Efeu von Ur (Schlicht und Immergrün) ================================================================================ Kapitel 6: Ein merkwürdiger Junge --------------------------------- Hey ihr Lieben :) Danke für all die lieben Kommentare und die Favoriteneinträge. Ich habe ein neues, kleines Shonen Ai- Projekt am Laufen und wer sich dafür interessiert, dem schicke ich gern eine ENS, sobald es hochgeladen ist. Viel Spaß beim Lesen, Liebe Grüße, _________________ Am Mittwochnachmittag rief Alex ihn erneut an und aus seiner Hosentasche dröhnte wie üblich She’s so lovely. Er musste grinsen, als er daran dachte, dass Alex ihm verkündet hatte, jedes Mädchen, mit dem er zusammen war, würde diesen Klingelton falsch verstehen. »Hey Alex«, begrüßte er sie und legte den Kugelschreiber beiseite, mit dem er gerade seine Geschichtshausaufgaben erledigte. »Ich sage dir, nächste Woche werde ich sterben. Ich hoffe dir ist bewusst, dass wir uns nie wieder sehen werden und du begrüßt mich einfach nur mit ‚Hallo Alex’«, beklagte sie sich bei ihm. Er lachte und erhob sich von seinem Schreibtischstuhl, stakste durch sein neuerliches Chaos – hatte er nicht letztens von seiner Mutter eine Aufräumorder bekommen? – hinüber zum Bett und ließ sich darauf fallen. Wenn man mit Alex telefonierte, sollte man es sich so bequem wie möglich machen. »Also, wie soll ich dich sonst begrüßen?«, fragte er grinsend und betrachtete seine Decke. »Wie wäre es mit ‚Alex, meine einzig wahre Freundin, die tollste Frau in meinem Leben, bitte geh nicht in dieses Kloster, ich kann nicht ohne dich leben’?«, gab sie zurück. Elias biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut zu lachen. »Aber du weißt doch, dass du die tollste Frau in meinem Leben bist«, erwiderte er. Alex schwieg einen Moment. Elias stellte sich bildlich vor, wie sie rot anlief und auf ihrer Unterlippe herumkaute. »Echt?« Er grinste seine weiße Decke an. »Echt. Vielleicht mit Ausnahme von Nathalie. Ihr seid beide die tollsten Frauen in meinem Leben«, erklärte er amüsiert. Alex kicherte. »Ich denke, mit ihr als Konkurrentin kann ich leben. Und jetzt erzähl mal, wie ist das Gespräch mit deinem namenlosen Nachbarsjungen gelaufen?« »Ähm«, sagte Elias und erinnerte sich an die Begegnung, die eigentlich ein Gespräch hatte werden sollen, dann aber irgendwie etwas ganz anderes geworden war… etwas Undefinierbares. Aber immerhin hatte er einen Erfolg zu verbuchen: Er hatte den Namen herausgefunden! »Er heißt Anton«, gab er zurück. Stille am anderen Ende. »Aha. Und sonst so? Hat er noch mehr gesagt als seinen Namen, oder hast du ihn so vollgetextet, dass er nicht zu Wort gekommen ist?«, erkundigte sie sich und Elias hörte deutlich, dass sie schmunzelte. »Das ist dein Part«, stichelte er und sie prustete entrüstet in den Hörer. »Was soll das denn heißen? Ich glaube, ich muss es mir noch überlegen, ob ich dir in zwei Wochen einen Termin in meinem überfüllten Kalender einräumen kann… Übrigens gehen wir Freitag in die Stadt, abends gibt’s ein Rockkonzert und ich muss unbedingt mal wieder raus aus diesem Höllenschuppen«, meinte sie. Elias runzelte die Stirn. »Lasst euch aber nicht erwischen. Wie war das? Ausgangssperre nach 22 Uhr?«, erkundigte er sich und musste im nächsten Moment schon wieder grinsen, weil Alex auf die Regeln pfiff und trotzdem regelmäßig mit einigen Mädchen nachts die Stadt unsicher machte. Sie telefonierten noch anderthalb Stunden, dann musste Elias auflegen. Er hatte ihr schließlich doch noch erzählt, was bei der zweiten Begegnung mit Anton passiert war und Alex hatte einen ziemlich langen Vortrag über Mobbing an Schulen und über verschiedene Karatetechniken gehalten, die ihr für solche ‚hirnlosen Vollpfosten’ (im Hintergrund hatte Tamara gezischt) passend erschienen. »Ich treff mich noch mit Chris«, hatte er entschuldigend gesagt, als sie sich beschwert hatte, weil er auflegen musste. »Chris? Kenn ich den schon?