Nachtfalter von moonlight_005 ([NejiTen]) ================================================================================ Teil IV: Die Vergessenen ------------------------ Es hatte bereits den ganzen Tag gestürmt, sodass es ihnen unmöglich geworden war draußen zu arbeiteten. Der Schnee schmolz langsam und floss in Rinnsalen zu den mächtigen Bergflüssen, die langsam wieder zum Leben erwachten. Der Himmel war grau und das Holz der Mühle knarrte ununterbrochen, sodass ihnen allen ein wenig mulmig zu Mute war und sie dicht gedrängt am Feuer saßen. Tenten saß zwischen Lee und Deidara, der ihnen Kunststücke mit der Magie des Feuers zeigte. Er schnippte einmal mit den Fingern und alle starrten gebannt auf den Vogel aus Feuer, der über ihre Köpfe flog und sich bei nochmaligem Schnippen in Rauch auflöste. Kiba und Temari applaudierten lautstark, nur noch übertönt von Lee, der schon das nächste Kunststück verlangte. Ino hingegen sah Deidara böse an, weil er sie vorhin versehentlich angekokelt hatte und ganz nebenbei den fast fertigen Socken verbrannt hatte, den sie gestrickt hatte. Sakura hielt eine Tasse warme Milch in der Hand, die noch dampfte und lächelte leicht. Konan war noch draußen. Als einzige hatte sie sich in den Sturm gewagt und wollte noch draußen nach dem Rechten sehen, obwohl es den ganzen Tag bereits nach Gewitter ausgesehen hatte. Doch in der lustigen Runde dachte niemand daran und alle lachten, als Ino Deidara zur Strafe für die verkokelte Socke ihren Spüldienst aufzwang. „Das hast du verdient, Alter!“, tönte Kibas Stimme über Inos Schimpftirade hinweg, woraufhin Lee und Temari ihm lautstark zustimmten. „Wer wollte es denn unbedingt sehen, hm?!“, gab Deidara zurück, doch er kam nicht weit, denn Ino hatte ihn soeben am Kragen gepackt. „Hör mir gefälligst zu, Deidara“, keifte sie, „ich mag deine Gabe, sie hält warm und so weiter, aber du – sollst – gefälligst – nicht – das – Haus – abfackeln!“ Der Blonde wich ehrfurchtsvoll ein Stück zurück, kam aber nicht weit, weil Ino noch immer seinen Kragen festhielt. Tenten lachte. Deidara, der einem Kampf mit den Uchihas nicht aus dem Weg ging, hatte Angst vor Ino, die ihm mit Spüldienst drohte. In diesem Moment brach draußen der Donner los, der Regen, der sich den ganzen Tag angekündigt hatte, brach mit einer so gewaltigen Wucht über sie hinweg, dass Tenten schon fürchtete, dass der Boden wegschwemmte. Mit einem Schlag war das Gelächter verstummt und Ino ließ Deidaras Hemd los. „Konan ist noch da draußen“, flüsterte Sakura, als alle sich ein wenig gefangen hatten. „Sie wird schon zurecht kommen“, antwortete Temari zuversichtlich, aber Tenten sah das etwas anders: „Wir können sie doch nicht einfach draußen lassen. Was, wenn sie nicht zurechtkommt?“ „Konan ist stark, Schätzchen“, unterbrach sie Ino, „sie würde es uns nur übel nehmen, wenn wir versuchen sie aus dem Regen zu retten.“ Ein gewaltiges Krachen unterbrach ihre Unterhaltung und auf einmal war da ein Geräusch, das sie bis ins Mark erschüttern ließ und nach splitterndem Holz klang. Dann ein erstickter Schrei und mit einem Mal ging alles ganz schnell. Lee und Kiba sprangen gleichzeitig auf, doch Temari hielt sie zurück. „Wartet!“, rief sie gegen den Lärm, „wir müssen strukturiert vorgehen, wir dürfen nicht in Panik geraten!“ „Wie würdest du dich denn fühlen, wenn wir Konan im Stich lassen!