Efeu von Ur (Schlicht und Immergrün) ================================================================================ Kapitel 33: Eine gute Idee -------------------------- Und mal wieder danke für die ganzen lieben Kommentare. Ich bin jetzt immer von Dienstag bis Donnerstag eigentlich gar nicht da, um Nachrichten zu beantworten, weil ich den ganzen Tag Uni habe und dann abends für den nächsten Tag ne Menge lesen muss. Also seid nicht sauer, wenn die Antwort ein wenig auf sich warten lässt. Das Kapitel hat mir sehr viel Spaß gemacht. Zwei Kapitel kommen jetzt noch und dann verabschiede ich mich mit Efeu bei euch :) Ich werd dieses Kapitel mehreren Leuten widmen (hab ich schon länger nicht gemacht). Für Lisa als Trostpflaster, weil KoWi einfach blöd ist. Für Tanja & Charlie, weil sie in diesem Kapitel irgendwie drin stecken. Für meinen Papa, (der das hier Gott sei Dank nie lesen wird) weil ihm bei meiner Geburt damals auch schlecht geworden ist. Für Aye als kleinen Glücksbringer zum Abi, ich weiß, dass du das schaffst! Und für Katja und arod, einfach weil sie Anton so lieben. Viel Spaß beim Lesen! ____________________________________ »Du musst nicht mitkommen«, sagte Elias zum dritten Mal, doch Anton schüttelte nur resigniert den Kopf. »Doch, ich will aber. Du warst mit bei der Beerdigung!«, sagte er widerborstig. Elias seufzte und grinste schließlich. »Na gut. Dann bist du heute mein Glücksbringer«, gab er zurück. Es war der fünfte Mai. Der Tag seiner mündlichen Abiturprüfung. Er hatte sich vormittags mit Anton getroffen, um alles noch einmal durchzugehen und nun bestand Anton darauf, mit ihm zur Schule zu gehen und ihm seelischen Beistand zu leisten. Im Gegensatz zu seinen anderen Prüfungen empfand Elias bei dieser das erste Mal Aufregung und Nervosität. Politik war immer sein schlechtestes Fach gewesen – wenn man solide sieben oder acht Punkte als schlecht bezeichnen konnte – und er hatte das Gefühl, wenn er nur zwanzig Minuten zur Vorbereitung hätte und dann vor einem Pulk Prüfer saß, dann könnte doch einiges schief gehen. Anton hatte ihm mittlerweile gefühlte hundert Mal versichert, dass Elias das schon hinbekommen würde und dass sie doch alles Wichtige gelernt hatten. Auch auf dem Hinweg zur Schule wurde Anton es nicht müde, Elias’ Bemühungen zu loben. Als sie schließlich vor Raum 55 angekommen waren, in dem Elias seine Vorbereitungszeit absitzen würde, war ihm tatsächlich ein wenig schlecht. Er drückte Anton sein Handy in die Hand. »Das nehm’ ich lieber nicht mit rein. Wenn jemand anruft, geh ran, ok?«, sagte er nervös. Anton sah verwirrt aus, nahm aber das Handy und schob es sich umsichtig in die Hosentasche. »Drück mir die Daumen«, meinte er dann ziemlich kläglich und mit einem nervösen Kribbeln im Magen. Anton lächelte, dann umarmte er ihn hastig und ging hinüber zu einer der Fensterbänke, um sich darauf nieder zu lassen und zu warten. »Viel Glück«, wünschte er ihm noch. Elias’ Kribbeln wurde von dieser Umarmung nicht gerade besser, sondern schwang eher in eine andere Richtung um. Er brachte ein Grinsen zustande und betrat den Raum, in dem schon fünf andere Schüler saßen. Wie sich herausstellte, hatte er tatsächlich alles gelernt, was in der Prüfung dran kam. Er kritzelte zwei Seiten voll mit Notizen zu den Aufgaben und als sein Politiklehrer schließlich herein kam, um ihn zu holen