Fehlentscheidungen von Narmora ================================================================================ Gespenster ---------- Mitternacht war längst vorbei, es herrschte tiefste Dunkelheit, nichts regte sich, bis plötzlich Schritte auf dem Flur erklangen. Ein zaghaftes Kratzen, beinahe nur ein Klopfen an der Schlafzimmertür. Erneute Stille. Einige Sekunden zerrannen ungenutzt, ohne dass irgendetwas nennenswertes passierte, sodass die Atmosphäre beinahe erdrückend wurde. Dann wieder ein Klopfen, diesmal bestimmter, fordernder. Phil zog sich die Decke über den Kopf und versuchte die Geräusche zu überhören, als jedoch das Klopfen ein drittes Mal erklang kapitulierte er. Beinahe neidisch betrachtete er seine schlafende Frau, die dort eng zusammengerollt neben ihm lag, und die jetzt die Nase krauste, wegen der plötzlichen Aktivität ihres Partners, während dieser seine Beine über die Bettkante schwang. Kurz verschwamm es ihm vor den Augen, als sein Körper, so plötzlich aus seligen Träumen gerissen, protestierte, dann schaffte er es zu seinem Wecker zu blinzeln: 4:38 Uhr morgens. Noch ca. 2 ½ Stunden, bis er eigentlich aufstehen musste und damit seiner Meinung nach viel zu früh am morgen, um das Bett, geschweige denn das Schlafzimmer zu verlassen. Ächzend stand er ganz auf und wankte zur Tür, um seiner Schlafstatt einen letzten, wehmütigen Blick zu zuwerfen. So wie die Dinge standen, würde er wahrscheinlich nicht in dieser Nacht dorthin zurückkehren. Er öffnete die Tür und sah… ein Gespenst. Sein kleines, süßes Gespenst, wie er es oft liebevoll nannte. „Meggie, Maus, was ist denn nun schon wieder?“ fragte er seine vierjährige Tochter, die dort mit ihrem aufgeweckten Grinsen im Nachthemd und barfüßig auf der Schwelle stand. „Du wirst sonst wieder krank.“ „Daddy soll mit mir spielen!“ meinte sie mit ihrer typischen, leicht quengligen Stimme, welche sie immer hatte, wenn ihr der zur zeitige Zustand nicht passte und dieser von ihren Eltern mit sofortiger Wirkung geändert werden sollte. Phil seufzte, ein gesunder Schlaf wurde seiner Meinung nach immer wieder unterschätzt. „Aber Meggie, Daddy muss morgen ganz früh zur Arbeit und deswegen jetzt ganz viel schlafen. Und das solltest du auch.. schließlich willst du doch morgen mit dem Kindergarten Enten füttern.“ Meggie war diese Tatsache offensichtlich egal, denn sie zog eine Schnute und sah in mit ihren riesigen, blauen Augen bittend an. „Will nich’, habs versucht. Komm!“ Ohne weiteren Protest zu dulden, ergriff sie die Hand ihres Vaters und steuerte ihr eigenes Zimmer an. Zum zweiten Mal an diesem Abend kapitulierte Phil wider besseren Wissens. In dem weiß-rosa gestalteten Zimmer verfrachtete der kleine Blondschopf seinen Vater auf einen der Kinderstühle, bevor sie im hinteren Teil des Zimmers verschwand, um kurze Zeit später mit ihrem Arztkoffer zurückzukehren. Freudestrahlend sah Meggie ihn an und er ergab sich seines Schicksals. Eine endlich noch einmal störungsfreie Nacht wäre einfach zu schön um war zu sein gewesen, denn seine kleine Tochter besuchte Phil und seine Frau beinahe nächtlich und immer zog einer von ihnen den kürzeren. „Daddy hat Zahnschmerzen“ verkündete sie glücklich. Phil schloss kurz die Augen. Wie hätte es auch anders sein können. Phils Frau Martha war zusammen mit Meggie am Vortag beim Zahnarzt gewesen und die Kleine hatte, anders als vielleicht andere Kinder in ihrem Alter, diesen Mann im weißen Kittel zu ihrem neuen, besten Freund erkoren. 