Efeu von Ur (Schlicht und Immergrün) ================================================================================ Kapitel 27: Liebeskummer ------------------------ Hallo ihr Lieben! Dieses Mal hat es ein wenig länger gedauert, aber ich hatte ein bisschen was um die Ohren. Aber weil ich schon seit 04:17 Uhr wach bin, hatte ich viiiel Zeit und hier haben wir das neue Kapitel. Danke an dieser Stelle für 356 Kommentare und 111 Favoriteneinträge. Das Kapitel widme ich mehreren Leuten: , und sie weiß warum. , und , einfach weil ♥. , weil Neuanfänge nicht leicht, aber möglich sind. , weil sie sich neulich wieder einmal hoffnungsvoll nach Efeu erkundigt hat. Außerdem ist es für alle, die regelmäßig Kommentare hinterlassen :) Das motiviert und freut mich jedes Mal aufs Neue! Liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen, ____________________________ Elias hatte es nicht für möglich gehalten, Anton einmal so zu erleben, wie er auf diesem Foto zu sehen gewesen war. Aber es gab diesen strahlenden, lachenden Anton noch, auch wenn er manchmal immer noch traurig aus dem Fenster schaute und sein Blick sich in die Ferne richtete. Antons Augen funkelten freudig bei jeder Erwähnung von Fenja und soweit Elias es mitbekommen hatte, telefonierten die beiden nun jeden Tag mehrere Stunden miteinander. Immerhin hatten sie eine Menge nachzuholen. Manchmal ertappte sich Elias bei dem Gedanken daran, ob Anton Fenja wohl auch von ihm erzählte und was genau er dann wohl sagte. Aber fragen wollte er nicht danach. »Ich hab dir von Alex erzählt«, sagte er beim Politiklernen in Antons Zimmer und legte die Unterlagen beiseite, »dann musst du mir jetzt auch was von Fenja erzählen.« Anton grinste. Elias war sich noch nicht sicher, ob er sich an dieses Grinsen gewöhnt hatte. Er war von Anton ein Lächeln gewöhnt, vielleicht ein kleines Schmunzeln. Aber so ein breites Grinsen, das war neu. Was natürlich nicht hieß, dass es schlecht aussah. Elias fasste sich innerlich an den Kopf. Bald würde er durchdrehen, soviel war sicher. Anton legte Elias’ Mappe beiseite und kam zu Elias hinüber, der auf dem Sofa saß. Anton hatte – wie immer beim Lernen – auf seinem Klavierhocker Platz genommen. Als er sich neben Elias aufs Sofa fallen ließ, berührten sich ihre Schultern und ein leichtes Kribbeln durchfuhr ihn. Hastig rückte er ein Stück zur Seite und sah Anton dann gespannt an, während er das ignorierte, was gerade passiert war. Anton schien nichts bemerkt zu haben. Er lehnte sich zurück, legte seinen Kopf auf die Sofalehne und betrachtete nachdenklich die Decke, als müsste er die Worte über seine beste Freundin mit Bedacht wählen. »Sie macht auch dieses Jahr Abi. Wir haben uns in der Grundschule kennen gelernt. Sie hat damals schon auf diesem Bauernhof mit ihrer Familie gewohnt. Ihre Eltern haben den Hof von ihren Großeltern übernommen und jetzt wohnen sie immer noch da, zu acht. Ihre Eltern, die Eltern ihrer Mutter und sie mit ihren drei kleinen Schwestern. Sie reitet gerne und züchtete Kaninchen. Sie hat einen eigenen Stall für ihre ganzen Viecher und wenn sie zu Hause ist und nichts für die Schule macht, dann hockt sie im Kaninchenstall und liest oder hört Musik«, erzählte Anton und seine Augen sahen aus, als huschten Bilder davor herum, als wüsste er noch genau, wie es dort aussah. »Sie haben da auch Katzen. Ich mag Katzen. Eigentlich hätte ich selber gern eine, aber Ma ist von der Idee nicht so begeistert, glaub ich. Ich hab auch eine leichte Allergie. Aber nichts Tragisches. Jedenfalls ist Fenja ein Mensch, der eigentlich nie still sitzen kann. Manchmal steht sie in aller Herrgottsfrühe auf und geht Laufen. Oder Reiten. Im Sommer hat sie uns immer zum Schwimmen geschleift und jedes Mal war sie die Letzte, die aus dem Wasser kam, meistens dann mit blauen Lippen. Sie will später mal Sportlehrerin werden. An Kondition mangelt es ihr auf jeden Fall nicht. Und an Geduld auch nicht mit ihren drei kleinen Schwestern. Auf die musste sie früher