Efeu von Ur (Schlicht und Immergrün) ================================================================================ Kapitel 12: Ein Lächeln ----------------------- Hallo! Diesmal hat das Kapitel ja lang auf sich warten lassen >< Ich hoffe, ihr verzeiht mir! Es gibt eine große Portion Alex und im Anschluss natürlich auch wieder Anton ;) Ich hoffe, dass es euch gefällt. Ganz ganz langsam geht es ja voran mit dem kleinen Eisblock ;) Danke an dieser Stelle an alle Kommentatoren und auch an alle Favoritennehmer :) Viel Spaß beim Lesen, __________________ »ER HAT MICH GEKÜSST!« Elias hielt den Hörer weit von seinem Ohr weg und blinzelte zunächst ein wenig verwirrt, bis ihm einfiel, wen seine beste Freundin wohl mit ‚Er’ meinte und was ihre Worte eigentlich genau bedeuteten. Sein Gehirn schaltete ein wenig langsamer als gewöhnlich, denn es war früh am Morgen und zu dieser Tageszeit war er nie sonderlich aufnahmefähig. Aber scheinbar war heute der Tag der Frühaufsteher, denn er hatte vor einer halben Stunde bereits eine Sms von Markus bekommen, dass er es seinen Eltern gebeichtet hätte und die sich von dem Schock langsam erholten und dass er und Nuri sich jetzt bald an die Liste der afrikanischen Namen machen wollten, um einen davon auszuwählen. Nach dieser Sms war Elias wieder eingeschlafen, aber kaum fünfundzwanzig Minuten später hatte ihn ein dröhnendes ‚She’s so lovely’ erneut aus dem Schlaf gerissen und Alex angekündigt, die offensichtlich vollkommen überdreht war. »Wirklich?«, nuschelte er verschlafen, blinzelte in Richtung Fenster und stellte fest, dass es immer noch nicht ganz hell draußen war. Schrecklich. »Ja, natürlich! Also… Oh Gott, ich hab die Nacht kaum geschlafen, ich bin immer noch total aufgekratzt, wir waren nämlich gestern essen und danach spazieren und…« »Stop!«, sagte er laut in Richtung Handy und rieb sich mit der freien Hand die Augen, »Lass mich doch erstmal wach werden…« Alex schnaubte ungeduldig und Elias konnte vor seinem geistigen – ziemlich verschlafenen Auge – sehen, wie sie mit den Fingerspitzen auf ihrem Schreibtisch herumtippte. Er setzte sich auf und gähnte herzhaft, dann schlurfte er hinüber und ließ die feuchte, verregnete Oktoberluft ins Zimmer. »Kommst du eigentlich zu Markus’ Geburtstag her?«, fragte er verpennt und fröstelte leicht am Fenster, da er nur ein ausgeleiertes T-Shirt und eine karierte Boxershorts trug. »Das ist doch völlig nebensächlich!«, zischelte sie und Elias’ langsam erwachendes Gehirn fragte sich, ob Tamara wohl noch schlief. Schließlich war es Samstag und viertel nach acht war eine sehr unchristliche Zeit, um zu telefonieren… »Ok, dann erzähl mir erst von… er hat dich geküsst?« Die Erkenntnis grub sich in seine Gehirnzellen und plötzlich war er sehr wach. Alex stöhnte entnervt. »Du hast eindeutig ein Problem, mein Bester. Du solltest vielleicht mal daran arbeiten, morgens etwas aufnahmefähiger zu sein! Ja, er hat mich geküsst und wenn Tamara das hört, dann muss ich mir wieder stundenlang anhören, dass ich im Schlund der Hölle schmoren muss, wenn ich irgendwelche unsittlichen Dinge mit ihm anstelle«, flüsterte sie hektisch. Elias stieg über seine Gitarre hinweg zurück zu seinem Bett, ließ sich darauf nieder und deckte seine Beine zu, während sich sein Zimmer mit morgendlicher Herbstluft füllte. Alex schien etwas verstimmt, weil er ihre Neuigkeiten nicht sofort hatte verarbeiten können, allerdings verzieh sie ihm solche Dinge meist relativ schnell, vor allem jetzt, da sie offensichtlich darauf brannte, ihm alles haarklein zu erzählen. »Wir waren Pizza essen in der Stadt und es war total toll und…« Ein ihm schon so liebenswert bekannter alex’scher Redeschwall folgte, in dem sie ihm jedes winzige Detail ihres mittlerweile dritten Dates erzählte und schließlich bei dem