110! The god of insanity(!)... von G_O_D (... and the hellhound.) ================================================================================ Kapitel 9: Erinnerungen ----------------------- Forgotten memories (Jay) “Memories they haunt me / they follow me To the day I die Memories they haunt me / they follow me To the day I die.” Cypress Hill Jay saß in der Bar an Bord der California und starrte mit leeren Augen in das Glas vor ihm. Es war nicht ganz leer, aber Spike, der Barkeeper, erwartete, dass der Captain schon bald wieder nach der Flasche fragen würde. Und was würde Spike tun? Würde er ablehnen? Könnte er überhaupt ablehnen? Es ging nicht darum, dass er im Grunde unter Jays Befehl stand, sondern vielmehr der menschliche Aspekt der bitte selbst. Aber war es wirklich menschlich einem Mann zu gewähren, sich selbst zu verkrüppeln, damit er die Schmerzen der Vergangenheit ertrug. Konnte… nein, durfte er Jay überhaupt die Flasche wieder geben? Spike war sich nicht sicher ob er Jay leiden, oder sich selbst zerstören lassen durfte. Er versuchte dem Captain nicht seinen inneren Streit bemerken zu lassen, polierte seit einigen Minuten ein und dasselbe Glas und das auch nur, weil er nichts anderes zu tun hatte. Jay war abgesehen von Spike die einzige Person in der Bar. Alle anderen waren erholten sich von der zurückliegenden Schlacht. Ein furioser Sieg, der besonders durch Jays bemerkenswertem Mut und Einfallsreichtum schnell errungen war. Und nun saß Jay wieder einmal an der Bar, füllte sich selbst mit Whiskey ab, schwieg und hatte einen Blick, als würde er durch die metallenen Wände in die Unendlichkeit blicken. Es lag eine Trauer in seinen Augen, welche Spike schon öfter verwundert hatte. Er kannte den Captain als einen fröhlichen, lebenslustigen Menschen, der durch nichts aus der Ruhe zu bringen schien. Doch dann gab es diese Phasen, wo er wie ein Häufchen Elend war und schien, als wäre er in tiefe Depressionen verfallen. Spike kannte nichts, was ihn dann aufzuheitern vermag. Selbst wenn seine Tochter kommen würde, würde er zwar lächeln, aber das Lächeln würde nicht auf seine Augen übergehen. Seine Augen würde weiterhin diese unsagbare Traurigkeit zeigen, welche Spike einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Irgendwann einmal hatte Spike dann Chris, einen von Jays engsten Vertrauten, darauf angeredet. Auch Chris hatte er immer als fröhlich und unbeirrt erlebt, doch als Spike ihn auf Jays Niedergeschlagenheit angesprochen hatte, war Chris ernst geworden. Nicht, dass sein Blick die Leere bekommen hätte, welche Jay immer in seinen Augen hatte. Nein, Chris war einfach nur das Grinsen vergangen und das war etwas, was auch nicht oft passierte. Chris hatte Spike dann die ganze Geschichte erzählt und Spike hatte sprachlos gelauscht, denn er erfuhr Dinge über seinen Captain, welche nur wenige Crewmitglieder wussten. „Jay war nicht immer Pirat gewesen.“, hat Chris erzählt und sich dabei einen Joint angezündet, „Er war auch nicht immer bei der Rebellion gewesen. Nun, vielleicht schon. Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was wir damals waren.“ Chris fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare und schien wirklich darum bemüht die Geschichte so wahrheitsgetreu wie möglich wiederzugeben. „Nun, wir hatten uns zwar nicht an das System angepasst, aber wir waren auch nicht bewaffnet durch die Straßen gelaufen und öffentlich das System angegriffen.“, fuhr Chris fort, „Wir waren einfach nur Schüler…“ Chris überlegte kurz und sagte dann: „… und irgendwie waren wir auch mehr. Nein. Nicht wir. Er. Er war mehr. Fuck! Doch. Wir. Es ist alles etwas kompliziert.“ Er nahm einen weiteren Zug und versuchte seine Erinnerungen zu ordnen. Spike stand ihm schweigend gegenüber, stütze sich mit den Ellbogen auf den Tresen ab und hatte gänzlich aufgegeben, diesen zu wischen. „Unsere Brüder haben Gelegenheitsjobs für die Rebellion gemacht. Du weißt schon. Informanten treffen, Informationen sammeln und weiterleiten. Und irgendwann kam dann die Nacht, wo sich alles änderte. Oder?“ Chris sah Spike an und fragte: „Kennst du das, wenn in einem bestimmten Moment etwas Gewaltiges passiert und alles andere, was später kommt, einzuleiten scheint, aber du gleichzeitig glaubst, dass es ohnehin so gekommen wäre?“ Spike schüttelte schweigend den Kopf. „Nun, genau so war das damals.“, erzählte Chris weiter, „Es schien als wäre es passiert weil er gelernt hatte, die Bestie zu kontrollieren, aber gleichzeitig glaubt ein Teil in mir, dass es so oder so geschehen wäre.