Contrasts von Seira-sempai (The difference between us) ================================================================================ Prolog: Nur ein Traum --------------------- Es war dunkel und es regnete. Was hieß es regnete? Es goss wie aus Eimern. Die Kleidung klebte an meinem Körper. Als ich mir sie genauer ansah, entdeckte ich ein zerrissenes Kleid von der Art, wie sie Leute vor einigen hundert Jahren getragen hatten. Wieso trug ich so etwas? Vor mir kämpften zwei Personen. Ich wusste nicht, wer es war, konnte es wegen dem starken Regen nicht erkennen, aber ich wusste, ich kannte die beiden. Zögerlich lief ich auf sie zu. Da hörte ich es, dieses Geräusch, wie Klingen aufeinander prallten. Inzwischen war ich nahe genug dran, um erkennen zu können, was vor sich ging. Zwei Jungen, etwa in meinem Alter standen sich gegenüber, mit unzähligen Verletzungen auf den Körpern. Ich zitterte am ganzen Körper. Ein Windstoß von hinten blies mir meine Haare ins Gesicht. Wie ich es gewohnt war, wollte ich sie mir hinter die Ohren streichen, doch ging es nicht. Sie rutschten wieder vor. Warum? Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff. Mein langes Haar war auf einmal so kurz, dass es nicht einmal mehr bis auf die Schulter reichte. Was war hier los? Wieder prallten die Waffen aufeinander. Die Kämpfenden waren am Ende ihrer Kräfte angelangt, aber sie hörten nicht auf. Wollten sie so lange weitermachen, bis einer von ihnen starb? Erst jetzt fiel mir auf, dass die Gegend, in der ich mich gerade befand nicht aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert sein konnte. Wo war ich? Wer waren die Personen vor mir? Was war mit meinem Haar passiert? Und wieso um alles in der Welt trug ich so ein hässliches, zerrissenes Kleid? Einer der beiden Kämpfenden schrie schmerzhaft auf. Der andere stürmte auf ihn zu. Plötzlich erschien eine Mauer aus Wasser vor dem, der geschrien hatte. Ein starker Wind kam auf und blies die Mauer zur Seite, woraufhin der Andere mit einem Schwert ausholte. Der junge Mann, der geschrien hatte, konnte dem Schwertangriff gerade noch so ausweichen, indem er in meine Richtung sprang. Jetzt stand er einen Meter neben mir. Ich sah ihn an. Er hatte blaugrünes, kurzes Haar und Augen in derselben Farbe. Außerdem trug er auch solche altmodische Kleidung, wie ich es tat. Plötzlich spürte ich, wie mein Herz um ein vielfaches schneller schlug, als normal. Warum? Der Junge sah mich an. In seinen Augen konnte ich Hass sehen, unendlichen Hass, aber auch eine große Enttäuschung. Irgendetwas sagte mir, dass diese Gefühle nicht auf den anderen Jungen gerichtet waren, sondern auf mich. Wieso? Was hatte ich getan? Der andere Junge kam extrem schnell auf mich zugestürmt. Fassungslos starrte ich ihn an, bewegte mich aber keinen Millimeter von der Stelle. Stattdessen schloss ich krampfhaft die Augen. Ich wollte hier weg, jetzt, sofort. Das war nicht die Welt, in die ich gehörte! Eine warme Flüssigkeit spritzte mir ins Gesicht. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Der fremde Junge mit den blaugrünen Haaren stand vor mir und hatte den Angriff mit seinem Körper abgefangen. Das Schwert steckte in seinem Oberkörper. „Warum?“ Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht heraus. Der Junge drehte sich zu mir um und lächelte. Der Hass und die Enttäuschung waren aus seinen Augen verschwunden. „Würde dir etwas zustoßen, könnte ich mir das nie verzeihen. “Mit diesen Worten kippte er nach hinten. „NEIN!“ Kapitel 1: Ein ganz normaler Tag -------------------------------- Ich schreckte auf. Zu meiner Überraschung befand ich mich in meinem Zimmer. Alles war nur ein Traum gewesen, zum Glück. Aber wer war der Junge gewesen, der mich am Ende beschützt hatte? Reflexartig griff ich nach meinen Haaren. Gott sei Dank, sie waren noch lang. Schon wieder hatte ich diesen seltsamen Traum gehabt, in dem zwei mir unbekannte Personen gegeneinander kämpften und ich keinen von beiden verlieren wollte. Was hatte ich da nur wieder für einen Mist zusammengesponnen... Es war Montagmorgen 6:32 Uhr. Mein Wecker klingelte gerade zum fünften Mal. Wenn ich jetzt nicht aufstünde, würde ich meinen Bus verpassen, welcher in genau 19 Minuten fuhr und zu spät zur Schule kommen. Doch das interessierte mich gerade herzlich wenig. Draußen lag Schnee, einen halben Meter hoch. Warum musste es in den Ferien auch immer so viel schneien? Zwar waren die Einfahrt und die Straßen schon wieder einigermaßen von dem Schnee befreit, aber ich mochte das trotzdem nicht. Ich zog mir die Bettdecke über den Kopf. Was konnte ich denn schon dafür, dass es so kuschelig warm im Bett war? Nach den Ferien war das immer am schlimmsten. Warum mussten die Ferien nur immer so kurz sein? Wären die Winterferien eine Woche länger gewesen, könnte ich noch eine Woche ausschlafen. Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen: Mein Name ist Seira Ren Yamamoto. Da ich Seira nicht mag, nennen mich alle bei meinem zweiten Vornamen, mit Ausnahme einiger einzelner Personen, wie meine Großeltern oder einige Lehrer an der Schule. Ich bin 16 Jahre alt, weiblich und gehe in die 10. Klasse einer staatlichen Schule. Außerdem bin ich ein totaler Tollpatsch. Alles, was ich anfasse, geht kaputt. Hobbys habe ich keine. Zwar lese ich gerne, spiele unglaublich gerne Tischtennis, höre gern Musik und chatte den ganzen Nachmittag mit Freunden, aber als Hobbys würde ich das nicht bezeichnen. Ich bin ganz durchschnittlich. Meine Augenfarbe ist eine Mischung aus blau und grün und meine Haarfarbe ist dunkelbraun. Mein Blick fiel auf den Wecker. Es war 6:37 Uhr. Wenn ich nicht sofort aufstehen würde, käme ich wirklich noch zu spät. Schnell sprang ich auf, zog mir mein Nachthemd über den Kopf, sprang in Höchstgeschwindigkeit in meine Jeans, zog meine blauen Lieblingskniestrümpfe und meine Winterstiefel an und schlüpfte in den erstbesten Pullover. Zu meinem Leidwesen war er rosa. Ich hasste Rosa, doch leider hatte ich keine Zeit mehr, mich noch einmal umzuziehen. Ich kämmte schnell meine Haare. Sie reichten mir bis über die Hüfte. Dann packte ich meinen Ranzen. Wie immer hatte ich gestern dazu keine Lust gehabt. Genau 6:46 Uhr stürmte ich die Treppe zur Küche hinunter. Meine kleine Schwester, Saya Aoi, verließ gerade das Haus. Im Gegensatz zu mir bevorzugte sie ihren ersten Vornamen. Auf Aoi reagierte sie gewöhnlich nicht oder warf den nächstbesten Gegenstand, manchmal auch zwei oder drei, vielleicht auch ein paar mehr, nach der Person, die sie so nannte. Sie hatte dunkelbraunes Haar, was ihr bis über den Hintern reichte, keinen Pony, leuchtend blaue Augen und war 15 Jahre alt. Im Gegensatz zu mir war Saya früh immer pünktlich. Aber sie war auch um einiges verrückter als ich. Sie verließ das Haus nie, ohne mindestens ein Messer mit sich herumzuschleppen. Ihr Bus kam genau zwei Minuten früher. Sie musste in die entgegengesetzte Richtung fahren wie ich, da sie auf eine andere Schule ging. Das hatten unsere Eltern so entschieden, damit wir keinen Blödsinn anstellen konnten. Leider war das nicht so ganz aufgegangen, denn das konnten wir auch allein gut genug. Saya hatte das Chemielabor schon mindestens zwanzig mal in die Luft gejagt und oft genug die Schulküche unter Wasser gesetzt, beziehungsweise Kochtöpfe in die Luft gejagt. Ich war da nicht so schlimm. Für gewöhnlich fiel ich in der Schule nicht auf. Auch erinnerte ich die anderen meist an einen Streber. Nur, wer mich ziemlich gut kannte, wusste, dass das überhaupt nicht zutraf. Ich hatte nur ziemlich gute Zensuren, nicht mehr und auch nicht weniger. In absoluter Höchstgeschwindigkeit stürmte ich in den Keller und holte mir eine Flasche Mineralwasser. Diese stopfte ich schnell in den Ranzen. Dann flitzte ich zum Kühlschrank, holte eine Packung Salami heraus und knallte je eine Scheibe auf mein Pausenbrot. Dann rannte ich wieder zum Kühlschrank und stopfte die Packung Wurst wieder hinein. Ich stürmte zurück zu meinem Pausenbrot, zog mit dem Fuß den Kasten unter dem Backofen auf, wo sich die Silberfolie befand, die ich zum Verpacken des Brotes brauchte, griff mir die silbern glänzende Rolle, riss ein Stück ab und knüllte dieses irgendwie um meine belegten Brote. Jetzt stopfte ich diese zu der Flasche Mineralwasser, bevor ich in den Vorsaal rannte, mir meinen weißen Mantel überzog und gleichzeitig eine Mütze auf den Kopf setzte. Ich zog schnell den Busausweis aus dem vordersten Fach meines Ranzens, warf mir diesen über die Schulter und stürmte mit einem: „Tschüss, ich muss los!“ genau 6:50 Uhr aus dem Haus. Meine Eltern sahen mir kopfschüttelnd hinterher. Inzwischen hatten sie sich angewöhnt, mir früh einfach aus dem Weg zu gehen, wenn ich mal wieder in Eile war, also jeden Morgen. In weniger als einer Minute würde der Bus kommen. Ich beeilte mich, um nicht den Bus zu verpassen. Gerade hatte ich das Haus verlassen, als dieser auch schon um die Ecke gefahren kam. Jetzt musste ich mich wirklich beeilen. Schnell rannte ich los. In zehn Sekunden würde der Bus die Haltestelle erreichen. Fast hätte ich meinen Kater über den Haufen gerannt, aber nur fast. Gleichzeitig mit dem Bus erreichte ich die Haltestelle. Völlig erschöpft hielt ich dem Busfahrer meinen Busausweis unter die Nase und stieg ein. Einer meiner Klassenkameraden lachte, als ich an ihm vorbei lief. Sein Name war Isamu Kawaguchi. Er hatte kurzes schwarzes Haar, immer einen frechen Gesichtsausdruck und blaubraune Augen. In der Schule saß er vor mir. Das war sehr praktisch, denn im Gegensatz zu mir hatte er eine Eins in Physik. So konnte ich ab und zu ein paar Fragen stellen. Und das machte ich auch, nämlich immer genau drei Minuten vor der nächsten Klassenarbeit. „Na Ren, heute war es aber ziemlich knapp.“ Er grinste mich frech an. Ich grinste zurück. „Ach was! Das war doch das perfekte Timing! Was du nur wieder hast!“ Der Bus fuhr los. Dadurch verlor ich mein Gleichgewicht. Wild ruderte ich mit den Armen in der Luft. Vergebens! Keine drei Sekunden lag ich der Länge nach auf dem Boden. Isamu lachte noch lauter. Nicht nur er lachte, sondern fast alle im Bus. Ich zog eine beleidigte Schnute und setzte mich neben meine beste Freundin. Wir waren schon seit fünf Jahren beste Freunde und so gut wie unzertrennlich. Sie hatte rotblondes Haar, welches kurz über der Schulter endete, einen schräg geschnittenen Pony, viele Sommersprossen im Gesicht und grau-blaue Augen. Ihr Name war Yayoi Nakamura und ihre Lieblingsfarbe war rosa. Fast immer trug sie rosa Klamotten. „Morgen!“, nuschelte ich, als sie mich ansah, dann wendete ich meinen Blick dem Fenster zu. Draußen war es noch dunkel, aber ein kleinwenig konnte man trotzdem erkennen. Der Bus hielt an der nächsten Haltestelle. Einige Mitschüler stiegen zu und setzten sich auf noch freie Plätze. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder meiner besten Freundin zu. „Hatten wir Hausaufgaben auf?“ Sie nickte. „Darf ich die abschreiben?“ Wieder nickte Yayoi. Jetzt galt meine Aufmerksamkeit wieder der Welt außerhalb des Busses. Die Landschaft zog an mir vorbei, ohne das ich sie richtig wahrnahm. Gerade waren die letzten Leute zugestiegen und der Bus hatte den Ort verlassen. Jetzt konnte man die Felder der im Dorf lebenden Bauern sehen. Na ja, viel sah man von ihnen nicht, denn sie waren mit einer einen halben Meter dicken Schicht Schnee bedeckt, aber im Sommer konnte man sie sehen. Wir fuhren weiter. Die Bäume am Straßenrand konnte man in der Dunkelheit gar nicht richtig ausmachen. Nach etwa fünfzehn Minuten hatten wir den Ort, wo wir alle zur Schule gingen erreicht. Der Bus fuhr langsam auf den Marktplatz zu. Dort mussten wir aussteigen, aber kein Grund zur Hektik. Ausnahmslos alle, die in diesem Bus saßen, stiegen an dieser Haltestelle aus. Man musste also nur der Masse hinterherlaufen. Das tat ich auch. Als der Bus fast leer war, wurde das Gedränge weniger. Jetzt stand ich auf und verließ das Fahrzeug. Zielstrebig überquerte ich den Markt und lief in Richtung Schulgebäude. Normalerweise wartete ich auf dem Markt zusammen mit Yayoi auf meine anderen Freunde, aber an diesem Tag war es zu kalt draußen, weshalb ich beschloss, im Schulgebäude auf die anderen zu warten. So konnte ich noch einmal in den Hefter schauen und für die Mathearbeit, die wir in der vierten Stunde schrieben, lernen. Kaum hatte ich mich auf meinen Sitzplatz gesetzt, schlug ich auch schon den Mathehefter auf, las mir kurz die erste Überschrift durch und seufzte genervt auf. Ich hatte absolut keine Lust zu lernen. Also klappte ich den Hefter entschlossen wieder zu und kramte ein Manga aus dem Ranzen hervor. Ich begann, dieses zu lesen. Nach und nach füllte sich der Raum. Es wurde immer lauter, weshalb ich mich immer schlechter auf das Manga konzentrieren konnte. Genervt schlug ich besagten Gegenstand zu und packte ihn in den Ranzen. Wenige Augenblicke später klingelte es. Die Erste Stunde begann. Wir hatten jetzt Deutsch. Ich fand Deutsch langweilig. Nicht etwa, dass ich dieses Fach nicht mochte, aber ich konnte absolut nichts mit Romeo und Julia, Faust oder dem Vorleser anfangen. Warum mussten wir auch solche langweiligen Bücher lesen? Vielleicht lag meine Abneigung gegen dieses Fach aber auch einfach nur an einer viel zu dürren, blondhaarigen Frau, deren Haar bis zur Hüfte reichte, die absolut keine Ahnung von Mode hatte und sich unsere Lehrerin schimpfte. Meist, auch heute, trotz der niedrigen Temperaturen, trug sie einen viel zu kurzen Minirock, ein farblich absolut nicht dazu passendes Oberteil und eine kitschige, nicht zu übersehende Kette. Ihr Haar hatte sie wie üblich zu einem Haarknoten gebunden. Sie ähnelte also mehr einem magersüchtigen Clown als einem Lehrer. Wie sie das Studium geschafft hatte, war mir ein Rätsel. Nach etwa drei Sekunden Unterricht wanderte mein Blick zu meiner Banknachbarin und besten Freundin Yayoi. „Wie lange dauert es noch, bis es endlich klingelt?“ Sie grinste. „Etwa 44 Minuten und 57 Sekunden.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Und jetzt?“ „Noch etwa 44 Minuten und 50 Sekunden.“ „Menno!“ Einige Sekunden verstrichen. „Darf ich jetzt abschreiben?” Yayoi nickte und gab mir ihren Biologiehefter. Also hatten wir nur in Biologie Hausaufgaben auf. Etwa zehn Minuten vor dem Klingelzeichen hatte ich das letzte Wort abgeschrieben. Vom Deutschunterricht hatte ich, wie immer, nicht viel mitbekommen, aber das war mir auch egal. Ich sah mich in der Klasse um. Isamu schaute in der Weltgeschichte umher. Sein Banknachbar Naoki Takahashi schlief seelenruhig im Sitzen. Er hatte einen ähnlichen Charakter wie Isamu, dunkelbraunes, lockiges Haar und braune Augen. Die meiste Zeit des Unterrichtes verbrachte er mit schlafen. Man hörte ihn gleichmäßig atmen. Ob seine Augen geöffnet waren, konnte ich nicht sagen, ich saß hinter ihm. Erst jetzt fiel mir auf, dass unsere Deutschlehrerin ihn wütend anschaute. Sie ging auf die Tafel zu und griff nach einem Stück Kreide, welches sie kurze Zeit später auf Naoki warf. Kurz vor seinem Gesicht fing er besagtes Stück Kreide zwischen zwei Fingern auf. Naoki hatte gute Reflexe. Jetzt schaute er schlaftrunken durch die Gegend. Gleich würde er weiterschlafen. Ihm fielen schon wieder die Augen zu. Die Deutschlehrerin wurde noch wütender. Sie griff nach ihrer Handtasche und schleuderte diese auf den so eben wieder eingeschlafenen Schüler. Naoki bekam den mit Krempel gefüllten Stofffetzen gegen den Kopf, fiel geräuschvoll mit dem Stuhl um und landete auf dem Boden. Etwas verwirrt rieb er sich den Kopf. Dann stand er wortlos auf, legte die Handtasche wieder auf den Tisch der Lehrerin und verließ den Raum. Etwa zwei Minuten später klingelte es. Jetzt galt es erst einmal die Pause zu genießen. Die Klasse trennte sich. Einige hatten jetzt zwei Stunden Kunst und andere genauso lange Musik. Diejenigen, die Kunst hatten, verließen das Zimmer. Yayoi, ich und einige andere blieben im Zimmer. Nur wenige hatten sich für Musik entschieden. Isamu stand auf, um das Zimmer zu verlassen. Er hatte jetzt auch Kunst. Die Bank vor mir wurde leer. Etwas später setzten sich drei Schüler aus meiner Klasse, die in Musik gingen auf die soeben frei gewordenen Plätze. Ganz links saß Daisuke Yamaha. Vor etwa einem Jahr war er hierher umgezogen. Er hatte etwas längeres schwarzes Haar und war oft ziemlich schwer von Begriff. Seine Zensuren waren mittelmäßig bis schlecht, außer in Sport. Genau wie ich, erledigte er nie seine Hausaufgaben, doch ich war so clever und schrieb diese ab, bevor man mich erwischte. So ziemlich jeden Nachmittag verbrachte er in der Schule mit dem Nachholen der nicht erledigten Hausaufgaben. Danach traf er sich mit anderen Idioten an der Bushaltestelle. Ich packte mein in Eile zubereitetes Pausenbrot aus und biss hinein. Zwar knurrte mein Magen, aber ich wollte absolut nichts essen. Früh bekam ich einfach keinen Bissen hinunter. Nachdem ich einmal abgebissen hatte, packte ich den Rest wieder ein und widmete mich wieder meinem Manga. Auch als es zum Unterricht klingelte, packte ich es nicht weg. Von der ersten Hälfte des Musikunterrichtes bekam ich genau so viel mit, wie vom Deutschunterricht, nämlich gar nichts. Im zweiten Teil gab es einen mündlichen Test. Daisuke musste an die Tafel. Die Musiklehrerin stellte ihm einige Fragen über Beethoven. „Welches sind die wichtigsten Werke, Beethovens?“ Er warf einen flehenden Blick in die Klasse, hoffend, jemand würde ihm helfen. Doch die Klasse hatte ebenfalls keine Ahnung. Die Musiklehrerin stellte die nächste Frage. „In welcher Epoche lebte er?“ „In der Romantik?“ Daisuke verzweifelte immer mehr. Bis jetzt hatte er noch keine Frage richtig beantwortet. „In der Wiener Klassik.“, meinte die Musiklehrerin, „Setz dich wieder hin!“ Der Unterricht ging weiter. Viel bekam ich nicht mit. Ich war die ganze Zeit so tief in Gedanken versunken, dass ich nicht einmal das Klingeln am Ende der Stunde hörte. Yayoi hatte eine ganze Minute gebraucht, um mich in die Realität zurückzuholen. Schnell wechselten wir das Zimmer. Jetzt hatten wir Mathe. Da würde ich nicht vor mich hinträumen können. Ich hatte mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Seufzend warf ich meinen Ranzen neben meinen Sitzplatz. Kaum hatte ich mein Pausenbrot und die Flasche Mineralwasser ausgepackt, merkte ich, dass Yayoi sich wieder mit Azarni unterhielt. Azarni Sano war eine Zicke. Sie versuchte mit aller Macht sämtliche Freundschaften zu zerstören, indem sie Lügen verbreitete, welche die Freunde dazu brachte, sich zu streiten. Sie hatte blondes, kurzes Haar und saß in fast allen Fächern neben Yayoi. Meiner Meinung nach schminkte sie sich viel zu viel. Ich ignorierte die beiden und ging zu Isamu und Naoki. Sie gehörten auch zu meinen Freunden. „Hey!“, grüßte ich, als ich mich zu ihnen stellte. „Und, habt ihr für Mathe gelernt?“ „Ein bisschen.“, antwortete Isamu. Naoki ignorierte mich entweder völlig oder schlief schon wieder im stehen. „Du?“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Ich hab es nicht einmal geschafft, die erste Überschrift zu Ende zu lesen.“ Isamu lachte. „Und das von dem Klassenstreber...“ „Wen nennst du hier einen Streber?“ Obwohl wir erst seit kurzer Zeit befreundet waren, kam ich gut mit den beiden aus, meistens sogar noch besser, wie mit Yayoi. Während des Gespräches mit den beiden, oder eher nur mit Isamu, Naoki schlief tatsächlich im Stehen, war ich gedanklich ganz wo anderes. Irgendwie wollte mein Geist heute einfach nicht in der Realität bleiben. Das Klingeln riss mich wieder zurück in die Wirklichkeit. Ich setzte mich auf meinen Platz, ohne Yayoi zu beachten, wie immer, wenn sie mit Azarni geredet hatte. Ich konnte Azarni halt einfach nicht ausstehen. Meistens brachte sie Yayoi dazu, sich mit anderen zu streiten und da ich momentan absolut keine Lust auf Streit hatte, ignorierte ich sie eben einfach. Der Unterricht begann und der Mathelehrer teilte die Arbeiten aus. Dieses Mal benötigten wir keinen Extrazettel. Ich warf einen kurzen Blick auf die Arbeit. Sie bestand aus drei Zetteln sah leicht aus, also konnte ich mir Zeit lassen. Es ging um Winkelberechnungen in Dreiecken und Vierecken. Das konnte ich selbst im Schlaf. Ich warf einen Blick in die Klasse. Einige starrten verzweifelt auf die Zettel. Dann wanderte mein Blick aus dem Fenster. Ich beobachtete, wie die Wolken am Fenster vorbeiflogen. Nur zu gern würde ich jetzt mit ihnen tauschen. Die Mathearbeit rückte immer mehr in den Hintergrund. Was danach geschah, weiß ich nicht mehr so genau. Auf einmal sah ich einen alten, halb verfallenen Bauernhof vor mir. Die Scheune stand kurz vor dem Zusammenbruch. Ich kannte diesen Ort. Seit meinem ersten Schultag, das war vor fast zehn Jahren, war ich nicht mehr dort gewesen, um mit den Katzen eines alten Ehepaares zu spielen. Ein alter Mann kam aus der Scheune. Ich ging neugierig auf ihn zu. Irgendwie kam mir das alles so bekannt vor. Ich kannte das, wusste, was als nächstes passieren würde, aber woher? Jetzt sah ich mich um. Einige Katzen kamen auf mich zugerannt. Ich suchte nach einer bestimmten Katze, meinem Lieblingskater, konnte ihn aber nicht finden. Der alte Bauer schien meinen Blick bemerkt zu haben. „Tora brauchst du nicht zu suchen, der ist seit letztem Monat verschwunden und wird auch nicht wiederkommen.“ Es dauerte eine Weile, bis ich begriffen hatte, was er meinte. Der Bauer ging wieder in die Scheune. Etwa eine Dreiviertelstunde irrte ich planlos auf dem Bauernhof umher, streichelte ab und zu eine Katze, die auf mich zukam und setzte mich mal hier hin und mal da hin. Irgendwie war ich auf einmal nur noch eine leere Hülle. Ich fühlte mich nicht traurig, sondern einfach nur leer, als ob ein Teil von mir fehlen würde, ein großer. Damals konnte ich nicht glauben, was ein paar Worte alles auslösen konnten. Momentan saß ich auf dem Fußboden und lehnte mich an einen Heuballen. Es war mir egal, ob ich danach Heu in den Haaren und an der Kleidung hängen hatte. Ich zog mein Armband vom Arm und spielte etwas damit. Nach einer Weile steckte ich es wieder an meinen Arm. Dann kamen meine kleine Schwester Saya und ihre beste Freundin und unsere gleichzeitige Nachbarin Ayaka Morita. Ayaka war genauso alt wie und die beste Freundin meiner Schwester. Sie hatte langes blondes Haar, welches ihr bis zum Hintern reichte, keinen Pony und leuchtend blaue Augen. Fast immer band sie ihr Haar zu zwei Zöpfen. Wir kannten uns schon seit dem Kindergarten. Es war schließlich schwer, sich zu übersehen, wenn man direkt nebeneinander wohnte. Die beiden kamen auf mich zu und setzten sich zu mir. Nach einer Weile sah sich Ayaka suchend um. „Wo ist eigentlich Tora?“ Bei diesen Worten zuckte ich zusammen. „Er ist verschwunden und wird nicht wiederkommen.“ Meine Stimme klang seltsam fern, fast so, als ob sie kilometerweit entfernt wäre. Warum? Er war ja nur weggelaufen und nicht tot. Das hieß, ich könnte ihn vielleicht wiedersehen. Oder doch nicht? „Oh...“ Mehr brachte Ayaka nicht heraus. Plötzlich hörte ich eine Stimme. „Seira Ren Yamamoto?“ Ich erschrak und zuckte zusammen. Auf einmal befand ich mich wieder im Klassenzimmer. Der Mathelehrer sammelte gerade die Arbeiten ein. Er stand direkt vor mir und wollte meine haben. Ich warf einen Blick auf die besagte Arbeit. Alles leer! Nicht einmal der Name stand darauf. Das schien jetzt auch der Lehrer bemerkt zu haben. Fragend sah er mich an. „Ups...“, nuschelte ich, „Ich hab glatt vergessen, die Arbeit auszufüllen.“ Naoki und Isamu drehten sich als Erstes um. Zuerst warfen die beiden einen eher neutralen Blick auf die Arbeit. Doch schon nach einigen Sekunden hatten sie Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. Inzwischen hatten auch andere aus der Klasse den Blick zu mir gewendet. Alle fingen an, zu tuscheln. Yayoi nahm meine leere Arbeit und sah sich jeden Zettel genau an. „Da steht ja echt nichts drauf. Du hast nicht einmal den Namen drauf geschrieben.“ Ich warf ihr einen grimmigen Blick zu. Sie hatte das sicher schon vorher gewusst. Immerhin schrieb sie fast immer von mir ab. Jetzt gab sie die Arbeit dem Lehrer. Auch dieser blätterte die besagten Zettel durch, bevor er mich kopfschüttelnd ansah. Da hatte ich ja wieder etwas Großartiges geleistet. Das würden mir die anderen in zehn Jahren noch vorhalten. „Ren, du bleibst heute nach der sechsten Stunde hier und schreibst die Arbeit nach.“ Mit diesen Worten drehte sich der Lehrer um und sammelte die restlichen Exemplare ein. Ich ließ einen Blick durch die Klasse schweifen. Immer noch starrten mich alle an. Mir war das ganze peinlich. Am liebsten wäre ich sofort im Boden versunken. Hatte hier denn keiner eine Schaufel? Das Loch, in dem ich verschwinden wollte, könnte ich mir im Notfall auch noch selber buddeln! Endlich klingelte es. Nach zwei versäumten Stunden Mathe hatte ich jetzt nur noch Biologie zu überstehen, dann musste ich nur noch schnell die Arbeit nachschreiben und konnte nach Hause. Die Klasse wechselte das Zimmer. Im Biologiezimmer angekommen knallte ich meinen Ranzen wütend auf den Boden neben meinen Sitzplatz. So etwas war mir noch nie passiert! Zwar hatte ich schon einmal fast vergessen, die Biologiearbeit auszufüllen, aber da hatte ich es irgendwie wieder in die Realität geschafft, bevor es zu spät war. Ich konnte es einfach nicht fassen. Kapitel 2: Streit ----------------- Vom allem genervt setzte ich mich auf meinen Platz. Yayoi setzte sich neben mich und sah mich beleidigt an. „Das war ja wieder eine schöne Aktion!“ Zuerst verwundert, dann aufgebracht starrte ich sie an. „Das kann dir doch egal sein.“ Auch Azarni beteiligte sich an dem Gespräch. „Sag mal, hast du eigentlich eine Ahnung? Wegen dir hat Yayoi jetzt eine schlechte Note, weil sie nicht abschreiben konnte!“ Jetzt wurde ich richtig wütend. „Ach so, darum geht es euch. Sagt das doch gleich.“ Ich stand auf und knallte meinen Ranzen auf die freie Bank vor meinem eigentlichen Sitzplatz in Biologie, zwischen Yayoi und Isamu. Der Biologielehrer hatte gerade eben den Raum betreten. Mit schnellen Schritten ging ich auf ihn zu. „Entschuldigung! Darf ich mich umsetzen? Yayoi schreibt die ganze Zeit von mir ab und ich hab keine Lust mehr, ständig meine Lösungen abzudecken.“ Das hatte gerade eben die ganze Klasse gehört. Einige beobachteten das Schauspiel verwundert. Zuerst zeigte der Biologielehrer keine Reaktion, doch dann nickte er. Ich durfte mich also versetzen, wenigstens in Biologie. Ich ging zu meinem Platz zurück. Vor Yayoi und Azarni blieb ich stehen. „So, damit dürfte das geklärt sein. Sucht euch doch jemand anderen, von dem ihr abschreibt!“ Das schien gesessen zu haben. Beleidigt sahen sie mir hinterher, als ich mich auf meinen neuen Sitzplatz setzte. So wütend war ich schon lange nicht mehr gewesen. Auch als die Pause zu Ende war, ließ meine Wut nicht nach. Ich kramte einen Schmierzettel aus meinem Ranzen und begann, die verschiedensten Mordpläne gegen die beiden aufzuzeichnen. In Biologie behandelten wir gerade die Mendelschen Gesetze, da konnte ich ruhig einiges verpassen. Immerhin konnte ich das ja schon. Gerade schrieben alle, außer mir, eine Übung zur Kreuzung von einem schwarz gefleckten und einem weißen Kaninchen. Hätte Isamu mich nicht daran erinnert, dass ich auch mitschreiben musste, hätte ich, als der Biologielehrer die Übung am Ende der Stunde einsammelte wieder einen leeren Zettel abgegeben. Er war um einiges zuverlässiger als Yayoi. Es klingelte. Alle, außer ich, hatten jetzt Schulaus. Schnell verabschiedete ich mich von den anderen und machte mich auf den Weg zum Lehrerzimmer. Zum Glück wartete der Mathelehrer schon auf mich. So musste ich nicht das ganze Schulhaus nach ihm absuchen. Ich ging direkt auf ihn zu. Er dirigierte mich in ein leer gewordenes Zimmer und gab mir zum zweiten mal an diesem Tag die Arbeit. Zum zweiten mal an diesem Tag las ich sie mir durch, bevor ich einen Stift nahm und Aufgabe für Aufgabe löste. Nachdem ich sie diesmal vollständig ausgefüllt hatte, durfte ich gehen. Den letzten Bus hatte ich um eine Viertelstunde verpasst, also musste ich laufen. Wie der Zufall es so wollte, zog der Schneesturm, genau wo ich Schulaus hatte, über die drei Ortschaften. Ich zog mir meine Mütze tiefer ins Gesicht und die Kapuze auf den Kopf. Fünf Minuten war ich schon gelaufen, jetzt musste ich nur noch eine Stunde und fünfundfünfzig Minuten laufen, dann war ich zuhause. Ich legte mir schon einmal eine Ausrede bereit, für den Fall, dass meine Eltern bemerken würden, dass ich später kam. Es fiel mir nichts anderes ein, als das ich mit zu einer Freundin gegangen war und von dort aus nach Hause gelaufen war. Das würde auch erklären, warum ich voller Schnee war. Nachdem ich etwa dreißig Minuten gelaufen war, begann es zu dämmern. Weit und breit war nichts als Schnee zu sehen und der Schneesturm grenzte meine Sicht auch noch ein. Wäre der Weg nicht Idiotensicher gewesen, hätte ich mich sicher verlaufen. Ich dachte nach. Nachdem der Bauer mir das gesagt hatte, gab ich nicht auf. Monatelang hatte ich überall nach Tora gesucht, vergebens Nirgends war er zu finden gewesen. Nach fast einem Jahr hatte ich dann aufgegeben, in dem Glauben er sei schon längst tot. Endlich hatte ich meinen Heimatort erreicht. Inzwischen war es schon dunkel geworden. Halb erfroren machte ich mich auf den Weg, den restlichen Kilometer bis zum Haus zu laufen. Meine Füße spürte ich schon seit einer Dreiviertelstunde nicht mehr. Ich lief absichtlich auf Nebenstraßen, um niemandem zu begegnen. Jetzt hatte ich nur noch 500 Meter vor mir. Plötzlich gab es direkt neben mir eine laute Explosion. Ich zuckte zusammen und sah in die Richtung, aus der die Explosion gekommen war. Gerade noch rechtzeitig konnte ich einem, auf mich zufliegenden, Stück Gartenzaun ausweichen. Irritiert besah ich das besagte Stück. Dann sah ich mich genauer um. Nichts war zu sehen. Hier musste aber irgendwo etwas sein. Gartenzäune flogen nicht allein durch die Gegend. Vielleicht hätte ich schnell von hier verschwinden sollen, doch aus irgendeinem Grund blieb ich einfach stehen. Nach einer Weile kam noch etwas auf mich zugeflogen. Diesmal war es etwas anderes. Etwa zwanzig Meter von mir entfernt kam es mit einem lauten Knall auf dem Boden auf. Gerade wollte ich einige Schritte auf das Etwas zugehen, um es genauer ansehen zu können, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte und eine bekannte Stimme hörte. „Geh nicht näher heran, sonst bringt es dich um.“ Erschrocken zuckte ich zusammen und fuhr herum. Vor mir stand Kaito Nishitsuka. Vor etwa zwei Jahren waren wir relativ gut befreundet gewesen, doch dann hatten wir uns gestritten und aus den Augen verloren. Er hatte braunes kurzes Haar, braune Augen und gab bei jeder nächstbesten Gelegenheit irgendwelche dummen Kommentare von sich, ganz egal, ob er andere damit verletzte. Auch, wenn ich es ungern zugab, früher war ich einmal in diesen Idioten verliebt gewesen. Zum Glück hatte das nie einer erfahren. Doch irgendwie sah er anders aus. Sein Gesicht war seltsam ernst und seine Klamotten wiesen unzählige Risse und Löcher auf. An einigen Stellen fehlten ganze Teile. Erst jetzt fiel mir auf, dass er verletzt war. Was war hier nur passiert? Das Etwas, welches vorhin geflogen kam, kam auf einmal mit großer Geschwindigkeit auf uns zu. Etwa zwei Meter von uns entfernt blieb es stehen. Als ich es ansah, stockte mir der Atem. Da stand ein etwa zwei Meter große Monsterkatze. „S- seit wann werden Katzen denn so groß?“ Ich konnte nur noch stottern. Sie hatte rötliches Fell und sah einer Katze mehr als nur ähnlich, nur dass Katzen nicht so furchterregend und so um die zwei Meter kleiner waren. Ich richtete meinen Blick auf meine Füße. Plötzlich sah ich verschwommen Bilder vor mir. Es waren die gleichen, wie während der Mathearbeit. Nur ging es dieses mal viel schneller. Als ich wieder nach vorn schaute, bemerkte ich, dass Kaito jetzt vor mir stand. „Geh zurück!“ Ich tat, was er sagte, sah mir aber das Monster die ganze Zeit über genau an. Irgendwoher kam es mir bekannt vor, doch das war eigentlich nicht möglich. Hätte ich es schon einmal gesehen, würde ich mich sicher daran erinnern. Dann ging alles viel zu schnell. Die Riesenkatze sprang auf Kaito zu, dieser schleuderte sie zurück, ohne sie berührt zu haben oder sich überhaupt bewegt zu haben. Doch das schien sie nicht zu stören. Sie sprang direkt auf uns zu. Auch Kaito ging zum Angriff über. Beide bewegten sich in unmenschlicher Geschwindigkeit. Mein Gehirn schien abgeschaltet zu haben, denn plötzlich verschwand meine ganze Angst. Die Riesenkatze schleuderte Kaito zurück. Er stieß sich mit den Füßen an einer Hausmauer ab und sprang wieder auf die Katze zu. Als ich mir die besagte Mauer genauer ansah, entdeckte ich dort seine Fußabdrücke. Er wurde wieder zurückgeschleudert, direkt durch einen Baum hindurch, der jetzt umfiel, kam auf dem Boden auf und blieb liegen. Ich warf meinen Ranzen auf den Boden und rannte auf ihn zu. Bei ihm angekommen, kniete ich mich neben ihn. Er versuchte, sich wieder aufzurichten, schaffte es aber nicht. Die Riesenkatze stürmte auf uns zu, hielt aber an, als sie noch knapp zwei Meter entfernt war. Ich war irritiert. Warum griff sie nicht an? Jetzt hatte sie die Chance. Verwundert betrachtete ich das große Raubtier. Diese Musterung im Gesicht. Ich kannte sie, das wusste ich. Kaito richtete sich wieder auf. Das brachte mich dazu, auch wieder aufzustehen. Er schwankte beachtlich. Auf keine Fall konnte er noch länger gegen diese Monsterkatze kämpfen. Was ich als nächstes tat, war verrückt und lebensmüde zugleich. Ohne groß nachzudenken, ging ich auf die Riesenkatze zu. Egal, wie groß sie waren, Katzen blieben immer noch Katzen! Sie ging in Angriffsstellung, griff aber nicht an. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich redete beruhigend auf das Raubtier ein. „Ruhig...“ Es schien tatsächlich zu wirken. Die Katze beruhigte sich etwas und kam auf mich zugelaufen. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Tora!“ Das hier war mein Kater, Tora! Langsam kam das große Raubtier auf mich zugelaufen. Direkt vor mir blieb es stehen. Vorsichtig streckte ich meine rechte Hand aus und berührte es an der linken Schulter. Die Katze fing an, zu schnurren. Jetzt wusste ich, der Kampf war vorbei. Ich hatte gewonnen. In diesem Augenblick spürte ich plötzlich einen Gegenstand in meiner linken Hand. Es fühlte sich an, wie ein Stein. Ich öffnete die bis eben geschlossene Hand und sah mir den Stein genauer an. Er war grün und hing an einem Band. „Das- das ist doch...“ Kaitos Stimme klang etwas zu aufgebracht für meinen Geschmack. Langsam, um Tora nicht zu erschrecken drehte ich mich zu Kaito. Dieser war kreidebleich und starrte mich geschockt an. „Wie- Wie hast du das gemacht?“ Er zeigte zuerst auf Tora, dann auf den Stein. „Ich weiß nicht...“ Eine Weile schwiegen wir uns an. „Und was machen wir jetzt mit ihr?“ Gespielt beleidigt sah ich Kaito an. „Erstens: Tora ist ein Kater! Zweitens: Wieso wir? Drittens: Ich werd ihn einfach mit nach Hause nehmen!“ „Erstens: Dann ist es eben ein Kater, ist mir egal. Zweitens: Dann mach eben alles allein. Drittens: Kommt gar nicht infrage!“ Langsam schien er sich wieder etwas beruhigt zu haben. „Da erstens und zweitens geklärt ist, mache ich mit drittens weiter. Warum nicht? Er ist total harmlos.“ „Ach ja? Und wie willst du so ein großes Raubtier die ganze Zeit verstecken?“ Jetzt wurde ich langsam wütend auf ihn. „Das klappt schon irgendwie!“ Kaito seufzte. „Selbst, wenn du ihn verstecken kannst, was gibst du ihm zu Fressen?“ Das warf mich etwas aus der Bahn. Eine Weile musste ich überlegen. „Katzenfutter, was denn sonst?“ So eine dämliche Antwort konnte natürlich nur von mir kommen. Trotz, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich mich um so ein großes Raubtier kümmern sollte, sah ich Kaito trotzig an. Irgendwann würde er schon nachgeben, hoffte ich jedenfalls. Nach einer Weile gab er tatsächlich nach. „Mach doch, was du willst!“ Jetzt war es still. Wir schwiegen uns an. „Darf ich mal das, in deiner Hand ansehen?“ Ich reichte ihm den Stein. Er hatte ihn noch nicht einmal berührt, da riss er schon die Augen auf. „Das ist doch-... das Auge der Katze. Das- das kann unmöglich sein. Alle mit dieser Fähigkeit müssten schon über zweihundert Jahre tot sein.“ Ich sah Kaito fragend an. „Was ist das für ein Stein? Ist der irgendwie wertvoll?“ Er gab ihn mir zurück. „Mehr als nur wertvoll. Ich weiß so ziemlich alles über ihn. Er existiert nur einmal auf der ganzen Welt. Zwar gibt es unzählige Nachbildungen, doch die können nicht mit seinen Fähigkeiten mithalten. Angeblich soll ihn vor über zweihundert Jahren eine weibliche Person mit dem Namen Seira besessen haben. Nach ihren Tod soll der Stein sich in Luft aufgelöst haben. Wie lange hast du ihn schon und wo hast du ihn her?“ „Etwa 3 Minuten. Woher soll ich das wissen, ich hatte ihn auf einmal in der Hand!“ Kaito seufzte. „Verstecke ihn. Niemand darf das Auge der Katze sehen, verstecke es.“ Ich band mir den Stein um den Hals und versteckte ihn unter meinen Klamotten. Plötzlich konnte ich Tora verstehen. Ohne Kaito weiter zu beachten, drehte ich mich zu Tora. „Kannst du dich vielleicht irgendwie verstecken? Dich darf keiner sehen, sonst krieg ich Probleme!“ Der Kater hatte mich anscheinend tatsächlich verstanden, denn plötzlich schrumpfte er. Jetzt hatte er die Größe einer normalen Katze. Ich streichelte seinen Kopf. „So ist es fein.“ Überlegen grinste ich Kaito an. „Sieht so aus, als ob ich keine Probleme mit meinem neuen Haustier haben werde.“ Zu meiner Überraschung blieb er locker. „Dann pass gut auf ihn auf. Andere werden kommen und ihn umbringen wollen.“ Gerade wollte er sich zum Gehen wenden, als wir eine finstere Stimme hörten. „Kaito hat Recht. Dein sogenanntes Haustier ist zu gefährlich und muss deshalb eliminiert werden.“ Ich riss meine Augen auf. Ein mir unbekannter Mann trat aus dem Schatten eines Baumes. Mit einem schlag wurde Kaitos Gesicht finster. „Morau, was hast du hier verloren?“ Tora sprang vor mich und stellte seine Rückenhaare auf. Wenig später war er wieder groß geworden. „Tora, zurück!“ Zu meiner Überraschung sprang die Katze tatsächlich hinter meinen Rücken. Wütend sah ich diesen Morau an. Was bildete er sich eigentlich ein? Tora war absolut harmlos! Morau ging in Kampfstellung und kam in extremer Geschwindigkeit auf mich zu. Plötzlich blieb er stehen. Kaito war dazwischengegangen. Er stand jetzt zwischen dem Fremden und mir. „Lass es bleiben!“ Zischte er. Daraufhin schrie Morau ihn wütend an. „Du bist viel zu gutmütig. Dieses Vieh ist gefährlich. Es ist unkontrollierbar.“ Er ging auf Kaito zu und stieß ihn zur Seite. „Misch dich nicht ein! Ich erledige den Rest.“ Morau sprang einige Meter zurück, mit nur einem Sprung. Wie war so etwas möglich? Plötzlich berührte mit seiner rechten Hand den schneebedeckten Boden. Der Boden begann zu beben und riss nur Sekunden später auseinander. Ich sprang in die Luft, um nicht in die entstandene Spalte zu fallen. Während des Sprungs beobachtete ich meinen Gegner genau. Irgendwie sprang ich zu hoch für einen normalen Menschen, außerdem war es überhaupt nicht anstrengend, kostete fast keine Kraft. Neben besagter Spalte kam ich wieder auf. Morau stürmte auf mich zu und schlug mit seiner Faust nach mir und das in extremer Geschwindigkeit. Ich konnte nur knapp ausweichen. Seine Faustschläge wurden immer schneller, aber nicht nur sie, auch meine Bewegungen gewannen an Geschwindigkeit dazu. Den letzten Schlag blockte ich mit meinem rechten Arm ab. Ohne Angst sah ich ihm in die Augen. Sie leuchteten, obwohl sie grau waren. Leider war dabei die Kette mit dem Stein verrutscht, sodass er sie jetzt sehen konnte. Morau sprang einige Meter zurück. Wütend starrte er mich an. „Wie kommt jemand wie du an diesen Stein?“ Ich erwiderte den wütenden Blick nur zu gerne. „Weiß ich nicht, er ist einfach in meiner Hand aufgetaucht“ Wieder griff er mich an. Diesmal kamen Felsbrocken auf mich zugeflogen. Nur knapp konnte ich ausweichen. „Das ist eine Lüge!“ Schrie dieser Morau. Inzwischen war ich richtig wütend. „Ach ja? Und woher willst du das wissen?“ Plötzlich blieb er stehen und sah mich mit einem hasserfüllten Blick an. Ich konnte wohl kaum die Ursache für diesen enormen Hass sein, aber trotzdem kam es mir so vor als ob. „Sollte der Stein wirklich in deiner Hand aufgetaucht sein, wärst du die rechtmäßige Herrscherin!“ Ein Dutzend imaginäre Fragezeichen erschienen über meinem Kopf. Hatte ich mich verhört? Herrscherin? Worüber? Ich wollte keine Herrscherin sein! Plötzlich stand Kaito wieder vor mir. „Morau, wir gehen.“ Schon waren sie verschwunden. Tora wurde wieder klein. Völlig in Gedanken versunken machte ich mich nach dieser kleinen Störung auf den Heimweg. Was war das eben gewesen? Hatte ich mir das nur eingebildet? Unmöglich! Tora lief noch immer neben mir. Nach etwa 20 Minuten hatte endlich mein Ziel erreicht. Erschöpft schloss ich die Haustür auf und schlich leise in mein Zimmer. Es war besser, ich würde erst überprüfen, ob meine Eltern mein Fehlen bemerkt hatten. Auf dem Weg lief mir meine Schwester Saya über den Weg. „Mensch Ren, wie siehst du denn aus!“ Sie schrie fast durch das ganze Haus. „Psst! Willst du, dass ich Hausarrest bekomme?“ Jetzt fing sie an zu lachen. „Keine Angst, wir sind allein. Unsere Eltern sind gleich heute Nachmittag zu einer zweiwöchigen Geschäftsreise aufgebrochen.“ Ich atmete erleichtert aus. Dann fiel mir auf, dass Tora noch hier war und Saya ihn sicher inzwischen gesehen hatte. „Ich hab wen mitgebracht.“ Jetzt deutete ich auf den Kater. „Kaito hat mich mehr oder weniger dazu verdonnert auf ihn aufzupassen. Er heißt Tora und wohnt die nächste Zeit hier. Aber sag bloß nichts unseren Eltern.“ Gespielt neugierig ging der Kater auf Saya zu und sah sie auch gespielt neugierig an. Auf einmal fing sie an zu grinsen. „Das ist nicht wirklich eine Katze, hab ich recht?“ Vor ihr konnte ich nichts verheimlichen. „Tora, sie hat uns erwischt, du kannst dich ruhig normal benehmen.“ Genau 0,5 Sekunden hatten später wir eine rötliche Monsterkatze in unserem Flur. Saya sprang erschrocken einen Schritt zurück und Tora nahm wieder die Gestalt einer normalen Hauskatze an. Müde gähnte ich. „Ich geh jetzt zu Bett.“ Sofort versperrte meine kleine Schwester mir den Weg. „Erst, wenn du mir erklärt hast, was Tora ist und wo du so lange warst.“ Ich seufzte. „Habe heute vergessen, die Mathearbeit auszufüllen und musste sie nach der Schule nachschreiben. Dadurch hab ich den letzten Bus verpasst und musste laufen. Unterwegs hab ich Tora aufgegabelt. Was er ist, weiß ich selber nicht. Er scheint Hunger zu haben. Holst du mal bitte etwas Katzenfutter?“ An diesem Abend fiel ich erschöpft und Todmüde in das Bett. Tora schlief neben dem Bett auf einer Decke, die ich auf den Boden gelegt hatte. Trotz der Müdigkeit konnte ich nicht sofort einschlafen. Eine halbe Ewigkeit, so kam es mir vor, starrte ich an die Zimmerdecke. Was hatte das alles zu bedeuten? Warum hatte sich mein Körper vorhin so schnell bewegt? Wie konnten die Augen von diesem Morau so leuchten? Woher hatte ich die Kraft, die ich gegen diesen Morau eingesetzt hatte? Was war Tora? Ich beschloss, mich auf die Suche nach jemandem zu machen, der mir meine Fragen beantworten konnte, auch wenn es einige Monate dauern würde. Wie schnell ich diesen Jemand tatsächlich finden würde, wusste ich an diesem Abend noch nicht. Kapitel 3: Der Neue ------------------- Es war 5:58 Uhr. Mein Wecker klingelte gerade das erste mal. Genau 5 Sekunden später kam Tora in mein Bett gesprungen. Er meinte, ich solle aufstehen. Müde schubste ich ihn von mir weg und zog mich in Zeitlupe an, dann kämmte ich mein Haar und band es mir zu einem Zopf zusammen. Noch langsamer als ich mich angezogen hatte, packte ich meinen Ranzen und lief die Treppe hinunter. Ich holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Keller und schmierte meine Pausenbrote. Danach fütterte ich Tora und ließ eine Packung Katzenfutter in meinem Ranzen verschwinden. Er würde mit in die Schule kommen und vor dem Gebäude auf mich warten. Saya betrat die Küche. „Wahh! Ich bin zu spät“ Ich schnitt eine Grimasse. „Nein, ich bin zu zeitig!“ Sie atmete erleichtert aus. Dann warf sie mir einen verwunderten Blick zu. „Bist du krank?“ „Nein, mir geht es bestens. Wie kommst du darauf?“ „Du bist heute nicht zu spät...“ Gespielt aufgebracht sah ich zuerst Saya, dann Tora an. „Und was glaubst du, wer schuld daran ist?“ Eine Viertelstunde früher als normal lief ich zur Bushaltestelle. Kaum war ich einige Meter gelaufen, hörte ich ein Geräusch. Eine Ladung Wasser preschte auf mich und Tora herab. Gerade noch so konnte ich ausweichen. Tora dagegen hatte es voll erwischt. Jetzt sah er aus wie ein begossener Pudel. Ich sah mich um. Irgendwo musste das Wasser ja hergekommen sein. Ein Junge kam direkt auf mich zugelaufen. „Gut ausgewichen. Das schaffen nur die wenigsten.“ Ich sah ihn mir genauer an. Er hatte blau-grünes Haar, was ein Stück kürzer war als meins und blau-grüne Augen, die das gleiche leuchten hatten, wie die von Kaito und Morau gestern. Ob die Haarfarbe echt war? Leider wollte ich das im Moment überhaupt nicht wissen. Wütend zeigte ich auf den Fleck, wo ich gerade noch gewesen war. Er war total durchnässt. „Das warst du, hab ich recht?“ Der Fremde nickte. „Dürfte ich vielleicht erfahren, was das ganze sollte?“ „Wer bist du?“ Ich stockte. Von ihm ging auf einmal eine unglaubliche Kraft aus. „W- was?