Leitartikel von SummoningIsis (Küss mich bis zur Deadline) ================================================================================ Kapitel 10: Rash Reactions -------------------------- MICHAEL Die schwarze Kaffeemaschine brummte und ratterte bereits um 7.30 Uhr an diesem Montagmorgen. Es passierte nicht oft, dass der Chefredakteur es selbst war, der diese anstellte, der überhaupt zu Kaffeefilter und Pulver griff. Es passierte auch nicht oft, dass er sich fast allein in der Redaktion aufhielt und die Rechner seiner Mitarbeiter hochfuhr, dass sein eigenes Emailprogramm bereits so früh die zahlreichen Nachrichten filterte und somit eine imposante Liste zum Abarbeiten schuf. Der Drucker war längst damit beschäftigt allerhand Pressemitteilungen auf Papier auszuspucken, einen immer höher werdenden, greifbaren Stapel zu schaffen, während das Radio in Michaels Büro leise im Hintergrund rauschte, oder war es Musik? Eilig veränderte er die Frequenz. Es war wichtig, dass irgendwelche belanglosen Melodien im Hintergrund trällerten, Abwechslung zu dem wilden und rohen Tippgeräuschen boten, die die Räume des „Fly“ alltäglich erfüllten. Mit der dampfenden Tasse des dunklen Getränks nahm er an seinem Schreibtisch platz und es machte sich fast schon so etwas wie Freude in seinem Innern breit, als er sich daran machte die ihm zugeschickten Anfragen und Beschwerden und organisatorischen Informationen zu beantworten, zu archivieren oder an die verantwortlichen Mitarbeiter weiter zu leiten. Die Arbeit nahm seine volle Konzentration in Anspruch. Denn er ließ es zu. Er wollte es so. Nach und nach, denn schließlich war es bereits nach 8 Uhr, trudelten seine Kollegen ein. Wahrscheinlich wunderten sie sich, dass der Raum bereits nach Kaffee duftete und dass ihre Computer nur noch auf die Passworteingabe warteten, bereits munter vor sich hin surrten und flackerten. Gegen 9 Uhr machte Michael einen „Rundgang“ und begrüßte seine Autoren und weiteren Mitarbeiter freundlich, fragte nach dem Stand der Dinge jedes einzelnen, geplanten Beitrages und verkündete, dass die heutige Sitzung pünktlich um 9.30 Uhr stattfinden würde, schließlich waren die wichtigsten Personen sogar schon anwesend. Sogar Anna und Maximilian saßen an den Praktikanten-PCs und surften im StudiVZ. Auch zu ihnen ging er. Und bereute es umgehend. Anna lächelte ihn freundlich an. „Guten Morgen, Herr Zannert. Sind Sie Freitag eigentlich noch gut nach Hause gekommen?“, fragte sie ihn, noch bevor er ihren Gruß erwidern konnte. Michael räusperte sich. „Natürlich bin ich gut nach Hause gekommen“, sagte er und lachte kurz auf. „Aber vielen Dank der Nachfrage.“ „Sie sind aber nicht, wie Sie geplant hatten, mit dem Auto gefahren, sondern haben sich von diesem Tony ein Taxi rufen lassen, oder?“, hakte das Mädchen weiter besorgt nach. Vielleicht täuschte sie diese Besorgnis aber auch nur vor… „Ja, natürlich“, antwortete Michael leicht geniert und es kam ihm vor, als würden ihn seine Autoren von allen Seiten anstarren. Einbildung. „So, jetzt muss ich aber wieder an die Arbeit“, sagte der Journalist eilig, als Anna gerade dabei war, die Konversation fortführen zu wollen. Schnell drehte er sich um und marschierte geradewegs in sein Büro, beachtete nichts und niemanden auf seinem kurzen Weg. Als er die Tür ins Schloss zog, atmete er zunächst tief ein und fragte sich, was er Anna wohl noch erzählt haben mochte, an diesem katastrophalen Freitagabend… Zum wievielten Mal verfluchte er sich jetzt eigentlich? Am liebsten würde er seinen Kopf so lange gegen die Wand schlagen, bis er all seine Erinnerungen (verschwommene Erinnerungen) aus dem undankbaren Gedächtnis gelöscht hätte. Allerdings würde diese Art der Verdrängung seinen Kollegen sicherlich negativ auffallen… Als die Pause nach der durchaus langen Konferenz näher kam, griff Michael nach seinem Handy. Er hatte es noch nicht geschafft alle Kontaktdaten - Geburtstage, Adressen, Nummern - von seinem PC zu übertragen. Jetzt bot sich ihm die perfekte Gelegenheit. Und auch wenn es mit einem Kabel eine simple Tätigkeit gewesen wäre, die er in weniger als 10 Minuten hätte erledigen können, machte er sich daran, die Daten manuell zu übertragen. Doch nach etwa fünf Minuten schrie der Journalist laut: „Scheiße!