Efeu von Ur (Schlicht und Immergrün) ================================================================================ Kapitel 15: Neujahrsgedanken ---------------------------- So. Das hier ist ein kleines Fillerkapitel. Es ist sehr kurz und es passiert absolut nichts, außer ein wenig Gerede. Prinzipiell ist es aber für die Wendung der Geschichte wichtig, weil es jetzt - sozusagen - erst richtig los geht. Ich wünsche euch allen einen sanften und schmerzfreien Rutsch ins neue Jahr! Weil das Kapitel nur ein kleiner Filler ist, widme ich es diesmal niemandem ;) Ich wünsche trotzdem viel Spaß beim Lesen, Liebe Grüße, _______________________________ »Oh mein Gott, weißt du eigentlich, was das bedeutet?«, kreischte Alex in den Hörer und Elias hielt ihn sich vorsichtshalber einen halben Meter von seinem Ohr weg. »Nicht so richtig, nein. Außer, dass er meinen schwarzen Daumen vermutlich mitbekommen hat«, gab er zurück. Er fürchtete um seine Trommelfelle, denn wenn er weiterhin Musik machen wollte, brauchte er ein gesundes Gehör. »Ach Quatsch. Dass bei dir keine Pflanzen überleben… außer Kakteen und Efeu… das hat damit doch gar nichts zu tun, mein Lieber!«, belehrte Alex ihn und klang immer noch total begeistert. Elias warf einen Blick hinüber zu dem kleinen Terrakotta- Topf, der auf seiner Fensterbank stand. Die dunkelgrünen Blätter hingen über den Rand des Topfes hinunter und berührten fast das Holz des Fensterbrettes. Es war eine schlichte Pflanze ohne Schnörkel oder pompöse Blüten. Sie passte irgendwie zu Anton. »Efeu«, sagte Alex und klang, als würde sie eine dramatische Pause einlegen, »ist ein Symbol für Freundschaft.« Auf diese Offenbarung folgte eine Stille. Elias starrte den Blumentopf an und fragte sich, ob Anton das wusste. Aber schon im nächsten Moment war ihm klar, dass Anton es natürlich wusste. Denn Anton überlegte sehr genau, was er sagte und was er tat. Es wäre nicht sein Ding, einfach in einen Blumenladen zu rennen, wahllos einen Topf zu kaufen und ihn dann vor Elias’ Tür zu stellen. »Oh«, war alles, was ihm dazu einfiel. Anton hatte ihm zu Weihnachten – das er sehr wahrscheinlich nicht gefeiert hatte – eine Pflanze geschenkt, die Freundschaft bedeutete. Und er hatte vollkommen vergessen, Anton auch etwas zu kaufen, weil er seinen männlichen Freunden nie irgendetwas schenkte. Das war bei ihnen so Tradition. »Hach, das ist ja so niedlich«, schmachtete Alex am anderen Ende und Elias räusperte sich vernehmlich. »Könntest du das lassen? Immer von uns beiden zu reden, als wären wir dein neues Traumpaar«, grummelte er und Alex kicherte leise am anderen Ende. »Mein neues Traumpaar sind Alex und ich«, erklärte sie ihm ohne Umschweife, »aber ihr beiden seid wirklich ziemlich süß.« Elias verschluckte sich an seiner eigenen Spucke und hüstelte einige Momente lang. Ein verdruckstes Geräusch am anderen Ende ließ ihn wissen, dass Alex sich gerade das Lachen verkniff. »Alex«, sagte er mit nachdrücklichem Unterton, »ich bin im Moment mit meiner achten Freundin zusammen. Freundin«, und er betonte die letzte Silbe besonders stark, um Alex zu verdeutlichen, dass er einfach schlichtweg hetero war. Und überhaupt, wie kam sie auf solche Sachen? »Ja, aber in wie viele davon warst du so richtig verliebt, huh?«, stichelte sie prompt und Elias gab ein undefinierbares Geräusch von sich. »Und du weißt also, wie das ist, richtig verliebt zu sein, ja?«, erwiderte er matt. Alex schwieg einen Moment lang. Dann… »Abgesehen davon, dass ich in meinen ersten Freund Hals über Kopf verliebt bin«, Elias stellte sich vor, wie sie bei diesen Worten knallrot anlief, »war ich schon mal so richtig verliebt.« Elias runzelte die Stirn und blinzelte seinem Fenster entgegen. Entweder ihm war von der Sylvesterfeier noch leicht schwummrig, oder aber Alex hatte nie erwähnt, in wen sie verliebt gewesen war. Dabei erzählten sie sich doch sonst alles… »Ach ja? In wen?«, fragte er vollkommen perplex. Alex schnaubte. »In dich, du Vollidiot. Zweieinhalb Jahre lang«, verkündete sie ihm dann. Elias erstarrte. Gerade hatte er sich durch die vom Duschen nassen Haare streichen wollen. Jetzt hing seine Hand bewegungslos in der Luft über seinem Kopf. Zweifelsfrei sah er gerade wie ein wenig geistreicher Orang-Utan aus. »In… mich?