“, brüllte Kiba zurück, „von wegen sie kann auf sich selbst aufpassen!“ „Ich gehe!“ Deidara war so entschlossen, wie sie ihn noch nie gesehen hatte und Tenten wurde sich bewusst, dass er eine solche Situation nicht zum ersten Mal erlebte. „Sakura, Ino, ihr bleibt hier und bereitet ein Lager vor, es kann sein, dass sie verletzt ist“, er holte einmal tief Luft, „Kiba du siehst nach den Tieren, Lee, Temari, ihr kommt mit mir!“ „Und ich?“, schrie Tenten gegen das Getöse an, doch Deidara schien sie nicht zu hören. Gerade, als Deidara die Tür nach draußen öffnen wollte, wurde eben diese aufgerissen und für einen Moment verstummten alle Gespräche, als Neji im Türrahmen stand. Nass bis auf die Haut, noch mit einem Reisemantel bekleidet und anscheinend etwas angespannt. Es war, als wäre er nie weggewesen, so selbstverständlich war er durch die Tür gekommen. Keine wochenlange Abwesenheit. Er war wie sie ihn in Erinnerung hatte. Beherrscht und überlegt. Seine hellen Augen blitzen im Feuerschein und Tenten fragte sich, wie sie diesen einzigartigen Blick nur tagelang verdrängen konnte. „Konan ist unter einem Balken eingeklemmt und wahrscheinlich bewusstlos“, berichtete er in einem Atemzug. „Wo ist mein Bruder?“, fragte Temari und erst jetzt fiel Tenten auf, dass Neji allein war. „Er ist bei ihr, wir haben keine Zeit zu verlieren.“ „Ich komme mit dir“, sagte Deidara, als Neji bereits wieder im Regen verschwand. Dann brach totales Chaos aus, Ino und Sakura hasteten nach oben um die erste Hilfe vorzubereiten, Deidara und Lee stürzten Neji nach, Kiba rannte Richtung Stall und Temari stürmte nach draußen zu Gaara. Nur sie, Tenten, stand hilflos in der Küche und wusste nicht was sie tun sollte. Tenten kam sich nutzlos vor, verloren. Ihr klangen noch Deidaras Worte in den Ohren: Du bleibst hier! Als einzige. Sie wurde nicht gebraucht, selbst nach so vielen Wochen des Zusammenlebens war sie noch immer kein Teil von ihnen. Es verletzte sie und in ihr kochte die Wut. Man hatte sie gegen ihren Willen hierher gebracht, man hatte ihr gesagt, wie sie sich zu verhalten hatte, was sie tun sollte und was nicht, doch sie ließ sich nicht ihre Entscheidungen nehmen. Sie war immer noch frei und hatte das Recht selbst zu entscheiden. Sie hatte eine Wahl und in diesem Moment wählte sie den Weg in den Regen. Bereits nach zwei Minuten klebte ihr Kleid vollkommen an ihrer Haut und von ihren Haaren tropfte das Wasser. Der Regen peitschte ihr mit der Stärke eines Orkans entgegen, sodass sie kaum vorankam. Blind starrte sie durch die Regenwand und versuchte herauszufinden, wohin Neji mit Deidara, Lee und Temari verschwunden war. Tenten blinzelte Richtung Stall, doch von Kiba war nichts zu sehen. Der Lärm war ohrenbetäubend, nahm ihr jedes Hörvermögen für andere Dinge und übertönte selbst das panische Geschrei der Tiere. Für einen Moment war es taghell, als ein Blitz alles in gleißendes Licht hüllte, Donner krachte und dann erspähte sie Gestalten, ein Huschen aus Licht und Schatten, ferne Stimmen die sie nicht verstand. Und auf einmal stand alles still, die Bewegung fror ein, die Stimmen waren stumm und selbst das Wüten der Naturgewalten war nur noch ein Hauch irgendwo in der Ferne. Sie begegnete seinem Blick, der wütend war und so scharf, dass sie einen Moment lang fürchtete er würde