Home Outing von Serpentia (DieXKao; devoted to "Glass skin") ================================================================================ Kapitel 10: 1.10 ---------------- Die saß schon lange redend mit Shiori in der Küche, als Kaoru endlich lange nach 9 Uhr die Treppe herunter kam. Sie hatten schlecht geschlafen, sich hin und her gewühlt, aneinander gepresst und weggedrückt. Die hatte es beim Sonnenenaufgang aufgegeben und hatte gerade Takeo und Yuuki verpasst, die zur morgendlichen Laufrunde aufgebrochen waren. Gewöhnlicherweise klopfte Takeo an seine Zimmertür um ihn für den Sport zu wecken, aber vielleicht wollte er Die nach den gestrigen Tag schonen, vielleicht hatte Die es nur überhört. „Wie geht Yuuki denn Joggen?“, fragte Kaoru, als er sich an den Tisch setzte und von Shiori dankend Müsli und Milch gereicht bekam. „Mit dem Rollstuhl trainiert er seine Arme“, erklärte Die, „Oder Takeos, ganz nach Laune.“ Sie lächelten sich an, gütig, freundlich, und wussten, dass wieder alles gut war. Die Spannung des vorherigen Abends war verschwunden. Eine gute Gelegenheit für eine kleine Überraschung war, beschloss Die und küsste Kaoru auf die Stirn. Ein Geschenk war dessen freudig verwirrter Blick, der erst Die, dann Shiori musterte, die noch neben ihm stand. Weit aufgerissene Augen, zu denen hoch sich die Mundwinkel krümmten, in einem Gesicht, das noch zu verschlafen war, um sich zu verstellen. Die lachte in sich hinein und verdiente den tadelnden Blick seiner Freundin, die Kaoru locker auf die Schulter klopfte und sagte: „Ich habe ihm schon damals in der Oberschule gesagt, dass es höchst unsexy ist, auf die Stirn geküsst zu werden.“ Dies Freund sah zu ihr hoch und grinste etwas beschämt: „Manche Leute lernen es eben nie.“ Die küsste ihn niemals auf die Stirn, nicht ihn Kaoru, den Wegweisenenden, den Problemlöser, nicht auf die Stirn wie ein Kind, normalerweise. Aber nun, es war immer noch Mie, nicht Tokyo. Dinge schienen hier anders zu sein. Am einen Tag war ihre Beziehung hoch geheim, dann schon einige Stunden später schien sie das Klarste der Welt zu sein. „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte Kaoru dann nur um ein Gespräch anzufangen, das Thema möglichst umzulenken. Dies Kopfschütteln brachte ihn jedoch dazu seiner Intuition zu danken. „Ich hatte noch keinen richtigen Hunger“, erklärte Die, sah ihn aber nicht direkt an. „Aha“, machte Kaoru kurz und schob ihm seine volle Müslischüssel hin, stand dann wortlos auf um sich eine neue zu holen. Shioris wachsame Augen überblickten die Szene, Kaoru spürte sie auf sich, wurde von ihnen durchbohrt. Eine seltsame Frau. Sein erster Eindruck schien so vollkommen verkehrt gewesen zu sein, ihre quirlige Art hatte über die tatsächliche Bedrohlichkeit hinweggetäuscht, die von ihr ausging, wenn ihr Blick auf einem ruhte. Als würde sie die Pausetaste drücken, erstarrte man darunter. The bell of reality rings out loudly from down deep within And disappears with all the wind Sie verbrachten einen ruhigen Sonntag, bevor sie am nächsten Tag abreisen würden. Gegen Mittag begleiteten Die und Kaoru Takeo zum Training seines jugendlichen Leichtatlethikteams auf dem Schulhof ihrer alten Oberschule. Rustikal war kaum noch ein angemessener Ausdruck für die Sporthalle, den Sandplatz und die alte Hochsprunganlage. Kaoru setzte sich mit einem Buch an den Rand, den Sportplatz gut im Blick. Weit kam er auf seinen Seiten an diesem Tag nicht, dafür beobachtete er Die, wie der das Aufwärmen und das Lauftraining leitete. Die war schön, auch in weiter Sportkleidung, nein gerade in dieser. Mit seinen schlanken Gliedern, die sich kraftvoll darin bewegten, dominant den Stoff mitrissen, sodass er immer in Bewegung war. Es war schön Die laufen und springen zu sehen. Die Kinder und Jugendlichen liebten Die, suchten alle seine Aufmerksamkeit und es wurde Kaoru schmerzhaft bewusst, dass Die ein guter Vater wäre. Am Ende des Trainings versuchte Die sich wohl nach langer Zeit noch einmal im Hochsprung, Kaoru wäre es nicht weiter aufgefallen, wenn sein Freund nicht reichlich Spott von Takeo geerntet hätte für den einen oder anderen Lattenwurf. Wie Die sich rückwärts überwarf, das