«, hatte sie verwirrt gefragt, woraufhin Elias sich geräuspert hatte. »Christine.« Wie immer hatte Alex sich beklagt, dass er zu viele Frauen abschleppte, dann hatte sie aber doch schmollend verlangt, dass er ihr alles darüber erzählen sollte. Eine Stunde später klingelte er bei Chris an der Wohnungstür. Es dauerte eine Weile, bis die Tür geöffnet wurde und dann war es nicht Chris, die öffnete, sondern ein Junge um die sechzehn, der ihn abschätzend musterte. »Chris«, brüllte er dann über die Schulter, »dein Stecher ist da!« Elias räusperte sich vernehmlich und der Junge wandte sich ihm zu. »Ich bin Daniel«, sagte er dann mit diesem Unterton, der sehr deutlich machte, dass Daniel sich eigentlich für zu cool hielt, um hier mit dem ‚Stecher’ seiner Schwester herum zu stehen. »Elias«, gab er zurück und sah über den Kopf des Kleineren hinweg zu Chris hin, die mit verschränkten Armen im Flur stand und ihren kleinen Bruder säuerlich musterte. »Musst du immer so den Dicken raushängen lassen, wenn ich Besuch kriege?«, blaffte sie ihn an. Daniel zuckte die Schultern. »Aber es stimmt doch. Er ist dein neuer Stecher«, gab er zurück, wich einem Schlag seiner Schwester aus und verschwand den Flur hinunter. Elias hörte eine Tür zufallen. »Entschuldige«, meinte Chris, grinste ihn an und umarmte ihn zur Begrüßung, ehe sie zur Seite trat, damit er hereinkommen konnte, »das macht die Pubertät.« Elias schmunzelte und zog sich die Schuhe aus, ehe er sich in dem kleinen Flur umsah. Es gab einen großen Berg Schuhe – allerdings war davon nur ein Paar offensichtlich passend für Chris – und eine Garderobe, an der mehrere Jacken hingen. Ein großer Bilderrahmen an der Wand zeigte Chris’ Familie irgendwo am Meer. Daniel hatte eine dieser HipHopper- Gesten aufgelegt, doch seine vermeintliche Coolness wurde dadurch ruiniert, dass seine große Schwester ihm Hasenohren am Hinterkopf machte. »Daniel hasst dieses Foto«, sagte Chris amüsiert, nachdem sie Elias Blick gefolgt war. Dann nahm sie ihm die Jacke ab und hängte sie wahllos an einen der Garderobenhaken. Elias folgte ihr den Flur hinunter bis hin zur letzten Tür, an der ein Schild mit der Aufschrift ‚Hinknien, anklopfen und um Audienz bitten’ hing. »Muss ich mich auch hinknien?«, erkundigte sich Elias breit grinsend. Chris stieß die Tür auf und lachte leise. »Nicht, dass ich prinzipiell was dagegen hätte, aber es muss nicht sein«, erwiderte sie neckisch, winkte ihn in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter ihnen. Das Zimmer war recht klein, schlicht eingerichtet und ordentlich. Die Möbel waren fast alle weiß, bis auf das Metallbett, dessen Gestell schwarz und verschnörkelt war. An dem quadratischen Fenster hingen weiße Gardinen, der Teppich war hellgrau und über dem Bett hing ein einziges Panorama- Poster von einer Strandlandschaft mit Palmen. »Ich fürchte, du darfst mein Zimmer nie betreten«, meinte er und setzte sich langsam auf ihr Bett. Sie lachte. »Ich kann es mir gut vorstellen. Ist sicher so eine richtige Chaosbude, oder?«, entgegnete sie und ließ sich neben ihn aufs Bett fallen. Sie roch nach Vanille und irgendwie passte das zu ihrem Zimmer. »Ja, ich fürchte schon. Und die Möbel passen alle nicht zusammen, die Wände sind mit Postern tapeziert und ich habe Pokémon- Sticker an meinem Kleiderschrank«, erklärte er grinsend. Sie lachte, dann stupste sie ihm mit dem Finger auf die Brust, woraufhin er sich nach hinten fallen ließ und sie sich über ihn beugte. »Also wirst du mich nie zu dir einladen?