachsen. Seine markanten Gesichtszüge wurden durch die Stoppeln eines Barts unterstrichen. Einzig und allein seine schmächtige Figur hatte er behalten. Robin erstarrte. Hinter Much stand ein weiterer Räuber. Er erinnerte sich anfangs sieben gezählt zu haben, doch inzwischen waren es acht. Er war kleiner und in einen großen Umhang eingehüllt. Die große Kapuze hielt die Haare und das Gesicht in der Dunkelheit verhüllt. Little John bemerkte Robins Blick und drehte sich zu Much um. „Bring sie weg!“ „Jawohl, Chefchen.“ In diesem Moment drehte er sich um als ein weiterer Räuber durch die Büsche angehechtet kam. „Schnell. Zurück ins Versteck. Sie kommen!“ Erschrocken über diese Nachricht, funkelten Little Johns Augen. „Ihr habt Bug gehört! Los, beeilt euch!“, befahl er und sie alle rannten weg. Robin sah, wie Much den anderen Räuber an der Hand nahm und hinter sich herzog. Auch er nahm die Verfolgung auf und schloss zu Little John gleich auf. Aus den Augenwinkeln hatte er die Männer gesehen. Sie saßen auf ihren Pferden und schlossen schnell zu den Räubern auf. „Was geht hier vor? Wer sind diese Leute?“ „Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, keifte der Räuberhauptmann zurück. „Es geht mich sehr wohl etwas an. Immerhin geht es hier um den Sherwood Forrest. Was suchen diese Männer?“ Robin gab nicht auf, nein, er würde solange fragen, bis ihm Little John die Antworten gab, die er hören wollte. „Sie suchen mich“, antwortete der eingehüllte Räuber. Robin blickte auf als er wieder diese sanfte Stimme hörte. Erst jetzt bemerkte er, dass er direkt hinter Much und seinem Anhang lief. Little John überholte die beiden und trieb seine Leute an. „Los, schneller. Wir müssen hier weg.“ Die ersten Pfeile der Armbrust bohrten sich in die Bäume neben der Bande. Alle rannten sie noch schneller. Much sprang über eine Wurzel hinweg, doch sein Anhang hatte diese übersehen, stolperte und fiel der Länge nach hin. Much und Robin blieben erschrocken stehen. Langsam rappelte sich der Räuber auf. Robin sah die fremden Reiter näher kommen. Immer wieder sausten Pfeile an ihm mit einem Zischen vorbei. Er rannte zurück, kniete sich hin und fasste nach der zierlichen Hand. Als der Räuber seinen Kopf hob und ihn ansah, glaubte Robin sein Herz würde stehen bleiben. „Marian“, hauchte er fassungslos. Auch sie blickte ihn stumm an. Much trat unruhig auf der Stelle. Die Reiter kamen näher, der Beschuss wurde stärker. „Sie kommen. Beeilt euch!“ Robin blickte wütend auf, half Marian aufzustehen und umfasste ihre Hand fester. Entschlossen zog er sie hinter sich her. Kaum hatten sie einen Schritt getan, traf ein Pfeil die Stelle wo Marian zuvor gelegen war. Sie rannten an Much vorbei und dieser starrte erschrocken den Pfeil an. Doch ein Zischen direkt neben seinem Ohr ließ ihn aus der Erstarrung fahren und auch er trat die Flucht an. Schnell hatte er Robin und Marian eingeholt. Little John und der Rest der Bande waren längst verschwunden. Die Reiter verfolgten die drei flüchtigen Banditen. Der Abstand wurde von Zeit zu Zeit geringer. „Was machen wir denn nur?“ Much klang ängstlich und hilflos. Er hatte keine Idee. Sie kamen dem Versteck immer näher, jedoch brachten sie die anderen dadurch in Gefahr. „Wir verstecken uns bei mir. Kommt mit!“ Robin schlug einen Haken und zog Marian hinter sich her. Diese wusste nicht mehr wie lange sie noch durchhielt. Doch sie biss die Zähne zusammen. Much rannte neben ihr und betrachtete sie besorgt. „Bald haben wir es geschafft!