Desteral Storys - Krieg auf Aira / Erzählungen von SunnyFlower (Zwischen den Zeilen....) ================================================================================ Kapitel 23: Ein anderes Kapitel: Wie von Sinnen - Teil 1 -------------------------------------------------------- Einen solchen Winter hatte die Insel Palooza schon lange nicht mehr erlebt. Fast kniehoch lag der Schnee. Die Küsten waren zum Teil zugefroren, selbst im Heißesten aller vierzehn Königreichen war der Sand von Raureif bedeckt. Für Schiffe und Kutschen war es nahezu unmöglich sich fortzubewegen, und Pferde versanken mit ihren dünnen Beinen in den Schneemassen. So einen Schneefall hatte es lange nicht mehr auf Palooza gegeben, doch nahmen die Bewohner es mit Fassung. Der einfachste Weg war es, sich zu Fuß fortzubewegen. Immerhin war alles auch nur halb so schlimm, wie es klang – Es gab keinen einzigen Schneesturm, und der meiste Schneefall ereignete sich in der tiefsten Nacht. Ein sehr kalter Winter, mehr war es nicht. Doch erinnerten diese Schneemassen die junge Frau Siri nur allzu sehr an die Dinge, die sie im letzten Jahr erlebt hatte. Letztes Jahr im Hochsommer lagen solche Schneemassen über ganz Desteral. Wie kam es dazu, dass Schnee im Hochsommer lag? Schuld daran waren die dunklen Kreaturen gewesen, die durch Leichtsinn geweckt worden waren. Sie hatten das Wetter durcheinander gebracht und ganz Desteral bedroht, wollten sie doch Rache nehmen. Dafür, dass sie vor ewigen Zeiten von der desteralischen Königsfamilie mit einen Bann belegt wurden, der sie Jahrhunderte lang schlafen ließ. So wüteten sie über das ganze Land, auf der Suche nach den letzten Nachkommen der Monarchie – Sie sollten dafür bezahlen, was ihre Vorfahren diesen dunklen Wesen angetan hatten. In dieser dunklen und kalten Zeit hatte Siri vieles über sich erfahren – Wie sie fühlte, wer sie war und wer sie vielleicht einmal sein würde. Ihr war bewusst geworden, dass sich die Zukunft stets ändern konnte – Ganz gleich, wie schmerzhaft oder wunderschön sie auf dem ersten Blick schien. Vorsichtig drückte sie die Hand, die sie durch die kalte Landschaft Paloozas zog: „Sind wir bald da, Lyze?“ „Ich weiß es nicht.“, erwiderte der Halbengel an ihrer Seite und er blinzelte, blendete ihn doch der reflektierende Schnee: „Wir waren sehr lange nicht mehr hier, und unter den Schneemassen sieht alles gleich aus.“ „Achso.“, sie lächelte: „Hoffentlich erfrieren wir nicht.“ „Frierst du denn?“, Lyze sah zu ihr: Eigentlich waren sie dick genug angezogen, doch froren Frauen bekannterweise schneller als Männer. „Nein Nein-“, Siri schüttelte den Kopf. „Warum sagst du dann so etwas?“, sie konnte ein leises Seufzen hören. „Weil ich es furchtbar finde, ohne jedes Wort durch den Schnee zu stapfen!“, eine Schnute ziehend drehte sie ihren Kopf zur Seite: „Wir irren hier sicher schon seit Stunden herum.“ Ein leichtes Lächeln zierte Lyzes Gesicht: „Entschuldige, ich war nur so in Gedanken.“ „So wie immer.“ „Siri-“, er drückte ihre Hand: „Wir sollten uns darauf konzentrieren, den Weg zu finden, anstatt zu diskutieren...Sonst erfrieren wir wirklich noch, die Sonne geht bald unter.“ „Ja ja, ist gut~“, nur wenig zufrieden mit seiner Antwort bewegte sich Siri etwas schneller durch den Schnee. „Freust du dich schon darauf, Sunny wiederzusehen?“, begann ihr Begleiter, um sie etwas abzulenken. „Ja, natürlich!“, Siri rückte dabei ihre Mütze zurecht: „Ich habe sie schon solange nicht mehr gesehen...Glaubst du, es hat einen besonderen Grund, dass Sunny uns ausgerechnet bei sich zuhause treffen möchte?“ „Nunja...“, Lyze sah zu Siri: „Vielleicht kündigt sich ja der Nachwuchs von ihr und Toony an.“ „G-Glaubst du?!“, ein freudiges Leuchten war in ihren Augen zu erkennen: „Dabei ist Sunny noch so jung, gerade mal 22!“ Für Siri war dies wahnsinnig jung, und doch erinnerten Lyzes Worte sie an etwas unglaublich Wichtiges: Sie wusste, wer sie einmal sein würde. Durch den Kampf gegen die dunklen Kreaturen hatte sie nicht nur erkannt, dass sie Lyze liebte und ihn nicht mehr verlieren wollte. Sie wusste, dass sie in den nächsten Jahren mit ihn eine Tochter bekommen würde. Eine Tochter namens Limiu, die erst dank der Hilfe des Arcaners Avrial das Licht der Welt erblicken würde. Dadurch würde sie sein Erbe tragen und zu einen Kind voller Weisheit und magischen Kräften heranwachsen. Es war ein seltsames Gefühl, dies zu wissen. Immerhin war die Zukunft sonst stets durch einen dichten Schleier von Ungewissheit bedeckt. Doch erst durch Limiu hatten sie und Lyze zueinander gefunden und es endlich geschafft, einander ihre Liebe zu gestehen. Zuzugeben, dass sie ohne einander nicht mehr sein wollten. Zwar hegte sie schon seit langer Zeit Gefühle für den Halbengel, doch erst als sie einander fast verloren, brachte sie den Mut auf, ihn zu sagen, was sie für ihn empfand. Um die dunklen Kreaturen