“ Wieso konnte ich so etwas auf einmal spüren? Früher hatte ich das noch nicht gekonnt! Am ganzen Körper zitternd ging ich einige Schritte zurück. Er war gefährlich, sehr gefährlich. Das sagte mir jedenfalls mein Instinkt, von dem ich bis gerade eben noch nicht einmal gewusst hatte, dass er überhaupt existierte. „Gut, wenn du mir nicht sagen willst, wer du bist, werde ich es eben selbst herausfinden.“ In enormer Geschwindigkeit stürmte er auf mich zu. Gerade noch so konnte ich einem Faustschlag ausweichen. Ich sprang zurück. Zu meiner Verwunderung sprang ich wie schon gestern Abend einige Meter weit, ohne das es mich anstrengte. Plötzlich spürte ich eine starke Kraft in mir. Vielleicht konnte ich sie einsetzen. Ich schloss die Augen um mich zu konzentrieren. Diese seltsame Kraft durchströmte meinen ganzen Körper und war bis in die Fingerspitzen zu spüren, wenn auch sehr ungleichmäßig verteilt. Entschlossen öffnete ich meine Augen wieder. Plötzlich sah ich alles ungewöhnlich scharf. Jedes noch so kleine Detail konnte ich erkennen. Außerdem schien es, als würde die Zeit jetzt langsamer vergehen. Alles um sich herum bewegte sich viel langsamer, als es eigentlich sollte. Wie war so etwas möglich? Abwartend sah ich den fremden Jungen an. Dieser hatte seine Augen weit aufgerissen und starrte mich geschockt an. „W- wie ist so etwas möglich? Gerade eben noch war deine Kraft so schwach, das ich sie fast gar nicht spüren konnte und jetzt auf einmal bist du auf der gleichen Stufe wie die fünf Kaiser. Woher hast du so eine unglaubliche Kraft? Wer bist du?“ „Mann nennt seinen Namen immer zuerst, bevor man sein Gegenüber danach fragt.“ Eine Sekunde sah er mir direkt in die Augen, dann lächelte er. „Ich bin der Sohn von einem der fünf Kaiser.“ Abwartend sah er mich an. Das war ja unglaublich aussagekräftig. Jetzt wusste ich ja voll, wer er war. „Aha. Ren Yamamoto, 16!“ Ich machte eine kurze Pause. „Und wer sind die fünf Kaiser?“ „WAAAS?!“ Der Junge verlor das Gleichgewicht und knallte der Länge nach auf die Straße, in den Schnee. Gleich darauf sprang er auf und sah mich geschockt an. „Ist das dein Ernst? Du weißt nicht, wer die fünf Kaiser sind?“ Vorsichtig nickte ich. Er griff sich an den Kopf. „Jetzt kapier ich gar nichts mehr! Und du bist dir ganz sicher, noch nie etwas über sie gehört zu haben?“ Wieder nickte ich. „Dann wünsche ich dir viel Spaß dabei, es herauszufinden!“ Weg war er! Kopfschüttelnd sah ich auf die Stelle, an der er bis eben noch gestanden hatte, bevor mir wieder einfiel, dass ich ja noch zur Schule musste. In Höchstgeschwindigkeit rannte ich zur Bushaltestelle und erreichte diese, wie gewöhnlich, gleichzeitig mit dem Bus. Ich stieg ein, Tora auch. Der Kater huschte schnell unter einen Sitz. Isamu machte wie immer einen dummen Kommentar über meine Pünktlichkeit. „Ren, Ren, Ren! Man steht fünf Minuten bevor der Bus kommt an der Haltestelle und kommt nicht angerannt, wenn der Bus gerade um die Ecke fährt.“ Ich zog eine beleidigte Schnute. „Ich wäre pünktlich gekommen, wäre ich nicht unterwegs aufgehalten worden!“ Jetzt lachte er. „Wer’s glaubt...“ Beleidigt streckte ich ihm die Zunge raus. „Bäh!“ Dann setzte ich mich auf den freien Platz vor ihm. Yayoi und Azarni ignorierte ich gekonnt. Der Bus verließ gerade meinen Wohnort. „Was war gestern in Mathe eigentlich mit dir los? So Kopflos bist du doch sonst nie?“ Ich schnitt eine Grimasse. „Weiß auch nicht. Irgendwie bin ich mit meinen Gedanken abgedriftet. Hab total die Arbeit vergessen.“ Alle, die unser Gespräch hörten, begannen zu lachen. Auch Isamu lachte. „Und so etwas von der Klassenstreberin...“ „Wen nennst du hier einen Streber?“, gab ich gespielt aufgebracht zurück. „Ach ja, Streber schreiben ja nicht jeden früh die Hausaufgeben ab. Hast du die eigentlich überhaupt schon mal gemacht?“ „Nö, hab einfach keine Lust dazu. Hatten wir eigentlich etwas bis heute auf?“ Isamu schüttelte den Kopf. Erleichtert atmete ich auf. „Unser Mathelehrer meinte, wir bekommen heute einen neuen Mitschüler...“ Das hörte ich gerade zum ersten mal. „Wann hat er das gesagt?“ „Gestern während der Mathearbeit.“ „Aha.“ Das erklärte, warum ich nichts davon wusste. Wir kamen im Nachbarort am Markt an. Isamu weckte gerade Naoki, damit dieser das Aussteigen nicht verschlief. Gemeinsam mit den beiden machte ich mich auf den Weg in das Schulgebäude. Auf Tora achtete keiner, zum Glück. Auf halber Strecke gab es plötzlich einen dumpfen Knall. Naoki war gegen eine Straßenlaterne gelaufen, und das, obwohl diese leuchtete, und saß jetzt auf der Straße, im Schnee. Ich konnte nicht anders. Auch wenn es unfair war, musste ich einfach lachen. „Tja, das kommt davon, wenn du auf dem Schulweg lieber schläfst, anstatt auf den Weg zu achten.“ Auch Isamu lachte. Als Naoki auch nach einigen Minuten nicht aufstand, beugte ich mich nach vorn und hielt ihm meine Hand hin. „Ist es so gemütlich, im Schnee zu sitzen.“ Jetzt grinste er mich an. „Ja!“ Ich packte ihn am Handgelenk. „Komm schon, mir ist kalt.“ Gerade wollte ich ihn wieder auf die Beine ziehen, als er nach meiner Hand griff und mich zu sich auf den Boden zog. Jetzt saßen wir beide im Schnee. Isamu lachte nur noch lauter. Beleidigt verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Ihr seid Idioten, alle beide!“ Inzwischen hatte auch Naoki angefangen, zu lachen. Ich griff nach dem nächstbesten Schneehaufen, verfrachtete möglichst viel von dem weißen Zeug auf meine Hände und drückte Naoki die gesamte Ladung in das Gesicht. Das brachte ihn dazu, mir auch Schnee ins Gesicht zu befördern. Zehn Minuten später saßen wir beide völlig außer Atem und von oben bis untern mit Schnee bedeckt immer noch auf der selben Stelle. „Na, seid ihr endlich mit euren Sandkastenspielchen fertig.“ Isamu hielt und beiden jeweils eine Hand hin. „Wir müssen in die Schule.“ Naoki und ich grinsten uns an, dann packte Naoki eine Hand von ihm und schleuderte ihn in den nächstbesten Schneehaufen. Dann befreiten wir und erst einmal von dem ganzen Schnee. Wütend kam Isamu auf seinen Banknachbar zugelaufen. „Der Unterricht beginnt in 10 Minuten.“ Ich ging lieber sofort dazwischen. Völlig durchnässt und immer noch voller Schnee erreichten wir das Schulgebäude. Meine Haare waren zerzaust. Naoki hatte es nicht lassen können, mir Schnee in die Haare zu reiben. Tora blieb auf dem Schulgelände, während ich in das Klassenzimmer ging. Dort setzte ich mich auf meinen Platz, kämmte kurz meine Haare durch, damit ich halbwegs akzeptabel aussah und starrte auf den Tisch vor mir. Yayoi setzte sich auf ihren Platz, der leider noch neben mir war. Nur in Biologie saß ich wo anderes. „Wie siehst du denn aus? Bist du in einen Schneesturm geraten?“ „Der Schneesturm heißt Naoki Takahashi und sitzt auf der Bank vor dir.“ Mit diesen Worten wandte ich mich endgültig ab. Irgendwie war mir die ganze Sache jetzt peinlich. Ich hatte mich aufgeführt wie ein Kleinkind. Außerdem hatte ich absolut keine Lust, wieder mit ihr zu streiten. Statt dessen machte ich mir Gedanken über den gestrigen Tag. Die Ereignisse hatte ich während der Schneeschlacht völlig vergessen. Eine Menge war passiert und ich war mir sicher es würde noch viel mehr passieren. Kaito hatte gesagt, ich solle den Stein, das Auge der Katze oder wie er ihn genannt hatte, immer bei mir tragen, aber nie jemandem zeigen. Hieß das, es gab Leute, die hinter den Stein her waren? So etwas wollte ich nicht besitzen! Was war, wenn mich wieder jemand angriff, wie dieser Morau gestern? Ich hatte absolut keine Ahnung vom kämpfen, konnte nicht einmal ein bisschen Selbstverteidigung. Das wäre mein Ende. Und wieso hatte dieser Idiot Kaito es nicht für nötig gehalten, mir zu sagen, was Sache war? Vielleicht sollte ich ihn mal zur Rede stellen! Immerhin wollte ich wissen, was seit gestern mit mir los war! Oder ging das schon länger? Vielleicht konnte ich auch den Kerl von heute morgen fragen. Er wusste sicher auch einiges. Auch wenn er mich angegriffen hatte, so hatte ich trotzdem das Gefühl, mit ihm, unter gewissen Umständen, normal reden zu können, vielleicht sogar besser als mit Kaito. Da würde ich mir nicht so fehl am Platze vorkommen. Außerdem hatte ich Kaito noch immer nicht so ganz verziehen, was er mir vor einiger Zeit angetan hatte. Ich würde ihm so lange nicht verzeihen, bis er sich entschuldigte. Zwar war es nicht meine Art, so nachtragend zu sein, aber das hatte ich mir geschworen. Genauso, wie ich mir geschworen hatte, nie wieder irgendwem meine Geheimnisse anzuvertrauen. Eine gute Freundin hatte ihm gesagt, ich sei in ihm verliebt. Daraufhin nannte Kaito mich eingebildet. Damals war ich so wütend, dass ich ihm eine Ohrfeige verpasst hatte und weggerannt war. Seitdem war ich ihm nie mehr über den Weg gelaufen, bis gestern. Ich beschloss, irgendwie Kontakt zu dem Kerl von heute früh aufzunehmen. Nur leider wusste ich weder seinen Namen, noch die Adresse, noch den Ort in dem er wohnte. Suchen brauchte ich ihn schon einmal nicht. Ich würde ihn eh nicht finden, also musste ich warten, bis wir uns wieder über den Weg liefen. Dann konnte ich ihn vielleicht auch fragen, ob die Haarfarbe echt war. Es klingelte zur Stunde. Ich starrte weiter auf die Tischplatte. Auch, als der Lehrer den Raum betrat, hob ich meinen Blick nicht. „Wir haben ab heute einen neuen Mitschüler. Sein Name ist ...“ Leider konnte ich die Stimme des Mathelehrers nicht vollständig ausblenden. „ ... du stellst dich selbst mal kurz vor.“ Hallo?! Das wollte ich nicht wissen! Doch dummerweise hörte ich trotzdem zu. „Ist der aber süß!“ Einige Mädchen aus der Klasse warfen dumme Kommentare ein. Ob er süß war oder nicht war mir völlig egal. Ich hatte mir fest vorgenommen, mich nie wieder zu verlieben. Warum konnte ich jetzt nicht abschalten? Während der Mathearbeit hatte es doch perfekt geklappt, auch wenn es keine Absicht gewesen war. „Hallo, ich bin -“ „Das gibt’s doch nicht! Akira!“ Das kam Eindeutig von Daisuke. Kannte er den Neuen? Und wenn schon! Das war mir egal. Kurz war es still. Einige hielten sogar den Atem an. „U-unmöglich! Daisuke! Aber du bist doch-!“ Die Stimme des Neuen kam mir bekannt vor. Wo hatte ich sie schon mal gehört? „Gesund und munter, wie du sehen kannst.“ Diese Aussage klang komisch, wenigstens für mich. Was bezweckte Daisuke mit dieser Aussage? Auch, wenn ich es nicht gern zugab, jetzt hatte der Neue es doch geschafft, meine Neugier zu wecken. Ich hob langsam meinen Blick und sah ihn an. Blaugrünes Haar, blaugrüne Augen! Wo hatte ich ihn schon einmal getroffen? Ich überlegte eine Weile. Plötzlich fiel es mir wieder ein. Das war der Kerl von heut früh! Geschockt sprang ich auf. Dadurch fiel mein Stuhl mit einem lauten Poltern um. Laut schrie ich: „ALLES, NUR DER NICHT!“ Jetzt waren alle Blicke auf mich gerichtet. Auch der Neue sah mich an. Kurz weiteten sich seine Augen. „Du?“ „Ja, ich! Was dagegen?“ Er schien sich wieder etwas gefangen zu haben. „Was machst du hier?“ „Noch nie etwas von Schulpflicht gehört?“ Erst jetzt bemerkte ich, dass Daisuke verwirrt zwischen uns hin und her sah. Bevor er ein: „Ihr kennt euch?“ hervorbrachte. Der Mathelehrer kam auf mich zugelaufen. „Was ist mit dir los, Ren? Seit gestern benimmst du dich, als wärst du jemand anderes. Ist irgendetwas passiert?“ „Ja, ich bin IHM über den Weg gelaufen!“ Seufzend ging der Lehrer wieder nach vorn. Ich stellte meine Stuhl wieder auf und setzte mich auf meinen Platz. Das ganze war mir mehr als nur peinlich. Jetzt wünschte ich mir noch mehr, wie gestern, einfach im Boden versinken zu können. Leider hatte noch immer keiner eine Schaufel. „Du kannst dich auf den freien Platz in der zweiten Reihe setzen.“, sagte der Lehrer zum Neuen. Zum Glück saß er weit von mir entfernt. „Dann werte ich mal die Arbeit von gestern aus.“ Wie immer hatte der Lehrer nicht einmal einen Tag zum korrigieren gebraucht, das nervte langsam echt. Hatte er keine Hobbys oder einfach nur zu viel Freizeit? Letzteres ließe sich ändern. Jetzt schrieb er den Zensurenspiegel an die Tafel. Da wir 19 Schüler waren, mir dem Neuen 20, mussten da auch 19 Noten auftauchen. Es gab eine sechs und nur ein mal die Note fünf. Das hieß schon einmal etwas. Außerdem gab es sechs mal die Note 4, sieben mal die 3, drei mal die zwei und ein mal die eins. Das ergab einen Durchschnitt von 3,26. Jetzt wandte der Lehrer sich wieder an die Klasse. „Wenn einige so weitermachen, werden sie Schwierigkeiten mit den Abschlussprüfungen haben. Gefreut habe ich mich über die eine 1 von Ren, die im übrigen die volle Punktzahl hat.“ Ich griff mir an die Stirn. Warum musste er immer darauf rumreiten, wenn ich mal wieder eine 1 hatte? Wollte er mich vor der ganzen Klasse zum Streber abstempeln? Wenn ja, dann war ihm das voll und ganz gelungen. Jetzt teilte unser Mathelehrer die Arbeiten aus. Ich warf einen kurzen Blick auf die von Yayoi. Sie hatte eine 4. Innerlich musste ich zufrieden grinsen. Zwar war es eigentlich nicht meine Art, aber diesmal freute es mich. Das hatte sie nun davon, dass sie immer nur abschrieb und nie lernte. Vielleicht würde sie ihre Zeit jetzt sinnvoller nutzen. „Wir werden jetzt die Fehler besprechen. Ren, wenn du etwas anderes machen möchtest, kannst du dich leise beschäftigen.“ Wortlos zog ich ein Manga aus meinem Ranzen und begann, zu lesen. Nach einer halben Ewigkeit, so schien es, klingelte es endlich zur Pause. Keine zwei Sekunden später hatte sich Isamu zu mir umgedreht. Dann fing er an, an Naokis Schultern zu rütteln. „He! Aufwachen!“ Als er seinen Banknachbar endlich mehr oder weniger munter hatte, sah er mich neugierig an. „Jetzt erzähl schon! Woher kennst du den Neuen?“ Ich seufzte. „Er ist Schuld, dass ich heute früh fast den Bus verpasst hätte.“ Jetzt lachte Isamu. „Den verpasst du doch jeden früh fast. Auf das eine mal kommt es nun wirklich nicht an.“ Ich zog eine beleidigte Schnute. „Wenigstens glaubst du mir jetzt, dass ich heute früh pünktlich war! Außerdem hat der Blödmann meine Katze geduscht!“ Isamu lachte nur noch lauter. „Und da lebt er noch?“ „Ich hatte leider keine Zeit mehr, ihn umzubringen, sonst hätte ich den Bus verpasst.“ Leider konnte ich bei dieser Aussage nicht ernst bleiben. Ich musste ebenfalls lachen. Die ganze Zeit über warfen der Neue, dessen Name mir inzwischen wieder entgangen war, und Daisuke mir misstrauische Blicke zu. Es klingelte zur nächsten Stunde. Erst als die Deutschlehrerin das Klassenzimmer betrat, drehte sich Isamu wieder um. Naoki schlief schon wieder. Manchmal fragte ich mich, was er nachts machte, wenn er in der Schule immer so müde war. Auch der Neue und Daisuke sahen wieder nach vorn. Nach der üblichen Begrüßung begann der Unterricht. Da ich Deutsch langweilig fand, schaute ich aus dem Fenster. Plötzlich bekam ich etwas an den Kopf geworfen. Daraufhin sah ich wütend zum Absender. Daisuke sah mich hinterhältig grinsend an. Ich betrachtete das Wurfgeschoss genauer. Es handelte sich um einen mehrfach gefalteten Zettel. Ich entfaltete ihn und begann, zu lesen: Woher kennt ihr zwei euch? Wir warten nach der Schule vor dem Bäcker. Komm allein. „Geht dich nichts an! Keine Lust.“ Ich musste flüstern, damit mich die Lehrerin nicht hörte. „Du kommst, verstanden.“ So streng hatte ich den schwarzhaarigen Blödmann noch nie sprechen hören. Außerdem war er um einiges lauter als ich. „Kannst du vergessen!“ „Wer kann was vergessen?“ Zu allem Überfluss stand die Lehrerin genau zwischen uns. „Vor die Tür, alle beide!“ Murrend stand ich auf. Das war das erste mal, dass ich aus dem Unterricht geworfen wurde. Dafür würde ich mich an Daisuke rächen. Ich lief an dem Neuen vorbei, ohne ihn weiter zu beachten. Plötzlich spürte ich einen Widerstand vor meinen Füßen. Ich sah nach unten. Er hatte es allen Ernstes gewagt, mir ein Bein zu stellen. Leider bemerkte ich das erst, als es schon zu spät war. Das Gleichgewicht hatte ich bereits verloren. Ich knallte der Länge nach auf den Boden, nur, um sofort wieder aufzuspringen und den Neuen wütend anzuschauen. „Du..!“ Mehr brachte ich nicht heraus. Keiner aus der Klasse gab auch nur einen Laut von sich. Dafür war ich im Moment sehr Dankbar. Plötzlich spürte ich wieder diese unbekannte Kraft in mir, nicht so stark wie heute früh, aber dennoch gegenwärtig. Der Neue grinste nur. Das brachte das Fass endgültig zum überkochen. ‚Klatsch!’ Ich verpasste ihm eine Ohrfeige. Nur, dass es sich diesmal komisch anfühlte, fast als hätte ich ein Kissen geschlagen. Hatte ich etwa diese Kraft eingesetzt? Panisch rannte ich aus dem Zimmer. Zu meinem Leidwesen schickte die Deutschlehrerin den Neuen jetzt ebenfalls vor die Tür. Während drinnen der Unterricht weiterging, standen wir im Flur und warfen uns Killerblicke zu. Seufzend ließ ich mich an der Wand niedersinken und starrte auf den Fußboden. Jetzt saß ich auf dem diesem. „Also, was wollt ihr?“ „Woher kennst du Akira?“ Der Neue hieß also Akira. Vielleicht konnte ich den Namen diesmal behalten. „Ich kenne ihn nicht. Ich bin ihm nur zufällig heute früh über den Weg gelaufen.“ Sekunden später hörte ich, wie Daisuke erleichtert ausatmete. Nach einer Weile hob ich meinen Blick und sah Akira an. Ich wollte wissen, wie stark ich zugeschlagen hatte. Zu meiner Zufriedenheit stellte ich fest, dass er einen roten Abdruck meiner Hand auf seiner Wange hatte, zu meinem Leidwesen lag er noch nicht im Krankenhaus. Der neue schien meinen Blick bemerkt zu haben. „Was ist?“ „Wollte sehen, wie schwer du verletzt bist. Schade, fürs Krankenhaus hat es nicht gereicht.“ Akira entglitten für einige Sekunden sämtliche Gesichtszüge. „So hat schon lange keiner mehr mit mir geredet!“ Meiner Meinung nach war er viel zu eingebildet. „Das lässt sich ändern, Rapunzel.“ „RAPUNZEL?“ Kapitel 4: Fehler ----------------- „RAPUNZEL?“ Der Neue und Daisuke schrieen mich an. Ups... Das war mir einfach so rausgerutscht. Eigentlich hatte ich das nicht sagen wollen. Jetzt waren sie wütend. Irgendwie musste ich das augenblicklich wieder geradebiegen. Aber entschuldigen kam nicht in Frage, nicht nach der Aktion eben im Klassenzimmer. Also streckte ich beiden die Zunge raus. „Lass dir die Haare schneiden, dann nenn ich dich wieder beim Vornamen!“ Die beiden warfen mir immer noch Killerblicke zu. Endlich klingelte es. Die Deutschlehrerin kam heraus. „Ihr drei meldet euch jetzt bitte im Büro des Schulleiters.“ Meiner Meinung nach übertrieb sie da ein bisschen. Wir hatten nur Briefchen geschrieben, im Unterricht gequatscht, uns fast geprügelt und vor der Tür rumgeschrieen. Das war nun wirklich nicht nötig.“ Fünf Minuten und ein Stockwerk später standen wir vor der Tür vom Zimmer des Direktors. Ich seufzte, bevor ich vorsichtig an die Tür klopfte. Jetzt würden wir sicher nachsitzen müssen oder eine andere Strafe bekommen. Prüfend und gespielt streng sah uns der etwas ältere Herr mit Schnurrbart und Toupet an. „Ihr werdet auf der Stelle eure Sachen packen und nach Hause gehen. Ihr habt eine Woche Schulverbot. Außerdem werde ich eure Erziehungsberechtigten benachrichtigen müssen.“ Innerlich atmete ich erleichtert aus. Es hätte weitaus schlimmer kommen können. Meine Eltern waren seit gestern Nachmittag auf einer Geschäftsreise und wie immer aufgebrochen, ohne mir etwas zu sagen. Dort konnte sie die Schulleitung wirklich nicht erreichen. Und die Telefonnummern meiner anderen Verwandten hatten sie ebenfalls nicht. Also könnten sie schlimmstenfalls bei mir Zuhause anrufen. Dann würde Saya ans Telefon gehen und sie in Grund und Boden diskutieren. Mir würde also nichts passieren. Im Gegenteil: Ich bekam sogar noch eine ganze Woche lang Schulfrei. Wieder in der Realität verließen wir gerade mit einem weißen Zettel auf dem in schwarzen Buchstaben das Wort ‚Verweis’ geschrieben stand wieder das Büro. Ich ging ins Klassenzimmer zu meinem Platz. Azarni und Yayoi lachten feindselig. Isamu und Naoki warfen mir fragende Blicke zu. Ich grinste. „Nichts passiert, nur ein Elternanruf und einen Verweis, für eine Woche Schulverbot.“ Ich packte meine Sachen in den Ranzen. „Bekommst du keinen Ärger von deinen Eltern?“ „Die sind seit gestern Nachmittag auf Geschäftsreise. Momentan sind sie in Tokio, glaube ich, oder war das doch Paris? Vielleicht auch in New York oder Hongkong, ach, keine Ahnung. Sie kommen jedenfalls frühestens in zwei Wochen wieder.“ „Aha!“ Ich verließ das Zimmer und schlenderte den Flur entlang. Vor dem Schultor lief ich unserem Mathelehrer über den Weg, der sich gerade lautstark mit der Deutschlehrerin unterhielt. Einige brocken konnte ich aufschnappen. „Das muss ein Missverständnis sein, Ren würde doch nie so etwas tun.“ „Ich war von Seira sehr enttäuscht. Um ehrlich zu sein, habe ich ihr so etwas auch nie zugetraut. Da sieht man mal wieder, wie man sich in Menschen täuschen kann.“ „Trotzdem wäre das nicht nötig gewesen. Diese Strafe war zu streng.“ Ich ging an den beiden vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen, weil ich es nun einmal hasste, wenn man mich bei meinem ersten Vornamen nannte: Seira. An der Bushaltestelle traf ich die anderen beiden wieder. Sie redeten gerade fröhlich über alte Zeiten, so kam es mir wenigstens vor. Ich lehnte mich in einigem Abstand gegen eine Hausmauer und wartete auf den Bus, welcher in knapp zwanzig Minuten kommen würde. Tora setzte sich neben meine Füße. Im ort war nicht besonders viel los, oder wie Saya sagen würde: ,tote Hose’. Ab und zu sah man eine ältere Frau, die gerade zum Bäcker ging oder aus dem Gemüseladen mir gegenüber kam. Das war eben typisch für kleinere Dörfer. Nach einer Weile bemerkte ich, dass der Neue und Daisuke Tora genau musterten. Anscheinend schienen sie zu wissen, dass er kein gewöhnlicher Kater war, wobei ich mir bei Daisuke nicht ganz sicher war. Das war mir jetzt aber eigentlich egal, weshalb ich nicht weiter darauf achtete. Als die Bus nach einer halben Ewigkeit endlich kam, stieg ich wortlos ein, Tora huschte wie am Morgen schnell unter den erstbesten Sitz. Die Busfahrt war langweilig. Es war ungewohnt leer in dem Fahrzeug. Nach etwa zehn Minuten war ich in meinem Heimatort angekommen und stieg an der nächstbesten Haltestelle aus. Zwar musste ich jetzt noch eine Viertelstunde laufen, aber das war ok. Immerhin hatte ich ja genügend Zeit. Zu meiner Überraschung war Saya schon zuhause. Als ich die Küche betrat saß sie am Tisch und verschlang gerade eine Fertigpizza. Seufzend ließ ich mich ihr gegenüber auf einen Stuhl singen. „Was machst du schon so früh hier?“ Das wollte ich sie fragen. „Verweis. Schulverbot für eine Woche.“ „Warum?“ „Hab im Deutschunterricht Briefchen geschrieben, gequatscht und mich fast geprügelt und wo ich vor der Tür stand rumgeschrieen.“ Jetzt lachte meine kleine Schwester. „Und was machst du so zeitig hier?“ Ich wechselte lieber das Thema, um mich von den beiden Idioten abzulenken, bevor ich noch auf dumme Gedanken kam. „Ich fahr in einer Stunde mit dem Kendoclub in ein Ferienlager, schon vergessen?“ „Ach ja, stimmt ja.....“ Das hatte ich völlig vergessen. Saya ging in Kendo und weil sie die letzte Meisterschaft gewonnen hatte, bekam ihr Club einen elftägigen Aufenthalt in einem Ferienlager an der Ostsee spendiert. So viel Glück musste man erst einmal haben. Sie hatte einfach so eine Schulfreistellung für die ganzen Tage bekommen, von unseren Eltern. Mist, jetzt konnte sie den Direktor ja nicht mehr in Grund und Boden diskutieren. Am besten ging ich gar nicht erst ans Telefon. „Apropos... Kann ich mir Tora so lange ausleihen?“ Saya sah mich mit ihrem berühmten Dackelblick an. „Für was brauchst du bei einem Ostseeurlaub einen Kater?“ „Wenn das Essen nicht schmeckt, komm ich wieder nach Hause.“ Ich seufzte. Saya war einfach nur verfressen. „Musst du ihn schon selber fragen...“ ‚Bamm’ Die Tür fiel ins Schloss. Jetzt war ich für elf Tage allein in diesem großen Haus. Tora war mit Saya mitgegangen, nachdem sie ihn mit lecker Steak jeden Abend bestochen hatte. Ob sie das auch einhielt? Na ja, mein Problem war es nicht. „Miau!“ Mein Kater lief mir maunzend um die Beine. Wahrscheinlich hatte er Hunger, also kramte ich die erstbeste Dose Katzenfutter aus dem Schrank und gab ihm den Inhalt. Wie immer schlang er gleich alles auf einmal hinter. Hatte ich früh vergessen, ich zu füttern? Vermutlich, sonst hätte er nicht solchen Hunger. Erschöpft ging ich in mein Zimmer und ließ mich auf das Bett fallen. Ich kramte mir aus meinem Nachttisch ein Buch hervor und begann, es zu lesen. Am Nachmittag hatte ich es dann durchgelesen, weswegen ich einfach nur noch an die Decke starrte. Jetzt hatte ich den Kerl, den ich wegen der komischen Kräfte befragen wollte gefunden, aber das gab mir ein Dutzend neue Rätsel auf. Woher kannten er und Daisuke sich? Es war möglich, dass sie früher im gleichen Ort gewohnt hatten, Daisuke war erst vor reichlich einem Jahr hierher umgezogen, zusammen mit seiner Muter. Soweit ich wusste, hatte sein Vater die beiden sitzen gelassen, als er noch kleiner war. Was hatte Daisukes komische Antwort zu bedeuten? Sie muss eine versteckte Nachricht enthalten haben. So etwas sagte man nicht jemandem, den man lange nicht mehr gesehen hatte. Warum war der Neue heute früh so plötzlich abgehauen? Wieso benahm er sich so eingebildet, als sei er König oder Prinz? Wer oder was waren die fünf Kaiser? Ich hatte bis nächsten Mittwoch Schulfrei. Was sollte ich am besten unternehmen? Mir fiel nichts ein, weshalb ich aufstand und aus dem Fenster schaute. Draußen dämmerte es, außerdem schneite es schon wieder. „Frau Holle verliert die Kontrolle!“ Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Es schien aus dem Garten zu kommen. Ohne groß zu überlegen, zog ich mir meinen alten Wintermantel über, den neuen wollte ich schonen, und verließ das Haus. Natürlich hatte ich vorher einen Schlüssel in die Hosentasche gesteckt. Draußen sah ich mich um. Dabei musste ich aufpassen, immer in der Mitte der von Schnee befreiten Bahn zu laufen. Sonst würden nur meine Klamotten voll Schnee. Irgendwie bekam ich Angst. Wäre doch nur Tora hier. Entschlossen schüttelte ich den Kopf. So ein kleines bisschen Dunkelheit konnte mir doch nichts anhaben. Nichts ungewöhnliches war zu sehen. Ich konnte nur die Umrisse der Bäume und Sträucher, die in unserem Garten waren erkennen. Auch vor dem Dojo, welches schon seit Jahren nicht mehr benutzt wurde, außer von Saya, war nichts abnormes zu wahrzunehmen. Das Geräusch war wohl nur Einbildung gewesen. Immer noch mehr als nur vorsichtig schlich ich zurück zur Haustür. Vor dem Haus blieb ich stehen und sah noch einmal genau in den Garten. Hier hatte Saya erst gestern Schnee geschippt, der ganze Platz vor dem Haus war von dem Weißen Zeug befreit. Das war eine gute Idee von ihr gewesen. Ich klopfte mir den Schnee von den Schuhen. Einmal war ich doch an der Schneewand am Rand des Ganges angeeckt.Gerade wollte ich in die Hosentasche greifen, um den Schlüssel heraus zu holen, als ich das Geräusch wieder hörte. Dann hörte ich Schritte, direkt hinter mir. Ruckartig drehte ich mich um und sah in die Gesichter von drei mir unbekannter Männer. Erschrocken stolperte ich einen Schritt rückwärts. Wie kamen sie hier her? Ich hätte sie doch schon aus einiger Entfernung hören oder sehen müssen. Außerdem waren nirgends Fußspuren gewesen. Doch dann bemerkte ich, dass ihre Augen seltsam leuchteten, also hatten sie auch diese komischen Kräfte. Was wollten sie von mir? „W- wer-“ Ich wurde unterbrochen. „Gib uns das Auge der Katze und wir lassen dich vielleicht gehen!“ „Hä?“ Das Auge der Katze.... Was war das gleich noch mal? Ich musste eine Weile überlegen, doch dann fiel es mir wieder ein. Kaito hatte die Kette mit dem Stein so genannt. Unter anderen Umständen hätte ich ihnen die Kette ins Gesicht gepfeffert, aber irgendwas sagte mir, ich solle diese Kette niemandem geben. Wieder einmal verließ ich mich auf ein Gefühl, von dem ich noch nicht einmal wusste, ob es überhaupt existierte oder nur Einbildung war. „Was meint ihr? Ich habe keine Katze.“ Wenn ich mich dumm stellte, gingen sie vielleicht wieder. Fehlanzeige! Einer der Männer kam in enormer Geschwindigkeit auf mich zugestürmt. Gerade noch so konnte ich einem Schwerthieb ausweichen. Wie schon am Morgen konzentrierte ich mich auf die seltsame Kraft, die ich in mir spürte. Zwar gelang es mir, sie halbwegs gleichmäßig in meinem Körper zu verteilen, aber es erforderte eine Menge Konzentration. Heute Morgen war es einfacher gewesen, diese Kraft einzusetzen. Wieso? Mit dem Rücken stand ich an der Hauswand. Vor mir standen drei Gegner, die mir wahrscheinlich deutlich überlegen waren. Das glaubte ich wenigstens, denn ich beherrschte weder irgendeinen Kampfsport, noch Selbstverteidigungstechniken. Am sichersten wäre es, zu fliehen. Nur leider wusste ich, dass mir eine Flucht niemals gelingen würde. Es war aussichtslos. Hier kam ich nicht mehr lebend raus, wenigstens nicht, ohne dass mir jemand half. Ich zitterte am ganzen Körper, teilweise, weil es saukalt war, aber größtenteils aus Angst. Trotzdem ging ich einige Schritte auf die Fremden zu, die inzwischen im Halbkreis in einigen Metern Entfernung um mich standen. Wenn sie die Kette wollten, mussten sie schon darum kämpfen! Freiwillig würde ich sie ihnen nicht geben! Mit gespielter Entschlossenheit sah ich ihnen ins Gesicht und wünschte mir gleichzeitig auch nur halb so entschlossen zu sein, wie ich gerade vorgab. Alle drei kamen gleichzeitig auf mich zugestürmt. Alles was ich tun konnte, war, den Angriffen so gut es ging auszuweichen. Zum Gegenangriff kam ich gar nicht erst. Auch hatte ich keine Zeit, mir die Waffen meiner Gegner genauer anzusehen. Ich wusste nur, dass es sich um zwei Schwerter und einen Speer handelte. Plötzlich kam der Speer in enormer Geschwindigkeit auf mich zu. Gerade noch rechtzeitig schaffte ich es, hochzuspringen und hinter meinen Gegnern wieder auf dem Boden zu landen. Keine Zehntelsekunde später musste ich einem Angriff mit dem Schwert von links ausweichen. Lange würde ich das nicht mehr durchhalten. Aber mir blieb nichts anderes übrig. Ich wollte nicht streben. Es gab so viel, was ich noch erleben wollte, also kämpfte ich diesen Hoffnungslosen Kampf weiter. Ich wurde immer schwächer. Es wurde von Sekunde zu Sekunde schwerer, die enorme Kraft in mir zu kontrollieren. Warum kam keiner, um mir zu helfen? Momentan würde ich jede Hilfe annehmen, wirklich jede! Irgendein netter Mensch musste doch gerade in der nähe sein! Schwert von links, Speer on rechts, Schwert von oben, Schwert von vorn, Speer von hinten! Das alles ging viel zu schell. Da konnte ich nicht mithalten. Blitzschnell kam ein Schwert auf mich zu. Ruckartig sprang ich zur Seite. Plötzlich spürte ich einen heftigen Schmerz in meinem linken Arm. Nur mit Mühe konnte ich einen Schrei unterdrücken. Zitternd sah ich zu der schmerzenden Stelle. Der helle Wintermantel färbte sich am Oberarm langsam rötlich. Das Schwert hatte mich getroffen. Ich war zu langsam gewesen! Die Sicht verschwamm vor meinen Augen und ein leichtes Schwindelgefühl kam auf. Ich konnte kein Blut sehen! Jedes mal, wenn ich diese rote Flüssigkeit zu Gesicht bekam, klappte ich zusammen. Wahrscheinlich verdankte ich es meinem starken Überlebenswillen, dass ich damals nicht das Bewusstsein verlor. Allerdings nahm ich die Angriffe der Feinde nur noch verzerrt war, als wäre alles um mich herum nicht echt gewesen. Immer wieder bekam ich einen Schwerthieb oder einem Angriff mit dem Speer ab. Der Schmerz war kaum noch auszuhalten. Plötzlich spürte ich eine Wand an meinem Rücken. Die Kraft in meinem Körper verschwand sich im Bruchteil einer Sekunde. Erschrocken riss ich die Augen auf. Das Schwert von einem meiner Gegner kam auf mich zu, stoppte aber kurz vor meinem Hals. „Das war’s, Kleine. Hättest du und brav das Auge der Katze gegeben, würden wir dich nicht töten.“ Er holte aus. Krampfhaft kniff ich die Augen zusammen und wartete auf den Schmerz. Doch dieser kam nicht, auch nicht einige Sekunden später. Statt dessen hörte ich, wie einer meiner Gegner Schmerzhaft aufschrie und kurz darauf einen dumpfen Schlag. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Mehr als den Rücken einer anderen Person konnte ich nicht erkennen. Diese Person sprang auf die anderen beiden meiner Gegner zu und hatte diese in wenigen Sekunden erledigt. Wer war das? Diese Frage wurde mir schneller beantwortet, als erwartet. Keine zehn Sekunden später drehte er sich zu mir um. Fassungslos starrte ich meinen ehemals besten Freund an. „Kaito?“ „Alles ok? Bist du verletzt?“ Hätten meine Wunden nicht so geschmerzt, wäre ich wahrscheinlich aufgesprungen, um ihm eine saftige Ohrfeige zu verpassen. So ließ ich mich einfach an der Wand auf den boden sinken. „Hast du keine Augen im Kopf?“ Vielleicht wäre ein Danke an dieser Stelle angebrachter gewesen, aber dazu müsste er sich erst einmal dafür entschuldigen, was er mir vor drei Jahren angetan hatte. Kaito seufzte. Dann kam er auf mich zugelaufen und hielt mir seine Hand hin. Wütend sah ich ihn an. Erst stellte er mich vor der ganzen Schule bloß und jetzt? Jetzt war er auf einmal wieder der nette beste Freund. Aber sie schienen Nicht mit mir! Wütend schlug ich seine Hand zur Seite, zwang mich, den Schmerz zu ignorieren und zog mich an der Hausmauer wieder auf die Beine. Aufgebracht starrte ich ihm in die Augen. „Schau nicht so wütend! Immerhin hab ich dir gerade das Leben gerettet.“ „Und wer ist Schuld daran, dass mich diese Leute überhaupt verfolgen?“ Mein ehemals bester Freund seufzte. Langsam schwand meine Sicht von neuem. Alles um mich herum verschwamm. Wenige Sekunden später gaben meine Beine nach. Hätte Kaito mich nicht aufgefangen, wäre ich im kalten Schnee gelanget. „Hast du einen Schlüssel dabei?“ „In meiner Hosentasche.“ Ganz weit entfernt hörte ich noch, wie jemand eine Tür aufschloss. Kaito grinste mich frech an. Wir waren schon seit der Grundschule beste Freunde und wussten so gut wie alles übereinander. Aber inzwischen war einiges komplizierter geworden. Er war der Mädchenschwarm der ganzen Schule und ich war eine eher durchschnittliche Schülerin der siebten Klasse. In einem Jahr würde er die Schule verlassen. Vielleicht ging es dann wieder besser mit unserer Freundschaft. „Warst du schon mal verliebt“ Ohre es zu wissen, hatte er einen wunden Punkt getroffen. Ich liebte ihn! Aber würde ich das sagen, wäre unsere Freundschaft ruiniert. Deshalb lachte ich. „Ja, aber das ist eine alte Geschichte. Daraus ist nie etwas geworden.“ „Ach so?“ „Ja.“ „Und du bist momentan nicht verliebt?“ Langsam fiel es mir immer schwerer, zu lachen. „Auf was willst du hinaus?“ Plötzlich verstummte sein Lachen. Auch ich hörte auf, zu lachen. Irritiert sah ich ihn an. Sein Blick war auf einmal todernst. Noch immer verstand ich nicht, was er auf einmal von mir wollte. Er konnte unmöglich wissen, dass seit zwei Monaten in ihn verliebt war. Das wussten nur ich und Hikari, eine gute Freundin von mir, die aber eine andere Schule besuchte. Kaito sah mich weiterhin todernst an. „Hör auf, mich so bitterernst anzustarren. Du siehst schon aus, wie meine Mutter.“ Auch das schien keine Wirkung zu heben. Langsam wurde ich nervös. Wollte er nicht mehr mit mir befreundet sein? Ich senkte meinen Blick und starrte auf den Boden. Eine Weile sagte keiner von uns ein Wort. Plötzlich packte Kaito mich an den Schultern. Erschrocken riss ich die Augen auf und starrte ihn an. Nach einer Weile hatte ich mich wieder etwas beruhig. „Du bist also nicht in mich verliebt.“ Wieder riss ich meine Augen weit auf. „W- was?“ „Liebst du mich?” Mein Herz fing an, zu rasen. Ich konnte keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen, hatte angst, meinen besten Freund zu verlieren. „Nein... ...ich... ...eh-“ „Dann ist es also wahr! Warum hast du es nicht gesagt?!“ Kaito schrie mich an. Nur mit Mühe konnte ich meine Tränen noch zurückhalten. „Ich- ich...“ „Sag endlich.“ „Ich wollte die Freundschaft nicht ruinieren.“ „Zu spät! Das hast du schon gemacht.“ Mit diesen Worten drehte er sich weg und ging. „Warte!“ Ich schrie ihm hinterher. „Und ich dachte, du würdest mir vertrauen.“ Plötzlich begriff ich. Hikari, eine meiner besten Freundinnen, hatte es ihm gesagt, hatte mich verraten. Die Tränen, die ich vorher noch geradeso zurückhalten konnte, liefen mir jetzt über das Gesicht. Azarni kam auf mich zugelaufen und grinste mich höhnisch an. Hatte sie mich und Kaito beobachtet. Hoffentlich nicht. „Das war ja eine peinliche Vorstellung. Hab mich schon gewundert, wie Kaito es so lange mit dir ausgehalten hat. Na ja, ist jetzt eh egal.“ Innerlich kochte ich vor Wut, konnte mich nicht mehr beherrschen. Azarni wickelte ihr kurzes blondes Haar um einen ihrer Finger. „Viele sind in Kaito verliebt. Er ist einfach cool. Aber von dir hätte ich das nicht erwartet.“ Jetzt hatte ich vollständig die Beherrschung verloren. Alles war mir egal, ich wollte einfach nur noch meine Ruhe, wollte einfach nur noch allein sein. „HAU AB! LASS MICH ENDLICH IN RUHE!“ Ich schreckte auf. „Ren!“ Kaito hatte sich besorgt über mich gebeugt. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich in meinem Bett lag. Jetzt erinnerte ich mich wieder an die Details, weswegen ich Kaito nicht mehr sehen wollte. Damals hatte Azarni es in der ganzen Schule herumerzählt. Drei Wochen lang hatten sich meine Klassenkameraden über mich lustig gemacht, wie blöd ich doch war, vor allem die Mädchen. Wahrscheinlich hatte ich deshalb auch mehr Jungs zum Freund, als Mädchen. Zu dieser Zeit hatte ich mich dann mit Isamu und Naoki angefreundet. Seitdem hatte ich weder Kaito noch Hikari jemals wieder getroffen. Immer war ich ihnen aus dem Weg gegangen. „Geht es dir nicht gut? Hast du schmerzen? Soll ich einen Arzt holen.“ Kaitos besorgte Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Nein, geht schon.“ Ich wollte mich aufrichten. Nur leider hatte ich inzwischen vergessen, wie stark meine Verletzungen schmerzten. Kurz keuchte ich auf, bevor ich Kaito direkt in die Arme fiel. Zu meiner Überraschung trug er mich zurück ins Bett und deckte mich wieder zu, ohne ein Wort zu verlieren. Fragend sah ich ihn an. „Die Verletzung an deinem Arm hab ich behandelt. Ich hoffe du bist nicht böse, dass ich dir den Ärmel von deinem Pullover abschneiden musste. Um die restlichen musst du dich selbst kümmern, da hab ich mich nicht rangetraut.“ Schwach lächelte ich. Irgendwie erinnerte mich das an alte Zeiten. Kaito beugte sich über mich und sah mir noch einmal kurz in die Augen. „Ich muss wieder gehen. Ich hoffe, du kommst allein zurecht.“ Ich lächelte. „Wird schon schief gehen.“ Plötzlich spürte ich seine Lippen auf den meinen. Geschockt riss ich meine Augen auf. Mein Herz raste bis zum Hals. Aber noch bevor ich irgendetwas dagegen unternehmen konnte, was er auch schon verschwunden. Kapitel 5: Unerwartete Hilfe ---------------------------- Inzwischen waren fast sechs Tage vergangen. Die Schmerzen, besonders in meinem linken Oberarm, hatten etwas nachgelassen, aber nur ein kleinwenig. Gerade war ich auf dem Weg zum Kühlschrank, um mir eine Flasche Saft zu holen. Die ganze Zeit hatte ich mich nur von Saft und Wasser ernährt, hatte einfach keinen Bissen runter bekommen. Zum einen wegen der Schmerzen und zum anderen, weil mir jedes mal übel wurde, wenn ich daran dachte, dass Kaito mich geküsst hatte. Noch nie war ich so wütend auf eine einzelne Person gewesen. Der Streit mit Yayoi war gar nichts im Vergleich dazu! Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Was glaubte er, wer er sei? Klar, Kaito sah gut aus und die Mädchen liefen ihm reihenweise hinterher, aber das war noch lange keine Entschuldigung! Wäre das nicht mein erster Kuss gewesen, könnte ich ihm vielleicht irgendwann einmal verzeihen, aber so nicht! Eigentlich hasste ich nicht ihn dafür, sondern mich selbst. Warum hatte ich diesen Kuss nicht verhindert? Ich hätte einfach nur meinen Kopf wegdrehen müssen oder ihm eine saftige Ohrfeige verpassen. Aber nein, was habe ich gemacht? Gelächelt und dann die Augen geschockt weit aufgerissen! Das war peinlich, einfach nur peinlich! „Ich Idiot!“ Jetzt konnte ich Kaito wirklich nicht mehr unter die Augen treten. Aber warum hatte er mich eigentlich geküsst? Wollte er sich über mich lustig machen? Bestimmt! Kurz stützte ich mich an der Tür des Kühlschrankes ab. Mir war auf einmal ganz schwindlig. Noch immer spürte ich ein leichtes Schwindelgefühl, während ich lief. Ab und zu wurde es aber auch so schlimm, dass ich befürchtete ich würde gleich zusammenbrechen. Morgen hatte ich als in der ersten Stunde Sport. Vielleicht sollte ich doch nicht in die Schule gehen. Aber dann würde der Neue vielleicht Verdacht schöpfen. Ob es auffiel, wenn ich behauptete, die Treppe runtergefallen zu sein? Oder sollte ich ‚aus versehen’ den ersten Bus verpassen und eine Stunde später kommen? Das war wohl die beste Lösung. Mit etwas Glück würde keiner etwas bemerken. Ich öffnete den Kühlschrank. Alles leer. Es war kein Saft mehr im Haus. Die restlichen Lebensmittel waren schon seit einer Woche aufgebraucht. Seufzend schloss ich ihn wieder. Jetzt musste ich wohl oder übel einkaufen gehen. Draußen schneite es nicht mehr, zum Glück, aber kalt war es trotzdem noch. Dabei war es jetzt schon Anfang März. Langsam musste der Schnee doch mal schmelzen! Halb erfroren erreichte ich das Lebensmittelgeschäft. Ich steckte einen Euro in den Einkaufswagen und betrat das Gebäude. Besagter Wagen füllte sich schneller, als mir lieb war. Es gab so vieles, was gekauft werden musste und ich kaufte wirklich nur das allernötigste. Vielleicht hätte ich doch besser meiner Mutter nachgeben und eine Haushälterin einstellen lassen. Darüber musste ich mit Saya reden, sobald sie wieder zurück war. Immerhin war das ganze zum Großteil ihr Verdienst. „Womit hab ich das nur verdient? Warum muss meine kleine Schwester nur so ein Vielfrass sein?“ „Redest du von Aoi? Das sieht man ihr gar nicht an. Wie viel frisst sie denn pro Tag?“ „Saya mag es nicht, wenn man sie bei ihrem zweiten Vornamen nennt.“ „Ich weiß.“ Moment mal! Mit wem redete ich da überhaupt? Rückartig drehte ich mich um und blickte ausgerechnet in zwei dunkelblaue Augen. „´Daisuke, was machst du denn hier?“ „Einkaufen, was denn sonst.“ Stimmt ja, wir waren in einem Supermarkt. „Und du?“ Daisuke sah mich gespielt neugierig an. „Ich suche was zu essen, bevor ich noch verhungere. Wir haben seit einer Woche nichts essbares mehr im Haus.“ „Und da hat Aoi noch nicht randaliert?“ „Nenn sie lieber nicht so, sonst bist du tot. Saya ist mit dem Kendoclub unterwegs.“ „Ach so, das erklärt alles.“ Gleichzeitig lachten Daisuke und ich los. Wären wir nicht unterbrochen worden, hätten wir sicher noch eine Weile weiter gescherzt, aber eine junge, hübsche Frau hatte sich in unser Gespräch eingemischt. „Wenn das nicht Seira Yamamoto ist.“ „Ren!“, kam es gleichzeitig von mir und meinem Klassenkameraden. Die junge Frau beachtete das gar nicht weiter. „Was machst du denn hier? Müsstest du nicht in der Schule sein?“ „Verweis!“, gab ich trocken zur Antwort. Die Frau sah mich geschockt an. „Wieso das denn?“ Ich zeigte auf Daisuke. „Der da und der Neue sind schuld.“ Mir fiel auf, dass ich die Frau eigentlich gar nicht kannte, weshalb ich mich zu Daisuke rüberbeugte und ihm ins Ohr flüsterte: „Wer ist das eigentlich? Kennst du die?“ Er antwortete genauso leise, wie ich gefragt hatte. „DIE ist meine Mutter.“ „Oh... WAAAAS“ Ich stolperte einige Schritte Rückwärts. „Sa- sa- sagtest du gerade-“ Mein Klassenkamerad sah mich beleidigt an. „Sorry.“ Mal wieder war ich in eines der berüchtigten Fettnäpfchen getreten, von dem andere noch nicht einmal wussten, dass diese überhaupt existierten. Warum passierten solche peinlichen Sachen immer nur mir? Ich wendete mich von den beiden ab und lief in Richtung Kasse. Dort bezahlte ich die Lebensmittel und verstaute sie in Einkaufstüten. Jetzt musste ich mir nur noch etwas einfallen lasse, wie ich sie nach Hause bekam. „Ich helfe dir. Allein schaffst du das doch nie im Leben.“ Verwirrt drehte ich mich um und sah Daisuke an. War er mir hinterhergelaufen? Unter anderen Umständen hätte ich abgelehnt, aber im Moment war ich mehr als nur froh, nicht alles allein nach Hause schleppen zu müssen. „Danke.“ Im Augenwinkel sah ich, wie Daisukes Mutter uns beobachtete. So war das also. Sie hatte ihm gesagt, er solle mir helfen. Na ja, konnte mir auch egal sein. Am Ende lief es darauf hinaus, dass er den Großteil des Einkaufes schleppte und ich nur zwei Beutel trug. Schweigend liefen wir nebeneinander her. Es dauerte eine Weile, bis wir ein Gesprächsthema gefunden hatten. „Bist du noch sauer auf mich wegen dem Verweis?“ Gespielt wütend sah ich Daisuke an. „Auf dich nicht, aber Rapunzel kann was erleben, wenn er morgen wieder in die Schule kommt.“ Mein Klassenkamerad schnitt eine Grimasse. „Ich will nicht mit ihm tauschen.“ Jetzt lachte ich. „Würde ich dir auch nicht raten.“ „Und wie willst du dich an Akira rächen?“ Daisuke blickte mich neugierig an, als ob er es nicht erwarten könne, meinen Plan zu erfahren. „Bis morgen fällt mir schon etwas ein. Notfalls kippe ich ihm eine ordentliche Portion Pfeffer aufs Pausenbrot.“ „Langweilig! Lass dir was besseres einfallen. Ich will was spannenderes sehen.“ „Soll ich mich etwa mit ihm prügeln?“ Jetzt prustete mein Einkaufstütenschlepper laut los. „Das würde ich nur zu gern sehen, aber lieber nicht. Du hast keine Chance gegen ihn.“ „Wer Mädchen schlägt ist feige!“ „Der war gut!“ Daisuke war noch immer am lachen. „Aber ich fürchte, das wird ihn nicht weiter interessieren.“ „Hab ich es doch gewusst! Ihr kennt euch! Woher? Zuerst bekam ich keine Antwort, aber gerade als ich das Thema wechseln wollte: „Vor einigen Jahren waren wir beste Freunde.“ Daisukes Stimme klang auf einmal traurig, fast so, als wäre etwas schlimmes passiert. „Waren?“ Ich konnte meine Neugier nicht gerade gut unterdrücken. „Unsere Väter waren gegen die Freundschaft und haben uns verboten, weiter miteinander befreundet zu sein.