und in einen anderen Raum zu bringen, da atmete er tief durch und folgte Herrn Tau in Richtung Raum 43. Anton zeigte ihm gedrückte Daumen, als er vorbei ging und Elias winkte ihm noch kurz, dann war er um die Ecke verschwunden. Elias hatte Herrn Tau noch nie gemocht. Außerdem war er so nervös, dass er die Hälfte seiner Notizen auf dem Zettel schon wieder vergessen hatte, als er Raum 43 betrat und feststellen musste, dass auch der Schulleiter als Protokollant anwesend war. Herr Tau, der Schulleiter, zwei andere Lehrer und zwei Schüler, die zum Zuhören da waren, saßen in einem Hufeisen um ihn herum und sahen ihn aufmerksam an. Gleich würde er sterben, soviel war sicher. Eine Viertelstunde später war es vorbei. Elias hatte das Gefühl, dass er mindestens eine Stunde in dem Raum verbracht hatte. Sein Notizzettel war vollends zerknittert und er warf ihn in den nächstbesten Papierkorb. Es war nicht schlecht gewesen, aber durch seine Nervosität auch nicht so gut, wie es hätte sein können. Er entdeckte Anton vor dem Raum, der ihm sein Handy hinhielt. »Und?«, wollte er gespannt wissen. Elias zuckte mit den Schultern. »Ich bin froh, dass ich’s hinter mir hab. Ich denke mal, es war ok«, sagte er. Anton schmunzelte. Dann hielt er ihm sein Handy entgegen. »Markus hat angerufen«, sagte er. Elias stutzte. Markus wusste doch sehr genau, dass er heute Prüfung hatte? Markus und Dominik hatten ihre mündliche Prüfung bereits hinter sich gebracht. Markus mit 15 Punkten und Dominik mit sieben – und darüber hatte er sehr geflucht. »Wieso hat er…« Er brach ab. Dann riss er Anton das Handy aus der Hand, griff nach seinem Handgelenk und rannte in Richtung Ausgang. Anton folgte ihm leicht stolpernd. »Wie kannst du mir das so ruhig sagen?«, schimpfte Elias hektisch und stieß die Glastür auf. »Ich wollte erst nach der Prüfung fragen«, keuchte Anton. Elias musste lachen. »Und, wie klang er so?« Sie preschten um eine Ecke, die Straße entlang, in der Alex die drei Kerle verprügelt hatte, um eine weitere Ecke und die Straße hinunter. »Nervös. Eigentlich so, als würde er sich gleich übergeben«, berichtete Anton und atmete schwer vor Anstrengung. Elias grinste beim Laufen. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wie Markus vollkommen grün um die Nase im Krankenhaus saß und darauf wartete, dass seine Tochter zur Welt kam. Er hielt bei einem Kiosk, entschuldigte sich bei Anton, huschte hinein und kam mit mehreren Kurzen wieder heraus. »Nimm’s mir nicht übel«, bat er Anton keuchend. Anton seufzte, aber schließlich lächelte er leicht gequält und folgte Elias die Treppe zu seiner Wohnung hinauf. »Ma! Du musst mich und Anton ins Krankenhaus fahren!«, rief er quer durch die Wohnung. Seine Mutter kam in den Flur gehastet. »Ist was passiert?«, fragte sie leicht panisch und musterte sie eingehend. Elias winkte ab. »Markus bekommt sein Baby! Also, ich meine… du weißt schon, was ich meine!«, drängelte er. Seine Mutter schien erleichtert, griff kommentarlos nach dem Autoschlüssel auf der Kommode und rief Nathalie zu, dass sie kurz wegfuhr. »Wie war Politik?«, fragte sie, als sie im Auto saßen und in Richtung Krankenhaus brausten. »War ok«, sagte er, »ich war so aufgeregt, dass ich erst die Hälfte vergessen hab.