«, murmelte sie lächelnd. Elias schmunzelte. »Vielleicht überleg ich’s mir noch mal«, gab er zurück. Dann küsste sie ihn und er schloss die Augen, legte seine Arme um sie und erwiderte den Kuss. Um neun war er wieder zu Hause, aufgrund von Hausaufgaben und dem festen Vorsatz, noch etwas von dem Hackbraten zu essen, den es heute zum Mittagessen gegeben hatte. »Na, wie war dein Date?«, fragte seine Mutter amüsiert, als Elias aus seinem Zimmer kam, um in die Küche zu gehen und nach dem Braten zu sehen. »Nett«, erwiderte er und streckte seiner Mutter die Zunge heraus. Gerade wollte er sich erkundigen, ob noch Bohnen da waren, da klopfte es leise an der Tür. Schwungvoll wandte er sich um, öffnete die Tür und blinzelte erstaunt. Anton stand dort, seine Brotbüchse in der Hand und er sah ein wenig verlegen aus. »Hallo«, meinte er, warf Elias’ Mutter einen kurzen Blick zu und hielt Elias dann die Brotbox hin. Er nahm sie und wollte sich gerade bedanken, als seine Mutter ihre mütterlichen Instinkte auspackte und sich an ihm vorbei schob. »Hallo mein Junge«, sagte sie freundlich, »hast du nicht Lust rein zu kommen und mit uns was zu essen? Wir haben noch Hackbraten von heute Mittag!« Anton schien vollkommen perplex von der spontanen Einladung, doch seine Mutter war wirklich hervorragend darin, Menschen zu überrumpeln und so bugsierte sie Anton schlichtweg an Elias vorbei in den Flur und in die Küche. Elias hatte das deutliche Gefühl, dass seine Mutter nicht viel von Frau Nickisch hielt nun der Meinung war, der arme Junge brauchte so etwas wie eine Ersatzmutter. Elias fand das zwar ziemlich voreilig, aber er seufzte ergeben und folgte den beiden in die Küche. Seine Mutter stand schon am Herd und wärmte Bohnen, Kartoffeln und den Hackbraten auf, während Anton ziemlich verloren am Küchentisch saß und sich umblickte. Elias setzte sich schwungvoll ihm gegenüber und räusperte sich. Vielleicht sollte er einfach drauflos reden… »Und, hast du deine Kurse mittlerweile gewählt?«, erkundigte er sich bei Anton und legte die Brotbüchse auf den Tisch, ehe er seine volle Aufmerksamkeit Anton zuwandte. Der nickte. Allerdings schien er einer von diesen Menschen zu sein, denen man alles aus der Nase ziehen musste. »Und, was für LKs hast du?« Anton räusperte sich, während Elias’ Mutter leise lächeln durch die Küche huschte, Teller aus den Schränken nahm, den Tisch deckte und zwischendurch die Bohnen umrührte. »Deutsch, Musik und Geschichte«, sagte er, dann zögerte er einen Moment und fügte hinzu: »Bio und Philosophie Grundkurs.« Diese Information ohne vorangegangen Frage hielt Elias für einen Fortschritt und so quatschte er munter weiter. »Ich hab Mathe, Physik und Erdkunde. Musikunterricht an Schulen find ich nicht so gut. Und mit Politik mündlich hab ich mich verwählt, glaub ich. Herr Tau mag mich, glaub ich, auch nicht besonders«, erklärte er vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen. »Ich hab auch Herrn Tau in Politik«, sagte Anton. Seine Stimme war leise und ruhig und Elias hatte den Eindruck, dass man ihm bestimmt angenehm bei Erzählungen zuhören könnte. Wenn er sich denn zu mehreren Sätzen hinreißen lassen würde. »Ich mag ihn nicht wirklich. Er redet so viel und schweift ständig vom Thema ab…«, meinte Elias. »Das ist mir auch schon aufgefallen. Aber ich hatte ihn erst zweimal. Er hat uns einen Vortrag über Kommunismus gehalten…« Elias winkte ab und war insgeheim begeistert, dass er gerade tatsächlich schaffte, sich mit dem stillen Nachbarn zu unterhalten, ohne dass dieser wegrennen konnte. »Ja, das macht er in jedem Kurs, glaub mir. Er steht total auf Kommunismus. Und hat er euch erzählt, das er es nicht gut findet, mehr zu verdienen als ein Müllmann?