Efeu von Ur (Schlicht und Immergrün) ================================================================================ Kapitel 30: Aus Drei mach Zwei mach Drei ---------------------------------------- Für Katja :) Viel Spaß beim Lesen und mal wieder ein dickes Dankeschön für die lieben Kommentare und all die Favoriteneinträge! Liebe Grüße, ________________________ Elias saß auf heißen Kohlen. Einerseits wollte er wissen, was drüben in der Wohnung der Nickischs vor sich ging, andererseits war er sich nicht sicher, ob ihm das Ergebnis gefallen würde. Er fragte sich nun seit seiner Ankunft zu Hause, was genau diese Blicke bedeuten konnten, die Ben und Anton sich zugeworfen hatten. Aber er war für diese Dinge nicht sensibel genug, er war kein Mädchen, das solche Blicke lesen konnte wie ein Buch. Vielleicht wäre alles leichter, wenn er ein Mädchen wäre? Und wieso machte er sich plötzlich solche schwachsinnigen Gedanken? Sich die Haare raufend tigerte er in die Küche, kramte zwei Milchschnitten und eine neue Packung Zitroneneistee aus dem Kühlschrank und ließ sich auf einen der Küchenstühle sinken. Seine Mutter legte im Schlafzimmer Wäsche zusammen, Nathalie saß in ihrem Zimmer und bastelte irgendetwas, Kathi telefonierte sicherlich wieder und sein Vater war außer Haus. »Du siehst irgendwie scheiße aus«, sagte eine Stimme aus Richtung der Tür und er wandte sich zu Kathi um, die offensichtlich doch nicht telefonierte. Er zuckte mit den Schultern und packte seine erste Milchschnitte aus. Kathi kam zu ihm herüber, schnappte sich die zweite Milchschnitte und setzte sich ihm gegenüber. »Keine Diät mehr?«, fragte Elias beiläufig. Kathi schnaubte. »Marcel sagt, ihm ist es egal, wenn ich zehn Kilo zunehme«, erklärte sie und biss herzhaft in ihre Milchschnitte. Elias musste grinsen, obwohl ihm so gar nicht nach grinsen zumute war. »Also ist dein Plan aufgegangen, ja?«, erkundigte er sich. Sie nickte. Die beiden hatten sich vormittags zum Frühstücken verabredet und jetzt breitete sich ein leichtes Schmunzeln auf dem Gesicht seiner Schwester aus. »An seiner Technik muss er noch ein wenig arbeiten«, sagte sie amüsiert und nahm einen weiteren Bissen von ihrer Milchschnitte. Elias wollte gerade lachen, als ihm ein schrecklicher Gedanke kam. Was, wenn er es irgendwann doch wagen sollte, Anton zu küssen und Anton den Kuss schrecklich finden würde? Seit wann machte er sich überhaupt Gedanken über seine Kusskünste, das hatte er niemals vorher getan! Er konnte es nicht fassen. Verliebtsein war die Hölle. Wenn es nach ihm ging, würde er es am liebsten wieder abstellen. »Du siehst aus, als hättest du Oma in Unterwäsche gesehen«, mampfte Kathi und schnippte das Papier ihrer Milchschnitte zu ihm hinüber. Er verschluckte sich an seinem letzten Happen und hustete ausgiebig, bevor er antwortete. »An so was denke ich nicht«, röchelte er. Kathi kicherte leise und nahm einen Schluck Eistee. »Also los, spuck es aus. Ich hab dir auch mein Seelenleben ausgebreitet. Ausgleichende Gerechtigkeit«, meinte sie und sah ihn auffordernd über das Tetrapack hinweg an. »Also schön«, sagte Elias und lehnte sich zurück, »ich bin in Anton verliebt und gerade sitzt er drüben mit seinem ehemals besten Freund, in den er mal verliebt war und ich könnte ausrasten, weil ich nicht weiß, ob die beiden jetzt plötzlich eine tiefe Liebe zueinander entdecken.