Written in Blood von Ange_de_la_Mort (Saix/Xigbar, Roxas/Axel, many, many more) ================================================================================ Der neue Job ------------ Blood red lips traced with a tongue they shine, Cut through a crowded room. A look can say a lot sometimes. Immer wieder öffnete sich die Eingangstür zur angesagtesten Disco in ganz New York. Jugendliche strömten in Scharen hinein, lachten, tanzten und betranken sich. Von Zeit zu Zeit verschwand eines der dümmlich grinsendes Pärchen in einer dunklen Ecke – oder schlich sich durch den Notausgang hinaus, was eigentlich verboten war, wie man ihnen auch immer wieder einzubläuen versuchte, doch scheinbar waren die Hormone stärker als ein gut gemeinter Ratschlag. Auch, wenn jener Ratschlag von einem schlecht gelaunten, vernarbten und überaus bedrohlich aussehenden Securitymann kam. Dämliche Kinder! Leise seufzend begab Braig sich zurück zur Bar und lehnte sich an die Theke, nippte an seinem Glas, vergrub dann die Hände in den Hosentaschen. Im Stillen beschwerte er sich pausenlos über seinen Job, beschimpfte seine unfähigen Kollegen und Arbeitgeber, regte sich über die Gäste auf und spielte mit dem Gedanken, den ganzen Laden einfach in die Luft zu jagen. Öffentlich hielt er natürlich den Mund. Schließlich war er nicht dumm und wusste doch, dass er Glück gehabt hatte. Nicht jeder fand ausgerechnet in dieser Stadt sofort einen Job. Wieder seufzte er und sah zum Eingang, beobachtete die neuen Gäste, die die Disco betraten. Dann stutzte er. Musterte einen der Neuankömmlinge genauer. Ein dunkler, maßgeschneiderter Anzug schmiegte sich an einen schlanken Körper, wachsame, bernsteinfarbene Augen überblickten die Umgebung. Und … war das das Licht oder hatte der Kerl wirklich blaugefärbte Haare? Tatsache. Hatte er. Braig schüttelte den Kopf. Der Kerl hatte sich eindeutig in der Tür geirrt – die Schwulenbar war nebenan! Amüsiert betrachtete er den Kerl, sah zu, wie er sich neben Braig an die Theke setzte und ein Bier bestellte. Oh, mit dem Gesöff würde er seine helle Freude haben! Das Bier war alles andere als gut in dem Laden. Die Teenager bestellten es nämlich nie, die wollten nur ihre bunten Cocktails mit so viel Zucker darin, dass sie den Alkohol nicht mehr schmeckten und sich hinterher wunderten, warum sie so schnell betrunken wurden. Und wirklich, als Braigs neuer bester Freund einen Schluck trank und dann angewidert das Gesicht verzog, musste Braig sich sehr zurückhalten, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen. „Furchtbarer Laden hier“, meinte der Typ mit einer Tonlage, die genauso schmierig und ölig klang wie seine Haare es waren. Braig zuckte nur mit den Schultern. „Es gibt genügend andere Clubs in der Stadt.“ Gepaart mit seinem arroganten Lächeln kam diese Aussage genauso an, wie sie es sollte: 'Such dir einen anderen Laden, du Arschloch, und geh mir nicht auf den Geist!' „Weiß ich“, sagte er und lächelte. „Aber ich hab mir diesen Laden schon sorgfältig heraus gesucht. Sie sind von der Security, ja?“, fragte er und neigte den Kopf ein wenig zur Seite, deutete auf Braigs T-Shirt, auf dem in weißen Lettern 'Security' stand. Braig schüttelte den Kopf, verdrehte die Augen und antwortete mit ironischem Grinsen. „Nein. Solche Shirts mit Aufdruck sind einfach nur der Renner dieses Jahr.“ „Sehr amüsant.“ „Nicht wahr?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Genug mit den Witzen. Was wollen Sie?“ In den Augen des anderen blitzte es unergründlich. „Ihnen ein Angebot machen, das Sie nicht abschlagen können.“ Das war Braig dann sogar einen weiteren Schluck aus seinem Glas wert. Der Typ war wirklich bescheuert. Jetzt kam er sogar mit Filmzitaten an. „Na dann lassen Sie mal hören.“ Die Finger des anderen strichen über den Rand des Glases und erst jetzt fiel Braig auf, dass sein Gegenüber Handschuhe trug. Das blaugefärbte Haar wurde mit einer Handbewegung nach hinten gekämmt und Braig wurde grinsend gemustert. „Wie viel verdienen Sie in der Bruchbude hier am Tag?