besiegen zu können, war ihre intelligente Tochter aus der Zukunft gekommen und hatte mit ihrer geheimen Identität für einige Verwirrung gesorgt. Zum Glück, denn nur so konnten ihre Eltern endlich eingestehen, was sie füreinander empfanden. Eine Zukunft ohne den jeweils anderen, das war für sie ein unerträglicher Gedanke. Letztlich offenbarte Limiu den beiden, dass sie nicht nur Lyzes Tochter war, sondern auch das Kind von Siri. Insgeheim konnte Siri den Tag kaum erwarten, Limiu gewissermaßen wiederzusehen. Sie war aus der Zukunft gekommen, und kehrte nach der Vernichtung der Kreaturen dorthin zurück. Einer Zukunft, die nun niemals sein würde. Siri hatte ihre Entscheidung getroffen – Niemals würde sie zulassen, dass Lyze sie verließe und nie mehr zurückkäme. Er sollte niemals den Mörder seiner Eltern aufsuchen. Sonst würde er nur seine eigene kleine Familie ins Unglück stürzen. Noch weniger würde sie die Königin von Desteral sein. Endlich wusste, Siri wer sie eigentlich war: Die letzte Thronfolgerin der Monarchie Desteral, die durch einen Unfall ihre Familie verlor und als Waise in Azamuth aufwuchs. Sie hätte die Thronfolge nach der Vernichtung der Kreaturen antreten können, doch hat Politik Siri noch nie wirklich interessiert. Die Zukunft, die Siri für sich erwählt hatte, war um einiges einfacher und glücklicher. Was ein Blick in die eigene Zukunft doch alles bewirken konnte. Dafür wollte Siri ihrer Tochter danken. Mit all ihrer Liebe. „Das ändert nichts daran, dass sie als Toonys Frau gewisse Pflichten zu erfüllen hat-“, Lyze fügte hinzu: „Etwas altmodische Pflichten, zugegeben- Es ist nunmal sehr wichtig, dass die beiden einen Nachkommen nachweisen können, je früher, desto besser.“ „Stimmt.“, etwas nachdenklich lenkte Siri ihren Blick gen Boden: „Animo leben auch nicht so lange wie Menschen...“ Dieser Gedanke stimmte sie ein wenig traurig – Zwar hatte sie keinen einzigen Zweifel daran, dass ihre beste Freundin und ihr Mann das gemeinsame Kind nicht weniger lieben würden, doch hatte dieser Zwang einen bitteren Nachgeschmack. „Das kann man nicht ändern.“, erwiderte Lyze: „Dadurch, dass Sunny gewissermaßen die Regeln des Adels bricht, sind an ihr hohe Erwartungen gestellt.“ „Schon – Trotzdem klingt das so, als wäre sie eine einzige Brutmaschine.“ „Ach Siri-“, Lyze drückte wieder ihre Hand und sah zu ihr: „Es bringt nichts, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen, vielleicht hat uns Sunny auch nur eingeladen, weil sie uns sehen wollte.“ „Das kann natürlich sein.“, Siri lächelte: „Ich freue mich auf jeden Fall sie wiederzusehen.“ „Na siehst du.“, er lenkte seinen Blick wieder nach vorne: In der Ferne konnte er eine Hügellandschaft erkennen. Auf dem höchsten dieser Hügel war ein großes Schloss in warmen Farben deutlich zu sehen, die Städte und Dörfer unter diesen waren wie vom Schnee verschüttet. Er blinzelte und drehte sich einmal um: Hinter ihnen lag der große Hügel der Union mit der Stadt Vena. Der Ort, wo sich das Parlament stets zusammenfand, um über die Zukunft von Palooza zu entscheiden. Dies ließ nur die Vermutung zu, dass es sich bei dem großen Schloss vor ihnen um das Anwesen der Fürstenfamilie Worchestershire handelte. „Anscheinend sind wir auf dem richtigen Weg.“, sagte er, ehe er zwei männliche Fuchs-Animo auf sie zukommen sah. „Lady Sun und Fürstensohn Toony, wir haben Herr und Frau Noshyru gefunden.“, einer der beiden Fuchs-Animo verbeugte sich tief vor den beiden. Dabei tropfte seine Kleidung von dem kalten Schnee. „Gute Arbeit...Sie können nun wegtreten und sich aufwärmen.“, erwiderte Toony mit einen sanften Lächeln. „Sehr wohl, eure Hoheit.“, die beiden Reiter gehorchten aufs Wort und verbeugten sich, ehe sie mit schnellen Schritten den langen Korridor verließen. Indes kam Sunny die wenigen Treppenstufen, auf dem sie stand, herab: „Endlich seid ihr da!“ So schnell, wie sie es in ihren bodenlangen Kleid konnte, tapste sie auf Siri zu und umarmte sie: „Es kommt mir eine Ewigkeit vor, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben!“ Siri erwiderte ihre Umarmung und lächelte: „Du warst doch auch auf unserer Hochzeit-“ „Die ist aber schon gut fünf Monate her!“, die junge Katzen-Animo drückte sie mit einen Schnurren fester an sich: „Das ist so gut wie eine Ewigkeit!“ „Liebes, übertreibe es nicht.“, etwas über Sunnys Reaktion amüsiert, verschränkte Toony die Arme vor der Brust: „Du drückst ihr ja noch die Luft ab.“ „Mir egal!“, antwortete sie daraufhin und drückte Siri nur noch mehr, ehe sie verwundert mit den Katzenohren wackelte: „Siri, du bist ja ganz rot im Gesicht...?“ „A-Ach.“, sie sah zur Seite: „Mir ist nur etwas warm...“ „Draußen war es ziemlich kalt.