Die Geschichten um Landis von Kathey (Eine Vorgeschichte zu Final Fantasy XII) ================================================================================ Kapitel 5: "Yet you still hold onto your honour!" - Broken Bonds ---------------------------------------------------------------- Die Nacht war schließlich schneller eingebrochen, als sie vermutet hatten. Die Wölfe hatten sich in ihre Höhlen zurückgezogen, nachdem sie das Feuer gerochen hatten, das jetzt im Lager brannte. Wasser plätscherte beruhigend aus der kleinen Flussquelle hinab ins Tal und dieses Wasser tat nach all der langen Zeit unglaublich gut. Nachdem er sich an der Quelle ein wenig hatte auffrischen können, ließ sich Basch neben dem Chocobo fallen, der begeistert mit dem Schnabel klackerte. Basch lächelte schwach und kramte in den Satteltaschen nach etwas Gizarkraut. „Hunger?“, fragte er unnötigerweise, während der Chocobo schon fast das Kraut und seine Hand verschlungen hatte. Er strich kurz über den Schnabel des Vogels. Die ganze Zeit über musste er den schweren Karren über Berg und Tal ziehen. Das ging sicherlich auf die Kondition. Basch nahm sich vor, sich in Viagos nach einem weiteren Chocobo umzuhören, der diesem hier helfen konnte. Denn der Weg bis nach Dalmasca war sicher auch lang und beschwerlich. Dalmasca... Sein Herz zog sich bei Noahs Reaktion immer noch zusammen. Sein Bruder hatte seither kein einziges Wort mehr mit ihm gewechselt. Und das war noch niemals vorgekommen. Sie hatten auch schon Differenzen gehabt, natürlich, aber... Die Streitigkeiten waren dann nach ein oder zwei Stunden beendet, weil einer der beiden immer wieder zurückkam, sich entschuldigte und sie dann wieder ganz normal miteinander reden konnten. Wie immer. Dieses Mal war es grundlegend anders. Basch wusste, welchen Eifer sein Zwillingsbruder zeigte, wenn es um Landis ging. Landis war ihre Heimat und das allein war Grund genug, dafür zu kämpfen. Aber... „Basch?“ Basch sah überrascht auf. Seine Mutter kletterte umständlich vom Karren und noch während sie ein bisschen zu taumeln begann, war Basch schon bei ihr, um sie zu stützen. Sie lächelte schwach und das blasse Mondlicht auf ihrem Gesicht ließ sie nur noch kränklicher wirken. Langsam machte er sich Sorgen, ob diese ganze Reise sie nicht doch zu sehr mitnahm. Die Reise und das, was währenddessen passierte. „Hast du Noah gesehen?“, fragte sie leise und richtete sich wieder auf, um ihm in die Augen sehen zu können. Mittlerweile war er einen halben Kopf größer als sie und jedes Mal, wenn sie diesen Unterschied bemerkte, begann sie zu lächeln. Dieses Mal jedoch nicht. Was auch daran liegen konnte, dass Basch bedrückt den Kopf schüttelte. „Hat er sich immer noch nicht beruhigt?“ Ihre Stimme war zu einem leisen Flüstern geworden und trotzdem bemerkte er, wie sie traurig seufzte. Wieder konnte er nur den Kopf senken. Nein, beruhigt hatte er sich mitnichten nicht. Wahrscheinlich würde es auch die nächste Zeit nicht dazu kommen. „Er glaubt immer noch, dass wir in Viagos einen Grundstein für einen Aufstand legen können“, meinte Basch bitter und knetete die Hände. Als eine kleinere, raue Hand seine ergriff, sah er perplex auf. „Und du glaubst doch, dass Dalmasca uns helfen wird, nicht wahr?“ Das Mondlicht reflektierte sich in den Auen seiner Mutter und ließ sie gütig aufblitzen. „Vielleicht ist es an der Zeit, dass ein jeder von euch seinem Weg folgt.“ „Er wird mich hassen.