Efeu von Ur (Schlicht und Immergrün) ================================================================================ Kapitel 16: »Schnaps«-idee -------------------------- Elias hatte Anton seit dem Tag nicht mehr gesehen, als er ihm geholfen hatte, die Tiefkühlkost zum Obdachlosenhaus zu bringen. Er hatte weder die Gelegenheit gehabt, Anton fröhliche Weihnachten zu sagen, – die er vermutlich ohnehin nicht gehabt hatte – noch ihm ein frohes neues Jahr zu wünschen. Er dachte noch einige Tage über die Dinge nach, die Alex ihm gegenüber am Telefon erwähnt hatte, doch dann geschah etwas, was das Telefonat erst einmal aus seinen Gedanken vertrieb. Es war der letzte Tag vorm Ende der Ferien und Elias saß in seinem unaufgeräumten Zimmer und zupfte ein wenig an seiner Gitarre herum, ein Notenheft neben sich auf dem Bett und einen kleinen Bleistift hinter dem Ohr, als sich seine Zimmertür öffnete, ohne dass jemand geklopft hatte. Im Türrahmen stand Katharina. Sie war ungeschminkt, was merkwürdig war und sie trug einen ziemlich weiten, uralten Pullover, den sie das letzte Mal vielleicht mit zwölf getragen hatte, als Klamotten noch nicht ganz so wichtig gewesen waren. »Was gibt’s?«, erkundigte sich Elias, die Gitarre auf den Knien und die Augenbrauen erwartungsvoll gehoben. »Männer sind scheiße«, verkündete seine kleine Schwester im Brustton der Überzeugung. Dann brach sie in Tränen aus. Elias erstarrte auf seinem Bett. Er hatte Katharina seit Ewigkeiten nicht mehr weinen gesehen, geschweige denn hatte er je wissen wollen, was genau es in ihrem Leben so gab, das sie dazu bringen könnte. Er legte die Gitarre beiseite und wusste nicht, was er tun sollte. »Willst du… willst du reinkommen?«, fragte er matt und Katharina nickte schniefend, schloss die Tür hinter sich und warf sich dann neben ihm aufs Bett. Elias kam schon seit zwei Jahren nicht mehr sonderlich gut mit seiner kleinen Schwester aus, was daran lag, dass er mit der Pubertät zu dem Zeitpunkt fertig geworden war, als sie gerade damit begonnen hatte. Trotzdem machte es ihn schrecklich betroffen, sie weinen zu sehen, weil er sie in den letzten zwei Jahren nur als zickige Hormonschleuder erlebt hatte, die hauptsächlich aus schlechter Laune bestand. Jetzt lag sie auf seinem Bett und er brachte rasch seine Gitarre in Sicherheit, ehe er sich dazu durchringen konnte, seiner kleinen Schwester leicht den Rücken zu tätscheln. Elias war sich nicht ganz sicher, ob er es wissen wollte, aber es schien ihm angebracht, danach zu fragen. »Was…ist denn los?« Sie schluchzte noch lauter und ihr zierlicher Körper bebte vom Weinen. Elias sah sich hektisch nach Taschentüchern um, doch er fand nur eine alte Weihnachtsserviette auf seinem Nachtschrank, auf die seine Mutter Lebkuchen und Pfeffernüsse gelegt hatte. Er schüttelte die Serviette über dem Boden aus und einige Krümel rieselten auf seinen Parkett- Fußboden. Dann hielt er Katharina die rotgoldene Serviette hin und sie sah auf, griff danach und schnäuzte sich geräuschvoll die Nase. Fünf Minuten lang saßen sie auf seinem Bett und Katharina sagte kein Wort, putzte sich nur ab und an die Nase und schniefte leise. Sie hatte nichts auf seine Frage hin geantwortet. Elias warf ihr ab und an einen Blick von der Seite zu und fragte sich, was um Himmels Willen passiert sein mochte. Dann fiel ihm ein, dass Katharina ja seit ungefähr einem Monat einen Freund hatte. Gehabt hatte? Wenn er seiner Schwester ein Haar gekrümmt hatte, dann würde er sich bald noch einmal prügeln müssen. Seine Mutter wäre sicherlich begeistert. »Spielst du mir was vor?«, fragte sie leise und immer noch ohne ihn anzusehen. Elias blinzelte ein wenig überrascht. Kathi fragte ihn nie, ob er ihr etwas vorspielen konnte, das tat normalerweise nur Nathalie. Vor allem, da Katharina seine Musik überhaupt nicht mochte. Aber scheinbar schien ihr das gerade egal zu sein. »Was willst du hören?