“ „Oh...“ Schon wieder war ich in ein Fettnäpfchen getreten. Schon wieder war es ausgerechtet mir passiert. „Das ist aber rührend.“ Das kam nicht von Daisuke! Aber von wem dann? Suchend sah ich mich um. „Endlich haben wir dich gefunden!“ Plötzlich standen einige Männer vor uns auf dem schneebedeckten Weg. Ich erstarrte. Sie trugen die gleiche Kleidung wie die Kerle, die mich letzte Woche angegriffen hatten, schienen aber um einiges stärker zu sein, so fühlte es sich wenigstens an. Ein bisschen hatte ich gelernt, zu fühlen, wie viel Kraft mein Gegenüber besaß und sie waren zu stark für mich. Zitternd stolperte ich ein paar Schritte zurück und stellte meine Einkäufe an den Nächstbesten Gartenzaun. Mein Klassenkamerad stand noch immer wie angewurzelt auf einer Stelle. „Daisuke?“ Seine Augen waren weit aufgerissen. Er hatte Angst, große Angst, vor den Personen, die vor uns standen. Erst viel später als ich konnte er sich aus seiner Starre befreien. Auch er zitterte, als er meine restlichen Einkäufe an den Umzäunung des Gartens stellte. Im Gegensatz zu mir ging er sofort in Kampfstellung. Wusste er über diese Kerle bescheid oder war das nur eine Art Reflex? Leider hatte ich keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. „Das ist aber ein süßes Mädchen.“ Einer von ihnen stand plötzlich nur einen Schritt vor mir und starrte mich an. Erschrocken schrie ich auf und schlug wild um mich. Der Fremde wich einige Schritte zurück. „Ich nehme alles wieder zurück. Du bist alles andere als süß.“ „Selber Schuld, wenn du dich nicht benehmen kannst.“ Ein Junge, der eine schwarze Maske trug und schwarz-rotes Haar hatte stand auf einmal zwischen mir und dem Fremden. Vom Aussehen und dem Charakter her ordnete ich ihn den Feinden zu, obwohl ich mir da nicht so ganz sicher war. Plötzlich spürte ich wieder den Schmerz in meinem linken Arm. Während ich wild rumgefuchtelt hatte, war mir das gar nicht aufgefallen. „Autsch!“ Daisuke sah mich erschrocken an. „Ren, bist du verletzt?“ Ich schnitt eine Grimasse. „Das war ich schon vorher. Bin letzte Woche die Treppe runtergefallen.“ Mein Klassenkamerad griff sich gespielt genervt an den Kopf. „Sag das doch gleich!“ „Du hast mich doch nicht gefragt.“ Ich erschrak, als ich auf einmal eine starke Kraft neben mir spürte. Daisuke stand neben mir. War das etwa er? Aber das würde ja heißen... Ich sah ihm ins Gesicht. „Daisuke, wie-“ Plötzlich bemerkte ich, dass seine Augen auch dieses seltsame Leuchten hatten, wie die von Kaito, diesem Morau und dem Neuen, wenn auch um einiges schwächer. Was war hier los? Alle, außer der Junge mit der Maske und dem schwarz-roten Haar griffen uns auf einmal an. Es schien, als sei er der Anführer oder so etwas in der Art. Daisuke ging in Verteidigungsstellung. Einen Angreifer nach dem anderen schlug er mit den Fäusten zurück. Mit dem bloßen Auge konnte ich seinen Bewegungen kaum noch folgen. Dafür war er einfach zu schnell. Aber diese seltsamen Kräfte durfte ich jetzt nicht einsetzen. Daisuke schlug die Angreifer wieder zurück, aber da stürmten die nächsten schon wieder auf uns zu. Das ging jetzt schon mindestens eine Viertelstunde so. Erschöpft sank mein Klassenkamerad neben mir auf die Knie. „Daisuke, alles ok?“ Zu meiner Überraschung hatte er noch nicht einen Kratzer. Also hatten die Feinde keinen Treffer landen können. Nur seine Klamotten waren etwas verschmutzt. „Mist, das sind einfach zu viele!“ Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Es geht wohl nicht anders. Ich muss das Siegel lösen.“ Von was redete er? Siegel? Er hatte ein Siegel? Daisuke schob den Ärmel seiner Winterjacke nach oben und zog sich ein schwarzes Armband vom Arm. Gerade, als ich ihn für verrückt erklären wollte, erschien an der Stelle, wo sich bis vor kurzem noch das Armband befanden hatte ein schwarzer Blitz auf der Haut. Er schloss für einige Sekunden die Augen. Als er sie wieder öffnete, zerbrach der schwarze Blitz in der Mitte in zwei etwa gleich große Teile. Diese wiederum zersprangen in Millionen kleinster Splitter, welche dann nach und nach verblassten. Was war das eben gewesen? Auf einmal spürte ich eine unheimlich starke Kraft direkt neben mir. Es war Daisuke! War er so stark? Bevor ich mich versah, war er wieder auf die Beine gesprungen und in Verteidigungsstellung gegangen. Erneut sprangen die Gegner auf ihn zu. Diesmal bewegte er sich noch schneller. Ich sah nur noch Streifen. Doch auf einmal blieb er stehen. Die Gegner hatten ihn eingekreist und hielten ihm ihre Waffen an die Kehle. Zu meiner Überraschung lächelte Daisuke. „Das nutzt euch bei mir überhaupt nichts.“ Plötzlich sprangen Blitze von seinem Hals auf die Waffen über. Alle Gegner fielen um, alle außer drei. Der rothaarige maskierte Junge und zwei seiner Leute stand noch. Betont langsam lief er auf meinen Klassenkameraden zu. Doch er griff uns nicht an. Statt dessen prüfte er nur am Puls, ob seine Gefolgsleute noch lebten. Die anderen zwei sprangen auf Daisuke zu. Doch bevor er überhaupt in ihrer reichweite war, kamen Blitze auf seinen Händen geschossen. Auch diese beiden sackten zu Boden. „Jetzt sind nur noch wir beide übrig.“ Entschlossen, nicht zu verlieren, sah Daisuke den Fremden an. „So habe ich mir das nicht vorgestellt! Einen schönen Tag noch.“ Er drehte sich um und ging. Seine Leute ließ er einfach liegen. „Warte!“ Ich rannte ihm hinterher. Zu meiner Verwunderung blieb er tatsächlich stehen. „Was willst du?“ „Ist die Haarfarbe echt?“ Sowohl Daisuke als auch der maskierte Fremde verloren das Gleichgewicht und knallten der Länge nach in den Schnee. Mein Klassenkamerad sprang sofort wieder auf und sah mich geschockt an. „Ren, bist du verrückt?“ Jetzt stand auch der andere wieder auf. Neugierig sah ich ihn an. „Jetzt sag schon!“ Er lachte. „Die Haarfarbe ist echt.“ Wenige Sekunden später war er verschwunden. „Ren, du hast echt einen Dachschaden! Man fragt doch seinen Feind nicht, ob er sich die Haare färbt!“ Eingeschnappt sah ich ihn an. „Ich wollte es aber unbedingt wissen!“ Plötzlich gaben Daisukes Knie nach und er sackte zusammen. „Alles ok? Bist du verletzt?“ Ich rannte sofort auf ihn zu. Den schmerz verdrängte ich gekonnt. Besorgt kniete ich mich neben ihn. „Daisuke?“ „Alles ok. Ich bin nur etwas erschöpft. Es ist schon eine Weile her, seit ich diese Kräfte das letzte Mal benutzt habe.“ Erleichtert atmete ich aus. Verdattert sah er mich an. „Sag mal, hast du keine Angst vor mir?“ Etwas verdutzt schüttelte ich den Kopf. „Nein, sollte ich?“ Jetzt lächelte Daisuke. „Vor mir brauchst du keine Angst zu haben, aber vor den anderen.“ Eine Weile sagte keiner von uns mehr ein Wort, bis er die das Schweigen brach. „Was wollten die Kerle eigentlich von dir? Hast du ihnen etwas gestohlen?“ Ich seufzte. Wo sollte ich am besten anfangen, mit dem erklären. In der Mitte oder am Schluss? Der Schluss war wohl das beste. Ich öffnete den Reißverschluss meines Mantels ein Stück und nahm die Kette ab, welche Kaito das Auge der Katze genannt hatte. Dann hielt ich den grünen, schön glänzenden Stein meinem Klassenkamerad direkt unter die Nase. Zuerst sah er mich etwas verwirrt an, bis er realisierte, was ich da in der Hand hielt. Er gab einen erschrockenen Laut von sich und stolperte einige Schritte rückwärts. „Das- das ist doch-“ Ich unterbrach ihn. „Ihr nennt es das Auge der Katze, richtig?“ Langsam fasste sich Daisuke wieder. „Wo hast du das her?“ „Weiß auch nicht so richtig. Ich hatte es auf einmal in der Hand. Ist das Ding irgendwie wertvoll?“ „WAAAS?! Weißt du überhaupt, was du da in der Hand hältst?“ „Nicht so richtig wirklich.“ Daisuke seufzte. „Ich weiß eigentlich auch nicht, was das genau ist. Aber es ist unheimlich wertvoll. Wie bist du da rangekommen?“ „Hab ich doch schon gesagt. Ich weiß es nicht. Von einer Sekunde zur anderen hatte ich das Teil in der Hand!“ Einige Sekunden war es sagte keiner ein Wort. Es war so still, dass man es gehört hätte, wäre eine Stecknadel zu Boden gefallen. Hatte ich gerade eben etwas falsches gesagt? Ich sah, wie mein Klassenkamerad mich anstarrte, sämtliche Gesichtszüge waren ihm entglitten. Die Augen und den Mund hatte er weit aufgerissen. „Da- Daisuke?“ Kapitel 6: Das Auge der Katze ----------------------------- „Da- Daisuke?“ Er reagierte nicht. Statt dessen riss er mir den Stein aus der Hand uns starrte ihn ungläubig an. Eine Weile beobachtete ich das. Doch nach etwa einer Viertelstunde hatte ich genug. „Wie lange hast du noch vor, die Kette anzustarren?“ Er zuckte zusammen. „Eh- was?“ Ich seufzte. So langsam wurde mir kalt. „Du kommst jetzt mit zu mir und erzählst mir, was das für ein Stein ist!“ Zu meiner Verwunderung widersprach Daisuke nicht. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen nahm er die Einkaufstüten, diesmal alle, und lief los. Eine weile ging ich schweigend neben ihm her und beobachtete ihn. Sein Gesichtsausdruck war ernst, zu ernst für ihn. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Aber was? Es hatte mit dem Auge der Katze zu tun, welches ich besaß, so viel wusste ich. Bei mir zu Hause angekommen schloss ich die Tür auf. „Stell die Einkäufe einfach in die Küche. Ich räume sie später weg.“ „Ok.“ Ich setzte mich in der Küche auf den nächstbesten Stuhl.„Also. Was genau ist jetzt das Auge der Katze?“ Daisuke seufzte, bevor er auf dem Stuhl, meinem gegenüber, Platz nahm. „Ganz genau weiß ich es auch nicht. Ich hab bis jetzt nur Sagen von ihm gehört. Alles, was ich die sagen kann ist, dass es eine sehr mächtige Waffe ist. Früher war es im Besitz der Familie, die eine andere Welt regierte. Es wurde von Generation zu Generation weitergegeben und gehütet wie ein Schatz. Bekam es ein Feind in die Hand, so wurde dieser zum Herrscher. Starb aber der rechtmäßige Besitzer, so bekam einer seiner Nachfahren das Auge. Vor fast dreihundert Jahren verschwand es dann spurlos mit dem damaligen Herrscher. Es wird behauptet, dass es etwa fünfzig Jahre später noch einmal im Besitz einer jungen Frau gesehen wurde. Ob das stimmt, weiß ich nicht.“ Das hatte ich schon einmal gehört. „Meinst du Seira?“ „Ja genau, so hieß die Frau. Sie-“ Daisuke stockte und sah mich geschockt an. „Woher?“ Ich seufzte. „Kaito hat so etwas in der Art erwähnt.“ „Er weiß also von dem Auge?“ Zögerlich nickte ich. „Er und jemand, der sich Morau nennt.“ Daisuke fuhr fort: „Es muss irgendetwas mit den Genen zu tun haben. Nur ein direkter Nachkomme der damaligen Kaisern kann es bekommen. Du bist also ein direkter Nachkomme des vor fast 300 Jahren verschwundenen Herrschers.“ Gespannt sah ich meinen Klassenkamerad an. Alte Geschichten hatten mich schon immer fasziniert und jetzt befand ich mich mitten in einer! Plötzlich fiel mir etwas ein. Der Neue hatte Dienstag früh von fünf Kaisern geredet. Daisuke wusste vielleicht etwas darüber. Ich beschloss, ihn zu fragen. „Wer sind die fünf Kaiser?“ „Als der Herrscher verschwand wurde das Land unter den fünf mächtigsten des Adels aufgeteilt. Sie beherrschen Wasser, Feuer, Wind, Erde und Elektrizität. Die fünf Familienoberhäupter nennen sich die fünf Kaiser. Zwischen ihnen herrscht seit Generationen Hass und Feindschaft.“ „Dann ist Rapunzel ja-“ Daisuke nickte. „Sein Vater ist einer dieser Fünf, das Wasser. Akira wird irgendwann den Platz seines Vaters einnehmen.“ Das erklärte einiges. „Deshalb ist er also so arrogant!“ Daisuke lachte los. „Das sind wohl die meisten von ihnen.“ „Und wer sind die anderen vier?“ „Wind ist Kaitos Vater und Erde der von diesem Morau. Feuer kenne ich nicht. Ich weiß nur, dass der Sohn in unserem Alter sein muss und Yuuki heißt. Elektrizität war mein Vater.“ Überrascht starrte ich Daisuke an. Hatten ihre Väter deshalb die Freundschaft von ihm und dem Neuen zerstört. Moment mal: „War?“ „Er ist tot. Sein jüngerer Bruder, mein Onkel, hat ihn umgebracht, aus Machtgier. Mich wollte er ebenfalls töten. Deshalb ist meine Mutter mit mir geflohen. Hier her, in diese Welt. Danach hat sie meine Kräfte versiegelt, damit ich nicht weiter auffalle.“ Mein Klassenkamerad hatte seine Hände zu Fäusten geballt. Es fiel ihm schwer, darüber zu sprechen. „In der anderen Welt glauben sie, ich sei tot.“ Deshalb hatte der Neue so reagiert, als er Daisuke gesehen hatte. Auch die komische Antwort, die er daraufhin bekommen hatte, wurde auf diese Weise erklärt. Langsam verstand ich Daisuke besser. Er war nicht der idiotische Typ, der sich jeden Abend mit Kumpels traf und ein Bier nach dem anderen soff. In Wirklichkeit versuchte er nur, ein normales Leben zu führen. Es schien, als hätte er noch immer nicht mit seiner Vergangenheit abschließen können. „Tut mir Leid, dass ich dich da mir reingezogen hab...“ „Schon okay. Aber bitte sag meiner Mutter nichts davon. Sie macht sich schon genug Sorgen.“ „Okay.“ „Diese andere Welt... Wie komme ich eigentlich da hin?“ „Das Auge der Katze dürfte in der Lage sein, ein Tor zu öffnen.“ „Ach so...“ Eine Weile schwiegen wir uns an. „REN!“ Ich zuckte zusammen und starrte meinen Klassenkamerad geschockt an. „W- was ist?“ „Du bist die rechtmäßige Herrscherin. Was wirst du tun?“ Eine Weile überlegte ich. „Ich weiß nicht. Kaito und dieser Morau versuchen mit aller Macht, mich davon abzuhalten. Das muss einen Grund haben. Ich will herausfinden, was sie verheimlichen.“ „Das meine ich nicht.“ „Was denn dann?“ Daisuke sah mich ernst an. „Wirst du dein Erbe antreten.“ „Ach so. Stimmt, so kann das auch gemeint sein.“ „REN!“ „Was ist?“ Daisuke atmete einmal tief ein. Wahrscheinlich wollte er sich beruhigen, damit er mich jetzt nicht anschrie. Wie in Zeitlupe stand er auf und stellte sich direkt vor mich. Dann antwortete er betont ruhig: „Willst du dein Erbe antreten?“ Eine Weile überlegte. Eine Herrscherin wollte sich definitiv nicht werden, aber andererseits konnte ich das Auge der Katze auch nicht einfach weggeben. Augen zu und durch. „Ich weiß nicht, vielleicht.“ Daisuke ging vor mir auf die Knie und verneigte sich. Etwas verwirrt starrte ich ihn an. Musste ich wissen, was er vorhatte? „Hiermit erkenne ich dich als die neue Herrscherin an und gelobe, dir immer treu zu dienen, dich nie zu hintergehen und stets an deiner Seite zu kämpfen. Ich-“ „STOPP! Hör auf! Ich habe nie gesagt, dass ich Herrscherin werden will!“ Er sah mich ernst an. „Ren, hör mir zu! Das ist nicht so einfach, wie du vielleicht denkst. Ich habe genau zwei Möglichkeiten. Erstens: Ich erkenne dich als Herrscherin an und diene dir auf ewig oder Zweitens: Ich erkenne dich nicht an und versuche, dich zu töten, oder deine Platz einzunehmen.“ Ich seufzte. „Trotzdem! Du brauchst nicht so einen Zirkus draus zu machen. Und jetzt steh endlich wieder auf!“ Eine Weile sah ich ihn beleidigt an, bis mir etwas einfiel. „Sag mal... Kann ich dir eigentlich jetzt Befehle geben?“ Zögerlich nickte er, auf das schlimmste gefasst. Ich konnte in dem Moment einfach nicht anders. Gespielt gehässig sah ich ihn an. „Dann mach deine Hausaufgaben, lern für die Schule, damit du einen Durchschnitt von besser als 2,5 bekommst und besuche nach der 10, Klasse für das Abitur das gleiche Internat wie ich. UND STEH ENDLICH WIEDER AUF“ Während ich das sagte, sah ich, wie seine Augen immer größer wurden und sein Gesicht immer ausdrucksloser, bis es dann zu geschockt und fassungslos wechselte. Und dann endlich stand er wieder auf, mich immer noch fassungslos anstarrend. „War das eben dein Ernst?“ Nachdrücklich nickte ich. Seufzend ließ er sich auf seinen Stuhl fallen. „Auf was hab ich mich da nur eingelassen?! Was willst du eigentlich in einem Internat?“ „Ich will einfach nur mal für einige Zeit weg von zu Hause. Und das ist die einzige Möglichkeit, wo meine Eltern sich keine unnötigen sorgen machen.“ „Aha.“ „Wag es nicht morgen ohne Hausaufgaben in die Schule zu kommen!“ Daisuke seufzte. „Sklaventreiber!“ „Ich sorge nur für deine Zukunft!“ Ich beschloss, es sei besser, das Thema zu wechseln. „Aber morgen in der Schule verhältst du dich wie immer, oder?“ Mein Klassenkamerad und neuer Freund nickte. Erleichtert atmete ich aus. Das brachte Daisuke dazu, loszulachen. Würde er sich in der Schule aufführen wie gerade eben, wüssten alle aus der anderen Welt sofort, dass ich das Auge besaß. Und alle anderen würden sich totlachen. Das wäre extrem peinlich. „Der Neue, Rapunzel, was will er eigentlich hier?“ Sofort verstummte sein Lachen und sein Blick wurde todernst. „Akira sucht nach dem Auge der Katze. Sein Vater will um jeden Preis der Herrscher werden. Es ist besser, du sagst ihm nicht, dass du es besitzt.“ Zögerlich nickte ich. Das war wahrscheinlich das beste. Ich hing an meinem Leben und wollte noch nicht den Löffel abgeben. „Daisuke?“ Verwundert sah er mich an. „Vorhin... Du kannst doch kämpfen... Kannst du mir das beibringen?“ Er nickte. „Was würdest du denn lieber lernen? Schwertkampf oder Kampf ohne Waffen?“ Das war eine gute Frage. Ich überlegte. Mit Schwert konnte ich mich sicher besser verteidigen, aber ich könnte es nicht immer bei mir tragen. „Beides. Schwertkampf geht nicht, wenn ich das Schwert nicht bei mir habe.“ Mein Klassenkamerad nickte. „Habt ihr in euerem Haus einen leeren, großen Raum mit möglichst hoher Decke?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber hinter unserem Haus steht ein altes Dojo. Es ist nur ziemlich verfallen. Ich müsste es vorher sanieren lassen.“ Begeistert sah mich Daisuke an. „Das wäre super. Also du sorgst dafür, dass wie so schnell wie möglich in das Dojo können und ich besorge Waffen zum trainieren. Bis dahin bringe ich dir die Grundlage der Selbstverteidigung bei.“ Dankbar sah ich ihn an. „Und das geht wirklich in Ordnung?“ „Von mir aus können wir sofort anfangen.“ Ich wollte gerade zustimme, als mir einfiel, dass ich erst warten musste, bis meine Verletzungen etwas besser verheilt waren. „Könnten wir damit noch etwas warten? Jetzt wäre nicht so gut, glaube ich.“ Ich zog meine Strickjacke, die ich anstatt eines Pullovers trug aus und saß jetzt in Top und Jeans vor Daisuke. Unter dem Top sah man Verbände, welche die ganzen Schnittwunden verdeckten. Nur die kleineren hatte ich nicht verbunden. Daisuke beugte sich zu mir rüber. „Die Schnitte stammen von einem Schwert. Du bist nicht die Treppe runtergefallen!“ Langsam nickte ich. „Sie sind also schon hinter dir her...“ Ich nickte wieder. „In zwei Wochen dürfte es soweit verheilt sein. Dann trainier ich dich. Bis dahin, achte darauf, dass du nie irgendwo allein bist. Solange viele Menschen um dich herum sind, werden sie wahrscheinlich nicht angreifen. Ich versuche, so oft wie möglich in deiner Nähe zu sein, um dich zu beschützen, aber gegen mehr als einen der fünf Kaiser oder zwei der Söhne habe selbst ich keine Chance.“ Wieder nickte ich. „Morgen früh verpasse ich den ersten Bus, damit ich nicht Sport mitmachen muss.“ Daisuke nickte. „Ich geh dann mal kurz meine Sachen holen. Für die nächste Zeit bleibe ich hier, nur zur Sicherheit. Sie könnten dich jederzeit wieder angreifen.“ „Ok.“ Nach etwa einer halben Stunde war Daisuke wieder da. Ich quartierte ich fürs Erste im Gästezimmer ein, wo er auch gleich begann, seine Sachen auszupacken. Während Daisuke sich das Zimmer anrichtete, ging ich zurück in meines und ließ mich erschöpft auf das Bett fallen. Endlich ließ das schwache Schwindelgefühl, welches ich den ganzen Tag gehabt hatte wieder nach und verschwand nach ein paar Minuten wieder. Den ganzen Tag über hatte ich kein einziges mal in den Spiegel gesehen. Ich wusste, was mich dort erwarten würde. Durch das viele blut, welches ich verloren hatte sah ich jetzt blass aus, fast wie eine Leiche. Ob ich morgen den ganzen in der Schule Tag durchhielt. Notfalls konnte ich mich auch einfach nach Hause schicken lassen. So blass wie ich im Moment war, kaufte es mir sicher jeder ab, wenn ich behaupten würde, mir ginge es nicht so gut, ich sei krank. Ohne es zu merken, schlief ich an diesem Abend ein. Kapitel 7: Woran man gute Freunde erkennt... -------------------------------------------- „Hey, Ren, aufwachen.“ „Nur noch fünf Minuten.“ Müde zog ich mir die Bettdecke über den Kopf. „In zehn Minuten fährt unser Bus!“ Ruckartig sprang ich auf. Dadurch setzte das Schwindelgefühl wieder ein. Ich taumelte einige Schritte zur Seite, bevor mich Daisuke auffing und zurück auf das Bett setzte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich noch meine Klamotten von Gestern trug. Ich musste wohl einfach eingeschlafen sein. Auf einmal lachte Daisuke ohne Vorwarnung los. „War nur ein Scherz. Der Bus zur ersten stunde fährt in zehn Minuten Wir haben noch knapp eine Stunde Zeit.“ Wütend warf ich mein Kopfkissen nach meinem Klassenkameraden. Er hatte mich reingelegt! Doch dann fiel mir etwas ein. „Musst du nicht jetzt in die Schule?“ „Ich soll dich allein lassen? Am besten, ich schaufle dir vorher noch dein Grab aus. Welchen Grabstein hättest du denn gerne?“ „Schon gut, ich hab’s kapiert! Und jetzt raus, ich will mich umziehen!“ Immer noch lachend verließ Daisuke mein Zimmer. Etwas taumelnd lief ich zum Kleiderschrank, griff mir eine neue Jeans das erstbeste Top und eine weite Jacke. Dann zog ich mich um. Nachdem ich mir die Haare gekämmt und mich geschminkt hatte, ich war immer noch blass wie eine Leiche, packte ich meinen Ranzen und spazierte in die Küche. Mein Klassenkamerad saß schon am Tisch und frühstückte. Ich setzte mich dazu, trank aber nur ein Glas Milch. Dann schmierte ich mir in Ruhe meine Pausenbrote und stopfte sie zusammen mit einer Flasche Wasser in den Ranzen. Danach setzte ich mich wieder an den Tisch und beobachtete, wie sich der Sekundenzeiger in der Uhr langsam von der Stelle bewegte. Es dauerte noch etwa eine halbe Stunde, bis endlich der Bus fuhr. Seufzend ließ ich meinen Kopf auf den Tisch sinken und schloss für einen Moment die Augen. „Schlaf nicht wieder ein!“, ermahnte mich Daisuke gespielt streng. „Ach, halt die Klappe. Ich schlaffe wann ich will, wo ich will und wie lange ich will!“ „Wenn du den nächsten Bus verpasst, fällt es auf, dass du die Schule schwänzt.“ „Na und?!“ Noch immer sah ich meinen Gesprächspartner nicht an. Meine Augenlieder sahen von innen viel interessanter aus. „Hey! Du bist nicht die einzige, die dafür Ärger bekommt. Denk doch auch mal an die Leute um dich herum!“ Damit meinte er sich. „Sorry, war nicht so gemeint.“ Ich hob meinen Blick wieder und sah ihn an. Auf seinem Gesicht war ein breites Grinsen zu sehen. Er hatte mich schon wieder reingelegt. Eingeschnappt streckte ich ihm die Zunge heraus. Dann stand ich ohne ein weiteres Wort zu sagen auf, zog mir meinen Wintermantel und die Winterstiefen an, verließ das Haus und ging in Richtung Bushaltestelle. Daisuke folgte mir. An der Bushaltestelle mussten wir noch etwa zehn Minuten warten, bis das Linienfahrzeug endlich eintrudelte. Eine sehr lange Zeit für mich, sonst musste der Busfahrer immer auf mich warten. In der Schule angekommen, wurden wir gleich zum Direktor bestellt. Daisuke durfte sich eine Moralpredigt anhören. Ich dufte wieder gehen, unter der Begründung: Einmal sei keinmal. Genervt ging ich durch die Flure zum Deutschzimmer. Kaum hatte ich es betreten und mich auf meinen platz gesetzt, hatte Isamu sich auch schon zu mir umgedreht. „Na Ren, heute hast du den Bus aber nicht mehr geschafft.“, meinte er besserwisserisch. „Ich hab verschlafen!“ Es war zwar gelogen, aber ich wollte meine Freunde nicht mit in die Sache hineinziehen. Als ich einen Blick zu Naoki warf, stellte ich fest, dass er, wie immer eigentlich, gerade schlief. Seufzend ließ ich mich auf meinen Platz fallen. „Was macht Naoki eigentlich immer Nachts, dass er in der Schule so müde ist?“ Isamu zuckte mit seinen Schultern. „Keine Ahnung. Musst du ihn schon selbst fragen.“ Im Augenwinkel sah ich, dass der Neue mich kritisch beobachtete. Was hatte er jetzt schon wieder zu meckern? Die Deutschlehrerin betrat das Zimmer. „In den heutigen zwei Stunden machen wir eine Gruppenarbeit. Bitte findet euch zu Gruppen mit je 4 Personen zusammen.“ Isamu zeigte zuerst auf sich, dann auf seinen schlafenden Banknachbarn, dann auf mich. „Mit wem machen wir noch? Ich geh mal davon aus, dass es nicht Yayoi sein wird.“ In diesem Moment kam Daisuke in das Zimmer. Ich winkte ihm zu. „Daisuke, hier her!“ Isamu sah mich geschockt an. „Das ist nicht dein Ernst? Du willst mit dem in einer Gruppe arbeiten?“ Ich sah meinen Klassenkameraden unschuldig an. „Ja. Wieso nicht?“ „Du schuldest ihm noch etwas...“, murmelte Isamu leise. Woher wusste er das? Ich setzte ein schiefes Lächeln auf. „Er hat mir gestern das Leben gerettet.“ Daisuke, Isamu und dem Neuen entglitten die Gesichtszüge. Jetzt konnte ich nicht mehr. Laut prustete ich los. „Hätte ich die ganzen Einkäufe allein nach Hause schleppen müssen, wäre ich danach hundertprozentig tot umgefallen.“ Eine Weile starrten die drei mich verwirrt an, doch dann stimmte Isamu in das Lachen mit ein. Freundschaftlich klopfte er Naoki auf die Schulter. „Unser Chef hat so entschieden. Auf gute Zusammenarbeit.“ Verdutzt sah ich Isamu an. Hatte ich etwas verpasst? Seit wann war ich denn hier der Chef? Bei Gelegenheit würde ich darauf zurückkommen. Es klingelte zum Unterricht. Wir schoben zwei Bänke zusammen und warteten auf unsere Aufgabenstellung. Naoki schlief noch immer, weshalb Daisuke kurzerhand aufstand, das Fenster öffnete, etwas Schnee auf seine Hände verlud und diesen dem schlafenden jungen in den Pullover steckte. Sofort war Naoki hellwach. Wütend starrte er Daisuke an, dieser lachte nur, genau wie Isamu und ich. Die Gruppenarbeit verlief ohne größere Zwischenfälle. Naoki war bereits nach zehn Minuten wieder eingeschlafen. Am Ende der zweiten Stunde waren wir fertig. Wir stellten die Bänke wieder zurück und verließen das Zimmer. Als nächstes hatten wir Chemie, mein Lieblingsfach. Aber zuvor war Hofpause, leider. Nicht einmal bei Schneesturm ließ die Schulleitung diese ausfallen. Murrend folgte ich meinen Freunden auf den Pausenhof. Doch dann sah ich, wie der Neue sich vom Schulgelände schlich. Unauffällig folgte ich ihm. Ich war eben neugierig, da konnte ich nichts dafür. Er unterhielt sich mit Daisuke. Die beiden stritten. Leider konnte ich kein Wort verstehen. „Na, macht es Spaß, andere Leute auszuspionieren?“ Ich erschrak. Wütend sah ich Isamu an. „Idiot. Ich bin nur neugierig!“ Erst jetzt bemerkte ich, dass Naoki auch hier war. Ausnahmsweise war er hellwach. Warum? Ein Luxuswagen hielt direkt vor dem Neuen. Ein älterer Mann und eine ältere Frau, sie trugen teuere Kleidung, stiegen aus. Zuerst begrüßten sie Rapunzel freudig, doch als sie Daisuke sahen, wurde ihre Blicke kalt wie Eis. Ich schlich mich weiter heran, um verstehen zu können, worüber sie sprachen. „Akira, was glaubst du warum du hier bist? Du sollst das Auge der Katze finden, damit dein Vater den Thron besteigen kann.“, sagte die Frau. Ich erstarrte. Das bedeutete Ärger, eine Menge Ärger. Hoffentlich fand er nicht heraus, dass ich diesen Gegenstand besaß. „Ich weiß. Bis jetzt habe ich noch nicht die geringsten Anzeichen auf es gefunden.“, erklärte der Neue. Innerlich atmete ich erleichtert aus. Ich war also noch nicht negativ aufgefallen. Der Vater warf einen abschätzenden Blick auf Daisuke. „Und was hast du hier verloren?! Hat dein Vater dir nicht verboten, dich auch nur noch einmal mit meinem Sohn zu treffen?“ Mein Klassenkamerad starrte auf den Boden. „Er ist tot.“ Im Augenwinkel sah ich, wie Naoki und Isamu erschrocken zusammenzuckten. Sie hatten das also noch nicht gewusst. „Aha, und nur weil er tot ist, machst du, was du willst?!“ Der Mann sah Daisuke aufgebracht an. Er zog einen grünlich glänzenden Steil aus seiner Hosentasche und hielt ihn direkt auf Daisuke. Dieser riss seine Augen geschockt auf, bevor er in die Knie ging. Der Neue starrte ihn an. „Ich dachte, deine Kräfte seien versiegelt...“ „Ich musste das Siegel gestern lösen.“, gab Daisuke zur Antwort. Naoki sah den Stein ernst an. „Das ist schlecht. Allein schafft er das nicht.“ Ich blickte ihn perplex an. Er wusste mehr, als er zugab. „Was ist das für ein Stein und was macht er mit Daisuke?“, fragte ich ernst. Naoki antwortete nicht. Mir wurde es zu viel. Ohne über eventuelle Konsequenzen nachzudenken, verließ ich mein Versteck und lief direkt auf die Familie und meinen Kumpel zu und stellte mich neben Daisuke. Wütend starrte ich den Mann an. Doch diesem schien das völlig egal zu sein. Isamu und Naoki waren mir gefolgt. Beide sahen mich ärgerlich an. „Hast du sie noch alle, Ren?“, schrie Naoki, „Du kannst doch nicht einfach-“ Wütend unterbrach ich ihn. „Du siehst doch, dass ich kann, oder?“ Der Mann richtete den Stein auch auf uns. Plötzlich spürte ich stechenden Schmerz, im ganzen Körper. Meine Beine begannen, zu zittern. Im Augenwinkel sah ich, dass Isamu und Naoki schon auf die Knie gesunken waren. Warum? War der Stein Schuld daran? Wahrscheinlich. Aufgebracht starrte ich Rapunzels Vater an. „Nehmen sie auf der Stelle das Ding runter!“ Der Neue starrte mich ungläubig an. „Du kannst noch stehen?“ Dann wandte sich sein Blick zu Daisuke. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich Besorgnis in seinen Augen? Machte er sich Sorgen um ihn? Die Schmerzen wurden immer stärker. Lange konnte ich mich nicht mehr auf den Beinen halten. Zornig sah ich den Neuen an. „Was ist das für ein seltsamer Stein und was hat er mit meinen Freunden gemacht?“ Er zeigte keinerlei Reaktion. Noch immer starrte er Daisuke an. Seine Besorgnis um ihn war jetzt etwas deutlicher zu erkennen. Aber er griff nicht ein. Warum? Wüten holte ich mit der Hand aus und knallte ihm eine. ‚Klatsch!’ Der Neue starrte mich geschockt an, sagte aber nichts. Auch seine Eltern schienen fassungslos zu sein. „Du Idiot!“, schrie ich ihn an, „Ich sehe doch, dass du dir Sorgen um Daisuke machst, also warum hilfst du ihm nicht? Wart ihr nicht mal beste Freunde?! So viel kann er dir dann ja auch nicht bedeutet haben, wenn du jetzt nur zusiehst, wie er leidet, anstatt ihm zu helfen!“ Fassungslos starrte er mich an. „Du-?“ Ich reagierte nicht weiter darauf, sondern wendete mich an seinen Vater. „Jetzt nehmen sie schon endlich das Ding runter!“ Ich wollte nicht, dass meine Freunde weiter unter diesen Schmerzen zu leiden hatten. Der Stein musste weg, jetzt sofort. Warum konnte ich nichts gegen ihn unternehmen? Irgendeine Möglichkeit musste es einfach geben! ‚Krack!’ Ein großer Riss entstand auf dem Stein. Die Schmerzen ließen etwas nach, waren aber immer noch vorhanden. War ich das eben gewesen? Ich wusste es nicht, aber das war auch jetzt egal. Meine Freunde waren wichtiger. „U- unmöglich!“. Stotterte der Mann, während er mich entsetzt ansah. „Dieser Stein ist unzerstörbar! Wie hast du-?“ Also war ich es tatsächlich gewesen... Mein Blick richtete sich auf den Mann. „Mir reicht es langsam, nehmen sie endlich den Stein runter!“ Dann wandte ich mich an den Neuen. Auch er starrte mich fassungslos an. Dann sah er wieder zu Daisuke. Es hatte den Anschein, als würde er mit sich kämpfen, ob er ihm helfen sollte oder nicht. „Flasche!“, stur starrte ich ihn an. „Wie kann man nur so feige sein?!? Hat dir die Freundschaft wirklich so wenig bedeutet?“ Rapunzel schluckte schwer. Er schien wirklich mit sich zu ringen. „Ich-“ „Akira!“, schrie in diesem Moment der Vater. Sofort gab der Neue klein bei. Seine Augen bekamen einen seltsam leeren Ausdruck. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Es machte mir Angst. „Geh weg von mir...“, flüsterte ich verzweifelt. Plötzlich stand der Vater des Neuen vor mir, nur wenige Schritte entfernt. „Du scheinst nicht zu uns zu gehören, sonst könntest du vor Schmerz nicht mehr aufrecht stehen.“ Er kam direkt auf mich zu. „Komm nicht näher“ Ich stolperte einen Schritt zurück. Es zeigte sich keine Reaktion. Der Mann kam immer näher. Weiter zurückweichen konnte ich nicht. Dann stünde ich nicht mehr zwischen ihm und meinen Freunden. Rapunzels Vater kam immer näher. Ich zitterte am ganzen Körper, bevor ich meine Augen krampfhaft zusammenkniff und verzweifelt losschrie: „Geh weg! NEIN!“ Ich hörte, wie etwas zersplitterte. Verwundert öffnete ich meine Augen wieder. Der Stein in der Hand des Mannes war gerade in lauter kleine Stücke zersprungen, welche sich wiederum in noch kleinere auflösten, und das so lange, bis nichts mehr von ihnen zu sehen war. Jedes kleinste Detail konnte ich erkennen. Hatte ich wieder diese seltsame Kraft eingesetzt? „D- das ist d- doch U- unmöglich“, stammelte der Mann. Dann packte er seine Frau, zog sie in das Auto und fuhr davon. Ich blickte ihnen hinterher. Endlich waren sie verschwunden. Auf einmal verschwamm meine Sicht. Ein Schwindelgefühl setzte ein. Aber ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Nicht vor dem Neuen! Immer weniger konnte ich erkennen. Am Ende sah ich nur noch die groben Umrisse. Plötzlich spürte ich Hände an meinen Schultern und hörte seine Stimme. „Hey, alles in Ordnung mit dir?“ Er klang besorgt. „Mir geht es gut.“ Ich sah ihm in das Gesicht. Es war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Wenn ich doch nur eine bessere Sicht hätte! „Besser, du setzt dich kurz hin...“, meinte Rapunzel. Verwirrt tat ich, was er sagte. Meine Klamotten waren inzwischen eh ganz durchnässt vom Schnee, also kam es darauf nicht mehr an. Nach einigen Minuten konnte ich wieder mehr erkennen. Erleichtert atmete ich aus. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Neue sich inzwischen um meine Freunde gekümmert hatte. Isamu und Naoki schien es wieder besser zu gehen. Sie sahen geschockt aus. Aber Daisuke lag auf dem Boden. Rapunzel schaute ihn gründlich an. Er schien sich Sorgen zu machen. Vorsichtig, um meinen Kreislauf nicht überzustrapazieren stand ich auf und ging auf ihn zu. Direkt hinter ihm blieb ich stehen. „Was ist mit Daisuke?“ „Er ist noch nicht wieder bei Bewusstsein.“, antwortete Isamu. Ich schluckte, bevor ich die drei ernsthaft ansah. „Was war das eben für ein Stein und warum hat er euch verletzt?“ Keiner antwortete mir, deshalb wurde ich lauter. „Was genau geht hier vor sich?“ Naoki sah mich entschuldigend an. „Das kann ich dir nicht sagen. Ich will dich da nicht mit hineinziehen!“ „Dazu ist es inzwischen leider etwas zu spät. Ich bin bereits in die Sache hineingeraten.“, sagte ich betont langsam. Vor den verwirrten Augen der anderen zog ich zuerst meinen Wintermantel und danach die Strickjacke aus, achtete aber darauf, dass das Auge der Katze keine Sekunde zu sehen war. Jetzt stand ich im Top vor ihnen. Die Verbände von letzter Woche waren zu sehen. Geschockt rissen Isamu, Naoki und der Neue ihre Augen auf. Ich zog meine Klamotten wieder an. Ohne war es doch etwas kalt draußen, wenigstens zu dieser Jahreszeit. „Isamu, Naoki, ihr wisst auch bescheid, oder?“, fragte ich. Es war mehr eine Feststellung. Die Antwort war schon bekannt. Isamu sah mich bestürzt an. „Wann ist das passiert, Ren?“ Ich antwortete ohne zu zögern. „Letzten Dienstag Abend.“ In diesem Moment zuckten Daisukes Augenlider. Er kam wieder zu sich. Erleichtert atmete ich auch. Auch die anderen schienen beruhigt zu sein. „Daisuke?“ Der Neue beugte sich etwas über Daisuke und sah ihn besorgt an.“ „A- ki- ra...“, flüsterte dieser nur. Der Neue zuckte zusammen. „Kannst du aufstehen?“, fragte er Daisuke nach einer Weile vorsichtig. Dieser nickte schwach und setzte sich auf. „Was ist passiert?“ Rapunzel zeigte auf mich. „Sie hat den Steil zerstört.“ Erschrocken starrte mich mein Kumpel an. „Ren, hast du sie noch alle? Du kannst doch nicht einfach-“ Anscheinend war er wütend auf mich. Ich setzte ein süßes Lächeln auf. „Aus Versehen...“ Daisuke griff sich seufzend an den Kopf. „Idiot!“ Isamu und Naoki prusteten los. „Gib es auf! Gegen unseren Chef hat du keine Chance!“ Er lächelte nur schwach. Dann wandte er sich an den Neuen. „Ren wurde gestern angegriffen. Ich habe sie beschützt, aber es waren einfach zu viele Gegner, deshalb musste ich das Siegel lösen.“ Naoki ging auf ihn zu. Er sah plötzlich todernst aus. „Wer bist du und welchen Stand hast du in Nakuni?“ Nakuni war anscheinend der Name der anderen Welt. Daisuke seufzte, bevor er seinen Blick senkte und auf den Boden starrte. „Mein Vater war einer der fünf Kaiser, Elektrizität. Seit meinem sechzehnten Geburtstag bin ich berechtigt, seinen Platz einzunehmen...“ Isamu entglitten alle Gesichtszüge, während Naoki ruhig blieb. So kannte ich ihn gar nicht. „Du wagst es tatsächlich, mir das ins Gesicht zu sagen?!“ Plötzlich leuchteten Naokis Augen. Also hatte er auch sollte Kräfte. Er richtete eine Pistole auf Daisuke. „Die Kaiser haben hier nichts verloren. Stirb!“ Erschrocken zuckte ich zusammen. War das sein Ernst? „Hey, Naoki, jetzt warte mal, was soll das?“, fragte sich wütend. Ich wollte eingreifen, aber Isamu stellte sich mir in den Weg. „Misch dich nicht ein. Er ist einer der Familie der Kaiser, sogar das Oberhaupt. Wenn wir ihn nicht töten, tötet er uns!“ „W- was?“ Ich starrte meinen Kumpel erschrocken an. In diesem Moment drückte Naoki ab. Ein Schuss ertönte. Kapitel 8: Der richtige Weg --------------------------- Ein Schuss ertönte. Ich hörte, wie die Kugel an einem harten Gegenstand abprallte. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Der Neue war dazwischengesprungen und hatte sie mit seinem Schwert regelrecht in der Mitte zerschnitten. Als ich besagte Waffe, es handelte sich um ein Katana, so viel wusste ich dank Saya, genauer betrachtete, stellte ich fest, dass die Klinge von Wasser umgeben war. Sowohl Naoki als auch Isamu sprangen erschrocken einige Schritte zurück. Rapunzel stellte sich genau vor Daisuke. Seine Augen leuchteten noch stärker als das letzte mal. „Ihr seid von der Widerstandsbewegung, habe ich recht?“ Meine beiden Klassenkameraden nickten. „Und du bis der Erbe vom Kaiser des Wassers.“ Der Neue nickte, bevor er sich zu Daisuke umdrehte. „Was sollte das eben? Wieso hast du dich nicht gewehrt?“ „Sie sind Freunde von Ren, deshalb...“ Seufzend blickte Rapunzel zu seinen Gegnern zurück. Dann ging er in Kampfstellung. Er meinte es ernst, so viel war sicher. Schon waren sie aufeinander zugesprungen und kämpften gegeneinander. Ich konnte nichts erkennen. Dazu bewegten sie sich zu schnell. Ich musste sie aufhalten. Aber wie? Entschlossen versuchte ich, diese seltsame Kraft einzusetzen. Nach einer Weile spürte ich sie auch schon in meinem Körper. Ich konzentrierte mich und versuchte, sie gleichmäßig zu verteilen. Dann blickte ich alle Beteiligten, ich konnte sie jetzt gestochen scharf sehen, entschlossen an. „Hört sofort auf damit!“ Keiner reagierte. Nur Daisuke starrte mich erschrocken an, sagte diesmal aber nichts. Ich atmete einmal tief ein und wieder aus, um mich zu beruhigen, bevor ich zwischen die kämpfenden sprang. Wenige Zentimeter von mir entfernt stoppte sowohl das Katana, als auch die Pistole und Isamus Faust. Ich zitterte am ganzen Körper. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich geglaubt, das sei mein Ende. Meine beiden Klassenkameraden sahen mich wütend an. „Was soll das, Ren? Geh sofort aus dem Weg!“, sagte Naoki. Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Entschlossen schüttelte ich meinen Kopf. „Das werde ich nicht!“ Im Augenwinkel sah ich, wie der Neue sich an Daisuke wandte. „Ist sie immer so stur?“ Mein Kumpel nickte. „Besser, du legst dich nicht mit ihr an.“ Langsam wurden die Augen der Beteiligten blasser, bis sie wieder die normale Farbe hatten. Erleichtert atmete ich aus, bevor meine Beine nachgaben und ich wieder zusammensackte. Rapunzel, er war sichtlich überrascht, fing mich auf. So langsam bekam ich den Eindruck, dass er doch nicht so ein schlechter Mensch war, wie ich anfangs geglaubt hatte. „Danke...“, nuschelte ich, bevor ich mich befreite und in den Schnee setzte. Dieses Mal spürte ich seine Kälte nicht einmal mehr. Dann sah ich die vier ernst an. „Ihr schuldet mir noch eine Erklärung!“ Naoki, er war immer noch bewaffnet, ging einige Schritte auf Daisuke zu. Sofort sprang ich auf und stellte mich vor ihn. „Lass Daisuke in Ruhe!“ „Warum verteidigst du ihn?“, fragte er. Seine Stimme klang wütend. Aber das war ich auch. „Ganz einfach: Er ist mein Freund. Und meine Freunde verrate ich nicht! Sonst wäre ich kein Bisschen besser als Kaito!“ Isamu seufzte und packte Naoki an der Schulter. „Besser wir gehen jetzt.“, dann sah er Daisuke ernst an. „Besser, du verschwindest von hier und trittst uns nicht noch einmal unter die Augen. Treffen wir uns ein nächstes mal, lassen wir uns nicht wieder so leicht aufhalten!“ Sie wendeten sich von mir ab und liefen zurück in das Schulgebäude. Traurig blickte ich ihnen hinterher. Waren wir jetzt noch Freunde oder hatte sich das ganze hiermit erledigt? Aber ich wagte mich nicht, nachzufragen, also beobachtete ich einfach nur, wie sie immer kleiner wurden und dann hinter der Schulmauer verschwanden. Ich seufzte. „Wie bin ich nur hier hineingeraten. Ich will mein altes Leben zurück!“ Daisuke versuchte, aufzustehen, klappte aber schon bevor er den ersten Schritt gemacht hatte wieder zusammen. Der Neue fing ihn auf. In diesem Augenblick bemerkte ich, dass unser Mathelehrer und gleichzeitig Klassenleiter vor uns stand und mich, Daisuke und den Neuen streng ansah. „Was habt ihr hier zu suchen? Es ist schon seit fast einer Stunde wieder Unterricht!“ Dann wandte er seinen Blick nur an mich. „Von Daisuke habe ich ja nichts anderes erwartet, aber dass du so etwas machst, Ren. Hast du nicht erst einen Verweis bekommen?“ Ich hörte ihm nicht weiter zu. Momentan hatte ich viel größere Probleme. Da konnte ich mich nicht noch mit meinen Lehrern streiten. Plötzlich stoppte der Lehrer mitten in der Moralpredigt. Auf einmal sah er mich total besorgt an. „du bist ja ganz durchnässt, Ren. Was ist hier passiert?“ Jetzt oder nie! Spielte ich ihn glaubwürdig genug vor, krank zu sein, durfte ich vielleicht nach Hause gehen. Hoffentlich sah es echt aus. Ich griff mir an den Kopf und tat so, als würde ich gleich zusammenklappen. Doch dann stoppte ich. Daisuke ging es viel schlechter. Zuerst musste ich mich um ihn kümmern. Ich setzte ein unschuldiges Lächeln auf. „Daisuke schien es nicht so gut zu gehen, also bin ich ihm hinterhergelaufen.“ Sofort sah der Mann mittleren Alters meinen Kumpel an. Zu meiner Erleichterung hatte es tatsächlich den Anschein, als sei er krank oder so, immerhin wurde er noch immer von dem Neuen gestützt. Der Lehrer seufzte. Aber er schien meine Story tatsächlich zu glauben. Wenn ich nur nicht so ein starkes Schwindelgefühl hätte! Er sah Daisuke und den Neuen ernst an. „Soll ich bei dir zu Hause anrufen?“ Daisuke schüttelte seinen Kopf. „Da ist keiner...“ „Ich bring ihn nach Hause!“, sagte Rapunzel sofort. Der Lehrer sah ihn ungläubig an. „Das geht nicht so einfach.“ In diesem Augenblick gaben Daisukes Beine nach und er sackte wieder zusammen. Der Mann mittleren Altern seufzte. „Na gut, dann schaff ihn nach Hause. Aber du solltest danach besser bei ihm bleiben und aufpassen, bis jemand von seiner Familie kommt.“, dann wandte sich der Lehrer an mich, „Und was ist mit dir los Ren? Ganz gesund siehst du nicht aus. Bist du sicher, dass es dir gut geht.“ Ich nickte und tat so, als wüsste ich nicht, wovon er sprach. Ich musste unbedingt noch einmal mit Naoki und Isamu reden! Da konnte ich mich jetzt wohl schlecht nach Hause schicken lassen. Leider machte mir mein Blutverlust einen Strich durch die Rechnung. Schon wieder verschwamm meine Sicht und ich geriet ins Schwanken. Der Lehrer sah mich ernst an. „Sieh zu, dass du nach Hause ins Bett kommst.“, dann ging er wieder zurück in das Schulgebäude. Wenig später brachte er unsere Schulsachen. Auf dem Weg zur Bushaltestelle schleppte Rapunzel diese und zusätzlich noch Daisuke. Dort warteten wir etwa eine Viertelstunde auf den nächsten Bus, bevor wir nach Hause fuhren. Während der Fahrt schwiegen wir uns an. Auch wenn ich es nur ungern zugab, ich hatte das Geschehene immer noch nicht vollständig verdaut. Zu vieles war in den letzten Tagen passiert. Manchmal glaubte ich sogar, er müsse alles nur ein Traum sein. Doch jedes mal, wenn ich meine Augen öffne, holte mich die Realität wieder ein. Was war nur mit meinem Leben passiert? Ich wollte diesen ganzen Ärger nicht. Das einzige was ich wollte, war mein altes Leben. Ich wollte, dass alles wieder so wurde, wie es noch vor ein paar Tagen gewesen war. Doch war es da wirklich normal und friedlich gewesen oder hatte ich nur nichts von dem, was vor sich ging bemerk. Isamu und Naoki gehörten einer Widerstandsbewegung an. Soweit ich wusste, wohnten sie schon immer im selben Ort wie ich, also musste die ganze Zeit schon etwas am Laufen gewesen sein. Die Sache war nur erst jetzt eskaliert. Der Bus kam in meinem Heimatort an. An der nächsten Haltestelle musste ich aussteigen. Ich drückte auf den Stopp-Knopf, packte meine Sachen und lief vorsichtig den Gang nach vorn. Ich musste mich gut festhalten, damit ich nicht das Gleichgewicht verlor und der Länge nach hinfiel. Das wäre ziemlich peinlich gewesen. Der Bus hielt an und öffnete die Tür. Ich stieg aus, auf den Gehweg, der noch immer nicht vollständig von dem Schnee befreit war. Seufzend schlenderte ich diesem entlang. Doch dann stellte ich fest, dass ich nicht allein war. Daisuke und der Neue folgten mir. Wieso? Was wollten sie? Oder wohnte Rapunzel einfach nur in der Nähe? Diese Frage erübrigte sich, als sie auch noch hinter mir standen, als ich zu Hause angekommen war und die Haustür aufschloss. Ich trat ein. Einen Moment lang hatte ich sogar vor, ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen, ließ es aber dann doch bleiben und bat sie in das Haus. Hoffentlich würde ich das später nicht bereuen. Der Neue sah sich aufmerksam um, fast so, als wolle er die ganze Umgebung auswendig lernen, als ich die in den Vorsaal führte, meinen Ranzen in die nächstbeste Ecke warf und meine Jacke auszog. Danach lief ich in die Küche, ohne meine Gäste weiter zu beachten. Aber kaum war ich zwei Schritte hineingetreten, kam mir schon ein rötliches, weiches Etwas entgegengesprungen. Irritiert fing ich dieses auf, ohne wirklich zu verstehen, was vor sich ging. Erst nach einigen Sekunden kapierte ich, was, oder besser gesagt, wen ich da auf dem Arm hatte. „Tora...