“, fügte Lyze hinzu. Er sagte dies, um sie im Schutz zu nehmen, wusste er doch den wahren Grund für ihr rotes Gesicht - Siri hatte sich immernoch nicht ganz daran gewöhnt, dass sie nun „Frau Noshyru“ war. Es war eine niedliche Tatsache, die er genießen wollte. Still und heimlich, so lange es nur ging. Niemals würde er daran denken, Siri damit aufzuziehen. Immerhin machte diese Reaktion ihn ziemlich glücklich und auch etwas stolz. „Oh, achso.“, nur etwas widerwillig ließ die Lady Siri daraufhin los: „Entschuldige.“ „Kein Problem!“, Siri lächelte und sah zu Toony auf: „Du bist immernoch kein Fürst, oder?“ Daraufhin konnte dieser nur lachen und winkte ab: „Nein nein- Das dauert noch ein paar Jahre.“ „Fürst Keith meint, wir beide haben noch viel zu lernen.“, sagte Sunny, ehe sie sich zu Lyze drehte: „Wie ist es euch in der letzten Zeit ergangen?“ „Ganz gut.“, der Halbengel zupfte an seiner Mütze: „Ich hätte nie gedacht, dass soviel Schnee auf Palooza liegen könnte.“ „Verrückt, was? Zum Glück passiert solch ein Schneefall nur alle zwanzig Jahre, so ungefähr-“, Toony winkte zwei Kammerdamen herbei, die die ganze Zeit etwas abseits gestanden und sich unterhalten hatten: „Ihr solltet unbedingt aus der nassen Kleidung heraus- Rosalina, bitte setze auch zwei Kräuter-Teekannen für Lady Suns Zimmer und das Zimmer von Fräulein Lily auf.“ „Sehr wohl, eure Hoheit.“, die Kammerdame mit weißen Locken nahm Siri die nasse Kleidung ab und machte einen Knicks, wohingegen die andere zuerst erwiderte: „Ich werde euch sogleich ein paar Hausschuhe bringen.“ Dann folgte sie mit Lyzes Mantel Rosalina. „...Ich habe vergessen, dass man hier kaum selbstständig denken muss.“, sagte Siri leise, während sie den Kammerdamen nachsah. Sunny musste daraufhin kichern: „Es ist ungewohnt, nicht?“ „Ja, ziemlich.“ „Du solltest niemals so etwas laut sagen- Am besten garnicht, Fuchs-Animo haben ein gutes Gehör.“, sagte Lyze und Toony nickte mit einen Grinsen zustimmend, hatte er doch jedes ihrer Worte deutlich verstanden: „Da hat er Recht. Ihr solltet uns wohl wirklich öfters besuchen kommen, an sich gewöhnt man sich an das Personal sehr schnell.“ „Ist ja gut, Mensch!“, von soviel Tadel ging sich Siri nervös durch die durcheinandergeratenen Haare: „Ich behalte meine Gedanken schon für mich!“ „Ich hoffe doch nicht alle!“, schnurrte Sunny und wedelte dabei mit den Schweif: „Ich muss dir soviel erzählen!“ „Ich freue mich ebenso, dass ihr die Zeit finden konntet, uns zu besuchen.“, der Fürstensohn schmunzelte: „Dann quasselt Sunny wenigstens nicht nur mir die Ohren in jeder freien Minute zu.“ „Das stimmt doch garnicht, Toony-“, Lady Sun lehnte die Katzenohren an: „Wie redest du bloss über deine Frau?!“ „Ach, ich sag doch nur die Wahrheit~“, er grinste und ging die wenigen Stufen herunter, um ihr kurze Zeit später einen kleinen Kuss auf die Lippen zu geben: „Ich meine das nicht böse, Liebes.“ „I-Ich weiß.“, in Sunnys Blick spiegelte sich die Liebe wieder, die sie für ihren Mann empfand. Sie waren nun fast zwei Jahre verheiratet und ihre Gefühle füreinander schienen stärker denn je. Wenn Siri und Lyze an die letzten Jahre zurückdachten, so war dies kein Wunder – Sowohl Toony als auch Sunny mussten einige Gefahren überwinden und hart darum kämpfen, dass sie sich nun so nahe sein konnten. Etwas verlegen legte sie ihre Hände in seine: „Trotzdem...Ich habe manchmal wirklich Angst, dass ich dich in deinen wenigen freien Minuten zu sehr für mich beanspruche.“ „Es wäre schlimm, wenn du das nicht tun würdest!“, er lächelte und rieb seine Nase in ihre Haare: „Keine Sorge, du störst mich nie, und wenn, dann würde ich es dir sagen.“ „Danke.“, Sunny lächelte erleichtert und sah zu ihren beiden alten Freunden. Die Lady wurde etwas rot um die Nase, wurde ihr doch erst jetzt klar, dass sie die beiden tatsächlich für einen kurzen Moment vergessen hatte: „O-Oh, entschuldigt-!“ „Ach Sunny, dafür doch nicht!“, Siri lächelte: „Es ist schön, dass ihr euch nach zwei Jahren Ehe noch nicht an die Gurgel gesprungen seid!“ Lyze legte daraufhin seine Hand ins Gesicht und meinte leise: „Siri- Deine Ausdrucksweise...!“ „Was ist damit?“, sie sah zu Lyze mit hochgezogener Augenbraue. Indes konnte Sunny nicht anders, als anfangen zu kichern: „Schön, dass ihr euch beide auch kaum verändert habt in der letzten Zeit!“ In der nächsten Sekunde konnte Siri einen dunklen Schimmer in den himmelblauen Augen ihrer Freundin erkennen, ehe sie leise meinte: „Immerhin etwas...“ Sie sagte es so leise, fast so, als wären diese beiden Worte garnicht für sie bestimmt gewesen. Sanft legte Toony seine rechte Hand zwischen ihre schwarzen Katzenohren und lächelte sie mit beruhigender Stimme an: „Liebes, du machst dir zuviele Sorgen.“ Doch auch in seinen Augen konnten die beiden Gäste die Sorge widerspiegeln sehen. Sunny sah zu ihn auf und nickte kurz, mit einen bemühten Lächeln: „Du hast Recht.“ „Ist alles in Ordnung bei euch...?