«, fragte er und beugte sich zum Boden hinunter, um seine Gitarre zu sich aufs Bett zu holen und sie sich behutsam übers Knie zu legen. »Irgendwas Schönes. Was für Liebeskummer«, meinte sie. Elias sah sich in der Vermutung bestätigt, dass die erste Beziehung seiner Schwester nicht von Erfolg gekrönt gewesen war. Er dachte einen Moment lang nach und fragte sich, ob Herzschmerz- Musik wirklich das Richtige war, aber dann räusperte er sich und ließ seine Finger über die Saiten huschen. »Der Morgen graut, ich bin schon wach Ich lieg im Bett und denke nach Mein Herz ist voll, doch jemand fehlt Ich hätt dir gern noch so viel erzählt« Kathi schniefte erneut und stumme Tränen rannen ihr über die Wangen. Elias heftete seinen Blick auf die Saiten seiner Gitarre. Es war komisch, seine kleine Schwester wegen Liebeskummer weinen zu sehen. Er mochte generell keine weinenden Mädchen, weil er nie wusste, was er zu ihnen sagen oder was er tun sollte. »Traurig sein hat keinen Sinn Die Sonne scheint auch weiterhin Das ist ja grad die Schweinerei Die Sonne scheint, als wäre nichts dabei« Er mochte das Lied und er mochte den Text. Es war kein allzu schmalziges Lied und Kathi hörte nach dem Refrain erst einmal auf zu weinen. Sie lehnte den Kopf an die Wand hinter ihr, schloss die Augen und hörte der Stimme und den Gitarrenklängen ihres Bruders zu, der das erste Mal für sie spielte und sang. »Es wird schon hell, ich fühl mich leer Alles ist anders als bisher Ich wünsche mir, dass es nicht so wär Alles ist anders als bisher Du stehst nie mehr vor meiner Tür Alles ist anders als bisher Die Sonne scheint – ich hasse sie dafür« Schließlich wandte sie ihm das Gesicht zu und beobachtete ihn aus den braunen Augen, die ganz rot und geschwollen aussahen. Auf ihren Wangen hatten sich rote Flecken gebildet. Trotzdem fand Elias, dass sie hübsch war, so weit man das als großer Bruder über seine kleine Schwester sagen konnte. »Es ist nicht wie im Film Da stirbt der Held zum Schluss Damit man nicht zu lange ohne ihn auskommen muss Es ist nicht wie im Film Man kann nicht einfach geh'n Man kann auch nicht zurückspulen Um das Ende nicht zu seh'n« Er hatte noch nie in seinem Leben Liebeskummer gehabt. Wie auch, wenn er noch nie richtig verliebt gewesen war? Er fragte sich, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn man sich fühlte wie in all diesen traurigen Liedern, die von Liebe und dem Verlust derselben handelten. Er hatte nichts dagegen, keinen Liebeskummer zu haben. Gleichzeitig hatte er das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. »Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt Und auch, wenn das jetzt kitschig klingt: Ich hab heut Nacht um dich geweint Ich wünsch dir, dass die Sonne für dich scheint« Als das Lied geendet hatte, schwieg er und ließ seine Finger auf den Saiten seiner geliebten, alten und teilweise schon ziemlich zerkratzten Gitarre ruhen. Die Textzeilen des Liedes hingen noch in der Luft und Kathi betrachtete ihn immer noch, als wäre er plötzlich spannender, als nur der große Bruder. »Du singst gut«, eröffnete sie ihm nach einer Weile und er musste grinsen. »Danke.« Sie schaffte ein schwaches Lächeln und wandte den Blick wieder nach vorn. Aus dem Augenwinkel sah Elias, wie ihre dunklen Augen über das Chaos in seinem Zimmer huschten. Sie war seit Ewigkeiten nicht mehr hier drin gewesen. »Es sieht scheiße aus hier drin«, meinte sie schlicht. Elias schnaubte amüsiert. »Na und? Du musst ja nicht hier drin wohnen«, erklärte er. »Gott sei Dank…« Er fragte sich, ob sie ihm noch sagen würde, wieso sie geweint hatte und vor allem, wieso sie überhaupt zu ihm gekommen war. Gerade, als er zu dem Entschluss gekommen war, dass er eigentlich gar nicht so genau wissen wollte, weswegen Kathi überhaupt geweint hatte, da fing sie an zu reden. »Geht’s bei Männern eigentlich immer nur ums Vögeln? Ich meine… denken die auch noch an andere Sachen? Denkst du auch immer nur ans Vögeln?