immer schon aufpassen. Wir haben mal ein Baumhaus gebaut, irgendwo weiter hinten bei ihrem Bauernhof, hinterm Maisfeld. Keine Ahnung, ob das da immer noch steht. Ich bin handwerklich wirklich eine Niete. Das war eher so Bens und Fenjas Ding. Lukas und ich haben die beiden mental unterstützt und beim Tragen geholfen«, fuhr er fort und wiegte den Kopf leicht hin und her. Es lag immer noch eine gewisse Schwere in der Luft, wenn Anton den Namen seines verstorbenen Zwillings aussprach, aber es schien ihn nicht mehr so viel Überwindung zu kosten wie vorher. Eine Weile lang schwieg er, ehe er den Kopf wandte und Elias durch einige seiner schwarzen Haarsträhnen hindurch ansah. »Sie hat mich nicht einmal darauf angesprochen. Wir haben jetzt schon mindestens zehn Mal für mehrere Stunden miteinander geredet und sie hat es nicht ein einziges Mal erwähnt, dass ich mich nicht mehr gemeldet hab. Dass ich einfach so verschwunden bin, ohne Bescheid zu sagen. Oder über… ihn…« Elias erwiderte den Blick und dachte einen Moment lang darüber nach. »Vielleicht hat sie Angst. Oder… sie hat es dir einfach verziehen und findet es jetzt nicht mehr so wichtig«, sagte er und Anton brachte ein leichtes Lächeln zustande. »Vermutlich kriege ich noch einen Kinnhaken, wenn wir uns treffen sollten«, sagte Anton und bei diesen Worten huschte unweigerlich ein Schatten über Antons Gesicht. Elias meinte zu wissen, was in Anton vor sich ging. »Sie hat sich so gefreut, als du angerufen hast. Du kneifst doch jetzt nicht etwa, wenn es um ein Treffen geht?«, meinte er und boxte Anton sachte gegen den Oberarm. Anton zuckte leicht die Schultern und kaute einen Moment lang auf seiner Unterlippe herum, während er offenbar über eine Antwort nachdachte. »Meine Stimme zu hören, ist eine Sache. Mich zu sehen ist etwas anderes. Du weißt schon. Eineiig. Es gibt kaum Unterschiede…« Elias seufzte. »Also wenn du es genau wissen willst: Ich hab dich auf dem Foto erkannt. Du bist der mit dem blauen Shirt. Deine Nase ist irgendwie ein bisschen anders, du hast einen Wirbel da oben«, er zeigte auf Antons unordentlichen Scheitel, »und einen Leberfleck über der Augenbraue.« Anton blinzelte und sah ihn einen Moment lang an, als hätte Elias nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Du hast ihn nie gesehen und kannst uns unterscheiden?«, fragte er völlig perplex. Elias grinste und kam nicht umhin, sich ein wenig stolz zu fühlen. »Ich habe dich oft gesehen und ich kenn dein Gesicht praktisch auswendig«, sagte er. Einen Moment lang starrten sie sich an, dann spürte Elias, wie ihm angesichts seiner unüberlegten Worte die Hitze ins Gesicht kroch. Sein Herz machte einen übergroßen Hüpfer und Anton wandte hastig den Blick ab, als sich auch seine Wangen leicht rötlich färbten. Elias hatte das Gefühl, dass da plötzlich eine Spannung zwischen ihnen war. Unweigerlich dachte er daran, wie merkwürdig er sich in letzter Zeit manchmal in Antons Gegenwart fühlte und daran, dass er ihn hatte küssen wollen… Jetzt bloß nicht darüber nachdenken, ermahnte er sich selbst. Aber trotzdem huschten seine Augen hinunter zu Antons Mund und betrachteten ihn einen Moment länger, als es zwischen guten Freunden wohl üblich war. »Also meinst du, dass sie mich auch auswendig kennt und deswegen nicht ständig Vergleiche anstellen wird?«, murmelte Anton immer noch rot im Gesicht. Trotzdem wandte er den Blick wieder Elias zu, der seine Augen hastig von Antons Mund zurück nach oben huschen ließ. »Ja, genau. Sie kennt dich doch schon ewig. Viel länger als ich. Und Frauen haben sowieso eine bessere Beobachtungsgabe als Männer«, versicherte er Anton und dachte an Alex. Anton musste lächeln. »Ehrlich gesagt finde ich deine Beobachtungsgabe für einen Jungen ziemlich gut«, erwiderte er und pustete sich einige Haarsträhnen aus der Stirn. Es half nicht und eine Sekunde später fielen sie ihm wieder ins Gesicht. Elias widerstand der Versuchung, die Hand auszustrecken und Anton die Haare hinters Ohr zu streichen. »Das ist nett, danke«, gab Elias grinsend zurück und streckte Anton die Zunge heraus. Dann streckte er sich ein wenig und warf einen Blick hinüber zu dem Foto, das auf Antons Nachtschrank stand. Einen Moment lang zögerte er. »Was ist eigentlich mit Ben?