« Kathi hob eine ihrer sorgfältig gezupften Augenbrauen und ließ den Eistee sinken. »Du bist schwul?«, fragte sie nüchtern. »Nein. Bi«, entgegnete Elias und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine Weile lang schwieg Kathi angesichts dieser Offenbarung, aber dann lächelte sie. »Wer auch immer der Kerl ist, der kann dich sowieso nicht ausstechen«, meinte sie und es klang beinahe zärtlich. Elias grummelte. »Das haben Dominik und Markus auch schon gesagt. Aber na ja… ich bin mir nicht so sicher, ob Anton mich auch in diese gewisse Richtung toll findet…«, murmelte er und sah Kathi ein wenig kläglich an. Kathi schien wegen etwas anderem beeindruckt. »Die haben so was gesagt, echt? Finden sie es nicht komisch oder abartig oder so?«, wollte sie wissen. Elias blinzelte erstaunt, dann fiel ihm ein, dass er selbst auch erleichtert gewesen war, weil die beiden es so gut aufgenommen hatten. »Nein, finden sie nicht. Sie haben echt klasse reagiert. Ich bin von den tollsten Menschen der Welt umgeben«, sagte er grinsend und Kathi lachte leise. »Ja, du bist echt ein Glückspilz. Meine so genannten Freundinnen wären vermutlich über mich hergefallen, wenn ich ihnen verkündet hätte, dass ich auf Frauen stehe…« Ihre Stimme verlor sich und sie betrachtete nachdenklich die Eisteepackung. Elias sah sie an und war froh, dass sie sich mit Caro so gut verstand. Caro war in diesen Dingen wie ihr großer Bruder und ihr großer Bruder war – neben Markus – der beste Freund, den Elias sich vorstellen konnte. Vielleicht sollte er das den beiden beizeiten sagen. »Bist du mit Marcel nun zusammen?«, erkundigte er sich. Kathi zuckte die Schultern. »Irgendwie schon, denke ich. Er ist fast in Ohnmacht gefallen, als ich ihn nach seinem Croissant mit Honig geküsst hab… das heißt dann wohl, dass er mich ziemlich gut leiden kann«, entgegnete sie und schmunzelte erneut. Elias schüttelte grinsend den Kopf. Seine Schwester war ganz schön durchtrieben. »Wann sagst du’s Mama und Papa?«, wollte sie wissen, gerade als ihre Mutter höchstpersönlich in die Küche geschneit kam, einen Stapel Geschirrhandtücher auf dem Arm. »Wer sagt uns was?«, wollte sie wissen und verfrachtete die Wäsche in einem der Küchenschränke. Elias seufzte. Sein Herz hämmerte schon wieder in der Gegend seines Adamsapfels. Aber schließlich war er der größte Glückspilz unter der Sonne. »Ich habe festgestellt, dass ich bisexuell bin und gerade bin ich das erste Mal in meinem Leben verliebt und zwar in Anton«, erklärte er und schnappte sich die Eisteepackung vom Tisch. Seine Mutter tauchte mit einem Brotmesser aus einer Schublade auf. »Ach so, das«, erwiderte sie, holte Brot aus dem Schrank und begann einige Scheiben abzuschneiden, »ich dachte schon, du hättest was ausgefressen.« Elias und Kathi starrten ihre Mutter an. »Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«, fragte Elias vollkommen perplex. Seine Mutter wandte sich zu ihm um, ihre blonden Haare fielen ihr in die Stirn und sie pustete sie energisch fort. Dann schnaubte sie. »Mein lieber Sohnemann«, begann sie und Elias musste lachen, »glaubst du, ich hätte meine Kinder zu Toleranz erzogen, wenn ich selbst wie eine verstockte Drossel auf so eine Ankündigung reagieren würde? Hauptsache du bist glücklich damit, der Rest ist doch vollkommen wumpe!