Teil angelangte, der Elias mit Abstand am meisten interessierte, immerhin ging es hier um den offiziellen ersten Kuss seiner besten Freundin. Der Kuss mit ihm konnte keinesfalls als offiziell gewertet werden, was sie ihm ebenfalls verkündete und er hörte deutlich, wie ihre Stimme vor Aufregung vibrierte. »Und dann hat er mich noch bis vorn ans Tor gebracht und natürlich war es schon dunkel und ich war sowieso schon die ganze Zeit total hibbelig und ich hatte schon überlegt, wie ich mich verabschieden soll, weil wir uns bisher immer umarmt hatten, aber irgendwie wollte ich ihn schon gern küssen, nur hab ich mich eben nicht getraut, dann hatte ich mich eigentlich für einen Kuss auf die Wange entschieden, aber als ich mich dann schon auf Zehenspitzen gestellt hab, von wegen Augen zu und durch, da hat er plötzlich gemeint, dass er jetzt einfach nicht anders kann und dann hatte er mich auch schon im Arm und hat mich geküsst und ich hatte das Gefühl, dass ich gleich umfalle und hach Elli, er kann so toll küssen – nichts gegen deine Kusskünste jetzt – aber der Kuss war noch viel besser als unserer und mir ist ganz anders geworden und ich bin fast explodiert vor lauter Herzklopfen und ich glaube, ich sah ein bisschen besoffen aus, als er den Kuss unterbrochen hat und er hat so lieb gelächelt und meinte dann, dass er schon die ganze Zeit wissen wollte, wie es wohl wäre, mich zu küssen und dann standen wir noch ewig lang da draußen und haben uns immer wieder geküsst und ich konnte gar nicht genug kriegen… ich glaube ich bin süchtig. Jedenfalls sehe ich ihn am Dienstag wieder und ich bin jetzt einfach total unsicher, ob das heißt, dass wir jetzt zusammen sind oder eben nicht, weil wenn wir zusammen sind, dann habe ich schon meinen ersten Freund, ohne es zu wissen und wenn nicht, dann weiß ich aber auch nicht, wie ich ihm sagen soll, dass ich gerne mit ihm zusammen wäre…« Elias’ Gehirn fühlte sich ein wenig schwurbelig an. »Frag ihn doch einfach?«, schlug er zweifelnd vor, obwohl er sich ziemlich sicher war, die Antwort schon zu kennen. »Bist du irre? Ich kann doch nicht einfach hingehen und fragen: ‚Hey, Alex, sag mal, sind wir eigentlich zusammen oder was?’. Das ist doch total bescheuert, am Ende hält er mich noch für minderbemittelt. Wenn wir schon zusammen sind, dann ist der sechzehnte Oktober unser Tag, so was muss man doch wissen… ach ich weiß auch nicht, was ich machen soll…« Elias bemühte sich die folgende Viertelstunde so gut es ging, Alex Mut zu machen und ihr zu versichern, dass sie eine tolle Frau war, die man als Junge einfach toll finden musste und dass Alex sicher mehr als dankbar und glücklich sein musste, weil sie sich für ihn entschieden hatte. Als sie das Thema schließlich über eine Stunde erläutert und durchgekaut hatten, schien Alex ein wenig ruhiger geworden zu sein. »Wie geht’s deinen Jungs?«, erkundigte sie sich. Elias gähnte. »Markus und Nuri bekommen ein Baby«, sagte er unbedacht. »WAS? UND DAS SAGST DU MIR JETZT ERST? Oh Gott, wie ist das denn… ok, ich weiß, wie es passiert ist, aber, Himmel Herrgott! Ein Kind in dem Alter? Wollen sie es behalten? Was sagen ihre Eltern dazu? Wie lange wissen sie es denn schon? Und überhaupt, oh Gott, Elli, EIN BABY!« Eine weitere viertel Stunde verging, in der Elias’ Magen deutlich zu knurren begann und nach Frühstück verlangte, doch Alex schien fest entschlossen zu sein, dieses Telefonat noch etwas länger fortzuführen. »Ich treff’ mich heute mit Anton, er war gestern nach der Schule mit bei mir und wir haben Musik durchgehört und über Songtexte geredet und so. Er ist eigentlich echt nett, es dauert nur irgendwie ziemlich lange, bis er auftaut«, erklärte er schließlich. Alex schwieg einen Moment. »Ihr versteht euch gut, was?