“ Wenn er das nicht schon tat, dann würde er spätestens dann beginnen, seinen Bruder zu verachten, weil er dann in Noahs Augen ein Vaterlandsverräter gewesen wäre. Und ein Lügner, weil er versprochen hatte, immer mit Noah zusammen zu kämpfen. „Dummchen!“ Seine Mutter legte ihm die Hände auf die Wangen. „Du solltest ihn gut genug kennen, um zu wissen, dass er dich niemals hassen könnte.“ Basch nickte leicht, auch, wenn er selbst nicht so ganz daran glauben konnte. „Secca wollte noch mal mit ihm reden“, sagte er schließlich leise. „Vielleicht weiß er, wo er steckt.“ „Wärst du so gut, ihn für mich zu fragen? Ich bin heute nicht sonderlich gut zu Fuß...“ „Natürlich!“ Basch ließ sie vorsichtig los, als er sich sicher war, dass sie festen Stand hatte, und ging dann los, um den alten Krieger zu suchen. Das Lager war zwar nicht sonderlich groß, aber hinter all den ganzen Steinen und Geröll konnte man sic wunderbar verstecken. Er hoffte, dass er nicht den ganzen Abend damit zubringen würde, nach Secca zu suchen. Allem Anschein nach hatte er Glück. Denn schon nach ein paar Minuten unergiebiger Suche hörte er den alten Soldaten in der Nähe des Feuers reden hörte. Allem Anschein nach mit Suo, denn wenn es jemanden gab, der bei Gesprächen fast nie antwortete, dann war das junge Mitglied der Rebellen. „Secca?“, fragte Basch vorsichtig und trat noch ein paar Schritte näher heran. Der alte Soldat brummte, sah dann zu Basch hinüber und winkte ihn mit einer ungeduldige Handbewegung heran. „Der Grünschnabel der Stunde“, meinte Secca, halb im Spaß, halb im Ernst. „Komm, wir haben was Wichtiges zu besprechen.“ Etwas irritiert trat Basch näher und das flaue Gefühl im Magen verstärkte sich nur noch, als er neben Suo Noah in der Runde stehen sah. Sein Bruder würdigte ihn keines Blickes und insgeheim war es das, was Basch am meisten zusetzte. Aber er biss erst einmal die Zähne zusammen. Wenn er jetzt zweifelte, dann würden sie es vielleicht niemals alle lebend nach Viagos schaffen. Dabei vertrauten doch alle auf sie. „Ich habe mich gefragt“, begann Secca dann unvermittelt und riss Basch damit aus seinen Gedanken. „Was machen wir, wenn wir in Viagos ankommen, aber keine Rebellen mehr zu finden sind? Wir sollten sicherlich auch die Eventualität durchgehen, dass die Stadt schon zerstört oder eingenommen worden ist. Was dann?“ Noch vor ein paar Stunden hätte Basch einfach vorgeschlagen, nach Dalmasca weiterzureisen, aber angesichts Noahs Reaktion hielt er sich in diesem Thema lieber bedeckt. „Zum nächsten Rebellensitz gehen“, meinte Noah dann und lehnte sich gegen einen der großen Felsen, die ihnen im Moment ausreichend Schutz vor Angriffen boten. „Es gibt ja genug davon. Irgendwo werden sich die Rebellen ja wieder neu formieren.“ „Ein Vorschlag“, meinte Secca nickend und sah dann zu Basch und Suo, die beide nicht sonderlich erpicht auf ein Gespräch schienen. Während Basch unbequem zur Seite sah, trat Suo ein wenig nervös auf der Stelle. „Ich würde vorschlagen, wir sollten nach Dalmasca.“ Basch sah überrascht zur Seite, als Suo schlussendlich doch noch den Mund aufmachte und seine Meinung kundtat. Secca nickte abermals. „Und du?“ Der alte Soldat sah in Baschs Richtung. Anscheinend gab es jetzt keine Ausflüchte mehr. Seufzend atmete Basch aus. „Dalmasca“, sagte er dann leise und bemerkte schon im selben Atemzug, wie Noah abfällig schnaubte. „Ich denke, vor allem für die Alten und Kinder wäre es sicherer, als weiter durch das Land zu reisen. Wir wissen ja nicht genau, was auf uns zukommen wird.