“ „Was geht Sie das an?“ „Reines Interesse.“ Er zuckte mit den Schultern und lächelte, ließ sich offensichtlich nicht aus der Fassung bringen. „Darf ich raten? Zwanzig Dollar, wenn's hochkommt, hab ich Recht?“ Auf eine Antwort wartete er überhaupt nicht. „In unserer Organisation bekommen sie täglich ungefähr das Hundertfache, wenn Sie es richtig anstellen. Ihnen wäre ein Leben in Luxus gewiss.“ Seine Stimme wurde leiser, schmeichelnder. „Wir brauchen kräftige Männer wie Sie.“ Aha. Clever, sehr clever. Erst einmal mit den Vergünstigungen anfangen, einem erst einmal Honig ums Maul schmieren, ehe man über die eigentlichen Einzelheiten des Jobs redete. Der Kerl war nicht dumm. Im Gegenteil. Und Braig merkte, wie sein Interesse geweckt wurde. „Und wofür werden 'Männer wie ich' gebraucht? Um Möbel in die Villen reicher Snobs zu schleppen?“, meinte er mit gewisser Ironie in der Stimme. Der andere schmunzelte, schüttelte den Kopf, erhob sich. „Nicht doch. Aber könnten wir Näheres draußen besprechen?“ "Ah. So geheime Dinge, dass man sie vor betrunkenen Teenagern verbergen muss?" Aber gut, sollte der Kerl seinen Willen haben. Braig bedeutete einem seiner Kollegen, mal kurz seinen Posten zu übernehmen und folgte dem anderen nach draußen, wo ihnen ein Schwall kühler Nachtluft entgegen strömte, der Braig in seinem dünnen Shirt leicht frösteln ließ. "Also?", fragte er und legte den Kopf schief. Der Mann sah Braig ernst an und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, wenn Sie sich bereit erklären, mit uns zusammen zu arbeiten, winken Ihnen Reichtum und Macht. Es gibt nur einen Haken bei der ganzen Sache: Ihr neuer Job wäre nicht unbedingt legal." "Genauere Informationen bitte", sagte er nur und lehnte sich mit dem Rücken an die kalte Wand, schauderte ein wenig, versuchte aber, so wenig Gefühlsregungen wie möglich zu zeigen. Nicht ganz legal? Was sollte er sich darunter vorstellen? Diebstahl? Erpressung? Seine Augen wurden ein wenig schmaler. Vielleicht sogar Mord? "Ich lasse mich auf nichts ein, ohne die Details zu kennen." "Unsere Organisation wird im Allgemeinen auch gerne als Mafia bezeichnet." Die Stimme des Fremden war von einer Sekunde auf die andere kälter als die Nacht geworden. "Wir verdienen unser Geld hauptsächlich mit Waffen- und Drogenschmuggel." Mafia. Das war nun doch überraschend. Braig hätte ja mit vielem gerechnet, aber dass ein Mitglied der Mafia an seine metaphorische Tür klopfte, das war … nicht vorauszusehen gewesen. War der Kerl überhaupt echt? War das nicht wirklich nur ein Witz? Jemand, der von seinem Arbeitgeber geschickt worden war und ihm Angst einjagen sollte, damit er seinen Job besser erledigte? Oder war das eine dieser Fernsehshows mit versteckter Kamera, bei denen die Leute verarscht wurden sollten? Falls ja, fand Braig das wirklich nicht witzig. "Und wie soll einem Schmuggelei zu Macht verhelfen?", fragte er sarkastisch und lächelte. "Das mit dem Geld kann ich ja noch verstehen, aber Macht ...? Oder gehört das zu den falschen Versprechungen, die einem die Mafia macht, ehe man mit Beton an den Füßen in den Ozean geworfen wird?" Nicht, dass ihn Geld und Macht nicht interessierten ... aber solange er sich nicht sicher sein konnte, dass er nicht gerade aufs Kreuz gelegt wurde, konnte er den Kerl nicht ernst nehmen. Sein Gegenüber schmunzelte. "Beton an den Füßen und in den Ozean? Das gehört zu den falschen Klischees. Nein, wir pflegen unsere Leichen sauberer zu beseitigen, falls das überhaupt nötig ist.