ihr etwas antun. Nejis Gesicht erschien kalkweiß und umso stärker zeichneten sich die schattenhaften Konturen darin ab. Dunkelheit hüllte sie ein, sein Gesicht verschwand im Regen und die Welt kam wieder ins Gleichgewicht. Tenten hielt inne, zog das Kleid, das ihr über die Schulter gerutscht war, wieder an seine Position und atmete einmal tief ein. Ihr Herz raste. Niemand hatte sie je so angesehen, so voller Wut… Aber sie wusste jetzt wo sie waren. Tenten raffte ihre Kleider und rannte Richtung Werkstatt, die an den Haupttrakt grenzte und wo sie alle mögliche handwerkliche Arbeit verrichteten. Konan musste wohl noch etwas nachgesehen haben. „Sie ist eingeklemmt!“, hörte sie Lee durch den Regen rufen, Tenten folgte seiner Stimme und blieb abrupt vor der Werkstatt stehen. Die Tür war mit einem mächtigen Balken versperrt und das winzige Gebäude schien aus seiner Verankerung gerissen. Dachpfannen waren abgedeckt, überall lagen Holzsplitter und die anderen versuchten verzweifelt einen Weg durch die Trümmer zu graben um an die Frau zu kommen. Tenten ergriff eine Planke, ohne auf die anderen zu achten nahm all ihre ganze Kraft zusammen und hob das Holz an. „Was machst du hier!“, schrie auf einmal jemand neben ihr und Tenten erkannte Neji, der sie an der Schulter packte und zu sich herum drehte. Seine Augen funkelten und sie war sich sicher, dass sie sich seinen Blick eben nicht eingebildet hatte. „Ich will ihr helfen!“, schrie Tenten zurück und starrte ihn ebenso wütend an. „Geh wieder zurück“, knurrte Neji, doch sie ignorierte ihn, schob ihn zur Seite und schmiss einen weiteren Balken hinter sich. „Tenten!“ Noch nie hatte sie Neji die Beherrschung verlieren sehen, aber jetzt wo er erschöpft, angespannt und wütend war, schien er nicht mehr weit davon entfernt. „Ich gehe nicht wieder zurück“, schrie sie, „was weißt du schon von einem Leben! Ich lasse sie nicht im Stich!“ Für einen Moment schien er sprachlos, Wassertropfen rannen sein Gesicht herunter und er kniff missbilligend die Lippen zusammen. Neji sah sie an, aber irgendwas war seltsam. Sein Blick war anders. „Dann hilf mir!“ Seine Stimme klang gereizt, doch sie erkannte an dem Tonfall, dass er kapitulierte. Gemeinsam hoben sie einen weiteren Balken an und räumten die Tür frei. „Deidara! Lee! Kommt her, wir haben den Eingang!“ Sofort kamen die beiden Männer um die Ecke gebogen und halfen ihnen sich einen Weg durch die Trümmer zu bahnen. Der Raum war komplett eingestürzt, Werkzeuge lagen herum und mitten unter einem riesigen Balken lag Konan, offensichtlich bewusstlos. An ihrem Kopf klaffte eine Wunde und Tenten betete, dass sie nicht allzu schwer verletzt war. „Wir müssen den Balken wegräumen“, sagte plötzlich jemand hinter ihr. Tenten drehte sich um und erkannte Gaara, ebenfalls mit Reisemantel bekleidet, aber im Gegensatz zu Neji ruhig und analytisch. „Soll ich ihn abbrennen?“, fragte Deidara, doch Lee widersprach ihm augenblicklich: „Bist du wahnsinnig? Dann kracht der ganze Raum zusammen und begräbt sie unter sich!“ „Wir müssen uns zu ihr vorkämpfen und sie darunter weg ziehen“, wandte Neji ein. „Das bringt nichts“, antwortete Deidara, „wir kommen da nicht durch, da liegt zu viel Zeugs im Weg. Da kann sich keiner von uns durchquetschen! Neji, die Zeit rennt uns davon!