« Da waren sie also beim Thema angelangt. Wunderbar. Er war nie ein besonders guter Seelentröster gewesen, aber er hatte sich immer alle Mühe gegeben. Er hatte schon seine Cousine nach ihrem Coming Out getröstet, als eine gute Freundin von ihr sich danach von ihr abgewandt hatte. Er hatte Alex getröstet, weil sie sich hässlich und langweilig fand und weil sie dachte, dass sie nie einen Kerl abbekommen würde und weil sie das Internat hasste. Er hatte Nathalie getröstet, wenn die Jungen aus ihrer Klasse sie geärgert hatten und er hatte einige seiner Exfreundinnen getröstet, manchmal sogar, wenn sie wegen ihm geweint hatten. »Nein, ich denke nicht immer ans Vögeln«, sagte er bedächtig und dachte einen Moment an Anton, der immer sehr genau nachdachte, bevor er etwas sagte. Elias tat das normalerweise nicht, aber in diesem Moment hielt er es für angebracht, nichts Unüberlegtes zu sagen. »Aber andere Kerle denken immer nur ans Vögeln!«, sagte Kathi heftig und starrte ihn wütend an, als wäre es seine Schuld. Allerdings fand Elias, dass es ein Fortschritt war, dass sie nicht mehr weinte, sondern sauer war. »Das stimmt. Aber ich kenn Gott sei Dank keinen davon näher«, erwiderte er vorsichtig. Sie schnaubte und dann fing sie doch wieder an zu weinen. »Ich aber«, schluchzte sie und zog die Knie an ihren Oberkörper, um den Kopf darauf zu legen. Elias verfluchte sich innerlich, weil er nicht besser im Trösten war. Dann streckte er eine Hand aus und strich Kathi sachte über den Rücken. »Erzähl schon«, murmelte er leise. Also erzählte sie. Von Nico, den sie auf einer Party kennen gelernt hatte und in den sie sich verknallt hatte, dem sie ihre Nummer gegeben und mit dem sie sich einige Male getroffen hatte, bevor sie vor etwas über einem Monat zusammen gekommen waren. Von Nadja aus ihrem Jahrgang, die mit jedem vögelte und davon, dass sie noch keinen Sex haben wollte und dass Nico das offenbar nicht sonderlich toll fand und dass er ihr allen Ernstes gesagt hatte, er würde sich von ihr trennen, wenn sie nicht mit ihm schlafen wollte. Und dass sie ihn dann mit Nadja gesehen hatte, auf einer anderen Party. Und dass es ihm nicht einmal Leid getan hatte. Es war wie in einem schlechten Film oder wie auf einer dieser Dr. Sommer Seiten, die man als Teenager früher gelesen hatte. »Soll ich ihm so richtig die Fresse polieren?«, fragte er hoffnungsvoll. Kathi gab ein ersticktes Geräusch von sich, halb Lachen, halb Schluchzen. Sie schnaubte noch einmal in die rot- goldene Serviette, nachdem sie sich wieder hingesetzt hatte. »Nein, ist schon ok«, meinte sie schniefend und sah ihn aus ihren rot geweinten Augen an. »Ist Sex denn wirklich so toll?«, fragte sie und bekam einen hochroten Kopf. Elias räusperte sich vernehmlich und fragte sich, ob er diese Wendung des Gesprächs ertragen konnte. »Ähm… kommt drauf an. Wenn es dich beruhigt, mein erstes Mal war eine Katastrophe und ich war danach nicht sonderlich scharf drauf. Also… musst du es nicht unbedingt so eilig haben«, erklärte er ihr und fuhr sich peinlich berührt durch die Haare. Sie sah ihn einen Moment lang an, dann beugte sie sich vor, gab ihm einen Kuss auf die Wange und stand auf. »Du bist ’n toller Bruder, weißt du?