“ "Oh, wundervoll, dann müsste ich mir immerhin um mein Begräbnis keine Sorgen machen", sagte er und lachte leise. Dann stutzte er, als der andere seine Jacke etwas nach hinten streifte und eine schwarze, glänzende Pistole zum Vorschein kam. Braig schluckte. Er sollte wohl besser aufhören, mit dem Typen zu scherzen. „Sie würden mir nicht glauben, wenn ich Ihnen erzählen würde, wie viele Mafiosi in den Parlamenten dieser Welt sitzen und es durch Schmuggel und geschickten Betrug leicht dorthin geschafft haben." Er blinzelte und hob eine Augenbraue. Das glaubte er auch nicht. Aber das sollte er jetzt wohl besser nicht erwähnen … "Na, wenn Sie das sagen, wird es ja wohl stimmen." Er seufzte und zuckte mit den Schultern. "Das ist mir immer noch ein wenig zu vage, was Sie mir da erzählen ..." "Mit Ihrer Statur würden Sie als Auftragskiller anfangen. Der Job ist besonders gut bezahlt und immer noch einer der harmlosesten, wenn man vergleicht, was passiert, wenn die Polizei einen unserer Schmuggler erwischt. Sie bekommen Waffen, Kleidung und Unterkunft gestellt und wenn Sie Ihre Aufträge gewissenhaft erledigen, geht es ganz schnell nach oben." Auftragskiller ... Braig schluckte. Seine Gedanken rasten. War es nicht unvorsichtig von dem anderen, ihm das einfach so vorzuschlagen? Was, wenn Braig sich jetzt umdrehen und die Polizei informieren würde? Jetzt kannte er ja das Gesicht des Mannes. Nein ... gegen die Mafia konnte die Polizei nichts ausrichten. Aber er kannte den Kerl jetzt - also was, wenn er ablehnte? Würde man ihn dann - sauber oder unsauber, das war egal - um die Ecke bringen? Und natürlich brauchte er das Geld. Er strich sich über die Narbe auf der linken Wange, so, wie er es immer tat, wenn er nervös war. "Was, wenn ich kein Interesse haben sollte?", fragte er vorsichtig. "Dann werden Sie nie wieder von uns hören oder sehen." Ja, aber von Braig würde auch niemand mehr hören oder ihn jemals wieder zu Gesicht bekommen, da war er sicher. Und er hielt nicht viel davon, im Schlaf abgeknallt zu werden. Er schluckte wieder. Das war hilfreich. Wirklich. Oder eben auch nicht. Zumindest brachte es Braig dazu, erst richtig nervös zu werden. Gut, das konnte aber auch an dem Lächeln des Kerls liegen, denn wer die Zähne so zeigte, der führte kaum etwas Gutes im Schilde. Er schluckte einmal mehr. Eine Wahl hätte er wohl nicht. "Einverstanden", sagte er und war sich sicher, dass er damit das Tor zu seiner persönlichen Hölle geöffnet hatte. "Ich nehme an." Sein Gegenüber zwinkerte ihm kurz zu. "Eine sehr gute Wahl. Wenn Sie mir dann bitte folgen würden? Oder haben Sie noch irgendwelche persönlichen Besitztümer, die Sie gern mitnehmen würden?" Ein kaum merkliches Kopfschütteln. Nein, er hatte nicht wirklich etwas, das ihm was bedeutete. Woher auch? Von welchem Geld, welcher Verwandtschaft, welchen Freunden? Braig spürte, wie ihm ein kalter Schauder den Rücken herab lief, als ihm klar wurde, dass es nicht einmal jemand merken würde, wenn ihm der Typ eine Kugel durch den Schädel jagte. Niemand würde ihn vermissen ... "In Ordnung." Der Mann zog einen Schlüssel aus der Tasche, drückte einen Knopf, und die Lichter eines schwarzen, unscheinbaren Autos leuchteten auf. "Steigen Sie ein." Mit einem leisen Seufzen stieß er sich von der Wand ab und öffnete die Tür zur Beifahrerseite, ließ sich auf dem Sitz nieder und schnallte sich an. Wartete und war trotz allem gespannt darauf, wohin die Reise gehen würde. Der andere stieg ebenfalls ein und schnallte sich an, dann parkte er aus und fuhr auf die Autobahn. Während die Lichter anderer Autos und Straßenlaternen an ihnen vorbei zischten, sagte er: "Dann wird es wohl Zeit, dass wir uns einander vorstellen. Mein Name ist Saix Edison. Und mit wem habe ich die Ehre?" Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah aus dem Fenster, versuchte, seine Gedanken zu ordnen. So sehr gefiel ihm die Sache doch noch nicht ... und das würde sie wohl auch nie. "Hm?", fragte er, als er mitbekam, dass der andere etwas sagte. Dann strich er sich durch die langen Haare und lächelte schief. "Braginsky. Braig Braginsky", meinte er leise. "Freut mich, Mr. Braginsky." Braig freute es weniger. Er war ein Idiot gewesen. Er hätte sagen sollen, dass er zigtausend Leute kannte, dass sie nach ihm suchen würden, wenn er plötzlich verschwand. Aber so … hätte er auch gleich sein eigenes Todesurteil unterschreiben können ... Eine Familie, zu der man nur ungern gehört ------------------------------------------ Part 2/? Eine Familie, zu der man nur ungern gehört Als sie über die Brücke nach Manhattan