Robin Hood von Kittykate (Das goldene Kreuz) ================================================================================ Kapitel 1: Das Unwetter ----------------------- Lange hatte es nicht mehr aufgehört zu regnen. Seit vielen Tagen und Nächten hingen die dunklen, schwarzen Wolken über Sherwood Forrest und ließen keinen einzigen Sonnenstrahl mehr durch. Es war wie ein Fluch. Eine Ankündigung des Unheils, das im Laufe der Zeit immer wiederkehrte. Der Weg war lange und anstrengend. Die Flucht erst ein paar Tage her. Dennoch gab es hartnäckige Verfolger. Bewaffnet mit Armbrust und Schwertern. Es waren gefährliche Menschen. Krieger, die nur eines kannten – töten! Sie hatten einen Auftrag. Es gab einen Flüchtling und der musste gefangen werden. Egal ob tot oder lebendig. Der Auftraggeber selbst entschied das so und sein Gefolge leistete treuen Dienst. So ritten sie dahin und waren dem Flüchtling dicht auf den Fersen. Immer wieder blickte ein Reiter über die Schulter zurück. Lange hatte er keine Rast mehr gemacht. Er wusste, dass sein Pferd geschwächt war, dennoch eine Rast wäre sein sicherer Tod. Er hatte einen Auftrag. Es war seine Bestimmung das kommende Unheil abzuwenden. Auch wenn es hieß, dass er dabei sterben könnte. Er war sich im Klaren, dass er keine Freunde auf seiner Seite hatte. Er war auf sich allein gestellt. Für seinen innerlichen Frieden hatte er sich diese Last auferlegt. Seit Tagen ritt er des Weges. Er schlug Haken und versuchte die Fährte zu verwischen. Anfangs konnte er noch durch die Flüsse galoppieren, doch seitdem der starke Regen eingesetzt hatte, war jeder Fluss unpassierbar. Reißende Strömungen verhinderten ebenso den Weg wie eingestürzte Brücken. Der Wald kam näher und näher und schon stob er hinein. Sein tapferes Ross gehorchte. Immer wieder warf der Reiter gehetzte Blicke über seine Schulter zurück. Er wusste nicht wie nah seine Verfolger waren. Er hatte sie seit längerem nicht mehr gehört oder gesehen. Der Regen peitschte ihm nur so ins Gesicht. Es fühlte sich an als trafen ihn kleine Kieselsteine. Bis jetzt konnte er mit seinem Kopf tief hängenden Ästen gut ausweichen, doch an Armen und Beinen peitschten sie hin. Der Schmerz brannte, doch er durfte ihn nicht Herr werden lassen. Er hatte eine Aufgabe. Sie war die wichtigste überhaupt. Nur er konnte einen neuen Krieg verhindern. Nur er konnte verhindern, dass das mächtigste und wertvollste Stück in die falschen Hände fiel. Vor einem Baum hielt er sein Pferd an. Gehetzt blickte er sich um. Sein großer dunkler Umhang hing ihm schwer über die Schultern. Auch die große Kapuze, die sein Gesicht komplett verhüllte war völlig durchnässt. Er sprang ab, hielt sein Pferd an den Zügeln und trat ein paar Schritte näher an den Baum. Dort müsste es sein. Wenn es nicht mehr da war, war alles vorbei. Dann war die ganze Mühe vergebens. Nach einem kurzen stillen Gebet, griff er in eine Baummulde und tastete nach dem gesuchten Gegenstand. Er war nicht da. Er konnte ihn nicht fühlen. Nur wo war er? Er musste da sein. Mit vor Schreck geweiteten Augen tastete er tiefer in den Baum und plötzlich berührten seine Finger etwas Kaltes. Er tastete den Gegenstand ab und atmete sichtlich erleichtert auf. Es war da! Er hatte es gefunden. Mit seiner rechten Hand hielt er den Gegenstand fest umschlossen. Schnell stieg der Reiter wieder in den Sattel und setzte zum