'Daddy' öffnete also den Mund, wie ihm geheißen wurde und lehnte sich zurück, wohl darauf bedacht, die Stuhllehne des eindeutig für kleinere Personen ausgelegten Stuhls nicht zu überlasten, während er seine kleine Tochter beobachtete. Schließlich reckte sie nach einigem Wühlen triumphierend eine Pinzette in die Höhe, welche sie augenscheinlich aus einem Maniküreset ihrer Mutter entwendet hatte. Dann kniete sie sich neben ihren Vater auf das Bett und spähte in dessen Mund. Nach einigen Sekunden des eifrig in ihre Tätigkeit vertieft seins, hob sie die Pinzette, aber bevor sie sich ihrem „Werk“ widmen konnte, wurde ihr Blick wie so oft abgelenkt. Als sie wieder die Augen hob, wurde ihr Gesicht von einem Lächeln geziert, dass beim besten Willen nicht in das Gesicht einer vierjährigen passen wollte. Es war anders, grausam. Blitzschnell bewegte sich die Pinzette in ihrer Hand auf Phils Rachen zu. Phil konnte nicht sagen, wann er das Gefühl zum ersten Mal verspürte, dass etwas anders, ja falsch war. Gerade war er noch in eine von väterlicher Liebe erfüllten Betrachtung seiner Tochter vertieft gewesen, jetzt war da dieses Gefühl, ein Urinstinkt, tief aus seinem innersten. Ein Instinkt den er noch nie o tief verspürt hatte, und der dafür sorgte, dass er einige Sekunden versucht war, auf zuspringen und aus dem Zimmer zu stürmen. Ob es an seiner Müdigkeit lag oder einfach daran, dass schließlich nur seine Kleine vor ihm stand, er blieb. Diese dritte Fehlentscheidung sollte sein Schicksal besiegeln, denn als seine Tochter wieder hoch sah, war etwas geschehen, etwas, dass ein menschlicher Verstand nicht ohne weiteres erfassen konnte. Eine Veränderung war in ihrem Gesicht vor sich gegangen und es war nicht nur dieses Lächeln, dass Meggies sonst so liebliche Züge nun hart und grausam erscheinen ließ. Die Augen passten nicht mehr, sie schienen nicht mehr zu ihr zu gehören, aber Phil bemerkte es schon gar nicht mehr richtig, zu stark versuchte er, sämtliche Warnungen und innere Stimmen zu überhören. Der gestrige Abend war lang gewesen und seine Müdigkeit verlange Sekunden für Sekunde stärker einen langen, erholsamen Schlaf, den rötlich Schimmer, fast schon ein Leuchten, tat er als Folgen seiner Übernächtigung ab, während er seine innersten Triebe ignorierte. Die Pinzette bohrte sich tief in Phils Rachen, zerstörte das empfindliche Fleisch, ließ Blut ausströmen. Seine Atemwege wurde so ruiniert, das kaputte Gewebe behinderte seine Luftzufuhr. Phil röchelte. Seine Hände verkrampften sich unwillkürlich, weiß traten seine Knöchel hervor, Todesangst überschattete sein Gesicht. In diesem verhängnisvollen Stoß war eine Kraft, die man einem kleinen, unschuldigen Mädchen mit dünnen Armen niemals zugetraut hätte. Umso verheerender waren die Folgen. Sie wandte sich von ihrem keuchenden Vater ab, ihre Hand griff erneut in den Kasten mit dem Kreuz, der weiß und unschuldig auf dem Parkettfußboden lag, ihre Finger schlossen sich erneut um einen spitzen, kalten Gegenstand, bevor sie durch die offene Zimmertür zum elterlichen Schlafzimmer tapste. Phils Blickfeld verschwamm, es gab einen gedämpften Laut, als er seitlich auf den Boden kippte. Stille. Der rosafarbende Kinderwecker zeigte 5:00 Uhr morgens. Draußen zog die Dämmerung auf. In dieser Nacht töteten Phils Fehlentscheidungen, sein falsches Vertrauen und seine Blindheit, aber auch seine Kinderliebe, nicht nur ihn, sondern auch seine Frau. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)