“, murmelte ich leicht genervt. Wenn er hier war, war es auch Saya. Und ich sollte Recht behalten. Kaum hatte ich den Namen meines Haustieren ausgesprochen, kam meine Schwester auch schon um die Ecke gerannt und sah mich wütend an. „Wir haben nichts Essbares mehr im Haushalt!“, meinte sie patzig. „Dann geht einkaufen. Du weißt, wo Geld ist und den Weg zum Einkaufscenter findest du glaube ich auch allein.“, sagte ich daraufhin monoton. Saya lief an mir vorbei, ohne mich weiter zu beachten und warf einen verwunderten Blick auf meine beiden Gäste. „Wer sind die?“, fragte sie. Ich griff mir an den Kopf. „Klassenkameraden von mir. Daisuke kennst du ja schon und der andere ist neu hier und ein Freund von ihm. Er heißt Rapunzel.“ Eine Weile war es still. Doch dann: „WIE HAST DU MICH GERADE GENANNT?“, schrie der Neue. Ich grinste ihn überlegen an. „Rapunzel.“ Saya und Daisuke starrten sich einige Sekunden lang an, es schien, als wüssten sie damit nicht besonders viel anzufangen, bevor sie laut losprusteten. Nach einer Weile stimmte ich mit ein. Es tat gut, wieder einmal richtig lachen zu können. Es fühlte sich an, als ob eine riesengroße Last von mir genommen werden würde. Für einen Moment glaubte ich sogar, mit meiner neuen Situation fertig werden zu können, irgendwie. Doch die Realität holte mich schneller wieder ein, als mir lieb war. Daisuke stolperte plötzlich ein paar Schritte zurück, bevor seine Beine nachgaben und er auf die Knie fiel. Geschockt starrte ich ihn an, unfähig auch nur ein Wort zu sprechen. Saya erging es nicht anders. Der einzige, der handelte, war der Neue. Er kniete sich sofort neben seinen Freund. „Daisuke!“, rief er besorgt. Der Angesprochene lächelte schwach. „Mir geht es gleich wieder gut. Das sind nur noch die Nachwirkungen von vorhin.“ Meinte er damit diesen Stein? Aber mir ging es doch inzwischen auch wieder gut! Naoki und Isamu waren auch sofort danach wieder fit gewesen! Wieso war es dann bei Daisuke anders? Ich verstand das nicht. Daisuke klappte vollständig zusammen. Der Neue, er sah mehr als nur besorgt aus, hob seinen immer noch schwach protestierenden Freund an und trug ihn zum Sofa, wo er ihn hinlegte. Ich gab ihm eine Decke. Irgendwie hatte ich das Gefühl, er würde sie brauchen. Kaum hatte der Neue, ich erinnerte mich wieder daran, dass sein Name Akira war, sie über seinen Freund gelegt, zog dieser sie sich auch schon bis zum Kinn. Wenig später schloss er seine Augen und schlief ein. Er schien sehr erschöpft zu sein. Seufzend setzte ich mich zu Daisuke auf das Sofa und wandte mich an meine kleine Schwester. „Wenn du etwas zu Essen willst, musst du den Pizzaboten anrufen.“ Schnaubend lief Saya zum Telefon. Jetzt war sie für einige Sekunden beschäftigt. Ich schaute zu Akira. „Was ist mit Daisuke? Wieso ist er zusammengebrochen? Liegt das an dem Stein? Aber den anderen ist doch auch nichts passiert...“ Der neue sah mich mit einer Mischung aus Skepsis und Verwunderung an. „Du weißt das nicht?“, fragte er. Es schien, als sei er mehr als nur verwirrt. Ich schnitt eine Grimasse, versuchte mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen. „Ich weiß gar nichts. Ich verstehe das alles nicht. Noch vor zwei Wochen dachte ich, es gäbe diese ganzen Sachen überhaut nicht.“ Meine Stimme klang von Wort zu Wort verzweifelter. Am Ende schrie ich sogar fast. „Das ist alles so neu für mich. Die fünf Kaiser. Das Auge der Katze. Die andere Welt, von der Daisuke erzählt hat. Dieser Stein. Was ist das alles? Wieso sind alle so verbissen hinter diesem dummen Auge her? Was ist daran so besonderes, dass man deswegen andere Menschen töten muss? Was hab ich mit dieser anderen Welt zu tun? Warum habe ich auf einmal diese seltsamen Kräfte? Warum wollen Kaito und dieser Morau mich tot sehen? Was habe ich ihnen ge-“ Plötzlich spürte ich, wie mich jemand in seine Arme zog. Zuerst wollte ich mich dagegen wehren, aber dazu fehlte mir die Kraft, weshalb ich den Neuen einfach machen ließ. Und nicht nur das: Schon nach wenigen Sekunden begann ich zu weinen und krallte mich geradezu verzweifelt in sein Oberteil. Die Tränen liefen über mein Gesicht, durchnässten seinen Pullover, doch das schien ihm egal zu sein. Behutsam fuhr Akira mir mit einer Hand über den Rücken. „Shhh.“, murmelte er leise, „Es wird alles wieder gut.“ Langsam ging es mir wieder besser. Erst jetzt realisierte ich, was ich gerade getan hatte. Zögerlich nickte ich, bevor ich mich wieder von Akira löste. Die ganze Zeit über starrte ich auf den Boden, hoffend, dass er den Rotschimmer in meinem Gesicht übersah. Vergebens. Er beugte sich nach vor und hob mein Kinn mit seiner Hand, damit ich gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen. Dann lächelte er mich wissend an. „Kann es manchmal sein, dass du um jeden preis versuchst, einen Kerl zu bekommen?“ ‚Klatsch!’ Zum zweiten Mal verpasste ich ihm eine Ohrfeige, diesmal aber mit merklich weniger Kraft. Trotzdem hielt sich der Neue die Wange und starrte mich sichtlich überrascht an. Damit hatte er wahrscheinlich nicht gerechnet. „Du Idiot!“, sagte ich leise und ohne hörbare Wut. Zum Schreien hatte ich einfach keine Kraft mehr. „Gerade habe ich dich für nett gehalten und gedacht, du seiest vielleicht doch kein so schlechter Kerl, aber jetzt machst du das wieder kaputt. Ich hatte Recht. Du bist ein arroganter, verzogener Trottel!“ Das Grinsen auf Akiras Gesicht erstarrte. Seine Augen wurden immer größer, bevor er mich an den Schultern packte und sich zu mir vorbeugte. „Das werden wir noch sehen.“ Wenig später spürte ich seine Lippen auf meinen. Geschockt riss ich meine Augen auf, versuchte mich von ihm wegzudrücken. Aber er ließ nicht locker. Was bildete sich dieser Idiot eigentlich ein, mich einfach so zu küssen? Nach einer Weile löste sich Akira wieder von mir und sah mir in die Augen. Ich tat es ihm gleich, hoffend einen grund für den Kuss finden zu können, aber da war nichts. Als ich meinen Mund öffnete, um etwas zu sagen, löste er sich vollständig von mir und war wenige Sekunden später verschwunden. Noch lange starrte ich auf die Stelle, an der Akira gestanden hatte, bis ich mich wieder fasste und mit dem Ärmel meiner Strickjacke die Tränen aus dem Gesicht wischte. In diesem Augenblick betrat Saya das Wohnzimmer. Sie trug zwei Pizzas und eine Flasche Ketchup. Ich lächelte sich kurz dankbar an, als sie mir eine Pizza in die Hand drückte. Dann setzte ich mich wieder auf das Sofa und begann zu essen. Ich schlang das Essen geradezu hinter, vor Hunger. Während der letzten Woche war mir gar nicht aufgefallen, wie hungrig ich die ganze Zeit über gewesen war. Aber das interessierte mich auch nicht weiter. Die ganze Zeit über musste ich an den Kuss denken. Entschlossen schüttelte ich meinen Kopf, versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Nur leider brachte das nicht viel. Ich konnte es einfach nicht vergessen, das Gefühl, als Akira mich umarmt hatte. In meinem ganzen Körper hatte sich eine mir vorher unbekannte Wärme ausgebreitet. Ich hatte begonnen, ihn zu mögen, aber dann... Er hatte alles wieder zerstört, mit seiner dummen Bemerkung und dem Kuss. Instinktiv griff ich mit einer Hand an meine Lippen. Dann ballte ich meine Hände zu Fäusten. Das gab Rache! So einfach würde ich mir das nicht gefallen lassen, nicht von Kaito und erst recht nicht von Akira! Kapitel 9: Änderungen --------------------- Am nächsten Morgen ging es Daisuke bereits ein wenig besser. Er hatte wieder eine gesündere Gesichtsfarbe und stand auch schon ab und zu vom Sofa auf. Aber in die Schule konnte er noch nicht wieder gehen, weshalb ich diese anrief. Zuerst meldete ich mich krank, danach wählte ich erneut die Nummer der Schule und gab mich als Daisukes Mutter aus, behauptete er hätte hohes Fieber und könne deshalb nicht in die Schule kommen. Daisuke betrat die Küche und grinste mich schief an. „Seit wann bist du meine Mutter?“, fragte er, als er sich an den Esstisch setzte und begann, sich ein Brötchen zu schmieren. Saya war heute früh extra beim Bäcker gewesen, anscheinend hatte sie sehr großen Hunger gehabt, und hatte für uns den Tisch gedeckt. Außerdem hatte sie Tora und meinen Kater versorgt. Die zwei Tiere schliefen gerade zusammengerollt auf dem Sofa. Manchmal war sie echt nützlich. Jetzt setzte ich mich ebenfalls an den Tisch und nahm mir ein Brötchen. Ich schmierte Nutelle darauf und biss hinein. „Dafür schulde ich Saya jetzt etwas.“, murmelte ich. Daisuke lachte. „und wie gedenkst du, es wieder gut zu machen?“ Jetzt grinste ich. „Pizza bestellen, kurz bevor sie nach Hause kommt.“ Mein Klassenkamerad sah mich gespielt aufgebracht an. „Ist das nicht Bestechung.“ Sofort schüttelte ich meinen Kopf, wodurch ein schwaches Schwindelgefühl einsetzte. Ich bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen. „So würde ich das nicht nennen.“, sagte ich, „Idas ist nur ein kleines Dankeschön dafür, dass sie uns das Frühstück angerichtet hat.“ Daisuke grinste. „So kann man es auch nennen.“ Als wir gegessen hatten, räumte ich den Tisch wieder ab und setzte mich vor den Fernseher. Zwar lief gerade nichts, was mich interessierte, aber es war immer noch besser, als anderen sinnlosen Beschäftigungen nachzugehen. Vielleicht ging ich morgen auch wieder in die Schule. Ich musste über meine Gedanken grinsen. Ging es mir wirklich gerade so schlecht, dass ich freiwillig in die Schule gehen würde. Wozu Langeweile alles fähig war. Etwa um zehn kam Saya von der Schule. Abwartend blickte ich meine kleine Schwester an. „Was hast du diesmal angestellt, dass sie dich eher gehen lassen haben?“ Sie grinste. „Wir hatten in der vierten Stunde Hauswirtschaft und sollten Kartoffeln kochen. Der Kochtopf unserer Gruppe ist rein zufällig, ganz aus Versehen, explodiert.“ Ich seufzte und griff mir and en Kopf. „Wie hast du das schon wieder angestellt?“ Sayas Grinsen wurde noch breiter. „Magnesium hineingetan, den Decken mit viel Sekundenkleber draufgeklebt und durch ein kleines Loch Wasser hineingefüllt. Das Resultat war die Explosion.“ Meine Schwester schnitt eine Grimasse. „Unsere Lehrerin versteht einfach keinen Spaß. Wegen so einer Kleinigkeit auszurasten. Sie wollte meiner Gruppe sogar schon einen Verweis geben, aber zum Glück hatten wir alle für die Zeit ein Alibi, also hat sie uns einfach nur nach Hause geschickt.“ Jetzt lachten auch Daisuke und ich. Das war einfach zu komisch, was man alles so in einer Schulküche anstellen konnte. Warum fiel mir so etwas nie ein? „Tja, da ist euer Chemielehrer Schuld, wenn er euch nicht beibringt, dass so eine Mischung noch ein Gas bildet und den Topf dann auseinander reißt.“, grinste ich. Dann warf ich Saya unser Schnurloses Telefon in die Hand. „Für mich einmal Salami mit Pilzen, Daisuke möchte zwei Hawaii.“ Zuerst starrte Saya mich etwas irritiert an, doch dann kapierte sie, wovon ich sprach. Sie griff nach dem Telefon und wählte die Nummer des Pizzaboten. Am nächsten Tag, einem Freitag, gingen Daisuke und ich tatsächlich wieder in die Schule. Tora blieb zu Hause. Ich hatte ihm aufgetragen, das Haus zu bewachen. Einige aus meiner Klasse schauten blöd, als wir an der gleichen Haltestelle einstiegen und ich diese nicht gleichzeitig mit dem Bus erreichte. Sobald ich dem Fahrer meinen Busausweis gezeigt hatte, setzte ich mich auf meinen neuen Stammplatz, der freien Bank vor Isamu und Naoki. Zum ersten Mal seit Jahren zog mich Isamu nicht wegen irgendwelcher Kleinigkeiten auf, er ignorierte mich, tat so, als würde ich nicht existieren. Das verletzte mich. Wütend stand ich auf und wedelte mit meiner Hand vor seinen Augen. Keine Reaktion. Ich rüttelte ihn an den Schultern, doch er ignorierte mich noch immer. Langsam wurde ich wütend. Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein? Ich wollte mit ihm reden, doch er ignorierte mich auf einmal völlig. Rasend vor Wut holte ich mit meiner rechten Hand aus und verpasste ihm eine ordentliche Ohrfeige. Der Schlag hallte im ganzen Bus wieder, so derb hatte ich geschlagen. Sämtliche Gespräche verstummten auf einmal. Alle sahen in meine Richtung, auch Isamu. Seine Augen blitzten vor Zorn, als er mir direkt in meine sah. „Was willst du?“, zischte er. „Mit dir, besser gesagt mit euch, reden!“, sagte ich betont kühl. Die Lust danach war mir inzwischen vergangen. Ginge es nach meinem Stolz, hätte ich die beiden spätestens von diesem Augenblick an einfach ignoriert, doch ich wollte nicht noch einen Freund verlieren. „Dann rede!“, kam es gereizt von meinem schwarzhaarigen Klassenkameraden. „Wie du willst!“, fauchte ich ihn an, „Ich will eine Antwort. Was ist mit euch los? Warum ignoriert ihr mich auf einmal? Was habe ich euch getan? Und sag jetzt nicht, es ist, weil ich eure dumme Prügelei Vorgestern unterbrochen habe!“ „Dumme Prügelei?“, schrie Isamu mich an. Er kochte bereits vor Wut, aber das interessierte mich momentan wenig. Denn ich war nicht weniger wütend, auch ich schrie. „Ja! Dumme Prügelei! Was war es denn sonst? Wie soll ich es dann nennen? Na los! Sag es mir!“ Ich senkte meine Stimme und zwang mich, wieder ruhiger zu werden, als ich weitersprach: „Es ist wegen Daisuke, weil ich mit ihm befreundet bin, richtig?“ Isamu antwortete zuerst nicht, aber ich konnte an seinem Gesicht ablesen, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. Seine Augen waren plötzlich weit aufgerissen und er starrte mich ungläubig an, als er endlich etwas sagte. „Das hat dieser Arsch dir verraten!“ „Nein!“, sagte ich betont sachlich, „Diejenigen, die das sagten, waren du und Naoki!“ Eine Weile war es still. Ich merkte, es machte keinen Sinn, jetzt noch weiter zu diskutieren, weshalb ich mich abwendete und wieder auf meinen Sitz setzte. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Neue ebenfalls im Bus saß, allein. Es schien, als würde auch er mich ignorieren, aber nicht nur mich, sondern auch Daisuke. Ich verstand das nicht. Was war hie auf einmal los? Warum konnten sie sich nicht vertragen? Was es wirklich so unmöglich, wie sie alle sagten, oder waren sie nur einfach zu stur? Der Bus hielt und wir stiegen aus, liefen zum Schulgebäude, betraten dieses, gingen in unser Klassenzimmer und setzten uns auf unsere Plätze. In der ersten Stunde hatte ich Religion. Der einzige Vorteil, den dieses Fach bot, war, dass alle von meinen Freunden, bis auf Daisuke, Ethik besuchten. Wenigstens hier hatte ich meine Ruhe. Ich hörte nicht zu, worüber der Lehrer sprach. Zensuren würde es eh nicht mehr viele geben und es war kein Prüfungsfach, also musste ich das auch nicht. Aber das hätte ich auch nicht getan, hätte ich es gemusst. Kaum hatte es geklingelt, sprang ich auf, stopfte meine Sachen in den Ranzen und eilte zum Physikkabinett. Als ich dieses betrat, standen Daisuke und Akira in der hintersten Ecke und redeten miteinander. Keinen Gedanken daran verschwendet, wie Daisuke so schnell hier her gekommen war, warf ich meinen Ranzen neben meinem Sitzplatz auf den Boden und ging auf die beiden zu. Doch schon nach dem zweiten Schritt in ihre Richtung bemerkte ich, dass etwas nicht Stimmte. Rapunzels Augen waren kalt wie Eis und er hatte einen harten Gesichtsausdruck, während der von Daisuke gequält aussah. Ich hörte einiges aus ihrem Gespräch, nicht alles, aber er reichte, um zu begreifen, was Sache war. Der Neue schlug mit der Faust gegen die Wand. „Wie oft soll ich es noch sagen? Wir sind keine Freunde mehr! Also halte dich in Zukunft von mir fern.“ „Aber!“, sagte Daisuke, „Wieso hat du mir dann Vorgestern geholfen? Hör endlich auf, dich von deinem Vater herumkommandieren zu lassen! Ich bin nicht dein Feind!“ „Doch das bist du!“, schrie Akira, „Du weißt genau, dass wir Feinde sind. Die Familien der fünf Kaiser sind seit Generationen verfeindet! Wieso willst du das nicht verstehen?“ „Daisuke von der Familie der Elektrizität ist tot. Ihn gibt es nicht mehr. Momentan bin ich nur Daisuke Yamaha, ein einfacher Schüler ohne irgendwelche besonderen Fähigkeiten.“ „Du verweigerst deinen Platz an der Spitze? Wieso tust du das?“ Akira hatte sich wieder was beruhigt. Er klang nicht mehr wütend nur noch erschrocken und verwundert. Ich konnte es in seinen Augen lesen. Er hatte diese Antwort von Daisuke nicht erwartet. Daisuke schüttelte seinen Kopf. „Versteh doch! Ich kann nicht mehr zurück! Ich habe nicht die Kraft dazu. Ich habe nicht die Kraft, mich meinem Onkel zu stellen!“, sagte er verzweifelt. Die anderen mussten das doch auch gehört haben. Wieso sagte keiner aus der Klasse etwas? Ich sah mich um. Das Klassenzimmer war völlig leer. Wohin waren sie verschwunden? Hofpause war erst nächste Pause, wieso war dann niemand hier? Ich sah wieder zu Daisuke und dem Neuen. Si stritten immer noch. „Was meinst du damit? Wieso sagst du so etwas? Natürlich kannst du wieder zurück! Du weißt nicht, wie froh sie wären, wenn sie wüssten, dass du noch am Leben wärst. Dein Onkel versucht den Tod deines Vaters zu verschweigen. Er gibt sich als dieser aus. Deshalb wissen die anderen nichts von der Sache. Deswegen haben meine Eltern Vorgestern so komisch reagiert. Sie wissen es nicht. Aber durch deine Worte untersuchen sie die Lage genauer.“ „Warte!“, unterbrach ihn Daisuke, „Woher wusstest du dann davon?“ Akira starrte auf den Boden. „Ich habe deinen Großvater getroffen. Als ich fragte, wie es dir ginge, hat er angefangen zu weinen. Er sagte, du seiest tot. Dein Onkel hätte dich und deinen Vater aus Machtgier umgebracht und würde sich jetzt als dein Vater ausgeben!“ „Verstehe...“, murmelte Daisuke, „Das wusste ich nicht. Aber ich werde trotzdem nicht zurückkehren! Was will ich dort? Ich will nicht Kaiser sein, wenn dieses Amt mich zwingt, gegen meinen besten Freund zu kämpfen oder ihn gar zu töten!“ Akira schüttelte seinen Kopf. „Das musst du nicht. Ich verspreche es. Sobald ich den Platz meines Vaters eingenommen habe, werden wir die Feindschaft stoppen, für immer!“ Die beiden lächelten glücklich, als sie ihre Hände schüttelten. Ich konnte nicht fassen, was ich gerade sah. Hatten sie nicht vorhin noch gestritten? Aber sie vertrugen sich auf einmal wieder! Anscheinend waren sie wirklich beste Freunde... „Das Auge der Katze.“, sagte Daisuke plötzlich, „Wie weit würdest du dafür gehen? Würdest du Menschen umbringen, um in seinen Besitz zu kommen?“ Akira sah seinen besten Freund erschrocken an, nickte dann aber. „Wahrscheinlich schon...“ Ich erschrak, als ich diese Worte hörte. Am ganzen Körper zitternd zwang ich mich, mir meine Angst nicht anmerken zu lassen, tat so, als wüsste ich nicht, wovon sie sprachen. Daisuke sah Akira unnachgiebig in die Augen. „Wenn ich wüsste, wo es sich befindet, wenn ich wüsste, wer im Moment der rechtmäßige Besitzer ist. Was würdest du tun?“ Der Neue sah ihn irritiert an. „Was wohl? Es ihm wegnehmen natürlich!“ „Und wenn ich dich das nicht tun lassen würde? Wenn ich dich daran hindern würde?“, fragte Daisuke, „Würdest du mich umbringen?“ Jetzt lachte Akira. „Hör auf so einen Blödsinn zu reden! Wieso solltest du so etwas tun?“ „Damit dein Vater nicht an die Macht kommt! Er würde die gesamte Welt aus ihrem Gleichgewicht bringen, wenn nicht sogar zerstören. Du weißt wie machthungrig er ist!“ Akira nickte. „Ich weiß und deshalb würde ich es ihm nicht geben. Das einzige, was ich will, ist dass das Auge der Katze von dieser Welt verschwindet. Deshalb werde ich den rechtmäßigen Besitzer töten. Ist die gesamte Blutlinie ausgelöscht, wird es verschwinden.“ Daisuke seufzte. „Das würde ich nicht zulassen, jedenfalls nicht, wenn der Herrscher eine Person wäre, die ihre Macht nicht missbrauchen würde.“, sagte er ernst. „Fertig mit Philosophieren?“, sagte der Neue grinsend, „Wenn du den Besitzer findest, sag mir bescheid. Wir werden ihn dann eine Weile beobachten. Ist er für das Amt geeignet, lass ich ihn leben! Bist du damit einverstanden?“ Mein Klassenkamerad und guter Freund nickte. „Sobald ich weiß, wer den Thron als nächstes besteigen wird, werde ich es dir unverzüglich mitteilen.“ Plötzlich verschwamm die Welt um mich herum. Es war, als würde das Klassenzimmer in dem wir uns befanden allmählich mit einem identischen Klassenzimmer ersetzt werden, nur dass sich in dem neuen unsere Klassenkameraden befanden. Was passierte hier? Gerade wollte ich Daisuke fragen, als dieser mir mit einer Geste signalisierte, ich solle besser meine Klappe halten. Murrend gab ich nach. Zu mehr kam ich nicht mehr. Es klingelte und unser Lehrer betrat das Zimmer. Ich setzte mich auf meinen Platz. Wie schon in Religion hörte ich auch in Physik nicht weiter zu. Es schien, als sein das zu einer komischen Angewohnheit geworden. Vor den Ferien noch hätte ich mich das nie gewagt, doch seit ich das Auge der Katze besaß, interessierte es mich seltsamerweise nicht mehr. Lag es an dem Auge oder waren die Veränderten Umstände daran schuld? Nach einer Doppelstunde Physik hatten wir noch eine Stunde Englisch und zwei Stunden Sport. Da es mir noch immer nicht wieder völlig gut ging, wobei ich mich für meinen Geschmack eh schon viel zu schnell erholte, was nur an den seltsamen Kräften liegen konnte, ging ich vor der Stunde zur Lehrerin und sagte, mir sei nicht gut. Ich habe Kopfschmerzen und mir sei ein wenig schwindlig. Seufzend befreite mich die Frau mittleren Alters vom unterricht, verdonnerte mich aber dazu, auf der Bank sitzen zu bleiben und aufzupassen, was ich aber eh getan hätte. Sonst müsste Daisuke nur wegen mir wieder die Schule schwänzen und das wäre unfair gewesen. Die Klasse musste sich erwärmen. Da keiner das selbstständig tat, jagte die Lehrerin sie zehn Runden durch die Turnhalle. Mit einem schwachen Grinsen im Gesicht beobachtete ich, wie meine Freunde sich abquälten, während ich zusehen durfte. Manchmal waren Verletzungen echt praktisch, dachte ich. Doch ich verwarf den Gedanken gleich wieder. Lieber rannte ich drei Stunden Runden in dieser Halle, als dass ich diese Schmerzen noch einmal ertragen würde. Ich hatte mich fast eine Woche lang nicht bewegen können! Die Erwärmung war beendet und meine Klassenkameraden ließen sich erschöpft auf den Boden der Turnhalle fallen. Nur Daisuke, Akira, Isamu und Naoki standen noch. Jetzt wusste ich auch, warum die drei, Akira ausgenommen, so gut in Sport waren! Sie schummelten! Sie nutzten ihre Kräfte und verschafften sich dadurch einen Vorteil. Ich grinste, bevor ich ihnen etwas zuflüsterte. „Gelbe Karte. Wer noch einmal betrügt, darf von dem anderen kopfüber in den Schnee gesteckt werden.“ Wegen der großen Entfernung und der geringen Lautstärke meiner Stimme hätten sie mich eigentlich nicht hören dürfen, doch alle vier starrten mich auf einmal erschrocken an, bevor Isamu und Naoki sich von mir abwendeten. Daisuke grinste mich kurz zu und der Neue ignorierte mich gekonnt. Wieder hatte es nicht funktioniert. Die vier bekriegten sich zwar nicht mehr, dafür ließen aber drei von ihnen ihre Wut an mir aus. Resigniert ließ ich mich gegen sie wand sinken und verbrachte den Rest der beiden Sportstunden damit, die Musterung des Boden zu begutachten. Als der Unterricht nach einer halben Ewigkeit, so kam es mir vor, endlich beendet wurde, verließ ich so schnell ich konnte das Gebäude, was sich als ein fataler Fehler herausstellte. Auf dem Schulgelände direkt vor der Turnhalle parkte ein schwarzes Auto. Am Steuer dieses Fahrzeuges saß Kaito. Ich sog scharf Luft ein, bevor ich mich entschied, ihn und den Grund, weshalb er hier war, zu ignorieren. Doch ich hatte meine Rechnung ohne ihn gemacht, denn schon nachdem ich zwei Schritte gelaufen war, hatte er mich eingeholt und versperrte mir den Weg. Betont langsam stieg er aus dem Auto aus, ließ den Motor laufen. „Was willst du?“, fauchte ich ihn an, darauf hoffend, dass er wieder verschwinden würde, doch Kaito ging nicht. Satt dessen packte er mich plötzlich am unverletzten Oberarm und zog mich in Richtung Auto, ohne auch nur ein Wort zu mir zu sagen. Ich riss mich los und lief einige Schritte rückwärts, bis ich mit dem Rücken an die Mauer der Turnhalle stieß. „Geh weg!“, sagte ich Kaito in einem strengen Ton, „Verschwinde!“ Aber er reagierte darauf. Als er erneut nach meinem Arm griff wurde es mir zu viel. „Lass mich sofort los, oder ich schreie!“, drohte ich ihm. Doch Kaito grinste mich einfach nur an. „Versuch es doch!“, sagte er halb im Scherz halb ernsthaft, als er mir die Hand auf den mund presste. Erschrocken riss ich meine Augen auf! Plötzlich begriff ich, wieso er hier war. Er wollte mich entführen, um an das Auge der Katze zu kommen. Ich versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien, aber ich schaffte es nicht. Das einzige, was ich erreichte, war, dass er mich nur noch fester packte. Ich versuchte, meine neue Kraft zu nutzen, doch ich konnte es nicht. Ich konnte sie nicht mehr in mir spüren! Wieso war sie nie da, wenn ich sie brauchte?! Ich musste einen anderen Weg finden. Wenn ich diese seltsame Kraft nicht nutzen konnte, musste ich es eben ohne tun. Ich öffnete meinen Mund ein Stück und biss Kaito in die Hand. Sofort entfernte er diese von meinem Mund. Ich nutzte die Gelegenheit und schrie, so laut ich konnte: „HILFE!“ Kaito starrte mich wütend an, bevor er mich am Kragen packte und mir mit seiner Faust drohte, doch das interessierte mich gerade herzlich wenig. Ich schrie einfach weiter. Er holte aus, wollte mich schlagen, doch die Faust stoppte kurz vor meinem Gesicht. Erschrocken beobachtete ich das und bevor ich wusste, was überhaupt geschehen war, hatte man mich auch schon von Kaito weggezogen und Daisuke stand vor mir. Anscheinend hatte er mich gerade gerettet. Erleichtert atmete ich aus, jetzt war ich sicher. „Was hattest du mit Ren vor?“, zischte Daisuke. Kaito grinste nur. „Das geht dich nichts an, Kleiner! Du magst zwar aus der selben Welt stammen, wie ich, aber gegen einen Sohn der fünf Kaiser hast du keine Chance, also übergib mir das Mädchen und ich vergesse, was du gerade getan hast!“ Mein Klassenkamerad ging in Kampfposition. „Wir werden ja sehen, wer den kürzeren zieht!“, sagte er betont lässig. Mir gefror das Blut in den Adern. Die beiden würden gegeneinander kämpfen, meinetwegen! „Ein einfacher Bürger wagt es, mich herauszufordern!“ Kaitos Grinsen wurde noch breiter. „Nimm es mir bitte nicht übel, aber für diese Frechheit muss ich die leider umbringen.“ Verzweifelt schüttelte ich meinen Kopf. Das vor mir war nicht mehr Kaito. Der Kaito, den ich kannte, hätte so etwas nie gesagt. Er war immer freundlich gewesen und hatte nie auch nur versucht, einen Streit mit meinen anderen Freunden anzufangen. Er hatte mich immer unterstützt und aufgeheitert, wenn ich mal wieder traurig war, weil ich meine Eltern fast nie sah. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Der Mann, der einst mein bester Freund war, versuchet gerade ernsthaft, Daisuke umzubringen. „Hört auf...“, flüsterte ich den Tränen nahe. „Wenn du meinst, mein Freund hier hat keine Chance gegen dich, kannst du ja auch gleich gegen mich kämpfen. Dann würde es schneller gehen. Ich würde eh eingreifen, bevor du ihn ernsthaft verletzen kannst.“, hörte ich auf einmal Akiras Stimme. Verwundert betrachtete ich ihn, beobachtete, wie er sich vor mich und Daisuke stellte. Mein Klassenkamerad schien nicht weniger überrascht zu sein wie ich. „A- Akira?!“, stammelte er völlig fassungslos. Doch dieser ignorierte es einfach. Statt dessen wandte er sich an Kaito. „Wir sind beide der erstgeborene Sohn von einem der Kaiser. Der Stand sollte also kein Problem mehr sein.“ Mein ehemals bester Freund nickte. „Akira von der Familie des Wassers...“ Rapunzel nickte. „Kaito von der Familie des Windes...“ Kaito deutete auf mich. „Gebt mir das Mädchen, gebt mir Seira, und ich verschwinde von hier. Dann brauchen wir nicht zu kämpfen und ihr habt eure Ruhe!“ Kapitel 10: Seira mit dem Auge der Katze ---------------------------------------- „Gebt mir das Mädchen, gebt mir Seira, und ich verschwinde von hier. Dann brauchen wir nicht zu kämpfen und ihr habt eure Ruhe!“ Daisuke und Akira drehten sich zu mir und schauten mich fragend an. „Seira?“, fragte der Neue nach einer Weile, „Ich dachte, dein Name sein Ren.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Ist er auch. Na ja, Seira eigentlich auch. Mein voller Name ist Seira Ren Yamamoto. Aber wage es nicht, mich jetzt Seira zu nennen!“ Daisuke starrte mich geschockt an. „Wir gehen seit einem Jahr in die selbe Klasse und ich weiß noch nicht, dass du einen doppelten Vornamen hast?“ „Sorry...“, nuschelte ich, „Ich wusste nicht, dass dieser blöde Name so wichtig ist.“ Seufzend wendete sich Daisuke wieder Kaito zu und Akira tat es ihm gleich, mit der Ausnahme, dass er noch zusätzlich in Kampfstellung ging. „Tut mir leid, aber mein Freund hat eben entschieden, dass du Seira nicht bekommst.“ Als ich ihn meinen ersten Vornamen sagen hörte, stiefelte ich gespielt wütend auf ihn zu, dass ich mich dabei in Gefahr begab, ignorierte ich gekonnt, und baute mich vor ihm auf. „Wie hast du mich gerade genannt, Rapunzel?!“ Daisuke stellte sich zwischen und. „Könnt ihr euch nicht ein andermal streiten?“ Seufzend gab ich nach. Er hatte ja immerhin recht, eigentlich… Plötzlich spürte ich einen Windzug. Im selben Augenblick war Kaito verschwunden. Verwundert starrte ich auf die Stelle, wo er bis vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte, bevor ich mich einige Minuten später an Daisuke und den Neuen wandte. „Danke…“ Akira kam einige Schritte auf mich zugelaufen. „So? Du heißt also Seira?“, fragte er. Ich nickte. „Ja und? Ist irgendetwas mit dem Namen?“ Erst jetzt fielen mir Kaitos Worte wieder ein. „Das Auge der Katze… Die letzte Besitzerin hieß auch so, oder?“, kam es monoton von mir. Akira nickte. „Es kann zwar auch nur ein Zufall sein, aber das wäre schon mehr als unwahrscheinlich. Wieso sollten sich Erde und Wind sonst die Mühe machen, eine einfache Schülerin zu entführen, wenn sie nichts mit dem Auge zu tun hat?“ Diese Aussage machte mich wütend. Zwar wusste ich, dass er recht hatte, aber das war mir egal. Beleidigt sah ich den Neuen an. „Was soll ich bitte mit einer Legende zu tun haben, von der nicht einmal klar ist, ob es diese Person überhaupt gegeben hat?!“ Akira seufzte. „Das stimmt. Sie wird mit keinem Wort in der Geschichte erwähnt. Es ist, als hätte sie niemals existiert, aber Nachforschungen haben ergeben, dass eine Person mit diesem Namen tatsächlich zu dieser Zeit gelebt hat. Die Geburt ist im Register eingetragen, aber der Tod nicht. Das kann mehrere Gründe haben: Entweder es wurde vergessen, man hat es nachträglich wieder entfernt oder sie ist tatsächlich spurlos verschwunden, wie es die Legenden besagen. Das konnte man nicht herausfinden.“ Etwas verwirrt nickte ich. „Diese Seira hat es also tatsächlich gegeben…“ „Na ja.“, mischte sich Daisuke ein, „Das ist nicht sicher. Wir wissen nur, dass eine Person mit dem gleichen Namen und dem gleichen Alter zu dieser Zeit gelebt hat, aber wir wissen nicht, ob diese Seira die selbe ist, wie die aus der Legende.“ Wieder nickte Akira. „Aber es ist sehr wahrscheinlich, denn Alter und Zeit stimmen überein.“ Neugierig wandte ich mich an meine beiden Gesprächspartner. „Also, mal angenommen, diese Seira aus der Legende ist die, die damals gelebt hat, was hat sie dann mit mir zu tun?“ Ich sah, wie Daisuke schluckte. Es schien als ginge das Gespräch in eine Richtung, die ihm nicht passte. Zum Glück fiel dem Neuen das nicht auf. Er sprach einfach weiter. „Es wäre gut möglich, dass du ein direkter Nachkomme bist. Natürlich ist das nur Spekulation, aber eines ist sicher: Deine Vorfahren stammen aus Nakuni.“ Verwirrt schaute ich ihn an. „Wieso glaubst du das?“, wollte ich wissen. „Nun ja…“, erklärte Rapunzel, „Woher willst du sonst solche Kräfte haben?“ Ich starrte auf den Boden. „Ja, aber trotzdem. Hör endlich auf, über diese Seira zu reden. Es verwirrt mich total, meinen Namen in diesem Bezug zu hören!“ Akira grinste mich an. „Ok, aber dafür sagst du mir, weshalb du doch Ren nennen lässt?“ Wütend sah ich ihn an. „Weil das mein Name ist?“, stellte ich eine Gegenfrage. „Seira ist auch dein Name!“, meine Daisuke lachend. „Hört endlich auf, diesen Namen zu sagen. Ich will ihn nicht mehr hören!“, sagte ich wütend. Endlich waren die zwei für einen Augenblick still. Gerade wollte ich aufjubeln, als: „Und diese Seira hat wirklich gelebt?“, härte ich Daisuke seinen besten Freund fragen. Dieser nickte. „Sie wurde im Gebirge als Tochter einer einfachen Bauerin geboren. Die erste Zeit fiel sie nicht auf, lebte ihr Leben und wurde irgendwann mit einem reichen Viehhändler verlobt, welchen sie nach ihrem sechzehnten Geburtstag heiraten sollte. Hier beginnt die Legende. Eines Morgens soll sie aufgewacht sein, mit einer merkwürdigen Kette um den Hals. Neugierig, was das denn war, fragte sie jedem im Dorf danach, doch keiner konnte ihr die Frage beantworten. Statt dessen weckte sie den Neid der Leute. Viele sollen versucht haben, ihr das Auge zu stehlen, vergebens. Sie hütete es wie ihren eigenen Augapfel. Irgendwann kam dann ein adliger in das Dorf. Er sah das Auge und wusste sofort, was es war. Als er es ihr sagte, wollte sie ihm nicht glauben. Aber er erzählte ihr trotzdem alles, was er darüber wusste. Als sie hörte, dass sie die rechtmäßige Herrscherin sei, verließ sie das Dorf. Sie wollte sich mit dem momentanen Herrscher treffen. Das ist der Punkt, an dem sie aus der Geschichte verschwindet. Keiner der Dorfbewohnen hat sie danach jemals wider lebend gesehen. Und ob sie ihr Reiseziel erreicht hat, weiß auch keiner. Aber entweder sie hat es erreicht und wurde von dem Herrscher getötet oder ein wildes Tier oder Räuber haben sie auf dem Weg überfallen, was ich für unwahrscheinlich halte. Immerhin konnte sie sich verteidigen. Der Herrscher hatte genug Einfluss und Macht, eine einfache Bauerntochter verschwinden zu lassen, sei es nun durch ihre Löschung in den Büchern oder dadurch, dass er ihren Tod befiehlt. Das ist die einzige logische Erklärung. Und außerdem wissen wir dadurch, weshalb keinerlei Informationen über ihr späteres Leben überliefert sind.“ Als Akira endete, starrten Daisuke und ich ihn erstaunt an. Ich konnte nicht fassen, was ich gerade gehört hatte. Es klang sehr logisch für mich. Wahrscheinlich war es wirklich so in etwa gewesen. Denn für mich ergab nichts anderes einen Sinn. Alles bis auf eine Kleinigkeit: „Wenn sie die rechtmäßige Herrscherin war, wieso hat man sie dann einfach umgebracht? Ich verstehe das nicht. Außerdem hatte sie niemandem etwas getan.“ Daisuke seufzte. „So ist das nun mal, wenn es um Macht geht.“ Der Neue stimmte ihm zu. „Man angenommen, sie hat ihr Ziel wirklich erreicht und wollte den Herrscher sprechen, dann bleibt nur diese Möglichkeit für ihr spurloses Verschwinden. Der Herrscher muss Angst bekommen haben, dass er seine Position verliert und wieder ein normaler Bürger wird, weshalb er dann wahrscheinlich auch so gehandelt hat. In solchen Situationen spielt es keine Rolle mehr, ob derjenige Freund oder Feind war. Man will die Person einfach nur noch tot sehen.“ Ich nickte. Wieder war alles logisch. Wieso war mir das nicht eingefallen? Wahrscheinlich dachte ich nicht so weit. Aber das erklärte noch lange nicht, was ich damit zu tun hatte. Ich seufzte und wandte mich an den Neuen. „Danke für den ausführlichen Lebenslauf von dieser Seira. Jetzt wüsste ich aber wirklich gern, wieso du sie mit mir in Verbindung bringst. Ist ein gleicher Vorname da nicht ein wenig weit hergeholt? Es gibt sicher noch viele Menschen, die ebenfalls Seira heißen. Was ist dann mit denen?“ Daisuke grinste. „Da hat sie recht. Du kannst nicht jeden, der Seira heißt mit dem Auge der Katze in Verbindung bringen. Da wirst du ja nie mit suchen fertig.“ Akira nickte. „Ich weiß. Aber irgendwo muss ich doch anfangen zu suchen.“ Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ja, aber nicht bei mir!“ Dann warf ich einen Blick auf die Uhr in meinem Handy, bevor mir sämtliche Gesichtszüge entglitten. „Leute?“ Die zwei blickten mich teils überrascht teils verwirrt an. „Ja?“ Ich schnitt eine Grimasse. „Wir haben den Bus verpasst.“, murmelte ich betreten. Daisukes Augen wurde immer größer und sein Gesicht verlor immer mehr an Farbe, bevor er erschrocken aufschrie. „W- was hast du gerade gesagt?“ Ich seufzte. „Der Bus ist vor zwei Minuten gefahren und der nächste kommt in zwei Stunden. Also: Laufen oder auf den Bus warten? Zeitlich dürfte es keinen Unterschied machen.“ Daisuke setzte sich in Bewegung uns spazierte langsam in die entgegengesetzte Richtung in der sich die Bushaltestelle befand, also in Richtung nach Hause. „Ich habe keine Lust, mir hier zwei Stunden lang die Beine in den Bauch zu treten. Ich laufe. Kommst du, Ren?“ Sofort rannte ich ihm hinterher, bis ich aufgeholt hatte, dann passte ich mich seiner Geschwindigkeit an. Wir liefen einigen Straßen entlang. Nach einer Weile bemerkte ich, dass Akira uns verfolgte. Doch das interessierte mich nicht weiter. „Wie gut kannst du deine Kräfte inzwischen kontrollieren?“, fragte mich Daisuke plötzlich. Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Mal funktioniert es und mal nicht.“ Dann schloss ich die Augen und versuchte, mich zu konzentrieren. Wenige Sekunden später spürte ich wieder diese seltsame Kraft. Wieso hatte es vorhin nicht funktioniert? Ich konzentrierte mich und verteilte sich gleichmäßig in meinem Körper, bevor ich in Daisukes Richtung sah. „Momentan funktioniert es gerade, aber ich weiß nicht, für wie lange…“ „Gut.“, antwortete mein Klassenkamerad und guter Kumpel, „Dann rennen wir jetzt nach Hause. Vielleicht überholen wir ja den Bus. Dann können wir den anderen kurz zuwinken.“ Verdattert starrte ich ihn an. „Wir sollen was? Wie stellst du dir das vor, ich-“ „Mach es einfach. Du wirst es mögen.“, sagte Daisuke und rannte los. Ich hatte mühe ihm zu folgen. Es war schwer, sich gleichzeitig auf den Weg zu konzentrieren, die Kontrolle über die Kraft nicht zu verlieren und nicht über Wurzeln oder Steine zu stolpern. Akira hatte schon nach wenigen Sekunden aufgeholt. Grinsend lief er neben mir her. „Da braucht wohl jemand noch etwas Übung.“, ärgerte er mich. Wütend blickte ich ihn an, bevor ich mich noch stärker konzentrierte, damit ich schneller wurde. Komischerweise war es gar nicht anstrengend. Wieso war das so? Die Landschaft zog immer schneller an mir vorbei. Aber trotzdem sah ich alles noch gestochen scharf. Das faszinierte mich Daisuke hatte Recht. Das machte wirklich Spaß. Schin nach wenigen Minuten hatten wir mein Haus erreicht, sogar noch vor dem Bus. Ich grinste. „Jetzt weiß ich auch, wie ich pünktlich in die Schule komme, wenn ich früh mal meinen Bus verpasse.“ Daisuke lachte. „Aber achte darauf, dass du von keinem gesehen wirst. Das hier ist alles streng geheim. Nicht eine einzige unbeteiligte Person darf davon erfahren.“ Ich nickte. Aber wahrscheinlich würde man mir eh nicht glauben, wenn ich davon erzählte, ohne dass ich die nötigen Beweise lieferte. Wir betraten das Haus, diesmal wieder zu dritt, denn Akira folgte uns noch immer. Doch kaum war ich den Flur entlanggelaufen und hatte die Tür zur Küche geöffnet, da kam mir Tora schon wieder entgegengesprungen. Ich kraulte mein kleines Haustier am Kopf. „Na? Bist du auch schon brav gewesen? Hast du fein auf alles aufgepasst?“ Zur Antwort schnurrte Tora nur. Er schien sich hier wirklich wohl zu fühlen. Jetzt kam auch mein anderer Kater um die Ecke gelaufen. Verschlafen gähnte er, bevor er sich streckte und dann vor den Kühlschrank setzte. Mit einem kräftigen „Miau!“, kündigte er an, dass er gerade Hunger hatte. Seufzend setzte ich Tora wieder ab und fütterte die beiden Katzen, während mich Daisuke und Akira kopfschüttelnd beobachteten und sich an den Küchentisch setzten. Doch Daisuke stand gleich wieder auf und durchsuchte meine Küche nach Lebensmitteln. Diese trug er dann alle zusammen, bevor er anfing, unser Mittagessen zu kochen. Zu meiner Überraschung schmeckte dieses sogar sehr gut. Er konnte wirklich kochen. Vielleicht sollten wir in Hauswirtschaft eine Gruppe bilden. Dann war mir eine Eins garantiert. Verwundert über meine berechnende Art schüttelte ich innerlich den Kopf. Man arbeitete doch nicht mit Leuten zusammen, nur um eine gute Zensur zu bekommen. Das wäre ja fürchterlich. Da käme ich mir vor, als würde ich meine Freunde nur ausnutzen. Nach dem Essen gingen wir in das Dojo. Saya hatte eine Firma angerufen und es reparieren lassen, ohne dass ich davon wusste, bis gestern jedenfalls als sie es mir strahlend verkündete und um Geld für die Bezahlung bat. Sie hatte ihr gesamten monatliches Taschengeld, was kein wirkliches Taschengeld war, sondern dazu gedacht war, dass wir hier gut überleben konnten, bereits für einen Großteil von den Gesamtkosten ausgegeben. Nach einigem Hin und her gab ich ihr dann einen Teil von meinem, aber nicht alles. Sonst hätten wir für den Rest des Monats nichts zu Essen mehr. Das wäre nicht besonders praktisch. Daisuke staunte nicht schlecht und pfiff anerkennend. „Alle Achtung. Wo hast du nur auf die Schnelle so ein teil aufgetrieben?“, Fragte er. „Saya.“, antwortete ich monoton, „Sie hat es schon vor einer Weile wieder herrichten lassen. Ich selbst war noch nie hier drinnen, nach der Renovierung jedenfalls, also fragt nicht, wo ihr irgendwelche blöden Sachen findet!“ Dann schaute ich mich erst einmal in dem Dojo um. Es war sehr geräumig und der Boden bestand aus Holz. Die Wände waren an den unteren zwei Metern mit hellgrauen Matten gepolstert die äußersten zwei Meter des Bodens auch. Darüber befand sich weißer Putz. In einer Ecke standen mehrere Stapel von den Matten, die sich auch an den Wänden befanden, aber in verschiedenen Farben. Ein Stapel war bunt und mit kräftigen Farben durcheinandergewürfelt. Zwei andere bestanden aus den gleichen grauen Matten wie an der Wand und daneben waren noch ein Stapel grüner Matten und einer mit roten. Alle waren etwa zwei Meter hoch, das konnte ich dank der Markierung durch die Matten an der Wand erkennen. Ich sah mich weiter um und entdeckte eine in die Matten eingelassene Tür. Auf diese ging ich zu und öffnete sie. Dahinter befanden sich Umkleidekabinen und ein kleiner Raum mit zwei Tischen und ein paar Stühlen. Die gesamte Wand war mit Schränken bedeckt. Als ich einen, auf dem mein Name stand öffnete, entdeckte ich eine Menge Holzschwerter und andere Sachen, die für das Training nützlich waren. Es befanden sich sogar Trainingsklamotten und einige Haarbänder darin. Anscheinend hatte Saya gehofft, ich würde hier ab und zu mit ihr trainieren. Kopfschüttelnd über die Einfälle meiner kleinen Schwester packte ich mir den nächstbesten Trainingsanzug, ging in die Umkleidekabine und zog mich um. Meine Sachen legte ich auf einen der Tische, die Schuhe stellte ich darunter. Dann band ich mir meine Haare zusammen. Als ich wieder zurück zu Daisuke und Akira ging, grinste ich den ersten der beiden an. „Damit steht dem Training nichts mehr im Weg. Von mir aus können wir sofort anfangen.“ Daisuke grinste zurück. „Du kannst es wohl kaum noch abwarten. Ok, dann fangen wir jetzt an.“, mit diesen Worten zog er seine Schuhe aus und zog mich in die Mitte der großen Halle. Akira machte es sich inzwischen auf den gestapelten Matten bequem. „Also,“, setzte Daisuke an, „wir trennen das Training in einen theoretischen Teil und einen praktischen Teil. In der Theorie erzähle ich die etwas über Waffen und wie man sie benutzt und in der Praxis werde ich dir erst jedes Mal ein paar neue Schritte oder Techniken zeigen. Danach versuchst du, sie nachzumachen. Hast du das geschafft, kämpfen wir gegeneinander. Beherrschst du etwas ohne deine Kräfte, versuchst du das gleiche noch einmal mit ihnen und in einer höheren Geschwindigkeit. Keine Angst, ich werde mich zurückhalten und versuchen, dich nicht zu verletzen.“ Ich nickte. „Aber bevor wir anfangen noch eine kleine Warnung an dich und Rapunzel. Wir werden hier wahrscheinlich meistens nicht allein sein. Saya trainiert jeden Nachmittag hier Kendo. Vielleicht könntest du ihr auch mal eine Kleinigkeit beibringen, also wenn sie will.“ Daisuke nickte. „Kein Problem, wobei ich glaube, dass es da nicht mehr allzu viel gibt. Ich habe es in der Zeitung gelesen. Sie ist Bezirksmeisterin.“ Geschockt im positiven Sinne über diese Information verschluckte ich mich und hustete los. Das hatte ich noch gar nicht gewusst. Lag wohl daran, dass ich für gewöhnlich keine Zeitung las. Aber das war keine Entschuldigung. Ich war eine miserable Schwester. Vielleicht sollte ich doch ab und zu hier etwas mit Saya trainieren... Ich grinste Daisuke an. „Dann kämpfe doch mal gegen sie. Ich bin neugierig, wen von euch gewinnt. Aber wage es nicht, zu schummeln.“ Jetzt lachte Daisuke. „Ich doch nicht! Wie denkst du denn von mir.“ „In Sport hast du auch geschummelt!“, warf ich ihm an den Kopf. Mit diesen Worten startete er unser Training. Er zeigte mir, wie man einem Angriff am schnellsten auswich, nur leider viel zu schnell, weshalb ich nicht mitkam. Zum Glück wiederholte er die Bewegung noch einmal in Zeitlupe und erklärte sie. Zuerst standen seine beiden Füße nebeneinander, dann drehte ein Bein, so dass beide Fußspitzen nach innen zeigten. Jetzt drehte er seinen einen Fuß in die selbe Richtung wie den anderen. „Versuche, das nachzumachen.