Trab an. Gleich darauf zum Galopp. Sie durften es nicht bekommen. Niemals durfte es ihnen in die Hände fallen. Er fühlte den kalten Gegenstand in seiner Hand und hielt ihn so fest er nur konnte. Das Pferd galoppierte durch den finsteren Wald. Der Regen prasselte nur so auf die Erde nieder, doch das Unwetter hielt den Reiter nicht von seinem Weg ab. Der erdige Waldboden wurde durch das viele gefallene Wasser lehmig und rutschig. Behände kämpfte sich das Pferd seinen Weg hindurch. Schaum hatte sich vor seinem Maul gebildet, doch sein Reiter trieb es ohne Gnade weiter. Erneut sprang es über Wurzeln und Steine hinfort. Immer tiefer in den Wald hinein. Es hatte Mühe nicht auszurutschen, aber allmählich ließ die Kraft des Tieres nach. Immer weiter führte der Reiter das Tier in den Wald. Sie galoppierten auf einen umgefallenen Baum zu und der Reiter nahm die Züge kürzer um mit seinem Pferd hinüber zuspringen, doch es scheute, mangels an Kraft und auch aus Angst. Es stoppte so abrupt ab, dass der Reiter sich nicht mehr im Sattel halten konnte und über den Kopf des Tieres sowie auch über den Baumstamm hinweg flog. Hart und unsanft prallte der Reiter auf den lehmigen, nassen und kalten Boden des Waldes mit seinem Bauch auf und blieb liegen. Verängstigt tänzelte das Pferd. In diesem Moment fuhr ein Blitz vom Himmel herab und ein ohrenbetäubendes Donnern folgte sofort. Erschrocken von dem Geräusch bäumte sich das Pferd auf, drehte um und ergriff die Flucht. Der Reiter blieb regungslos auf dem Boden liegen. Der Regen prasselte mitleidslos weiterhin kräftig vom Himmel. Es begann energischer zu blitzen und auch lauter zu donnern. Im Schein der elektrischen Schläge, die sich vom Himmel auf die Erde hinab ließen, begann der Gegenstand in der rechten Hand des Reiters zu blinken. Im hellen gleißenden Licht blitzte es immer wieder auf, doch verschwand ebenso schnell wieder in der Dunkelheit. Angezogen von dem stetigen Aufleuchten des Gegenstandes trat ein Schatten zwischen den Bäumen hervor. Es war gefährlich in den Wäldern, wenn es nachts wurde und die Finsternis Herr wurde. Dennoch schlich jemand zwischen den Bäumen herum. Langsam trat die Gestalt auf den bewusstlosen Reiter zu. Wieder schlug ein Blitz vom Himmel nieder. Im kurzen hellen Schein erkannte man den schmächtigen Mann mit einer Mütze und einem diebischen Lächeln. Schritt für Schritt trat er näher und seine Augen waren nur auf das glitzernde Etwas in der Hand des Bewusstlosen gerichtet. Er bückte sich hinab und in diesem Moment schoss ein weiterer Blitz aus dem Himmel herab, gefolgt von einem lauten und langen Donner. Vorsichtig und mit einem hämischen Lachen zog er die Hand hervor und entnahm das aufblitzende Ding. Als er es in beiden Händen hielt und die rechte schlaffe Hand wieder auf den Boden zurückfiel, fuhr der nächste Blitz aus dem Himmel. In diesem Moment glänzte das Gut so hell in den Händen des Mannes, dass dieser es mit Schreckgeweiteten Augen musterte. Entsetzt wich der Blick von dem Gegenstand in seinen Händen zu der bewusstlosen Person auf dem Boden. Immer wieder schwenkte der Blick zwischen beiden, ohne recht zu wissen was er als nächstes tun sollte. Vorsichtig kniete er sich hin und mit einer zitternden Hand zog er den Bewusstlosen auf den Rücken. Wieder fuhr ein Blitz mit lautem Getöse den Himmel hinab und erleuchtete für einen Moment das Gesicht des