“ „Und weil es ja in Dalmasca so sicher ist“, sagte Noah nur spöttisch und ließ den Blick von Basch abgewandt. Der schüttelte derweil den Kopf. Das stimmt ja so auch wieder nicht. „Es geht um die Verletzten! Wir können nicht riskieren, sie noch weiter mitzuschleifen, ohne zu wissen, ob es am Ende noch etwas bringt!“ Noah wollte gerade den Mund öffnen, als ihm Secca dazwischenfuhr. Anscheinend hatte der alte Mann für den Moment genug gehört. “Ich sehe schon, wir werden hier auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.“ Er schüttelte den Kopf und sah dann einem nach dem anderen an. „Wir werden morgen sehen, wie es aussieht. Aber eins sollte euch klar sein. Wenn Viagos wirklich eingenommen ist, dann wird alles anders werden.“ Basch senkte betreten den Kopf, während Noah sich einfach nur von dem Felsen abstieß und ohne ein Wort zu sagen wegging. Secca ging zu Basch hinüber, klopfte ihm auf die Schulter und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Eines, das sein Gesicht gleich ein paar Jahre jünger wirken ließ. Basch aber seufzte nur. Irgendwie lief gerade alles gegen ihn. „Ihr findet wieder zueinander“, meinte Secca gütig. „Die Frage ist nur, wann es sein wird...“ Das wüsste ich auch nur zu gerne, dachte Basch traurig. Nur zu gerne. Der Anblick, der sich ihnen am nächsten Tag bot, war nicht zu beschreiben. Viele hatten sie ja erwartet, aber nicht das. „Bei allen Göttern von Ivalice“, meinte Secca und sein nicht blindes Auge flog über Häuser, Felder, Straßen. Viagos brannte. Jeder Zentimeter der Erde brannte und zerstörte alles, was von den Flammen erreicht werden konnte. Menschen liefen panisch herum, viele von ihnen hatten Verbrennungen und ihre Kleider waren völlig zerschlissen, während sie auf der Suche nach Schutz und Angehörigen durch die Straßen wandelten. Baschs Atem ging stoßweise. Das konnte doch nicht sein! War Archadis schon so weit vorgedrungen? Bis zum letzten Sitz der Rebellen? Hatten sie wirklich die letzte Chance verloren, Landis noch zu retten? „Wir müssen fliehen“, meinte Suo, dessen Blick mittlerweile panisch geworden war. Er schien das Ausmaß der Zerstörung bereits zu begreifen, da er sich sofort umwandte und zu den anderen zurücklief, die am Wagen warteten. „Basch! Noah!“ Secca wandte sich zu den Zwillingen um. „Es tut mir leid, aber wir müssen sofort zurück zur Weggabelung. Nicht einmal Viagos ist noch sicher. Wir müssen uns nach Dalmasca durchschlagen.“ Noahs Blick ruhte noch immer auf den Flammen. Basch ahnte schon, wie schwer es für ihn war, seine Heimat im Stich zu lassen, aber Noah musste doch wissen, dass es keine andere Chance mehr gab, als sich zusammen nach Dalmasca durchzuschlagen. Noah ballte eine Faust und biss die Zähne zusammen. Wenn es denn nicht anders ging... Wenn es wirklich nicht mehr anders ging... Er nickte stumm. Secca klopfte ihm auf die Schulter und gerade, als Basch den Mund öffnete, um etwas halbwegs Aufmunterndes zu sagen – da ertönte Geschrei. Die drei Männer fuhren auf und mit einem einzigen Blick, den die Zwillinge tauschten, war klar, was geschah. Mutter. Und die anderen Leute! Mit einem Lauf, als wären der Teufel persönlich hinter ihnen her, stürmten die beiden vorwärts, zurück zum Versteck der anderen Flüchtlinge. Secca blieb einen Moment hinter ihnen zurück, als er bemerkte, wie schwere Schatten hinter