fuhren, bog Saix schließlich irgendwann nach rechts ab. Braig kannte das Viertel. Die East Side. Er musste zugeben, noch nicht häufig dort gewesen zu sein – der Central Park interessierte ihn nicht und was hatte jemand wie er schon bei den Villen verloren? –, und natürlich musste er auch zugeben, nicht damit gerechnet zu haben, dass er jemals eines der riesigen Anwesen von Nahem betrachten würde. Aber da war es … Es erstreckte sich vor ihm wie ein Traumbild, wie die Erfüllung seiner Wünsche. Nur dummerweise hatte ein jeder Wunsch einen Haken. Der von Braig saß gerade neben ihm am Steuer und hatte eine mit Sicherheit geladene Pistole im Gürtel stecken, die er sicher auch einsetzen würde, wenn es Braig jetzt einfiele, sich aus dem Staub machen zu wollen. Natürlich konnte Braig in der Dunkelheit nicht allzu viel erkennen, doch das, was er sehen konnte, raubte ihm den Atem: Das Anwesen war … riesig wäre wohl noch eine Untertreibung … es war gigantisch. Braigs Apartment hätte mindestens einhundert Mal in diesen Platz gepasst. Es war in graue und weiße Farbtöne getaucht, was dazu führte, dass es im schwachen Licht der wenigen Straßenlaternen fluoreszierte, unwirklich erschien. Schwarze Schemen ließen sich als Säulen erahnen und umrahmten das Gelände, endeten schließlich in einem dunklen, gusseisernen Tor, vor welchem der Wagen jetzt anhielt. Als Saix die Autotür öffnete, hatte Braig schon die Hand am Sicherheitsgurt und ließ ihn aufschnappen, doch Saix kündigte ihm mit einem knappen Kopfschütteln an, dass er sitzenbleiben sollte. Dann verließ er das Gefährt und begab sich zu einer Stelle neben dem Tor. Zwar konnte Braig im Moment absolut keine Details erkennen, aber es war offensichtlich, dass Saix leise durch die Sprechanlage mit dem oder den – wahrscheinlich eher 'den', dieses riesige Anwesen war zu groß, als dass nur noch eine weitere Person darin wohnen konnte – Hausbesitzern redete. Und tatsächlich, nur Sekunden später öffnete sich das schwarze Tor und Saix fuhr sie in den großen Hof hinein. Von Nahem sah das Gebäude noch riesiger aus, beinahe einschüchternd – wobei … wieso eigentlich beinahe? Es war einschüchternd – und Braig atmete einmal mehr tief durch. Jetzt im schwachen Licht der Scheinwerfer konnte er Verzierungen an den Wänden erkennen, die sicher ein Vermögen gekostet hatten.Wie wohl alles hier. Das alles zerstörte seine Unsicherheit nicht gerade, aber was sollte er machen? Jetzt war er nun einmal hier ... „Wir sind da, Mr. Braginsky“, sagte Saix und erwähnte damit das Offensichtliche. Ach nein, wirklich?, dachte Braig. Damit hätt' ich jetzt echt nicht gerechnet! Was für eine Überraschung! Und ich dachte, wir wären in Disneyland angekommen! „Ich sehe es“,antwortete er nur und behielt damit seine ironischen Gedanken für sich. Schließlich hatte sein 'Chauffeur' noch immer eine Pistole bei sich, und schließlich würde Braig nicht so dumm sein, einen Waffenbesitzer zu reizen, wenn er selbst wehrlos war. Nun gut, genug der pessimistischen Gedanken. Braig öffnete die Tür und stieg aus dem Auto aus, wartete und warf immer wieder leichte Seitenblicke zu Saix. Er sollte vorgehen. Er wohnte hier. Er sollte Gastfreundschaft beweisen, oder was auch immer Mafiosi anstelle von Gastfreundschaft besaßen. Und hey, Braig würde ihm ganz sicher nicht den Rücken zudrehen. Saix lächelte ihn nur an und begab sich zur Doppeltür, stieß sie langsam und bedächtig auf und vollführte eine einladende Geste mit der rechten Hand. „Nur hereinspaziert. Jetzt, da Sie zu uns gehören, brauchen Sie keine Angst vor uns zu haben. Es wird Ihnen innerhalb dieser Mauern niemand etwas tun ...“ „Aber außerhalb stürzt sich dafür die ganze Truppe auf mich, eh?