Reiters. Regen prasselte ungehindert auf das blasse Gesicht, doch zu sich kam der Reiter nicht. Er blieb bewusstlos. Dem Mann lief ein eiskalter Schauer über seinen Rücken. Seine Lippen begannen zu zittern. Ungläubig starrte er auf die am Boden liegende Person. Aus Angst konnte er sich kaum rühren. Das Zittern nahm seinen ganzen Körper ein und er fühlte sich unfähig den Gegenstand weiterhin in seinen schmalen Fingern zu halten. Seine Lippen bewegten sich, jedoch ohne einen Ton von sich zu geben. Das Zimmer war warm durch das brennende Feuer. Es war gemütlich eingerichtet. Eine große Sitzgruppe nahm den einen Teil des Raumes komplett ein. Diese bestand aus einem breiten Sofa und zwei großen gemütlichen Sesseln. In ihrer Mitte stand ein wunderschöner, rustikaler Holztisch mit vielen Schnitzereien und an der Wand prunkte ein großer offener Kamin. Hinter der Sitzecke hing ein Portrait der Familie. Es zeigte sie alle zusammen. Zwei Mädchen und zwei Jungs. Das größere der beiden Mädchen hatte ihre braunen Haare zu einem Zopf gebunden und saß auf einem Stuhl. Sie saß leicht schräg zum Maler, hielt ihre Hände auf dem Schoß ineinander verschränkt und das Kleid versteckte zum Teil die Stuhlbeine wie auch ihre Füße. Das zweite Mädchen stand in einem Bodenlangen Kleid rechts neben der Frau. Ihre roten Haare fielen ihr locker über die Schultern. Ihre Arme hatte sie hinter ihrem Rücken versteckt und das schelmische Grinsen war unverkennbar. Hinter den beiden Schönheiten standen zwei Jungs. Beide trugen edle Hemden und feine Hosen. Dem größeren fielen seine braunen Haare offen bis zur Schulter, während der andere seine hellbraunen Haare zu einem kleinen Zopf im Nacken gebunden hatte. Es waren vier Kinder die lächelten und fröhlich wirkten, doch ihre Augen wirkten leer und traurig. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein kleiner Beistelltisch mit drei rustikalen Holzstühlen. Hier zierte eine große Pendeluhr die Wand. Diese Uhren waren sehr selten und wurden nur in Italien gebaut. Da sie so einzigartig waren, wurden sie sehr hoch gehandelt und somit zu einem wertvollen Besitz. Die hohe weiße Decke war mit Stuck verziert, während der dunkle Holzboden einen schönen aber schlichten Kontrast zu ihr bildete. Der offene Kamin bei der Sitzecke spendete viel Wärme, gerade in solch kalten Nächten. Zwei Türen führten aus dem Zimmer und drei große Fenster im Rundbogen gaben den Blick auf das Land und den großen Wald frei. Das Kaminfeuer brannte hell und lichterloh und jedes Scheitel Holz knackte. Unruhig lief eine hübsche braunhaarige Frau in diesem Zimmer auf und ab. Ihr langes Kleid bestand aus violettem Stoff und wirkte sehr fein. Die langen braunen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, während sie ihre zarten Finger in ihrem Rock vergrub. „Ich hasse dieses Wetter“, schimpfte sie zum wiederholten Male. „Ich habe Angst. Ich habe schreckliche Angst!“ „Winnifred, so beruhige dich bitte“, drang eine weibliche Stimme zu ihr. Die hübsche Frau drehte sich zum Fenster und betrachtete ihre auf einem Schemel kniende Schwester. Mit großen Augen betrachtete das junge Mädchen das Schauspiel des Wetters. Die rotbraunen Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden und das lange blaue Kleid fiel ihr schön um die schlanke Taille und endete auslaufend auf dem Boden. „Sieh doch nur. Sherwood Forrest sieht richtig beängstigend aus.