« Nach dieser Standpauke steckte sie das Brotmesser in die Spülmaschine und ging zum Kühlschrank, um nach Wurst und Käse zu suchen. Elias stand auf und ging zu seiner Mutter hinüber, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken. Sie lächelte wissend und sagte nichts dazu. »Ich hab eindeutig die beste Familie der Welt«, sagte er grinsend, wuschelte Kathi durch die langen Haare und verschwand aus der Küche. »Mein Scheitel, du Arschloch!«, rief Kathi ihm noch nach und er huschte lachend in sein Zimmer. Das war schneller und einfacher gegangen, als er es sich vorgestellt hatte. Eigentlich hatte er es sich überhaupt nicht vorgestellt… Ob Antons Mutter wusste, dass ihr Sohn schwul war? Wenn nein, was würde sie sagen, wenn sie es herausfand? Würde er es ihr überhaupt jemals sagen? Elias ließ sich auf sein Bett sinken und versank wieder in Grübeleien. Die kleine Episode mit seiner Mutter und Kathi hatte ihn kurz abgelenkt, aber jetzt dachte er erneut darüber nach, was drüben wohl gerade passierte. Er nahm noch einen Schluck Eistee, dann piepte sein Handy. Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass es fast halb sieben war. Er fischte nach seinem Handy und öffnete die erhaltene Kurzmitteilung. »Hast du nicht Lust, rüber zu kommen?« Sein Herz setzte aus und er wollte sich am liebsten kopfüber aus dem Fenster stürzen. Er konnte da jetzt nicht rüber gehen! Wenn er Ben zu lange ansah, dann machte er wohlmöglich eine Dummheit! Vermutlich musste man sich auf einen Stuhl stellen, um überhaupt an Bens Nase heran zu kommen… Er könnte absagen. Er könnte so tun, als hätte er die SMS nicht erhalten. Aber er könnte sich auch einfach zusammen reißen und sich verhalten wie ein normaler, netter Nachbar. Bei diesem Gedanken schnaubend, stand er auf und schob sein Handy in die Hosentasche. »Ich geh rüber zu Anton«, rief er durch den Flur. »Viel Spaß«, flöteten seine Mutter und seine Schwester aus der Küche und Elias wusste nicht, ob er sie verfluchen, oder ob er lachen wollte. Er wollte gerade an die Tür klopfen, als sie bereits geöffnet wurde. Anton sah ihn lächelnd an und Elias wollte sofort umdrehen, als sein Magen wie verrückt zu kribbeln begann und sein Herz einen Tango tanzte. »Ich hab deine Tür gehört«, sagte Anton und trat zur Seite, damit Elias eintreten konnte. Sobald Anton die Tür hinter ihm geschlossen hatte, beugte er sich leicht vor. »Sie würde dich ziemlich gern singen hören, also wundere dich nicht, falls sie anfängt zu betteln«, erklärte er leicht verlegen. Elias fragte sich, ob Anton nur davon erzählt hatte, dass er Musik machte und sang, oder ob er auch erwähnt hatte, wie er Elias’ Stimme fand. Er folgte Anton in sein Zimmer und als die Tür aufging, blinzelte er verwundert. Ben war nicht da. Fenja lag bäuchlings auf dem Teppich und grinste ihm entgegen, sie blätterte durch ein Fotoalbum und ließ ihre Beine in der Luft baumeln. Sie trug immer noch das übergroße Hemd. Und abgesehen davon nur noch einen Slip. Elias war leicht verwirrt. »Stört dich das? Mir war so warm«, sagte Fenja und deutete mit dem Daumen in Richtung ihres Hinterns. Elias schüttelte den Kopf und ließ sich neben ihr auf dem Boden nieder. Sie war wirklich verdammt dünn. »Ähm… wo ist-«, begann er. Antons Gesicht zeigte eine Mischung aus Erleichterung und Wehmut. »Er ist schon wieder