«, fragte sie, dann rauschte sie aus seinem Zimmer und ließ Elias vollkommen verwirrt und verwundert zurück. Auch die nächsten Tage sah Kathi unglücklich aus und Elias bemühte sich ihr zwei Mal täglich zu sagen, dass Nico ein Arschloch war, das sie gar nicht verdient hatte. Sie lächelte dann immer und klopfte ihm auf die Schulter, als wollte sie einerseits Danke und andererseits sagen, dass es nun einmal nicht so einfach war. In diesen Momenten kam er sich ziemlich unwissend vor. Er sah Anton erst am ersten Schultag wieder, als sie sich morgens im Treppenhaus trafen. Nachdem er in den Ferien die ganzen Tage lang hatte ausschlafen können, fiel es ihm an diesem Donnerstag besonders schwer, seinen Hintern aus dem Bett zu bekommen. Er hatte Augenringe, die ihm rein metaphorisch gesehen bis zum Kinn gingen und wie so oft schon schlurfte er morgens halbtot neben Anton her. Es war noch dunkel, während sie durch den neu gefallenen Schnee stapften, der letzte Nacht eingesetzt hatte. »Wie waren deine Ferien?«, fragte Anton mit einem Seitenblick, als wollte er sicher gehen, dass Elias nicht jeden Moment im Gehen einschlief. »War nett«, murmelte Elias und schob seine Hände in die Hosentasche, »Weihnachten war viel los und Sylvester war auch witzig.« Er traute sich nicht zu fragen, wie es bei Anton gewesen war. Die kalte Luft, die ihm ins Gesicht peitschte, ließ seine Lebensgeister langsam aber sicher erwachen. Dann wanderten seine Gedanken zu seiner kleinen Schwester, die nun seit einer Woche ziemlich blass aussah. »Meine kleine Schwester hat Liebeskummer«, erklärte er Anton, »ich versuche, sie zu trösten, aber so richtig klappt es nicht, glaub ich. Ich hatte noch nie Liebeskummer.« Anton fuhr sich durch seine schwarzen, glänzenden Haare. »Wahrscheinlich stellst du dich gar nicht so schlecht an, wie du meinst«, gab er zurück. Elias drehte den Kopf und sah Antons Profil im Licht einer Straßenlaterne nachdenklich an. »Hattest du schon mal Liebeskummer?«, erkundigte er sich, wohl wissend, dass er mit diesen ziemlich privaten Themen bei Anton grundsätzlich auf Glatteis ging. Anton antwortete zunächst nicht und seine Miene verfinsterte sich etwas, als würden Erinnerungen sein Gehirn durchfluten, die er lieber im hintersten Winkel seines Gedächtnisses aufbewahrt hätte. Sie erreichten die Straße, in der sich ihre Schule befand und Elias stöhnte innerlich beim Anblick der erleuchteten Fenster. »Ja, hatte ich«, antwortete Anton schließlich, als Elias schon gar keine Antwort mehr erwartet hatte. Dunkel fragte er sich, ob es klug wäre, weiter nach zu fragen, doch Anton schien zu ahnen, dass Elias dieses Thema spannend fand, denn er hob die Hand, sobald sie den Eingang erreicht hatten und hastete in Richtung Klassenräume davon. »Bis später«, sagte Elias verwirrt und schaute seinem Nachbarn hinterher, ehe er schließlich ebenfalls die Eingangshalle durchquerte und an der Wendeltreppe von Markus und Dominik begrüßt wurde und sie gemeinsam zum Raum gingen, in dem sie Englisch hatten. »Es wird übrigens ziemlich wahrscheinlich ein Mädchen«, flüsterte Markus ihm zu, während Herr Kron sich vorne wie so oft die Kordhose zurecht zog, um mit seinem langweiligen Geschwafel zu beginnen. »Herzlichen Glückwunsch«, nuschelte Elias, »habt ihr euch schon für einen Namen entschieden?« Dominik beugte sich zu ihnen hinüber, um zuzuhören. Alles war spannender als der Englischunterricht. »Wir haben uns ein paar ausgesucht, die wir besonders schön finden«, erklärte Markus und seine Wangen färbten sich rot, während er mit der Begeisterung eines werdenden Vaters die Auswahl auf ein Blatt Papier kritzelte. Elias las: Nia- Sophie oder Nia- Marleen oder Lea- Lekysha »Sehr ausgefallen«, meinte er schmunzelnd. Markus schnaubte. »Es wird halt ein Cappuccino- Baby. Wir wollten gern einen deutschen und einen afrikanischen Namen nehmen. Also wird es ein Doppelname. Findest du die Namen scheiße?