“ Neji warf einen Blick zum Eingang und zögerte. Sie wusste nicht genau, was sie dazu brachte, doch dann stieß sie ihn zur Seite, drängte sich an ihm vorbei und kroch durch das Gerümpel. „Tenten!“ Lees Stimme war panisch, doch sie ignorierte es. Es brachte nichts, wenn sie so lange redeten, sie mussten handeln und, wenn sie sich selbst damit in Gefahr brachte, musste sie dies in Kauf nehmen. Was hatte sie zu verlieren… Tenten richtete sich leicht auf, kletterte über eine Werkbank und war nur noch fünf Meter von der Unglückstelle entfernt. Vom Eingang her hörte sie ein Rumpeln, was bedeutete, dass die anderen wohl damit angefangen hatten systematisch die Balken wegzuräumen. Im Dach knarrte es und im nächsten Moment krachte ein Teil des Dachs neben ihr zur Erde. Sie zog erschrocken die Luft ein. Wieder hörte sie jemanden ihren Namen rufen, doch sie kroch weiter. Kämpfen… sie musste kämpfen. Noch nie hatte sie aufgegeben und sie würde auch jetzt nicht damit anfangen. Keuchend erreichte sie Konan und der Anblick schnürte ihr augenblicklich die Kehle zu. Der schwere Balken lag quer über ihrem Körper und machte jede ihrer Bewegungen zur Qual. Eines ihrer Beine war merkwürdig verrenkt und sie vermutete, dass es gebrochen war. Tenten tastete nach Konans Hand und fühlte ihren Puls. Sie lebte! Am liebsten hätte sie vor Erleichterung geweint, doch sie hatte keine Zeit für so etwas. Tentens Blick wanderte zur Decke, wo der Balken nur noch von einer leichten Verankerung in der Schräge gehalten wurde, die verhinderte, dass er Konan vollständig unter sich begrub. Bei allen Göttern! Sie betete dafür, dass er hielt! Das Mädchen packte die ältere Frau unter den Achseln und versuchte sie zu ziehen, doch das Holz gab nicht nach. Als nächstes stemmte sie sich mit ihrer ganzen Kraft gegen das Holz. Das Gewicht verlangte ihr alles ab, dabei hatte sie es nur wenige Millimeter angehoben. Tenten keuchte. „Wir sind gleich bei dir, Tenten!“, rief Deidara, doch in diesem Moment folgte ein weiteres Krachen und das Gebäude erzitterte. Weiter! WEITER! Die Seitenwand riss ein und ein Teil des Gebäudes krachte ein und brach nach außen weg. „Das Gebäude stürzt ein!“, schrie Lee gegen den Sturm an, aber sie bekam nichts davon mit. Verzweifelt zerrte sie an dem Holz um Konan freizubekommen, doch sie war nicht stark genug. Sie konnte den Balken vielleicht für einen kurzen Moment bewegen, aber nicht gleichzeitig Konan darunter wegziehen. Ein weiterer Teil einer Wand brach ein und dann erschütterte ein weiterer Lärm die Stille. Alles schien wie in Zeitlupe zu verlaufen, das Dach kam näher, doch sie spürte die Sekunden nicht, die es brauchte um sie zu erreichen. Der Geräuschpegel nahm ab und zurück blieb nur noch ihre eigene nackte Angst. In diesem Moment begegnete sie abermals Nejis Blick. Die weißen Augen blickten starr, sahen sie mit einer Endgültigkeit an, die ihr sagte, dass dies ihr Ende war. Und da wusste sie, dass er ihr nicht helfen würde, sie hier lassen würde um den anderen zu helfen. Dass er ihren Tod in Kauf nahm… Plötzlich raste die Zeit und ein einziger Schrei entwich ihr, als das splitternde Holz auf sie herabstürzte. Sie kniff die Augen zusammen, schirmte Konan geistesgegenwärtig mit ihrem eigenen Körper ab und dann übertönte ein gewaltiger Lärm alle anderen. Doch es war anders, als es hätte sein müssen. Das Holz stob in alle Richtungen