“ Marian nickte kaum merklich. In Robin kreisten die Gedanken. Was war nur in all den Jahren geschehen? Warum befand sich Marian auf der Flucht und wieso verfolgten diese Männer sie? Im Moment fand er keine Antworten. Für ihn stand nur eines fest: Er würde sie beschützen. Ohne es zu merken verfestigte er seinen Griff. Marian hingegen spürte es. Erschrocken blickte sie zu ihm auf. Er rannte ein gutes Stück vor ihr, dennoch wusste sie welch entschlossenen Blick seine Augen hatten. Sie betrachtete seine Rückansicht. Seit ihrer letzten Begegnung war er noch einmal ein gutes Stück gewachsen. Inzwischen überragte er sie um einen Kopf. Er trug feine Kleidung, nicht mehr die von früher. Und er war ohne Bogen unterwegs. Marian starrte ihn traurig an. Er hatte nicht mehr mit Angriffen und Feinden gerechnet. Er war von einem friedlichen Leben ausgegangen. „Wir sind bald am Ziel“, riss seine Stimme Marian aus ihrer Gedankenwelt. Die drei schlugen Haken um ihre Verfolger abzuhängen und es wirkte. Sie liefen durch den dicht bewachsenen Wald, in dem die Pferde nicht durchkamen. Much warf einen Blick zurück, doch er konnte niemanden mehr sehen. Endlich hatten sie den Waldrand erreicht. Nach ein paar Schritten blieben sie stehen und hielten eine kurze Rast. Marian hatte sich vorne über gebeugt. Ihre Hände stützte sie auf ihren Knien. Ihre Lunge zersprang. Sie brannte beim Atmen. Es dauerte ein bisschen, bis sie ihre Atmung wieder richtig kontrollieren konnte. Much erging es ebenso, doch er stützte sich an einen nahe stehenden Baum. Er atmete tief ein und aus, doch plötzlich stockte ihm der Atem. „Was ist das?“ Mit großen Augen betrachtete er die Gegend vor sich. Robin hatte bis jetzt den Waldrand beobachtet, doch niemand erschien. Sie hatten es tatsächlich geschafft ihre Verfolger abzuhängen. Erst durch Much’ Aufschrei registrierte er seine Umwelt. Die Sonne hing bereits sehr tief. Bald würde die Nacht hereinbrechen. Alles schimmerte im goldenen und orangefarbenen Licht. Robin folgte dem Fingerzeig seines Freundes. Natürlich wunderte Much sich. Er war noch nie in diesem Gebiet gewesen. Zudem dieses Gebiet damals völlig zerstört war. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf Marian, die nach wie vor tief ein und ausatmete und den Boden unter sich betrachtete. „Das ist das Huntington Anwesen. Mein zuhause“, verkündete er nebenbei. Auch das Mädchen blickte auf das Bild vor sich und erstarrte. Er hatte es tatsächlich wieder aufgebaut. Sie war vor vielen Jahren zuletzt dort gewesen. Alles war zerstört. Er hatte die Hilfe König Richards angenommen um das Schloss seiner Eltern wieder zu erbauen. Das Anwesen war umringt von Koppeln, Ställen und einem kleineren Haus. Bestimmt war dieses für die Angestellten. Sie richtete sich auf und drehte sich zu ihm. In diesem Moment trafen sich ihre Augen. Sein Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung. Und Marian wurde unwohl unter diesem Blick. Er sah sie einfach nur an. Kein Lächeln, kein Wort. Stumm betrachtete er sie. Marian löste den Augenkontakt und lächelte Much an. „Lasst uns gehen, es wird bald dunkel!“ Much erwiderte ihr Lächeln und trat voran. Robin nickte und folgte dem Räuber. Marian blieb noch einen Moment stehen und betrachtete das wunderschöne Anwesen. Robin hatte ganze Arbeit geleistet. Sie war stolz auf ihn und seine Eltern wären das bestimmt auch gewesen. Sie wollte ihren beiden Begleitern folgen, doch beim nächsten Schritt spürte sie einen stechenden Schmerz im Fuß. Die ganze Zeit über hatte sie das Pochen gemerkt, doch sie konnte nicht aufgeben und hatte fest die Zähne zusammen gebissen. Nach der kurzen Rast musste sich die Verletzung verschlimmert haben. Sie hob ihren Umhang mit samt dem Kleid