“ Langsam trat die Braunhaarige zum Fenster und blickte ebenfalls hinaus. „Kaum zu glauben, dass wir vor ein paar Jahren noch dort gelebt haben.“ Sie löste eine Hand von ihrem Rock und legte sie auf die Schulter ihrer Schwester. „Stell dir nur vor wir müssten jetzt dort leben. Draußen und das bei diesem Unwetter. Barbara, wie schrecklich!“ „Es gab damals ein Unwetter, weißt du das denn nicht mehr?“ Die junge Frau blickte auf und sah ihrer Schwester in die braunen Augen. „Oh doch und es war die schrecklichste Nacht in meinem Leben“, erwiderte sie kurz angebunden. Sie wollte gar nicht auf diese alten Geschichten weiter eingehen. Zu viele Erinnerungen hingen damit zusammen und die meisten von ihnen waren für sie schlecht. „Aber, Winnifred“, erwiderte die jüngere als plötzlich die Tür aufgerissen wurde. „Das ist ein schreckliches Wetter. Die Stallburschen und ich hatten mächtig was zu tun um die Pferde zu beruhigen. Wir sind zum Glück noch rechtzeitig gekommen. Noch ein paar Augenblicke und die ersten Pferde wären uns durchgegangen.“ Triefend nass trat ein junger Mann ein. Sein braunes Haar hing ihm lasch über die Schulter und das Wasser rann nur so heraus. Er hielt sich sein dunkelblaues Hemd seitlich vom Körper weg um das kalte Nass nicht mehr auf der Haut zu spüren, doch es half nicht wirklich. Der Weg vom Stall ins Schloss war nicht weit, dennoch hatte es gereicht ihn bis auf die Knochen durchzuweichen. „Will“, schrie Winnifred entsetzt auf. „Geh sofort in dein Zimmer und zieh dir trockene Kleidung an. Du wirst sonst krank.“ „Aber Winnifred“, setzte der junge Mann zur Widerrede an, doch es half nichts. Nach einem letzten Hilfesuchenden Blick zu Barbara, drehte er sich um und verließ das Zimmer. Diese war schon nicht mehr bei den älteren und ihren Diskussionen, sondern blickte sehnsüchtig zum Wald. Sie verstand nicht, warum Winnifred immer gleich alles abwies. Sie erinnerte sich an viele schöne Zeiten im Sherwood Forrest. Sie hatten zusammen so viel erlebt und viele Freunde gefunden. Natürlich erinnerte sie sich auch an die nicht schönen Zeiten. Sie waren ständig auf der Flucht und wurden von Soldaten gejagt und verfolgt. Dennoch überwogen die positiven Erinnerungen. Sherwood Forrest hatte viele Geheimnisse und mit jedem Tag entdeckte man ein bisschen mehr von dieser wundervollen Natur. Ihre braunen Augen nahmen einen sentimentalen Schimmer an. Sie war froh darüber, dass Robin veranlasste das Schloss seiner Eltern wieder aufzubauen, doch gegen ein Leben im Sherwood Forrest hätte sie auch nichts einzuwenden gehabt. Anders war da Winnifred. Barbara drehte sich leicht um und betrachtete die hübsche Frau. Ja, ihre Schwester war zu einer wunderschönen Dame herangereift. Und Winnifred hatte sich noch nie sehr wohl im Wald gefühlt. Von Anfang an hatte sie Angst vor Tieren oder auch den Soldaten gehabt. Doch sie fand sich ebenso schnell zurecht, wie sie alle. Sie verstand nicht was damals vorgefallen war, aber plötzlich hatte Winnifred darauf gedrängt wieder ins Schloss Huntington zurück zu kehren. Robin gestattete ihren Wunsch, denn er fühlte sich ebenso nicht mehr wohl. Auch er hatte sich verändert. Barbara war damals zu klein um alles zu verstehen und seitdem wurde die Vergangenheit im Schloss Huntington auch nicht mehr angesprochen. Sie hatte viele Fragen, traute sich diese aber nicht zu stellen. Sie