davon, sie sah wie es Gaara und Lee von den Füßen riss und eine gewaltige Schockwelle die Balken mitriss. Von einem Augenblick zum nächsten lag das Haus in Trümmern und sie befand sich mitten im Epizentrum. Das erste, was sie bemerkte war der Regen, der nun wieder ungebrochen auf sie herab stürzte. Tenten zitterte, versuchte sich aufzurichten, doch ein Schmerz hinderte sie daran. Als sie genauer hin sah, erkannte sie, dass ein Stück Holz sich in ihren Oberschenkel gebohrt hatte. Sie wimmerte. Dann fiel ihr Blick auf die Stelle, wo Konan gelegen hatte – sie stockte. Der Balken war verschwunden und Konan ebenso. Der Staub verzog sich, Tenten hörte wie die anderen sich in der Ferne etwas zuriefen und erst da wagte sie es sich umzudrehen. Hinter ihr stand ein Mann, der die linke Hand ausgestreckt hatte und mit der anderen Konan hochhob, die bewusstlos an seiner Schulter lehnte. Ein Blitz erhellte sein Gesicht und Tenten sah, dass er diverse Piercings im Gesicht hatte. Sein Haar war flammend orangefarben und sein Blick war ruhig und entschlossen. Noch niemals hatte sie jemanden gesehen, der eine solche Macht ausstrahlte und mit einem Schlag wurde ihr klar, dass er es war, der die Schockwelle ausgelöst hatte. Sein Blick wanderte umher und begegnete ihrem. Es war völlig unmöglich stand zu halten und es brauchte nicht länger als fünf Sekunden bis sie wegsah. Dieser Mann hatte ihr das Leben gerettet, aber sie wusste nicht, ob er ihr Freund oder ihr Feind war. Dann wurde alles schwarz um sie. . . . Tenten erwachte in der Stube unterm Dach. Sie wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. In ihrer Erinnerung war nur noch der Fremde, der sie gerettet hatte. Und die Macht, die er ausgestrahlt hatte… Eine weitere Empfindung tauchte in ihrem Geist auf. Naiv. Sie hätte dableiben und auf die anderen hören sollen, vielleicht hätten sie einen Weg gefunden. Auf einmal fühlte sie eine Berührung an ihrer Stirn und als sie blinzelte, erkannte sie Ino, die das kalte Tuch wechselte mit dem sie ihren Schweiß abgewischt hatte. „Ah, du bist wach!“, rief Ino und blickte sie erleichtert an. Tenten verfluchte sie für ihre Lautstärke. Sie murmelte etwas Unverständliches und wandte dann den Kopf. Die verbleibenden Betten waren leer. Ihr Blick schweifte weiter. Halt! Zitternd versuchte sie sich aufzurichten. „Es ist gut Tenten, alle sind in Ordnung.“ „Was ist passiert?“, flüsterte sie. „Du hast versucht Konan zu helfen und dann ist das Gebäude eingestürzt“, sagte die Blonde. „Nein, ich meine danach“, unterbrach Tenten sie ruppig, „diese Schockwelle… er hat auch eine Gabe, nicht wahr?“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme aufgeregt klang. Ino drückte sie sanft auf ihr Bett zurück. „Ruh dich aus, Tenten, wir reden später.“ Später… Sie wollten sie wieder ausschließen. Immer schwiegen sie über die wichtigen Dinge und ihr sagte man kein Wort! Wut keimte in ihr auf. In den vergangenen Stunden – sie nahm an, dass nur ein paar Stunden vergangen waren – hatte sie alle möglichen Gefühle durchlebt: Angst, Trotz, Hilflosigkeit, aber jetzt, da sie sich ihres Überlebens sicher war, wollte sie endlich einmal die Wahrheit wissen. Die Wahrheit, die ihr alle so verschwiegen vorenthielten. Es gab längst kein Zurück mehr für sie. „Reden!