“, verlangte er. Ich tat, was er sagte, stellte mich aber anscheinend ziemlich dämlich an, jedenfalls seufzte Daisuke und half mir. „Der Hauptpunkt ist die Form des Fußes. Hier, dein rechter Fuß ist in der Position deines Körpers nach der Drehung. So in etwa.“ Er zeigte die Bewegung noch einmal. Diesmal schaute ich noch genauer hin. Daisuke erklärte weiter. „Das ist eine schnelle Bewegung zur Seite. Damit kannst du deinem Gegner ausweichen. Bewege deinen Oberkörper nicht, um den Gegner zu überraschen. Wenn du dann hinter ihm bist, kannst du deinen Angriff vorbereiten.“ Ich versuchte es erneut. Zuerst setzte ich den rechten Fuß vor den linken. Dann drehte ich beide Fußspitzen aufeinander zueinander. Doch bevor ich überhaupt wusste, was los war, verlor ich das Gleichgewicht und fiel der Länge nach auf den Boden. Das brachte Daisuke zum kichern, aber er war schnell wieder Ernst. „Du bist hingefallen, weil du deine Knie nicht angewinkelt hast.“, erklärte er meinen Fehler. Wieder versuchte ich es. Einige Male fiel ich wieder um, doch nach etwa einer halben Stunde klappte es endlich. Ich konnte die Bewegung, wenn auch nur in Zeitlupe. Mein Klassenkamerad und Trainer klopfte mir lobend auf die Schulter. „So und jetzt werde immer schneller. Wenn du dich in dieser Geschwindigkeit bewegst, bist du ein leichtes Ziel.“ Ich tat, was er sagte. Die ersten Male knallte ich wieder auf den Boden, holte mir eine Menge blauer Flecken, aber dann wurde es wie schon vorhin immer besser. Jetzt griff mich Daisuke einige Male langsam mit einem Faustschlag an und ich musste mit dieser Technik ausweichen. Anfangs war es einfach, doch dann bewegte er sich auf einmal immer schneller. Nur noch knapp konnte ich seiner Faust ausweichen. Der nächste Schlag stoppte direkt vor meinem Gesicht. „Nicht schlecht.“, sagte Daisuke, „Das ist ein guter Start. Und noch einmal.“ Er schlug wieder mit der Faust nach mir. Doch diesmal erklärte er, während er zuschlug. „Wenn du nur an das Ausweichen denkst, wirst du dich in eine schwierige Lage bringen. Du musste deine Bewegung beschleunigen, bevor dein Gegner an Geschwindigkeit gewinnt. Du musst im letzten Moment beschleunigen. Das ist der beste Zeitpunkt.“ Ich nickte als Zeichen dafür, dass ich verstanden hatte. Wie Daisuke es gesagt hatte, konzentrierte ich mich nicht mehr nur auf das Ausweichen, sondern beobachtete alle seine Bewegungen. Sie kamen mir auf einmal viel langsamer vor und das, obwohl ich diese seltsame Kraft nicht einsetzte. Nachdem ich wieder nicht mit seiner vollen Geschwindigkeit mithalten konnte, machten wir eine kurze Pause und kletterten zu Akira auf die Matten. Ich war überrascht, als ich zwei andere Personen neben ihm erblickte, Saya und Ayaka, unsere Nachbarin. „Hi.“, grüßte ich die beiden, bevor ich mich erschöpf auf die nächstbeste freie Stelle legte. „Machen wir für heute Schluss.“, meinte Daisuke und ich nickte nur, doch dann fiel mir etwas ein. Sofort setzte ich mich wieder auf, dann schob ich ihn und meine kleine Schwester von den Matten. „Wolltet ihr nicht noch gegeneinander kämpfen?“, fragte ich. Kapitel 11: Erste Erfolgserlebnisse ----------------------------------- Ich schob Daisuke und meine kleine Schwester von den Matten. „Wolltet ihr nicht noch gegeneinander kämpfen?“, fragte ich. Saya starrte mich an, als sei ich das erste Auto auf dem Mond, währen mein Klassenkamerad nur laut lachte. „Das sieht dir wieder ähnlich, Ren!“, meinte er. Zur Erklärung für mein Handeln grinste ich Saya frech an. „Ich will die Bezirksmeisterin in Kendo mal wieder verlieren sehen.“, neckte ich sie. Sofort rannte meine kleine Schwester in den Raum mit den großen Schränken und kam wenig später in Trainingsklamotten und mit zwei Bambusschwertern zurück. Eines davon drückte sie Daisuke in die Hand. „Kannst du überhaupt Kendo?“ Er schüttelte seinen Kopf. „Nein. Nur Schwerkampf. Was hältst du von einem Kampf ohne Regeln? Der Verlierer ist für das Abendessen zuständig.“ Mit einem Grinsen im Gesicht beobachtete ich die beiden. Hatten sie nicht gerade etwas von ohne Regeln gesagt? Und jetzt stellten sie doch welche auf. Aber das konnte mir auch egal sein. Saya und Daisuke gingen in Kampfposition, wenig später sprang meine jüngere Schwester auf ihn zu und holte mit ihrem Bambusschwert aus. Sie verfehlte Daisuke nur knapp, doch er nutzte die Gelegenheit für einen Gegenangriff. Saya schaffte es nicht mehr auszuweichen und musste blocken, wodurch sie durch die Wucht von Daisukes Angriff auf dem Boden einen Meter nach hinten rutschte. Doch das schien sie nicht weiter zu stören. Munter griff sie ihn weiter an, doch sie konnte keinen einzigen Treffer landen. Jedem Angriff wich Daisuke spielend aus, und nicht nur das: Er setzte die Technik dazu ein, die er mich beigebracht hatte, also es versucht hatte, mir beizubringen. Noch beherrschte ich sie nicht. Das ging etwa zehn Minuten lang so. Saya prügelte inzwischen mit dem Holzschwert nur noch auf meinen Klassenkameraden ein. Daisuke seufzte und schaute sie ernst an. Nur drei Sekunden später flog ihre Waffe in hohem Bogen durch die Trainingshalle und er heilt ihr die Spitze der stumpfen Klinge des Holzschwertes an die Kehle. „Du hast verloren.“ Saya stand da und rührte sich keinen Millimeter von der Stelle. Ich sprang von den Matten und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. „Sieh es mal positiv. Wenn du gegen wen verlierst, weißt du, dass du noch besser werden kannst. Ständig zu gewinnen ist doch langweilig.“ Sie riss sich los und schaute mich wütend an. „Bist du endlich fertig mit deiner Moralpredigt? Ich weiß, dass ich noch nicht gut genug bin. Das musst du mir nicht immer auf die Nase reiben! Und jetzt lass mich in Ruhe.“ Sie stürmte aus dem Dojo. „Vergiss das Essen nicht!“, rief ihr Daisuke hinterher. Verwirrt schaute ich ihr nach. Was war denn jetzt kaputt? So eine kleine Niederlage beeindruckte sie doch sonst nicht. Sie war eindeutig zu eingebildet geworden. Aber als wir am Abend die Küche betraten, hatte sich zu meiner Überraschung tatsächlich den Tisch gedeckt, auch wenn nur Ketchup und Pizza darauf standen. Den Rest hatte sie weggelassen, also mussten wir und Teller, Gläser und Besteck selbst holen, aber immerhin hatte sie sich an die Abmachung gehalten. Die nächsten Tage zwei Wochen trainierte ich jeden Tag nach der Schule bis spät in die Nacht hinein. Wochenende begann das Training sogar schon Vormittag. Abends war ich immer so fertig, dass ich ins Bett fiel und sofort einschlief, aber ich machte Fortschritte. Jetzt kannte ich schon einige Grundtechniken und musste nicht immer nur ausweichen. Nur leider traf ich mit meinen schwachen Angriffen Daisuke nie, aber war erwartete ich? Er war Profi. Und da war es normal, dass ich als Anfänger nicht mit ihm mithalten konnte. Das wäre ja auch schlimm. Die Kontrolle über diese seltsame Kraft hatte ich auch sehr verbessert. Ich verlor sie jetzt nicht mehr einfach. Das war auch ein großer Fortschritt, fand ich. Nur leider ließ durch das harte Training meine Aufmerksamkeit in der Schule nach. Auf Dauer war das nicht besonders gut, denn dadurch würde sich mein Durchschnitt verschlechtern und ich könnte nächstes Jahr das Internat nicht besuchen, aber momentan war noch alles im grünen Bereich. Und Daisuke arbeitete auch hart. Er war inzwischen in jedem Fach um mindestens eine Zensur besser, außer in Sport, da hatte er schon eine Eins. Die Lehrer schienen völlig mit seinem plötzlichen Ehrgeiz und seiner guten Mitarbeit überfordert zu sein. Als er das erste Mal seit Monaten seine Hausaufgabe gemacht hatte, fiel unser Biologielehrer aus allen Wolken. Er riss sie Daisuke aus der Hand und kontrollierte sie sofort. Als er dann auch noch feststellte, dass die Hausaufgabe vollständig und richtig war, schrieb er ihm sofort eine Eins ein. Die ganze Klasse hatte gelacht und Applaus geklatscht, alle außer Naoki und Isamu. Sie hatten ihn die ganze Zeit über wütend angestarrt. Gerade lag ich zu Hause in meinem Bett und starrte an die Decke. Es war Samstag und die hälfte des Trainings hatte ich bereits überstanden. Heute Nachmittag sollte ich gegen Akira kämpfen, der ab und zu hier vorbeischaute, damit ich mich nicht zu sehr an Daisukes Bewegungen gewöhnte. Denn jeder kämpfte anders. Ich setzte mich auf und streichelte meinen Kater, welcher mir sofort seinen Kopf hinreckte und zu schnurren begann. Es schien ihm zu gefallen. Als ich genug davon hatte, meinen Kater zu kraulen, zog ich mir meine Trainingsklamotten an und machte mich auf den Weg zum Dojo. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass Akira und Daisuke bereits dort waren und auf mich warteten. Wir begannen mit dem Training. Schon nach wenigen Minuten war ich erschöpft. Akira verlangte viel mehr von mir als Daisuke. Er bewegte sich um ein vielfaches schneller und zielte genauer. Nie hielt ich länger wie eine Minute durch, bis ich einen Probekampf verlor, doch ich konnte mich auch daran anpassen, wenigstens an die erhöhte Geschwindigkeit. Als ich nicht mehr konnte, machten wir eine Pause. „Du bist besser geworden.“, sagte der Neue, „Du bewegst dich ganz anders als am Anfang.“ Ich wusste nicht, ob seine Worte ernst gemeint waren, weshalb ich ihn einfach nur dankbar anlächelte. „Danke, dass du mit mir trainierst.“ Er winkte ab. „Ein bisschen Bewegung hat noch keinem geschadet!“ „Du hast dich verändert.“, murmelte ich, „Am Anfang warst du total eingebildet und hast nicht einmal im Traum daran gedacht, jemandem zu helfen und jetzt. Jetzt bist du auf einmal so nett und hilfst mir sogar mit dem Training.“ Darauf sagte Akira nichts. Statt dessen wandte er sich einfach von mir ab und verließ das Dojo. Wütend schrie ich ihm hinterher: „Du Idiot! Jedes mal, wenn ich ein annähernd positives Bild von die habe, muss du es wieder zerstören.“ Doch dieses Mal war ich komischerweise fast nicht wütend. Es war eben seine Art. Wenn er meinte, dass alle schlecht von ihm denken sollten, dann musste er sich eben weiter so verhalten. Irgendwie mochte ich diese Art sogar langsam. Akira war zwar ein totales Arschloch, wenn es darum ging, sich anständig anderen Menschen gegenüber zu verhalten, aber er war zuverlässig. Ich wusste, wenn ich in Schwierigkeiten wäre, er würde mir helfen. Mit diesen Gedanken setzte ich mein Training mit Daisuke fort, was mir nach dem harten von Akira sehr leicht vorkam, doch als er das bemerkte, gestaltete er es schwieriger. „Beweg dich schneller, Ren! So bist du eine lebendige Zielscheibe!“ Das brauchte er mir nicht zu sagen. Ich wusste es auch so! Wirklich! Ich versuchte, meine Geschwindigkeit noch ein kleinwenig zu erhöhen, jedes winzige bisschen, das noch möglich war, wäre mir recht gewesen, doch ich schaffte es nicht. Statt dessen stolperte ich über meine eigenen Füße und stürzte nach hinten, schlug mit dem Hinterkopf auf dem Holzboden auf. Alles war schwarz um mich herum. Ich lag auf einem harten Grund, wusste aber nicht, wo das war. Auch als ich die Augen öffnete, sah ich nichts, doch dann wurde meine Umgebung langsam heller, aber nicht viel, denn mich umgab eine finstere Nacht. Nur der Vollmond schien auf mich herab. Zuerst erkannte ich nur seine groben Umrisse, dann sah ich immer schärfer. Aber meine Sicht wurde nie vollkommen klar. Alles sah ich durch eine Art Nebelschleier. Ich war völlig durchnässt und es regnete. Was hieß es regnete? Es goss wie aus Eimern. Doch der Regen war weder kalt noch warm, ich spürte ihn nicht einmal richtig. Auch die Kleidung, die an meinem Körper klebte, spürte ich nicht wirklich. Ich bemerkte es erst, als ich an mir heruntersah und ein zerrissenes Kleid von der Art, wie sie Leute vor einigen hundert Jahren getragen hatten entdeckte. Wieso trug ich so etwas? Das ergab keinen Sinn. Ich rannte, sehr schnell sogar. Außerdem fühlte och, dass ich nicht vor jemandem floh, sondern versuchte, jemanden einzuholen. Aber warum war das so? Und wo war ich gerade? Ich rannte einer von Kratern übersähen Wiese entlang. Schlamm spritzte auf meine Kleidung und meinen Körper. Doch das interessierte mich nicht. Tränen liefen mir über das Gesicht. Ich fühlte mich unglaublich traurig, außerdem fühlte es sich an, als hätte ich ein Schlechtes Gewissen oder so. Hatte ich mich mir irgendjemandem gestritten? Mit einem meiner Freunde? Aber deswegen war man doch nicht so fertig! Was war hier passiert? Plötzlich stolperte ich über einen Stein oder einen auf dem Boden liegenden Ast, ich konnte es nicht erkennen, dazu war meine Sicht noch zu unscharf. Der Länge nach fiel ich in eine große Pfütze. Es schmerzte, das wusste ich, aber ich fühlte keinen Schmerz. Alles war so irreal, so unwirklich, als wäre es nicht echt, sondern nur eine Illusion. Ich stand mühsam wieder auf und rannte weiter, den Hang hinauf, bis ich an einer relativ ebenen Fläche ankam. Ich fühlte, dass ich mein Ziel erreicht hatte. Vor mir kämpften zwei Personen. Ich wusste nicht, wer es war, konnte es wegen dem starken Regen nicht erkennen, aber ich wusste, ich kannte die beiden. Zögerlich lief ich auf sie zu. Da hörte ich es, dieses Geräusch, wie Klingen aufeinander prallten. Inzwischen war ich nahe genug dran, um erkennen zu können, was vor sich ging. Zwei Jungen, etwa in meinem Alter standen sich gegenüber, mit unzähligen Verletzungen auf den Körpern. Ich zitterte am ganzen Körper. Ein Windstoß von hinten blies mir meine Haare ins Gesicht. Wie ich es gewohnt war, wollte ich sie mir hinter die Ohren streichen, doch ging es nicht. Sie rutschten wieder vor. Warum? Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff. Mein langes Haar war auf einmal so kurz, dass es nicht einmal mehr bis auf die Schulter reichte. Was war hier los? Wieder prallten die Waffen aufeinander. Die Kämpfenden waren am ende ihrer Kräfte angelangt, aber sie hörten nicht auf. Wollten sie so lange weitermachen, bis einer von ihnen starb? Erst jetzt fiel mir auf, dass die Gegend, in der ich mich gerade befand nicht aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert sein konnte. Wo war ich? Wer waren die Personen vor mir? Was war mit meinem Haar passiert? Und wieso um alles in der Welt trug ich so ein hässliches, zerrissenes Kleid? Einer der beiden Kämpfenden schrie schmerzhaft auf. Der andere stürmte auf ihn zu. Plötzlich erschien eine Mauer aus Wasser vor dem, der geschrieen hatte. Ein starker Wind kam auf und blies die Mauer zur Seite, woraufhin der Andere mit einem Schwert ausholte. Der junge Mann, der geschrieen hatte, konnte dem Schwertangriff gerade noch so ausweichen, indem er in meine Richtung sprang. Jetzt stand er einen Meter neben mir. Ich sah ihn an. Er hatte blaugrünes, kurzes Haar und Augen in der selben Farbe. Außerdem trug er auch solche altmodische Kleidung, wie ich es tat. Plötzlich spürte ich, wie mein Herz um ein vielfaches schneller schlug, als normal. Warum? Der Junge sah mich an. In seinen Augen konnte ich Hass sehen, unendlichen Hass, aber auch eine große Enttäuschung. Irgendetwas sagte mir, dass diese Gefühle nicht auf den anderen Jungen gerichtet waren, sondern auf mich. Wieso? Was hatte ich getan? Der andere Junge kam extrem schnell auf mich zugestürmt. Fassungslos starrte ich ihn an, bewegte mich aber keinen Millimeter von der Stelle. Statt dessen schloss ich krampfhaft die Augen. Ich wollte hier weg, jetzt, sofort. Das war nicht die Welt, in die ich gehörte! Eine warme Flüssigkeit spritzte mir ins Gesicht. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Der fremde Junge mit den blaugrünen Haaren stand vor mir und hatte den Angriff mit seinem Körper abgefangen. Das Schwert steckte in seinem Oberkörper. „Warum?“ Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht heraus. Der Junge drehte sich zu mir um und lächelte. Der Hass und die Enttäuschung waren aus seinen Augen verschwunden. „Würde dir etwas zustoßen, könnte ich mir das nie verzeihen.“ Mit diesen Worten kippte er nach hinten. „NEIN!“ Ich riss erschrocken meine Augen auf und saß sofort aufrecht. Verwirrt schaute ich mich um. Ich war im Dojo. Daisuke kniete neben mir und sah mich besorgt an. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er und wollte mich auf die Beine ziehen. „Fass mich nicht an!“, schrie ich und schlug seine Hand weg. Es dauerte einige Sekunden, bevor ich realisierte, was ich gerade getan hatte. Entschuldigend blickte ich meinen Klassenkameraden an. „Tut mir Leid. Mir geht es gut. Es war nur ein Alptraum.“ Daisuke nickte und brachte mich in mein Zimmer. Das Training setzten wir nicht fort, dazu war ich im Moment viel zu fertig. Wieder einmal hatte ich das Trainingsziel nicht erreicht. Nachdem Daisuke wieder gegangen wat, zog ich gleich meine Schlafsachen an und warf mich in das Bett. Zum Essen fehlte mir mal wieder die Kraft. Kaum hatte ich meine Augen geschlossen, driftete ich auch schon in die Traumwelt ab, doch diesmal träumte ich nichts. Am nächsten Morgen wurde ich durch den Klang meines Weckers geweckt. Ich murmelte etwas unverständliches und zog mir die Decke über den Kopf. Es war Sonntag und da wollte ich ausschlafen! Doch ich hatte meine Rechnung ohne Daisuke gemacht. Laut riss er meine Zimmertür auf und stapfte in mein Zimmer hinein. Dann packte er meine Decke und entriss sie mir. „Willst du nicht langsam mal aufstehen?“, fragte er gereizt. „Nur noch ein paar Minuten.“, murmelte ich schlaftrunken und zog die Decke wieder in meine Richtung. Dann schloss ich erneut meine Augen. „Ren!“, hörte ich meinen Klassenkameraden meinen Namen rufen, „Steh jetzt endlich auf. Du bist schon fast eine halbe Stunde zu spät.“ Murrend bewegte ich meinen Körper aus dem Bett und lief wie in Zeitlupe in das Bad. Dort wusch och mir das Gesicht und putzte die Zähne. Danach zog ich mich um. Als ich die Küche ein paar Minuten später betrat, warteten Daisuke und Akira bereits vor der Tür zu dieser auf mich. „Frühstück gibt es, wenn wir mir dem ersten Teil des Trainings fertig sind.“ Mir klappte der Mund auf. Ungläubig starrte ich meinen sonst so netten Trainer an. Was war in ihn gefahren? Ich hatte Hunger! Immerhin hatte sich seit gestern Mittag nichts mehr gegessen, doch auch das schien keinen zu interessieren. Statt dessen legten die beiden mir Gewichte an Armen und Beinen an, drückten mir meine Turnschuhe und meine Übergangsjacke in die Hand, bevor sie mich aus dem Haus zogen. Draußen wehte mir ein frischer Wind entgegen. Es war zwar noch kalt, aber Schnee lag fast keiner mehr, da es in den letzten Tagen öfters geregnet hatte. Die ersten Schneeglöckchen blühten und es roch wunderbar frisch draußen, wenn es nur nicht so kalt wäre. Als ich auf das Thermometer blickte, las ich etwas von knapp unter Null Grad ab. Auch war der Boden noch gefroren. Er würde erst im Laufe des Tages auftauen. „So?“, stellte ich die Frage, obwohl ich die Antwort bereits wusste, „Und was soll das jetzt werden, wenn es fertig ist?“ Mir war bewusst, dass ich zickig klang, aber daran war nicht ich schuld, es lag einfach nur an meiner Müdigkeit und der Kälte. „Wir Joggen.“, antwortete Daisuke monoton und brachte mich zum seufzen. „Dann leg dir wenigstens auch Gewichte an!“, meckerte ich, „Sonst ist es unfair!“ Er zuckte mit den Schultern. „Geht schlecht, die hast alle du.“, meinte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht, bevor er sich ungerührt in Bewegung setzte. Nur schwer konnte ich ihm und Akira folgen. „Du kannst die Gewichte gerne wiederhaben!“, redete ich weiter auf ihn ein, „Ich brauche sie jedenfalls nicht und schon gar nicht alle!“ „Doch!“, entgegnete Akira, „Du brauchst sie! Damit das Training weitergehen kann, musst du erst einmal die notwendigen Muskeln dafür aufbauen, und genau deswegen gehst du jetzt jeden Morgen Joggen, auch vor der Schule.“ Mir klappte der Mund auf, dann schloss ich ihn wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Es musste etwas Ähnlichkeit mit einem Goldfisch gehabt haben, denn meine beiden Klassenkameraden fingen an zu lachen und machten sich über mich lustig. Wütend wendete ich meinen Blick ab und versuchte, sie zu ignorieren. Aber das war schwieriger, als ich es mir vorstellte, denn jedes Mal, wenn ich meinen Blick abwandte, nannte mich einer von ihnen so lange beim Namen, bis ich irgendwann endlich genervt reagierte. Langsam fror ich nicht mehr so sehr und obwohl es anstrengend war, mit ihnen mitzuhalten, tat es irgendwie gut, sich mal wieder ganz frei bewegen zu können. Während des Trainings lernte ich ja nur bestimmte Bewegungen... So konnte ich mich mal richtig austoben. Aber trotzdem rechtfertigte das noch nicht, mich zu dieser Uhrzeit aus dem Bett zu werfen. Denn ich hätte wirklich gern noch ein paar Stunden weitergeschlafen. Als wir endlich wieder am Startpunkt angekommen waren, stützte ich mich erschöpft an der Hausmauer ab. Das war echt anstrengend gewesen. Aber jetzt, nachdem ich es geschafft hatte, fühlte ich mich gut, irgendwie richtig munter, wäre ich nur noch so außer Puste. Außerdem war inzwischen die Sonne aufgegangen und schien mir in das Gesicht. Verträumt schloss ich meine Augen und genoss die Wärme auf meinem Gesicht für einige Momente, bis ich von meinen Klassenkameraden daran gehindert wurde. „Du pennst ja schon wieder!“, rief Daisuke, „Bist du echt so müde?“ Zur Demonstration gähnte ich ihn provokativ an. „Wenn ihr mich so zeitig weckt!“ Daisuke seufzte. „Und wann willst du dann trainieren? Kaito hat schon versucht, dich zu entführen. Wir wissen nicht, was er als nächstes plant, deswegen müssen wir auf alles vorbereitet sein. Er wird es sicher nicht bei seiner Niederlage belassen, dazu ist er viel zu stolz. Das einzige, was erklärt, wieso wir ihn schon lange nicht mehr gesehen haben, ist nun mal, dass er gerade etwas plant!“ Ich schnitt eine Grimasse. „Von mir aus kann er bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich will ihn nicht mehr sehen und wenn er es wagt, hier noch einmal aufzutauchen, dann mache ich ihn fertig. Notfalls prügele ich so lange auf ihn ein, bis er nicht mehr weiß, wo oben und unten ist! Er sollte mir also besser fern bleiben.“ Obwohl ich log, wusste ich doch, dass ich mir im innersten wünschte, ihm wenigstens eine ordentliche Ohrfeige verpassen zu können, dafür dass er mich einfach geküsst hatte! Wir betraten das Haus und machten uns auf den Weg in die Küche, wo der gedeckte Frühstückstisch bereits auf uns wartete, oder besser gesagt, das was Saya davon übrig gelassen. Das beste hatte sie, wie immer eigentlich, aufgegessen. Ich seufzte und setzte mich an den Tisch. Dann schmierte ich mir ein Brötchen und biss genüsslich hinein. Es tat gut, mal wieder etwas zu essen. Doch plötzlich sah ich wieder die Bilder aus dem Alptraum vor meinen Augen. Das Brötchen fiel mir aus der Hand, ohne das ich das wirklich realisierte. Der fremde Junge mit den blaugrünen Haaren stand vor mir und hatte den Angriff mit seinem Körper abgefangen. Das Schwert steckte in seinem Oberkörper. „Warum?“ Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht heraus. Der Junge drehte sich zu mir um und lächelte. Der Hass und die Enttäuschung waren aus seinen Augen verschwunden. „Würde dir etwas zustoßen, könnte ich mir das nie verzeihen.“ Mit diesen Worten kippte er nach hinten. „NEIN!“ Ich zuckte zusammen, sah genau zu Daisuke und Akira. Die beiden schauten mich leicht verwirrt an, als würden sie eine Erklärung erwarten. Ich wollte meinen Mund öffnen, doch es kam kein Tom heraus, weshalb ich meinen Blick senkte. Mir war die ganze Sache peinlich. Keiner sollte mich so sehen. Stumm liefen mir die Tränen über das Gesicht und tropften auf mein Oberteil. Ich wusste nicht, warum, doch als ich Akira erneut ansah, begriff ich, denn anstatt seinem Gesicht sah ich plötzlich das des Jungen, de mir in meinem Traum das Leben gerettet hatte. Warum war mir das nie früher aufgefallen? Beide hatten die gleiche ungewöhnliche Augenfarbe und Haarfarbe. Sie sahen einander wirklich mehr als nur ähnlich. Der Einzige Unterschied bestand darin, dass Akiras Haar viel länger war. Wieder zuckte ich zusammen. Der Junge, dem Akira so ähnlich sah, hatte mit Wasser gekämpft, gegen Wind. Ich versuchte, mich an jedes Detail zu erinnern. Und tatsächlich. Ich lag richtig. „Wind gegen Wasser...“, murmelte ich, noch immer nicht wieder bei klarem Verstand. Daisuke rüttelte mich an den Schultern. „Hey, Ren! Komm wieder zu dir!“ Ich reagierte nicht darauf, sondern starrte ihn nur aus leeren Augen heraus an. „Das darf nicht wahr sein.“, kam es nach einer Weile aus meinem Mund. „Was ist passiert?“, schrie mich Daisuke an und rüttelte weiter an meinen Schultern. Er klang nicht mehr besorgt, sondern eher, als hätte er Panik. „Kaito und Akira...“, wimmerte ich, „Wieso ist mir das nicht früher aufgefallen? Sie waren die beiden... Sie haben gegeneinander gekämpft. Kaito hat Akira umgebracht!“ Kapitel 12: Vorahnungen ----------------------- „Kaito und Akira...“, wimmerte ich, „Wieso ist mir das nicht früher aufgefallen? Sie waren die beiden... Sie haben gegeneinander gekämpft. Kaito hat Akira umgebracht!“ Es war still. Alle starrten mich erschrocken an. Akira war sogar sein Brötchen aus der Hand gerutscht. Es landete kopfüber auf dem Boden. „W- was hast du gerade gesagt?“ Ich zuckte zusammen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich eben alles laut ausgesprochen hatte. Daisuke kniete vor mir auf dem Boden und starrte mich geschockt an. „Ren, du… ?“ Ich senkte meinen Blick. „Der Albtraum…“, murmelte ich, „Akira ist darin gestorben.“ Den Rest erwähnte ich nicht. Das traute ich mich nicht. Ich hatte Angst vor seiner Reaktion, die darauf folgen würde. Sicher war er jetzt schon wütend. Daisuke schien sich endlich wieder etwas gefasst zu haben. „Wie lange hast du diesen Alptraum schon?“, fragte er mich ernst. Eine weile überlegte ich. Dann fiel es mir wieder ein. „Seit dem ersten Montag nach den Ferien, seit dem dreiundzwanzigsten Februar.“ „A- aber-“, stotterte Daisuke, „Da hast du Akira ja noch gar nicht gekannt.“ Zuerst schaute ich meine beiden Klassenkameraden nur verwirrt an, bis mir auffiel, dass er eigentlich gar nicht hätte in meinem Traum vorkommen dürfen. Man träumte schließlich nicht von irgendwelchen unbekannten Idioten, die einen retteten und dabei draufgingen. Endlich schien sich auch Rapunzel wieder gefasst zu haben. „Was genau ist in deinem Traum passiert? Und wieso tauche ich da auf?“ Anstatt zu antworten, schüttelte ich nur meinen Kopf. Ich wollte jetzt nicht darüber sprechen, nicht jetzt und auch nicht später. Die ganze Aktion war mir, jetzt wo ich mich wieder beruhigt hatte, ziemlich peinlich. Was mussten die anderen jetzt über mich denken? Doch die schienen gerade andere Probleme zu haben. Sie starrten mich beide immer noch geschockt an, als würden sie meinen zusammengesponnenen Traum für bare Münze nehmen. Aber was war, wenn sie damit Recht hatten? Was war, wenn mein Traum Wirklichkeit werden würde? Wenn Akira wirklich streben würde? Starb er in den Traum überhaupt? Nicht einmal das wusste ich. Ich war immer aufgewacht, bevor er wirklich tot war. Er hatte nur wegen Blutverlust das Bewusstsein verloren und war zusammengebrochen. Tot war er noch nicht. Vor meinem inneren Auge ließ ich die letzten Sekunden des Albtraums ablaufen, sah das Blut, das Schwert im Oberkörper. Er war tot, ganz sicher. So etwas überlebte man nicht, da war ich mir sicher. Ich bekam Angst, Angst davor, dass der Traum wahr werden würde. Ich wollte nicht, das jemand meinetwegen starb, auch nicht Akira. Selbst wenn ich ihn nicht besonders mochte, wollte ich noch lange nicht, dass ihm so etwas zustieß. „Was genau ist passiert?“, riss mich Akiras Stimme aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen, beantwortete aber dann zu meiner Überraschung wirklich seine Frage, wenn auch in gekürzter Form. „Es hat geregnet. Ihr habt gegeneinander gekämpft. Er hat dir sein Schwert durch den Oberkörper gerammt. Du bist zusammengebrochen.“ Stille. Akira war der Mund aufgeklappt. „Bist du sicher? Ich verliere gegen diesen…“ Das war meine Gelegenheit. Schaffte ich es jetzt, halbwegs gut zu schauspielern, wäre die Sache gegessen, weshalb ich ihn überheblich angrinste. „Du bist wohl doch nicht so gut, wie du immer tust, sonst würdest du ja wohl kaum gegen Kaito verlieren, oder Rapunzel.“ Akira klappte der Mund auf und er starrte mich geschockt und wütend an. „Du wagst es?!“ Ich grinste nur. „Siehst du doch! Tja, dann musst du eben härter trainieren, damit du nicht gegen Kaito verlierst. Am besten bittest du ihn noch um Privattraining.“ Der Neue schlug mit der Faust auf den Tisch. „Halt sofort deine Klappe!“, schrie er mehr als nur gereizt, woraufhin ich ihm die Zunge herausstreckte. „Nö. Keine Lust.“ „Na warte!“, jetzt sprang Rapunzel vom Stuhl auf und stellte sich direkt vor mich. Bedrohlich funkelte er mich an. „Jetzt bist du erledigt.“ „Ach, weiß du?“, gab ich ihm lässig zur Antwort, „Darauf habe ich gerade wirklich keine Lust. Wenn du dich prügeln willst, dann such dir jemand anderen, aber nicht mich.“ Auf Daisukes Gesicht sah ich schon ein verdächtiges Grinsen. Er hatte Mühe, sich das Lachen zu verkneifen, da er sich seinen ehemals besten Freund nicht zum Feind machen wollte. Akiras Gesicht allerdings wurde immer verzerrter vor Wut. Er schnaubte zornig, fast wie ein Pferd. „Weißt du, wie egal mir das ist?“ „Du prügelst dich also mit Mädchen?“, warf ich ihm gespielt empört vor, „Wie feige.“ Jetzt konnte Daisuke sich nicht mehr beherrschen. Laut prustete er los, woraufhin er sich einen wütenden Blick von Akira einfing, der alles andere als Begeistert davon war. „Jetzt fang du nur auch noch an. Was kommt als nächstes? Die ganze Welt?“ Mein Klassenkamerad und guten Freund schüttelte seinen Kopf. „Nein danke. Das wird zu stressig. Ich muss es am Ende wieder ausbaden, wenn du dir die ganze Welt zum Feind machst. Dazu habe ich null Bock.“ So langsam beruhigte sich der Neue wieder. Anscheinend hatte das mit Daisukes Aussage eben zu tun. Vielleicht war etwas in ihrer Vergangenheit passiert... Ich seufzte, als ich plötzlich einen orangefarbenen Wollknäuel auf meiner Schulter sitzen hatte. Gedankenverloren streichelte ich Tora, der das mit einem lauten Schnurren quittierte. „Gute Mieze.“, murmelte ich. „Das ist keine Katze...“, meinte Akira trocken. Ich sah ihn überrascht an. „Klar! Das sieht man doch!“ „Akira hat Recht.“, sagte Daisuke ernst, „Dein Tora ist keine Katze. Er hat zwar die Gestalt einer, ist aber eigentlich ein Animale, so nennen wir die Tiere aus der anderen Welt. Wie du es geschafft hast, ihn zu zähmen, ist mir ein Rätsel. Aber die anderen sind nicht so zahm. Manchmal tauchen sie hier auf und fressen Menschen oder Tiere.“ Rapunzel nickte. „Die Leute von der Widerstandsbewegung bekämpfen sie und schicken sie entweder zurück oder töten sie. Manchmal tun die Familien der fünf Kaiser das auch, aber eher selten. Außer es handelt sich um ein besonders gefährliches Animale...“ Verwirrt nickte ich. „Schläft Naoki deshalb immer in der Schule?“ Jetzt nickte Daisuke. „Er und Isamu kämpfen jede Nacht gegen solche Tiere.“ Tora sprang auf Daisukes Schoß, woraufhin mein Klassenkamerad kurz zusammenzuckte, dann aber in schallendes Gelächter ausbrach. „Dein Tora ist wirklich süß.“, meinte er, während er ihn kraulte, „Er scheint kein Problem mit uns zu haben. Wenn du ihn richtig ausbildest, kann er dir in Kämpfen helfen. Vielleicht lässt er dich sogar auf seinem Rücken reiten. Das wäre vorteilhaft, er kann sehr weit und hoch springen.“ Ich grinste und sah zu Tora. „Was meinst du? Hast du Lust?“ Zur Antwort bekam ich ein einfaches „Miau.“ Daisukes Lachen wurde noch lauter. „Ich nehme das mal als ein 'Ja'.“ Ich kicherte, stand auf und fütterte Tora. „Du hast sicher Hunger, nicht?“ Kaum hatte ich den Futternapf auf den Boden gestellt, kam auch schon mein anderer Kater angerannt und wollte auch sein Fressen haben, weshalb ich einen weiteren Napf füllte und ihm vor die Nase stellte. Dann setzte ich mich wieder an den Tisch. „Diese Kämpfe gegen diese Animale... Wie genau laufen sie ab? Ich meine… Haben die Animale irgendwelche Fähigkeiten wie ihr oder sind das nur große Tiere?“ Zuerst schauten mich meine Klassenkameraden verwirrt an, bevor Daisuke meine Frage beantwortete. „Normalerweise sind es nur ‚große Tiere’, wie du das nennst. Es ist sehr selten, dass sie bestimmte Fähigkeiten haben zu und noch seltener können sie die Elemente kontrollieren. Bis jetzt bin ich nur wenigen begegnet. Eine Sache sollte ich vielleicht noch erwähnen: Normale Menschen können Animale nicht sehen. Aber das bedeutet nicht, dass alle, die es können, besondere Fähigkeiten haben. Das trifft nur auf reichlich die Hälfte von ihnen zu. Die Leute der Widerstandsbewegung suchen nach solchen Menschen, um sie für ihre Zwecke zu gewinnen.“ „Du schweifst ab.“, warf Akira ein und sah seinen besten Freund gelangweilt an, „Das Eine hat mit dem Anderen so gut wie nichts zu tun.“ Daisuke lächelte verlegen. „’tschuldige, das passiert mir öfters.“ „Macht nichts.“, meinte ich, „Ich finde es interessant.“ Akira seufzte. „Du weißt echt nichts über Nakuni, was?“ „Könnte man so sagen.“ Ich senkte meinen Blick. „Daisuke hat mir zwar ein wenig erzählt, aber viel kann ich damit auch nicht anfangen.“ „Du und Kaito... Ihr kennt euch, richtig?“, kam es nach einigen Sekunden zögerlich von Daisuke und er sah mich abwartend an. Ich nickte. „Vor einigen Jahren waren wir beste Freunde. Jedenfalls bis er alles zerstört hat...“ Meine Klassenkameraden sahen mich leicht überrascht an, sagten aber nichts. Sie warteten darauf, dass ich weitersprach, jedenfalls sah es danach aus. Von meiner gescheiterten erste Liebe wollte ich ihnen nichts erzählen, weshalb ich dort ansetzte, wo ich Kaito nach Jahren zum ersten Mal wieder gesehen hatte. „An dem Tag, an dem ich während der Mathearbeit geträumt hatte. Ich musste länger in der Schule bleiben und sie nachschreiben. Dadurch verpasste ich meinen Bus und musste nach Hause laufen. Unterwegs traf ich Kaito. Er hat gegen Tora gekämpft und sah ziemlich mitgenommen aus. Ich habe mich in den Kampf eingemischt, als ich Tora wiedererkannt hatte. Na ja, dann ist noch dieser Morau aufgetaucht. Ich weiß bis heute nicht, was er von mir wollte. Er hat mich einfach grundlos angegriffen. Kaito ist dazwischengegangen und die beiden sind verschwunden. Danach habe ich Tora einfach mit nach Hause genommen...“ „Kaito hat gegen ihn gekämpft?“, fragte Akira ungläubig, „Und er war verletzt? Weißt du, was das bedeutet? Dein Animale muss sehr mächtig sein, wenn es in der Lage gewesen ist, ihn zu verletzen. Wie hast du es geschafft, so ein Monster zu zähmen?“ Ich hob meine Schultern. „Keine Ahnung. Das ist schon Jahre her.“ „Moment mal!“, warf Daisuke ein, „Unterbrecht mich, wenn ich falsch liege. Aber wenn Ren in der Lage war, so ein mächtiges Animale zu zähmen, dann- Dann ist es nicht weiter wunderlich, dass Wind und Erde hinter ihr her sind.“ „Wind, Erde und Elektrizität.“, murmelte Akira, „Dein Onkel hat sich mit den Oberhäuptern ihrer Familien zusammengeschlossen. Sie planen, Nakuni mit Gewalt zu übernehmen.“ „W- was?“ In Daisukes Stimme schwang Panik. „Das- Das darf nicht wahr sein!“ Akira schüttelte schwach seinen Kopf. „Ist es aber. Und ich fürchte, es wird ihnen auch gelingen. Die fünf Kaiser sind bis auf wirklich kleine Differenzen fast genau gleich stark. Demzufolge gewinnt die Seite, auf der mehr von ihnen stehen. Um sie aufzuhalten, müsstest du zurückgehen, dein Amt übernehmen und mit meinem Vater und Feuer zusammenarbeiten. Das ist so gut wie unmöglich. Mein Vater würde sich nie auf so etwas herablassen und über Feuer konnte ich absolut nichts herausfinden. Sie halten sich seit Jahren nur im Hintergrund auf und keiner weiß etwas über ihre Ziele. Ich konnte nur herausfinden, dass der Thronerbe Yuuki heißt, in unserem Alter ist und sich seit einiger Zeit fast ausschließlich in dieser Welt aufhält. Aber selbst dann wäre und ein Sieg noch nicht sicher. Naoki Takahashi, der Anführer der Widerstandsbewegung, soll genauso stark sein wie die Kaiser. Und er ist definitiv unser Feind. Immerhin ist es ihr Ziel, die Familien der Kaiser komplett auszurotten.“ „Wir müssen sie aufhalten!“, rief Daisuke. „Ich weiß.“ Akira ballte seine Hände zu Fäuste. „Und aus diesem Grund bin ich hier her gekommen. Meinem Vater habe ich erzählt, ich würde das Auge der Katze suchen. Aber nur mit ihm können wir nicht gewinnen. Außerdem weiß ich nicht einmal, ob es überhaupt noch existiert. Vielleicht hat es diesen Gegenstand auch nie gegeben. In Wahrheit suche ich nach Yuuki aus der Familie des Feuers. Ich muss unbedingt mit ihm sprechen. Vielleicht kann er seine Familie überzeugen, mit uns zusammenzuarbeiten.“ „Das könnte funktionieren.“, murmelte Daisuke, „Mit ihm hätten wir drei der fünf Kaiser.“ Akira nickte. „Nur der erstgeborene Sohn von einem der Kaiser erbt seine Kräfte. Wir müssen ihn unbedingt finden. Leider kann ich hier nichts über ihn finden, weder seinen momentanen Aufenthaltsort noch den Namen seiner Schule, fall er überhaupt eine besucht...“ „Also ist es aussichtslos...“ Daisuke senkte seinen Blick. Gerade wollte ich ihn aufmuntern, sagen es würde schon irgendwie gut gehen, als mir etwas einfiel. „Das Sportfest! In zwei Wochen! Unsere Sportlehrerin hat doch letzten Freitag davon erzählt. Alle Schulen aus dem Umkreis nehmen mit den besten Schülern der neunten und zehnten Klassen in verschiedenen Disziplinen daran Teil. Wenn dieser Yuuki genauso im Sportunterricht schummelt wie ihr, dann treffen wir ihn vielleicht dort.“ Die Augen meiner Klassenkameraden wurden immer größer. Ungläubig starrten sie mich an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst!“, fragte Rapunzel, „Du willst den Sohn des Kaisers des Feuers auf einem Schulsportfest suchen?“ Ich nickte. „Warum nicht? Er könnte immerhin dort sein.“ „Ren hat Recht. Und so unwahrscheinlich ist das ganze auch nicht. Und selbst wenn wir ihn dort nicht finden, haben wir einen ganzen Tag lang keine Schule.“ Akira seufzte. „Wenn ihr meint... Mehr als schief gehen, kann es ja nicht...“ „Dann ist die Sache entschieden.“, beschloss ich, „Fragt sich nur noch, wie wir es schaffen, auf dieses dumme Sportfest zu kommen. Schätze, es geht nicht ohne zu schummeln...“ Daisuke lachte. „Ja und? Das hat uns bis jetzt auch nicht davon abgehalten.“ Ich lachte. „Diesmal ist es erlaubt. Immerhin geht es hier um eine wichtige Sache.“ Den Alptraum hatte ich schon fast vollständig wieder vergessen und die restlichen unschönen Gedanken verdrängte ich erfolgreich. Sicherlich machte ich mir deswegen zu viele Gedanken. Außerdem ging die Suche nach diesem seltsamen Yuuki von er Familie des Feuers vor. Denn ohne ihn wären wir ziemlich aufgeschmissen. Seufzend lehnte ich mich zurück. „Wenn es nach mir ginge, könnte das Training heute gerne ausfallen. “ Meine beiden Klassenkameraden warfen mir einen tadelnden Blicke zu, bevor Daisuke das Wort ergriff. „Kommt gar nicht in Frage. Du brauchst das Training, wenn du in Zukunft allein überleben. Und außerdem sollten wir langsam deine Fähigkeiten, deine Kräfte zu kontrollieren, etwas verbessern. Sonst schaffst du es nicht auf das Sportfest. Also im Klartext: Wir verschieben das Kampftraining und machen statt dessen mit Sprint, Weitsprung, Kugelstoßen und so weiter.“ Er sah zu Akira. „Und du trainierst auch mit!“ „Sklaventreiber!“, murmelte ich und blickte die beiden beleidigt an. Auf Daisukes Gesicht bildete sich ein Grinsen, bevor er mich am Arm packte und direkt in das Dojo zog. „Betrachte es einfach als Rache bezüglich der Hausaufgaben und des Lernens.“ Ich schnaubte. „Wirklich dankbar von dir. Ich habe nur für deine Zukunft gesorgt!“ Das Grinsen auf dem Gesicht meines Klassenkameraden und guten Freundes wurde breiter. „Denkst du, das tue ich nicht?“ „Jaja,“, murmelte ich, „Ich habe es kapiert.“ Jetzt noch weiter zu diskutieren war sinnlos. Gewinnen konnte ich nicht mehr, da Daisuke Recht hatte und wenn ich ihn jetzt noch weiter ärgerte, würde er es mir im Training zurückzahlen. Da ich darauf überhaupt keine Lust hatte, schwieg ich lieber und fügte mich meinem Schicksal. Im Dojo zog ich mich als ersten um und band meine Haare zusammen, bevor wir starteten. Die ersten Aufgaben waren noch relativ leicht. Anfangs musste ich nur Runden laufen und dabei meine Kräfte einsetzen. Die einzige Schwierigkeit bestand daraus, dass Daisuke nebenherlief und ich mich an seine Geschwindigkeit anpassen musste. Auch meine das Tempo Bewegungen musste ich an ihn anpassen, sonst würde ich im Sportunterricht in Schwierigkeiten geraten, da sich kein normaler Mensch so schnell bewegen konnte. Akira hatte es sich auf den gestapelten Matten bequem gemacht und beobachtete uns. Ab und zu gab er einen ernst gemachten Hinweis oder einen dummen Kommentar von sich. Doch er dachte nicht im Traum daran, mitzumachen. Nach gefühlten Stunden beendete Daisuke diese Übung und fuhr mit einer anderen fort: Sprint. Das war schon um einiges Schwieriger, da ich es nicht ohne weiteres fertig brachte, meine Kräfte so einzusetzen, dass meine Bewegungen realistisch aussahen, tempomäßig Daisukes angepasst waren und ich fast gleichzeitig mit ihm ins Ziel kam. Eines stimmte immer nicht. Entweder waren meine Bewegungen zu schnell und ich erreichte das Ziel weit vor ihm oder ich konzentrierte mich zu sehr auf sie und erreichte das Ziel zu spät. Erst nach einiger Zeit hatte ich mich daran gewöhnt und machte langsam Fortschritte. „So können wir es lassen.“, meine Daisuke nach einiger Zeit. Wir festigen die Übung in den nächsten Tagen. Jetzt geht es erst einmal mit Weitsprung weiter.“ Ich seufzte. Wenn das so weiter ging, würde ich bald wahnsinnig werden. Das hielt doch kein Mensch aus. Irgendwann brauchte jeder mal eine Pause und meine war längst überfällig. Nur leider schienen Daisuke und Akira da anderer Meinung zu sein. Bei dem ersten der beiden machte das auch noch halbwegs Sinn, was bei Akira nicht der Fall war. Wahrscheinlich wollte er mich nur ärgern. Das tat er in letzter Zeit gern, vorzugsweise indem er mich bei meinem ersten Vornamen ansprach. Ich hasste das. Deswegen weigerte ich mich nach wie vor, ihn bei seinem Namen anzusprechen und nannte ihn nach wie vor Rapunzel, obwohl mich Daisuke schon einige Male gebeten hatte, das zu unterlassen. Wieder mit den Gedanken zurück im Dojo führte Daisuke gerade vor, wie mein Weitsprung auszusehen hatte und erklärte, worauf ich zu achten hatte. „Pass auf, dass du nicht mit zu viel Kraft abspringst, sonst könnte es passieren, dass du dir den Kopf an der Decke stößt. Außerdem darfst du nicht weiter als bis zu der Markierung springen.“ Er zog mir Kreide eine Linie auf den Holzboden. Ich nickte, als Zeichen dafür, dass ich verstanden hatte, und versuchte es. Ich konzentrierte mich auf meine Kräfte. Wie ich es aus dem Sportunterricht gewohnt war, sprintete ich so schnell wie möglich auf den Abspringpunkt zu und drückte mich dort mir voller Kraft ab. Als Resultat berührte mein Kopf fast die sehr hohe Decke des Dojos, ich flog weit über die Kreidemarkierung und kam mit einer Bruchlandung wieder am Boden auf. Akira rollte sich lachend auf den Matten hin und her. Er hielt sich den Bauch und in seinen Augen standen Lachtränen. „Das glaube ich jetzt nicht, Seira. Du hast echt alles falsch gemacht, was überhaupt falsch zu machen ging! Du bekommst echt gar nichts auf die Reihe.“ Das traf mich, doch wollte ich es nicht zeigen, weshalb ich ihm gespielt gut gelaunt meine Zunge herausstreckte. „Von dir lasse ich mir gar nichts sagen, Rapunzel!“ „Wie hast du mich gerade genannt?“, rief er beleidigt. „Rapunzel.“, antwortete ich ihm mit einem spöttischen Grinsen im Gesicht. Akira starrte mich gereizt an. „Wie oft soll ich dir das noch sagen? Nenn mich gefälligst nicht so. Ich habe auch einen Namen. Oder ist das zu hoch für dich?“ Ich hob meine Schultern. „Ich auch…“ „Im Gegensatz zu dir benutze ich den schon lange. Seira. Aber dazu scheint deine Intelligenz nicht auszureichen. Sonst wer dir das sicher aufgefallen.“ Seine Stimme wurde von Wort zu Wort spöttischer und er fixierte mich mit einem starren Blick. „Nur zu deiner Information…“, ich starrte ihn wütend und gekränkt an, „Ich heiße nicht Seira. Also nenn mich nicht so. Mein Name ist Ren!“ Mit diesen Worten warf ich ihm noch einen beleidigten Blick zu, bis ich aus dem Dojo stolzierte. Daisukes Rufe ignorierte ich. Die Lust am Training war mir vergangen. Wütend über Akiras Sticheleien, die manchmal sehr verletzend waren, stampfte ich in mein Zimmer, zog mich um und verließ das Haus. Ein kleiner Spaziergang würde mir sicher gut tun, dachte ich. So konnte ich meine Gedanken wieder sortieren. Daisuke hatte mir zwar verboten, allein das Grundstück zu verlassen, aber wenn ich Tora mitnahm, war ich ja nicht allein und konnte das Verbot ganz einfach umgehen. Kapitel 13: Miku und Miyu ------------------------- Ich schnaubte, als ich die Straßen entlang schlenderte. Was bildete sich dieser Akira eigentlich ein? Ich hatte ihm oft genug gesagt, dass er mich nicht bei meinem ersten Vornamen nennen sollte und trotzdem… Eigentlich war ich wütend auf mich selbst. Ich verstand nicht, warum ich bei Akira jedes Mal so überreagierte. Jeden anderen hätte ich einfach ignoriert. Wieso nicht ihn? Was hatte er, dass mir das unmöglich machte? Wütend trat ich gegen einen am Boden liegenden Stein. „Dieser Idiot!