Lauter Einzelteile von halfJack (26 Teile des Lebens, die sich Sterben nennen) ================================================================================ Kapitel 22: Vorsatz ------------------- Dir, jener anderen Hälfte, die mich erst vervollständigt, In meinen rastlosen Träumen sehe ich nur noch lauter Einzelteile des Wunsches, den du damals mit mir geteilt hast. Wie viel Zeit auch vergangen sein mag, die Erinnerungen sind so frisch wie das Eis, das sich zu dieser kalten Jahreszeit immer an unserem Küchenfenster sammelt. Die weißen Kristalle passen gut zu uns beiden, zu unserer Beziehung und zu jeder zerbrechlichen Verbindung zwischen den Menschen. Uns hält nur ein Band, das leicht reißen kann. In den vergangenen Tagen und Wochen haben wir den Morgen immer gemeinsam im Licht der ersten Sonnenstrahlen verbracht. Nun, eigentlich sind es die letzten Sonnenstrahlen, weil das Jahr zu Ende geht. Doch wir sind noch immer hier, nicht wahr? Jeden Tag lächelst du mich an und jeden Tag sprechen wir nicht über das, was diesen Moment zerstören könnte, einen schier endlosen Augenblick, den wir so vergeblich festhalten, den wir zur Ewigkeit zu machen versuchen, obwohl wir beide wissen, dass das nicht geht. Dabei merken wir nicht, dass wir den Moment nur festhalten können, indem wir ihn einfrieren und erstarren lassen. Es ist kalt geworden seitdem. Du bist meinen Blicken ausgewichen, als du mit einer heißen Tasse Kaffee am Tisch saßt und gedankenversunken nach draußen geschaut hast. Oft schon betrachtete ich dein feines Haar, die weichen Lippen und manchmal auch deinen zarten Körper, der meinem so unverzeihlich ähnlich ist. Obwohl es erst gestern war und sich diese Erinnerung klar in meinem Gedächtnis manifestiert, fühlt sich all das fern und fremd an. Denn als der Abend in deiner Abwesenheit immer weiter voranschritt, hat sich der Entschluss in meinem Kopf gefestigt. Es ist ein Vorsatz, den ich schon lange in mir spüre, bis er so deutlich geworden ist, dass ich ihn nun nicht mehr ignorieren kann. Um keine Angst vor dem Verlieren haben zu müssen, sollte ich wohl besser handeln, bevor die Geschehnisse mich einholen. Dann kann ich mich darauf vorbereiten. Aber vor allen Dingen, wenn ich von meiner Seite aus dafür sorge, dass das geschieht, wovor ich Angst habe, dann kann ich mir selbst die Schuld zuweisen. Sobald ich die Verantwortung übernehme, fühle ich mich wenigstens nicht mehr hilflos. Jetzt kommt es mir so vor, als würde ich den gestrigen Abend noch einmal durchleben. Kannst du dir vorstellen, wie das war? Würdest du mir von dir erzählen, wenn ich es zuerst versuche? Ich stand vor dem Spiegel und schaute in meine Augen, um aus ihnen irgendeine Sicherheit herauszulesen. Mit fahrigen Bewegungen schloss ich die Knöpfe meines Hemdes und streifte mir danach die Jacke über. Meine Hände zitterten. Ich weiß, dass nicht nur die Kälte der Grund dafür war. Bevor ich den Raum verließ, blickte ich einen langen Moment zurück. Das Bett war noch vom Morgen zerwühlt, doch durch das Fenster drang mittlerweile nur die Schwärze der Nacht. Ich wandte mich ab, ging mit raschen Schritten aus dem Schlafzimmer und griff im Flur nach dem Schlüssel. Als ich die Wohnungstür öffnete, zögerte ich keinen Augenblick mehr. Dieses Mal würde ich anders handeln. Doch du gabst mir keine Chance, diesen Entschluss unter Beweis zu stellen. Ich hörte deine Schritte, noch bevor ich überhaupt die Tür hinter mir schließen konnte. Kurz darauf begegneten sich unsere Blicke. Noch immer verstehe ich nicht, warum du gelächelt hast. Im ersten Moment war ich einfach nur froh dich zu sehen. Trotz meiner Erleichterung nahm ich jedoch irritiert wahr, wie du wortlos deine Lippen auf meine legtest. Es war ein sanfter Kuss, der mich fast so wütend machte wie die Worte, die du danach gesprochen hast, als ich dich nach deinem Verbleib fragte. Du warst den gesamten Tag fort gewesen und kamst nun zwei Stunden später als erwartet. Die zwei Stunden wären nicht wichtig gewesen, hättest du sie mir erklärt. Fast wünschte ich, du hättest mich angelogen. Stattdessen meintest du nur, es sei egal. Ich wollte keine Entschuldigung, nur eine Erklärung. Jedes Mal nehme ich mir vor, ruhiger zu werden und dich mehr spüren zu lassen, wie wichtig du mir bist. Aber irgendwie schließt sich das in meinen Handlungen gegenseitig aus. Ich will nicht, dass aus Gefühlen Gewohnheit wird, egal wie lange wir schon zusammen sein mögen. Und ich weiß, dass es nicht an unseren Emotionen scheitert. Vielleicht sind es nur Worte, die alles zerstören. Darum habe ich geschwiegen, obwohl ich innerlich vor Wut kochte. Ich erwiderte deinen Kuss fordernder, als du ihn gemeint hast. Dabei spürte ich dein Lächeln auf meinen Lippen. Bereitwillig ließest du dich gegen die Wand in deinem Rücken fallen. Rasch öffnete ich deine Jacke, um deinen Körper zu fühlen. In solchen Momenten wird mir immer klar, wie sehr ich alles an dir mag. Die sanften Rundungen deines schlanken Körpers unter meinen Fingern, deine Stimme und deine Wärme. Wenn ich dich küsse, muss ich mich stets ein wenig hinabbeugen. In einer Umarmung legst du immer deinen Kopf in die Nähe meines Schlüsselbeins und fährst sanft mit der Hand mein Rückgrat hinab. Und während ich mit den Fingerspitzen über deine kurzen dichten Wimpern streiche, spielst du oft mit meinen Ohrringen, die du eigentlich zu groß findest. Obwohl ich das alles für dich empfinde, kann ich nichts dagegen tun. Ich werde dich weiterhin verletzen und du wirst weiterhin schweigen. Wenn ich dir nicht das geben kann, was du suchst, dann findest du zeitweise eine andere Erfüllung. Darum halte ich es für möglich, dass du diese Erfüllung auch für die restliche Zeit findest. Ohne mich. Weil ich dich nicht zerstören möchte. Jedes Wort stellt eine Waffe dar. Dennoch ist es meine einzige Waffe. Aus diesem Grund sage ich dir ein letztes Mal, dass ich dich liebe. Und ich hoffe, dass ich meinen Entschluss, meinen Vorsatz für das neue Jahr nicht ändern werde. Der Vorsatz, diesmal nicht zurückzukehren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)