hoch und betrachtete ihren Fuß argwöhnisch. Er war angeschwollen. Der Sturz über die Wurzel war der Auslöser für den schmerzenden Fuß. Sie biss sich auf ihre Unterlippe und tat einen erneuten Schritt, doch die Belastung tat zu weh. Die Panik und Angst gefangen genommen zu werden, hatten sie den Schmerz nicht spüren lassen. Dafür kam dieser nun umso geballter. Robin drehte sich Marian zu. Als diese sich keinen Schritt rührte, kam er näher. Er sah in ihr schönes Gesicht und entdeckte den Schmerz darin. Schnell war er bei ihr, nahm sie ohne ein Wort unter den Knien und dem Rücken und hob sie auf seine Arme. Wie ein Baby trug er die Prinzessin zum Anwesen. Marian umfasste vor Schreck seinen Hals und klammerte sich fest. Mit großen Augen starrte sie ihn an. Ihr Herz klopfte unrund in ihrer Brust und in ihrem Bauch fing es zu kribbeln an. Er hatte nichts gesagt, er hatte nichts hinterfragt. Er tat es einfach. „Robin“, hauchte sie nahe an seinem Ohr, doch dieser reagierte nicht auf sie. Zielstrebig und die Augen nach vorn gerichtet folgte er Much. Als er seinen Namen nahe an seinem Ohr hörte, lief es ihm kalt den Rücken runter. Ihre Stimme war so sanft. Jedes Mal wenn er ihre Stimme hörte, stellten sich die Nackenhaare bei ihm auf. Sein Herz klopfte wild und laut in seinem Brustkorb. Er hoffte so sehr, dass sie es nicht hören konnte. Es war ein wunderbares Gefühl sie in seinem Arm zu halten und dieses Gefühl wollte er niemals wieder missen. „Ich bin doch sicher sehr schwer“, startete Marian einen neuen Versuch Robin dazu zu bewegen sie auf den Boden abzusetzen, doch er schüttelte nur seinen Kopf. Als er kurz zu ihr blickte, trat ein Lächeln auf seine Lippen. „Keine Sorge, du bist nicht schwer.“ Als müsste er es ihr beweisen, fing er mit ihr zu rennen an. Marian klammerte sich fester um ihn. Sie vertraute ihm, dennoch wollte sie einen Sturz vermeiden. Die beiden überholten Much. Überrascht setzte dieser nun auch zu einem Lauf an um die beiden wieder einzuholen. „Was soll das werden?“ Robin blieb kurz stehen, drehte sich um und antwortete: „Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch vor Einbruch der Dunkelheit ankommen möchten.“ Schon folgte er seinem Weg und rannte weiter. Much eilte hinterher. Die beiden argwöhnisch musternd. Barbara kniete am Fenster und beobachtete das weite Land bis hin zum Wald. Ihre braunen Augen blickten so besorgt und hilflos über die Wiese als hoffte sie etwas zu entdecken. Will und Winnifred standen hinter ihr und blickten ebenfalls in die Ferne. Die Sonne war verschwunden um der Nacht Platz zu lassen. Ein erneuter Schluchzer ließ Winnifreds zarten Körper erzittern. Will verfestigte den Griff um die Schulter seiner Schwester. Besorgt fixierte er den Wald. „Ich könnte ihn suchen gehen“, bemerkte eine männliche Stimme aus dem hinteren Teil des Zimmers. Will drehte sich um und betrachtete Ben, seinen Stalljungen. „Du weißt, dass wir das nicht zulassen.“ Barbara stand auf und trat auf Ben zu. „Ich möchte nicht, dass du dich in Gefahr begibst. Robin ist stark und mutig. Er kommt zurück.“ Sie drehte sich zu ihren Geschwistern um. „Vielleicht hat er die Zeit vergessen und bleibt über Nacht im Wald. Robin geht es bestimmt gut!“ „Ich weiß, Barbara“, nickte Will ihr lächelnd zu. „Dennoch mache ich mir große Sorgen!“ „Little John ist doch im Wald. Und die Sherwood Bande. Sie werden sich um ihn kümmern, davon bin ich überzeugt.“ Selbstbewusst blickte Barbara ihrem Bruder entgegen, doch Winnifred erlag einem erneuten Weinkrampf. Besorgt trat sie zu ihrer Schwester und nahm sie in den Arm. „Winnifred, bitte beruhige dich. Hör auf zu weinen.