«, fragte sie und Elias hörte sie lächeln. »Ja, eigentlich schon. Ich dränge mich ihm ab und zu ziemlich auf, aber bisher hat er noch nicht die Schnauze voll«, meinte er schmunzelnd. Alex kicherte. »Lern ich Anton irgendwann mal kennen?«, erkundigte sie sich. »Weiß nicht. Wenn wir uns anfreunden und du mal vorbei kommst, wieso nicht«, entgegnete er schulternzuckend und sein Magen ließ ein lautes Röhren hören. »Boah, Alex, ich muss erstmal was essen gehen. Schreib mir, wenn was mit deinem Kerl ist, ok?«¸sagte er kläglich und sie grummelte leise, willigte aber schließlich ein und kurze Zeit später legte sie auf. Wie schon am vorigen Morgen sah der Teil seiner Familie, der bereits anwesend war, ziemlich erstaunt aus, weil Elias sich schon zu ihnen gesellte. Katharina war nicht da und sein Vater schlief sicher immer noch. Elias hatte das Langschläferdasein von ihm geerbt. Als er schließlich um zehn aus der Dusche kam, fühlte er sich ein wenig merkwürdig, weil er den ganzen Tag noch vor sich hatte und nicht bereits das Mittagessen anstand, denn normalerweise stand er am Wochenende nicht vor halb eins auf. Ein wenig unschlüssig ging er in sein Zimmer, schloss hastig das Fenster, da es draußen mittlerweile wieder wie aus Eimern regnete. Er freute sich jetzt schon wieder auf den Sommer. Regen, Schnee und Kälte waren einfach nichts für ihn. Christine schrieb ihm um elf, ob er Lust hatte mit ihr in die Stadt zu gehen, weil sie noch dringend ein paar Besorgungen machen wollte, aber ihm war das Wetter eindeutig zu schlecht, um durch die Innenstadt zu latschen. Dann antwortete er auf Markus’ Sms bezüglich seiner Eltern und des Babynamens. Es fühlte sich immer noch merkwürdig an, dass einer seiner besten Freunde bald Vater werden würde und er fragte sich, wie es werden würde, wenn sie nicht mehr jedes Wochenende zu dritt oder zu viert weggehen konnten. Seufzend legte er sein Handy beiseite und streckte sich, dann beschloss er, dass er seine Hausaufgaben erledigen könnte. Dieser Plan wurde jedoch von seiner kleinen Schwester vereitelt, die offenbar der Meinung war, dass Elias sich nun, da er schon einmal früh an einem Samstag wach war, auch mit ihr beschäftigen könnte. Gerade wollte er Nathalie halbherzig erklären, dass er erst seine Hausaufgaben wollte, als es leise an der Haustür klopfte. »Wer kommt so früh her?«, fragte Nathalie und fegte durch den Flur in Richtung Tür. Elias fiel zu spät ein, dass das vielleicht Anton war – auch wenn er nicht wusste, ob Anton freiwillig so früh kommen würde – aber da hörte er schon Nathalie sprechen. »Hallo! Willst du zu Elli? Der ist ausnahmsweise schon wach! Aber er wollte gerade was mit mir spielen!« Er hastete durch den Flur, kam schlitternd vor der Haustür zum Stehen und sah in Antons ziemlich verdattertes Gesicht. »Hi!«, sagte er zu Anton und Anton hob leicht die Hand zum Gruß. Elias räusperte sich. »Ja… ich wusste nicht, dass du so früh kommst…« »Eigentlich… ja, ich dachte mir schon, dass das wahrscheinlich nicht so gut passt, ich hab nur drüben… also… meine Mutter hat Besuch und ich… ich geh wieder rüber, wenn es nicht so gut passt«, stammelte er verlegen vor sich hin. Das erste Mal klang er nicht so, als würde er seine Worte sorgfältig abwägen. Er klang nervös und peinlich berührt und ein wenig kläglich, so als wäre der Besuch seiner Mutter niemand, dem er über den Weg laufen würde. Elias grinste ihn aufmunternd an. »Magst du Memory?«, fragte er amüsiert, während Nathalie jubelte, dann zog sie Anton in die Wohnung und schlug die Tür zu. »Ja, wir spielen Memory! Zu dritt macht es mehr Spaß!« Und Nathalie rannte ihnen voran ins Wohnzimmer, um das Spiel aus dem Schrank zu holen. Anton sah vollkommen perplex aus und starrte Nathalie nach, als wäre sie ein Geist. »Ist das ok für dich?