“, Lyze sah die beiden ernst an. Dass die beiden von einem Moment auf den anderen solch einen Kummer ausstrahlten, gefiel ihn nicht. Ganz und garnicht. Gab es tatsächlich einen handfesten Grund, dass Sunny ihn und Siri unbedingt auf dem Anwesen sehen wollte? Sunny nickte: „Ja, bei uns ist alles okay- Vielen Dank, Annemarie.“ Die zweite Kammerdame reichte den Halbengel und seiner Frau jeweils ein paar Hausschuhe. „Oh, super!“, froh, endlich aus den nassen Stiefeln rauszukommen, ließ Siri ihr Paar Hausschuhe auf den Boden fallen und begann, ihre Schuhe auszuziehen. Lyze tat es ihr gleich, nur etwas ruhiger. Annemarie nahm die Stiefel der beiden mit einen sanften Lächeln entgegen, ehe sie das nasse Schuhwerk ebenfalls wegtrug. Wie in einem fliegenden Wechsel kam die weißhaarige Kammerdame Rosalina zurück und trug eine dampfende Teekanne mit vier Tassen die Stufen hinauf. „Es tut wirklich gut, aus diesen nassen Dingern raus zu sein – Die Hausschuhe sind so putzig!“, ein wenig von den Glöckchen an ihren Puschen angetan, bewegte Siri ihre Füße hin und her. Sunny warf ihren Mann einen fragenden Blick zu und dieser nickte mit einen Lächeln: „Ich denke, wir sollten unser Gespräch an einem gemütlicheren Ort verlegen – Wie wäre es mit Tracys Zimmer?“ „Tracy ist auch hier?“, fragte Lyze mit leichter Verwunderung in der Stimme. Es war ungewöhnlich, sie ausgerechnet auf dem Anwesen von Toonys Familie anzutreffen. Lange hatte Tracy für ihren Schwager nichts als Wut verspürt, weil er das bedroht hatte, was ihr am wichtigsten war: Das Leben mit ihren Geschwistern. Erst nach der Hochzeit von Sunny und Toony ließ der Groll langsam nach, erkannte Tracy doch, dass der Fürstensohn ihre Schwester wirklich liebte und sie nur mit ihn vollkommen glücklich werden würde. Nichtsdestotrotz war das Anwesen lieber ein Ort, den die Sängerin vermied – Eher streifte sie durch Desteral und Palooza, um als wandelnde Künstlerin ihr Geld zu verdienen oder ihre Geschwister und Freunde zu besuchen. Dabei fiel Lyze auf, dass er seine Gefährtin aus Kriegstagen ebenfalls eine längere Zeit nicht mehr gesehen hatte – Sonst hatte sie Lyze und Siri des Öfteren besucht. Wie Lyze Toony die ersten Stufen nach oben folgte, nahm Sunny Siri am Arm und hielt sie auf: „Oh- Siri! Ich muss dir davor unbedingt etwas zeigen!“ „So? Was denn?“, erwiderte die junge Frau, da wurde sie schon in eine andere Richtung gezogen: „Das ist eine Überraschung~! Keine Sorge ihr beiden, wir kommen nach!“, sagte Sunny kichernd zu den beiden Männern: „Geht schonmal vor!“ „Ist gut.“, sagte der Fuchs-Animo und setzte sich dabei wieder in Bewegung. Im oberen Drittel der Treppe schmunzelte er: „Frauen, mmm? Manchmal frage ich mich wirklich, ob sie uns eigentlich brauchen.“ „Achja.“, Lyze hob leicht die Schultern, war er doch dieses sprunghafte Verhalten der beiden gewöhnt: „Anscheinend gibt es Dinge, die Frauen nur untereinander verstehen können.“ „...Richtig.“, Toony seufzte leicht: „Ich...möchte ehrlich zu dir sein, Lyze – Das eben war eine Finte.“ „Eine Finte?“, verwundert sah Lyze Toony an, wie sie einen langen, hellbeleuchteten Korridor betraten. „Ja- Sunny hielt es für am besten, wenn erstmal du allein Tracy wiedersiehst, wie soll ich sagen-.“, einen kurzen Moment lang suchte der Fürstensohn nach den richtigen Worten: „Deine liebe Frau Siri reagiert manchmal etwas unpassend, außerdem hat dich meine Schwägerin ziemlich vermisst.“ „Verstehe...“, Lyze fasste sich an den Kopf und bemerkte, dass er immernoch seine Mütze trug – Sie hatte angenähte Katzenohren und war ein altes Geschenk von Tracy gewesen. Höchstwahrscheinlich hatte die Kammerdame sie vergessen: „Doch worauf sollte Siri denn unpassend reagieren? Hat sich Tracy verändert?“ Ein stummes Nicken folgte, und der Halbengel geriet in Sorge: Anscheinend hatte er den Stimmungswechsel von Sunny und Toony in der Eingangshalle nicht gänzlich falsch interpretiert. Doch ging es nicht um das Wohl der beiden, sondern um Tracys: „I-Ist sie krank?“ „Nein, krank ist sie nicht.“, Toony lächelte schwach: „Nicht wirklich.“ „Nicht wirklich...?“, scheinbar sprach er in Rätseln. „Ja, körperlich fehlt ihr nichts.“, der Fürstensohn kam vor einer Tür zustehen, die von zwei Soldatinnen bewacht wurde. Die beiden weiblichen Fuchs-Animo salutierten und verkündeten: „Eure Hoheit, es ist nichts seit ihren oder Lady Suns letzten Besuch passiert, außer dass die Kammerdame Rosalina Tee gebracht hat.“ „Sehr schön.“, Toony deutete mit seiner flachen Hand auf Lyze: „Das ist Lyze Noshyru, er ist ein alter Freund von Lady Sun und Fräulein Lily und hat uneingeschränkten Zutritt zu diesen Zimmer.“ Die beiden Soldatinnen nickten simultan: „Verstanden!“ Lyze verstand indes nicht, was dies alles sollte: Nicht nur an dieser Tür waren Soldatinnen aufgereiht, vier weitere Soldatinnen waren über den ganzen Flur verteilt. Fragend sah er den Fürstensohn an: „Toony, was...?“ Doch erwiderte dieser ein sanftes Lächeln: „Keine Sorge, es ist alles halb so schlimm, wie es vielleicht aussieht – Tracy steht nur unter meinen Schutz.