den Bergspitzen auftauchten und größer wurden. Mögen die Götter uns schützen, dachte er und schickte ein Stoßgebet in den Himmel, als die Luftschiffe sich ihren Weg über die Berge bahnten. Es waren Unmengen davon, sicher Archadias halbe Flotte, unter der Führung eines einzigen, riesigen Luftschiffes, denen unzählige kleinere Schiffe folgten. Es würde keinen Krieg mehr geben, soviel stand für den alten Mann fest. Vor so einer Übermacht konnte man nur kapitulieren oder untergehen. Die Schiffe flogen noch außerhalb von Baschs und Noahs Sichtfeld, und ohnehin waren die beiden nicht geneigt, ihren Lauf durch irgendwas aufhalten zu lassen. Hätten sie doch nur besser aufgepasst! Jetzt waren alle in Gefahr. Eine Truppe archadianischer Soldaten hatte sich rund um den Wagen und die Flüchtlinge geschart. Die Waffen waren bereits im Anschlag und selbst der Chocobo, der wie ein wildgewordener Behemoth um sich schlug, vermochte sie nicht zu vertreiben. Es waren zu viele. Sicher an die 30 Mann, darunter Kanoniere und Magier. Ein Luftschiff stand hinter einer kleinen Bergkuppe, relativ groß, wahrscheinlich, um den Soldaten Platz zu bieten. Oder aber den Gefangenen, die sie jetzt machen würden. Denn mittlerweile zerrten sie gnadenlos an den Leuten auf dem Wagen. „Nehmt sie mit. Der Befehl lautet, sie so lange am Leben zu lassen, bis uns etwas anderes gesagt wird.“ Es brauchte nur einen Moment, in dem sich Basch und Noah ansahen, bevor sie ihre Schwerter hoben und geschlossen auf die Soldaten zustürmten. Es war närrisch, ja, aber notwendig. Einen Moment lang schienen die Männer in den silbrig glänzenden Rüstungen zu überrascht, um richtig reagieren zu können, aber spätestens, als der Erste von ihnen ein Stück nach hinten auf den holprigen Weg fiel und liegen blieb, verstanden sie, was sie tun mussten. Noah und Basch stellte sich vor den Wagen, jetzt schon schwer atmend und jeder mit seiner eigenen schlechten Vorahnung. Die Soldaten stürmten auf sie ein und wären sie nicht so flink gewesen, dann hätte sie sicher schon jetzt der eine oder andere Schwerthieb getroffen. Basch stürzte sich auf die Magier, die in ihren leichten Rüstungen gut umzuwerfen waren und so keine großartige Gefahr mehr darstellten. Einer nach dem anderen fiel, während ihn die anderen Soldaten weiter umkreisten. Irrte er sich, oder wurden es einfach nicht weniger? Er konnte nicht einmal genau sagen, wie viele er schon zu Boden gebracht hatte. Noah auf der anderen Seite schaltete die Kanoniere aus, die auf so kurze Entfernung nichts tun konnten. Aber dann traf ihn zuerst ein Schlag in den Rücken, der ihn taumeln ließ, bevor er sich zur Seite rollen konnte und einem Schuss auszuweichen versuchte, der ihm die Kleidung an der Schulter zerriss und einen tiefen, schmerzenden Schnitt an der Haut hinterließ. Wieder ein Schrei. Er schnellte herum und sah einen Soldaten, wie er dabei war, seine Mutter vom Wagen zu zerren. Nein! Nicht so! Knurrend rannte er durch die Menge, in der ihm Secca freundlicherweise eine kleine Schneise schlug, damit er schneller zum Wagen gelangen konnte. Sofort rammte er den Soldaten in die Seite, so dass der, Noahs Mutter und Noah selbst zu Boden ging. Rasch rappelte sich Noah auf und packte seine Mutter, um sie aus der Gefahrenzone zu zerren. Sein Arm brannte immer noch wie die Hölle. Als er den Blick wieder hob, sah er einige Soldaten auf sich zukommen. „Basch“, sagte er fast flehend. Wo war