“, kommentierte Braig nur sarkastisch und steckte die Hände in die Hosentaschen. Folgte Saix schließlich und … musste sich, als sie das Gebäude betraten, erst einmal mit einer Hand die Augen abschirmen. Nach der Finsternis draußen brannte ihm das Licht in den Augen, fraß sich beinahe durch seine Netzhaut. Das ganze verdammte Anwesen war in den Farben weiß und hellgrau gehalten und strahlte dementsprechend grelles Licht ab, das durch den schweren, sicherlich extrem teuren Kronleuchter an der Decke der Eingangshalle nur noch verstärkt wurde. Der Rest der bisher erkenntlichen Einrichtung war klinisch gehalten. Es gab keine Bilder an den Wänden, keine Blumen in Vasen, keine Dinge, die dafür sorgen konnten, dass man sich an diesem Ort in irgendeiner Weise heimisch fühlte. „Scheint so, als hätte Sie sich verfahren, Mann!“, meinte Braig mit hochgezogener Augenbraue an Saix gewandt. „Das hier ist keine Mafiosibude, das ist'n elendes Krankenhaus!“ Oder eine Leichenhalle … Saix ignorierte ihn und seinen Einwurf, wandte sich stattdessen nach links; in die Richtung, in der sich gerade eine Tür öffnete und jemand herauskam, der breit grinste, sich durchs nach hinten gegelte rote Haar strich und Saix mit einem lauten „Yo!“ begrüßte. Braig verzog leicht das Gesicht, als er den Kerl musterte. Er hätte nicht damit gerechnet, dass die Mafia jeden daher gelaufenen Penner mitspielen ließ. Aber nun ja, das tat sie offensichtlich – sonst wäre Braig selbst auch nicht hier. Der Neuankömmling trug hellblaue, an diversen Stellen bereits zerfetzte Jeans und ein falsch geknöpftes weißes Hemd, das schlampig aus der Hose hing. Auch sonst schien er von Ordnung nicht viel zu halten, wenn man sich einmal seine Haare ansah … und im Gegensatz zu Saix färbte er anscheinend nicht einmal regelmäßig nach, was der schwarze Haaransatz verriet. Braig … schüttelte kaum merklich den Kopf. Er hatte diesen Unsinn nie verstanden, sich kreischende und in den Augen schmerzende Farben in die Haare zu schmieren. Aber wenn man es schon tun musste, dann konnte man doch wenigstens darauf achten, dass es nicht ganz beschissen aussah, oder? Nicht, dass Saix' Entschuldigung für eine Frisur besser wäre, aber die war wenigstens einheitlich ... Jedenfalls nickte Saix ihm zu und begrüßte ihn. „Wir haben einen Anwärter gefunden“, sagte er und die beiden tauschten einen viel sagenden Blick aus, den Braig nicht verstand, aber bald verstehen würde. „So“, begann der Rothaarige und unterzog Braig der gleichen Musterung, wie jener es vor wenigen Sekunden noch getan hatte. Dann streckte er ihm grinsend die Hand hin. „Schön, dich kennen zu lernen. Ich bin Axel.“ „Braig … hallo.“ Unwillig ergriff er die Hand und schüttelte sie, wischte sie – als Axel gerade nicht hinsah – an seiner Hose ab. Wer wusste schon, ob der Kerl in Sachen körperlicher Hygiene genauso schlampig war wie in anderen Dingen auch? „Und was … ist dein Job hier?“, fragte er mit schwer unterdrückter Neugier in der Stimme. Axel grinste. „Ich bin der Sprengstoffexperte in dem Laden. Also falls du jemals was in die Luft jagen willst, wende dich einfach an mich, ja? Kannst du dir das merken?“, fragte er langsam und hob einen Zeigefinger zu seiner Stirn, tippte gemächlich dagegen. Braig verkniff es sich, zu sagen, dass er ja wohl kein Fünfjähriger war. Und so alt, dass er unter Alzheimer litt, war er auch noch nicht. Aber er schwieg, denn an Saix' leicht verdrehten Augen konnte er erkennen, dass Axel diesen … ja, doch … diesen unverschämten Spruch ständig vom Stapel ließ. Aber er passte zu ihm. Und sein Job auch. Bombenleger. Braig hielt es für ein mittelschweres Wunder, dass der Kerl sich bisher noch nicht selbst in die Luft gejagt hatte. Nachdem Saix und Axel einen weiteren Blick getauscht hatten, und nachdem Axel wie auf eine unausgesprochene Frage hin nickte, drehte er sich zu Braig und wirkte plötzlich gar nicht mehr so schnippisch und gut gelaunt. „Also, Braig, dann bring' ich dich mal zu unserem Chef“, sprach's und trabte auch schon los. Braig verabschiedete sich durch ein Nicken noch schnell von Saix und beeilte sich, mit Axel Schritt zu halten. Sie durchquerten einige Korridore, bogen häufig ab, und Braig konnte nicht verhindern, dass sich vor seinem geistigen Auge das Bild eines Labyrinthes formte. Wie sollte er sich die vielen Wege bitte merken? Er schüttelte nur den Kopf und seufzte leise. Er würde sich hier sicher noch einige Zeit lang verlaufen … Als sie nach geschätzten fünf Minuten vor einer der vielen Türen stehen blieben, hob Axel die zur Faust geballte Hand und klopfte zaghaft. „Sir“, sprach er dann durch das Holz hindurch, „wir haben einen Anwärter.