Kreuz durchbeugte, die schlanken Beine in die Luft warf. Es war schön. Wie hatten sich weder Takeo noch Shiori darin verlieben können? Für Kaoru war dieser Anblick wertvoll. So wertvoll, dass er sich nicht einmal durch Eifersucht wegen der Vertrautheit zwischen Die und Takeo stören ließ. Sie waren gut eingespielt, lachten viel, reagierten auf den anderen mit einer Selbstverständlichkeit, die man nur bei großem Vertrauen füreinander entwickeln konnte. Vielleicht störte es Kaoru nicht mehr, weil er Mitleid mit Takeo empfand. Sie verbrachten den restlichen Tag gemeinschaftlich in Haus und Garten; saßen, spazierten und redeten in Paaren, Grüppchen oder zogen sich einzeln kurz zurück. Dabei tauschten sie Neuigkeiten aus, Alltägliches oder längst Vergangendes. Kaoru erfuhr viel über Die und konnte Geschichten und Zusammenhänge ergänzen, die er von dessen Mutter kannte. Die selbst genoß die ruhige Stimmung, so wie sie sonst immer war, wenn er nach Mie zurück kehrte. In Tokyo hatte jeder etwas Aufregendes zu erzählen und der Nächste musste einen drauf setzen. Hier war es entspannt, jemand erzählte und man hörte, hörte richtig zu und wartete nicht nur höflicherweise still, aber ungeduldig darauf, dass man selbst zu Wort kam. Nachmittags saßen sie alle fünf zusammen bei Kaffee, Tee und süßem Gebäck, dann liefen sie eine kurze Runde durch die Felder und kehrten zu einem gemütlichen Abend im Wohnzimmer zurück. Die beobachtete seine Freunde und war zufrieden. Jedesmal wenn er zurückkam, schien es Yuuki besser zu gehen, die Frustration über seine Behinderung immer weniger zu werden; Shiori war ruhiger geworden, zwar unverändert quirlig, wenn die Stimmung stieg, aber weniger nervös, wenn sie gemeinschaftlich schwiegen. Sicher hatte sie Takeo gesagt, dass Die von ihnen wusste. Im Laufe des Nachmittages hatte Takeo seine Hand auf ihre Schulter gelegt und Die entschuldigend angesehen, er hatte genickt, dann hatten sie beide gelächelt. Mehr brauchten sie nicht, mehr wollte Die nicht. Aber nachziehen, das musste er. Nach dem Abendessen setzten sie sich auf die Terasse, Shiori und Yuuki verweigerten sich der Kälte und blieben im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Sie nahmen Takeos Akkustikgitarre und seinen Bass mit kleinem Verstärker und improvisierten ein wenig herum. Für Kaoru war es ein netter Ausgleich für die Leichtatlethik, denn wenn es um Musik ging, waren Die und er unvergleichlich gut eingespielt, niemand konnte ihnen da das Wasser reichen. Takeo war Bassist in Dies erster, selbstgegründeter Band zu Oberschulzeiten gewesen, hatte nie die Lust am Musizieren verloren, aber auch keine besonderen Ambitionen besessen es zum Lebensinhalt zu machen. Ganz anders als Kaoru und Die. Mit kalten Fingern stimmten sie die Gitarre zunächst ohne Stimmgerät. Takeo glaubte Kaorus Ohren nicht und zog doch das Gerät zur Rate. Sie begannen einen kleinen Wettbewerb, wer am besten den Bass mit seinen Ohren stimmen konnte, und überprüften es anschließend elektronisch. Sie wechselten die Siztplätze ständig, reichten die Instrumente hin und her, sangen, spielten, flachsten, lachten. Die gefiehl es, wie gut sich Takeo und Kaoru verstanden, begeistert herausfanden, welche Musik ihnen beiden gefiehl, und herzhafte Diskussionen über Unstimmigkeiten begannen. Stolz war er auf seinen Kaoru, wie er gegen Takeo gewann, sie alle mit seiner Technik in den Schatten stellte. Nur singen tat er ungern und Die genoß es ihn dazu zu zwingen, zu provozieren, zu zeigen, wie groß sein Einfluss auf das Genie war. Am Terassendach vorbei sah man Sterne leuchte, so hell wie man sie in Tokyo nie sehen können würde, nie mehr solange nicht eine Katastrophe alle elektronischen Lichter für eine Nacht aus der Stadt verbannen würde. Während sie musizierten, entdeckte einer von ihnen hier oder da ein Sternzeichen oder meinte es nur und wurde freundlich ausgelacht. Irgendwann spielten sie einen langsamen, amerikanischen Evergreen; Takeo improvisierte am Bass, Kaoru glänzte an der Gitarre und Die sang. Kaoru mochte den Klang dieser Stimme, Die sang gut, nicht herausragend oder außergewöhnlich, sodass man eine Gänsehaut bekam, aber gut genug, um es genießen