« Anton nickte und lehnte sich im Stuhl zurück, als Elias’ Mutter mit dem Kartoffeltopf zu ihnen heran trat und ihnen beiden einen viel zu großen Berg Kartoffeln auftat. Anton blinzelte verwirrt seinen Teller an. Im nächsten Moment häufte seine Mutter schon Bohnen und eine Scheibe Hackbraten samt Soße hinzu und Antons Augen wurden immer größer, aber er schien nichts sagen zu wollen und so griff Elias gut gelaunt nach seinem Besteck und begann zu essen. Seine Mutter verließ taktvollerweise die Küche und Elias hörte sie im Wohnzimmer den Fernseher einschalten. »Deine Mutter ist nett«, sagte Anton zögerlich und zerdrückte seine Kartoffeln behutsam mit der Gabel, ehe er anfing zu essen. Elias grinste. »Ja, das ist sie. Sie ist so eine richtige Bilderbuchmami. Manchmal erinnert sie mich an Molly Weasley aus Harry Potter«, erklärte er freiweg. Anton blinzelte und starrte ihn an, als könnte er es nicht fassen, dass Elias Harry Potter gelesen hatte. »Kennst du Harry Potter nicht?«, wollte Elias wissen und schob sich ein großes Stück Hackbraten in den Mund. Anton spießte ein paar Bohnen auf seine Gabel und räusperte sich. »Doch. Schon…«, gab er zurück und ein leichter Rotschimmer bildete sich auf seinen Wangen. »Ist dir das peinlich? Muss es nicht, ich hab alle Bücher gelesen, allein schon weil meine kleine Schwester mich dazu gezwungen hat, aber ich fand’s gar nicht so schlecht. Die Filme sind natürlich kompletter Humbug, aber die Bücher sind toll«, plapperte er weiter und erinnerte sich daran, dass Alex ihn gefragt hatte, ob er Anton so zugequatscht hatte, dass dieser nicht zu Wort gekommen war. »Ich mag die Filme auch nicht. Aber die Bücher hab ich alle im Schrank«, sagte Anton zögerlich zwischen zwei Bissen Kartoffeln. Die Themen Harry Potter und Schule trugen sie durchs ganze Abendessen, auch wenn Elias sehr viel mehr redete und Anton das meiste aus der Nase ziehen musste. Als sie schließlich aufgegessen hatten, sah Anton sich in der Küche um, bis er die Spülmaschine entdeckte. Dann stand er langsam auf, öffnete sie vorsichtig und stellte seinen und Elias’ Teller hinein. Elias war so perplex, dass er nicht einmal aufstehen und ihm helfen konnte. Als die Spülmaschine wieder zuging, kam seine Mutter in die Küche gewuselt. »Na, hat es geschmeckt?«, erkundigte sie sich strahlend. Anton nickte zaghaft. »Sehr lecker, vielen Dank«, gab er zurück. Elias sah, dass seine Mutter schon wieder diesen zärtlichen Ausdruck im Gesicht bekam. Sie war so durchschaubar, dass Elias es beinahe ein wenig peinlich fand. »Du kannst gern öfter zum Essen kommen, mein Junge«, sagte sie auch prompt. »Anton«, meinte er. »Du kannst gern öfter zum Essen kommen, Anton«, wiederholte seine Mutter schmunzelnd, dann machte sie sich daran, die Töpfe vom Herd in die Spüle zu räumen. Elias erhob sich. »Ich werd dann wieder rüber gehen«, sagte Anton und fuhr sich durch die schwarzen Haare. Elias brachte Anton zur Tür und hielt sie ihm auf. Der Kleinere ging an ihm vorbei, zog einen Wohnungsschlüssel aus seiner Hosentasche und drehte sich noch kurz zu ihm um. Einen Moment lang hatte Elias das Gefühl, dass er irgendetwas sagen wollte, doch dann schloss er die Tür auf, sagte »Tschüss« und war im nächsten Moment verschwunden. Elias ließ die Wohnungstür zufallen und ging in sein Zimmer, setzte sich an den Schreibtisch und zog seine halbfertigen Geschichtshausaufgaben zu sich heran. Anton war ein ziemlich merkwürdiger Junge, fand er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)