« Seine Mutter lächelte leicht. »Jetzt hast du es hinter dir«, sagte sie stolz. Elias lachte. »Ja, das ist irgendwie noch nicht so zu mir durchgedrungen«, gab er zu. Immerhin wurde sein bester Freund gerade Vater! Seine Mutter hielt vor dem Krankenhaus und winkte ihnen nach. Elias wählte unterdessen Markus’ Nummer. »Hey Alter, wo bist du?«, wollte er wissen, während er in der Eingangshalle des Krankenhauses stand. Eine dicke Krankenschwester warf ihm angesichts des Handys einen bösen Blick zu. Elias winkte ihr lächelnd zu. »Weiß nicht«, sagte Markus matt. Elias verkniff sich ein Lachen. »Na gut, dann fragen wir an der Anmeldung. Bis gleich!« Er schaltete sein Handy aus, stopfte es in seine Hosentasche und hastete mit Anton hinüber zur Anmeldung, wo er erfragte, in welchem Kreissaal Nuri lag. »Ist das überhaupt ok, dass ich auch da bin?«, fragte Anton vorsichtig, als sie zwei Treppen hinaufstiegen und einen sterilen Gang entlang gingen. »Wieso nicht? Er kann jeden seelischen Beistand gebrauchen«, sagte Elias schmunzelnd. Er entdeckte Markus, Dominik und Christine auf einigen blassgrünen Stühlen im Flur. Christine tätschelte Markus den Rücken. Sein bester Freund sah sehr grün im Gesicht aus, genauso wie der Stuhl, auf dem er saß. »Hey!«, sagte Elias, ließ sich den Stühlen gegenüber auf den Boden fallen und Anton setzte sich neben ihn. Markus warf ihm einen kläglichen Blick zu. »Solltest du nicht eigentlich da drin sein?«, fragte Elias und ruckte mit dem Kopf in Richtung Tür, hinter der gedämpfte Schreie zu hören waren. »Er war drin«, sagte Dominik und warf Markus einen Seitenblick zu, der ziemlich amüsiert aussah, »aber Nuri hat ihn rausgeschmissen, weil er fast umgekippt wäre.« Elias biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu lachen. »Mann, du willst Arzt werden!«, sagte er und kramte nach den Kurzen, wovon er Dominik, Christine und Markus je einen reichte. Markus hob die Schultern. Offenbar traute er sich nicht den Mund aufzumachen, aus Angst, er müsste sich übergeben. »Scheint beim eigenen Kind was anderes zu sein«, meinte Christine trocken, öffnete ihren Kurzen und prostete den drei Jungs zu. Anton beobachtete Elias aus dem Augenwinkel. »Auf Lea und das fertige Abi und die bald frisch gebackenen Eltern«, sagte Dominik grinsend und sie leerten ihren Kurzen in einem Zug. Eine Weile lang schwiegen sie, während die Geräusche aus dem Kreissaal zu ihnen nach draußen drangen. »Ich muss nachher noch meine Note abholen«, sagte Elias, »um vier kriegen wir die, glaub ich.« »Wie war es?«, wollte Christine wissen. Elias erzählte ihnen das, was er seiner Mutter und Anton auch schon gesagt hatte. Später, wenn er die Note hatte, würde er Alex eine SMS schreiben, sonst wurde sie sicherlich noch ganz hysterisch. Dann konnte er ihr auch gleich von der neugeborenen Lea- Lekysha berichten. Anderthalb Stunden später öffnete sich die Tür des Kreissaals und eine Hebamme streckte den Kopf heraus. »Herr Kauz? Ihre Tochter ist da«, sagte sie lächelnd und Markus sprang auf und hastete in den Saal. Elias und die anderen blieben sitzen. »Ich denke mal, wir können wieder abziehen, was?