“ „Schicke ihn herein“, antwortete eine kalte Stimme von der anderen Seite. „Und du kannst gehen, Axel.“ Der nickte nur und öffnete die Tür, bedeutete Braig, den Raum zu betreten, schob ihn beinahe hinein, nur damit er so schnell wie möglich verschwinden konnte. Das beruhigte Braig nun natürlich wirklich nicht. Stattdessen trat er weiter in das hell erleuchtete Zimmer, blieb vor dem schweren, dunklen Mahagonischreibtisch stehen, der mit Sicherheit ein Vermögen gekostet hatte – warum erwähnte er das überhaupt noch? Es sollte ihm inzwischen klar geworden sein, dass er hier in eine Welt voll Geld und Luxus und Macht und höchstwahrscheinlich auch Gefahr gestolpert war –, und hoffte, dass er das Gespräch mit dem Besitzer der kalten Stimme überlebte. Obwohl der Mann, der vor ihm saß, kaum älter sein durfte als Braig selbst es war – wahrscheinlich eher jünger –, erschien es, als hätte er schlohweiße Haare. Beim zweiten Blick jedoch erkannte man, dass sie einfach nur extrem gebleicht waren und eigentlich eine sehr helle platinblode Färbung besaßen. Wieder einmal fragte sich Braig, ob bescheuerte Frisuren und Haarfarben eigentlich ein Aufnahmekriterium für die Mafia waren. Doch dann blickte das Blondchen von seiner Arbeit auf und legte den Stift zur Seite, verschränkte die Hände ineinander und lächelte ein Lächeln, das ein wenig an das von Saix erinnerte: freundlich, aber dennoch spöttisch und überheblich. Was ihn natürlich genauso sympathisch machte wie Saix – nämlich gar nicht. „Guten Abend“, sagte er mit dieser kalten Stimme und einem durchdringenden Blick, die Braig einen unangenehmen, kalten Schauer über den Rücken jagten und dazu veranlassten, am liebsten einen Schritt zurückzutreten – oder ganz aus dem Büro zu flüchten. „Mein Name ist Xehanort. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Braig Braginsky“, antwortete er schnell und fügte nach zwei Sekunden ein leises „Sir“ hinzu. Einfach, weil der Typ wie jemand erschien, zu dem man unbedingt höflich sein sollte, wenn man an seinem Leben hing. „Ich bin hier, weil … es geht um … mir wurde vorgeschlagen ...“ Braig seufzte und strich sich durchs Haar, sammelte sich ein oder zwei Sekunden. „Ich bin wegen des Jobs als Auftragskiller hier.“ Da! Er hatte es ausgesprochen! Und das sogar, ohne dass der Boden sich unter ihm aufgetan und ihn verschluckt hatte! Er konnte stolz auf sich sein. Xehanorts Mundwinkel zuckte ein wenig vor Amüsement und er nickte. „Natürlich. Sie scheinen dafür wie geschaffen zu sein. Und? Habe Sie Erfahrung mit Schusswaffen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich denke schon. Aber ich hatte lange keine mehr in der Hand.“ Seit damals vor einem Jahr … „Das werden Sie schon nicht schon verlernt haben. Zumindest hoffe ich das“, sagte er und Braig fügte in Gedanken ein hämisches 'Sonst werden wir Sie schneller abknallen, als Sie 'Scheiße!' sagen können' hinzu. Indessen klappte Xehanort den kleinen Laptop auf, der sich vor ihm auf dem Schreibtisch befand, und begann, ein paar Anschläge auf der Tastatur vorzunehmen. „Ich benötige natürlich noch ein paar Angaben über Sie. Ihr Alter, Ihre bisherigen Berufe, Ihren Familienstand ...“ „Fünfunddreißig“, meinte Braig, erläuterte, dass er sich bisher immer wieder als Bodyguard und Securitymitarbeiter durchgeschlagen hatte, und gab nach kurzem Zögern zu, keinerlei Familie mehr zu besitzen. Er hätte natürlich auch lügen können, aber irgendwie hatte er die Vermutung, dass Xehanort gar nicht begeistert sein würde, wenn man ihn belog. Dennoch konnte er nicht anders, als sich einmal mehr wie ein perfekter Todeskandidat zu fühlen, dessen Verschwinden niemandem auffallen und dessen Begräbnis – falls man denn eine Leiche fand – niemand besuchen würde. Noch ein paar Sekunden lang flogen die Finger des anderen über die Tasten, ehe der Laptop seinen Dienst verrichtet hatte und zugeklappt wurde. Dann erhob sich Xehanort und reichte Braig die Hand, lächelte ihn an. „Willkommen in der Organisation, Mr. Braginsky.