er? Warum war er jetzt nicht an seiner Seite? Stöhnend richtete er sich auf und hob sein Schwert. Dann eben nur er. Er würde Mutter schon beschützen. Dachte er, bis die ersten Soldaten gemeinsam auf ihn zustürmten. Basch... Hilf uns... „Verdammt“, keuchte Basch leise und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Es waren zu viele. Definitiv zu viele. Sie konnten es unmöglich schaffen, alle zu retten, wenn nicht noch ein Wunder geschah. Secca war zwar auch noch da, aber der alte Mann konnte auch nicht ewig mithalten. Und Suo? Keine Ahnung, wo der schon wieder war. Sicher war er schon auf halbem Wege nach Rabanastre. „Hilf deinem Bruder!“ Plötzlich stand Secca neben ihm, angeschlagen zwar, aber mit entschlossenem Blick. Basch sah überrascht auf, nickte dann aber nur. Wie hatte Secca es noch gleich ausgedrückt? Zusammen würden sie schon jede Hürde nehmen. „Am Wagen“, fügte Secca noch hinzu, als sich Basch schon umwandte und losrennen wollte. Dann sah der alte Soldat wieder zu den Archadianern. „Und jetzt ihr...“ Es wurden immer mehr. Je mehr Soldaten er niederschlug, umso mehr schienen nachzukommen. Von überall her hörte er Schreie, Rufe, klirrende Schwerter. Er wollte doch nur bis zum Wagen kommen. Nicht weiter! Es musste doch einen Weg dorthin geben! „Noah!“, rief Basch mittlerweile schon verzweifelt. „Mutter!“ Keine Antwort. Er wollte gar nicht daran denken, was wäre, wenn er zu spät kam. Das durfte nicht sein. „Eigentlich schade um euch“, murmelte eine unbekannte Stimme hinter ihm und das nächste, was Basch spürte, war ein harter Schlag in die Seite. Mit einem leisen Aufschrei ging er zu Boden. Es fühlte sich an, als hätte ihm jemand alle Rippen auf einmal gebrochen. Zähneknirschend sah er nach oben und blickte direkt in das behelmte Gesicht eines archadianischen Richters. Die leeren Augen des großen, reich verzierten Helms waren ihm zugewandt, während der Richter stehen blieb, die Waffe kampfbereit in der Hand. „Würdet ihr für uns kämpfen, könntet ihr so viel mehr sein...“ „Niemals“, brachte Basch unter Schmerzen hervor. „Nie.“ Mit einem heiseren Lachen ging der Richter weiter, und Basch versuchte vergebens, sich auf die Beine zu bringen und nach seinem Schwert zu greifen. Er musst zum Wagen! Dringend! Noah... Verzeih mir... ich schaffe das nicht... „Tut ihm nicht weh!“ Vergebens rüttelte sie am Arm eines Soldaten, der gerade mit einem anderen zusammen ihren Sohn am Boden festhielt. Noah fluchte laut, aber frei kam er nicht, so sehr er auch tobte und strampelte. „Jetzt spuckt er nicht mehr so große Töne, was?“ Einer der beiden Soldaten lachte finster auf. Jetzt hatten sie ihn wirklich. „Nehmt ihn mit.“ Noah versuchte, den Kopf anzuheben, als jemand Neues zu ihnen trat. Ein Richter. Es wurde ja nicht besser. „Und die Frau braucht einen Arzt.“ „Rührt sie nicht an“, giftete Noah, aber sofort drückte ihn einer der Soldaten wieder auf den Boden. „Lasst uns kurz alleine“, meinte der Richter plötzlich und einen Moment lang sahen ihn die Soldaten entgeistert an, bevor sie dem Befehl Folge leisteten. Noah raffte sich auf die Knie auf, aber bevor er nach seinem Schwert greifen konnte, hatte es der Richter schon in der Hand. Hasserfüllt sah Noah nach oben zu dem Mann in der Rüstung. „Wofür kämpfst du?“, fragte der Richter dann und blickte zu Noah hinunter. „Für Landis.“ Noah knirschte mit den Zähnen. Immer für Landis. „Hm“, war die knappe Antwort. „Landis ist jetzt Archadia. Du tätest gut daran, dich zu entscheiden, ob du so weiterkämpfen kannst.