“, explodierte sie, „immer sagt ihr, dass ihr irgendwann reden werdet, aber letztendlich schweigt ihr jedes Mal, wenn ich etwas wissen will! Auch du! Besonders du! Dabei müsstest du mich doch verstehen!“ Sie atmete geräuschvoll aus. „Ihr seid alle… ihr verschweigt immer alles, nie redet ihr mit mir! Warum nicht? Ich könnte vielleicht helfen, wenn ihr doch nur reden würdet…“ Am Ende klang ihre Stimme weinerlich und kindisch und trotzig, aber es war ihr egal. Tenten schlug die Decke beiseite, sprang auf, ging zum Fenster und riss den schweren Vorhang auf. Draußen war Nacht, ein kalter Wind strich ihr entgegen und sie starrte wütend in die Dunkelheit. Ino war sitzen geblieben und hatte sich nicht gerührt. Wahrscheinlich hatte sie nicht mit einer derart heftigen Reaktion ihrerseits gerechnet. Dabei wusste sie, dass Ino eigentlich keine Schuld hatte, oder was genau sie so wütend machte, aber es war nun mal da. Es war bereits viel zu lange unterschwellig in ihr, als dass sie es plötzlich abstellen konnte. Sie hatte das verdammte Recht zu erfahren, was hier geschah, wer die Menschen waren mit denen sie lebte und warum alles geschah! Gleichzeitig wusste sie, dass man sie vielleicht beschützen wollte und dass sie in manchen Dingen Unrecht hatte, aber… - ja das war ihr eigentlicher Punkt… Sie wollte nicht mehr angeschwiegen werden. Tenten war noch immer wütend, ihre Hand zitterte, doch schließlich wurde sie ruhiger. Als sie sich schließlich überwand und Ino ansah, merkte sie, dass diese verletzt aussah. Sie wusste, sie hatte sie beleidigt, es war ihr Ziel gewesen, sie einmal spüren zu lassen, was sie empfand, aber als sie diese starke Frau so traurig sah, tat es ihr auf der Stelle leid und sie hatte ein schlechtes Gewissen. „Sein Name ist Pein“, sagte Ino in die Stille, „aber Konan nennt ihn Nagato, ich glaube, sie liebt ihn.“ Ihr Blick wanderte zu einem der anderen Betten und als Tenten der Richtung folgte, sah sie, dass Konan ebenfalls in ihrem Bett lag. Allerdings reglos und etwas blass. „Er war vorhin hier“, fuhr Ino fort, „wir alle kennen ihn nicht besonders gut, nur vielleicht Deidara. Er kommt manchmal, aber man kann nie sagen, wann genau.“ Diese Erklärung kam einer Art Versöhnung gleich und sie wusste, dass Ino ihr das nur sagte, um sie zu besänftigen, weil sie sie als Freundin sah. „Ist er…“, Tenten atmete tief durch, biss sich aber schließlich auf die Lippen. „Du meinst, ob er auch von einem Clan abstammt?“, beendete Ino ihren Satz. Tenten nickte. „Er gehörte zum mächtigsten Clan im ganzen Land. Mächtiger als die Uchihas, die Senjus oder die Hyugas, viel mächtiger. Einst gab es nur diesen einen Clan von dem sich die anderen mit der Zeit abgespalten hatten, doch dann geriet er in Vergessenheit. Heute erinnert sich niemand nicht mal mehr an den Namen. Ich weiß nicht, ob Pein der einzige ist, der überlebt hat, oder ob es noch mehr gibt, aber vielleicht ist es besser, dass niemand etwas davon ahnt, dass es noch einen einzigen Menschen gibt, der die Vergangenheit nicht ins Vergessen geraten lässt.