«, fragte Elias flüsternd und Anton wandte den Blick von der geöffneten Wohnzimmertür ab, in dem man Nathalie nun kramen hören konnte. »Ja… klar«, sagte Anton immer noch leicht geschockt. Elias musste grinsen, biss sich auf die Unterlippe und ging dann Anton voran ins Wohnzimmer, wo Nathalie schon fleißig die Karten mischte. Elias ließ sich auf dem Teppich vor dem Wohnzimmertisch nieder und half seiner Schwester dabei, die Karten feinsäuberlich in mehrere Reihen verdeckt hinzulegen. Anton sah sich um, wie er es schon in Elias’ Zimmer getan hatte und seine Augen hingen einen Moment an dem großen, drei Jahre alten Familienfoto, das auf dem Regal überm Fernseher stand. Dann wandte er sich dem Spiel zu, setzte sich neben Elias auf den Boden und beobachtete, wie Nathalie voller Begeisterung die Pappschachtel des Spiels in den Sessel warf und die beiden Jungen anstrahlte. »Ich will anfangen!«, sagte sie prompt und Elias schnaubte, grinste aber und nickte. Wie es sich schnell herausstellte, hatte Anton ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis. Elias schaffte es gerade so, ein Pärchen zu finden, während sich neben Anton die Karten stapelten. Seine Schwester, die Gott sei Dank eine gute Verliererin war, zeigte sich zunehmend begeistert davon, dass Anton so gut Memory spielen konnte und sie taute sichtlich auf. Nachdem Anton haushoch gewonnen hatte, plapperte sie schon von ihren Lieblingspokémon und davon, dass sie in zwei Wochen mit ihrer Mannschaft zu einem Handballturnier fuhr. Um zwölf kroch sein Vater aus dem Bett, nuschelte kurz ‚Gute Nacht’, als er am Wohnzimmer vorbei schlurfte und Nathalie kicherte leise, ehe sie die kniffligste aller Fragen stellte. »Magst du Pokémon?« Anton blinzelte ein wenig verwirrt und räusperte sich dann. Elias war sich sicher, dass Anton nie einer der Jungen gewesen war, die solche Sendungen toll gefunden hatten, aber es zeigte sich, dass Anton nicht nur ein gutes Gedächtnis, sondern auch ein sehr gutes diplomatisches Gespür hatte. »Ich kenne es leider nicht, aber vielleicht kannst du mir ja ein bisschen erklären, worum es so geht.« Da sie ihm zuerst nur von ihren Lieblingspokémon erzählt hatte, musste Anton sich jetzt die Haupstory anhören, Nathalie erklärte, was es für Orden gab und wer Ash’s Freunde waren und das alles brasselte sie so durcheinander vor sich her, dass Elias einigermaßen beeindruckt war, dass Antons Kopf nicht schon zu rauchen begonnen hatte. Es kam, was kommen musste und den Rest des Nachmittags verbrachten Anton und Elias damit, mit Nathalie wahllose Pokémon- Folgen anzusehen. Anton schien sich aber nicht daran zu stören. Er aß mit ihnen Mittag – um vier Uhr nachmittags, weil ihr Vater erst so spät gefrühstückt hatte – und machte seiner Mutter Komplimente für ihre Kochkünste. Sie erkundigte sich bei ihm über die Schule und seine Lieblingsfächer und lobte seine Pünktlichkeit. »Es ist schön hier bei dir«, murmelte Anton leise und kaum hörbar, als sie den Flur durchquerten, um sich in Elias’ Zimmer zu verziehen. Elias sah Anton von der Seite an und meinte, einen beinahe sehnsüchtigen Ausdruck auf dem blassen Gesicht zu erkennen. Er räusperte sich leicht verlegen. »Du kannst immer rüber kommen… wenn du… na ja, falls du drüben nicht sein willst«, sagte er und hoffte, Anton damit nicht auf den Schlips zu treten. Doch Elias war sich mittlerweile beinahe sicher, dass der Besuch von Antons Mutter jemand war, der schon seit gestern Nacht da war. Und er konnte sehr gut verstehen, dass Anton keine Lust auf die Affären seiner Mutter hatte. Anton nickte kaum merklich und als Elias seine Zimmertür hinter sich schloss, wandte Anton sich ihm zu, sah ihn einen Augenblick lang schweigend an und dann huschte ein kaum merkliches Lächeln über den schmalen Mund seines Nachbarn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)