“ Noahs Hände ballten sich zu Fäusten. Nein, Landis würde nie ein Teil von Archadia sein. Das durfte nicht sein. Was würde Basch sagen, wenn... Basch. Wen interessierte Baschs Meinung? Basch wäre nach Dalmasca gegangen. Basch hätte Landis so oder so verlassen. Basch hatte das Land aufgegeben, ohne darum zu kämpfen. Baschs Meinung war doch gar nicht mehr von Belang. Und er war nicht da gewesen, als Mutter und Noah ihn gebraucht hatten. Ehe er sich versah, packten ihn die Soldaten wieder und zogen ihn grob auf die Füße. Sie stießen ihn vorwärts in Richtung Luftschiff, während um sie herum noch immer Kämpfe tobten. Er sah Secca nicht, der noch immer verzweifelt gegen die Soldaten kämpfte und er sah Basch nicht, der sich irgendwie wieder auf die Füße gebracht hatte. Er sah im Moment nur seine Mutter, die auf eine Trage gelegt wurde. Sie brauchte Hilfe und wenn es eben Archadia war, wo sie diese Hilfe bekam, dann würde er sie begleiten. Viel anderes blieb ihm ja nicht übrig. „Bringt die anderen nach“, brüllte der Richter über das Kampffeld, ehe das Luftschiff abhob. „Wer Widerstand leistet, wird getötet!“ Diesem Befehl würden die Soldaten unmissverständlich folgen. Es waren nur noch ein paar Flüchtlinge übrig, und nur zwei davon konnten kämpfen. Der Junge und der Greis. „Grünschnabel...“ Secca stand Rücken an Rücken mit Basch und verteidigte sich gegen die Flut von Soldaten. „Denkst du, wir kommen hier raus?“ Basch atmete kurz durch. Er hatte keine Ahnung, ob sie hier rauskommen würden. Keine. So, wie es im Moment aussah, eher weniger. „Vielleicht“, meinte er schließlich, klang aber nicht sonderlich zuversichtlich. Secca lachte heiser. Kurz darauf stürzte sich schon eine Meute Soldaten auf sie. Sie konnten sich wehren, aber es waren noch immer zu viele. „Pass auf“, rief Secca plötzlich und Basch bemerkte den Soldaten vor sich einen Moment zu spät. Der alte Mann schob ihn aus dem Weg, aber dafür traf ihn das Schwert in die Seite. Basch fing ihn automatisch auf. „Secca!“ „Du musst... dich doch umschauen“, meinte Secca und hielt sich wacker auf den Beinen. Basch zuckte kurz zusammen, als warmes Blut über seine Hand lief. Wären in diesem Moment nicht die Soldaten aus Dalmasca gekommen, dann wäre ihr Schicksal besiegelt gewesen. Es waren nicht viele, vielleicht gerade genug, damit sie ein paar Flüchtlinge in Sicherheit bringen konnten, aber auf keinen Fall genug, um den Archadianern Paroli bieten zu können. „Holt die Leute da raus“, rief einer der Soldaten und sofort stürzten sie sich auf die Feinde und schlugen die überraschten Truppen aus Archadia zurück. Basch spürte nur noch, wie jemand Secca anhob, bevor sie ihn auch an den Schultern packten und wegbrachten. Dann wurde ihm schwarz vor Augen. „Es waren sicher mehr Flüchtlinge.“ „Die anderen werden die Imperialen verschleppt haben.“ „Was ist mit dem alten Mann?“ „Sieht nicht gut aus...“ Basch öffnete die schweren Augenlider. Sofort schienen sich Schmerzen in Körperbereichen auszubreiten, die er nicht mal kannte. Geschweige denn, dass er wusste, dass man dort Schmerzen haben konnte. „Wie geht es dir?“ Basch richtete sich halbwegs auf und sah dann in ein altbekanntes Gesicht. „Suo?“ Der Angesprochene nickte. „Verzeih, dass es mit der Hilfe so lange gedauert hatte“, meinte Suo leise und schüttelte den Kopf. „Wäre ich ein bisschen schneller gewesen...