“ Ihr Blick wurde seltsam melancholisch und Tenten ahnte, dass sie an ihre eigene Vergangenheit dachte und an die Menschen, an die sich sonst niemand erinnerte. Tenten dachte an Lee, der niemanden hatte außer ihnen, an die Sabakuno-Geschwister von denen sie nichts wusste, an Kiba, der immer lebenslustig war, bei dem sie aber trotzdem tiefe seelische Wunden vermutete, an Sakura, die sie nicht mochte. Sie dachte an Konan und Pein, an Deidara und an Neji, die sie kannte und doch nichts über sie wusste. Eine Weile schwiegen sie, dann sagte Ino etwas, das sie nie vergessen würde: „Es tut mir leid, Tenten. Ich wollte ich könnte dir alles erzählen, aber es ist schwer hier. Wir alle sind Ausgestoßene, eine Spur der Vergangenheit, die niemand sehen will. Menschen, die man nicht braucht. Wir alle haben etwas durchgestanden, dass wir den anderen nicht erzählt haben, oder das nur ganz langsam an die Oberfläche kommt. Warum sollten wir auch darüber nachdenken, wenn wir doch jetzt ein anderes Leben haben? Ein besseres Leben…“ Sie streifte sich eine Strähne ihres Haars aus dem Gesicht. „Aber ihr vergesst es doch nicht“, wandte Tenten ein, „man kann seine Vergangenheit nicht vergessen. Nie.“ „Nein, das kann man nicht“, sagte Ino, „aber man kann… in Vergessenheit geraten.“ Sie sagte es in einem Tonfall, der zugleich traurig und bitter klang, und etwas daran ließ sie aufhorchen. „Neji war vorhin hier“, sagte Ino plötzlich und Tenten starrte sie aufgrund der aus dem Zusammenhang gerissenen Äußerung verwirrt an. Dann kochte abermals die Wut in ihr hoch. Neji hätte sie im Stich gelassen! Er hätte sie sterben lassen und dann wagte er es hier aufzutauchen!? „Was wollte er?“, fauchte sie schärfer als sie es beabsichtigt hatte, „hat er mir wieder eine Droge untergejubelt, damit es mir besser geht?! Damit er sich nicht mehr darum kümmern muss, was mit mir passiert, wenn ich mich nicht bewegen kann! Dieser dreimal verfluchte…-“ „Er hat dich geheilt.“ Tenten starrte sie an, plötzlich sprachlos geworden. Alles hatte sie erwartet, dass er sich schämte, dass er Schuldgefühle hatte oder Wut, weil sie sich ihm widersetzt hatte, aber das? Sie sah an sich herunter und bemerkte, dass ihr Bein, das eigentlich eine Wunde haben sollte, unversehrt war. Aber er würde es nicht tun, nicht aus eigenem Willen… Nur, wenn ihn jemand gezwungen hatte. Natürlich. Er würde sich nie freiwillig um sie kümmern. „Wer hat ihn dazu angestiftet?!“ „Niemand.“ Sie stieß einen verzweifelten Laut aus. Dann sah sie Ino an, die den Blick gelassen erwiderte. „Er würde sich nicht von sich aus um mich kümmern, Ino.“ Sie ignorierte die Tatsache, dass er es schon mal getan hatte, auch, wenn es dem Zweck der Flucht gedient hatte. Aber, wenn sie sich recht erinnerte, hatte ihn auch damals niemand gezwungen. Innerlich schüttelte sie den Kopf. Sie musste diese Gedanken loswerden. „Bist du dir sicher? Neji ist vielleicht kalt, aber nur zu jenen, die ihn nicht kennen, oder zu denen, die nicht durch seine Fassade blicken. Du kanntest ihn nie wirklich, Tenten.“ Sie machte die Vorhänge wieder zu, drehte sich langsam um und sah Ino in die aquamarinfarbenen Augen. „Was meinst du damit?“ Es dauerte lange bis Ino antwortete. Viel zu lange und genau das zeigte es ihr, dass da etwas sein musste, das schlimmer war als das, was sie erlebt hatte. Oder einer der anderen. „Er ist einer der Vergessenen“, sagte Ino leise, „ein Verstoßener seines Clans, ein Verfluchter, jemand, an den sich niemand erinnern wird, egal was er in seinem Leben getan hat.“ „Ein Vergessener?