«, gab er zurück und bei der letzten Frage wurde seine Stimme ganz unsicher. »Quatsch. Die klingen alle klasse«, antwortete Elias und er meinte es auch so. Ausgefallen musste ja nicht schlecht sein. Donnerstag war der einzige Tag, an dem Elias nicht mit Anton nach Hause gehen konnte, weil er in der siebten und achten Stunde noch Sportunterricht hatte. Ihm fiel ein, dass damals alles an einem Donnerstag begonnen hatte. Er war mit Anton zusammen gestoßen und seitdem hatte sich doch einiges verändert. Ja, mittlerweile zählte er Anton zu seinen Freunden, auch wenn da sicherlich eine Menge war, die Anton ihm nicht erzählte und die er ihm wohlmöglich nie erzählen würde. Er hatte sich mit Markus und Dominik für den kommenden Freitag auf ein gemütliches Sit- In mit DVDs, Bier und Popcorn verabredet und fragte sich auf dem Nachhauseweg von der Schule, wegen wem Anton wohl Liebeskummer gehabt hatte. Aufgrund von vorväterlichen Pflichten hatte Markus ihr Sit- In am Freitag auf vier Uhr nachmittags vorverlegt und so kam es, dass Elias schon um halb neun ziemlich angetrunken, wunderbar gelaunt und voll gestopft mit Popcorn und Weintrauben war, die Dominik seinen Eltern aus der Küche geklaut hatte. Sie hatten sich Hangover und Ice Age 3 angeschaut und als Markus verkündete, er müsste gehen, beschloss auch Elias, dass er nach Hause wollte. Er war morgen mit Christine zum Spagetti- Kochen verabredet und es wäre sicherlich nicht schlecht, wenn er etwas früher ins Bett ging. Obwohl er noch ziemlich klar denken konnte, bemerkte er, dass er nicht mehr allzu gerade gehen konnte. Aber was machte das schon. Es war dunkel und matschig und kalt und kaum jemand war draußen unterwegs. Nach zwei Anläufen traf er das Schlüsselloch und als er das Treppenhaus betrat, hörte er von oben leise Klaviermusik. Ohne Alkohol hätte er es vielleicht für keine gute Idee gehalten, jetzt noch bei Anton zu klingeln, doch der Audi seiner Mutter stand nicht unten vorm Haus, was wohl hieß, dass sie wieder einmal ausgegangen war. Er spürte den Alkohol in jeder Gliedmaße, als er die Treppe hinaufstieg und schließlich drückte er auf den Klingelknopf mit der Aufschrift ‚Nickisch’. Die Klaviermusik hielt inne. Elias fragte sich, ob er Anton noch einmal auf das Thema Liebeskummer ansprechen sollte. Vielleicht würde Anton ihm doch erzählen, wegen wem er Liebeskummer gehabt hatte. Die Tür ging auf und Anton sah ihn verwundert blinzelnd an. Elias grinste verschwommen und hob die Hand. »Hey!« Einen Moment lang sah es so aus, als wollte Anton den Gruß erwidern. Dann verharrte er jedoch und starrte Elias an, der sich mit einer Hand am Türrahmen festhielt, um nicht allzu sehr zu wanken. »Hast du was getrunken?«, fragte Anton ihn. Elias blinzelte etwas erstaunt, da er Antons Stimme noch nie dermaßen scharf und schneidend gehört hatte. »Ja, ich war bei einem Freund und-« Weiter kam er nicht. Es war, als hätte er die Büchse der Pandora geöffnet. Antons Augen blitzten wütend, als er mit der Faust gegen den Türrahmen schlug. »Spinnst du, hier aufzukreuzen? Wieso hast du dich so voll laufen lassen, das ist ja widerlich!« Elias hätte nie gedacht, dass Anton schreien könnte. Aber in diesem Augenblick hallte seine Stimme laut und zornerfüllt durchs Treppenhaus. Es sah aus, als wäre Anton vollkommen außer sich. Er schlug Elias’ Hand vom Türrahmen fort und schnaubte. »Sauf dich von mir aus zu Tode, aber lass mich bloß mit deinem Scheiß- Alkohol in Ruhe!« Mit diesen Worten schlug er die Tür so heftig vor Elias’ Nase zu, dass dieser zusammen fuhr. Er stand da wie angewurzelt und vom Donner gerührt. Plötzlich fühlte er sich sehr nüchtern und furchtbar elend. Er hatte irgendetwas falsch gemacht. Auch wenn er überhaupt keine Ahnung hatte, was genau es war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)