hatte einige Vermutungen, war sich aber nicht sicher ob diese nicht ihrer Fantasie entsprangen. Sie hatte niemanden hier. Ihre Freunde lebten in den tiefen des Waldes. Sie fühlte sich nicht verstanden, weder von ihren Geschwistern, noch von ihrem Cousin. Keiner wollte an etwas aus der Vergangenheit erinnert werden. Auch nicht Will, wobei Barbara bei ihm erst recht nicht einordnen konnte, warum dem so war. Traurig richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Wald. Ihrem so geliebten Wald – dem Sherwood Forrest. In diesem Moment öffnete sich die Tür erneut und ein junger Mann mit braunem Wuschelkopf trat ein. Auch er trug ein blaues Hemd nur hatte er nicht denselben Fehler wie sein Cousin begangen und war zuerst Winnifred unter die Augen getreten. Nein, er hatte sich erst umgezogen und konnte sich in aller Ruhe vor den offenen Kamin setzen. „Robin, nimm dir doch wenigstens ein Kissen zum Unterlegen“, schimpfte Winnifred auch schon. Dieser drehte sich um, schenkte ihr sein süßestes Lächeln und winkte dankend ab. „Das geht schon. Mach dir um mich keine Gedanken!“ Die blauen Augen blitzten fröhlich auf, doch schon verschwand der Glanz wieder als er in das knisternde Feuer sah. Wieder mal ließ er seine Schultern hängen und hing ganz allein seinen Gedanken nach. Schon wieder ließ er niemanden daran teilhaben, grenzte seine Familie aus und das obwohl sie ihm doch nur helfen wollte. Sie verstand seinen Schmerz. Sie würde es ebenso rückgängig machen wie er, wenn sie es könnte. Doch es brachte nichts. Sah er denn nicht, dass sie sich alle nur Sorgen um ihn machten? „Robin“, bemerkte Winnifred sanft als sie sich ihm näherte. Barbara lauschte den Beiden, doch der Blick war weiterhin nach draußen gerichtet. Sie nahmen sie nicht ernst. Sie war inzwischen genauso erwachsen wie ihre Geschwister, dennoch hielten sie die Jüngste für ein kleines Kind. Siebzehn Jahre lang lebte sie nun schon auf diesem Planeten. Wann nur sahen dass auch ihre Geschwister endlich ein? „Ist schon gut, liebste Cousine“, erwiderte Robin und drehte sich ihr zu. Er lächelte bereits wieder. „Ich bin nur müde von der ganzen Arbeit heute. Zudem hat es viel Mühe und Kraft gekostet die Pferde im Stall zu beruhigen. Mach dir keine Sorgen um mich.“ Winnifred ballte ihre Hand zur Faust und legte sie sich auf ihre Brust. Besorgt beobachtete sie Robin, doch sah sie ein, dass er nicht mit ihr reden wollte oder auch nicht konnte. „Ich werde mich zurückziehen. Es ist schon spät“, bemerkte sie in die schweigende Runde. „Ist gut, Winnifred“, erwiderte Robin ohne noch einmal aufzusehen. Barbara drehte sich zu ihr und lächelte. „Schlaf gut, Schwesterchen!“ „Danke, Barbara, du auch“, verabschiedete sich die Braunhaarige und verließ das Zimmer. Das Unwetter zog weiter, nur der Regen blieb. Schweigend verharrten die zwei übrig gebliebenen. Barbara starrte in die dunkle Nacht hinaus. Robin hingegen starrte in das Feuer. Es beruhigte ihn und spendete Wärme, die er jetzt gut gebrauchen konnte. Endlich konnte er abschalten und entspannen. Winnifreds Sorge rührte ihn, dennoch war es nicht nötig. Blaue große Kinderaugen erschienen vor ihm in den Flammen. Blaue große Augen, die ihn besorgt musterten. Wieder mal zerriss es ihm das Herz in der Brust. Wie lange hatte er nicht mehr an sie gedacht? Er hatte die ganze Zeit über eine Beschäftigung im Pferdestall gehabt. So