“, flüsterte Tenten und ließ sich zurück auf ihr Bett fallen. Ino sah sie starr an: „Wenn ein Vergessener stirbt, werden bei allen Menschen, denen er begegnet ist, die Erinnerungen an ihn ausgelöscht. Es ist eine sinnlose Existenz und es ist, als wäre ihr Leben gar nicht gelebt worden. Sie hinterlassen keine Spuren, nur einen Körper, der unkenntlich wird für alle, die diesen Menschen gekannt, ihn geliebt und mit ihm gelebt haben. Bis sein Körper schließlich zerfällt. Das ist das Schicksal, das Neji Hyuga bevorsteht…“ Tenten konnte nicht verhindern, dass plötzlich ihr Herz raste und dass in ihr ein so tiefes Gefühl der Trauer aufkeimte, das es sie beinahe erschreckte. Sie erinnerte sich genau an seine Worte, die er gesagt hatte, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Vergiss, dass du mich gesehen hast. Erst jetzt verstand sie, was er damit eigentlich gemeint hatte und sah die bittere Wahrheit und die Verzweiflung dahinter, weil er gewusst hatte, dass sie ihn sowieso vergessen würde. „Gibt es keinen Ausweg?“, flüsterte sie. Ino richtete sich auf und straffte die Schultern. Sie sah auf den Vorhang durch dessen Lücke der Mond schien und einen schmalen Lichtstreifen auf den Boden warf. „Einen einzigen“, sagte Ino, „doch dafür braucht er einen Tsuriai, jenen magischen Stein, der die Grenzen löst und dessen Magie ihn befreien würde. Aber nicht jeder kann ihn verwenden, immer und immer weiter ist er auf der Suche nach dem einen Menschen, der ihm helfen könnte.“ Deshalb hatte er alle Risiken auf sich genommen den Tsuriai zu stehlen… Deshalb hatte er es in Kauf genommen den Zorn der Uchihas auf sich zu ziehen… Er war auf der Suche nach dem einen Menschen, der die Gabe hatte. Lösen der Grenzen hatte Ino gesagt... „Wie hoch ist die Chance so jemanden zu finden?“ Die Blonde sah sie lange an, auf eine Weise, die sagte, dass sie etwas sah, das Tenten bis jetzt verborgen geblieben war. „Einer unter Tausenden…“ Tenten schlug die Augen nieder. Es war unmöglich. Man konnte so jemanden nicht finden, selbst, wenn man sein ganzes Leben suchte. Und woran sollte man jenen Menschen erkennen, der die besondere Gabe in sich trug? Als hätte Ino ihre Gedanken erraten, fügte sie noch etwas hinzu, was selbst die winzigste Chance zunichte machte. „Aber selbst wenn ein Vergessener den einen Menschen findet, der ihn befreien könnte, so ist der Preis, den er bezahlen muss, hoch. Sobald die Magie freigesetzt wird, fordert sie ihren Tribut.“ Tenten sah sie fragend an und wusste gleichzeitig, dass Ino ihr noch nicht alles gesagt hatte. „Wenn der Mensch, der dazu bestimmt ist jene besondere Gabe zu besitzen, einen Vergessenen befreit, so ist das einzige, das daraufhin folgt, sein Tod…“ ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * Pein ist da *grins* Und er hat auch eine Gabe. Wer hätte das gedacht? XDD Nun, dieses Kapitel ist nicht ganz so lang wie die anderen, aber ich finde es sehr aussagekräftig. Es gehört definitiv zu meinen Lieblingsteilen ^^ Was sagt ihr zu Nejis Fluch? (Die Vergangenheit von ihm verate ich erst am Schluss ^^) Ach ja, es könnte auch sein, dass ich aus den ursprünglichen 7 Teilen 9 mache, das wird einfach am Schluss zu lang v.v Lieber Dank an hiatari fürs Korrigieren und Helfen und wie immer für Sorca. Na was sagst du? Du mochtest doch den Titel *grins* Über Lob und Kritik würde ich mich wie immer sehr freuen ^^ alles Liebe moony Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)