“, und alle Köpfe der in der Nähe arbeitenden Autoren drehten sich kurz zum Büro ihres Chefs um, wonach sie sich eilig wieder an die anstehende Arbeit machten. Sie würden ihn ganz sicherlich nicht auf diesen minimalen Zwischenfall ansprechen… Ach, du grüne Neune! Laura hatte morgen Geburtstag! Und dort stand es; mit fetter Schrift in seinem virtuellen Kalender notiert! 16 Uhr. Kaffee und Kuchen. Seine Nichte feierte tatsächlich morgen ihren 14. Geburtstag und ihr Lieblingsonkel hatte das Event komplett verschlafen... Fast. Ein schleichendes schlechtes Gewissen vermischte sich mit einer leichten Welle von Panik. Ein leichter Schmerz durchzuckte ihn; er musste Sabine Bescheid geben, dass er alleine kommen würde... Automatisch griff er zum Telefon und wählte die Nummer seiner älteren Schwester, bevor er sich weiter Gedanken über diesen Zustand machen konnte. „Speier?“, ertönte die fröhliche, weibliche Stimme am anderen Ende. Sabine hatte vor mehr als 20 Jahren geheiratet. Einen Manager. Markus. Einen wirklich tollen Kerl, den Michaels Familie schnell ins Herz geschlossen hatte. Und homophob war er auch kein kleines bisschen, was man von Sabines festen Freunden vor der Ära Markus allemal hätte behaupten können... Wie immer, wenn er die Stimme seiner Schwester hört, bereute er es, dass er nie die Zeit fand, mehr mit ihr und ihrer kleinen Familie zu unternehmen. „Hi, ich bins, Michael“, sagte er knapp. „Micha! Mensch, schön, dass du anrufst!“, legte seine Schwester umgehend los. „Was liegt an bei dir? Du willst mir doch nicht wegen morgen absagen, oder? Mama und Papa sind auch da! Laura ist schon ganz aufgeregt und hat sogar selber einen Kuchen gebacken. Ich frage mich, woher sie das eigentlich kann... Von mir jedenfalls nicht!“, sie lachte laut. „Also, ihr kommt doch morgen, oder?“ „Die Sache ist...“, setzte Michael an. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er es noch nicht ausgesprochen hatte. Dass es noch niemand von ihm erfahren hatte. Wie sollte er es nur sagen... In Worte fassen, artikulieren, dass Tim fort war? „Ich komme allein.“ Na, das hörte sich doch halb so schlimm an. „Wie schade, ich habe Tim schon so lange nicht mehr gesehen! Geht er wieder Fußball gucken?“, entgegnete sie immer noch freundlich. Michael holte Luft. „Wir sind nicht mehr zusammen“, brachte er schließlich heraus. Kurz und schmerzlos. Wie er zunächst dachte. Doch bereits einige Sekunden später merkte er den Riss, den die Worte in seiner Seele verursachten. Vielleicht begriff er diese Tatsache auch erst in diesem Moment. Jedenfalls musste er die leicht stechenden Tränen hinter seinen Augenliedern mit enormer Kraft zurückhalten. Als hätte er es eben erst selbst erfahren. Stille. „...Was? Oh, mein Gott, Micha!“, stammelte seine Schwester. „Damit... Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Oh, das tut mir so Leid. Seit... Ich meine, seit wann? Wann habt ihr Schluss gemacht? Wieso? Ich verstehe das nicht. Ist irgendwas vorgefallen? Habt ihr euch gestritten? Geht es dir gut???“ „Jaaaa...“, antwortete der Journalist leicht genervt. Manchmal konnte Sabine einfach den Mund nicht halten und sabbelte einfach weiter. Was hatte sie ihn noch mal gefragt? „Alles OK, es ist noch ganz frisch. Ich erzähl dir alles morgen, oder wenn sich ein anderer Termin findet. Könntest... Kannst du es unseren Eltern für mich sagen? Ich habe keine Lust auf explizite Nachfragen bezüglich Tims Verbleiben bei der Zusammenkunft morgen, OK?“ „Ja. Ja, sicher“, stammelte Sabine, die von der Nachricht wirklich betroffen zu sein schien. „Hey, willst du nicht morgen hier schlafen? Wenn Lauras Freundinnen weg sind, können wir uns ja... Ähm. Vollaufen lassen. Nur du und ich. Und vielleicht Markus. Obwohl... Ich glaube der muss Samstag arbeiten. Also nur wir zwei, was hältst du davon? Gin-Tonic kann bei Liebesproblemen wirklich helfen!“ „Du, lass mal lieber. Das letzte Mal, als ich mich „vollaufen“ habe lassen, habe ich eine große Dummheit begangen...