“ Braigs Lächeln war ein wenig gequälter, vor allem, weil er immer noch der Ansicht war, einen Pakt mit dem Teufel – oder zumindest einem seiner nächsten Verwandten – eingegangen zu sein. Aber wie auch immer. Jetzt war es zu spät. Jetzt sollte er aufhören, sich darüber Gedanken zu machen, denn ändern konnte er es sowieso nicht mehr. Xehanort begab sich wieder zu seinem Schreibtisch und drückte auf den kleinen Knopf einer Sprechanlage, bestellte Saix in sein Büro. Und nachdem der keine fünf Minuten später auftauchte – eine Zeit, die Braig viel länger vorkam; eine Zeit, in der kein Wort gewechselt wurde; eine Zeit, in der man ihm nicht einmal einen Stuhl angeboten hatte –, befahl Xehanort ihm, Braig seine neue Unterkunft zu zeigen. „Und sobald Sie sich etwas eingelebt haben“, sagte er noch an Braig gewandt, „werde ich Ihnen unseren besten Schützen schicken, um Ihr Talent mit Waffen ein wenig aufzufrischen.“ Braig nickte, wünschte einen guten Abend und machte, dass er aus dem Büro kam. ~*~ Wieder durchquerten sie verwirrend viele Gänge, stiegen dieses Mal allerdings auch die Stufen zum zweiten Stock des Anwesens hinauf und schließlich führte Saix Braig zu einem schmalen Gang, zu dessen Seiten sich ein knappes Dutzend Türen erstreckte. Noch war daran nichts Besonderes, doch bei etwas näherer Betrachtung fiel auf, dass an jeder der Türen ein Name in eine kleine silberne Plakette eingraviert war. Die Tür, vor der sie nun stehen blieben, war jedoch noch unbeschriftet, was Braig in seiner grenzenlosen Kombinationsgabe dazu brachte, anzunehmen, dass es sich hierbei um sein zukünftiges Quartier handelte. Und tatsächlich, er hatte allen Grund, sich zu seinem Auffassungsvermögen zu gratulieren, denn Saix erklärte ihm nun genau das. Und fügte hinzu, dass er seine freie Zeit dort verbringen könnte, man ihn – wie den Rest der Organisation auch – zu den Mahlzeiten jedoch im Speisesaal erwartete. Wo auch immer der sein mochte. Braig nickte nur bestätigend und nachdem er von Saix seinen Schlüssel bekommen hatte – ein kleines, schwarzes Ding aus Metall mit ziemlich vielen Verzierungen am Griff –, machte er sich auch schon daran, sein neues Heim zu erkunden. Allerdings gab es da nicht viel zu sehen. Das Zimmer war groß und bestach wie der Rest des Anwesens durch grelle, weiße Farbgebung und eine gähnende Leere. Bis auf ein schmales Bett mit – wer hätte es gedacht? – weißen Laken und einem weißen Schreibtisch sowie einen ebenso weißen Kleiderschrank gab es keine Einrichtungsgegenstände. Eine Tür an der Rückwand führte in ein Badezimmer, in dem man sicherlich zu hundert Mann hätte duschen können. Als Braig sich umdrehte und gerade einen Kommentar loslassen wollte, erkannte er, dass Saix ihn in der Zwischenzeit alleine gelassen hatte. Wohl, damit er sich an seine 'luxuriöse Behausung' gewöhnen konnte. Seufzend ließ sich Braig auf dem Bett nieder und betrachtete die Wand auf der gegenüberliegenden Seite. Und dann die daneben. Und die anderen beiden. Und dann verspürte er das dringende Bedürfnis, einen Farbeimer zu nehmen und den Inhalt einfach so gegen die Wände zu klatschen. Er würde wohl einkaufen müssen. Ein Bücherregal aufstellen, irgendwelche bescheuerten Poster aufhängen oder vielleicht doch die Mafiakasse auf den Kopf hauen und sich ein Bild an die Wand hängen, das so aussah, als hätte ein Kind Fingermalfarben gegessen und dann auf die Leinwand gekotzt. Moderne Kunst oder so. Egal, Hauptsache irgendetwas, um diese verdammten Wände zu 'verschönern'. Aber erst einmal … erst einmal ließ er sich nach hinten aufs Bett fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Morgen würde er also den Rest der selbst ernannten 'Organisation' kennen lernen. Warum nur hatte er dabei ein ungutes Gefühl? ~*~ Irgendwann musste er wohl doch eingeschlafen sein. Zwar erinnerte er sich nicht daran, die Augen geschlossen zu haben, und auch nicht daran, das weiße Bettlaken über sich gezogen zu haben, aber er erwachte am nächsten Morgen, als es an seiner Tür klopfte und Axels Stimme ertönte, die ihm verkündete, dass er gefälligst seinen Hintern zum Speisesaal begeben sollte, wenn er selbigen Hintern behalten wollte. Gut, so hatte Axel es nicht ausgedrückt, aber die generelle Botschaft – „Komm ja nicht zu spät!