war es ihm möglich seinen Gedanken zu entkommen. Denn inzwischen kreisten seine Gedanken nur noch um sie. Jeden Tag und in jedem Augenblick der Ruhe. Er dachte so oft an sie, dass ihm schmerzlich bewusst wurde, was ihm fehlte. Seine Gedanken verloren sich. *************** Eines Tages klopfte es an der Tür. James öffnete die Eingangstür und ein hoch gewachsener Mann mit dunkelrotem Haar trat ein. Sein weißer Umhang flatterte bei seinem Gang, die langen Haare fielen ihm offen über seine Schulter und seine rechte Gesichtshälfte. Die Rüstung symbolisierte seine Zugehörigkeit zum Königreich. Er war König Richards treuester Diener und Berater. Robin hatte den Ritter bereits erwartet und empfing ihn fröhlich in der Halle. „Gilbert, alter Freund, was führt dich zu mir?“ Sie reichten sich die Hände und Robin führte ihn in ein anderes Zimmer. Es war ein kleiner Raum mit einem kleinen Tisch und zwei Stühlen. Das Feuer im Kamin erwärmte das Zimmer. Der Raum war höher als breit, doch das störte die Freunde nicht. Sie setzten sich an den Tisch. Teegeschirr stand schon bereit und auch der Tee dampfte noch. „Ich wollte nach dir sehen. Wenn ich schon mal in der Nähe bin muss ich auch mal vorbeischauen.“ Gilbert lächelte Robin an. Er hatte eine Überraschung mit dabei, doch wollte er nicht zuviel verraten. „Außerdem hab ich etwas für dich. Von König Richard“, blieb er geheimnisvoll. „Hat dich Big gebeten mich zu überreden mit ihm in den Krieg zu ziehen?“ Robin schenkte seinem Gast und sich ein. Während dieser Frage umspielte seinen Mundwinkel ein Lächeln. Er wusste nicht wie oft der König schon angefragt hatte. Robin war der beste Bogenschütze im Land und seine Erfahrung wie auch Treffsicherheit wären sehr hilfreich im Kampf. „Du weißt doch, dass ich mit dieser Bitte immer komme“, scherzte Gilbert. Er nahm einen Schluck Tee zu sich und stellte die Tasse wieder ab. Leicht tadelnd sah er nun seinen Freund an. „Nenn ihn nicht Big, er ist schließlich dein König!“ „Ich weiß, entschuldige“, grinste Robin nun und nahm ebenfalls einen Schluck Tee. Danach blickte er dann fragend auf. „Wegen was bist du dann hier?“ Gilbert begann zu lächeln. Er hatte eine große Überraschung für seinen Freund und konnte kaum noch erwarten dessen große Augen zu sehen. Der Ritter zückte zwei Karten und reichte sie Robin. Verwirrt musterte der kleinere der beiden Männer das Geschenk und blickte ratlos auf. „Was soll ich damit?“ Gilbert beschloss ihn noch ein wenig im Dunkeln tappen zu lassen. „Du weißt doch was es ist“, hakte er nach. „Das sind Karten“, antwortete Robin nicht viel schlauer als vorher. „Und was macht man mit Karten?“ Inzwischen beschlich den Ritter ein breites Grinsen. „Auf einen Ball gehen?“, stellte Robin die Gegenfrage. „Du bist gut“, erwiderte der Ritter. „Und weißt du auch auf welchen Ball wir gehen?“ „Wir gehen auf einen Ball?“, wiederholte der junge Huntington sprachlos. „Ja“, antwortete Gilbert lang gezogen um Robin noch ein wenig hinzuhalten. „Nun sag schon“, wurde der langsam ungeduldig. „Woher hast du diese Karten und wieso soll ich mit kommen?“ Ein Lächeln umspielte die Lippen des jungen Mannes als er den unruhig sitzenden Freund betrachtete. „König Richard hat eine Einladung zu einem Maskenball erhalten. Ich habe selbst auch eine bekommen. Da König Richard leider an diesem Abend verhindert ist, hat er dich als seine Vertretung auserkoren.