“, sinnierte Michael und merkte erst am Ende des Satzes, dass er ihn tatsächlich laut ausgesprochen hatte. „Was? Du und eine Dummheit begehen? JETZT bin ich neugierig!“, sagte seine Schwester und Michael konnte ihn grinsendes Gesicht förmlich vor sich erblicken. „Vielleicht erzähle ich es dir am Freitag. Vielleicht. Ich bin jetzt in der Redaktion und muss noch einiges erledigen. Wir sehen uns dann morgen“, antwortete der Chefredakteur und strich sich durch die kurzen Haare. „OK, ich freue mich, Michael! Bis morgen!“ Gut, das war erledigt. Einige Minuten saß er still da und starrte die weiße Decke an. Endlich fasste er sich. Jetzt folgte der weitaus schwierigere Teil: Das Geschenk. Michael fing unbewusst an Runden um seinen Schreibtisch zu drehen. Was hatte er Laura letztes Jahr geschenkt? Er konnte sich einfach partout nicht daran erinnern. Und: Was schenkte man überhaupt einer 14-Jährigen??? Unbewusst verließ er sein Büro und rannte fast schon auf Annas Schreibtisch zu. Die müsste das doch wissen...! „Anna!“, setzte er umgehend an und die Praktikantin verschluckte sich beinahe an ihrem Sprudelwasser. „Was schenkt man einer 14-Jährigen?“ Michael wusste nicht, ob er gerade wie ein Psychopath wirkte, jedenfalls blickte die schwarzhaarige junge Frau ihn dementsprechend an und antwortete zögerlich: „Äh, ein BRAVO-Abo?“ „Ach, Quatsch“, ertönte plötzlich die Stimme des CvD. Michael hatte Florian gar nicht näher kommen sehen. „Lieber einen Gutschein für einen Friseurbesuch“, riet ihm sein Stellvertreter und eigentlich guter Freund. „Aber dann denkt sie doch, ich würde ihr suggerieren, dass sie einen schlechten Haarschnitt hat, das endet doch in Tränen, Sabine sagte das schon vor einigen Monaten, Laura stecke mitten in der Pubertät“, entgegnete Michael und kratzte sich leicht benommen am Hinterkopf. Barbie? Nein. Klamotten? Nein. Großes Nein. Etwas zu trinken? Himmel, nein. Haarspangen? Nein. „Schenken Sie ihr doch einen Gutschein für Douglas und sagen Sie ihr, dass sie sich davon Make-Up kaufen soll - damit sie den Jungs in ihrer Klasse den Kopf verdrehen kann!“, schlug die Praktikantin plötzlich mit viel Enthusiasmus in ihrer Stimme vor. „Meine Schwester bringt mich doch um...“, stammelte Michael. Die Idee jedoch klang gar nicht so verkehrt und als Florian seinen Senf dazugab („Ja, aber du bist weiterhin der Held deiner liebsten Nichte. Trotz Pubertät...“) war Annas Idee beschlossene Sache. „Vielen, lieben Dank, Anna. Das ist eine großartige Idee!“, verkündete und machte sich auch umgehend auf den Weg ins Zentrum. Auch wenn er sich vornahm, an einem bestimmten Laden NICHT vorbeizugehen... Das Zentrum besaß genügend Eingänge und Korridore. Es würde eine Leichtigkeit werden. Und zu seinem Glück lag Douglas zudem sowieso am völlig anderen Ende. Mit leichten Schritten passierte er die vielen einladenden Geschäfte und betrat den exotisch duftenden Laden, in dem die weiblichen Bedienungen aussahen, als wären sie direkt aus einem Hochglanzcover in die Realität gestiegen. Wie viel kostete Make-Up eigentlich? Er dachte nicht weiter nach. Ein 100-Euro-Gutschein sollte Laura zufrieden stellen. Dessen war er sich sicher. Als er an einer kleineren Drogerie vorbeiging, konnte Michael es dennoch nicht lassen einen kleinen Plüschteddy ebenfalls in Geschenkpapier einpacken zu lassen. Vielleicht um sein kleines, schlechtes Gewissen zu beruhigen, dass er seiner kleinen Nichte so ein erwachsenes Geschenk bereitete. Für ihn würde sie immer das kleine, niedliche Mädchen mit den großen, fragenden Augen bleiben. Aber in der heutigen Zeit 14 Jahre alt zu sein, bedeutete sich bereits in den Grenzgebieten zu bewegen. Die Adoleszenz begann. Er seufzte als er der Kassiererin beim Verpacken zusah. Und als er auf die Uhr sah, erschrak er. Ihm blieben genau fünf Minuten um in sein Büro zurückzukehren und den wichtigen Anruf des Verlagsleiters entgegennehmen zu können. Florian hatte bereits versucht ihn zu erreichen. Sechs Anrufe in Abwesenheit. Michael beschleunigte seine Schritte. Wie hatte er die Zeit nur so vergessen können? Wie hatte er sein Handy nicht klingeln hören? Das große Logo hypnotisierte ihn plötzlich. Ungewollt wurden seine Schritte langsamer. Es war, als