«, erwiderte er so verdattert, wie man nur sein konnte, wenn die beste Freundin, die man seit der Grundschulzeit kannte, einem gerade ihre ehemalige Liebe gestand. »Ja, du Horst. In wen denn sonst? Ich hatte nie sonderlich viele Männerbekanntschaften, falls es dir entgangen sein sollte… also. Was ich damit eigentlich sagen wollte, war, dass ich durchaus weiß, wie es ist, richtig verliebt zu sein!« Elias interessierte sich in diesem Moment herzlich wenig dafür, was die eigentliche Aussage dieser Eröffnung hatte sein sollen. Alex war zweieinhalb Jahre in ihn verliebt gewesen, hatte es ihm nie gesagt und verkündete es ihm nun am Telefon. Einfach so. »Jedenfalls ist es doch nicht abwegig, dass sich jemand, der noch nie in ein Mädchen verliebt war, in einen Jungen verliebt. Die meisten Jungs neigen ja dazu, so was eklig zu finden«, fuhr Alex fachmännisch fort, als würde sie ihn gerade darüber aufklären, wo die Babys herkamen. Elias hatte mittlerweile keine Ahnung mehr, wie sie auf dieses absurde Thema gekommen waren. Alles, was in seinem Kopf Platz fand, waren die Tatsachen, dass Alex heimlich in ihn verliebt gewesen war und dass sie ihm gerade zu verklickern versuchte, dass er eventuell auf Männer stand. »Es geht doch gar nicht darum, dass das eklig ist«, sagte er immer noch vollkommen perplex, »es geht nur darum, dass ich mich nie für Jungs interessiert hab.« »Noch nicht«, meinte Alex scheinheilig. »Wie zum Teufel…« »Na ja, wie auch immer«, unterbrach sie ihn unnötig laut, »was ich dir noch erzählen wollte, es ist unglaublich romantisch unter einem Feuerwerk ins neue Jahr geküsst zu werden, das kannst du mir glauben. Alex’ Freunde sind alle sehr nett, ich dachte eigentlich, sie würden permanent Witze über das Internat oder mein Alter reißen, aber haben sie nicht gemacht. Ich habe mir fürs nächste Jahr vorgenommen, meinen Abschluss mit mindestens 2,0 zu machen, in eine eigene Wohnung zu ziehen und Sex zu haben. Es wird Zeit, dass ich mich vollends der Sünde hingebe und was gibt es Schlimmeres als Sex vor der Ehe mit Verhütung? Wenn der Papst oder meine Ma das wüssten, dann würden sie mich in Weihwasser baden und hoffen, dass es wieder zuwächst, oder so…« Es war viertel vor vier, als Alex und Elias ihr Telefonat beendeten. Er hatte bis halb drei geschlafen, weil er erst morgens um acht nach Hause gekommen war. Der Abend war sehr lustig gewesen, er hatte viel getrunken, Dominik und Christine hatten ihn und Caro beim Kickerspielen viermal hintereinander besiegt und sie hatten draußen vor dem Haus Feuerwerk gemacht. Es hatte die üblichen Trinkspiele gegeben. Flanky- Ball und Meier und als sie alle schon ziemlich betrunken gewesen waren, hatten sie Flaschendrehen gespielt und Markus und Nuri hatten sich wie ein altes Ehepaar auf ein Sofa gesetzt und ihnen belustigt zugesehen, während Christine, Dominik, Caro, Elias und noch einige andere Leute sich gegenseitig die beknacktesten Aufgaben gestellt hatten. Selbstverständlich hatte es auch die üblichen Knutschaufgaben gegeben und Dominik und Christine hatten dreimal miteinander knutschen müssen. Jetzt, wo er nicht mehr mit Alex telefonierte und sich daran erinnerte, fiel ihm wieder auf, dass es ihn überhaupt nicht störte. Er war gern mit Christine zusammen, er hatte gern Sex mit ihr und er fand es toll, dass sie so unkompliziert war. Aber er war eindeutig nicht verliebt in sie. Er hätte sich mit keiner Freundin an den Rand gesetzt und nicht mitgespielt, weil er nicht wollte, dass sie einen anderen küsste. Ihm machte das kein bisschen aus. Vielleicht sollte er all seine Beziehungskisten noch einmal überdenken. Das einzige Mädchen, in das er verknallt gewesen war, war seine zweite Freundin gewesen. Merle. Mit der hatte er dann auch seine längste Beziehung gehabt. Immerhin ein Jahr und zwei Monate. Sie war auch diejenige gewesen, mit der er das erste Mal geschlafen hatte. Aber so richtig bis über beide Ohren verliebt war er in sie nicht gewesen. Wenn er sich Alex und Alex ansah, oder Nuri und Markus. Nachdenklich erhob er sich von seinem Bett, schlurfte in die Küche und wühlte im Kühlschrank nach etwas Essbarem. Und dann erzählte Alex ihm auch noch solche Dinge. Er und Jungs. Alex, die in ihn verliebt gewesen war. Es war eindeutig ein komischer, erster Januar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)