“ Er wandte sich an die Soldatinnen: „Ich hoffe doch sehr, ihr habt eine Stichprobe wegen des Tees durchgeführt.“ „Natürlich, eure Hoheit.“, eine der Soldatinnen nickte: „Der Tee war negativ.“ „Sehr schön!“, erleichtert sah Toony zu Lyze: „Egal, was passiert, lass' nicht zu, dass Tracy Alkohol trinkt.“ Lyze nickte: „Darf ich fragen, warum?“ Der Fürstensohn klopfte kurz energisch an der dicken Holztür: „Ich denke, all' deine Fragen kann dir Tracy selbst am besten beantworten.“ Dann schlug er Lyze kurz auf den Rücken: „Ich muss nun zurück, die Pflichten eines Fürsten erledigen. Keine Sorge, Tracy freut sich sicher tierisch, dich zu sehen.“ „J-Ja,aber-“, weiter kam Lyze nicht, denn der Fürstensohn drehte sich mit einen Schmunzeln um und ging denselben Weg zurück, den sie kommen waren. Was war hier nur los? Er wusste, die Antworten auf seine Fragen lagen hinter dieser Tür. So nahm er die glatte Metallklinge in die Hand und drückte sie herunter: „Tracy...?“ Wie er seine ersten Schritte in das Zimmer machte, musste er blinzeln. Die kalte Wintersonne war gerade dabei, unterzugehen, und hüllte das große Zimmer in eine ungewohnte Helligkeit. Etwas abseits des Fensters fand er Tracy: Sie saß in einem verschnörkelten Schaukelstuhl und trug ein langes, dunkelgraues Strickkleid. Ihre pechschwarzen Haare lagen sauber gekämmt auf ihren Schultern und verliefen über ihre Schulterblättern - Sie mussten in der letzten Zeit gewachsen sein. Über den Strickkleid trug sie einen cremefarbenen Poncho, der ihr wohl zusätzliche Wärme bieten sollte. In ihren Händen und auf dem angrenzenden Tisch lagen ein Haufen Zettel, sowie eine Feder, Tücher und Tinte. Anscheinend hatte sie gerade an neuen Liedern gearbeitet. Sie lächelte: „Hallo Lyze, lange nicht mehr gesehen.“ Er nickte: „Das stimmt.“ Sie gab ein leises Kichern von sich: „Schön, dass du die Mütze immernoch trägst.“ „Oh- ja.“, etwas peinlich berührt nahm er sie daraufhin ab. Langsam bewegte er sich auf sie zu und blieb wenige Schritte vor ihr stehen. Von der seltsamen Situation umgeben, fasste er sich kurz an den linken Arm: Nichts deutete daraufhin, dass es Tracy schlecht ging. Doch wusste er, dass irgendetwas nicht stimmen konnte. Körperlich fehlte ihr nichts, doch war es dann? War es etwas Seelisches? Doch wirklich mitgenommen sah seine Freundin nicht aus. Die Ungewissheit bereitete ihn eine schwache Gänsehaut. „Ich bin so froh, dich zu sehen!“, seine alte Freundin schnurrte und legte die Zettel beiseite: „Lass' mich raten, Sun hat euch hierher eingeladen, oder?“ „Ja.“, der Halbengel blinzelte: „Sag mal...“ „...die Soldatinnen haben dich erschreckt, oder?“, etwas beschämt lehnte sie die Katzenohren an: „Dieser Idiot macht sich wirklich zu viele Sorgen. Ich wünschte, ich könnte sie wegschicken.“ Sie sah zu der Teekanne: „Immerhin weiß ich nun, warum Rosalina eben den Tee mit den vielen Tassen gebracht hat – Wo ist Siri? Ich weiß doch, dass ihr beide unzertrennlich seid.“ „Sunny meinte, sie hätte eine Überraschung für sie und ist mit ihr verschwunden...“ „Oh, die Überraschung kann ich mir denken~“, sie stützte ihren Kopf auf einen ihrer Hände ab und sah etwas pikiert aus: „Sie macht sich wirklich zu viele Sorgen...Als würde ich Siri den Kopf abreissen, wenn sie etwas Freches sagt – Das tut sie doch ständig, ich habe mich längst daran gewöhnt.“ Ein leichtes Schmunzeln war auf ihren Lippen zu erkennen: „Du und Siri, ihr seid total gegensätzlich, und seid nun doch ein verheiratetes Paar, das ist einfach zu herrlich~“ „Tracy...Toony und Sunny scheinen sich wirklich große Sorgen um dich zu machen – Geht es dir gut? Ist etwas vorgefallen?“ Daraufhin wurde es still. Unheimlich still. Es wurde sogar so still, dass Lyze in der Ferne eine Schneemasse fallen hören konnte. In den Augen seiner Freundin konnte er sehen, dass sie für einen kurzen Moment mit ihren Gedanken weit fortging, dann kamen ihr nach und nach die Tränen. Sie legte ihre Hände in das Gesicht und schluchzte: „Lyze, ich...ich kann das dir nicht sagen-“ „Warum?“, fragte er leise, mit beruhigender Stimme. „Du...Du wirst von mir unglaublich enttäuscht sein-“ „Das glaube ich nicht.“, er schüttelte den Kopf: „Ich mache mir nur ebenfalls Sorgen um dich.“ Die Katzen-Animo schluchzte noch einige Male, dann sah sie zu ihn auf: „Wirklich...?“ „Ja, natürlich.“, er nickte: „Es gibt nichts, was du tun könntest, was mich wirklich enttäuschen könnte. Immerhin haben wir soviel miteinander erlebt und sind Freunde geworden.“ Tracy drückte ihre Tränen in den Ärmel ihres Strickkleides und rang sich zu einem Lächeln: „Danke...“ Im nächsten Moment stand sie auf und stützte sich leicht am Tisch ab: „....Lyze...ich...