“, schrie ich wütend. Tora wich erschrocken dem Stein aus und ging auf Abstand, was ich aber nur hintergründig wahrnahm, so sehr war ich in Gedanken. Ich verstand es nicht. Ich hasste Akira! Ich verabscheute ihn. Er war einbildet, hielt sich für etwas besseres und beleidigte mich die ganze Zeit. Warum fiel es mir so schwer, nicht an ihn zu denken? Warum konnte ich ihn nicht einfach ausblenden. Oder besser: Warum konnte er nicht einfach in diese seltsame andere Welt zurückkehren und sich hier nie wieder blicken lassen! Schwach schüttelte ich meinen Kopf. Das würde keines meiner Probleme lösen. Im Gegenteil: Sie würden sich nur noch verschlimmern. Auch wenn ich es nur ungern zugab, war ich momentan auf die Hilfe von Akira und Daisuke angewiesen. Außerdem gab es keine Garantie dafür, dass ich ihn dann vergessen würde, obwohl ich wollte, dass dem so wäre. Ich hörte ein Geräusch, direkt neben mir, woraufhin ich zusammenzuckte und einige Schritte zurückwich. Aber ich konnte nichts erkennen. Was war das gewesen? Eingebildet hatte ich es mir sicher nicht. Langsam warf ich einen Blick zu Tora. Seine Rückenhaare stellten sich auf und er fauchte, behielt aber seine Größe bei. Jedoch hatte er mir mit seinem Verhalten gezeigt, dass hier etwas war und mehr brauchte ich nicht zu wissen. „Komm, wir gehen…“, murmelte ich und lief in die Richtung, aus der ich gekommen war. Tora folgte mir. Aber weit kam ich nicht. Kaum hatte ich etwa zehn Meter zurückgelegt, spürte ich plötzlich einen Luftzug direkt hinter mir. Ich erschrak, nur um einen Augenblick später zurückzuweichen. Hier war etwas, das wusste ich. Doch als ich in die Richtung sah, aus der ich angegriffen worden war, konnte aber nichts entdecken. Tora sprang vor mich, bevor sich seine Rückenhaare noch mehr aufstellten und er fauchte. Er sah es, das war mir klar. Wenn ich doch nur wüsste, wer oder was hier war. Gab es denn keine Möglichkeit, wie ich das herausfinden konnte? Mir kam eine unerwartete Idee. Diese seltsamen Kräfte. Vielleicht konnte ich damit besser sehen… Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf sie, bis sie im ganzen gleichmäßig verteilt waren. Erst als ich das Gefühl hatte, sie jetzt vollständig unter Kontrolle zu haben, öffnete ich meine Augen wieder. Noch immer konnte ich nicht den Grund dieses Geräusches erkennen, aber etwas anderes weckte meine Aufmerksamkeit. Am Boden war eine Linie gezogen und alles hinter ihr nahm ich seltsam unscharf war. „Hier ist es also…“, murmelte ich und näherte mich dem Gebiet, gefolgt von Tora. Kaum hatte ich die seltsame Linie übertreten, wurde alles hinter ihr plötzlich gestochen scharf. Jedes kleinste Detail konnte ich erkennen. Jetzt sah ich auch den Grund für das seltsame Geräusch eben. Direkt vor mir befanden sich auf einmal ein riesiger Vogel und ein genauso großer Stier. Durch Daisukes Erklärung eben wusste ich, dass es sich um Animale handelte, doch war es das erste Mal, dass ich so etwas sah. Den Monstern standen zwei Mädchen in etwa meinem Alter gegenüber. Ihrer Körperhaltung nach zu urteilen, kämpften sie gegen die Animale. Ich sah sie genauer an. Sie ähnelten sich sehr, also waren sie wahrscheinlich verwandt. Das einzige, was sich bei ihnen unterschied, waren die Haarfarbe und ihre Waffen. Eine hatte rotblondes Haar und kämpfte mit einem Speer, das Haar der anderen hatte eine dunkelblonde Farbe und sie benutzte für den Kampf Handschuhe, an denen hauchdünne Seile befestigt waren. Beide hatten schon einige kleinere Schnittwunden und Schrammen. Die Mädchen sahen überrascht in meine Richtung, bevor die Rothaarige mich ansprach. „Du hast hier nichts verloren. Das ist gefährlich. Es ist besser, du gehst jetzt, bevor du verletzt wirst.“ Gerade wollte ich mich zum Gehen wenden, als ich im Augenwinkel einen Schatten auf mich zukommen sah. Nur knapp konnte ich ausweichen, indem ich einige Meter zur Seite sprang. Tora tat es mir gleich. Doch kaum war er vor mir auf dem Boden angekommen, verloren seine Umrisse die Form und er nahm die Gestalt der riesigen Katze an. Der Angreifer, bei dem es sich um den Vogel handelte, wich zurück. Die beiden Mädchen starrten mich und Tora erschrocken an. Sie hatten ihre Augen weit aufgerissen und schienen sprachlos zu sein. Einige Male öffnete und schloss die Blondhaarige ihren Mund, ehe sie das Wort ergriff. „Wer bist du? Wieso hast du auch diese Kräfte und warum beschützt dich dieser Animale?“ Innerlich seufzte ich, da ich eigentlich keine Lust hatte, mich ihnen vorzustellen. Warum ich es trotzdem tat, verstand ich nicht. „Mein Name ist Ren. Ich bin 16 Jahre alt. Warum ich diese dummen Kräfte habe, weiß ich nicht. Tora habe ich vor ein paar Jahren gezähmt.“ Sie nickte. „Ich heiße Miku und das ist meine Zwillingsschwester Miyu. Wir sind von der Widerstandsbewegung und unser Auftrag ist es, diese zwei Animale auszuschalten. Was hältst du davon, wenn wir kurz zusammenarbeiten?“ Ich musste Grinsen. Daisuke würde mir den Kopf abreißen, wenn er davon erfuhr, das wusste ich und es war mir egal. Ich konnte gut auf mich allein aufpassen. „Von mir aus.“ Miyu sprang auf mich zu und landete neben mir auf dem Boden. Ihr rotblondes Haar wehte im Wind. „Also dann… Auf gute Zusammenarbeit.“ Ich nickte, bevor ich mich an mein Haustier wandte. „Tora fass!“, sagte ich und deutete auf den Vogel und den Stier. In der Zwischenzeit sah ich mich nach einer geeigneten Waffe für mich um. Mein Holzschwert lag leider noch zu Hause im Dojo. Ich war nicht davon ausgegangen, dass ich es brauchen könnte. Wie es aussah, musste ich mich wohl oder übel auf meine Fäuste verlassen, ob mir das gefiel oder nicht… Mehr als ein paar Grundtechniken hatte mir Daisuke noch nicht beigebracht, weshalb ich mich besser zurückhielt und nur verteidigte. Das war sicherer. Innerlich seufzte ich. Das würde Ärger geben. Wenn Daisuke davon erfuhr, konnte ich etwas erleben. Nicht nur, dass ich gerade gegen so ziemlich alle Regeln verstieß, ich brachte mich auch noch unnötig in Gefahr. Doch das war mir egal. Es interessierte mich nicht. Ich war so wütend auf Akira, dass ich den bevorstehenden Ärger einfach ausblendete. Der Stier sprang auf mich zu. Gerade noch so konnte ich seinen Hörnern ausweichen. Zum Gegenangriff reichte meine Zeit nicht mehr, denn da kam er schon wieder in enormer Geschwindigkeit auf mich zugestürmt. Tora sprang auf ihn zu und stieß ihn zur Seite. Hätte er das nicht getan, wäre ich wahrscheinlich aufgespießt worden. Gab es denn keine Möglichkeit, wie ich mich gegen dieses Rindvieh wehren konnte? Irgendetwas musste ich doch tun können. Ich erinnerte mich an das Training mit Daisuke, was er mir alles beigebracht hatte und ging die wenigen Techniken, die ich bereits mehr oder weniger beherrschte im Kopf noch einmal durch, auf der Suche nach einer, die für diesen Kampf geeignet war. Und ich wurde fündig. Das erste, was Mein Klassenkamerad mir beigebracht hatte. Wenn ich es richtig einsetzte, konnte ich den Angriffen des Stiers sicher locker ausweichen. Mir blieb keine Zeit, noch weiter darüber nachzudenken. Im nächsten Augenblick wurde Tora zur Seite geschleudert. Er flog einige Meter durch die Luft, bevor er wieder auf seinen Pfoten landete und erneut auf den Stier zupreschte. Doch dieser hatte mich in der Zwischenzeit ins Visier genommen und stürmte auf mich zu. Aber diesmal konnte ich ohne Probleme ausweichen, dank Daisukes Training. Ich brachte meine Füße unauffällig in die richtige Position und kurz bevor er mich traf, wich ich mit einer schnellen Bewegung meines Oberkörpers dem Angriff aus. Miku klatschte in die Hände. „Na endlich. Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr aus dem Knick.“ Ich beachtete den dummen Kommentar nicht weiter, sondern konzentrierte mich auf den Stier vor mir, der gerade wieder auf mich zukam. Auch diesmal konnte ich ohne Probleme ausweichen. Es war fast, als würde er sich auf einmal viel langsamer bewegen. „Blödes Rindvieh!“ Ich griff nach seinen Hörnern, drehte mich um die eigene Achse und schleuderte ihn durch die Luft. Er kam mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf und rührte sich nicht mehr. Ich sah mich um. Der Vogel war momentan damit beschäftigt, Toras Angriffen auszuweichen. Da ich gerade nichts besseres zu tun hatte, warf ich einen kurzen Blick auf die Waffen der beiden Mädchen. Miku benutzte einen Speer, der etwa so lang war wie sie groß. Miyu trug Handschuhe, die scheinbar aus einem Metall bestanden. Hauchdünne Fäden gingen von ihnen web und hielten den Vogel gefangen. Der Stier rappelte sich wieder auf, doch griff er nicht an. Er blieb stehen, als würde er auf etwas warten. Aber was war das? Hatte er etwa Verbündete? Noch bevor ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, tauchten mehrere junge Männer neben dem Animale auf. Woher sie gekommen waren, wusste ich nicht und mir blieb auch keine Zeit, darüber nachzugrübeln, denn es stellte sich heraus, dass sie bewaffnet und in der Überzahl waren. Einen von ihnen erkannte ich sofort. Sein schwarz-rotes Haar stach sofort aus der Masse hervor und die Maske war ebenfalls nicht gerade unauffällig. Er kam auf mich zu. „Hey, lange nicht mehr gesehen. Wie geht’s?“, fragte er und ich konnte dem Klang seiner Stimme entnehmen, dass er grinste. „Ja, ist schon eine Weile her… Mir geht’s ganz gut.“, antwortete ich aus Gewohnheit. Dann erst bemerkte ich, was gerade passiert war. Mir entglitten sämtliche Gesichtszüge und ich starrte ihn völlig geschockt an, bevor meine Mimik zu wütend wechselte. „Ich glaube, ich spinne! Hast du nichts besseres zu tun? Wenn du hier nicht augenblicklich verschwindest, sorge ich dafür, dass di das Krankenhaus für die nächsten Wochen nicht mehr verlässt.“ Er ging in Kampfstellung. „Eigentlich hatte ich gehofft, es auf die gewaltfreie Art regeln zu können, aber das scheinst du nicht zu wollen.“ Ich tat es ihm gleich. „Warum sollte ich auch? Immerhin habe ich keinen Grund dazu.“ „So kann man es auch betrachten.“, murmelte der maskierte, „Aber wenn ich du wäre, würde ich kooperieren. Ich bin noch verhältnismäßig nachsichtig, aber Kaito und Morau sind das nicht. Du solltest froh sein, dass sie noch nicht deine Eliminierung befohlen haben.“ Meine Wut steigerte sich von Wort zu Wort und als er endete, konnte ich mich kaum noch beherrschen. „Weißt du was? Das passt mir ganz gut in den Kram. Ich habe mit Kaito eh noch ein Hühnchen zu rupfen.“ Ohne darauf zu antworten wandte der Junge sich von mir ab und lief zurück zu seinen Leuten. „Na los, macht schon! Oder wollt ihr Wurzeln schlagen?“ Augenblicklich verteilten diese sich und diese auf uns zu. Nur mit Mühe konnte ich den kurz darauf folgenden Angriffen ausweichen, trotz dass ich Daisukes Technik benutzte. Gegen mehrere Gegner brachte sie scheinbar nicht besonders viel. Drei Männer verteilten sich um mich herum, aber egal, in welche Richtung ich sah, ich konnte maximal zwei von ihnen sehen. Der Dritte befand sich immer im toten Winkel. Und das machte mir Schwierigkeiten, denn ich konnte nicht sehen, wo genau er sich befand und auch seine Angriffe bemerkte ich erst, als es fast zu spät war. Aber wenn man es mit den Angriffen von vor einigen Wochen verglich, hatte ich große Fortschritte gemacht. Zwar konnte ich nur ausweichen, aber wenigstens trafen mich ihre Angriffe nicht. Miku und Miyu schienen besser mit den Angreifern zurechtzukommen, immerhin mussten sie nicht nur ausweichen, sondern ihnen blieb auch noch die Zeit, um zurückzuschlagen. Doch gut sah es auch für sie nicht aus. Dafür waren es einfach zu viele Gegner. Irgendwann würden wir erschöpft sein und spätestens dann wären wir eine leichte Beute für unsere Feinde. Entschlossen schüttelte ich meinen Kopf. Daran durfte ich jetzt nicht denken. Meine Konzentration würde sinken und dann wäre es auch mit der Kontrolle über meine Kräfte. Das konnte ich im Moment überhaupt nicht gebrauchen. Ich hing an meinem Leben und hatte nicht vor, es von anderen beenden zu lassen und erst recht nicht so schnell. Plötzlich spürte ich starke Schmerzen in meinem linken Unterarm. Erschrocken sprang ich einige Meter zurück und sah mir die Stelle genauer an. Eine der Waffen meiner Gegner musste mich an dieser Stelle getroffen haben. Sie blutete, aber nicht besonders stark. Ich biss die Zähne zusammen und bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen. Zeit, die Schnittwunde zu behandeln, hatte ich eh nicht. Schon wenige Sekunden später musste ich meinen Feinden erneut ausweichen. Jedoch war ich durch den plötzlichen Schmerz eben so erschrocken, dass ich die Kontrolle über meine Kräfte verlot. Wäre ich in diesem Moment nicht über meine eigenen Füße gestolpert und auf mein Hinterteil gefallen, hätten sie mich garantiert aufgespießt. Doch das rettete mich nicht, es verlängerte mein Leben nur um einen Augenblick. Schon im nächsten sah ich, wie eine Klinge in enormer Geschwindigkeit auf mich zukam. Krampfhaft kniff ich meine Augen zusammen und wartete auf den Schmerz. Ein klirrendes Geräusch ertönte, fast wie wenn zwei Metallgegenstände gegeneinander prallten. Zögerlich öffnete ich meine Augen wieder und riss sie weit auf als ich den Rücken einer mir sehr bekannten Person vor mir erblickte. Was tat er hier? Wieso half er mir? Ich dachte, wir wären keine Freunde mehr! „Isamu?“, flüsterte ich mit zitternder Stimme. Er drehte sich zu mir um und grinste. „Alles okay, Chef?“ Zögerlich nickte ich. „Danke.“ Erst jetzt bemerkte ich, dass er ein riesiges Schwert in seinen Händen hielt. Durch Sayas Schwäche für diese Metallteile und Daisukes theoretischem Kampfunterricht erkannte ich es sofort als ein Zanbato. Neben Isamu tauchte Naoki au. Er sah seinen Sitznachbarn und besten Freund mit einem wütenden Ausdruck an. „Ich habe dir nicht erlaubt, dich einzumischen.“ Isamu schaute ihn wütend an. „Ren wäre tot gewesen, wenn ich nicht eingegriffen hätte!“ In Naokis Gesicht zeigte sich keine Regung. „Wir helfen keinem, der zu den Kaisern gehört oder sich mit ihnen verbündet.“ „Ren steht nicht auf deren Seite!“ Isamu klang wütend als er das sagte und das Geräusch, dass entstand als er sein Zanbato in den Boden rammte, untermalte das nur noch. Vorsichtig stand ich wieder aus. Würde ich noch länger auf dem Boden rumsitzen und die beiden verwirrt anstarren, wäre das ein wenig peinlich gewesen. Ich zwang mich, meine Emotionen zu unterdrücken, was gar nicht so leicht fiel. Am liebsten hätte ich Naoki angeschrieen, was er sich einbilde, mich einfach als eine der Kaiser abzustempeln. Doch das tat ich nicht, zumindest schrie ich ihn nicht an. Statt dessen blickte ich ihm direkt in die Augen. „Legst du immer so einfach fest, wem du hilfst und wem nicht?“ Neben mir hielt Isamu erschrocken seine Luft an und sein Blick verriet mir, dass ich nicht gerade clever gehandelt hatte. Aber das war mir egal. Und außerdem hatte nicht ich angefangen, sondern sein Freund. Also sollte er bitte auch wütend auf ihn sein. Naoki kam auf mich zu, zog eine Pistole aus seiner Jacke und auf mich richtete. „Misch dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen. Die Kaiser sind schon seit Generationen unsere Feinde. Jeder, der sich mit ihnen abgibt, ist unser Feind und wir werden ihn auch dementsprechend behandeln. Noch eine Warnung wird es nicht geben. Entweder du stellst dich gegen sie oder wir-“ ‚Klatsch!’ Ich hatte mit der Hand ausgeholt und ihm eine ordentliche Ohrfeige verpasst. Wütend funkelte ich ihn an, bevor ich meiner angestauten Wut freien Lauf ließ und ihm alles an den Kopf warf, was mir einfiel. „Was bildest du dir eigentlich ein?! Was glaubst du, wer du bist?! Einfach über mein Leben bestimmen zu wollen! Ich entscheide, mit wem ich befreundet bin und mit wem nicht! Wenn dir das nicht passt, ist das nicht mein Problem!“ Es war still. Naoki starrte mich erschrocken an, Miyu und Miku ebenfalls, und auf Isamus Gesicht bildete sich ein verdächtig aussehendes Grinsen. Der Junge mit der Maske lachte. „Das hat man schon lange nicht mehr gesehen. Es ist unglaublich. Es gibt tatsächlich noch Leute, die es wagen Naoki Takahashi zu ohrfeigen.“ Auch Isamu lachte inzwischen. „Ren hat’s dir echt gegeben.“ „Halt’s Maul!“, fuhr Naoki seinen besten Freund an, der daraufhin sofort verstummte, und wandte sich wieder an mich, „Richte deinem kleinen Kaiser aus, dass er tot ist, wenn wir uns das nächste Mal sehen.“ Immer noch wütend wendete ich mich ab. „Erstens: Er ist nicht mein Kaiser! Zweitens: Das kannst du ihm ruhig selbst sagen oder bist du zu blöd dazu? Drittens: Du wirst ihn in Ruhe lassen oder du kannst etwas erleben!“ Naokis Augen weiteten sich. Purer Zorn blitzte in ihnen, als er sich ohne ein weiteres Wort von mir abwandte und langsam zu Miku und Miyu lief. Kaum war er nicht mehr in meiner Nähe, begannen die Kämpfe, die kurz gestoppt hatten, wieder von neuem. Doch dank des kleinen Auftritts von Isamu hatte ich mich ein wenig erholt und konnte jetzt problemlos weiterkämpfen. Ohne Schwierigkeiten fand ich die Kontrolle über meine Kräfte wieder, die ich auch mühelos halten konnte. Zusätzlich hatte ich diesmal einen Gegner weniger. Das machte die Sache noch mal leichter. Auch Miku und Miyu hatten weniger zu tun. Ein Teil der Feinde war jetzt damit beschäftigt, Isamu zu bekämpfen. Naoki stand dem maskierten Jungen gegenüber. Doch sie schienen sich in etwa ebenbürtig zu sein. Durch Daisuke wusste ich, wie stark mein Klassenkamerad war und wenn dieser Fremde es einfach so mit ihm aufnehmen konnte, musste er irgendeine wichtige Person sein. War er vielleicht einer von den Kaisern? So schnell wie mir dieser Gedanke aufkam, verwarf ich ihn auch wieder. Das war der reinste Blödsinn. Nur der erstgeborene Sohn, der Erbe, besaß die Kräfte seines Vaters, damit fielen vier von ihnen aus. Wenn ich ehrlich war, glaubte ich nicht, dass es sich bei dem Rothaarigen um Yuuki aus der Familie des Feuers handelte. Das war unmöglich, immerhin hielt sich seine Familie aus den Konflikten heraus. Außerdem, wenn er das wirklich wäre, würde er sich nicht um solche Kleinigkeiten kümmern, sondern zusammen mit Kaito, Morau und dem ganzen Rest die Befehle geben. Wie man es drehte und wendete, das konnte nicht Yuuki sein. Es war jemand anderes! Die Leute den maskierten Jungen schienen uns unterlegen zu sein. Inzwischen hatte ich nur noch einen von ihnen zum Gegner. Die anderen hatte Isamu fertig gemacht. Es schien richtig gut für uns zu laufen, jetzt nachdem wir Hilfe hatten. Tora hatte inzwischen auch den Vogel erledigt und landete mit einem großen Sprung hinter meinem Rücken. Daraufhin wich mein Angreifer aus Angst zurück. Es schien als wollte er sich nicht mir meinem Haustier anlegen. „Wie es aussieht, ist das unser Sieg.“, stellte Naoki fest als er seine edel aussehende Waffe auf den am Boden liegenden Maskierten richtete, „Schlaf gut.“ Seine Finger wanderten zum Abzug, den er langsam drückte. Ein Schuss ertönte. Gleichzeitig kam ein starker Wind auf, der die Kugel stoppte und in die entgegengesetzte Richtung zurückblies. Mein Klassenkamerad schaffte es nicht mehr, ihr auszuweichen, und sie traf ihn an der rechten Schulter. Keine fünf Sekunden später färbte sich Naokis Kleidung an dieser Stelle dunkelrot und ihm fiel die Waffe aus der Hand. Mit einem dumpfen Geräusch kam die Pistole am Boden auf. Kapitel 14: Neue Verbündete --------------------------- Naoki gelang es nicht mehr, der Kugel auszuweichen, und sie traf ihn an der rechten Schulter. Keine fünf Sekunden später färbte sich seine Kleidung an dieser Stelle dunkelrot und ihm fiel die Waffe aus der Hand. Mit einem dumpfen Geräusch kam die Pistole am Boden auf. „Naoki!“, schrie Isamu erschrocken und auch ich zuckte zusammen. „Wind…“, murmelte ich, „Aber dann…“ „Ganz genau.“, vernahm ich eine mir sehr bekannte und im Moment mehr als nur ein wenig unerwünschte Stimme. Einen Augenblick später landete der Eigentümer dieser Stimme, Kaito Nishitsuka, direkt vor mir auf dem Boden. „Lange nicht mehr gesehen, Seira.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Von mir aus kannst du gleich wieder verschwinden!“ „Das ist aber nicht sehr nett von dir.“ Gespielt empört sah er mich an. „Selbst Schuld!“, schnaubte ich sichtlich genervt. Es war kein Geheimnis, dass ich ihn nicht leiden konnte und die Tatsache, dass er mich bei meinem ersten Vornamen nannte, verbesserte das kein Bisschen. Neben meinem ehemals besten Freund erschien Morau. Aber im Gegensatz zu Kaito galt seine Aufmerksamkeit einzig und allein Naoki. Gehässig grinste er ihn an, den Blick dabei immer wieder über die verletzte Schulter schweifend, „Das muss gerade ziemlich erniedrigend für dich sein, habe ich Recht? Als der einzige nichtadlige – was sage ich da, du bist der einzige überhaupt – der es mit einem der Kaiser aufnehmen. Ist es demütigend, sich eingestehen zu müssen, so leicht besiegt worden zu sein? Du hast noch nicht einmal gegen Kaito gekämpft und schon verloren. Erbärmlich.“ „Scheiße!“, schrie Isamu, bevor er sich an die Leute der Widerstandsbewegung wandte, „Rückzug, sofort. Wir haben keine Chance gegen sie.“ „Glaubt ihr wirklich, wir lassen euch so einfach entkommen?“, fragte Kaito. Gleichzeitig errichtete er eine Windbarriere um uns herum, die jeden Fluchtweg versperrte. „Was mein ihr, wie werden die Wiederständler reagieren, wenn wir ihnen den Kopf ihres Anführers zusenden? Mit diesem kleinen Streich würden wir sie auch gleich Schachmatt setzen.“ Ich schluckte, wissend dass das eben Gesagte ernst gemein war. Sie wollten Naoki umbringen, daran bestand kein Zweifel. Doch noch bevor ich auch nur annähernd die Zeit hatte, angemessen zu reagieren, hatte Isamu sich schon vor seinen besten Freund gestellt und funkelte seine Gegner angriffslustig an. „Na los, dann kommt doch. Ich werde euch Naoki jedenfalls nicht kampflos überlassen.“ „Noch einer, der draufgehen will.“, spottete Morau als er auf ihn losstürmte. In mir weigerte sich alles. Das wollte ich nicht. Isamu und Naoki waren meine Freunde. Sie waren diejenigen gewesen, die mich aufgemuntert hatten, nachdem Kaito die Freundschaft beendet hatte. Da war es nur selbstverständlich, dass ich ihnen jetzt half. Aber was sollte ich tun? Ich konnte ihnen nichts entgegensetzen. Mein Blick fiel auf ein dem Boden liegendes Katana. Wahrscheinlich gehörte es einem ihrer besiegten Anhänger. Ich schluckte. Wenn ich es nutzte, könnte ich vielleichtetwas gegen sie ausrichten. Ohne über eventuelle Folgen nachzudenken, griff ich nach der Waffe. Meine Hände zitterten, doch das nahm ich nicht wirklich wahr. „Ren!“, hörte ich Isamus erschrockene Stimme meinen Namen rufen. Auf meinem Gesicht bildete sich ein schwaches Lächeln als ich ihm einen kurzen Blick zuwarf. „Keine Angst... Ich kann damit umgehen. Daisuke hat es mir beigebracht.“ Nur einen Augenblick später stürmte Kaito auf mich zu. „Kleine Mädchen sollten nicht mit so gefährlichen Dingen spielen, findest du nicht auch?“ Ich ging in Kampfstellung, versuchte mich an alles zu erinnern, was ich gelernt hatte, und konzentrierte mich auf meine Kräfte. Jetzt die Kontrolle zu verlieren, würde mein Ende bedeuten und das wusste ich auch. Tora kam auf mich zu und stellte sich hinter mich. „Lass das, Seira.“ Kaito näherte sich mir, streckte seine Hand nach mir aus. „Wir sind doch keine Feinde. Verstehst du nicht, dass ich dir nur helfen will?“ Meine Hände verkrampften sich um den Griff des Katanas. „Lügner!“ „Es ist für dein Bestes.“, fuhr er fort, „Na los, gib es mir, und ich sorge dafür, dass du ein schönes Leben haben wirst. Du wirst nie wieder kämpfen müssen.“ „Was bildest du dir eigentlich ein?!“, schrie Isamu aufgebracht, „Ren gehört nicht dir!“ Weiter kam er nicht, denn nur einen Augenblick später musste er Moraus Angriffen ausweichen und dieser hielt sich nicht zurück. „Das ist deine letzte Chance, Seira.“ Kaito betonte jedes Wort. „Schließe dich uns an.“ Daisukes Worte schallten durch meinen Kopf, als er mir erklärt hatte, welche Position ich in der anderen Welt und bei den Kaisern einnahm. „Ren, hör mir zu! Das ist nicht so einfach, wie du vielleicht denkst. Ich habe genau zwei Möglichkeiten. Erstens: Ich erkenne dich als Herrscherin an und diene dir auf ewig oder Zweitens: Ich erkenne dich nicht an und versuche, dich zu töten, oder deinen Platz einzunehmen.“ Wenn das auf Daisuke zutraf, galt es sicher auch für die anderen Kaiser, da war ich mir sicher. „Wirst du dein Erbe antreten.“ Ich hatte ihm noch keine Antwort auf diese Frage gegeben. Damals war ich zu verwirrt gewesen, doch jetzt, wo ich an diesen Tag zurückdachte, konnte ich ihn verstehen. Jetzt, da ich den Grund wusste, konnte ich diese Frage auch beantworten. Ich würde es antreten! Was hatte ich für eine andere Wahl? Diese andere Welt brauchte mich, meine Freunde brauchten mich. Da konnte ich nicht einfach tatenlos zusehen. Nicht, solange ich etwas dagegen unternehmen konnte! Kaito legte seine Hand auf meiner Schulter. „Seira, komm mit mir!“ Entschlossen blickte ich ihm in die Augen, bevor ich mich von seinem Griff befreite. „Ich bin nicht mehr das kleine, dumme Mädchen von früher! Ich bin weder auf dich angewiesen noch brauche ich deine Hilfe! Und ich denke nicht einmal im Traum daran, dir in irgendeiner Weise bei der Umsetzung deiner Pläne zu helfen. Nur damit du es weißt: Ich bin nicht allein. Ich habe Freunde und die werden nicht zulassen, dass Nakuni in eure Hände fällt!“ „Ganz genau!“, hörte ich plötzlich eine bekannte und vertraute Stimme hinter mir. Überrascht drehte ich mich um und meine Augen weiteten sich, als ich Daisuke und Akira erblickte. Sie liefen einfach durch Kaitos Wind hindurch und näherten sich mir. Eine Wand aus Wasser schützte die beiden davor, verletzt zu werden. Doch kam hatten sie die Barriere aus Wind durchquert, verschwand das Wasser auch schon wieder. „Sieh an, Wasser und sein kleines Helferlein.“, spottete Kaito, sprang aber gleichzeitig einige Meter zurück, scheinbar um kein zu großes Risiko einzugehen, und ließ meine Klassenkameraden nicht aus den Augen. Akira sah den Erben des Windes gelangweilt an. „Was denn, gibt es dich auch noch?“ Zornig starrte Kaito ihn an. Er hatte sich von ihm provozieren lassen. „Willst du Ärger, Kleiner?“ „Wenn ich mich richtig erinnere, warst du derjenige, der letztes Mal mit eingezogenem Schwanz davongelaufen ist.“ Akira betonte jedes Wort. Kaito und Morau gingen in Kampfstellung. Der Junge mit der Maske tat es ihnen gleich. Doch er hatte sich einige Verletzungen zugezogen und machte keinen kampftauglichen Eindruck mehr. Seine Leute hatte es schlimmer erwischt. Sie lagen immer noch fast bewegungslos in der Gegend herum. Damit waren Kaito und Morau die einzigen, die noch kämpfen konnten. Aber auf unserer Seite sah es nicht besser aus. Miku und Miyu knieten erschöpft auf dem Boden. Naoki war an der Schulter verletzt und Isamus Zustand glich dem der beiden Mädchen. Zwar hatte er keine schlimmeren Verletzungen, aber er war am Ende seiner Kräfte angelangt. Seine Atmung ging stoßweise und er stützte sich auf sein Zanbato. Tora hinter mir war ebenfalls erschöpft, auch wenn man es ihm nicht sofort anmerkte. Damit blieben auch auf unserer Seite nur zwei, die noch kämpfen konnten. Doch anscheinend hatten mein ehemals bester Freund und dessen Verbündeten den Willen, zu kämpfen, verloren. Die Verletzten rappelten sich wieder auf und zogen sich wortlos zurück. Kaito, Morau und der mysteriöse Junge mit der Maske folgten ihnen einige Sekunden später. „Da sind wir je gerade noch rechtzeitig gekommen.“, meinte Akira an mich gewandt, „Ohne unsere Hilfe sähe es wirklich schlecht für dich aus, Seira.“ Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. „Halt deine Klappe, Rapunzel!“ Kaum dachte ich mal nicht mehr so schlecht von ihm, musste er meine etwas positivere Meinung von ihm zerstören und mich wieder provozieren. Auf Isamus Gesicht bildete sich ein breites Grinsen, bevor er anfing zu lachen. „Ren scheint dich ja sehr zu mögen! Wie hat sie dich gerade genannt? Ra-“ „Willst du sterben?“ Akira funkelte ihn zornig an. Daisuke seufzte und griff sich an den Kopf. „Könnt ihr euch nicht später streiten? Wir sind nicht hergekommen, damit du dich mit den Leuten vom Widerstand prügeln kannst!“ „Halte dich da raus!“, schrie sein bester Freund ihn an, „Das geht dich nichts an!“ „Hast du ihn schon vergessen? Den Grund weshalb du in diese Weilt gekommen bist…“ Daisukes Gesicht hatte einen verletzten Ausdruck. Obwohl er versuchte, es zu verbergen, konnte man es trotzdem sehen. Akira Blick wurde von Wort zu Wort zorniger an. Er öffnete seinen Mund um etwas zu erwidern, brach aber in letzter Sekunde wieder ab. Daisuke hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt. „Lass es! Das ist es nicht wert.“ Zuerst sah es so aus als würde Akira sich losreißen, doch dann überlegte er es sich anders. Der wütende Gesichtsausdruck wich einem Verständnisvollen. „Tut mir leid… Du hast recht.“ Innerlich atmete ich erleichtert aus. Das war gerade noch einmal gut gegangen. Einen ernsthaften Streit zwischen den beiden, der höchstwahrscheinlich in einer Prügelei endete, konnten wir im Moment überhaupt nicht gebrauchen. Isamu wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und kümmerte sich um Naoki, der sich immer noch seine verletzte Schulter hielt. Es musste ihn wirklich schwer getroffen haben… Besorgt näherte ich mich den beiden. „Geht es? Tut es sehr weh?“ Er hob seinen Blick und sah mich gereizt an. „Was interessiert dich das?!“ „Was habe ich dir getan?“, stellte ich ihm betont ruhig die Gegenfrage, obwohl ich ihm am liebsten meine Meinung eiskalt ins Gesicht geschleudert hätte. Doch das würde nichts bringen und nur in einem unnötigen Streit enden. „Du hast dich mit den Kaisern verbündet!“ Naokis Stimme war voll von Verachtung. Ich schüttelte meinen Kopf. „Das ist nicht war. Ich stehe nicht auf ihrer Seite. Genauso wenig wie ich auf deiner stehe. Ich will mich nicht zwischen euch entscheiden müssen. Du, Isamu, Daisuke und vielleicht auch Rapunzel, ihr seid meine besten Freunde. Warum verstehst du das nicht? Warum versuchst du mit allen Mitteln, mich zu einer Entscheidung zu zwingen?“ „Im Leben läuft nicht immer alles so, wie man es gern hätte“, sagte Isamu mit bedrückter Stimmung, „und manchmal muss man sich eben der Situation fügen.“ Inzwischen war Daisuke neben mich getreten. „Glaubst du wirklich, es ich richtig, jede Situation einfach hinzunehmen, wie sie ist, ohne überhaupt zu versuchen, sie zu ändern? Ich bin mit den Machenschaften meines Onkels nicht einverstanden. Aber im Moment kann ich absolut nichts gegen ihn unternehmen. Mir fehlt einfach die Macht dazu.“ „Was willst du damit sagen?“, fragte Naoki. Er klang verwirrt. „Ich weiß, dass er sich mit Erde und Wind verbündet hat. Das macht es für uns so gut wie unmöglich, ihn direkt anzugreifen. Selbst wenn es mir gelingt, seine Untertanen zu überzeugen, dass ich der rechtmäßige Thronfolger bin…“ Akira schaute ihn verwundert, aber auch glücklich und erleichtert, an. „H- heißt das, du kommst mit zurück?“ Daisuke nickte. „Ich kann mich nicht ewig vor meinen Pflichten weglaufen, genau genommen hätte ich nie fliehen dürfen. Außerdem habe ich keine andere Wahl. Ich weiß, wie es um unsere momentane Situation aussieht. Da ist kein Platz mehr, sich zu drücken. Und außerdem“ Er lächelte. „lasse ich meine Freunde nicht im Stich.“ „Moment mal!“, rief Miku und rannte gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester auf uns zu. Vor Daisuke blieb sie stehen. „Habe ich eben richtig gehört? Du bist das rechtmäßige Oberhaupt der Familie der Elektrizität?“ Meine Klassenkameraden nickten. „Aber-“ Miyu war verwirrt. „Das kann nicht sein! Er ist tot!“ Daisuke seufzte, bevor er den rechten Ärmel seiner Jacke ein Stück zurückschob. Zum Vorschein kam ein Armband mit einem Anhänger in der Form eines Blitzes. Es begann zu leuchten. Die Umrisse des Anhängers und der Kette lösten sich auf und sie verlor ihre Form. Ein Blitz erschien an der Stelle, an dem sie sich gerade noch befunden hatten. Doch er verschwand nicht, wie ich es von normalen Blitzen gewohnt war, sondern begann, die Form eines Katanas anzunehmen. Als das Leuchten wieder verschwand, griff Daisuke nach der Waffe und hielt sie den Leuten von der Widerstandsbewegung unter die Nase. „Ihr kennt dieses Katana, habe ich recht? Es gibt fünf davon, jede Familie der Kaiser hat eines. Es wird von Generation zu Generation weitervererbt und nur der Kaiser selbst kann es nutzen. So ist sichergestellt, dass sich keiner gegen das Familienoberhaut auflehnen kann. Vererbt der Kaiser es an seinen erstgeborenen Sohn, verliert er diese Fähigkeit. Aber das ist euch sicher schon bekannt. Wollt ihr noch mehr sehen oder genügt euch das als Beweis?“ Die Mädchen wichen sichtbar eingeschüchtert zurück. Naoki warf meinem Klassenkameraden und guten Freund einen abfälligen Blick zu. „Du weißt nicht, wie gern ich dir dieses Schwert durch deinen Körper rammen würde.“ „Tu das und ich bring dich um.“, warnte Akira, „Daisuke ist nicht der einzige, der im Besitz des Familienerbes ist.“ Man hörte seiner Stimme an, dass er es ernst meinte und seine Drohung umsetzen würde, ohne mit der Wimper zu zucken. Daisuke ignorierte, was die beiden gesagt hatten, und sprach ungerührt weiter. „Ihr wollt das Bündnis zwischen Erde, Wind und Elektrizität zerstören. Das ist auch unser Ziel. Was hältst du von einem Waffenstillstand, bis wir es erreicht haben?“ Naoki klappte der Mund auf. Fassungslos starrte er den Erben der Elektrizität an. „Daisuke!“, rief dessen bester Freund, dem das gleiche passiert war, zornig, „Bist du noch ganz bei Trost?! Er ist unser Feind! Wir müssen die Widerstandkämpfer erledigen, bevor sie die Gelegenheit haben, ihre Pläne in die Tat umzusetzen!“ „Hör endlich auf, an deinen utopischen Vorstellungen festzuhalten!“, schrie Daisuke aufgebracht, „Du willst zwei, im schlimmsten Fall sogar drei, der fünf Kaiser stürzen. Der einzige Grund, weshalb du in diese Welt gekommen bist, ist deine Suche nach Verbündeten. Ich habe mich dir angeschlossen, weil es meine Pflicht ist, die Machenschaften meines Onkels zu stoppen, und weil du mein bester Freund bist. Aber ich habe mich nicht dazu bereit erklärt, freiwillig in den Tod zu laufen. Doch genau das würde passieren! Die Unterstützung deiner Familie können wir vergessen. Über Feuer haben wir zu wenige Informationen. In unserer Lage müssen wir alle nur erdenklichen Mittel nutzen.“ Ich nickte, bevor ich Akira eindringlich ansah. „Ich weiß, dass es dir nicht gefällt, aber Daisuke hat recht. Allein werden wir es nicht schaffen. Außerdem: Wem wäre geholfen, wenn wir uns jetzt hier gegenseitig abschlachten? Denk doch mal nach. Das ist es, was Kaito und dieser Morau erreichen wollen. Willst du ihnen den Sieg so einfach in die Hände spielen, nur weil du zu stolz bist, mit den Widerstandskämpfern zu verhandeln? Du-“ „Verstehe ich euch gerade richtig?“, unterbrach mich Naoki hörbar verwirrt, „Ihr wollt ein Bündnis mir uns eingehen?“ Daisuke nickte. „Sieht so aus…“, murmelte er leise. Es schien als hätte ihn sein Mut von eben verlassen. „Ansonsten geht es euch aber noch ganz gut, oder?“, fragte jetzt auch Isamu. Akira seufzte und griff sich an den Kopf. „Das ist jetzt nicht euer Ernst…“ Auch die Zwillinge starrten und fassungslos an, sagten aber nichts. Entgegen aller Erwartungen erschien auf Naokis Gesicht plötzlich ein schwaches Lächeln als er Daisuke in die Augen sah. „So schlecht ist diese Idee gar nicht. Auch wenn es mir nicht besonders gefällt, das zuzugeben, aber in diesem Punkt hat Ren Recht. Wenn wir uns jetzt bekämpfen, wird es ein leichtes für sie sein, ihre Pläne umzusetzen. Wie genau hast du dir das mit dem Bündnis vorgestellt?“ Isamu klappte der Mund auf und er starrte seinen besten Freund verwirrt an. „Ist das dein Ernst? Erst beschimpfst du Ren, obwohl sie gar nicht zu ihnen gehört und jetzt willst du dich mit ihnen verbünden. Was denkst du dir dabei?“ „Noch habe ich keinem Bündnis zugestürmt.“, antwortete Naoki ruhig, „Das entscheide ich, nachdem ich die Bedingungen gehört habe.“ „Rede dich nicht heraus!“, schimpfte Isamu erbost und stampfte mit dem Fuß auf, wie ein kleines Kind, das seinen Willen nicht bekam. Ich musste Grinsen. Das Gesicht, das er dabei zog, war einfach zu komisch. Verlegen senkte Daisuke seinen Blick. „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Um ehrlich zu sein, dachte ich nicht, dass du mir überhaupt zuhören würdest.“ Einige Sekunden war es ruhig. Wie in Zeitlupe weiteten sich Naokis Augen und er starrte Daisuke ungläubig an. Die anderen reagierten nicht anders auf Daisukes Worte. Isamus Blick machte dem von Naoki ernsthaft Konkurrenz. Zusätzlich war ihm noch der Mund aufgeklappt. Miku und Miyu blickten sich irritiert an. Ich seufzte innerlich. Da war ich ja in eine nette Situation hineingeraten. Akira schlug sich mit der flachen Handfläche gegen die Stirn, bevor er seinem besten Freund eine Kopfnuss verpasste. „Idiot, wenn du dem Fein schon ein Bündnis vorschlägst, dann überleg es dir gefälligst vorher!“ „Sorry.“, nuschelte Daisuke, „Das war eine spontane Idee.“ Der Erbe des Wassers warf einen kurzen Blick auf die Verletzungen der Widerstandskämpfer. „Was haltet ihr davon, wenn wir erst einmal zu Seira gehen und eure Verletzungen behandeln? Danach können wir in aller Ruhe diskutieren, ob es nun zu diesem Bündnis kommt oder nicht.“ Ich schaute ihn wütend an. „Nenn mich noch einmal Seira, und ich werfe dich raus!“ Isamu und Naoki warfen sich zuerst verwunderte Blicke zu, ehe sie sich nicht mehr beherrschen konnten und losprusteten. Daisuke tat es ihnen gleicht. Akira redete beschwichtigend auf mich ein. „Jetzt hab dich mal nicht so. Es ist noch keiner daran gestorben, dass man ihn mit seinem ersten Vornamen angesprochen hat.“ „Trotzdem.“, entgegnete ich immer noch beleidigt, „Ich mag ‚Seira‘ nicht.“ Dennoch folgte ich ihnen, als sie in die Richtung meines Hauses liefen. Tora nahm wieder die Form einer normalen Hauskatze an und rannte mir hinterher. Er sprang auf meine Schulter, ehe er begann zu schnurren und an meinem Hinterkopf zu schmusen. Es schien fast, als wolle er mich aufheitern oder mir sagen, ich solle die Sache nicht so eng sehen, irgendwie würde es schon gut gehen. Ein Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht als ich ihn kraulte. Kapitel 15: Das Bündnis ----------------------- „Jetzt noch einmal zum Mitschreiben. Ihr wollt, dass wir sämtliche Informationen, die wir über Nakuni und das Bündnis zwischen Wind, Erde und Elektrizität haben, austauschen. Wir sollen uns in einem Kampf gegen sie unterstützen. Außerdem sollen wir euch alle Daten über Feuer, die wir haben, geben und sie nebenbei nicht angreifen.“ Naoki sah mich und meine Freunde an, als würde er und jeden Augenblick an die Gurgel springen. „Die ersten beiden Forderungen ergeben ja noch Sinn. Aber was wollt ihr mit der dritten erreichen.“ „Wir hoffen, dass wir sie davon überzeugen können, sich uns anzuschließen.“, erklärte Akira ruhig, „Aus diesem Grund suchen wir nach Yuuki. Doch bis jetzt konnten wir so gut wie nichts über ihn herausfinden, außer dass er sich in dieser Welt aufhält, in unserem Alter ist und wahrscheinlich hier irgendwo zur Schule geht.“ „Verstehe.“, murmelte Isamu, „Das macht Sinn. Aber leider sind unsere Informationen über ihn genauso Lückenhaft wie eure.“ Naoki nickte. „Wie wissen nicht mehr als ihr. Lediglich eine Kleinigkeit könnte hilfreich für uns sein. Isamu und ich haben ihn vor einigen Wochen hier ganz in der Nähe getroffen. Er hatte seine Schulsachen bei sich, woraus ich schlussfolgere, dass seine Schule nicht weit von unserer entfernt ist. Er hat uns nicht angegriffen, sondern meinte nur, er würde sich darauf freuen, uns beim Sportfest fertigzumachen. Wenn ihr ebenfalls daran teilnehmt, könnt ihr ihn wahrscheinlich treffen.“ „Und das nennst du lückenhafte Informationen?!“, rief Akira hörbar gereizt. „Danke.“, unterbrach Daisuke seinen besten Freund, „Das hilft uns wirklich weiter.“ Er sah mich mit einem breiten Grinsen im Gesicht an. „Ren hat das auch gesagt, allerdings mit einer anderen Begründung.“ Die Widerstandskämpfer sahen mich überrascht an. „Sag bloß, du hast davon gewusst!“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Habe ich nicht. Ich bin nur davon ausgegangen, dass er im Sportunterricht vielleicht genauso schummelt wie ihr. Dann wäre es nicht weiter wunderlich, ihn dort anzutreffen, oder?“ „Ach so.“, meinte Isamu, „Du hast also nur geraten. Sag das doch gleich.“ Beleidigt, dass er mich nicht richtig ernst nahm, streckte ich ihm die Zunge heraus. „Wenigstens lag ich richtig!“ Daisuke unterbrach unsere Streiterei, noch bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte, indem er Naoki ansprach. „Was ist nun? Stimmst du dem Bündnis zu?“ Der Anführer der Widerstandskämpfer schien eine Weile zu überlegen, dann nickte er. „Wie man es auch dreht und wendet, ich kann keinen Haken an der Sache finden. Das Bündnis behindert uns nicht nut nicht, sondern verschafft uns auch einige Vorteile. Außerdem kann es nie schaden, mehr über seine Feinde zu wissen.“ Isamu lachte. „Dann wäre diese Sache also geklärt. Wer hat alles Hunger auf eine Pizza?“ Miku und Miyu, die bis jetzt nichts gesagt hatten, stimmten sofort gemeinsam mit mir in das Lachen ein. Einige Sekunden sahen Daisuke und Akira die drei verwundert an, doch dann taten sie es uns Mädchen gleich. Auch auf Naokis Gesicht zeigte sich ein Lächeln. Ich ging in die Küche und holte das Schnurlose Telefon, bevor ich die Nummer des Pizzaboten wählte und es Isamu in die Hand drückte. „Für mich eine Salami.“ Mein Klassenkamerad nahm das Telefon grinsend entgegen und schaute den Rest der Gruppe abwartend an. „Was darf es für euch sein.“ „Hawaii!“, riefen Daisuke und Akira synchron, woraufhin erneut Gelächter ausbrach. „Schinken.“, antwortete Naoki, noch immer lächelnd. „Für uns jeweils eine Spinat.“, meinte Miku, „Die haben weniger Kalorien.“ Miyu kicherte. „Als ob es bei so vielen noch auf die zehn oder zwanzig weniger ankommt…“ Isamu gab die Bestellung durch. „In zwanzig Minuten bringen sie unser Essen vorbei.“, berichtete er vor Freunde strahlend. „Sollten wir Saya nicht auch etwas bestellen?“, fragte Daisuke mich. Er kannte meine Schwester und wusste, dass sie es übel nahm, wenn man ihr Essen vergaß. „Nicht nötig. Sie ist bestimmt schon weg, immerhin übernachtet sie heute bei Ayaka.“, entgegnete ich und brachte das Telefon an seinen Platz zurück. „So, jetzt zum geschäftlichen Teil.“ Naoki warf einen kurzen Blick auf seine inzwischen verbundene Schulter. „Wie es aussieht, kann ich für die nächste Zeit nicht kämpfen. Das wird mir dieser Kaito büßen.“ „Immer mit der Ruhe.“, redete Isamu auf ihn ein, „Wenn wir überstürzt handeln, sind wir tot.“ „Ich weiß.“ Der Anführer der Widerständler ballte seine Hände zu Fäusten. Doch zu meiner Verwunderung war er im nächsten Augenblick wieder völlig ruhig. Er wandte sich an Daisuke. „Was ist in der Nacht vor vier Jahren zwischen deinem Vater und deinem Onkel wirklich vorgefallen?“ Der Erbe der Elektrizität senkte seinen Blick. „Genau weiß ich das auch nicht. Alles, was ich mitbekommen habe, ist dass mein Vater mich mitten in der Nacht geweckt hat. Er war schwer verletzt. Er sagte, ich solle gemeinsam mit meiner Mutter aus Nakuni fliehen. Danach hat er mir das Familienerbe gegeben. Er meinte, ich würde es brauchen. Wenn die richtige Zeit gekommen sei, sollte ich zurückkehren und mich seinem Bruder stellen. Danach hat er meine Kräfte versiegelt und mir einen Weltenschlüssel gegeben. Ich habe getan, was er von mir verlangt hat. Meine Mutter schien genauso überrascht zu sein wie ich. Sie hat versucht, ihn zu überreden, mit uns zu kommen. Aber er hat nur gelächelt und gesagt, sein Platz sei in Nakuni und er würde lieber sterben als vor seinen Pflichten wegzulaufen.“ Mein Klassenkamerad hielt inne. Es fiel ihm schwer, darüber zu sprechen, und er kämpfte gegen die Tränen an. Akira legte ihm die Hand auf die Schulter, versuchte ihn zu trösten. „Daisuke.“ Er flüsterte den Namen seines besten Freundes. Daisuke sah ihn dankbar an, ehe er weitersprach. „Im Schloss hat es gebrannt. Mein Onkel ist vor uns aufgetaucht. Er hat meinen Vater angebrüllt, er würde es bereuen, so egoistisch gehandelt zu haben. Er hat versucht, meine Mutter und mich umzubringen, aber mein Vater hat sich ihm in den Weg gestellt. Mein Onkel hat ihn ein Katana durch den Bauch gerammt. Mein Vater hat Blut gespuckt und ist zusammengebrochen. Er hat geschrien, ich solle endlich meine Mutter nehmen und von hier verschwinden. Ich habe getan, was er verlangt hat. Doch das Feuer hatte sich schon zu weit ausgebreitet. Wir konnten das Gebäude nicht mehr verlassen. Ich habe den Weltenschlüssen benutzt, um mit meiner Mutter in diese Welt zu fliehen. Mein Onkel hat vermutlich nichts von dem Schlüssel gewusst und geht davon aus, dass wir gemeinsam mit dem Schloss zu Asche verbrannt sind.“ „Seitdem gibt er sich als Daisukes Vater aus, um das Volk zu täuschen. Euren Tod hat er schon am nächsten Tag bekannt gegeben. Kurze Zeit später hat er begonnen, mit Erde und Wind zu verhandeln. Es hat nicht lange gedauert, bis sie das Bündnis geschlossen hatten.“ Die Kämpfer der Widerstandsbewegung warfen ihm verwunderte Blicke zu, schwiegen aber. Nur Isamu äußerte sich zu dieser Aussage. „Woher weißt du davon?“ „Ich habe wenige Tage später mit Daisukes Großvater gesprochen. Er hat mir davon erzählt.“, antwortete Akira während er jede von Daisukes Regungen beobachtete, „Die Sache hat ihn damals ganz schön mitgenommen. Er hat sich nichts sehnlicher gewünscht, als euch noch einmal zu sehen. Ich bin sicher, er wird sich freuen, wenn er erfährt, dass du noch lebst.“ „Ich weiß…“, flüsterte Daisuke, „Aber damit müssen wir noch ein wenig warten.“ „Wie meinst du das?“, fragte Miyu hörbar verwundert über diese Aussage. Der Erbe der Elektrizität seufzte. „Es ist für uns ein Vorteil, wenn sie mich für tot halten. Dadurch schätzen sie unsere Kampfkraft schwächer und ihre stärker ein. Das erhöht unsere Chance auf einen Sieg. Außerdem sollten wir unser Bündnis so lange verheimlichen, wie wir können.“ „Daisuke hat recht.