“ „Und wo findet dieser Maskenball statt?“ Irgendwie behagte Robin die Geschichte nicht. König Richard erhielt eine Einladung zu einem Ball und war verhindert? Da stimmte doch etwas ganz und gar nicht. Misstrauisch beobachtete Robin die kleinste Regung in Gilberts Gesicht. „Im Schloss Lancaster“, antwortete Gilbert zögernd. Er wusste welche Reaktion kam und fügte noch in weiser Vorrausicht schnell hinzu: „Bitte reg dich nicht auf, Robin!“ „Das Schloss Lancaster? Du weißt genau, dass ich mich dort nicht sehen lassen darf. Ich war vor zwei Jahren dort. Sie haben mich nicht mal in die Nähe dieses Schlosses gelassen. Im Gegenteil sie drohten mich zu hängen, sollte ich mich nochmals dort zeigen. Ich kann dort nicht hin.“ Robin war entsetzt aufgesprungen und hatte seine Hände auf den kleinen Tisch geschlagen. Das Teeservice klirrte in diesem Moment von dem Aufprall zerbrach aber nicht. Wollten Big und Gilbert sein Leben auf dem Gewissen haben? Er konnte nicht glauben was er da hörte. Auch Gilbert stand auf. „Beruhige dich, Robin. Denkst du nicht, dass König Richard sich darüber keine Gedanken gemacht hat? Du darfst nicht dorthin, das ist ihm auch bewusst, aber niemand wird dich erkennen. Es ist ein Maskenball. Robin, siehst du nicht die einmalige Möglichkeit die sich dir bietet? Du wirst sie wieder sehen. Du kannst dich ungestört mit ihr unterhalten und niemand kann dir etwas antun. Außerdem bin ich auch da, sollte trotz allem unsere Tarnung auffliegen.“ Gilberts Worte klangen überzeugend, dennoch musste Robin zu geben, dass er Angst hatte. „Deine Worte in Ehren, Gilbert, nur“, begann er zögernd, doch Gilbert unterbrach ihn. „Ich wusste gar nicht, dass sie dir inzwischen nichts mehr bedeutet.“ Er wusste dass er Robin reizte, doch anders würde er niemals seine Zustimmung erhalten. „Natürlich bedeutet sie mir noch etwas. Mehr als alles andere auf der Welt“, konterte Robin sofort. „Warum zierst du dich so? Früher wärst du auch für sie gestorben“, im nächsten Moment biss sich Gilbert auf die Zunge. Auch er wäre damals für die schöne Marian gestorben. Er hatte beinahe sein Leben verloren, nur um ihres zu retten. Auch Robin kamen in diesem Moment die gleichen Erinnerungen. Mit einem undurchdringbaren Blick musterte er den Ritter der königlichen Garde. „Wie ist mein Name?“ „Wir sind die Ritter der königlichen Garde. Unsere Namen sind anonym wie wir auch sein werden.“ „Gut“, stimmte Robin zu. „Morgen Nachmittag reiten wir los.“ Robin nickte zu, obwohl er glaubte, in dieser Nacht nicht viel Schlaf zu bekommen. Seit Gilbert von ihr gesprochen hatte, pochte Robins Herz unrund und fühlte das stetige Kribbeln im Bauch. „Ich lasse dir ein Zimmer richten!“ „Danke, Robin!“ *************** „Robin, he, Robin!“ Barbara stand auf und trat auf ihren Cousin zu. Dieser schrak auf und richtete seinen Blick auf die hübsche junge Frau. „Was ist los? Hast du etwas auf dem Herzen, Barbara?“ Unschlüssig betrachtete sie ihn. Und wie sie das hatte. So gerne würde sie mit ihm reden, doch sie wusste, dass er sich ebenso sehr verschloss wie Winnifred oder Will. „Nein, Robin“, erwiderte sie und setzte ein Lächeln auf. „Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht, Cousin!“ Sie ging an ihm vorbei zur Tür und öffnete diese. „Schlaf gut, Barbara!“ Wieder verlor sich sein Blick im Kamin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)