gefahren«, sagte er und fuhr sich verlegen durch die Haare, »ich denke… das wird nichts mehr. Er konnte mich kaum ansehen und ich hatte keine Ahnung, worüber ich mit ihm reden soll. Es war nicht sonderlich… angenehm«, sagte er und Elias spürte einen Funken Mitleid, gleich überschattet von der Erleichterung darüber, dass nichts anderes zwischen den beiden passiert war, als sie sich wieder gesehen hatten. »Ich hab mir das schon gedacht, er war nach eurem Telefonat schon ziemlich schweigsam«, sagte Fenja und blätterte eine Seite weiter in dem Album. Anton seufzte leise, dann ließ auch er sich auf dem Boden nieder, sodass sie nun in einer Art Dreieck saßen – beziehungsweise lagen. Elias’ Blick fiel auf das Fotoalbum und er erkannte Fenjas feuerrote Haarmähne hoch oben in einem Baum, Bens große Gestalt mit ein paar Brettern im Arm und Anton, der den Baumstamm umarmte und grinste. »Die Entstehung unseres Baumhauses«, erklärte Fenja schmunzelnd, »ich hab das Album mitgebracht. Willst du mal Anton mit Sahnetorte im Gesicht sehen?« Elias stutzte, dann lachte er. »Hey! Nicht die peinlichen Fotos von Bens Geburtstag!«, protestierte Anton und versuchte, Fenja das Album wegzuschnappen, doch sie rollte sich auf den Rücken und setzte sich auf. Elias grinste Anton an. »Du siehst mit Sahnetorte im Gesicht sicherlich umwerfend aus«, sagte er unbedacht und war leicht überrascht, als Anton schon wieder rot anlief und sich räusperte. Fenja schmunzelte kaum merklich, während sie weiter im Album herumblätterte und Elias das Album schließlich auf den Schoß legte. Es zeigte einen Tisch in einem Garten und vier junge Mensch, wovon man einen – offenkundig Anton – kaum erkennen konnte, weil sein Gesicht über und über mit einer weißen, cremigen Masse verschmiert war. Neben ihm saß Fenja, die sich kringelte vor Lachen, Ben, der Anton eine Serviette reichte und da war Lukas, der am lautesten lachte und sich den Bauch hielt und mit dem Finger auf seinen Bruder zeigte. Elias musste glucksen, als er das Foto sah, auch wenn es ihn irgendwie melancholisch stimmte. Einer dieser jungen Menschen war tot, sein Zwilling hatte dadurch sein Lächeln verloren und die Gruppe war auseinander gebrochen. Aber darüber sollte er jetzt nicht nachdenken, denn Anton konnte wieder lächeln und er hatte Fenja zurück. Das war besser als nichts. Er verbrachte die nächste Viertelstunde damit, sich das Album anzugucken. Fenja moderierte und erklärte ihm, was auf den einzelnen Bildern zu sehen war. Anton brach hin und wieder in Klagen aus, wenn Elias auf ein – Antons Meinung nach – peinliches Foto stieß. Aber Elias zeigten diese Bilder nur, was für ein glücklicher Mensch Anton gewesen war. Und er wollte in diesem Moment nichts sehnlicher, als ihn noch einmal so glücklich zu machen. Als sie das Album schließlich durchgesehen hatten, verstaute Fenja es in ihrem Rucksack und sah Elias an. »Anton meint, du singst ganz toll«, sagte sie und in dem beiläufigen Tonfall erkannte Elias, dass Anton diese Beschreibung von Elias’ Stimme eigentlich lieber nicht hatte offenbaren wollen. Sofort lief er wieder rot an. Elias grinste verlegen und fuhr sich durch die blonden Haare. Jetzt, da Ben nicht mehr da war, waren ihm seine Haare herzlich egal. »Was willst du denn hören?