“ Naoki schaute an die Decke. „Wenn wir vortäuschen, weiterhin verfeindet zu sein, werden sie davon ausgehen, dass wir und gegenseitig bekämpfen. Sie rechnen nicht mit einem Bündnis und das könnte unsere Trumpfkarte sein. Ich halte es für sinnvoll, die nächste Zeit zu verschweigen, dass Daisuke noch lebt. So haben sie keine Zeit, sich zu überlegen, was sie seinetwegen unternehmen können. Es würde mich nicht wundern, wenn sie sonst versuchen würden, ihn heimlich aus dem Weg zu räumen.“ Akira nickte zustimmend. „Momentan wissen sie noch nichts von ihm. Auch wenn er schon auf Kaito getroffen ist, hält dieser ihn für einen gewöhnlichen Bürger. Wenn wir keine groben Fehler machen, wird sich das auch nicht ändern.“ Es klingelte an der Tür und sämtliche Blicke richteten sich auf mich. „Willst du nicht aufmachen?“, erkundigte sich Isamu nach einigen Sekunden, „Das könnte unser Abendessen sein.“ Mit einem Seufzen erhob ich mich und lief zur Tür. Schon von weitem winkte mir der Pizzabote schon durch das kleine Fenster in der Tür entgegen. Ich öffnete die Tür, war allerdings überrascht, nicht den älteren Herrn, der sonst immer die Bestellungen vorbeibrachte zu sehen. Vor mir stand ein Junge, den ich auf mein Alter schätzte. Der Schürze mit einem großen Bild und dem Namen des Pizzaservice, für den er arbeitete, und einer Dachmütze mit dem selben Aufdruck, unter der er sein rotschwarzes Haar versteckte, entnahm ich, dass er die Vertretung für den älteren Mann war. „Ihre Bestellung.“, trällerte der Junge fröhlich vor sich hin und reichte mir die Pizzakartons. Sichtlich verwirrt nahm ich sie entgegen und gab ihm das Geld dafür, natürlich mit ein kleinwenig Trinkgeld. Der Pizzabote zählte es nach, ehe er mich schief angrinste und es in seiner Hosentasche. „Ich danke.“ Er zog sich die Dachmütze einige Zentimeter aus Gesicht, wodurch ich einen blick auf seine leuchtend grünen Augen werfen konnte, und wandte sich zum Gehen. „Bis zur nächsten Lieferung. Und grüß Saya von mir.“ Kaum hatte er zu ende gesprochen, war er auch schon hinter der Hausecke verschwunden. Eine Weile starrte ich auf die Stelle, an der er verschwunden war. So richtig verstand ich nicht, was das eben gewesen war. Woher kannte dieser Junge den Namen meiner Schwester und warum sollte ich sie von ihm grüßen? Konnte er das nicht selbst tun? Außerdem hatte er mir noch nicht einmal seinen Namen gesagt… Seine Worte hallten in meinem Kopf wieder. Irgendwie kam mir seine Stimme bekannt vor. Ich hatte sie schon einmal gehört, das wusste ich. Jedoch konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, wo das gewesen war. Und dann waren da noch seine Haare. Ich hatte sie schon einmal gesehen, glaubte ich. Allerdings war ich mir da nicht so sicher. Wenn ich jemand mit so einer auffälligen Haarfarbe gesehen hätte, könnte ich mich sicher daran erinnern. „Ren!“ Isamus Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken zuckte ich zusammen, bevor ich die Tür schloss und ihn mit einem gereizten Blick für die Unterbrechung meiner Gedankengänge strafte. „Was ist denn jetzt schon wieder mit dir los?“, fragte er während er nach den Pizzakartons griff und in die Richtung der Küche lief. „Wenn du dich nicht beeilst, wird dein Essen kalt.“ „Ich komm ja schon!“, schnaubte ich und rannte meinem Klassenkameraden hinterher. Als ich die Küche betrat, war er schon dabei, die Pizzas zu verteilen. Ich fischte mir meine aus dem Stapel und setzte mich auf meinen Platz. Schon bevor ich den Karton überhaupt geöffnet hatte, zog er Geruch von dessen Inhalt in meine Nase und ich bekam auch prompt Hunger. Es fiel mir schwer, zu warten, bis das gesamte Essen verteilt war und kaum hatte jeder, was er bestellt hatte, riss ich den Karton auch schon ungeduldig auf. Ich nahm ein Stück von der Pizza und biss genüsslich hinein. Daisuke beobachtete mich grinsend. „Wenn man dich so betrachtet, Ren, könnte man denken, du wärst am verhungern.“ „Bin ich auch.“, entgegnete ich, meinte es jedoch nicht ernst. Aber der Spruch meines Klassenkameraden und guten Freundes war so fies gewesen, dass ich es mir nicht verkneifen konnte. Seit dem Trainingsbeginn hatten er und Akira streng darauf geachtet, dass ich nicht zu viel aß. Sie hatten außerdem kontrolliert, welche Lebensmittel ich zu mir nehmen durfte. Miku und Miyu kicherten. „Wenn man euch so betrachtet, könnte man meinen, ihr wärt ein Liebespaar.“, meinte die erste der beiden. Verwundert über die Aussage des Mädchens sah ich den Erben der Elektrizität an. Er tat es mir gleich und unsere Augen trafen sich. Dann lachten wir synchron los und schüttelten unsere Köpfe. „Das sind wir definitiv nicht.“, stellte Daisuke klar. „Das weiß ich doch.“, entgegnete Miku freundlich lächelnd, „Ren mag Akira, nicht?“ Ich verschluckte mich an meiner Pizza. Während meines darauf folgenden Hustenanfalls versuchte ich wild mit den Armen gestikulierend, den anderen zu verdeutlichen, dass das nicht stimmte. Wie kam sie überhaupt darauf? Daisuke klopfte mir auf den Rücken, wodurch es mir gleich etwas besser ging. Nachdem ich einen Schluck getrunken hatte, konnte ich wieder sprechen. „Das stimmt nicht!“, sagte ich mit fester Stimme. Innerlich war ich mir aber nicht. Mikus Worte hallten in meinem Kopf wieder und wollten nicht mehr verschwinden. Ich konnte Akira nicht leiden. Er war ein verzogener, selbstsüchtiger, eingebildeter Volltrottel. Ständig beleidigte er mich oder machte sich über mich lustig. Oft stritten wir wegen irgendwelcher Kleinigkeiten, wobei er immer derjenige war, der anfing. Meist provozierte er mich, bis ich ausrastete. Wie kam sie also darauf, ich könnte ihn auch nur im entferntesten mögen? Wenn ich mich nicht täuschte, hatte sie sich mit ihrer Aussage auch nicht auf Freundschaft bezogen, was das Ganze noch verschlimmerte. „Miku!“, ermahnte Miyu ihre Zwillingsschwester, nachdem sie an die Uhr gesehen hatte, „Ich glaube, wir sollten langsam gehen. Unsere Eltern machen sich sicher schon Sorgen.“ Isamu hob seine Hand zum Abschied. „Lasst mal wieder etwas von euch hören und erzählt keinem, was heute vorgefallen ist.“ „Geht klar. Gute Besserung“, rief Miku und lief zur Tür. Hinter ihr und ihrer Schwester fiel die Tür ins Schloss und ich sah etwa eine Minute später, wie sie den Weg vor dem Haus entlangliefen, in die Richtung der Bushaltestelle. „Was war das eben?“, fragte Akira nachdem sie aus der Sichtweite verschwunden waren. „Keine Ahnung.“ Isamu hob seine Schultern, „Normalerweise sind sie nicht so.“ Naoki nickte zustimmend. „Ich weiß echt nicht, wie sie auf den dummen Gedanken gekommen ist, Ren könnte etwas für Akira empfinden.“ Ich schnitt eine Grimasse. „So schlimm ist es auch wieder nicht.“, redete ich drauflos, „Es ist nicht so, dass ich ihn überhaupt nicht leiden kann. Auch wenn er sich manchmal aufführt, wie der letzte Trottel. Ich mag ihn nur einfach nicht auf die Weise wie sie glaubt.“ „Ach so.“ Der Anführer der Widerständler gab sich mit dieser Aussage zufrieden. „Eine Sache würde mich noch interessieren.“ Isamu wandte sich an Akira und Daisuke. „Wenn mich nicht alles täuscht, herrscht zwischen euren Familien seit Generationen Feindschaft. Vor dem Bündnis zwischen Elektrizität, Wind und Erde waren alle Familien der Kaiser verfeindet. Zwar herrscht seit Jahrzehnten kein Krieg mehr zwischen ihnen, aber das bedeutet nicht, dass sie sich in irgendeiner Weise wenigstens teilweise vertragen haben. Deshalb wundert es mich, dass ihr zwei so vertraut miteinander umgeht.“ „Du hast recht.“ Akira sah aus dem Fenster, „Wie sind seit Jahren beste Freunde. Kennensgelernt haben wir uns, als wir fünf oder sechs Jahre als waren. Wir haben uns sofort angefreundet und uns über Jahre hinweg immer getroffen. Allerdings wussten wir nur den Namen des jeweils anderen und nicht, welchen Stand er in Nakuni hatte. Irgendwann, Jahre später, haben unsere Väter davon Wind bekommen. Sie haben uns den weiteren Kontakt verboten. Doch keiner von uns hat sich daran gehalten. Wir waren nicht damit einverstanden, aus so einem niederen Grund unsere Freundschaft aufzugeben. Zwar konnten wir uns danach nicht mehr so oft treffen, da unsere Väter uns beobachteten, aber wir hatten die ganze Zeit über Kontakt. Daisukes Großvater hatte überraschenderweise nichts gegen die Freundschaft und hat uns sogar geholfen, sie vor den anderen geheim zu halten.“ „Verstehe…“, murmelte Isamu, „Das erklärt einiges.“ Er grinste. „Es würde mich nicht wundern, wenn es in der Zukunft zu einem Bündnis zwischen euch kommt.“ Auf Daisukes Gesicht erschien ein schwaches Lächeln. „Genau genommen haben wir es schon geschlossen und ihr seid vorhin vorrübergehend beigetreten.“ Naoki horchte auf. „Sagtest du nicht, es wäre eine spontane Idee gewesen?“ Der Erbe der Elektrizität nickte. „Die genauen Punkte hatten wir nicht ausformuliert, da wie das nicht gebraucht haben. Aber nachdem ich die spontane Idee hatte, euch mich einzubeziehen, war es nötig geworden.“ „Jetzt verstehe ich auch, warum du Daisuke nach dem Vorfall mit deinen Eltern vor Naoki geschützt hast.“ Isamu biss grinsend in sein letztes Stück der Pizza. „Ich wollte nicht, dass ihr ihn umbringt.“ Akira senkte seinen Blick und starrte auf den Boden, „Auch wenn wir jahrelang keinen Kontakt mehr hatten, ist er ja immer noch mein bester Freund. Lieber sterbe ich, als dass ich so etwas zulasse!“ Der Erbe der Elektrizität wandte sich verlegen ab. „Sag so was nicht.“ „Was machen wir jetzt eigentlich bezüglich des Sportfestes?“, wechselte ich das meinen Freunden etwas unangenehme Thema, „Habt ihr schon eine Idee, wie wir diesen Yuuki dort finden können?“ Akira schüttelte seinen Kopf. „Ich bin noch nicht lange genug in dieser Welt, um durch solche komplexen Sachen durchsehen zu können.“ Für den Bruchteil einer Sekunde starrte ich ihn perplex an. „Was hast du gerade gesagt.“ Daisuke setzte einen genervten Blick auf. „Er meint, dass er keine Ahnung hat, wie so ein Sportwettbewerb abläuft, und es ihm deshalb nicht möglich ist, etwas zu planen.“ Er grinste. „Wenn wir uns geschickt anstellen, schaffen wir es, einen Blick auf die Teilnehmerliste zu schauen. Sollte der Erbe des Feuers wirklich dort sein, wovon ich ausgehe, müsste er darauf stehen. In der Liste ist jeder der teilnehmenden Sportler eingetragen, mit Namen, Klasse, Adresse, Schule und den Disziplinen, an denen er teilnimmt.“ „Und ihr glaubt, dass unsere Sportlehrerin euch die Teilnehmerliste einfach so gibt?“, fragte Naoki ungläubig. Siegessicher schaute der Erbe der Elektrizität mich an. „Das wird Rens Aufgabe sein. Sie ist die einzige, bei der eine Chance besteht, dass es funktionieren könnte.“ Zuerst war ich überrascht über diese Aussage, aber ich verstand schnell, warum mir diese Aufgabe zugeteilt wurde. „Wenn ich ihr anbiete, unsere Schule einzutragen, könnte es tatsächlich funktionieren.“ „Dann ist es beschlossen.“, legte Akira fest, „Wir sorgen dafür, dass wir an diesem Sportfest teilnehmen können. Wenn wir dann angekommen sind, schauen Daisuke und ich mich um. Finden wir nichts, wird Seira zu Beginn die Liste checken und sich alles, was über diesen Yuuki drinsteht merken. Danach dürfte es nicht mehr schwer sein, ihn zu finden. Wir werden ihn kurz ansprechen und fragen, ob er sich uns anschließen möchte.“ „Genau.“, sagte ich, warf ihm aber danach einen wütenden Blick zu und deutete auf die Straße, die man durch das Fenster sehen konnte. „Was hatten wir besprochen, wie du mich nennen sollst? Raus!“ Daisuke, Isamu und Naoki lachten, während der Erbe des Wassers sichtbar beleidigt in die Richtung der Tür stapfte. Kapitel 16: Auf dem Sportfest ----------------------------- An einem Montag Morgen, zwei Wochen später, am Tag des Sportfestes, fuhr ich gemeinsam mit Akira und Daisuke im Auto unserer Sportlehrerin, Frau Winter, zu dem Ort, an dem die Veranstaltung stattfinden sollte. Etwa die Hälfte der Strecke hatten wir bereits zurückgelegt, worüber ich sehr froh war. Doch entgegen allen Erwartungen wurde im Fahrzeug nicht über Gewinnstrategien diskutiert oder sich gestritten, wer denn nun besser war. Keiner sagte ein Wort und das Geräusch des am Auto vorbeipreschenden Windes war das Einzige, das man vernehmen konnte. Mein Blick schweifte durch das innere des Fahrzeugs, wo meine Freunde tief und fest schliefen, zurück zu der Landschaft, die an uns vorbeizog. Irgendwie war ich nervös. Bis jetzt hatte ich noch nie an einem sportlichen Wettkampf teilgenommen. Zwar war es mir dank Daisukes Training irgendwie gelungen, dass man mich auf die Teilnehmerliste schrieb, aber das war schon alles. Ich wusste weder, was alles von mir erwartet wurde, noch wem ich vielleicht begegnen könnte. Außerdem war noch nicht sicher, ob wir diesen Yuuki, den Erben des Feuers, wirklich dort treffen würden. Alles, was wir in Erfahrung bringen konnten, war, dass er plante, teilzunehmen. Unsere Lehrerin summte fröhlich vor dich hin. Wie es schien hatte sie heute sehr gute Laune, wofür nur unsere guten Leistungen in den letzten Sportstunden verantwortlich sein konnten. Sie rechnete damit, dass unsere Schule auf den vorderen Plätzen landete. Wenn sie sich da mal nicht täuschte. Ich hatte immer noch keine perfekte Kontrolle über meine Kräfte und wenn ich dabei war, sie zu verlieren, musste ich ohne weitermachen. Dann war ich nur noch eine einfache Schülerin, ohne irgendwelchen besonderen Fähigkeiten. Neben mir gähnte Daisuke herzhaft und streckte sich. „Mann, habe ich gut geschlafen.“ Ich grinste ihn frech an, konnte mir einen dummen Kommentar nicht verkneifen. „Das hat man gehört. So wie du geschnarcht hast!“ Ihm klappte das Kinn hinunter ehe er mich erschrocken anstarrte. „Ich schnarche nie!“, rief er gespielt beleidigt. „Ich weiß.“ Ohne ihn weiter zu beachten sah ich zurück aus dem Fenster. „Ich habe es auch nur gesagt, um dich zu ärgern.“ Im Augenwinkel sah ich, dass der Erbe der Elektrizität eine Schute zog und sich von mir abwandte. Jetzt war er beleidigt, das wusste ich. Die Sportlehrerin lächelte uns freundlich an, als sei sie diese kleinen Streitereien gewohnt. Dann wandte sie sich an meinen Klassenkameraden. „Würdest du bitte Akira wecken? Wir müssen die Strategie noch einmal durchgehen. Außerdem ist noch nicht festgelegt, wer an welchen Disziplinen teilnimmt.“ „Mein Klassenkamerad rüttelte an der Schulter seines besten Freundes, jedoch schien das den Erben des Wassers nicht weiter zu interessieren. Er schlief einfach weiter. Auf Daisukes Gesicht schlich sich ein hinterhältiges Grinsen, als er ihn an beiden Schultern packte und so kräftig durchschüttelte, wie er konnte. „Aufwachen, Dornröschen!“, rief er. In diesem Augenblick riss Akira seine Augen auf. Wütend starrte er den Erben der Elektrizität an, bevor er sich ais dessen Griff befreite. „Wie hast du mich gerade genannt?“ Daisukes Grinsen wurde breiter. „Ich finde es unfair, dass Ren die einzige ist, die dich Rapunzel nennen darf, deshalb hab ich mir jetzt auch einen Namen für dich ausgedacht: Dornröschen.“ Als ich Akiras erschrockenes und verletztes Gesicht sah, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und prustete laut los. Daisuke stimmte sofort mit ein und auch unsere Lehrerin ließ nicht lange auf sich warten. Nur der Erbe des Wassers schmollte beleidigt vor sich hin. „Ich glaube jetzt seid ihr alle wieder wach.“, meinte Frau Winter als es im Auto langsam wieder ruhiger wurde. Akira warf seinem besten Freund noch einen letzten beleidigten Blick zu, ehe er ihr zuhörte. „So, kommen wir jetzt zur Aufteilung der Disziplinen. Da Ren das erste Mal teilnimmt, werde ich sie noch einmal genau erklären. Nicht an jeder muss ein Schüler teilnehmen und einige können auch doppelt belegt werden. Für jede abgelegte Leistung bekommt ihr Punkte, aus denen am Ende ermittelt wird, wer am besten abgeschnitten hat. Insgesamt gibt es bei den Mädchen sechs Disziplinen, aus denen an mindestens fünf teilgenommen werden muss. Das ist möglich, da die schlechteste Punktzahl nicht mit in die Wertung eingeht. Ich schlage dir vor, welche für es sinnvoll wären und du sagt, ob du damit einverstanden bist, okay?“ Ich zwang mich zu einem Lächeln, um ihr zu signalisieren, dass ich zugehört hatte. „Okay.“ „Da es das erste Mal ist, dass du an dieser Veranstaltung teilnimmst, kannst du mich jederzeit fragen, wenn du etwas wissen willst.“, sagte die Lehrerin, „Ich würde dir raten, nur an den fünf Pflichtdisziplinen teilzunehmen: Sprint, Hochsprung, Weitsprung, Medizinballstoßen und dem Tausendmeterlauf. Für das Kugelstoßen fehlt dir die nötige Technik, deshalb lässt du es besser aus. Nicht, dass du dich noch verletzt.“ Sie wandte sich an meine Klassenkameraden, kam jedoch nicht zu Wort. „Ich nehme alle!“, rief Daisuke während Akira sich seufzend an den Kopf griff. „Würdest du mich bitte zu Wort kommen lassen?“, fragte Frau Winter leicht gereizt, „Bei den Jungs hat es eine Änderung gegeben. Es gibt nicht mehr sechs Disziplinen, sondern sieben. Ihr dürft maximal eine abwählen.“ „Was ist neu?“, erkundigte sich der Erbe der Elektrizität hörbar verwundert. „Kendo.“, entgegnete die Sportlehrerin trocken, „Hier gibt es eine Sonderregelung: Obwohl diese Disziplin anfangs nur für die Junge gedacht war, können die Mädchen auch daran teilnehmen. Das bedeutet, sie können eigentlich zwei von sieben Disziplinen abwählen. Den Jungs wird es nicht so leicht gemacht. Bei ihnen ist es nur eine.“ „Ich nehme trotzdem alle.“, unterbrach mein Klassenkamerad die Frau zum zweiten Mal, „Ist ja nicht so, dass ich kein Kendo kann.“ „Wenn du meinst…“ Frau Winter gab nach. „Wie sieht es bei dir aus, Akira?“ „Ich möchte ebenfalls an allen teilnehmen.“, antwortete er. „Gut, das wäre geklärt. Jetzt müsste ich nur noch wissen, wer das in die Teilnehmerliste einträgt.“, murmelte die Frau leise. Das war mein Stichwort. Ohne darauf zu achten, wie dämlich ich mich gerade aufführte, hob ich meine Hand und stieß mir diese prompt am Autodach. „Autsch!“ Ich schnitt eine Grimasse, wurde aber gleich wieder ernst. „Ich würde uns gern eintragen, also wenn das möglich ist…“ „Kein Problem.“, meinte die Lehrerin, während sie auf einen Parkplatz fuhr, „Ich gebe dir die Liste dann, okay.“ Sie schaltete den Motor ihres Fahrzeuges aus. „Wir sind jetzt auch da.“ Noch bevor die zu Ende gesprochen hatte, riss Daisuke die Tür auf und stürmte ins Freie. „Endlich!“, rief er, „Ich dachte schon, wir würden hier gar nicht mehr ankommen.“ Kopfschütteln und mit einem schwachen Lächeln beobachtete Akira seinen besten Freund. „Da kann es einer ja kaum erwarten…“ Als ich das Auto gemeinsam mit Frau Winter verließ und wir auf die riesige Sporthalle zugingen, folgten uns die beiden. Kaum hatten wir das Gebäude betreten, kam ich nicht mehr aus dem Staunen heraus. Von innen erschien die Halle noch einmal ein ganzes Stück größer. In ihr waren die verschiedenen Stationen aufgebaut und um die Stationen führte eine Kreisbahn, die wohl für den Tausendmeterlauf gedacht war. Innerlich atmete ich erleichtert als, als ich die Bahn erblickte. Jetzt wusste ich wenigstens, dass wir nicht im freien rennen mussten. Draußen war zwar kein Winter mehr, aber der Frühling hatte auch noch nicht so wirklich begonnen. Für Anfang April war es noch sehr kalt. Ich schaute mich weiter in der Halle um und suchte nach bekannten Gesichtern. Die meisten der anderen Teilnehmer waren bereits eingetroffen. Jedoch musste ich mit Enttäuschen feststellen, dass ich nicht einen von ihnen kannte. Resigniert ging ich zu meinen Freunden zurück und ließ mich neben sie auf die Bank fallen. Daisuke warf mich einen fragenden Blick zu. „Stimmt etwas nicht Ren?“ „Hier sind so viele Leute“, murmelte ich leicht eingeschüchtert, „und ich kenne nicht einen einzigen von ihnen.“ „Mach dir nichts draus. Das geht jedem so.“, munterte mein Klassenkamerad mich auf. Frau Winter reichte mir die Teilnehmerliste. „Würdest du bitte überprüfen, ob unsere Angaben stimmen und die Disziplinen eintragen?“ Mit einem aufgezwungenen hilfsbereiten Lächeln nahm ich die Zettel entgegen und blätterte sie durch. Dabei ließ ich mir extra viel Zeit, immerhin musste ich die Namen aller Teilnehmer durchlesen. Doch nirgends stand ein Schüler namens Yuuki. Als ich bei unserer Schule angelangt war, füllte ich schnell die Felder aus, bevor ich weiterblätterte. Auf der letzten Seite, direkt über dem Namen meiner kleinen Schwester wurde ich fündig. Schnell überflog ich seine Daten. Wie es schien war seine Schule schon etwas länger hier, denn er hatte sich bereits eingetragen. Als mein Blick aber auf den Namen seiner Schule fiel, stockte ich. Er besuchte die gleiche wie meine Schwester. Laut Liste war er sechzehn Jahre alt, also stimmt das Alter schon einmal. Da ich keine Informationen hatte, die das Gegenteil besagten, ignorierte ich dieses Detail und überflog die Liste der Disziplinen, an denen er teilnahm. Er hatte sich bei allen eingetragen, Saya auch. Ich gab die Zettel der Lehrerin zurück. „Und?“ Meine Klassenkameraden starrten mich an, als würden sie gleich vor Neugier platzen. „Hast du etwas?“ Ich lächelte siegessicher. „Es ist nur einer unter dem Namen Yuuki eingetragen. Er heißt Yuuki Minami, ist sechzehn Jahre alt und nimmt wie ihr an allen Disziplinen Teil. Außerdem geht er auf die gleiche Schule wie Saya.“ „Was gibt’s“, fragte eine belustigt klingende Stimme neben uns. Erschrocken drehte ich mich um in die Richtung, aus der ich sie gehört hatte. Ein Junge, den ich auf unser Alter schätzte, mit rotem Haar, grünen Augen und einem breiten Grinsen im Gesicht kam auf uns zu. Seine Hände hatte er in den Hosentaschen verstaut. „Was willst du?“, zischte Akira ihn an, „Wir sind gerade in einer sehr wichtigen Unterhaltung.“ Das Grinsen des Jungen wurde breiter und er blieb direkt vor uns stehen. „Es tut mir leid, eure sehr wichtige Unterhaltung unterbrechen zu müssen, aber ich wüsste gern, wer ihr seid und aus welchem Grund ihr mir nachspioniert.“ „Tun wir gar nicht!“, schimpfte Akira beleidigt. „Und warum durchforscht ihr dann meine Daten?“ Er deutete auf die Teilnehmerliste, die unsere Sportlehrerin gerade weitergab. „Ihr braucht gar nicht erst zu versuchen, euch herauszureden. Ich habe jedes Wort gehört.“ „Moment!“, rief ich, um den sich anbahnenden Streit zwischen dem Jungen und meinen Klassenkameraden zu vermeiden. Drei Augenpaare richteten sich auf mich und starrten mich teils verwundert, teils verärgert an. Ich zwang mich, das zu ignorieren und konzentrierte mich auf den Rothaarigen mir gegenüber. Irgendwo hatte ich ihn schon einmal gesehen, das wusste ich. So eine auffällige Haarfarbe vergaß man nicht einfach. Auch seine Stimme kam mir bekannt vor. Angestrengt dachte ich darüber nach, wo das gewesen sein könnte. Nach einigen Sekunden fiel es mir wieder ein. „Du bist der Aushilfspizzabote von letzter Woche!“, rief ich lauter als beabsichtigt. „Was?“, schrieen meine Klassenkameraden erschrocken, wurden jedoch weiterhin ignoriert. „Jap.“ Der Junge zog die Dachmütze des Pizzalieferanten aus seinem Rucksack und setzte sie auf. „Noch mal danke für das Trinkgeld. So viel bekomme ich normalerweise nicht. Du heißt Ren, richtig?“ Merklich verwirrt nickte ich. „Saya hat mir von dir erzählt.“, fuhr der Rothaarige fort, „Sie meint, du wärst eine miserable Köchin und würdest die gesamte Hausarbeit vernachlässigen.“ Wütend über diese Bemerkung ballte ich meine Hände zur Fäusten. „Ich glaube, hier möchte jemand in den nächsten Wochen nicht mitessen.“ „Ich werde es dir ausrichten.“ Der Junge wandte sich zum Gehen. „Einen schönen Tag noch und viel Glück beim Wettkampf. Ihr werdet es brauchen, wenn ihr gegen mich antretet.“ Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Wenn er meine Schwester kannte, musste er auf die gleiche Schule gehen, genau wie dieser Yuuki. Er war hier auf dieser Sportveranstaltung, genau wie dieser Yuuki. Außerdem hatte er sich vorhin in unser Gespräch eingemischt und gemeint, wir hätten ihm nachspioniert. Wenn man aus diesen Informationen die richtigen Schlussfolgerungen zog, konnte das nur eine Sache bedeuten: „Du bist Yuuki?!“ Der Junge blieb stehen und sah zurück. „Was, wenn dem so wäre?“ Neben mir sprangen Daisuke und Akira auf. Zügig gingen sie auf ihn zu und packten ihn an den Armen. „Wir müssen uns kurz mit dir unterhalten.“, sagte der Erbe des Wassers, während sie ihn zum Ausgang der Turnhalle zogen. Ich meldete mich bei Frau Winter ab, unter der Begründung ich nur würde kurz die Toilette aufsuchen, und rannte den Dreien hinterher. Auf dem Parkplatz vor dem Gebäude holte ich sie ein. Der Rothaarige lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und meine beiden Klassenkameraden standen vor ihm. Ohne weiter darüber nachzudenken stellte ich mich neben sie. „Was wollt ihr von mir?“, fragte der Junge. Jetzt klang er schon nicht mehr so belustigt wie vorhin, sondern auch etwas genervt. „Wir sind auf der Suche nach jemandem.“, erklärte Daisuke, „Du sagtest, dein Name wäre Yuuki. Laut Teilnehmerliste bist du sechzehn Jahre alt. Aus zuverlässigen Quellen wissen wir, dass die Person, die wir suchen, auch Yuuki heißt und etwa in deinem Alter ist. Den Tipp, dass wir sie hier finden könnten, haben wir vor zwei Wochen erhalten. Allerdings wissen wir nicht, wie zuverlässig diese Informationsquelle ist.“ „Und ihr glaubt, ich sei derjenige, nach dem ihr sucht?“, fragte der Rothaarige. „Es besteht die Möglichkeit.“, fuhr der Erbe der Elektrizität fort. „Was haltet ihr davon, wenn ihr euch erst mal vorstellt? Danach sage ich euch, ob ich die Person bin, nach der ihr sucht.“, schlug der Junge vor. Als meine Klassenkameraden nichts reagierten, beschloss ich, den ersten Schritt zu gehen. „Ren Yamamoto, sechzehn Jahre alt. Aber das weißt du ja schon.“ „Daisuke Yamaha, ebenfalls sechzehn Jahre alt.“ „Akira Honda, siebzehn Jahre alt. Ich bin der Erbe des Wassers.“ „Yuuki Minami.“, antwortete der Rothaarige ruhig. „Und wie ihr schon richtig vermutet habt, bin ich der Erbe des Feuers. Also: was wollt ihr von mir?“ „Dir einen Vorschlag unterbreiten.“, entgegnete Akira mit einem aufgezwungenen Lächeln. „Fasst euch kurz.“, meinte Yuuki als er seine Hände wieder in den Hosentaschen verschwinden ließ, „Ich bin noch mit Leuten vom Widerstand verabredet und ich möchte nicht wegen Unpünktlichkeit kritisiert werden.“ „Wenn du von Kaito sprichst: Er kommt nicht. Solange seine Verletzung an der Schulter noch nicht wieder verheilt ist, darf er an keinen sportlichen Aktivitäten teilnehmen.“, klärte ich ihn über den Zustand meines Kumpels auf. Yuuki seufzte. „Und warum erfahre ich das von euch? Was ist überhaupt passiert?“ „Er hat im Kampf gegen Kaito seine eigene Kugel abbekommen.“, antwortete Daisuke. Der Erbe des Feuers wurde hellhörig. „Wie hat er das denn hinbekommen? Geht so etwas überhaupt?“ „Kaito hat sie zurückgeleitet und er hatte keine Zeit mehr auszuweichen.“ Akira warf einen Blick auf sein Handy. Wie es schien hatten wir nicht mehr viel Zeit, bis die Sportveranstaltung begann. „Aber wir sind nicht hier, um mit die über die Widerständler zu plaudern.“ „Dann lasst eueren Vorschlag mal hören.“ Er sah meine Klassenkameraden abwartend an. „Du weißt sicher vom Bündnis zwischen Wind, Erde und Elektrizität.“, begann Daisuke, „Unser Ziel ist, es zu zerstören, bevor sie Nakuni vollständig übernehmen können.“ Ich beobachtete jede von Yuukis Reaktionen. So konnte ich schon frühzeitig abschätzen, wie er von unserem Plan dachte und im schlimmsten Fall verhindern, dass wichtige Informationen in seine Hände gerieten. Noch war er kein Verbündeter und es war nicht ausgeschlossen, dass er gemeinsame Sache mit Kaito und diesem Morau machte. Gleichzeitig schämte ich mich für diesen Gedanken, denn Yuuki schien ein wirklich netter Mensch zu sein und ich traute ihm so eine Handlung einfach nicht zu. Doch aus Erfahrung wusste ich, dass man sich in Menschen täuschen konnte, weshalb ich mich lieber vergewisserte. Doch er machte mir einen Strich durch die Rechung. Noch bevor Daisuke seinen ersten Satz beendet hatte, setzte er einen neutralen Gesichtsausdruck auf, den man in Fachkreisen auch als Pokerface bezeichnete und machte es mir damit schier unmöglich, seine Gedankengänge aufgrund von Mimik und Gestik zu ergründen. Akira schien das ebenfalls aufgefallen zu sein, denn er verdeutlichte Daisuke mit einer Geste, dass er jetzt übernehmen würde. „Wir haben einen Plan erarbeitet, mit dem es möglich ist, dieses Bündnis zu zerstören. Die Wahrscheinlichkeit eines Sieges beträgt etwa fünfzig Prozent. Allerdings gibt es noch viele ungeklärte Faktoren, wie zum Beispiel das Verhalten deiner Familie. Wenn ihr euch heraushaltet oder uns unterstützt, würde das unsere Chance auf einen Sieg sehr erhöhen.“ „So?“, erkundigte sich Yuuki mit auffällig gespielter Fassungslosigkeit, „Ihr zählt uns also als einen von ihnen?“ „Wir gehen nur vom schlimmstmöglichen Fall aus.“, verteidigte der Erbe des Wassers sich, „Und so abwegig ist das gar nicht, immerhin ist fast nichts über euch bekannt. Ich versuche schon seit vier Jahren, irgendwie Kontakt zu dir aufzunehmen und ein Treffen zu vereinbaren. Aber bis vor kurzem wusste ich noch nicht einmal, ob du überhaupt noch in Nakuni bist oder dich längst in dieser Welt aufhältst. Meinst du nicht auch, das macht deine Familie ein kleinwenig verdächtig?“ „So kann man die Sache auch betrachten.“ Yuuki runzelte seine Stirn. „Aber falls es dich tröstet: Wir planen keinesfalls, und Wind, Erde und Elektrizität anzuschließen. Allerdings haben wir auch keinerlei Interesse daran, ihr Bündnis zu in irgendeiner Weise zu schwächen oder zu vernichten.“ „Ihr bleibt also bis zum bitteren Ende neutral?“, fragte Daisuke nach. Yuuki nickte. „Allerdings hat mich die Aussage, ihr hättet einen Plan – der gut genug ist, sie zu vernichten – etwas neugierig gemacht. Würde es euch etwas ausmachen, mir einen kleinen Einblick zu geben?“ „Als gut würde ich ihn nicht bezeichnen.“ Der Erbe des Wassers senkte leicht verlegen seinen Blick, sprach aber weiter. „Wenn alles glatt läuft, sind nur Wind und Erde unsere Gegner. Elektrizität wird das Bündnis in absehbarer Zeit verlassen. Die Widerständler werden uns ebenfalls nicht in die quere kommen. Wir haben und auf einen vorrübegehenden Waffenstillstand geeinigt, der erst dann endet, wenn wir Wind und Erde besiegt haben.“ Der Erbe des Feuers pfiff anerkennend. „Das hätte ich euch gar nicht zugetraut, dass ihr euch einfach mit ihnen zusammentut. Aber taktisch ist es eine sehr gute Entscheidung, weil vor allem keiner damit rechnet. Allerdings bezweifle ich, dass ihr irgendeinen Einfluss auf Elektrizität habt. Seit dem Tod seiner Frau und seines Sohnes ist das Familienoberhaupt wie ausgewechselt. Ich glaube nicht, dass er mit sich reden lässt, egal was ihr versucht.“ „Lass das mal unser Problem sein. Wir bekommen es schon auf die Reihe.“ Akira antwortete so schnell, dass kein anderer zu Wort kommen konnte. „Das ist-“ Daisuke legte seinem besten Freund die Hand auf die Schulter und brachte ihn damit zum Schweigen. „Lass es gut sein.“, sagte er leise, „Feuer ist neutral. Ihnen können wir es sagen.“ „Wenn du meinst.“ Seufzend gab Akira nach. Sehbar verwundert beobachtete Yuuki das Schauspiel, unterbrach die zwei jedoch nicht. Nachdem Daisuke klar gestellt hatte, was er jetzt tun würde, sah er den Erben des Feuers eindringlich an. „Kannst du eine Sache für dich behalten?“ Der Angesprochene nickte, war scheinbar nicht sicher was er von der Situation halten sollte. „Der Mann, der sich als Oberhaupt der Familie der Elektrizität ausgibt, ist nicht das rechtmäßige Oberhaupt. Vor vier Jahren ist es ihm gelungen, seinen älteren Bruder und dessen Familie in einen Hinterhalt zu locken und umzubringen. Um den Mord zu verheimlichen, hat er Feuer gelegt. Seitdem gibt er sich als sein älterer Bruder aus. Gleich am nächsten Tag hat er den Tod der Familie seines Bruders, die jetzt offiziell seine war, bekannt gegeben. Das hast du sicher mitbekommen. Aber, entgegen allen Annahmen, sind die Frau des Familienoberhauptes und sein Sohn nicht in dem Brand umgekommen, sondern konnten fliehen, mit dem Familienerben. Inzwischen ist der Sohn sechzehn Jahre alt und berechtigt den Platz seines Vaters einzunehmen.“ Ich musste mich bemühen, mir nichts anmerken zu lassen, immerhin war es für mich ungewohnt, dass Daisuke von sich in der dritten Person sprach. „So?“, hakte Yuuki nach, „Könnt ihr das auch beweisen?“ Auf Daisukes Gesicht bildete sich ein schwaches Lächeln als er den Ärmel seiner Trainingsjacke ein Stück hochschob und die silberne Kette mit dem Anhänger in Blitzform darunter zum Vorschein kam. „Genügt das?“ Yuukis Augen weiteten sich als er den Gegenstand erblickte. Doch er hatte sich schnell wieder gefasst, zu schnell für meinen Geschmack. „Verstehe. So ist das also…“ „Jetzt, wo du unseren Plan kennst, frage ich dich ein zweites Mal: Möchtest du unserer Gruppe beitreten? Es würde dir viele Vorteile bringen und deine Familie würde nicht Gefahr laufen, von Wind und Erde angegriffen zu werden, findest du nicht auch? Also: was ist deine Antwort?“ Kapitel 17: Yuukis Antwort -------------------------- „Jetzt, wo du unseren Plan kennst, frage ich dich ein zweites Mal: Möchtest du unserer Gruppe beitreten? Es würde dir viele Vorteile bringen und deine Familie würde nicht Gefahr laufen, von Wind und Erde angegriffen zu werden, findest du nicht auch? Also: was ist deine Antwort?“ Eine Weile war es still. Gespannt starrten meine Klassenkameraden und ich den Erben des Feuers an, warteten auf seine Antwort. Yuuki legte seine Stirn in Falten, schien zu überlegen. Mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck sah er abwechselnd jeden von und einmal an. Dann, nach gefühlten Stunden, öffnete er endlich seinen Mund. „Tut mir leid, ich passe.“ Danach stieß er sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren von der Mauer ab und lief zurück in die Sporthalle. Daisuke sah ihm mit einem gequälten Grinsen hinterher. „Er hat abgelehnt. Was jetzt?“ „Keine Ahnung.“ Akira hob seine Schultern. „Eventuell ändert er seine Meinung noch. Wir werden ihn in der nächsten Zeit aus einiger Entfernung beobachten, uns aber nicht in sein Leben einmischen und ihn auch nicht belästigen. Vermutlich hat es einen tieferen Grund, dass er sich uns nicht anschließen will. Wenn wir diesen herausfinden, können wir ihn vielleicht noch umstimmen.“ „Gib dir keine Mühe.“, entgegnete ich trocken, „Auf mich hat dieser Yuuki nicht den Eindruck gemacht, als ließe er sich so leicht umstimmen.“ „Wie dem auch sei.“, mischte sich der Erbe der Elektrizität ein, bevor wir eine Chance hatten, und ernsthaft zu streiten, „Wir sollten langsam wieder zurück. Nicht dass sie noch ohne uns anfangen.“ Wie ich wieder in der Halle landete, bekam ich nicht mit. Mein Gehirn musste mit Daisukes Worten abgeschaltet haben und die Bewegungen meinem Unterbewusstsein überlassen haben. Auch als ich in den ersten Disziplinen teilnahm, kam es nicht zurück. Zwar hatte ich meine Kräfte trotzdem unter Kontrolle und landete in jeder auf einem der ersten Plätze, aber trotzdem fehlte etwas. Ich fühlte nichts dabei, rein gar nichts. Keine Freude über einen guten Durchlauf, keine Verärgerung, wenn es einmal nicht so gut klappte, gar nichts. Mein Körper bewegte sich einfach, ohne mein zutun. Meine Gedanken schweiften immer weiter ab, in diese andere Welt. Wie es dort wohl aussah? Welche Sprache sprachen die Menschen? Die gleiche wie wir? Oder war es in jeder Region eine andere? Was trugen sie für Kleidung? Unterschied sie sich von unserer? Wenn ja, worin? Ich erinnerte mich an meinen Traum. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte ich ein altmodisches, langes Kleid getragen. Dass es zerrissen war, ignorierte ich. Freiwillig würde ich so einen Kittel niemals anziehen, also musste es einen Grund gehabt haben. Wenn ich davon ausging, dass ein Teil meines Traumes Realität war, dann musste die Kleidung der Menschen in dieser anderen Welt der ähneln, die die Leute hier vor einigen Jahrhunderten getragen hatten. Aber das war nur eine Theorie. Beweisen konnte ich es nicht und ich wollte es auch nicht, denn das würde bedeuten, dass Akira von Kaito schwer verletzt werden würde, nur weil er mich beschützte. Vielleicht starb er auch in meinem Traum. Wie dieser änderte, wusste ich nicht. Bis jetzt war ich jedes Mal aufgewacht, bevor ich Gewissheit darüber hatte. Aber die Verletzungen sprachen für sich, woraus ich schlussfolgerte, dass er es wahrscheinlich nicht überlebte. Ein weiterer Grund zu hoffen, dass der Traum nur ein dummes Hirngespinst von mir war und nie Realität werden würde. Ich dachte noch eine Weile über diese andere Welt nach, ohne wirklich zu einem Schluss zu kommen. Je mehr ich versuchte herauszufinden, desto klarer wurde mir, dass ich nichts über sie wusste. Erst als Daisuke mich irgendwann an den Schultern rüttelte, gelang es meinem Gehirn, in die Realität zurückzukehren. Mit einem leicht verwunderten Blick schaute ich ihn an. „War etwas?“ Er schüttelte seinen Kopf. „Nichts wichtiges. Ich wollte dich nur darüber informieren, dass die Wettkämpfe abgeschlossen sind und es jetzt Mittagessen gibt. Danach haben wir eine halbe Stunde Pause und dann findet der Kendowettbewerb statt. Ganz zum Schluss ist dann die Siegerehrung.“ „Ach so.“, antwortete ich als sei nichts gewesen, „Danke.“ „Na, ist Dornröschen aufgewacht?“, scherzte Akira, während er mit seinen Händen in den Hosentaschen auf mich zustiefelte. Meine bis zu diesem Zeitpunkt noch überdurchschnittlich gute Laune verschwand im Bruchteil einer Sekunde. Wütend über diese Äußerungen ballte ich meine Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte ich ihn geohrfeigt, doch zwang ich mich, das nicht zu tun. Als würde es mich nicht weiter interessieren, streckte ich ihm die Zunge heraus. „Mach es erst einmal besser, Rapunzel!“ „Im Gegensatz zu dir weiß ich wenigstens noch, was ich getan habe.“, entgegnete er gereizt. „Als ob du weißt, ob ich weiß, was ich getan habe oder nicht!“, schnaubte ich, „Außerdem kann es dir ja egal sein. Meine Aufgabe war es, dir die Informationen über diesen Yuuki zu besorgen, an welchen Disziplinen er teilnimmt und so. Demzufolge habe ich sie schon lange erfüllt. Sei gefälligst dankbar, dass ich dir überhaupt geholfen habe und du nicht alles allein herausfinden musstest, denn nächstes Mal werde ich das nicht mehr tun.“ „Ruhig, ruhig, ruhig.“, redete Daisuke auf mich ein, „Tief durchatmen, Ren.“ Ich tat was er sagte, mit dem Hintergedanken dass er damit den Streit zwischen mir und dem Erben des Wassers unterbrechen wollte. Ohne ihn weiter zu beachten schloss ich meine Augen und atmete mehrfach tief durch. Als ich sie dann wieder öffnete, starrte ich Akira noch gereizter an als ich es vorher gewesen war. „Was bildest du dir eigentlich ein? Ständig hackst du auf mir herum, weißt alles besser und lässt dir nichts sagen! Kannst du nicht wenigstens ein Mal deine Klappe halten? Ich habe momentan keinen Nerv, mich noch mit dir herumzustreiten, also tu mir den Gefallen und lass mich in Ruhe, bevor ich mich vergesse!“ Hinter mir ertönte ein anerkennender Pfiff. „Da scheint dich jemand sehr zu mögen, Akira.“, erklang Yuukis belustigte Stimme und er trat neben mich. In seiner rechten Hand hielt er ein Stück Papier, das er Daisuke reichte. „Hier sind die Paarungen für den Kendowettbewerb.“ Mein Klassenkamerad nahm den Zettel entgegen und überflog ihn kurz. Auf seinem Gesicht erschien ein schwaches Lächeln. „Wie es aussieht, triffst du erst im Finale auf einen von uns.“ „Falls ihr es überhaupt so weit schafft.“, murmelte Yuuki leise, aber trotzdem noch laut genug, damit es jeder hören konnte. Mein Klassenkamerad reichte den Zettel an mich weiter und ich warf einen kurzen Blick darauf. Wie es aussah, nahmen nur acht Schüler daran teil, von denen jeweils zwei gegeneinander antraten und der Sieger weiterkam. Zum Schluss kämpften dann die beiden besten gegeneinander um den Gewinner zu bestimmen. Ich las mir die Namen der Teilnehmer durch. Der Erste Kampf fand zwischen Yuuki und einem mir unbekannten Jungen statt, dessen Namen ich mir gar nicht erst merkte. Als nächstes kämpfte Saya, ebenfalls gegen einen Jungen. Die Sieger dieser beiden Kämpfe traten in der zweiten Runde gegeneinander an und derjenige, der die gewann, stand im Finale. Daisuke und Akira traten in der ersten Runde ebenfalls gegen Schüler an, die ich nicht kannte, würden wenn sie gewannen danach aber gegeneinander kämpfen müssen um zu entscheiden wer von ihnen das Finale erreichte. Ich reichte Akira den Zettel. „Es ist wie Yuuki es sagt. Die einzige Chance, auf ihn zu treffen, ist im Finale. Vorher musst du wahrscheinlich gegen Daisuke kämpfen, wenn keiner von euch in der ersten Runde verliert.“ Akira riss mir das Stück Papier aus der Hand und hielt es sich vor die Augen. Nach einigen Sekunden gab er es Yuuki zurück. „Sieht aus als hätten wir bei den Auslosungen nicht besonders viel Glück gehabt.“, meinte Daisuke als er sich etwas in Yuukis Richtung beugte und einen letzten Blick auf den Zettel warf, „Wenn ich richtig liege, nimmt nur ein Mädchen daran teil. Ich bin gespannt, wie weit Saya es schafft, immerhin ist sie nicht grundlos Bezirksmeisterin und auch landesweit hat sie nicht schlecht abgeschnitten.“ Ich nickte während ich daran dachte, wie Saya mir vor Freunde strahlend verkündet hatte, dass sie unter den besten Mädchen des Landes war. Allerdings hatte ich nie erfahren, welchen Platz sie belegt hatte. „Sie war dritte.“, entgegnete Yuuki immer noch breit grinsend und ich begann langsam, mich zu fragen, ob er auch manchmal einen ernsten Gesichtsausdruck hatte oder mit einem Dauergrinsen durch das Leben lief. Daisuke nickte anerkennend. „Ich habe von Anfang an gewusst, dass sie Talent hat.“ „Auch wenn du sie innerhalb weniger Minuten besiegt hattest?“, hakte Akira nach. Der Erbe der Elektrizität hob seine Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht hatte sie einfach einen schlechten Tag…“ Er packte mich und seinen besten Freund am Arm und zog uns aus der Sporthalle. Auf dem Parkplatz direkt vor ihr hatten die Veranstalter einen riesigen Suppenkessel aufgebaut und verteilten dessen Inhalt gerade in Plastiksuppenschüsseln. Daneben war ein Tisch mit einer Vielzahl an belegten Broten aufgebaut. „Iss nicht zu viel.“, mahnte mich Daisuke, „Wenn dein Magen zu voll ist, wird dein Körper nur unnötig träge und verschlechtert deine Leistungen.“ „Nur zu deiner Information:“ Ich angelte mir ein mit Salami und Käse belegtes Brötchen und biss genüsslich hinein. „Ich bin bereits mit allen Disziplinen fertig.“ „Ach ja, stimmt.“ Der Erbe der Elektrizität griff sich leicht verlegen an den Kopf, „Du nimmst ja nicht am Kendowettkampf teil.“ „Sonst würde es auch sehr peinlich für dich werden, nicht wahr Schwesterherz.“, vernahm ich die Stimme meiner jüngeren Schwester neben mir. „Hi.“ Daisuke hob zum Gruß die Hand. „Wie geht’s?“ Akira murmelte etwas unverständliches vor sich hin und beachtete Saya nicht weiter. „Saya Aoi Yamamoto.“ Ich sah sie leicht beleidigt an, „Solltest du planen, in den nächsten Tagen etwas zu Essen zu bekommen, dann reiß sich zusammen. Oder willst du eine spezielle Diät machen: Mal sehen wie lange ich durchhalte ohne etwas zu essen.“ „Jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt.“, scherzte sie, „Ich habe doch nur Spaß gemacht.“ „Denkst du, ich nicht? Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich dich mit ein paar Wochen Essensentzug davonkommen lassen würde? Ich hätte mir etwas noch viel grausameres ausgedacht, wie zum Beispiel: Nie wieder Pizza.“ „Gnade.“, schrie Saya und ging vor mir auf die Knie, hatte jedoch Probleme, sich ihr Lachen zu verkneifen, „Ich tue alles, aber streich nicht die Pizza vom Speiseplan.“ „Ich glaube sie ist süchtig.“, bemerkte Daisuke nach einigen Sekunden trocken. Akira, dem unsere Unterhaltung anscheinend zu blöd geworden war, besorgte uns drei der mit Suppe gefüllten Plastikschüsseln, wovon er eine seinem besten Freund reichte, eine mir und eine behielt. „Wenn wir nicht gleich mit Essen anfangen, ist die Pause vorbei und wir müssen mit leerem Magen weitermachen.“ Stumm nahm ich die Schüssel entgegen und löffelte ihren Inhalt in meinen Mund. Auch wenn Suppe nicht mein Lieblingsessen war, schmeckte sie nicht schlecht, wenn ich ehrlich war, sogar ganz gut. Vielleicht sollte ich Daisuke bitten, sie nachzukochen. Besagter dunkelhaariger Klassenkamerad tippte mir auf die Schulter. Als ich ihn leicht verwundert anblickte, deutete er auf den Eingang der Turnhalle, von dem aus jemand zielstrebig auf uns zukam. „Scheint, als müssten wir wieder zurück.“ Als ich genauer hinschaute und erkannte unsere Sportlehrerin. „Es geht gleich weiter.“, rief sie, „Auch wenn ihr nicht im ersten Kampf antreten, wäre es sinnvoll, zuzusehen. Beeilt euch bitte.“ „Geht klar.“, rief Daisuke, „Wir sind in fünf Minuten da.“ So schnell ich konnte, aß ich den Rest meines Mittagessens auf und gab das Geschirr wieder ab. Meine Klassenkameraden taten es mir gleich. Danach beeilten wir und, zurück in die Halle zu kommen, nur um festzustellen, dass die Veranstalter noch dabei waren, die Matten für den Kendowettkampf auf den Boden zu legen. „Warum haben wir das Essen noch einmal hintergeschlungen?“, fragte Akira mit gereizter Stimme, während er sich einen Sitzplatz in der Nähe der inzwischen halb aufgebauten Kampffläche suchte. „Um nicht zu spät zu kommen.“, antwortete Daisuke sarkastisch während er sich neben seinen besten Freund setzte, „Siehst du nicht, dass sie jede Sekunde beginnen könnten?“ Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen, als ich es ihm gleichtat und neben den beiden Platz nahm. „Seht es mal so: Von hier aus haben wir eine wirklich gute Aussicht auf die Kämpfe, meint ihr nicht? Das entschädigt die Hektik von eben fast vollständig.