würde ihn allein der Anblick der amerikanischen Coffeekette lähmen. Ein großes Gewicht legte sich auf seinen Körper und versuchte ihm am Vorankommen zu hindern. Sieh nicht hin. Sieh nicht hin. Sieh nicht hin. Doch er tat es. Wie hätte er auch nicht durch die riesige, voyeuristische Glasfront der Filiale blicken können? Wie hätte er die lange Kette aus menschlichem Fleisch am Tresen ignorieren können? Wie hätte er den schlanken Körper, der die Masse zufrieden stellte, übersehen können? Im selben Moment, wandte Jade ihm seinen Blick zu. Eine Sekunde verging. Zwei. Drei. Michael rannte aus dem Zentrum. SEBASTIAN/JADE Der heutige Tag war richtig mies. Katja war nicht da, Ali war nicht da. Nur dieser eine nervige Student, die kleine Ökotussi, der dicke Besserwisser und der 30-Jährige Bastard, der früher mal LKW-Fahrer gewesen war und immerzu dieselben Geschichten erzählte. Zum Beispiel wie er seine Ehefrau ständig mit irgendwelchen Nutten im Fahrerhäuschen betrogen hatte. Jade konnte einfach nicht verstehen, wie man auf so etwas stolz sein konnte. So stolz, dass man mit dieser niederträchtigen Tatsache vor Menschen prahlte, die man noch nicht mal richtig kannte. Michael würde bestimmte niemanden... Michael! Dort ging er, schlenderte fast schon den breiten Korridor entlang und blickte in seine Richtung. In seine Richtung! Bitte schau mich an, zwinker’ mir kurz zu, oder wink einfach nur, ganz kurz, nur so, dass ich es sehen kann, oder lächel’ kurz, heb deine Hand, signalisier mir, dass du mich siehst, dass du mich wahrnimmst, dass... Er blickte dem Journalisten nach, der eilig aus dem Zentrum rannte, in der Masse der ein- und ausgehenden Menschen einfach spurlos verschwand. Der Barista seufzte und ließ beinahe den Kopf hängen - wäre da nicht die werte Kundschaft. Der Ansturm wollte einfach nicht kleiner werden. Immerfort tauchten neue, nach Kaffee dürstende Menschen auf. Und eigentlich sollte ihn das glücklich machen. Er musste nicht mit seinen Kollegen sprechen UND: er musste nicht an Michael denken. Jedenfalls hätte er eigentlich zu beschäftigt sein müssen, um seinen Gedanken Aufmerksamkeit zu schenken. Doch scheinbar war er Multitaskingfähig. Er hasste es. Während er eine Hazelnut-Latte zubereitete fragte er sich, was er sich eigentlich gedacht hatte. Michael war vergeben. Michael hatte mit IHM seinen Freund betrogen. War doch klar, dass er nie wieder etwas mit dem Schwarzhaarigen zu tun haben wollte. Oder nicht? Und dennoch machte ihn diese ganze Scheiße einfach nur wütend. Er wollte ihn! Vorher hatte doch auch alles immer geklappt! Er musste sofort an Katjas Worte denken. „Ich wage es aber zu behaupten, dass deine sonstigen „Objekte“ kein vergleichbares Kaliber sind.“ Verdammt, die Frau hatte so recht. Michael war ein völlig anderer Typ. Er lebte in einer völlig anderen Welt. Mein Gott, er hätte vielleicht doch einfach mit Torsten schlafen sollen, um auf andere Gedanken zu kommen... OK. Nein. Es war die richtige Entscheidung gewesen ihn abblitzen zu lassen. When you fuck your roomate, everything goes wrong. Hatte ihm das nicht mal dieser Austauschstudent aus England gesagt? Damals auf der Fete, kurz nachdem er mit Mark Schluss gemacht hatte? Er meinte sich vage daran erinnern zu können. Der Spruch hatte etwas. Er sagte wahrscheinlich die Wahrheit. Und Torsten war im Moment eh verwirrt... Er liebte Jana, aber gleichzeitig fühlte er sich durch diese Endgültigkeit, die er meinte von Jana aus zu verspüren, zu Männern umso mehr hingezogen. Vor allem zu Jade. Der Barista grinste leicht. Er war froh zu 100% bestätigen zu können, dass er auf Männer stand. Bisexuelle hatten es nicht leicht. Torsten hatte es nicht leicht. Nein, nein, nein. „Venti Hazelnut-Latte!