zu können. Manchmal stolperte er über Wörter und dachte sich den Text aus, aber so improvisierte Kaoru selbst beim Spielen, wenn auch etwas erfolgreicher als Takeo. Trotzdem war es schön, er verstand weshalb Die Mie und dieses Haus so liebte. Es erinnerte an frühere Tage, Jugendtage, an denen man noch dieses schreiende Bedürfnis hatte frei zu sein und dann auf einmal verstand, dass einem die ganze Welt offen stand. Alles war möglich. Es war ein schöner Moment, empfand Die, nichts in der Welt würde die Harmonie dieses Augenblicks vollkommen zerstören. Heute, jetzt, in dieser Sekunde würde ihm alles verziehen werden. Trotzdem legte er erst nur seine Hand auf Kaorus Knie, Takeo sah es und sagte nichts, lächelte. Ein wenig erstaunt, aber dann doch ein gutes Stück erwartungsvoll sah Kaoru Die an, hörte dabei nicht auf zu spielen. Die sang den Refrain noch einmal zu Ende, die Musik ging ohne ihn weiter; er lehnte sich ganz nah an Kaorus Gesicht und lächelte. Glücklich sein. Auf Kaorus Lippen kräuselte sich ein gewinnendes Lächeln bis Die sie küsste. Die Gitarre erklang weiter, der Rythmus stockte nicht eine Sekunde lang, nur wechselte die Melodie in eine Wiederholungsschleife, der Bass zog nach und sie spielten, spielten. Die beschloss seinen Freund zu ärgern und küsste ihn so, dass sich Kaoru verspielen musste, im verzweifelten Versuch beides gleichzeitig zu bewältigen. Es passierte, die Konzentration ließ nach und die Akkorde purzelten durcheinander. Takeos herzliches Lachen ertönte im Hintergrund und der Bass verstummte. Die traute sich nicht, sich umzudrehen und Takeo anzusehen, zögerte einen, noch einen, nur noch einen Augenblick, dann hörte er schon wie schwere Füße über das Terassenholz liefen und sich die Tür öffnete und schloss. Er trennte sich von Kaoru, der die Hand an seine Wange legte und sagte: „Alles wird gut.“ „Ja“, antwortete Die mit nicht so ganz so zuversichtlichen, sondern recht ängstlichen Augen. Kaorus Hand wanderte von der Wange zur Brust und drückte Die auffordernd von sich. „Weiter geht’s, Großer. Du bist noch nicht fertig.“ Die erwiderte mit einem gequältem Lächeln, erhob sich aber dennoch und drückte dankend Kaorus Schulter. Aufregung durchwühlte ihn, als er Takeo ins Haus folgte, sie erfüllte heiß von der Brust aus seine Arme und Hände. Im Wohnzimmer bei Shiori und Yuuki war er nicht. Die ging in die Küche, sein Herz pochte heftig, aber lautlos. Er nahm alles um sich herum wahr, das leichte Flackern der alten Glühbirnen im Flur, das Gluckern der Heizungsrohre in den Wänden und das Klacken von Porzelan aus der Küche. Takeo stand an der gleichen Stelle, wo Die am Tag zuvor mit Shiori gestanden hatte. Mit einer Tasse in beiden Händen an die Arbeitsfläche neben der Spüle gelehnt. Ihre Blicke begegneten sich. Die suchte sofort nach einem Zeichen vor Ärger, heftiger Enttäuschung, Wut, aber Takeos Gesicht war ruhig, nein, doch traurig, aber lange nicht so sehr, wie Die es erwartet hatte. Er war erst einen Schritt in den Raum hereingekommen, noch nicht mal weit genug, um die Tür hinter sich zu schließen. Durch Takeos Ruhe fasste er genug Mut um sich neben ihn zu stellen. Es war schwer etwas zu sagen, sicher auch für seinen Freund. Das hier ging auf seine eigenen Kappe, sagte sich Die und öffnete den Mund. „Okay?“, war alles, was rauskam, dabei sah er Takeo entschuldigend an und dachte an dessen Hand auf Shioris Schulter. „Hmm...“, machte Takeo und trank einen Schluck. Schweigen. Was zu sagen? Wie konnte sich Die entschuldigen? War es wieder gut zu machen, was er getan hatte? „Gute Nacht, Die“, hörte er Takeos tiefe Stimme sagen, „Schlaf gut und bis morgen früh.“ „Ja“, erwiderte er lächelnd, „Du auch.“ Da streichelte ihm Takeos Pranke über sein kurzes Haar, bevor sein Freund durch die Tür verschwand. Die blieb stehen und horchte auf die schweren Füße auf der Treppe. Die Küchentür öffnete sich ein weiteres Mal und Kaoru trat mit schleichenden Bewegungen ein. Die ging auf ihn zu, suchte Geborgenheit in einer Umarumung. „Alles wird gut“, murmelte er und Kaoru murmelte zurück: „Ich bin stolz auf dich.“ Holding on strong to what lies ahead Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)