“ „Was?“ fragte Spike mit fliehender Stimme. Er wollte Chris nicht hetzen, aber doch war die Neugierde zu erfahren, was passiert war, zu groß. Chris zuckte mit den Achseln und antwortete: „Wir… er bekam seinen ersten Auftrag. Eine Fabrik sabotieren. Wir haben es geschafft und dort trafen wir dann das ‚Monster’ welches nun für Jays Leiden verantwortlich war.“ Spike sah ihn fragend an, denn Chris hatte den letzten Teil verächtlich ausgespien. Chris sah Spike an und teilte ihm eine Weisheit mit, welche Spike lange nicht verstanden hatte: „Der Tod hat viele Gesichter. Und manchmal erschleicht er sich unser Vertrauen.“ Spike legte die Stirn in Falten, aber Chris schien nicht zu bemerken, dass der Barkeeper nicht ganz verstand, was er damit aussagen wollte. Stattdessen erzählte er weiter: „Wir kehrten zurück und versuchten ein möglichst ruhiges Leben zu führen. Die Rebellion lag uns nicht. Gewalt lag uns nicht. Wir sahen keinen Grund… keinen Sinn dahinter. Vielleicht glaubten wir, dass wir nichts ändern könnten. Vielleicht wollten wir einfach nicht die Leiden austeilen, die wir schlussendlich ausgeteilt haben. Vielleicht waren wir sogar Pazifisten. Jay… vielleicht… ich glaube es… irgendwie.“ Spike musste kurz belustig aufschnauben. „Vielleicht hätten wir an diesem Glauben festgehalten bis uns jemand das Gegenteil bewiesen hätte. Vielleicht… vielleicht wäre alles anders gekommen. Vielleicht wären wir selbst getötet worden.“ Chris nahm einen weiteren tiefen Zug, warf den Kopf zurück und starrte die Decke an, während er die Erinnerungen aufsteigen ließ. „Der Tod hatte uns eine Falle gestellt. Er wollte mit uns spielen, bevor er uns, einen nach dem anderen ausschaltete. Ob die beiden zu den geplanten Opfern zählten, bezweifle ich. Aber das er sich Jay schnappen wollte, bezweifle ich nicht. Er wollte mit Jay anfangen. Vielleicht hielt er ihn für den Stärksten, vielleicht auch für den Verwundbarsten. Zumindest hatte keiner der anderen eine so enge Bindung zu jemand anderen aufgebaut, wie Jay. Und diese Verbindung griff der Tod gezielt an.“ Chris schüttelte traurig den Kopf und fuhr mit heiserer Stimme fort: „Ich war selbst nie dort, aber Prince sagte mir, dass die Wohnung einem Schlachthaus glich. Scheinbar hätte Prince selbst die zwei nicht einmal mehr identifizieren könnten. Aber Jay konnte es. Teufel noch mal. Das eine war ja schließlich seine Frau und das andere seine Tochter.“ Spike klappte der Mund auf als er Chris’ Worte hörte. „Jay rächte sie. Er tötete den Tod.“ sagte Chris kopfschüttelnd, dann lachte er bitter. Und als er zu lachen aufhörte, sah Spike in seinen Augen Mitgefühl und eine Spur von Trauer. Auch ihn waren die Tode von Jays Freundin und deren Tochter nahe gegangen. Vielleicht weil er die beiden ebenfalls gekannt hatte. Vielleicht auch wegen dem, was nun auch Jay geworden ist. Mit einer leichten Verzweiflung in den Augen schüttelte er wieder den Kopf und sagte: „Doch Jay zeigte keine Trauer. Zumindest nicht lange.“ Er klang ungläubig als er fortfuhr: „Wir hatten alle erwartet, dass er von diesem Moment an nie wieder derselbe sein würde. Wir hatten keinen Zweifel, dass er lange brauchen würde, um darüber hinwegzukommen. Falls er es überhaupt schaffen würde. Aber nicht einmal einen Tag später lachte er wieder. Er lachte und strahlte eine Kraft aus, welche den Eindruck erweckte, als wäre nichts gewesen.“ Einen letzten Zug, dann drückte er den Joint im Aschenbecher aus und sagte dabei traurig: „Und jetzt zerfrisst es ihn. Er will nicht und würde auch nie darüber reden. Dafür ist er zu stolz. Dafür hat er zu viel zu verlieren.“ Chris stand auf und ging davon. Spike starrte ihm wortlos hinterher und versuchte zu verdauen, was er über seinen Captain erfahren hatte. Erschrocken zuckte Spike zusammen, als Jay haltlos zu lachen begann. Verwirrt blickte sich der Barkeeper um, denn er war sosehr in seine Gedanken versunken gewesen, dass er nichts mitbekommen hatte. Doch abgesehen von den beiden war noch immer niemand anderes in der Bar. Er wusste es nicht, aber Jay hatte seine Gedanken gelesen. Spike sah ihn verwundert an. Der Captain grinste noch immer über das ganze Gesicht, holte ein Bündel Geldschein aus seiner Brusttasche und warf es auf den Tresen. Bezahlung für die Drinks plus das Gehalt. Er leerte den letzten Rest, stellte das Glas neben das Geldbündel, drehte sich um und ging Richtung Tür. Und als er, immer noch leise lachend durch die Tür schritt, dachte sich Spike: „Oh Shit. Der Captain ist geisteskrank.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)