«, fragte er und wandte Anton das Gesicht wieder zu, »Willst du dich bei ihm nicht auch noch melden?« Augenblicklich bereute er es, danach gefragt zu haben, denn Antons Gesicht verdunkelte sich und er presste einen Moment lang die Lippen aufeinander, dann atmete er tief durch und schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht«, sagte er leise und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Elias hatte das dumpfe Gefühl, dass er erneut auf etwas gestoßen war, was Antons Vergangenheit weniger schön gestaltet hatte, als es sein Nachbar verdient hatte. Sie schwiegen eine Weile lang, während Elias fieberhaft nachdachte, doch ihm fiel einfach keine Erklärung dafür ein. »Magst du… mir von ihm erzählen?«, fragte er schließlich behutsam. Irgendwie hatte er das Gefühl, alles über Anton wissen zu müssen. Jede noch so winzige Information schien ihm spannend und interessant und wissenswert zu sein und er spürte deutlich, dass er jede Neuigkeit aufsog wie ein trockener Schwamm einen Regentropfen. »Ich weiß nicht so genau«, sagte Anton und strich sich durch die Haare. Elias wusste, dass er das immer tat, wenn er nervös wurde. »Du musst nicht, wenn du nicht willst«, gab Elias hastig zurück. Anton blickte einen Moment lang zur Decke, dann sah er Elias wieder an. »Er ist riesig. Das hast du ja auf dem Foto gesehen. Mittlerweile ist er vermutlich noch größer. Wenn er sich vor dir aufbaut, dann denkst du, er könnte dich zusammenfalten wie ein Blatt Papier. Aber er ist so ziemlich die sanftmütigste Person, die ich je kennen gelernt habe. So eine Art sanfter Riese. Er hat Asthma und ein Händchen für Pflanzen. Er mag Tiere und hat selber zwei Hunde und eine Katze. Seine Eltern leben getrennt, seit er fünf ist und er wohnt… oder… hat gewohnt, ich weiß es nicht, bei seinem Vater und dessen neuer Freundin. Seine große Schwester hat immer bei ihrer Mutter gewohnt. Die beiden haben sich immer super verstanden und viel miteinander unternommen. Sie heißt übrigens Mia…« Antons Stimme verlor sich und er schien nachzudenken. Einen Moment lang dachte Elias, dass er nicht weiter reden wollte, doch er fuhr fort. »Er war nie so der Partymensch, genau wie ich. Und er hatte mit Sport nichts am Hut. Das war immer mehr Lukas’ Ding. Und Fenjas. Er trinkt keinen Alkohol und geht gern ins Theater. Wir sind uns ziemlich ähnlich. Wahrscheinlich irgendwie zu ähnlich…« Elias wurde nicht ganz schlau aus Antons letztem Satz und er ertappte sich dabei, wie er einen Augenblick lang die Luft anhielt. »Ich hab ihn kennen gelernt, weil Fenja mich auf eine… Party geschleift hat. Wir haben uns auf Anhieb verstanden und dann haben wir… mal was zu viert unternommen. Ben ist… na ja… schwul. Und er war in Lukas verliebt«, erklärte er dann und sah Elias nur einen winzigen Moment lang an, ehe er wieder zur Decke hinauf sah. Elias schloss kurz die Augen und schluckte. Das erklärte, wieso Anton nicht erpicht darauf war, Ben wieder zu sehen. Für Ben wäre es wohlmöglich noch schwerer als für Fenja, Anton anzusehen und nicht Lukas in ihm zu sehen. Anton kaute auf seiner Unterlippe herum. Er schien angestrengt nachzudenken, dann, ganz plötzlich, als wollte er etwas schnell hinter sich bringen, wandte er Elias erneut das Gesicht zu. »Du hast mich mal gefragt, ob ich schon mal Liebeskummer hatte«, sagte er und Elias nickte langsam. „Ich hab ‚Ja’ gesagt. Die Wahrheit ist… ich hab Ben auf einer… Homo- Party kennen gelernt, auf die Fenja mich mitgenommen hat. Sie war die Einzige, die je wusste, dass ich… nicht auf… na ja… jedenfalls… meinen ersten und einzigen Liebeskummer hatte ich, weil mein bester Freund in meinen Bruder verliebt war… und ich in ihn.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)