«, meinte Dominik schmunzelnd. Elias nickte und erhob sich. »Wir können ja morgen oder übermorgen mal reinschauen«, entgegnete er und ging mit Anton, Christine und Dominik in Richtung Ausgang. Ihm wurde unweigerlich heiß, als er die beiden Händchen halten sah. Warum musste er sich in jeder Situation vorstellen, solche Dinge auch mit Anton zu tun? Das würde ihn noch wahnsinnig machen. Elias hatte sich auf dem Weg zurück zur Schule – dieses Mal zu Fuß – ein Kaugummi in den Mund geschoben, nur um sicher zu gehen, dass er nicht nach Alkohol roch, wenn er mit Anton sprach, der ja bekanntlich wenig Begeisterung angesichts dieses Themas zeigte. »Ich hab mein Abi hinter mir«, sagte er gut gelaunt, »mein bester Kumpel ist Vater geworden. Wir haben schönes Wetter!« Elias grinste zufrieden. In seiner Aufzählung fehlte »Und du bist da.«, aber er war sich ziemlich sicher, dass Anton auf so eine Offenbarung vielleicht etwas geschockt reagieren würde. Er schrieb Alex eine SMS und berichtete ihr, wie die Politikprüfung gelaufen und dass Markus jetzt offiziell Vater war. Soweit er von Alex gehört hatte, war ihre Matheklausur sehr gut gelaufen, die Bio- Prüfung hingegen katastrophal. Was auch immer katastrophal bei Alex heißen mochte. Sie hatte ihre mündliche Prüfung morgen noch vor sich, dann kam sie nach Hause, bis zu ihrem Abschlussball. »Willst du wirklich noch mitkommen die Note abholen?«, erkundigte sich Elias. Anton nickte. »Je nachdem, wie schlecht es war, schimpf ich mit dir«, sagte Anton scheinheilig. Elias schnaubte. »Warte nur bis du nächstes Jahr Abi machst und da vor so vielen Leuten sitzt!« Anton schmunzelte. »Ich habe Philosophie mündlich. Es ist eigentlich egal, was ich erzähle, solang es nur möglichst schwülstig klingt«, meinte er schulternzuckend. Elias lachte und klopfte ihm auf die Schulter, was in seinem Brustkorb peinlicherweise beinahe zu einem Herzinfarkt führte. Wie es sich herausstellte, war die Politikprüfung besser gelaufen, als alles, was Elias bisher in Politik abgeliefert hatte. »10 Punkte?«, fragte er ungläubig und starrte auf den Zettel, den er bekommen hatte. Er stand neben Anton in einem Pulk Schüler, die alle auf ihren Zettel mit der Note warteten und ziemlich hysterisch waren. »Herzlichen Glückwunsch«, sagte Anton lächelnd. Elias starrte noch einen Moment lang auf die Note, dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus und er zog Anton in eine gut gelaunte Umarmung, sodass sein Herz ihm erneut beinahe die Rippen brach. »Danke für die ganze Nachhilfe- Sache!«, sagte er und wedelte mit dem Papier herum. Anton war leicht rot angelaufen. »Kein Problem«, sagte er nuschelnd. »Ach übrigens«, sagte Elias, als sie zwischen den Wohnungstüren standen, jeder mit einem Schlüssel in der Hand, »ich wollte dich noch was fragen…« Sein Herz klopfte ziemlich schnell. Was würde Anton dazu sagen? Aber es war ihm auf der Beerdigung eingefallen und Anton hatte bisher so viel geschafft… und Elias wollte gern glauben, dass es nur noch besser werden konnte. »Was denn?«, fragte Anton erstaunt angesichts von Elias’ verlegener Miene. »Würdest du… würdest du dich vor einen Spiegel stellen? Mit mir…?«, murmelte er peinlich berührt und spürte, wie ihm wieder einmal Hitze ins Gesicht stieg. Anton schwieg und starrte ihn mit einer Mischung aus Erstaunen und Unglauben an. »Wie kommst du darauf…?