“ Wieder kam ihr die Tränen und Lyze konnte im hellen Licht sehen, dass sie sogar leicht zitterte. Hatte sie etwa solche Angst vor seiner Reaktion? Was war nur in den letzten Monaten vorgefallen, dass sie solch eine Angst verspürte? Lyze wurde die Sorge ihrer Familie bewusst, und auch er spürte, wie die Sorge in ihn wuchs. Er hatte Tracy schon seit Ewigkeiten nicht mehr so emotional erlebt. Sie sah ihren besten Freund an und ihr Gesicht verzog sich kummervoll. Ohne jedes weitere Wort umarmte sie ihn plötzlich so stürmisch, dass der Halbengel sogar dagegenhalten musste, um nicht mit ihr umzufallen: „T-Tracy?!“ Dann krallte sie sich an seinen Rücken fest und schluchzte auf: Lyze...ich bin-!“ „...schwanger?!“, Siri sah ihre beste Freundin mit einer Mischung aus Freude und leichter Ungläubigkeit an: „Wow...Das hätte ich nie gedacht...Tracy hat sich doch nie wirklich für die große Liebe interessiert.“ „Das ist gerade das Problem.“, Sunny lehnte die Ohren an und sah betrübt in ihre Tasse Tee. „Heisst das, es war eine Art One-Night-Stand-Unfall? Oh-! Oder wurde sie vergewaltigt?!“ „W-Was?! N-Nein!“, schnell schüttelte Sunny den Kopf: „Sie wurde nicht vergewaltigt-!“ „Oh, gut.“, etwas beruhigt nippte Siri an ihren Tee und ließ dabei ihre Hausschuhe leise im Takt schellen: „Das wäre dann auch mehr als furchtbar....Das wünsche ich wirklich niemanden.“ Zustimmend nickte Sunny kurz, doch sprach sie nicht weiter. Eigentlich wollte sie Siri auf die Situation so gut es ging vorbereiten und vermeiden, dass ihre Freundin aus Versehen Tracys Gefühle verletzte. Schließlich sollte sich ihre große Schwester so wenig es ging aufregen; Jede mögliche Art von Stress konnte ihr und den Baby schaden. Andererseits wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie nicht das Recht hatte, dies zu tun. Nur Tracy allein sollte erzählen dürfen, dass in ihr ein neuer Bewohner Airas heranwuchs. War es richtig von ihr, so zu handeln? Doch wenn sie nach Siris jetzigen Reaktion ging, dann hatte sie das Richtige getan. Sie wollte immerhin nur eine gute, kleine Schwester sein und Tracy möglichen Ärger ersparen. Noch dazu fühlte sich Tracy sicher um einiges wohler, wenn sie Lyze ihre Lage unter vier Augen erklären konnte. Immerhin war er ihr bester Freund und bedeutete ihr unheimlich viel. Des Weiteren würde sie möglicherweise nur bei ihn allein den Trost finden, den sie brauchte. Die Vernunft, die nun unbedingt von Nöten war. Lyze hatte es bislang immer geschafft, Tracy wieder zu beruhigen und sie von waghalsigen Ideen abzubringen. Wie sehr hoffte Sunny doch, er würde es diesmal wieder tun. „Dann war es ein One-Night-Stand?“, Siris Worte rissen sie wieder aus ihren Gedanken. „Auch nicht.“, erwiderte sie etwas leise. „Hö?“, ihre Freundin zog eine Schnute: „Aber wenn sie kein One-Night-Stand hatte und nicht vergewaltigt worden ist, dann muss es doch sein, den sie mag, oder?“ Sunny nickte: „Es ist auch jemand, den wir kennen....mehr oder weniger.“ „Mmm...Tracy ist ja schon immer recht Männerscheu gewesen....“, die junge Frau überlegte für einen kurzen Moment: Es gab nicht viele Männer in ihren Leben, die auch Tracy kannte. „Irgendwie fallen mir da nur Avrial, Lyze, Toony und Furah ein – Lyze fällt schon einmal weg, das hätte ich sicher gemerkt, und Avrial liebt seine Frau viel zu sehr, als das er je Augen für eine andere haben würde.“ „Richtig.“, die junge Katzen-Animo lächelte, fand sie doch Avrials Treue zu seiner verstorbenen Frau stets bewundernswert. „Tracy würde sicher auch nie etwas mit Toony anfangen, sie kann ihn ja immernoch nicht ganz leiden-.“, als der Groschen gefallen war, sah Siri Sunny mit großen Augen an: „Oh Nein, sag' mir nicht, dass...“ Doch nickte Sunny mit einen traurigen Lächeln: „Doch – Tracy erwartet Furahs Kind.“ „Hey...“, Lyze strich Tracy sanft über die Schultern und versuchte, ihr in die Augen zu sehen: „Es ist alles gut.“ Doch kämpfte sie weiterhin leise schluchzend mit ihren Tränen. Der Halbengel konnte daraufhin nur seufzen und senkte seinen Blick: Er wusste nur allzu gut, dass seine Worte eine Lüge waren. Er konnte spüren, wie Tracys Worte etwas in ihn ausgelöst hatten. Die Tatsache, dass seine gute Freundin Furahs Kind zur Welt bringen würde, weckte verschiedenste Gefühle in ihn, und doch konnte er sie nicht ganz zuordnen. Furah war ein Mann, den er nie vollkommenes Vertrauen gegenüber bringen konnte - Dass Tracy es stets tat, schien ihn ohnehin ein Zeichen ihrer großen Gutmütigkeit. Schließlich hatte der Arcaner in seinen Leben einiges verbrochen – Dazu gehörte, dass Siri ihr gesamtes Gedächtnis seinetwegen verloren hatte. Oft schadete er bei seinen Schabernack anderen. Nie dachte er an die möglichen Konsequenzen, dachte er doch ständig nur an sich. Er war keine ehrbare Person. Besonders nicht, weil er Dunkelmagier war und diese ihn unkontrollierbar machte. Was, wenn er von seinen Nachwuchs nur wenig begeistert sein würde? Was würde er dann tun? Lyze ging vom Schlimmsten aus: Womöglich würde der