“, rief er, als er das Getränk auf der ovalen Theke platzierte, wo es schon erwartet wurde. Wann würde der Tag endlich vorbeigehen... MICHAEL Sabine und Markus lebten einige Kilometer südlich vom Zentrum entfernt. Am Stadtrand. Naja. Eigentlich noch weiter. In einem kleinen Kaff, welches nur aus einigen hundert Häusern bestand. Hübschen Häusern, das musste Michael zugeben, als er die Hauptstraße langsam entlangfuhr. Es war 15.50 Uhr. Er würde definitiv nicht zu spät kommen. In der Auffahrt sah er bereits den alten Mercedes seiner Eltern stehen. Er hatte sie seit einigen Monaten gar nicht mehr gesehen. Ein Familientreffen würde ihm sicherlich gut tun... Seine Eltern hatten sein Coming-Out damals wirklich gut verkraftet. Sie hatten es schnell akzeptiert. Und sie hatten jeden seiner Freunde mit Respekt behandelt. Und auch Sabine hatte nie wirklich Probleme mit einem schwulen Bruder gehabt. Aber das lag wahrscheinlich auch an ihrer Reife. Als er mit 17 Jahren sein Geheimnis preisgab, war seine Schwester bereits 24 Jahre alt und wohnte nicht mal mehr im elterlichen Haus, kam nur sporadisch zum Besuch, verpasste natürlich keinen einzigen Geburtstag. Michael wusste es zu schätzen eine tolerante Familie zu haben. Und fühlte sich erneut schuldig, nur so wenig Zeit für diese aufbringen zu können. Sein Job war stressig. Das wussten sie. Diesen Fakt akzeptierten sie. Und niemand war ihm böse deswegen. Er würde sogar behaupten, dass seine Eltern extrem stolz auf ihren Jungen waren. Ja, er hatte es wirklich zu etwas gebracht. Es war Sabine, die ihm die Tür öffnete und sich sogleich um seinen Hals warf. „Hach! Ich freue mich sooooooo dich zu sehen!“ Seine Schwester war Grundschullehrerin, Deutsch und Kunst waren ihr Fachgebiet, und irgendwie schienen die lieben Kinderchen manchmal leicht auf sie abzufärben, jedenfalls war sie mit ihren momentanen 42 Jahren immer noch lebensfroh wie ein Teenager. Gerade das machte sie so wohl so beliebt. „Sabine, schön dich zu sehen.“, sagte er lächelnd, während er Laura bereits im Flur stehen sah. Und ein Wort tauchte in seinem Kopf auf: Volltreffer! Seine Nichte, die, er hätte es schwören können, wieder einen Kopf gewachsen war, seitdem er sie das letzte Mal gesehen hatte, hatte sich rosa Lidschatten aufgetragen und ihre Lippen in der gleichen Farbe angemalt. Sein Geschenk würde sie also freuen. Grinsend ging er auf das blonde Mädchen zu, welches modisch gekleidet war. Sie trug Hüfthosen und dazu ein weißes Tanktop, einen schwarzen Gürtel hatte sie sich lässig um die Hüften gebunden. „Onkel Michael!“, begrüßte sie ihn mit einem strahlenden Lächeln und der Journalist umarmte sie. Umgehend danach reichte er ihr das Geschenk. „Hier, für dich!“, sagte er und ihre Augen strahlten als sie den dünnen bunten Umschlag von der Karte entfernte. „HUNDERT EURO! Ach, du SCHEISSE, wie GEIL!“, schrie sie fast als sie den Douglasgutschein betrachtete. „Na!“, keifte Sabine, grinste dennoch dabei. „Michael, du musst nicht immer so viel Geld ausgeben, verdammt! Sie ist verwöhnt genug, wirklich!“ „Von euch vielleicht, ich aber habe noch Nachholbedarf“, bemerkte der Chefredakteur, der nun endlich seine Jacke ablegen konnte und einer strahlenden Laura, die sich tausendfach bei ihm bedankte, ins Wohnzimmer folgte. Der Teddy blieb auf der Kommode im Flur sitzen... Es tat gut mit seinen Eltern, seiner Schwester und seinem Schwager Kaffee zu trinken und den durchaus gelungenen Kuchen seiner Nichte gierig zu verputzen. Sie redeten über die Kinder (denn Sabine hatte auch noch einen 15-Jährigen Sohn, der sich zur Feier des Tages bei einem seiner Freunde einquartiert hatte), sie redeten über alte Zeiten, als Michaels Familie noch unter einem Dach hauste, über die Nachbarn, über die Arbeit. Und als Lauras Freundinnen kamen und Markus die Mädels ins Kino fuhr, redeten sie letztendlich über Tim. Der Chefredakteur erzählte seiner Familie die ganze Geschichte. „Es tut mir sehr Leid für dich, Micha“, sprach seine Mutter, eine robuste ältere Frau, die leicht geschminkt und gut gekleidet war. Sie hielt sich fit. Wie auch der Vater des Journalisten. Sie hatten einen festen Tagesplan, an den sie sich mit Disziplin hielten. Joggen, Schwimmen, Spazierengehen, Kochen, Schlafen, Lesen – alles gehörte dazu. Und man konnte es ihnen ansehen, dass der Lebensstil dem älteren Paar durchaus wohl bekam. „Aber so einfach aus dem Nichts, so ein Feigling. Wenn er ein wahrer Mann gewesen wäre, dann wäre er ehrlich zu dir gewesen!“, sprach sein Vater mit erhobener Stimme. „Ich war eurer Mutter immer treu, ich war ihr immer ehrlich! Und deswegen sind wir auch noch heute zusammen!