«, fragte er unsicher. Elias schaffte ein Lächeln. »Ich dachte… jetzt, wo es mit dir und deiner Ma wieder bergauf geht und du Fenja zurück hast und alles wieder ein bisschen besser geworden ist… irgendwie hab ich das Gefühl, dass das noch fehlt«, sagte er umständlich. Er hatte keine Ahnung, wie er es besser erklären konnte. Aber er hatte das Gefühl, dass Antons Leben nicht vollauf normal werden konnte, wenn er sich nicht seinem eigenen Spiegelbild stellen konnte. »Ich weiß nicht… ob ich das kann«, sagte Anton und fuhr sich durch die Haare, »das letzte Mal, als ich in den Spiegel gesehen habe, hab ich das halbe Bad zerlegt. Seitdem hab ich mein Spiegelbild nicht mehr gesehen.« Elias seufzte leise. Dann straffte er ein wenig die Schultern. »Du siehst anders aus als er, wirklich. Ich meine, natürlich seht ihr euch ähnlich, aber ich hab auf dem Foto gleich gesehen, welcher von euch beiden du warst! Vielleicht musst du nur mal richtig hinschauen, ich erklär dir auch gern ganz genau, wo was anders… was ist denn?« Anton lächelte. Er lächelte auf eine absolut merkwürdige, Puls in die Höhe treibende Art und Weise, die ihm beinahe den Boden unter den Füßen wegzog. Und dann, ganz plötzlich, machte er einen Schritt nach vorne, beugte sich vor und drückte Elias einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Sein Herz explodierte wie eine Tonne Feuerwerkskörper, die Welt kippte aus den Angeln und das Kribbeln in seinem Magen breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Er konnte gar nicht so schnell gucken, wie Anton sich umwandte, mit zittrigen Fingern die Tür aufschloss und verschwand. Die Tür ging zu und Elias blieb ihm Treppenhaus stehen, mit Knien wie Pudding und einem Gehirn, das sich anfühlte, als wäre es gelähmt. Hatte er das gerade geträumt? Hatte Anton ihm gerade einen Kuss auf den Mund gedrückt? Hatte der eine kleine Schnaps ihn so betrunken gemacht, dass er jetzt schon fantasierte? Und seit wann kippte seine Welt aus den Angeln, wenn er von jemandem geküsst wurde? Das war noch nie da gewesen. Aber er war ja auch verliebt. Wenn er früher gewusst hätte, dass sich so ein kleiner Kuss so anfühlen konnte, dann hätte er nie im Leben jemanden geküsst, in den er nicht verliebt gewesen war. Er konnte jetzt für den Rest seines Lebens in diesem Treppenhaus stehen bleiben und sich fragen, ob er durchgedreht war. Er konnte auch in sein Zimmer gehen, sich dort aufs Bett werfen und sofort bei Alex anrufen. Und er konnte bei Anton klopfen und endlich das tun, was er schon seit einer gefühlten Ewigkeit tun wollte. Wie in Zeitlupe drehte er sich zu Antons Tür um, machte zwei wackelige Schritte darauf zu und hob mit hämmerndem Herzen die Hand, um zu klopfen. Es dauert ziemlich lang, bis die Tür geöffnet wurde. Dann stand Anton vor ihm, mit hochrotem Kopf. »Tut mir Leid! Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, ich-« Weiter kam er nicht. Elias machte einen Schritt vorwärts, streckte die Arme aus und zog Anton in eine feste Umarmung, beugte sich leicht nach unten und küsste seinen Nachbarn so heftig auf den Mund, als wäre er seit Monaten auf Entzug gewesen. Vielleicht traf das ja auch irgendwie zu… Er spürte, wie sein Herz aufseufzte und dann noch einen Schlag zulegte. Alles in ihm kribbelte und seine Lippen brannten unter der Berührung mit Antons Mund. Seine Lippen waren weich und nachgiebig und was das allerbeste an ihnen war: sie küssten ihn ebenfalls. Elias revidierte alles, was er bisher über das Verliebtsein gedacht oder gesagt hatte. Es war eindeutig das Beste, was er je gefühlt hatte. Ihm wurde schrecklich heiß und seine Knie drohten ohnehin schon die ganze Zeit damit, einzuknicken. Er tastete mit dem Fuß