Dunkelmagier den Kind etwas antun, um sich die damitverbundenen Verpflichtungen vom Hals schaffen. Möglicherweise würde er sogar Tracy verletzen, wenn sie versuchen würde, das Baby zu beschützen. Auch wenn er Furah nicht wirklich vertraute, so konnte er sich doch nicht vorstellen, dass er Tracy ebenfalls großartigen Schaden zufügen würde. Dafür mochte der Magier die Animo zu sehr. Das Kind unter ihrer Brust war quasi ein lebender Beweis dafür. Konnte es nicht dann sogar sein, dass er sich tatsächlich über das gemeinsame Kind freuen würde?Für Lyze war dies nur schwer vorstellbar – Immerhin war Furah ein ziemlich schräger Vogel, der dafür lebte, tun und lassen zu können, was er wollte. Doch gerade weil er so ein seltsamer Kauz war, konnte es sein, dass er das Kind akzeptierte und mit Tracy eine Familie gründen wollte. Was wäre dann, wenn Tracys Baby ebenfalls die dunkle Magie beherrschen würde? Wieder entwich den Halbengel ein Seufzer: Er konnte es nicht einschätzen. Das Gefühl der Angst wurde immer stärker, je mehr er darüber nachdachte. Dabei hatte er mehr Angst um Tracy als um das Kind. Eine Beziehung mit Furah aufgrund eines gemeinsamen Nachwuchses, das schien ihr auf jeden Fall einige Nachteile zu bringen. Das hatte sie nicht verdient, war sie doch die gutmütigste Person, die er kannte. Doch war es nicht nur Angst, die sich in Lyzes Brust breit machte. Allein die Vorstellung, dass ein so widerwärtiger Kerl wie Furah es geschafft hatte, mit Tracy einen Nachkommen zu zeugen, erfüllte ihn mit einen leichten Schauer. Schließlich war seine Freundin die Vernunft in Person, und Furah war...Furah. Dass er einen Nachkommen haben würde, der an seiner Stelle auf Aira wandeln würde, wenn der Dunkelmagier einmal dahingeschieden war, schien Lyze irgendwie falsch und ungerecht. Viel mehr hätte er Avrial eine glückliche Familie mit seiner Frau gewünscht. Bei ihn war er sich zumindest sicher, dass das Kind etwas Anständiges lernen und sich zu einer vernünftigen Person entwickeln würde. Furah war keineswegs jemand, den man die Erziehung eines Kindes anvertrauen sollte. Obwohl Lyze sich so viele Gedanken um das Kind und dessen Vater machte, so wollte er dennoch nicht vergessen, dass Tracy nun die Chance hatte, eine eigene Familie zu gründen. Ganz gleich, ob mit oder ohne Vater. Ganz gleich, was dieser davon halten würde. Sicher würde Tracy dennoch glücklich sein, schließlich liebte sie Kinder und war wie eine zweite Mutter für ihre Adoptivgeschwister gewesen. Sie war seitjeher Feuer und Flamme, seitdem sie erfahren hatte, dass er und Siri eines Tages eine kleine Tochter haben würden. Seitdem hatte sie die beiden des Öfteren besucht und Siri mit Ratschlägen überschüttet. Ein schwaches Lächeln wurde in Lyzes Gesichts deutlich, wie er daran dachte, und ein kleines bisschen war er auch froh darüber, eine solch liebevolle und besorgte Freundin zu haben. Er wusste, Siri war es weniger – Niemand ließ sich gerne in seine Vorstellung von Erziehung reden. Besonders nicht, wenn das Kind noch nicht einmal auf der Welt war. Doch besonders beruhigte ihn der Gedanke, dass Tracy nun die Möglichkeit hatte, den Tod ihres kleinen Bruders Soa vollkommen zu überwinden. Die beiden waren gewissermaßen wie Mutter und Sohn gewesen, hatte Tracy ihn doch großgezogen. Dass er im Krieg auf dramatische Weise gestorben war, konnte die Katzen-Animo sich lange nicht verzeihen. Mit den Kind unter ihrer Brust hatte sie die Chance, die Fehler wieder gutzumachen, auch wenn es Soa natürlich nicht ersetzen konnte. Diese kleine Chance auf Seelenfrieden sorgte sogar dafür, dass Lyze sich ein kleines bisschen für seine Freundin freute. Eine Sache beschäftigte den Halbengel dennoch sehr – Wie kam es dazu? Hatte Tracy nicht gesagt, sie und Furah wären nur Freunde und die letzte gemeinsame Nacht ein großer Fehler? Dass sie gelogen hatte, das wurde ihn nun klar. Anscheinend hatten sowohl Tracy als auch Furah doch noch mehr füreinander übrig als sie zugeben wollten. Oder war es doch nur wieder ein Unfall gewesen? Ein großer Fehler, wie das erste Mal? Es würde erklären, warum die Katzen-Animo nun so viele Tränen vergoß. „Tracy...“, sagte Lyze ruhig: „Lass' uns etwas Tee trinken, das wird dich sicher beruhigen.“ Kurz sah Tracy auf, dann drehte sie sich zum Tisch und nahm eine der Tassen in ihre beiden Hände: „D..Danke Lyze.“ „Du brauchst dich nicht bedanken.“, er goss vorsichtig den dampfenden Tee ein: „Ich bin auch nicht enttäuscht von dir, so wie du befürchtet hast.“ „Wirklich...?“, sie fixierte ihren Blick auf ihre Tasse: „I-Ich meine, es ist Furahs Kind...“ „Ja.“, langsam stellte er die Kanne ab: „Ich halte nicht viel von Furah, das weisst du. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er ein guter Vater wäre.“ Tracy nickte kurz, dann sprach er weiter: „Doch habe ich auch nicht das Recht, dir den Umgang mit Furah zu verbieten - du bist älter als ich, und weisst, was du tust. Es ist dein Leben, und deine Entscheidungen.