“ „Ach, ab und an flunkerst du auch, Rolf!“, bemerkte Michaels Mutter und nahm amüsiert einen Schluck Kaffee zu sich. „Aber bei den wichtigen Sachen habe ich NIE gelogen, Anne, nie!“, fuhr sein Vater fort und legte sich dabei die Hand aufs Herz. „Nie!“ „Daran zweifelt ja auch niemand, Papa“, sagte Sabine mit einem leichten Schmunzeln. „Dennoch hast du Recht, was Tim angeht. Er ist ein Arschloch, wenn ich das mal so sagen darf“, sie blickte in Michaels Richtung, der ihr zu nickte und versuchte zu lächeln. „Der Mann hat einfach Komplexe und rennt deswegen weg.“ „Er war einfach neidisch, das ist alles!“, spie sein Vater fast schon aus und biss in seinen Keks, an dem er sich sofort verschluckte. Seine Frau klopfte ihm auf den Rücken. „Ich bin sicher, dass du schnell einen anderen, netten Mann kennenlernen wirst, Micha“, sagte seine Mutter zum Schluss, als sie sich verabschiedeten. „Das ist nicht so einfach, Mama“, entgegnete Michael. Ungewollt wanderten seine Gedanken zu Jade. Er schüttelte sich leicht. „Du packst das, mein Chefredakteur“, sagte sie, lächelte und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Auch sein Vater umarmte ihn, klopfte ihm in männlicher Manier auf die Schulter und nickte ihm zu. „Besuch uns bald“, waren seine Abschiedsworte. Der Mercedes verschwand hinter der Ecke. „Und, erzählst du mir jetzt von deiner Dummheit?“, fragte Sabine, die sich gegen den Türrahmen lehnte, plötzlich. Und kurz war Michael geneigt ihr sein Herz auszuschütten, ihr von dieser durchaus heißen und gleichzeitig furchtbaren Nacht zu erzählen. Nur kurz. „Ein anderes Mal, ich fahre jetzt auch lieber. Wir sehen uns bald!“ SEBASTIAN/JADE Egal wie oft er in Richtung des Eingangs starrte. Michael kam nicht. Eine ganze verdammte Woche war vergangen und er kam einfach nicht. Und auch seine Kollegen kauften niemals einen Kaffee für ihn mit. Es war vernichtend. Es war demütigend. Es war besser. Aber warum fühlte er sich dann so unfassbar scheiße? MICHAEL Der Blick des Journalisten streifte den immer noch aufgestellten, massiven Bilderrahmen, der das alte Foto hinter der dünnen Glasscheibe eingefroren hielt. Der Anblick seiner mit Tim, ihr gemeinsames, so warm erscheinendes Lächeln; es erschien ihm wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Und so war es ja auch irgendwie... Michael hatte es noch immer nicht geschafft seine Trennung offiziell zu machen. Nur Patrick wusste es. Patrick, sein alter Studienfreund mit dem er erst gestern im Pub gewesen war und dem er die ganze Geschichte, inklusive des kataklysmatischen Freitages, eröffnet hatte. Automatisch griff er nach dem aufgestellten Foto und packte es in die allererste Schublade. Der Schreibtisch erschien plötzlich so leer ohne das Bild. Es ließ eine sichtbare Lücke zurück. Jedenfalls war dies Michaels Empfindung. Doch er würde es nicht zurückstellen. Oh, nein. Nach einer Weile steckte er das Foto eine Schublade tiefer. Und nach einem weiteren Moment vergrub er es unter dem dicken Haufen Papier in der untersten. Dort war es gut aufbewahrt. Er musste sich zusammenreißen! Sein neues Leben anfangen! Sich nicht unterkriegen lassen! Ja, genau. Mit diesen Zielen fing die Woche gut an. Und kulminierte letztendlich in einer Katastrophe. Es waren diese Kleinigkeiten, von denen er anfangs gedacht hatte, sie würden ihn auch weiterhin ablenken. Die unwichtigen Details eines Auftrages, minimale Rechtschreibfehler eines zu redigierenden Artikels, kurze Telefonate, wenige Emails, die aus Versehen doppelt und dreifach verschickt wurden. Es waren diese Winzigkeiten, die ihn urplötzlich aus der Fassung brachten und seine Seite von ihm weckten, die er sonst eigentlich unter Kontrolle hatte. Michael wich persönlichen Gesprächen aus. Und als Florian ihn direkt auf das verschwundene Foto ansprach, und normalerweise redeten die beiden Männer immerzu direkt, ohne das Blatt vor den Mund zu reden, schrie der Chefredakteur ihn an, keifte, Florian solle doch endlich den Produktionsplan ändern. Er fühlte sich elendig. Noch schlimmer wurde es, als seine Autoren ihn immerzu ansprachen, ob er nicht mit ihnen „eben schnell zu Starbucks was trinken und essen“ gehen wollte. Nein, das wollte er nicht. Und als Florian ein weiteres Mal eine zusammen verbrachte Pause vorschlug, passierte es erneut. Es geschah wieder, dass Michael einen knallroten Kopf bekam und seinen Kollegen, wie auch Freund, eigentlich grundlos ankeifte. So konnte es nicht weitergehen. Sein Verhalten war infantil und unfair. Er schämte sich. Bekam kaum Schlaf, was seine Laune noch einige Etagen tiefer sinken ließ. Das musste aufhören. „Hey, Florian…“, begrüßte er den CvD, als dieser kurz vor 12 Uhr das Büro des Chefredakteurs betrat. „Hallo Michael“, entgegnete der Mann mit den kastanienbraunen Haaren, die seine Stirn verschwinden ließen. „Ich weiß, du wirst wahrscheinlich wieder „nein“ sagen, aber ich wollte dich dennoch fragen, ob du nicht Lust hast, mit uns einen Kaffee trinken zu gehen.“ „Ja, sehr gerne“, antwortete der Journalist und erhob sich umgehend von seinem Schreibtisch. Florian starrte ihn leicht unglaubwürdig an, ein Lächeln machte sich dennoch schnell auf seinem Gesicht breit. „Es tut mir Leid, dass ich die ganze Zeit so ein Arsch bin. Tim hat mit mir Schluss gemacht und irgendwie komme ich noch nicht so ganz damit klar.“ „Ja, das… dachte ich mir schon…“, kam es vom CvD. „Und das tut mir echt Leid. Wenn du reden, oder saufen willst, du weißt, wie du mich erreichen kannst.“ „Danke“, sagte Michael grinsend. Natürlich wollten die zwei weiteren Kollegen zu Starbucks. Natürlich konnte Michael nicht dagegen protestieren. Natürlich musste Jade gerade an diesem Tag arbeiten. Natürlich! Es war die Hölle. Der Chefredakteur konnte diese dunklen Augen auf seiner Haut spüren, die Kristalle, die vergeblich nach seinem Blick suchten. Die Stimme des Baristas, der nach Ihren Wünschen fragte, klang so freundlich und unschuldig dabei. Er war an der Reihe. Jade fragte ihn. „Was soll’s bei Ihnen sein?“ Michael starrte die großen, an der Wand angebrachten Poster an, die die verschiedenen Bestellungsmöglichkeiten veranschaulichten, während er mit ausdrucksloser Stimme seine Standardmischung bestellte. Es fühlte sich an, als würde die Zubereitung Stunden dauern. Michael hätte schwören können, dass Jade sie die ganze Zeit über vom Tresen aus beobachtete. Der Chefredakteur konnte sich gar nicht mehr konzentrieren, war nicht in der Lage das Gespräch mit seinen Kollegen zu verfolgen, daran teilzunehmen. „Ich sehe, der Kleine nimmt deinen ganzen Kopf ein, was?“, riss ihn plötzlich die Stimme Stefans, des Sportressortleiters, aus seinen Gedanken. „Was?“, murmelte er. „Der Kleine da“, fuhr sein Kollege leicht grinsend fort. „Der dich eben schon bei der Bestellung die ganze Zeit angestarrt hat.“ Es passierte. Michael erhob sich mit solcher Kraft, dass sein Kaffeebecher umkippte. Die immer noch warme Flüssigkeit verteilte sich rasend über die Tischplatte und ließ auch seine Kollegen schleunigst aufspringen. Bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, brüllte Michael Stefan bereits an. „Was soll diese ganze Scheiße eigentlich?! Was nimmst du dir heraus dich über mich lustig zu machen und mir so einen Dreck zu unterstellen?! Ich habe das ganze so satt!!!!“ Er konnte sich nicht daran erinnern, wie er den Weg zurück in die Redaktion gefunden hatte. Als Florian sein Büro erneut betrat, war es bereits Abend. „Micha… Ich denke du solltest dir mal ein, oder zwei Woche freinehmen“, sprach der CvD in ruhiger Stimme auf ihn ein. „Es wird dir gut tun. Die Kollegen fangen schon an zu tuscheln. Und ich weiß, dass du das nicht willst.“ Michael wischte sich den kalten Schweiß von seiner Stirn und blickte seinen Freund resigniert an. „Ich glaube du hast Recht“, sagte er schließlich. „Du hast Recht.“ SEBASTIAN/JADE „Meine Fresse, reiß dich zusammen, Jade!“, herrschte Torsten den Schwarzhaarigen an, der erneut ein gemeinsamen Frühstück mit dem Tontechniker und seiner nun offiziellen Freundin Jana ablehnte und meinte, er wollte den Tag lieber in seinem Bett verbringen. „Du bist wie so ein verfickter Strauß. Bloß den Kopf in den Sand stecken und alles andere ignorieren.