nach der Tür, schob sie zu und lehnte Anton gegen die Wand, ohne seine Lippen von denen seines Nachbarn zu lösen. Er würde nie wieder aufhören, Anton zu küssen. Elias hatte das Gefühl, er sollte sich zurückhalten, aber es ging nicht. Seine Zunge strich über Antons Lippen und er war sich sicher, dass er noch nie jemanden geküsst hatte, der besser schmeckte. Alles in ihm vibrierte. Er drückte sich etwas näher an Anton, er hatte den Eindruck, er könnte gar nicht eng genug an dem Kleineren sein und Anton zog ihn noch näher, strich mit zittrigen Fingern über Elias’ Rücken und krallte seine Finger schließlich in Elias’ Shirt. Elias hatte keine Ahnung, wie lange sie in Antons Flur standen und sich so verlangend küssten, als würde morgen die Welt untergehen. Einmal meinte Elias irgendwo eine Tür gehen zu hören, aber er schob den Gedanken beiseite. Irgendwann schließlich, nach einer herrlichen, durchküssten Ewigkeit, lösten sie sich voneinander und Elias blickte in die glasigen, fast schwarzen Augen und das gerötete Gesicht seines Nachbarn. Er wollte irgendetwas Geistreiches sagen, aber seine Zunge war gelähmt, genauso wie sein Gehirn mitsamt Sprachzentrum. In seinem Kopf gab es genau zwei Worte: Anton und Küssen. »Wir könnten… sollten… also… mein Zimmer ist da hinten«, krächzte Anton, als wäre Elias noch nie bei ihm in der Wohnung gewesen und Elias musste lachen. Scheinbar war Anton genauso durch den Wind geknutscht wie er selbst. »Hmhm«, nuschelte er leise und vergrub seine Nase an Antons Hals. Wie konnte ein Mensch so gut riechen? Und überhaupt, wieso hatten sie das nicht schon viel früher gemacht? Widerwillig löste er sich ein wenig von Anton und schob ihn hinüber zu seinem Zimmer, wo er die Tür schloss und Anton sofort wieder in die Arme schloss. Nase an Nase standen sie da und starrten sich schweigend an, als könnten sie beide das Wunder nicht ganz begreifen, was da eben geschehen war. »Soll ich dir was verraten?«, murmelte Elias und er konnte sich nicht beherrschen, er musste einfach viele kleine Küssen auf Antons blasse Haut drücken. Sein Nachbar erschauderte merklich, während Elias seine Lippen auf seine Wange, die Stirn auf in die Mundwinkel tupfte. »Wa…was denn?«, stammelte Anton heiser. »Ich denke seit ungefähr drei Monaten daran, wie es wäre, dich zu küssen…« Als er Anton wieder ansah, merkte er, dass er dunkelrot angelaufen war. »Wirklich«, nuschelte er kaum hörbar. Elias lächelte. »Wirklich«, gab er zurück. Zu seiner Überraschung schnaubte Anton. »Das ist nichts«, sagte er und brachte ebenfalls ein Lächeln zustande. »Ach nein?«, erwiderte Elias erstaunt. Er hob eine Hand und fuhr damit sachte durch Antons schwarze, glänzende Haare. Sie fühlten sich genauso seidig an, wie er es sich vorgestellt hatte. Noch besser eigentlich. »Ich denke schon sehr viel länger daran… so lange, dass ich schon gar nicht mehr weiß, wann es eigentlich angefangen hat«, sagte Anton mit belegter Stimme und wandte den Kopf zur Seite. Elias war perplex, aber eigentlich war es ja egal, seit wann sie daran dachten. Wichtig war, dass sie es sich jetzt nicht mehr nur vorstellen mussten. »Wir könnten noch mal nachprüfen, wie genau es jetzt eigentlich ist, den anderen zu küssen«, sagte er gespielt nachdenklich. Anton lachte leicht zittrig. »Gute Idee«, flüsterte er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)