“ Der Halbengel fügte leise hinzu: „Trotzallem mache ich mir Sorgen um dich.“ „D-Das brauchst du nicht!“, sie lächelte etwas verloren: „Mir ist vollkommen klar, dass Furah sehr gefährlich sein kann.“ „Darf ich dich dann fragen, wie es dazu kam...?“, sein Blick wanderte unwillkürlich zu Tracys leichten Bauchansatz, sodass die Katzen-Animo ihre rechte Hand schützend auf ihren Körper legte: „Ich...“ Sie drehte ihren Kopf etwas zur Seite und seufzte: „...Ich habe dir doch erzählt, dass Furah und ich trotz der einen Nacht Freunde geblieben sind, oder?“ „Ja.“, mit einen schwachen Nicken stimmte er ihr zu und setzte sich in einen der Stühle, die zu dem Tisch gehörten. Ein Gefühl sagte ihn, dass Tracy für ihre Erklärung etwas länger brauchen würde, noch dazu wollte er nicht, dass sie die ganze Zeit stand – Er wusste zwar nicht, in welchen Monat sie schwanger war, doch war es sicher anstrengend für sie. Tatsächlich setzte sich die schwangere Katzen-Animo ebenfalls in ihren Schaukelstuhl zurück: „Nunja...Wie soll ich sagen...“, seinen ruhigen und doch erwartungsvollen Blick ausweichend, sagte sie leise: „...Furah hat mir gezeigt, was es heisst, nicht immer über die Konsequenzen nachdenken zu müssen.“ „T-Tracy-.“, sie konnte die leichte Enttäuschung in Lyzes Stimme hören und das Schamgefühl, welches sie schon die ganze Zeit hatte, stieg ins Unermessliche: Wie naiv sie doch gewesen war. Andererseits konnte sie es nicht verneinen – Sie hatte eine schöne Zeit mit Furah. Zum ersten Mal in ihren Leben hatte sie sich wirklich frei gefühlt – Keine Verantwortung lastete auf ihren Schultern, keine Sorgen raubten ihr den Schlaf. Konsequenzen schienen ihr fast wie ein Fremdwort und obwohl dies alles so gegen ihre Natur sprach, hatte sich Tracy in ihren Leben noch nie glücklicher gefühlt. Dass sie tatsächlich von Furah schwanger geworden war, schien ihr fast wie ein böses Omen, war es doch sehr unwahrscheinlich, dass Animo und Arcaner zusammen Nachwuchs bekamen. Höchstwahrscheinlich war das Kind ein Zeichen dafür, dass es an der Zeit war, all' diesen unbekümmerten Unsinn ein Ende zu setzen. Wieder kamen ihr die Tränen, doch atmete sie tief ein und erzählte weiter: „I-Ich weiß, es ist nicht meine Art, so unvernünftig zu sein...aber irgendwie fühlte es sich so gut an, sich um nichts sorgen zu müssen...“ „Du hast dich fast dein ganzes Leben um deine Familie gesorgt, zum Teil ohne es zu wollen.“, ihr Freund nahm einen kurzen Schluck aus seiner Tasse: „Furah hingegen hat wohl schon immer nur für sich und seine Interessen gelebt – Es ist irgendwie verständlich, dass seine Art für dich befreiend wirkte.“ „Ja...“, ein zartes Lächeln huschte Tracy über das Gesicht: „Furah scheint sich nie Sorgen um etwas zu machen...“, ihre Finger glitten ruhig über ihren runden Bauch: “...und die Art von Freiheit, von der er immer faselt, war vollkommen neu für mich...und aufregend.“ Dann sah sie zu Lyze auf, und ihr Blick verriet, wie schmerzhaft diese Situation doch für sie war: „Er...Nein, wir waren uns so sicher, dass ich nicht schwanger werden würde, immerhin gab es bislang nur wenige Fälle von Anican...“ Schmerzvoll kniff sie die Augen zusammen: „I-Ich weiß, es war naiv, das zu glauben und ich hätte nicht so oft mit ihn schlafen sollen, a-aber...ich wollte Furah nicht verlieren-“ „Verlieren?“, Lyze blinzelte sie leicht an, dann stellte er seine Tasse zur Seite: „Was meinst du mit 'verlieren'?“ Tracy antwortete ihn darauf nicht, sondern schüttelte nur den Kopf: Sie wusste, er würde es ohnehin nicht verstehen. Nie hätte Lyze verstanden, dass Tracy Furah als Freund wirklich mochte. Zwar würde sie dem Dunkelmagier wohl nie das selbe blinde Vertrauen gegenüberbringen können wie ihren besten Freund, doch fühlte sie sich in seiner Nähe geborgen. Auf eine fremde Art und Weise glücklich. Die Vorstellung, Furah würde sein Vergnügen mit einer anderen Frau teilen, versetzte ihr einen tiefen Stich im Herzen. Sie war nicht eifersüchtig, immerhin führten die beiden so etwas wie eine offene Beziehung – Jederzeit hätte Tracy ebenfalls eine Beziehung mit einen anderen Mann eingehen können. Vielmehr wollte sie sich bei ihn für all die glücklichen Momente bedanken. Sie wollte nicht, dass er plötzlich aus ihren Leben verschwand. Um gar keinen Preis. So schlief sie mit ihn. Immer wieder, schien es doch der besondere Angelpunkt ihrer Freundschaft zu sein. Doch Lyze würde dies nie verstehen, misstraute er doch Furah stets. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde er sogar ihn die ganze Schuld an die momentane Situation geben, dabei war die Katzen-Animo selbst nicht ganz unschuldig daran gewesen. Sie sah zu Lyze auf und lächelte leicht entschlossen: „Das ist nicht so wichtig.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)