“ In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein junger Mann trat ein. Seine Mütze hatte er vom Kopf gezogen und das helle braune Haar stand ihm wild ab. Überrascht drehten sich die Huntington Geschwister zur Tür und erstarrten. Auch Ben beobachtete den Gast mit argwöhnischem Blick. Barbaras Augen wurden größer und begannen zu strahlen. „Das ist Much. Much!“ Erfreut rannte sie auf den alten Freund zu. Er war gewachsen in den letzten Jahren, genau wie sie. Lange hatten sie sich nicht mehr gesehen. Bewundernd musste der junge Räuber feststellen, dass Barbara zu einer wunderschönen Frau herangewachsen war. Auch ihr übermütiges und fröhliches Gemüt hatte sie behalten, worüber er sich sehr freute. Fast schon verlegen schloss er seine Arme um die junge Frau, die sich vor Freude an ihn schmiegte und eine Träne unterdrückte. „Barbara“, flüsterte Much überwältigt und betrachtete das Mädchen das nur noch zwei Köpfe kleiner war als er. Winnifred wischte sich über die Augen und starrte den Bandit überrascht an. Teils auch mit Entsetzen, denn ihr wurde wieder bewusst, dass Much nie ohne seinen Chef unterwegs war. Erwartete sie gleich eine schlimme Überraschung? Sie konnte sich nicht rühren, während Will fröhlich auf Much zuging. „Alter Freund“, begrüßte er ihn. Barbara löste sich aus der Umarmung und gab den Weg zu Much frei. Die Jungs reichten sich fröhlich die Hände. Much betrachtete den stattlich herangewachsenen Will und schluckte. „Will, sieh dich an! Aus dir ist ja was geworden“, grinste er neckisch. „Siehst du, dass hättest du niemals angenommen, nicht wahr?“, konterte der lachend. „Nicht wirklich“, lachte nun auch Much und entdeckte erst jetzt die dritte der Geschwister. „Hallo, Winnifred!“ Fast verlegen schabte er mit seiner rechten Fußspitze auf dem dunklen Holzboden. Kein Wort folgte, nur ein ausdrucksloser Blick traf den Bandit. Ben hatte alles genau beobachtet. Ihm fiel auf, dass Barbara errötet war, seit sie den Fremden begrüßt hatte. Will hingegen war erleichtert und fröhlich ihn zu treffen, während Winnifred ihn am liebsten wieder hinausgeworfen hätte. Im Stillen fragte sich Ben, woher sie den Fremden kannten und was geschehen war, dass die verschiedensten Gefühlsregungen auf eine Person so hervortraten. „Much, was machst du hier?“, fragte Will nach, dem kein Grund dieses Besuches einfiel. „Bist du allein hergekommen?“, hakte auch Barbara neugierig nach. Winnifreds Miene erstarrte und sie blickte Much kaltherzig an. Dieser legte verlegen seine Hand an seinen Hinterkopf und lächelte verschämt. „Nein, ich bin nicht alleine.“ „Ist Little John bei dir? Warum kommt er nicht rein?“ Barbara sah ihn verständnislos an, doch Winnifred ballte ihre Hand zur Faust. „Nein, Little John ist nicht hier“, bemerkte Much leise, während er Winnifred ansah. „Ich bin mit Robin hergekommen!“ „Robin? Er ist zurück?“ Will starrte seinen alten Freund an, doch in diesem Moment erschien Robin im Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Mit bedrückter Miene blickte er von einem zum anderen, jedoch verharrte er bei seinem Stalljungen. „Ben?“ „Herr“, verbeugte der angesprochene sich sofort. „Weißer Donner kam ohne euch zurück.“ „Er ist hier?“ Mit großen Augen sah er seinen Stallburschen an. Dann hatte Weißer Donner von sich aus den Wald verlassen und war nach Hause zurückgekehrt. Erleichtert atmete Robin aus. Das war gut, also ging es seinem treuen Pferd gut. „Wo bist du nur gewesen?“ Will sah seinen Cousin besorgt an. „Ben kam zu uns. Er sagte, dass Weißer Donner zurückgekehrt ist, ohne dich! Was ist passiert?