«, fragte er. Fenja wippte leicht vor und zurück, als sie nachdachte. Elias betrachtete sie von der Seite. Ihre Sommersprossen waren tatsächlich fast über ihr ganzes Gesicht verteilt. Ihre blauen Augen waren heller als die von Alex – er wusste gar nicht, wieso er die beiden ständig miteinander verglich – und ihre Ausstrahlung war sehr viel ruhiger. Fenja schien mit sich und der Welt zufrieden. Das war bei Alex eindeutig nicht der Fall. »Kennst du Iris? Von den Goo Goo Dolls?«, fragte sie hoffnungsvoll. Elias nickte. »Einfach so? Oder mit Klavier?«, fragte er grinsend. Anton stand auf und ging hinüber zu seinem Regal. »Ich schau mal, ob ich die Noten irgendwo habe«, sagte er. Fenja schnaubte leicht entrüstet. »Du musst die Noten noch haben, das ist mein Lieblingslied!«, sagte sie empört und Elias hörte Anton leise lachen. Das Geräusch jagte ihm einen heißen Schauer über den Rücken und er war sich plötzlich nicht sicher, ob er überhaupt ein Wort herausbringen konnte. Ob nun gesungen oder gesprochen. Sein hämmerndes Herz drückte auf seinen Kehlkopf. »Da sind sie«, verkündete Anton und ging hinüber zu seinem Klavier, legte die Noten sorgsam auf den Halter und sah Elias an. »Du kannst den Text?«, wollte er wissen. Elias konnte nur nicken. Immer noch schwirrte der Klang von Antons Lachen in seinem Gehörgang herum. »Ich denke schon«, sagte Elias und er wunderte sich, dass seine Stimme so normal klang. Fenja legte sich auf den Rücken, das Gesicht ihm zugewandt und mit freudiger Erwartung in den sommersprossigen Zügen. Anton spielte. Und Elias stellte wieder einmal fest, wie gut er es konnte und wie wunderbar dieses Instrument zu Anton passte. Er dachte an Antons schmale Finger, die über die weißen und schwarzen Tasten huschten. Elias merkte kaum, wie er sang, weil seine Gedanken sich nur um Anton drehten. Erneut kreiste die Vorstellung in seinem Kopf herum, wie es sich anfühlen mochte, ihn zu küssen. Ihn umarmen zu dürfen, wann man wollte, in der Öffentlichkeit seine Hand halten zu können… Fenja wiegte sich leicht im Takt der Musik und ihre Lippen bewegten sich lautlos. Sie hatte die Augen geschlossen und Elias wurde bewusst, dass Ben nicht mehr da war. Er war nicht mehr nur nicht hier in diesem Zimmer, er war auch nicht in der Stadt, er war nicht in Antons Leben, er war vollkommen verschwunden. Elias selbst war nun da, in Antons Zimmer, in seiner Stadt, in seinem Leben. Die Gefühle, die Ben niemals für Anton gehabt hatte, die hatte nun Elias für ihn. Und Lukas, an den Elias Anton manchmal erinnerte und der auch nicht mehr da war, der war trotzdem hier. Weil Anton hier war und weil Elias hier war, der Lukas ähnelte. »Du singst echt klasse«, sagte Fenja anerkennend und sie strahlte Elias an. Er brachte ein Grinsen zustande. »Danke«, erwiderte er. So gute Laune hatte er – zumindest fühlte es sich so an – noch nie in seinem Leben gehabt. Gerade wollte er Fenja fragen, wie es ihren Kaninchen ging, als es an der Tür klopfte. »Ja?«, sagte Anton verwundert. Die Tür öffnete sich und Antons Mutter kam herein. Elias fiel auf, dass sie ziemlich nervös aussah. Ihre Haare waren nicht in einem strengen Knoten gefangen und sie trug ein ganz normales T- Shirt mit einer ziemlich ausgeleierten Jeans. Alles in allem sah sie ganz anders aus, als in diesen geschäftlichen Kostümen oder in diesen Kleidern, die sie abends zum Weggehen getragen hatte. Sie sah plötzlich aus wie eine Mutter eben aussah. »Habt ihr Lust, Pizza zu bestellen?