“ Suo hatte also die Soldaten geholt. Eigentlich hatte Basch ja angenommen, dass er einfach nur weggerannt wäre. Aber so hatte er ihnen sicher das Leben gerettet. Basch schluckte einmal schwer. „Meine Mutter und mein Bruder?“, fragte er dann unsicher. Suo überlegte einen Moment lang, ob er Basch das wirklich antun konnte. „Wir... haben keine Leichen gefunden. Aber sie waren auch nicht mehr auf dem Schlachtfeld... Es tut mir leid, ich weiß nicht, was mit ihnen ist...“ Betreten ließ Basch den Kopf sinken und stützte ihn in die Hände. Es konnte alles sein. Sie konnten überall sein und nirgendwo, tot oder lebendig... „Secca“, rief er dann und sah wieder zu Suo. „Was ist mit Secca?“ „Sieh es dir besser selbst an“, meinte der Mann leise und deutete nach draußen. „Er liegt im Zelt gegenüber. Kannst du laufen?“ Ob er konnte? Er musste. Schwerfällig rappelte er sich hoch und trat aus dem Zelt. Sie schienen in einer kleinen Siedlung Halt gemacht zu haben. Basch sah den Sand zu seinen Füßen erstarrte einen Moment, als er in der Ferne eine Festung aufragen sah. Waren sie schon so nah bei Nalbina? Mehr stolpernd als laufend betrat er das Zelt gegenüber. Ein kleiner Mann saß vor dem provisorischen Bett und sah überrascht auf, als Basch eintrat. Seufzend ging er zu dem jungen Mann hinüber. „Es tut mir leid“, meinte der Arzt zu Basch. „Er hat zu viel Blut verloren...“ Basch spürte, wie sich ein großer Kloß in seinem Hals bildete. Noch mehr gute Nachrichten. Es war ja so schon unerträglich. „Grünschnabel...?“ Als Secca ihn so zu sich rief, ging Basch sofort hinüber und setzte sich zu dem alten Soldaten ans Bett. Zögernd nahm er Seccas Hand. Der Mann war blass, totenblass, und sein einzig gutes Auge suchte Baschs Gesicht. „Auf meine alten Tage noch so zugerichtet zu werden...“ Basch nagte an seiner Unterlippe. „Das ist allein meine Schuld... Das alles ist meine Schuld...“ "Dummkopf..." Secca versuchte sich an einem Glucksen, unterließ es aber schnell wieder. Anscheinend tat es zu sehr weh. „Haben sie deine Familie mitgenommen...?“ Basch nickte nur. Jedenfalls hoffte er das in gewissem Sinn. Besser Archadia als tot. Vielleicht gab es so ja noch eine Chance, sie zurück zu holen. „Kannst du bitte richtig antworten? Ich sehe nicht mehr so gut...“ „Verzeih... Suo sagte, dass sie keine Leichen gefunden hätten.“ Ein schmales Lächeln schlich sich auf das alte Gesicht. „Suo, hm?“ Einen Moment lang hielt der Soldat inne, bevor er seine Hand aus Baschs nahm und ihm etwas reichte, nachdem er es sich vom Hals genommen hatte. Überrascht sah Basch auf die Kette in seiner Hand. „Ein Geschenk“, murmelte Secca müde. „Ein Symbol für die Freiheit.“ „Sind das... Schwingen?“ Basch sah auf den silbernen Anhänger in seiner Hand. „Ja“, sagte Secca und seine Stimme wurde dabei schon fast von seinem Atem überdeckt. Mit letzter Kraft drückte er Baschs Hand zusammen und sah den jungen Mann an. „Vergiss nicht, für was ihr gekämpft habt. Noah und du. Ihr werdet wieder zueinander finden, da bin ich mir sicher...“ Basch schloss die Augen und versuchte, dieses Gefühl der Nutzlosigkeit loszuwerden. „Was soll ich nur tun, Secca?“ „Jedenfalls nicht weinen, Kleiner...“ Als sich Seccas Griff um Baschs Hand lockerte, sah Basch wieder nach oben. Es half nichts. Angesichts des Lächelns auf Seccas sonst so unbewegtem Gesicht konnte er nur weinen. Und versprechen, weiterzukämpfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)