“ „Sträuße stecken höchstens den Kopf in den Sand, wenn sie Angst haben, Torsten. Ein beschissener Vergleich“, murmelte Jade, der wirklich nicht vorhatte aufzustehen. Ja, hier im Bett bleiben, einfach nur abhängen, Filme aufm PC gucken, lesen. Bloß nicht raus. Nein. Nicht raus. Urplötzlich wurde ihm die Decke weggezogen. „Mann, Torsten, du…!“, schrie Jade, der sich herumwirbelte und nach seiner Bettwäsche greifen wollte, und dann merkte, dass es Jana war, die ihm den Stoff geklaut hatte. Sie schaute ihn ernsthaft an. Grinste erst einige Sekunden später. „Du kommst sofort mit uns mit. Das ist ein Befehl!“, sprach sie laut. Jade verdrehte die Augen. „Du hast genug geheult. Wegen nem Kerl, den du nicht mal kennst, ums ein weiteres Mal zu sagen. Reiß dich gefälligst zusammen und hör auf wie ein Zombie rumzulaufen. Wenn du dich hier einsperrst findest du erst recht keinen neuen Kerl“, fügte Torsten dem hinzu, der sich genervt gegen Jades Zimmertür gelehnt hatte und seinen Mitbewohner anstierte. „Ja, ja, OK! Ich komme mit!“, knurrte Jade und stand leicht erzürnt auf. „Aber verpisst euch aus meinem Zimmer, damit ich mich anziehen kann, Mann!“ Jana und Torsten verdrehten fast gleichzeitig die Augen und schlossen die Zimmertür leise hinter sich, murmelten irgendetwas zueinander. Doch dies kümmerte Jade überhaupt nicht. Es war ihm mehr als egal. Immer wieder musste er an Michaels Wutausbruch in der Filiale denken, an diese Augen, die ihm ausgewichen waren, diese laute Stimme, die ihn aus seinen bitteren Tagträumen gerissen hatte. Ein kalter Schauer erwischte ihn erneut. Es waren acht Tage vergangen seit diesem Vorfall. Michael war kein einziges Mal mehr aufgetaucht. Jade fragte sich, ob der Journalist seinen Fehltritt seinem Freund doch gebeichtet hatte… Es würde definitiv seinen Wutausbruch erklären… Das letzte Wochenende hatte er bereits unter seiner Bettdecke verbracht. Der Schwarzhaarige verspürte keinen Hunger. War völlig lustlos. Alles, an was er dachte, war Michael. Und wenn Torsten ihm irgendwas von „anderen Kerlen“ erzählte, wollte er ihm am liebsten ins Gesicht spucken. Er verstand seine eigenen Gefühle doch auch nicht! Und es fehlte ihm an Stärke, um dagegen anzukämpfen. Vielleicht wollte er es ja auch nicht. So bekloppt wie er war. So bescheuert wie er war, träumte er immer noch von einer Chance. Wieso überhaupt? Wütend schlüpfte er in seine Klamotten, wahllos ausgewählte Kleidungsstücke, die in seinem Zimmer chaotisch verteilt lagen. Sein Aussehen war ihm im Augenblick weniger als egal. Er wollte dieses beknackte Frühstück einfach hinter sich bringen und sich dann wieder in seinem Bett verkriechen. Und in Selbstmitleid versinken. Er seufzte. Den ganzen Weg über zu diesem neuen Super-Bäcker, der im Zentrum eröffnet hatte, betrieben die drei beschissenen Smalltalk. Obwohl Jade sich für seinen Mitbewohner freuen sollte, nervte ihn diese positive Energie, diese Freude, die von den beiden ausging. Und diese negativen Empfindungen verschafften ihm ein saumäßig schlechtes Gewissen. Ein schlechtes Gewissen war eigentlich alles, was er momentan seinen Besitz nennen konnte. Wegen Torsten, wegen Jana. Wegen Michael. Das Käsebrötchen schmeckte, der Kaffee war ebenfalls passabel. Eigentlich war der Laden voll, aber er war groß genug, sodass die Menschenmenge nicht auffiel, eine Illusion freier Flächen schuf, die Ruhe vermittelten. Langsam fing er an sich zu entspannen. Zu glauben, dass es vielleicht doch nicht so verkehrt war, mit Torsten und Jana hierher gekommen zu sein. Er hatte seinen Hunger bis gerade eben gar nicht wahrgenommen. Und nun konnte er gar nicht mehr aufhören zu essen. Er lachte sogar über Torstens unfassbar flache Witze. Als er nach der gutaussehenden Bedienung rief, erblickte er den Mann, den er hier nicht vermutet hatte. In der hintersten Ecke des Lokals saß er an einem der kleinsten Tische. Allein, mit aufgeschlagener Zeitung in der Hand und einem leeren Blick. Er las das Printerzeugnis noch nicht einmal. Und auf seinem Teller lag ein fast unberührtes Brötchen. „Hey, wohin willst du?“, fragte Torsten, als Jade ohne etwas zu sagen aufstand. „Zu Michael“, lautete die ruhige Antwort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)