“ – war durchaus aus seinem Tonfall heraus zu hören. Wie auch immer. Braig seufzte erst einmal und drehte sich auf die andere Seite, beschwerte sich im Stillen darüber, dass er nicht einmal hier ausschlafen konnte, und stand schließlich schwerfällig auf, wobei er bemerkte, dass er mitsamt Kleidung und Schuhen ins Bett gefallen war. Bei dem Anblick hätte man sich sicher einen wunderbaren ersten – oder eher zweiten – Eindruck von ihm bekommen. Zum Glück war Axel nicht hereingekommen. Nun ja. Jetzt musste er erst einmal den Speisesaal finden. Aber das stand erst auf Platz drei der Tagesordnung. Auf Platz eins stand eine warme Dusche. Es verwunderte ihn nicht, dass Duschgel und Zahnbürste mitsamt Zahnpasta auslagen, und es verwunderte ihn auch nicht, dass die Handtücher weiß waren. Irgendwie gab es in dem Laden wohl keine anderen Farben. Seufzend trocknete sich Braig die Haare und band sie wieder zusammen, und starrte dann in einem Anflug von Verwirrung und Wahn auf den Kleiderschrank. Ob da wohl …? Und tatsächlich, da hingen Klamotten drin! Er blinzelte einmal und dann noch einmal, als er die Sachen durchging und bemerkte, dass sie sogar seine Größe besaßen. Das war ja … fast so, als hätte man sich bereits auf ihn abgestimmt. Oder vielleicht war es einfach nur ein Zufall. Kopfschüttelnd griff er nach einigen Sachen, in denen er nicht ganz so wirkte wie der unterbezahlte Gehilfe eines Leichenbestatters – einer schwarzen Hose und einem weißen Hemd, die Anzugsjacken waren ihm zuwider, die würde er nicht einmal mit der Kneifzange anfassen - und machte sich auf die Suche nach dem Speisesaal, von dem Axel gesprochen hatte. Und verlief sich. Natürlich. Nachdem er jedoch beinahe jede Tür geöffnet und hinein geschaut hatte und sich dabei sehr dumm vorkam, hatte er den Weg doch noch gefunden. Und als er vor der Tür schon das Klappern von Besteck und leise Stimmen hören konnte, nahm er all seinen Mut zusammen und öffnete die Tür. „Guten Morgen, Braig“, wandte sich Xehanort sofort an ihn und Braig verzog das Gesicht zu einem gezwungenen Lächeln. Jetzt waren sie also schon auf der Vornamensbasis, wie? „Setzen Sie sich doch.“ Unter kritischen und unverhohlen misstrauischen Blicken durchquerte er den Raum und nahm auf dem freien Stuhl neben Saix Platz und sah sich so unauffällig wie möglich um, während er sich eine Tasse Kaffee einschenkte. Auch heute trug Xehanort komplett weiß – hmm, was war wohl seine Lieblingsfarbe? Darauf würde wohl niemand kommen –, einzig eine schwarze Krawatte bildete einen Farbtupfen in seiner blassen Erscheinung. Saix lächelte Braig von links aufmunternd zu und er erwiderte das Lächeln unsicher. War das ein Zeichen? „Hey, Alter, keine Sorge, zumindest ich werde dich in der Nacht nicht abmurksen!“? Damit wäre er wohl der einzige. Braigs Blick schweifte weiter und fiel auf einen Schrank von einem Kerl mit schwarzen Dreadlocks und Koteletten, der Zeitung las und sich um Braig überhaupt nicht kümmerte. Daneben saß ein blonder Mann mit überaus missmutigem Gesichtsausdruck, welcher von seinen knochigen, eingefallenen Wangen nur noch verstärkt wurde. Er starrte Braig aus giftgrünen Augen über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg an. Zwei freie Plätze. Eine Frau mit merkwürdig gegelten Haaren betrachtete ihre langen Fingernägel. Noch ein leerer Platz. Und am Ende der illustren Runde saß … ein kleiner Junge, höchstens fünfzehn oder sechzehn, der ungeduldig in die Runde starrte und Braig feindselig musterte. Au fein, wie wunderbar es hier doch war … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)