“ Robin starrte Ben an und lächelte schließlich. „Ist er versorgt?“ „Ja, ich habe ihn trocken gerieben und ihn versorgt.“ „Das ist lieb von dir. Vielen Dank Ben, du kannst jetzt gehen!“ Der Stalljunge verbeugte sich noch einmal und verließ das Zimmer. Kaum war die Tür geschlossen richtete Robin den Blick auf seine Familie. Argwohn und Besorgnis spiegelten sich in seinem Blick wieder. „Marian ist hier“, er suchte Winnifreds Augen. „Sie ist verletzt und ich habe sie in mein Nebenzimmer gebracht. Betty kümmert sich gerade um sie und kocht ihr eine Suppe.“ Barbara und Winnifred blickten sich besorgt an. „Dürfen wir zu ihr?“ „Natürlich“, lächelte Robin seine kleine Cousine an. Die beiden Mädchen stürmten aus dem Zimmer und trafen im Eingangsbereich auf ihre Köchin. Gemeinsam traten sie die Treppenstufen in das obere Stockwerk hinauf. Kaum waren die Mädchen zur Tür raus, blickte Robin besorgt zu Will. „Hör zu, im Wald sind Kopfgeldjäger. Sie suchen nach Marian. Wir sind heute vor ihnen geflohen.“ „Was?“ Erschrocken starrte Will seinen Cousin an. Much nickte bestätigend. „Warum sind sie hinter Marian her?“ Beide blickten Much an, der seine Schultern hochzog. „Das wissen wir leider auch nicht. Sie hat uns nichts erzählt.“ Robin nickte und suchte die Augen seines Cousins. „Ich werde es herausfinden.“ Er klang so entschlossen wie lange nicht mehr. Much stand neben ihnen mit gesenktem Haupt. Ein seltsames Knurren war zu hören und als die Huntington Söhne zu ihrem Freund aus dem Wald blickten, nahm dieser eine rote Farbe auf den Wangen an. „Lasst uns zu Abend essen“, verkündete Will fröhlich. Nebenbei stieß er seinen Cousin mit dem Ellbogen in die Seite. „Vor lauter Sorge haben wir noch nichts gegessen.“ Entschuldigend lächelte Robin seinen Cousin an und hob abwehrend die Hände. „Es war keine Absicht, ehrlich!“ Doch im nächsten Moment breitete sich wieder eine tiefe Sorgenfalte auf seiner Stirn aus. Er verstand so vieles nicht. Marian war auf der Flucht vor diesen Kopfgeldjägern. Nur warum? Was war geschehen? Wieso war sie in den Sherwood Forrest zurückgekehrt? Fühlte sie sich dort sicher? Wieso hatte sie nicht das Land verlassen? Als sie durch den Eingangsbereich liefen, blieb Robin stehen und sah die Treppe hinauf. In einem der Zimmer lag Marian und wurde von Betty versorgt. Nie hätte er gedacht, sie noch einmal wieder zu sehen. Niemals hätte er auch nur erahnen können, dass sie in einem seiner Zimmer Schutz fand. Schutz vor diesen fremden Männern. Das Bild seiner Beobachtung trat ihm wieder in den Sinn. Die Männer saßen im Kreis. Einer sprang nun wütend auf. Er war groß und wirkte Angst einflößend. Seine Muskeln zeigten wie stark er war. Auch wenn er eine Uniform trug, zeichneten diese sich darunter ab. Die langen schwarzen Haare hatte er zusammengebunden und fielen ihm über die Schulterblätter. Seine Augen blitzten argwöhnisch hervor. Ungläubig erinnerte er sich an die gesagten Worte. Sie hatte von einem Mädchen gesprochen. Und von einem Auftrag. Sie mussten sie zurückbringen – tot oder lebendig. Es waren ganz sicher Kopfgeldjäger nur warum suchten sie Marian? Und wohin sollten sie Marian hinbringen? Zum Schloss Lancaster? War etwas mit ihren Eltern geschehen? Egal, was auch passiert war, er würde Marian beschützen und er würde sie nicht nochmals alleine lassen. Niemals würde er sie wieder gehen lassen. Robin senkte seinen Kopf, kniff die Augen wütend zusammen und ballte seine Hand zur Faust. Will drehte sich in der offenen Tür um und beobachtete besorgt seinen Freund. „Robin“, murmelte er leise. Hosted by Animexx e.V. 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