«, fragte sie. Anton sah vollkommen perplex aus, Fenja fasste sich als Erste. »Ja, wir lieben Pizza«, sagte sie immer noch strahlend und erhob sich, »ich helf dir beim Tischdecken, die beiden können sich ja schon mal überlegen, was sie wollen.« Und sie hakte sich tatsächlich bei Antons Mutter unter und ging mit ihr in die Küche. Elias fiel ein, dass Fenja Antons Mutter natürlich schon genauso lange kannte, wie sie Anton kannte. Es hatte merkwürdig geklungen, als sie sie geduzt hatte. Anton schien immer noch verdutzt. »Das ist nett von ihr«, sagte Elias lächelnd und Anton nickte kaum merklich. Dann lächelte auch er. »Ich kann’s nicht fassen… wie sich alles verändert hat«, sagte er leise und seine Augen huschten zu Elias hinüber. Der musste schlucken, weil Antons dunkle Augen glühten. Anton stand von seinem Klavierhocker auf und Elias erhob sich. Seine Gedanken sollten sich um Pizza drehen, aber das klappte im Moment nicht. Denn Anton kam zu ihm herüber und umarmte ihn. Wieder einmal kroch ihm Antons Duft in die Nase und seine Nähe brachte Elias’ Gehirn sowie einen nicht unerheblichen Teil seiner inneren Organe dazu, vollkommen verrückt zu spielen. »Danke für alles…«, murmelte Anton, dann war er auch schon aus dem Zimmer gehastet, um das Prospekt vom Pizza- Bringdienst zu holen. Das Abendessen war seltsam. Es war ein komisches Gefühl nicht nur mit Anton in dessen Küche zu sitzen, sondern auch mit Fenja und – was am aller merkwürdigsten war – mit Antons Mutter. Sie saßen zu viert um den Tisch herum, jeder eine große Pizza vor sich. Fenja hatte eine ausgesprochene komische Art, ihre Pizza zu essen. Sie aß erst den kompletten Belag und dann den Teig. Antons Mutter hielt sich zurück, während sie sich unterhielten und Elias konnte sich vorstellen, dass dies alles ziemlich schwierig für sie war, da sie sich so viele Jahre vom Leben ihres Sohnes ferngehalten hatte. Schließlich befand Elias, dass es nicht fair war, sie die ganze Zeit schweigen zu lassen, wo sie doch diesen Schritt gemacht hatte. »Was arbeiten Sie eigentlich?«, erkundigte er sich bei ihr. Sie sah erstaunt auf und blickte ihn einen Moment lang perplex an. Fenja schmunzelte und schob sich ein Stück Teig in den Mund, Anton lächelte seiner Pizza entgegen. »Ich arbeite in der Marketing- Abteilung von Sony…«, erklärte sie und schien immer noch vollkommen perplex darüber, dass Elias sie einfach so angesprochen hatte. Er war beeindruckt. »Klingt nach harter Arbeit… ich weiß noch nicht, was ich machen will. Mögen Sie eigentlich Katzen?« Anton verschluckte sich an seinem Stück Pizza. Frau Nickisch sah ihn einen Moment lang an, als sei er ein Alien. Dann lächelte sie tatsächlich. Die Alex- Verwirrungs- Strategie klappte doch immer, um Leute aus der Reserve zu locken, dachte Elias und schmunzelte innerlich. »Nenn mich Erika«, bot sie ihm plötzlich an. Elias nahm noch ein Stück Pizza. »Ok. Also… magst du Katzen?« Anton hustete immer noch, aber seine Mutter klopfte ihm beiläufig auf den Rücken und begann mit Elias ein Gespräch über Haustiere. Alles in allem, dachte er, während Antons Mutter ihm von ihren zwei Katzen erzählte, die sie als junges Mädchen gehabt hatte, war der Tag ein voller Erfolg gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)