“ „Ja, schon, aber…“, setzte der Erbe der Elektrizität an, wurde aber von Akira unterbrochen. „Wir ziehen uns nur schnell unsere Ausrüstung an. Du wartest hier und hältst unsere Plätze frei, Seira.“ Noch bevor ich überhaupt eine Chance hatte, etwas zu erwidern, waren die beiden auch schon verschwunden. „Das heißt ‚Ren’…“, murmelte ich, beleidigt darüber, dass er mich noch immer nicht mit meinem Namen ansprach. Konnte er es nicht ein Mal lassen? Er wusste, dass ich Seira nicht mochte, nannte mich aber trotzdem so. Entschlossen schüttelte ich meinen Kopf. Jetzt auf seine Provokationen einzugehen, würde mir nichts bringen. Ich sollte mich besser damit abfinden und mich nicht davon stören lassen. Vielleicht hörte er auf, wenn es nicht mehr die gewünschte Wirkung zeigte. Inzwischen waren die Veranstalter damit fertig, die Kampffläche aufzubauen uns langsam füllten sich die Sitzplätze um mich herum. Doch von den Teilnehmern war nach wie vor nichts zu sehen. Ein Mann mit einem Mikrofon trat mitten auf die am Boden liegenden Matten und begann zu sprechen. „Bevor wir beginnen, möchte ich für die Zuschauer noch einmal kurz die Regeln dieser letzten Disziplin erklären. Um den Ablauf zu erleichtern und schwerwiegende Verletzungen zu vermeiden, haben wir ein paar kleine Änderungen vorgenommen. Es wird so lange gekämpft, bis ein Sieger feststellt. Verloren hat man, wenn man über die Markierung am Boden tritt, aufgibt oder mit den Schultern den Boden berührt. Kommen wir jetzt zum ersten Wettkampf der ersten Runde. Es treten gegeneinander an Yuuki Minami und Sho Kuroyama.“ Die zwei betraten die Kampffläche. Jedoch konnte ich nicht ausmachen, wer von ihnen wer war, da ich wegen der Schutzausrüstungen, die sie trugen, nicht einmal ihre Gesichter erkennen konnte. Aber das war mir eigentlich egal, denn ich wusste, dass Yuuki sich schon in den ersten Sekunden an seinen Fähigkeiten verraten würde. Daisuke hatte mir erzählt, dass es in den Familien der Kaiser Tradition war, den Schwertkampf, darunter auch Kendo, zu erlernen und es jeder in ihrer Familie konnte. „Wie es aussieht, sind wir gerade noch rechtzeitig.“, ertönte die Stimme des Erben der Elektrizität zu meiner rechten, „Knapper hätte es echt nicht sein dürfen.“ Ohne meine Aufmerksamkeit ganz von den beiden Kämpfern zu nehmen, ließ ich meinen Blick in seine Richtung schweifen und schaute zu, wie er und Akira sich auf ihre Plätze zurücksetzten. Sie trugen beide eine dunkelblaue Schutzausrüstung, jedoch hatten sie ihren Kopfschutz nicht aufgesetzt, sondern trugen ihn unter den Armen. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass Daisukes Uniform einen Tick dunkler war und in einem kräftigeren Blau als Akiras. Jetzt wusste ich auch, wie ich sie in ihrem Kampf unterscheiden konnte, sollten sie gegeneinander antreten müssen. Das war nicht sonderlich unwahrscheinlich, denn ich hielt es für so gut wie unmöglich, dass einer von beiden schon in der ersten Runde verlor. Dazu waren sie beide zu gut. Als ich zurück zu dem momentan stattfindenden Kampf sah, wurde dieser gerade freigegeben. Yuuki und der andere Junge, von dem ich glaubte, dass er Sho hieß, sprangen aufeinander zu. Ihre Bambusschwerter kreuzten sich und ich konnte, wie nicht anders erwartet, bemerkte ich schon kurze Zeit später, dass es ein unausgeglichener Kampf war. Einer von ihnen, wahrscheinlich Yuuki, war dem anderen haushoch überlegen. Aber alles andere wäre auch mehr als nur wunderlich gewesen. Der Kampf war entschieden, noch bevor er überhaupt richtig begonnen hatte. Yuuki dränge seinen Gegner immer weiter in die Richtung der Markierung und stieß ihn dann darüber. Ein Pfiff ertönte und der Veranstalter trat wieder in die Mitte der Matte: „Sieger der ersten Runde ist Yuuki Minami.“ Einige aus dem Publikum, darunter auch Daisuke, Akira und ich, klatschten Beifall. Der Erbe des Feuers zog sich den Kopfschutz vom Kopf und hielt ihn mit seiner rechten Hand triumphierend in die Luft, als hätte er gerade einen großen Sieg errungen. Auf seinem Gesicht, war wie ganze Zeit schon, ein breites Grinsen zu sehen. „Im zweiten Kampf treten gegeneinander an Nagumo Urabe und Saya Aoi Yamamoto.“, rief der Veranstalter die nächsten beiden auf. Einige der Zuschauer begannen zu tuscheln als die beiden die Kampffläche betraten. „Das ist doch ein Mädchen!“, rief einer von ihnen. „In den Regeln steht, dass wir bei der letzten Disziplin, dem Kendo, aufgrund der zu geringen Teilnehmerzahl nicht zwischen den Geschlechtern trennen. Deshalb ist diese Disziplin auch freiwillig.“, entgegnete der Veranstalter. Sofort verstummte die Menge wieder. Nagumo Gegner verschränkte lässig die Arme hinter dem Kopf als er Saya siegessicher ansah. „Möchtest du nicht lieber aufgeben, nicht dass du dich noch verletzt. Es ist doch eh schon entschieden, wer gewinnt. In bin letztes Jahr Zweiter in der Bezirksmeisterschaft und Zehnter in der Landesmeisterschaft geworden. Du würdest nur verlieren.“ „Spar dir deine Siegeshymnen für später auf und fang endlich an.“, zischte Saya, die ihm seine Äußerung sehr übel genommen hatte, „Nur zu deiner Information ich bin seit vier Jahren Bezirksmeisterin und habe in der letzten Landesmeisterschaft den dritten platz belegt. Meinst du nicht auch, dass ich qualifiziert genug bin, um gegen dich anzutreten?“ Darauf erwiderte ihr Gegner nichts mehr. Er und Saya gingen in Kampfstellung und als der Pfiff ertönte, stürmten sie aufeinander los. Nagumo holte schlug mehrfach mit seinem Bambusschwert nach meiner Schwester, doch sie wich jedem Angriff spielend aus.“ „Saya ist besser geworden.“, murmelte Daisuke anerkennend neben mir, „Letztes Mal waren ihre Bewegungen noch nicht so schnell und auch ihre Reflexe haben sich verbessert. Sie muss sehr hart trainiert haben.“ „Du kennst sie doch.“, antwortete ich in gleicher Lautstärke, um die Leute um uns herum nicht zu belästigen, „Sie kann es nicht leiden, zu verlieren, und wenn sie einmal eine Niederlage einstecken muss, trainiert sie so lange, bis sie gegen denjenigen gewinnt, der ihr die Niederlage verpasst hat.“ Auf der Kampffläche fand ein relativ ausgeglichener Kampf statt, den keiner so recht zu gewinnen vermochte. Die beiden kämpften bis aufs Äußerste, aber trotzdem war es ihnen bis jetzt noch nicht gelungen einen Treffer zu landen. Da passierte es: Saya sprang zurück um einem Hieb auszuweichen, den sie nicht mehr blocken konnte. Noch während des Sprunges musste sie einen weiteren Angriff ihres Gegners stoppen. Dadurch verlor sie das Gleichgewicht und als sie mit nur dem linken Bein wieder am Boden landete, knickte ihr Fußgelenk um und sie fiel zur Seite. Danach passierte alles so schnell, dass ich es mit den Augen nicht mehr vollständig beobachten konnte. Irgendwie gelang es Saya, sich abzustützen und Nagumo, der auf sie zugestürmt war, abzuwehren. Sie holte zum finalen Schlag aus und stieß ihn über die Markierung. Ein Pfiff ertönte und der Veranstalter betrat die Kampffläche. „Der Gewinner ist Saya Aoi Yamamoto.“ Meine Schwester lächelte, doch anstatt sich über ihren Sieg zu freuen und jubelnd in die Luft zu springen, fiel sie auf ihre Knie und hielt sich ihr Fußgelenk. „Saya!“, rief Yuuki besorgt und noch bevor jemand die Chance hatte, etwas zu unternehmen, war er auch schon auf sie zugerannt und begutachtete besorgt ihre Verletzung. Kapitel 18: Ein etwas anderer Kampf ----------------------------------- Meine Schwester lächelte, doch anstatt sich über ihren Sieg zu freuen und jubelnd in die Luft zu springen, fiel sie auf ihre Knie und hielt sich ihr Fußgelenk. „Saya!“, rief Yuuki besorgt und noch bevor jemand die Chance hatte, etwas zu unternehmen, war er auch schon auf sie zugerannt und begutachtete besorgt ihre Verletzung. „Es geht schon.“, meinte Saya nach einigen Sekunden, „Ich bin nur blöd aufgetreten, das ist alles.“ Der Erbe des Feuers deutete auf ihren inzwischen geschwollenen Knöchel. „Etwas blöd aufgetreten? Verarschen kann ich mich selbst!“ Er hob sie auf seine Arme und trug sie von der Kampffläche. Ich rannte auf die beiden zu. „Saya!“, rief ich besorgt. Meine Schwester setzte ein schiefes Lächeln auf. „Mir geht es gut, ehrlich.“ „Das sah aber nicht so aus.“, sagte Daisuke, der mir gefolgt war und jetzt neben mir stand. Er warf einen kritischen Blick auf ihre Verletzung. „Wie es aussieht, ist dein Knöchel verstaucht, wenn nicht sogar angebrochen. Du solltest das besser sofort von einem Arzt behandeln lassen.“ Während wie bei Saya waren, wurde Akiras Kampf angepfiffen, doch das bekam ich gar nicht richtig mit. Ich achtete weder auf ihn noch seinen Gegner, merkte mir noch nicht einmal dessen Namen. Aber das war auch nicht besonders wichtig. Er würde eh in ein paar Minuten verloren haben. „Wie es aussieht, deckt Akira uns den Rücken.“, meinte der Erbe der Elektrizität, „Er zieht seinen Kampf künstlich in die Länge.“ Ein schwaches Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. „Wie es aussieht, ist er nicht nur ein Arroganter Kotzbrocken, sondern hat auch einige – sehr wenige – gute Seiten.“ Ich wandte mich an Yuuki, der meine Schwester noch immer auf seinen Armen trug. „Und jetzt zu euch: In welche Beziehung steht ihr zueinander?“ „Wie sind zusammen.“, antwortete Saya als sei es das normalste er Welt. „Und das erfahre ich erst jetzt?“, rief ich hörbar wütend darüber, dass sie mir so etwas verheimlich hatte. Saya streckte mir die Zunge heraus. „Bäh! Hättest ja auch fragen können!“ Noch bevor ich die Chance hatte, etwas darauf zu erwidern, festigte Yuuki seinen Griff um ihre Schultern und trug meine Schwester zum Ausgang, wo schon ein Arzt auf sie wartete. Ich ging, gefolgt von Daisuke, zu meinem Sitzplatz zurück, um mir wenigstens noch den letzten Teil von Akiras Kampf anzusehen. Doch kaum hatten wir uns gesetzt, holte der Erbe des Wassers auch schon zum finalen Schlag aus und beförderte seinen Gegner über die Markierung. Der Kampf wurde abgepfiffen und er ging als Sieger hervor. „Kommen wir nun zum letzten Kampf der ersten Runde.“, rief der Veranstalter, „Kantaro Yamasaki gegen Daisuke Yamaha.“ Der Erbe der Elektrizität warf seinem besten Freund einen wütenden Blick zu. „Hättest du nicht noch eine Weile warten können?“ Akira hob seine Schultern. „Sei froh, dass ich dir überhaupt Zeit verschafft habe.“ Er senkte seine Stimme. „Dein Gegner ist ein Adliger aus Nakuni. Pass auf, dass du nicht zu viel von deinen Kräften zeigst. Es ist gut möglich, dass Kaito und Morau ihn eingeschmuggelt haben. Wenn sie herausfinden, wer du bist, sind wir erledigt.“ „Keine Sorge.“ Daisuke grinste. „Ich werde vorsichtig sein.“ Sich seinen Kopfschutz aufsetzend betrat er die Kampffläche, wo sein Gegner schon auf ihn wartete. Der Veranstalter pfiff den Kampf an. „Beginnt!“ Akira nahm neben mir platz. „Jetzt siehst du mal einen richtigen Kampf, Seira.“, sagte er während er seinen Kopfschutz absetzte. „Für dich immer noch ‚Ren!’“, ermahnte ich ihn, nahm meinen Blick aber nicht von der Kampffläche. „Warum hast du Daisuke gesagt, er solle sich zurückhalten, damit dieser Kantaro ihn nicht erkennt. Kann er nicht anhand seines Namens sagen, wer Daisuke ist.“ „Theoretisch schon.“, antwortete der Erbe des Wassers, „Wenn Yamaha Daisukes richtiger Name wäre.“ „Wie meinst du das?“ Diese Aussage verwirrte mich. „Daisukes richtiger Name ist nicht Yamaha, sondern Inazuma vom japanischen Wort für Blitz. Er hat ihn geändert, um nicht gefunden zu werden. Das tun wir alle, wenn wir diese Welt betreten. Deshalb war es auch so schwer, Yuuki von der Familie des Feuers zu finden. Eigentlich heißt er Hoono, von Flamme, nicht Minami.“, erklärte Akira mit leiser Stimme, „Mich wundert allerdings, dass du davon nichts wusstest. Hat er dir nicht von seiner Vergangenheit erzählt? Aber trotzdem hätte dir auffallen müssen, dass etwas nicht stimmt. Was glaubst du, warum die Widerständer uns nicht sofort erkannt haben?“ „Jetzt, wo du es sagst…“ Ich bemühte mich, den Kampf zwischen Daisuke und diesem Kantaro weiterhin aufmerksam zu beobachten. „Doch schon, aber diesen Teil hat er nicht erwähnt. „Ist ja auch egal.“ Akira warf einen Blick auf die Armbanduhr des Mannes, der neben ihm saß. „Jedenfalls sieht es nicht besonders gut aus im Moment. Daisuke kämpft schon seit fast einer Viertelstunde und sein Gegner scheint noch kein Bisschen außer Puste zu sein.“ Mein Klassenkamerad und Kantaro standen sich auf der Kampffläche gegenüber. Doch schienen sie entgegen aller Erwartungen noch voll bei Kräften zu sein. Als ich genauer hinsah, fiel mir auch der Grund auf, denn unter ihrem Kopfschutz leuchteten mir ihre Augen geradezu entgegen. Ich nickte zustimmend. „Berichtige mich, wenn ich falsch liebe, aber ich glaube, die zwei sind gleich stark.“ Der Erbe des Wassers pfiff anerkennend. „Wie es aussieht, hat sich das Training gelohnt. Du bist ja schon richtig gut, auch wenn die noch der nötige Feinschliff fehlt. Sie kämpfen momentan nämlich beide nicht mit voller Kraft.“ Wie als wolle er das bestätigen, stand er auf und rief in die Richtung der Kampffläche: „Jetzt mach endlich ernst, Daisuke. Wenn du verlierst, nur weil du dich zurückgehalten hast, kannst du etwas erleben!“ Augenblicklich sahen alle Zuschauer des Kampfes in unsere Richtung, aber nicht nur sie, sondern auch die Veranstalter und selbst die Teilnehmer. Doch anstatt sich für die Störung des Kampfes zu entschuldigen, setzte sich Akira wieder auf seinen Platz als sei nichts gewesen. So kannte ich ihn gar nicht. Normalerweise verhielt er sich ganz anders. Das, was er eben von sich gegeben hatte, passte nicht zu dem reichen, eingebildeten, verzogenen Schnösel, als den ich ihn bis jetzt betrachtet hatte. Aber vielleicht kannte ich ihn auch einfach noch nicht gut genug, immerhin sahen wir uns außerhalb der Schulzeit nur selten und dann trainierte er entweder mit mir, sah bei Training zu oder arbeitete gemeinsam mit Daisuke weiter an den Plänen für die Rettung Nakunis. Besagter dunkelhaariger Adliger schaute ebenfalls zum Erben des Wassers. „Das hätte ich so oder so getan. Du hättest mich nicht daran erinnern müssen.“ Neu angespornt sprang er auf seinen Gegner zu und holte mit seinem Bambusschwert aus. Kantaro schien durch Akiras Zuruf eben etwas abgelenkt zu sein und konnte nur noch abwehren. Er sprang zurück und ging auf Distanz. Doch da hatte der Erbe der Elektrizität ihn schon wieder angegriffen. So ging es eine Weile. Mein Klassenkamerad griff an und sein Gegner verteidigte. Ich spürte, dass Daisuke mit jedem Angriff, den er ausführte, stärker wurde, aber nicht nur er. Auch Kantaros Kraft nahm auch immer mehr zu. Der Kampf dauerte noch etwa eine Dreiviertelstunde, in der ich vor Spannung beinahe gestorben wäre. Dann, endlich, ließ Daisukes Gegner erschöpft auf die Knie fallen und erklärte seine Niederlage. „Ich gebe auf.“, brachte er unter Anstrengungen heraus, „Ich kann nicht mehr.“ „Kantaro Yamasaki gibt auf. Damit hat Daisuke Yamaha den letzten Kampf der ersten Runde gewonnen.“, verkündigte der Veranstalter. Aber um den Erben der Elektrizität stand es nicht viel besser, wie ich nur einen Augenblick später feststellte als Daisuke den Kopfschutz abnahm und sein völlig verschwitztes Gesicht zum Vorschein kam. Er atmete schwerer als normal. Akira stand auf und ging mit einer Flasche stillem Mineralwasser auf seinen besten Freund zu. „Hier.“, rief er als er sie ihm zuwarf, „Die hast du dir verdient.“ Daisuke sah ihn dankbar an, als er die Flasche auffing, aufschraubte und einen großen Schluck daraus nahm. „Du bis meine Rettung.“, meinte er grinsend, „Ohne dich wäre ich hier verdurstet!“ Der Veranstalter beobachtete die Freunde mit einem Grinsen im Gesicht. „Ihr wisst schon, dass ihr in der nächsten Runde gegeneinander antreten müsst.“ Ich überhörte den Kommentar und lief auf die beiden zu. Die nächste Runde würde erst nach einer halbstündigen Pause stattfinden, das hatte die Turnierleitung eben beschlossen, da sowohl Saya als auch Daisuke nicht sofort weiterkämpfen konnten und eine kurze Pause brauchten, um nicht mit einem zu großen Handicap antreten zu müssen. Auf dem Gesicht des Erbens der Elektrizität bildete sich ein schwaches Lächeln. „Es ist schon eine Weile her, seit wir das letzte mal gegeneinander gekämpft haben, nicht wahr Akira?“ Der Angesprochene nickte. „Elf Jahre sind eine ziemlich lange Zeit… Ich bin gespannt, zu sehen wie sehr du dich in dieser Zeit verbessert hast. Bis jetzt hast du in dich meiner Gegenwart ja immer zurückgehalten!“ „Du hast es gemerkt?“ Daisuke lachte verlegen. Akira schmunzelte. „Hätte ich dir sonst zugerufen, du sollst endlich ernst machen?“ Zu dritt verließen wir die Sporthalle, um etwas frische Luft zu schnappen. Draußen angekommen, lehnte sich der Erbe der Elektrizität erschöpft gegen die Außenmauer. „Bin ich fertig… Lange hätte ich nicht mehr durchgehalten. Wenn dieser Kantaro nicht aufgegeben hätte...“ „Da sieht man es mal wieder.“, belehrte Akira ihn, „Wenn du die letzten vier Jahre ordentlich trainiert hättest, wäre es nicht dazu gekommen. Sieht aus als hättest du eine Menge nachzuholen, vor allem was deine Ausdauer betrifft.“ „Was hältst du eigentlich von Yuuki?“, wechselte Daisuke das ihm scheinbar etwas unangenehme Gesprächsthema. Akira hob seine Schultern. „So richtig konnte ich mir noch keinen Eindruck von ihm machen. Er hatte einen so schwachen Gegner, dass ich über seine Stärke nicht besonders viel sagen kann. Außerdem verwirrt mich sein Auftreten. Kann er eigentlich auch ernst sein oder hat er immer so ein blödes Grinsen im Gesicht. Und warum arbeitet er bei einem Pizzaservice? Das ist unter seiner Würde!“ Ich kicherte. „Du scheinst ihn ja nicht besonders zu mögen. Oder bist du noch sauer, weil er dich vorhin einfach abblitzen lassen hat als du ihm vorgeschlagen hast unserem Bündnis beizutreten?“ Der Erbe des Wassers erwiderte nichts, warf mir nur einen wütenden Blick zu. „Inazuma!“ Daisukes Gegner rannte auf uns zu und blieb direkt vor dem Erbe der Elektrizität stehen. „Inazuma, Daisuke!“ Ich hielt erschrocken die Luft an. Es sah nicht gut aus. Dieser Typ hatte herausgefunden, wer Daisuke wirklich war und das konnte nur eins bedeuten: Eine Menge Ärger. Mein Klassenkamerad hob die Augenbrauen und schaute ihn verwundert an. „Meinst du mich?“, fragte er mit gespielt verwunderter Stimme. Kantaro nickte. „Du bist doch Daisuke Inazuma, oder?“ „Also eigentlich“ Der Angesprochene lächelte verlegen. „heiße ich Yamaha, nicht Inazuma.“ Kantaro schüttelte seinen Kopf. „Nein! Du bist es. Definitiv. Du bist das rechtmäßige Oberhaupt der Familie der Elektrizität.“ „Sorry, ich weiß nicht, wovon du redest. Du musst mich mit jemandem verwechseln.“, entgegnete Daisuke mit gequältem Gesichtsausdruck. Man sah ihm regelrecht an, wie schwer es ihm fiel, zu lügen. „Nein, das tue ich nicht!“ Kantaro blieb hartnäckig. „Ich würde dich niemals mit jemandem verwechseln. Erkennst du mich denn nicht?“ Auch Daisuke blieb hart. Er behauptete weiterhin, nicht die gesuchte Person zu sein. „Es tut mir leid, aber ich habe dich noch nie gesehen.“ „Lügner!“, schrie Kantaro, „Wie kannst du es wagen? Ich habe immer zu dir aufgesehen, seit ich dir das erste Mal begegnet bin, nur um festzustellen, dass du wie ein feiges Huhn vor deinen Pflichten davonläufst?!“ Akira schlug mit der Faust gegen die Hauswand. „Wage es nicht, Daisuke noch länger zu beschimpfen.“ Der Erbe der Elektrizität schüttelte schwach seinen Kopf. „Lass es.“, ermahnte er seinen besten Freund, „Kantaro hat doch recht.“ „Das hat er nicht!“ Akira sah seinen besten Freund mit einer Mischung aus Besorgnis und Verwunderung an. „Lass dich von ihm nicht so fertig machen.“ „Was geht dich das an? Ich rede mit Daisuke, nicht mit dir. Du hast hier gar nichts zu melden und ihm schon gar nicht zu sagen, was er tun und lassen soll!“ Kantaros Stimme klang kalt und er funkelte den Erben des Wassers wütend an. „Und überhaupt: Wer bist du eigentlich?“ Ich schluckte. Gleich rastete Akira aus, das wusste ich. Er konnte es absolut nicht leiden, wenn jemand so mit ihm sprach. Und ich sollte Recht behalten. Schon im nächsten Augenblick hatte sein Gesicht zornige Züge angenommen. „Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn du deine Wut grundlos an meinem besten Freund auslässt! Du weißt von nichts, kommst hier einfach herspaziert und wirfst ihm diese Anschuldigungen an den Kopf ohne zu wissen, ob sie überhaupt wahr sind. Wenn du nämlich auch nur einen Augenblick darüber nachgedacht hättest, wüsstest du, dass Daisuke nicht vor seinen Pflichten davonläuft. Im Moment kann er nur nichts unternehmen. Aber in absehbarer Zeit wird sich eine Gelegenheit ergeben und dann kehrt er zurück!“ Eingeschüchtert wich Kantaro zurück. Doch das hinderte ihn nicht daran, Akira zu widersprachen. „Du willst also Daisukes bester Freund sein? Wie kommt es dann, dass ich noch nie etwas von die gehört habe?“ Der Erbe der Elektrizität stellte sich zwischen die beiden. „Weil ich bis jetzt noch keinem von Akira erzählt habe. Mein Vater hatte mir den Kontakt verboten und wir haben und heimlich getroffen.“ Sein Blick wurde Ernst. „Darf ich vorstellen:“ Er deutete auf seinen Gegner im letzten Kampf. „Kantaro Inazuma, ein entfernter Cousin von mir, und Akira Mizu, mein bester Freund.“ Er wies auf den Erben des Wassers. Kantaros Gesichtszüge froren ein. „S- sagtest du gerade ‚Mizu’?“, fragte er mit unsicher klingender Stimme. Daisuke nickte. „So heißt er…“ „A- aber das würde ja heißen, er- Er ist der Thronfolger der Familie des Wassers.“ „Ja, das ist er.“, antwortete Daisuke, „Das ist auch der Grund, warum ich es verschwiegen habe.“ Ein Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. „Ich wäre dir dankbar, wenn du keinem erzählen würdest, dass ich noch lebe. Wir haben einen Plan, wie wir das Gleichgewicht in Nakuni wieder herstellen können. Aber für die Umsetzung ist es notwendig, dass sie mich für tot halten. Ich will, dass mein Onkel sich in Sicherheit glaubt. Nur so können wir ihn in einem Moment der Unachtsamkeit angreifen.“ Auch Kantaro lächelte. „Ist das ein Befehl?“ „Wenn es dir hilft, dich daran zu halten, kannst du es gern so betrachten.“ Daisuke klopfte ihm auf die Schulter, bevor er zurück zur Halle lief. Nach einigen Metern blieb er stehen. „Ren, Akira, es geht gleich weiter!“ Der Erbe des Wassers warf mir einen verwunderten Blick zu, den ich erwiderte, bevor ich ihn an seinem von Schützern bedeckten Handgelenk packte und hinter mir herzog. „Du willst doch nicht etwa den Kampf zwischen Saya und Yuuki verpassen, oder?“ Als wir die Halle wieder betraten, diskutierte Yuuki gerade mit einem der Veranstalter. Ich konnte einige Worte aufschnappen. „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst!“, rief er, „Sie können den Kampf doch nicht einfach beginnen lassen, während Saya noch dabei sind, ihren Knöchel extra für ihn zu stabilisieren, und sie anschließend wegen Nichterscheinens verlieren lassen. Das ist unfair!“ „Junger Mann.“, ermahnte der Veranstalter ihn, „So sind die Regeln. Wir können die Zuschauer nicht ewig warten lassen. Es muss weitergehen.“ Ohne wirklich zu wissen, was ich tat, ging ich auf die beiden zu. „Und wenn Sie die Kämpfe tauschen? Wenn Daisuke und Akira zuerst kämpfen? Dann hätte Saya noch ein wenig Zeit und die Ärzte wären vielleicht damit fertig, sie zu behandeln.“ Der Mann schaute in meine Richtung. Für einen Augenblick schien es, als würde er diesen Vorschlag ablehnen, dann legte er seine Stirn in Falten und nickte schlussendlich zustimmend. „Das ließe sich machen, allerding nur, wenn die restlichen Teilnehmer einverstanden sind.“ „Mich stört es nicht.“ Daisuke verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf und schaute seinen besten Freund abwartend an. „Dich etwa?“ „Ich habe kein Problem damit.“, entgegnete Akira und man konnte seinem Gesicht ablesen, dass es ihm sogar ganz gut in den Kram passte, dass die Kämpfe getauscht wurden. „Danke.“, sagte Yuuki und ich wusste, er meinte es auch so. Der Veranstalter nickte und eilte auf die Kampffläche für die längst überfällige Ansage. „Da Saya Aoi Yamamoto noch nicht wieder fit ist, haben wir den zweiten Kampf vorgezogen. Es treten jetzt gegeneinander an Akira Honda und Daisuke Yamaha.“ „Wage es ja nicht, dich zurückzuhalten.“, meinte Daisuke während er seinen Kopfschutz aufsetzte und über die Markierung trat. Akira tat es ihm gleich. „Das gilt auch für dich. Sollte ich bemerken, dass du nicht alles gibst, kannst du etwas erleben.“ Der Veranstalter ging einige Schritte zurück, bis er im Zuschauerbereich stand, bevor er den Kampf eröffnete. „Beginnt!“ Gespannt beobachtete ich, wie Daisuke auf seinen besten Freund zustürmte und mit dem Bambusschwert nach ihm schlug. Akira wehrte den Angriff gekonnt ab und holte zum Gegenschlag aus, den der Erbe der Elektrizität gerade noch blocken konnte. „Was meinst du“, fragte Yuuki, der immer noch neben mir stand, „wer gewinnt.“ „Ganz sicher bin ich mir nicht, aber vom Gefühl her würde ich auf Akira tippen. Daisuke hat in den letzten vier Jahren nicht wirklich viel trainiert und der Kampf von vorhin hat sicher auch seine Spuren hinterlassen. Er hat schon jetzt Schwierigkeiten, Akiras Angriffe abzuwehren und geht häufiger als normal auf Distanz.“, erwiderte ich. Yuuki klatschte in die Hände. „Du bist nicht schlecht. Weißt du, Saya mir erzählt hat, dass ihre Schwester jetzt auch Kendo lernt. Aber du hast nicht am Wettkampf teilgenommen, das hat mich gewundert. Du hast doch nicht wieder aufgehört?“ „Nein.“ Wie als wollte ich meine Antwort unterstreichen schüttelte ich meinen Kopf. „Ich bin nur noch nicht gut genug, um antreten zu könne. Bis jetzt kann ich nur ein paar Grundtechniken und ich würde mich wahrscheinlich bis auf die Haut blamieren.“ „Wer bringt es die bei?“, fragte der Erbe des Feuers weiter, „Das Kendo? Daisuke oder Akira?“ „Im Moment Beide, aber am Anfang war es nur Daisuke. Ich habe ihn darum gebeten, weil ich ihnen nicht im Weg stehen möchte.“ Warum ich einem Fremden so ehrlich antwortete, wusste ich nicht. Vielleicht wusste ich aber auch schon zu diesem Zeitpunkt, dass es in Ordnung war, Yuuki zu vertrauen und er nicht unser Feind war. Ein schwaches Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht als ich zurück zur Kampffläche schaute. Dort stieß Akira seinen besten Freund gerade zu Boden. Sein Bambusschwert stoppte wenige Zentimeter vor Daisukes Kehle.“ „Der zweite Kampf der zweiten Runde ist entschieden. Der Sieger und damit der erste im Finale ist Akira Honda“, rief der Veranstalter, „Kommen wir nun zum ersten Kampf. Es treten gegeneinander an Saya Aoi Yamamoto und Yuuki Minami.“ Der Erbe des Feuers wandte sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren von mir ab und betrat die Kampffläche. Doch von Saya war weit und breit nichts zu sehen. Aufmerksam schaute ich mich um, konnte aber weder sie noch den Arzt, der sie behandelt hatte, entdecken. Hatten sie es nicht rechtzeitig geschafft? War ihre Verletzung doch schlimmer gewesen als angenommen und sie musste ins Krankenhaus gebracht werden. Das schien auch meinen beiden Klassenkameraden aufgefallen zu sein, denn sie warfen ebenfalls suchende Blicke in die Menge während sie in meine Richtung liefen und sich neben mich stellten. Auch der Veranstalter sah sich aufmerksam um. Er hatte gerade seinen Mund geöffnet, um Saya zu disqualifizieren, als sie putzmunter wie immer auf die Kampffläche spazierte. „Sorry, bin ich zu spät?“ „Da bist du ja endlich!“, rief Yuuki erfreut. Der Veranstalter warf ihr einen mahnenden Blick zu, ermahnte sie aber nicht, sondern gab das Zeichen für den Start des Kampfes. „Beginnt.“ Er hatte kaum zu Ende gesprochen, da war meine Schwester schon auf den Erben des Feuers zugesprungen und hatte ihn mit mehreren geschickten Angriffen in die Defensive gezwungen. Doch er war nur einen Schritt zurückgewichen. Das brachte ihm allerdings nicht viel, da Saya ihm keine Zeit zum Gegenangriff ließ. Daisuke pfiff anerkennend. „Da hat jemand aber sehr viel geübt.“ Endlich gelang es Yuuki, zum Gegenschlag auszuholen. Er stieß Saya knapp einen Meter zurück, bevor er auf der Defensive in die Offensive wechselte und sie ziemlich in die Enge drängte. Jedoch wäre Saya nicht Saya wenn sie sich so leicht besiegen ließe. Der Kampf ging noch eine Weile, in der die beiden alles zu geben schienen. Yuuki setzte sogar seine Kräfte ein, woraus ich schlussfolgerte, dass er ohne verlieren würde. Von Sayas verletztem Knöchel bemerkte man so gut wie gar nichts. Achtete man nicht darauf, wie sie ihr Gewicht während des Kampfes verlagerte, fiel einem nicht auf, dass sie ihn so gut wie möglich entlastete. Nach etwas mehr wie einer Viertelstunde hatte sich der Erbe des Feuers endlich behaupten können. Saya war nachdem sie nach hinten gesprungen war, um einem Angriff auszuweichen, schief aufgetreten und das hatte ihrer Knöchelverletzung alles andere als gut getan. Zwar stand sie noch, aber man konnte ihrer Körperhaltung trotz allem ansehen, dass sie schmerzen hatte. Yuuki nutzte die Gelegenheit und schnellte auf sie zu. Mit einem gezielten Schwerthieb beförderte er sie auf den Boden. Der Veranstalter pfiff den Kampf auf. „Wir haben den zweiten Finalisten. Der Gewinner ist Yuu-“ „Moment!“ Er wurde unterbrochen. Der Erbe des Feuers lag ebenfalls auf einer der Matten innerhalb der Markierung und schien auch nicht die Absicht zu haben, in ansehbarere Zeit wieder aufzustehen. „Es steht unentschieden. Saya und ich sind gleichzeitig am Boden aufgekommen. Das bedeutet, wir haben beide verloren.“ „Bis vor einer Sekunde standest du noch.“, entgegnete der Veranstalter trocken, „Verarschen kann ich mich selbst.“ „Wenn ich sage, ich habe verloren, dann habe ich auch verloren, kapiert?“, rief Yuuki zornig. Der Veranstalter wich einen Schritt zurück, bevor er den Ausgang des Kampfes bekanntgab. „Beide Teilnehmer haben zugleich den Boden berührt. Das heißt, sie scheiden beide aus. Damit haben wir in diesem Turnier einen Gewinner. Er heißt Akira Honda!“ Mit dem Gesicht zu einer Faust geballt stapfte der Erbe des Wassers in die Mitte der Kampffläche, um sich den Zuschauern noch einmal kurz zu präsentieren, die klatschten und ihm zujubelten. Doch das hellte seine Miene kein Bisschen auf. „Was hat er denn?“, fragte ich Daisuke nach einigen Sekunden, „Er hat gewonnen. Sollte er sich nicht darüber freuen?“ Mein Klassenkamerad schüttelte schwach seinen Kopf. „Ein kampfloser Sieg ist kein wirklicher Sieg. Du kennst ihn doch. Yuuki hat den Kampf gegen ihm bewusst oder unbewusst verweigert und das hat Akiras Stolz verletzt.“ Kapitel 19: Kleine und größere Wunder ------------------------------------- Es war Dienstag, der Tag nach dem Sportfest, so kurz nach sechs Uhr morgens, wie mir ein Blick auf meine Wanduhr verriet. Ich lag gerade in meinem Bett und döste gemütlich vor mich hin. Es dauerte noch ein paar Minuten bis mein Wecker klingelte und die wollte ich voll ausnutzen. Zwar konnte ich auch jetzt aufstehen und mich für die Schule fertig machen, dann würde ich aber wahrscheinlich Akira über den Weg laufen, der seit letzter Zeit immer öfter bei Daisuke im Gästezimmer übernachtete und darauf hatte ich absolut keine Lust. Auch nach Stunden hatte sich der Erbe des Wassers noch nicht wieder beruhigt. Jedes Mal, wenn jemand auch nur ein ähnliches Thema ansprach, wurde er sofort wütend und verschwand entweder ohne ein weiteres Wort zu verlieren für einige Zeit aus dem Raum oder giftete denjenigen an. Und wer durfte das ganze ausbaten? Genau. Daisuke und ich. Mir ging das auf die Nerven. Klar, es war vielleicht nicht besonders nett von Yuuki, sich absichtlich disqualifizieren zu lassen, aber so schlimm nun auch wieder nicht. Wenn es darauf ankam, hatte er es nicht einmal böse gemeint. So wie ich ihn kennen gelernt hatte, konnte es auch gut sein, dass er nicht so weit gedacht hatte und Saya zuliebe so gehandelt hatte. Ich vernahm, wie jemand die Treppe im Flur hinaufrannte, in die Richtung meines Zimmers. Aus Gewohnheit zog ich mir die Decke über den Kopf und lauschte den Schritten. Sie gingen an meinem Zimmer vorbei, in das Bad, wo ich nur einen Augenblick später den Wasserhahn plätschern hörte. Danach wurde die Badtür mit einem Knall geschlossen und die Schritte stapften wieder zurück, allerdings nicht bis zur Treppe. Vor meiner Tür stoppten sie und wenig später klopfte es an dieser. Ich überlegte, ob ich vortäuschen sollte, noch zu schlafen oder lieber antwortete. Doch nach einer Weile wurde mir diese Entscheidung abgenommen, denn dir Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen und die Person, die davor gestanden hatte, stapfte in mein Zimmer. „Ren, steh auf!“, erklang Daisukes Stimme nur etwa einen Meter von meinem Bett entfernt. Jetzt war es zu spät für eine Antwort, weshalb ich so tat als würde ich noch schlafen und hätte ihn nicht gehört. Ich ließ meine Augen geschlossen und bemühte mich, gleichmäßig zu atmen. Doch Daisuke ließ sich davon nicht beeindrucken. „Ich weiß, dass du wach bist.“, sagte er in einem Ton, der keinen Widerstand duldete. Als ich auch darauf nicht reagierte, entriss er mir meine Decke. „Ren, jetzt sieh endlich zu, dass du aus dem Bett kommst.“ „Lass mich in Ruhe.“, entgegnete ich schlaftrunken, „Und hör auf, mitten in der Nacht solchen Lärm zu machen!“ „Mitten in der Nacht?“, schrie Daisuke, „Wirf mal einen Blick auf die Uhr. Es ist Fünf Uhr Dreiundvierzig.“ „Sag ich doch: Mitten in der Nacht!“ Ich stand auf, holte mir meine Bettdecke zurück und legte mich zurück in das Bett. „Und jetzt lass mich schlafen!“ Daisuke seufzte, bevor er sich auf die Kante meines Bettes setzte. „Bitte, Ren, es ist wichtig. Akira ist verschwunden. Er wollte sich gestern Abend mit seinem Vater treffen uns ist noch nicht wieder zurück.“ Ich setzte mich auf. „Wollte er den danach wieder herkommen?“ „Das hat er gesagt.“ Der Erbe der Elektrizität starrte geknickt auf den Boden. Man sah ihm an, dass er sich um seinen besten Freund sorgte. „Jetzt mach dich nicht so fertig. Du weißt ja noch nicht einmal, ob ihm überhaupt etwas passiert ist. Vielleicht ist ihm auch etwas dazwischengekommen oder er hat es sich anders überlegt und vergessen, dir Bescheid zu sagen.“ Ich versuchte, ihn zu beruhigen. „Wir warten jetzt erst einmal und schauen, ob er in die Schule kommt. Taucht er da nach der ersten Stunde nicht auf, helfe ich dir, ihn zu suchen.“ Mein Klassenkamerad und guter Freund seufzte. „Wahrscheinlich hast du recht. Ich mache mir einfach zu viele Gedanken. Akira ist kein kleines Kind. Er kann auf sich allein aufpassen.“ Ich nickte, um ihm zu zeigen, dass ich genauso dachte. „Sorry, dass ich dich wegen so was geweckt habe.“, nuschelte Daisuke nach einer Weile und senkte verlegen seinen Blick. „Schin okay.“ Ich warf einen Blick auf die Digitalanzeige meines Weckers, der mir verriet, das es fünf Minuten vor Sechs Uhr früh war, bevor ich diesen ausschaltete. „Ich will zwar nicht unhöflich sein, aber könntest du bitte kurz mein Zimmer verlassen, damit ich mich umziehen kann?“, fragte ich. Sofort sprang der Erbe der Elektrizität auf und stürmte aus dem Zimmer. Ich sah ihm noch hinterher, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ehe ich mich langsam aus meinem Bett erhob und für die Schule fertig machte. Als ich etwa eine Viertelstunde später, ich hatte mir mehr Zeit gelassen wie sonst, die Treppe hinunterlief, hörte ich Stimmen aus dem Zimmer meiner Schwester, die angeregt über irgendetwas diskutierten. „Wie oft soll ich es dir denn noch sagen?“, erklang die von Saya, „Ren und Daisuke sind kein Paar. Mehr als Freundschaft ist da nicht. Außerdem steht sie auf Akira.“ Beinahe hätte ich die Stufen unter meinen Füßen verfehlt und wäre die Treppe hinuntergefallen. Gerade noch so konnte ich mich am Geländer festklammern. Langsam stand ich wieder auf und schlich zu Sayas Zimmertür, in der Hoffnung so herausbekommen zu können, mit wem sie worüber sprach. Es gehörte sich nicht zu lauschen, das wusste ich, doch meine Neugierde wat stärker, weshalb ich mein Ohr an die Tür presste. „Woher willst du das wissen?“, hörte ich Ayaka, unsere Nachbarin und Sayas beste Freundin sagen, „Die zwei seit dem Ende der Winterferien sind ständig zusammen. Er wohnt sogar hier.“ „Mensch Ayaka!“, Saya seufzte, „Jetzt denk doch mal richtig nach. Wenn die zwei wirklich zusammen wären, meinst du nicht, du hättest langsam mal sehen müssen, wie sie irgendwelche Zärtlichkeiten austauchen, rumknutschen zum Beispiel. Außerdem ist Daisuke nicht der einzige, der für unbestimmte Zeit hier eingezogen ist. Akira geht abends auch immer seltener.“ „Trotzdem…“ Ayaka klang nicht so, als würde sie meiner Schwester glauben. „Geh endlich zu Daisuke und sag ihm, dass du ihn magst.“, verlangte Saya mit Nachdruck, „Oder willst du ihn noch ewig aus der Ferne anhimmeln? Bei Yuuki uns mir hat es doch auch geklappt.“ „Er hat es dir auch zuerst gesagt. Ich will das nicht. Wenn er davon erfährt, hasst er mich.“, verteidigte sich Ayaka „Jetzt übertreibst du aber!“, rief meine Schwester, „Komm mal wieder runter! Das ist doch lächerlich. Wieso sollte er das tun? Selbst wenn er deine Gefühle nicht erwidert, wird er dich doch nicht gleich dafür hassen!“ Ein schwaches Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht, als ich mich langsam von der Tür entfernte und in die Treppe hinunterlief. Besser ich mischte mich nicht in Ayakas Liebesleben ein, zumindest nicht, bevor ich nicht wusste, was Daisuke für sie empfand. Als ich die Küchetür öffnete, kam mir sofort der leckere Duft von frisch gebackenen Brötchen und Rührei dagegen. Ein paar Mal schnupperte ich, bevor ich sie betrat. „Morgen.“, begrüßte mich Daisuke, der sich wie man unschwer erkennen konnte für seine Aktion eben entschuldigen wollte und als Wiedergutmachung das Frühstück zubereitete. Grinsend half ich ihm, den Tisch für vier Personen zu decken. „Morgen.“ Auf seinen fragenden Blick hin erklärte ich: „Wie es aussieht hat Ayaka bei Saya übernachtet. Die beiden müssten jeden Augenblick runterkommen.“ Der Erbe der Elektrizität nickte, bevor er mit einer Zange die Brötchen aus dem Ofen nahm und in einem für vorgesehenen Körbchen auf den Tisch stellte. Sämtlichen Aufstrich, wie Nutelle, Sayas Lieblingserdbeermarmelade und Honig platzierte er daneben. Nachdem wir fertig waren, lieb ich zügig zurück in den Flur. „Saya, Ayaka, es gibt Frühstück!“, rief ich so laut, dass sie es nicht überhören konnten. Nur eine Sekunde später wurde die Zimmertür meiner jüngeren Schwester aufgerissen und sie stürmte mit ungekämmtem Haar in ihrem drei Nummern zu großen Schlaf-T-Shirt und einer extrem kurzen Hose darunter an mir vorbei in die Küche, wo sie den Frühstückstisch kritisch begutachtete. „Du hast das aber nicht gekocht Ren, oder?“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Das war Daisuke.“ Sie atmete erleichtert aus. „Puh, dann muss ich auch nicht damit rechnen, vergiftet zu werden.“ „Jetzt hör aber mal!“ Beleidigt stemmte ich meine Hände in die Hüften, woraufhin Saya anfing, laut zu lachen und sich auf ihren Platz fallen ließ. Daisuke und ich setzten uns ebenfalls an den Tisch und warteten auf Ayaka. Nach einigen Sekunden schlich sich ein schwaches Grinsen auf Daisukes Gesicht und er deutete auf Sayas Kleidung. „Schickes Nachthemd.“ Meine Schwester erwiderte sein Grinsen. „Gefällt es dir?“ Der Erbe der Elektrizität begutachtete sie gespielt kritisch. „Die Haare hättest du dir ruhig kämmen können!“ In diesem Moment betrat Ayaka die Küche. Im Gegensatz zu meiner Schwester hatte sie sich noch schnell umgezogen. Sie trug einen braun-karierten Winterrock, darunter schwarze Leggins und einen dunkelroten Pullover. Ihr langes, blondes Haar hatte sie nicht wie üblich zu zwei Zöpfen zusammengebunden, sondern es hing ihr über die Schultern. Kam es mir nur so vor, oder hatte sie sich extra für heute herausgeputzt. „Guten Morgen.“, grüßte sie während sie sich zu uns an den Tisch setzte, Daisuke gegenüber. Erst jetzt bemerkte ich, dass er sie wohl die ganze Zeit über angestarrt haben musste, denn er wandte mit leicht gerötetem Gesicht seinen Blick ab. Nur schwer konnte ich mir einen dummen Kommentar unterdrücken, in dem ich ihn fragte, ob er Ayaka zufällig mochte. Für mich sah es jedenfalls so aus. Aber ich konnte mich auch irren, denn bis jetzt war mir noch nie etwas Ungewöhnliches zwischen den beiden aufgefallen. Wahrscheinlich interpretierte ich zu viel in die Situation hinein, wo ich jetzt von Ayakas Gefühlen wusste, und steigerte mich in irgendetwas hinein. Es war relativ unwahrscheinlich, dass sie beide ineinander verliebt waren und bis jetzt noch keiner den ersten Schritt getan hatte. Daisuke war nicht so schüchtern, dass er lange damit wartete. Trotzdem wollte ich die Sache nicht ignorieren und beschloss, ihn auf dem Schulweg etwas auszufragen und nur wenn er wirklich nichts für sie empfand, würde ich die Sache belassen wie sie war. Ich angelte mir eines der frisch gebackenen Brötchen, schnitt es auf und strich eine dünne Schicht Nutella darauf. Während ich darauf wartete, dass diese zerlief, bediente ich mich am Rührei und goss mir ein Glas Milch ein. Dann biss ich genüsslich in das Brötchen. „Sag mal, Yuuki arbeitet doch beim Pizzaboten.“, wandte sich Daisuke an meine Schwester, „Kennst du zufällig seine Arbeitszeiten?“ „Meistens fängt er so gegen hals Fünf an und hört zwischen um Neun und halb Zehn auf.“, antwortete Saya. Daisuke schmunzelte über ihre ehrliche Antwort. „Hat es eigentlich einen bestimmten Grund, dass er ausgerechnet da arbeitet? Isst er gerne Pizza? Hat er eine Lieblingssorte.“ „Weiß nicht.“ Saya nahm sich ihr zweites Brötchen. „Kann schon sein. Meistens isst er Salami ohne Pilze oder Tunfisch. Hawaii hat er aber auch ab und zu.“ Etwas verwundert beobachtete ich die zwei. Mir fiel kein rechter Grund ein, weswegen Daisuke so etwas fragen sollte. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es besser wäre, ihn nicht danach zu fragen, also schwieg ich und frühstückte zu ende. Eine knappe halbe Stunde liefen wir zu viert zur Bushaltestelle und trennten uns erst dort, da Saya und Ayaka in die entgegengesetzte Richtung fahren mussten. Wir standen etwa drei bis vier Minuten auf den gegenüberliegenden Straßenseiten und warteten auf unsere Busse. Der von Saya und Ayaka traf zuerst ein, aber das war nicht weiter wunderlich, denn laut Busfahrplan fuhr er fünf Minuten vor unserem. Erst als das Linienfahrzeug um die Kurve gefahren war und ich es nicht mehr sehen konnte, wandte ich mich an Daisuke. „Kann es sein, dass du Ayaka magst?“, fragte ich mit gespielt unschuldiger Stimme. Der Erbe der Elektrizität verlor das Gleichgewicht. Durch wildes mit den Armen herumfuchteln konnte er gerade noch einen Zusammenstoß mit dem Boden verhindern. Seine Augen weiteten sich und er starrte mich geschockt an. „Wie kommst du darauf?“ „Keine Ahnung.“, kicherte ich belustigt über seine Reaktion, „Ich fand es nur merkwürdig, dass du sie so lange angestarrt hast und da hab ich aus reiner Neugier nachgefragt.“ „Erschrick mich nicht so!“ Neben mir seufzte Daisuke erleichtert, schaute mich aber gleichzeitig mahnend an. Ich erwiderte seinen Blick, allerdings etwas verwirrt. „Woher soll ich bitteschön wissen, dass du beinahe einen Herzinfarkt bekommst, wenn ich dich so etwas frage.“ Daisuke murmelte etwas, was ich aber aufgrund des Geräuschen, das der heranfahrende Bus verursachte, nicht hören konnte. Aber seinem Gesicht nach zu urteilen, konnte es nichts nettes gewesen sein, denn er starrte mich grimmig an, ehe er den Bus betrat und dem Fahrer seine Schülerbusfahrkarte zeigte. Ich tat es ihm gleich, ließ mich aber nicht davon abschrecken, dass er mir plötzlich die kalte Schulter zeigte. „Jetzt sag schon.“, quengelte ich. Der Erbe der Elektrizität sah sich im Bus um, wahrscheinlich suchte er nach Akira. Als er Erben des Wassers jedoch nicht finden konnte, ließ er sich auf den freien Platz vor Isamu und Naoki fallen. Ich folgte ihm, da das mein Stammplatz war. „Es geschehen tatsächlich noch Wunder.“, grüßte mich Isamu mit seinem üblichen Grinsen, während sein Sitznachbar und bester Freund seelenruhig weiterschlief. Beleidigt darüber, dass er wie jedes Mal auf meine Unpünktlichkeit anspielte, schnitt ich eine Grimasse. „Ich wünsche dir auch einen schönen guten Morgen!“ Obwohl, jetzt, wo ich genauer darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich bis jetzt noch kein einziges Mal zu spät gekommen war. Bis jetzt war ich immer gerade noch pünktlich gewesen. Dann geschah etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich sogar, mich verhört zu haben. Isamu wandte sich von mir ab und schaute zu Daisuke. „Morgen.“ Man konnte dem Erben der Elektrizität ansehen, dass er einen Moment lang an sich zweifelte. Doch dann bildete sich auf seinem Gesicht ein schwaches Lächeln und er erwiderte die Begrüßung. „Morgen.“ Doch es sollte nicht bei der morgendlichen Begrüßung bleiben. Wenig später versuchte Isamu tatsächlich, ein Gespräch mit uns zu beginnen. „Was ist mit euch beiden los?“, fragte er, „Habt ihr euch gestritten?“ Ich schüttelte meinen Kopf, bejahte aber gleichzeitig die Frage. „Daisuke will mir nicht sagen, ob er Ayaka mag.“ Isamu hob die Brauen und machte einen nachdenklichen Eindruck. „Ayaka… Wer war das gleich noch mal?“ Da fiel es ihm wieder ein. „Das ist doch die süße Blonde, die ständig mit deiner Schwester rumhängt.“ „Genau die.“, antwortete ich. Auf Isamus Gesicht schlich sich ein fieses Grinsen. „Und Daisuke ist in sie verknallt?“ Ich hob meine Schultern. „Keine Ahnung. Er sagt es mir nicht.“ „Würdet ihr zwei bitte damit aufhören, hinter meinem Rücken über mich zu lästern, so lange ich es noch hören kann?“, mischte sich der Erbe der Elektrizität in unsere Diskussion ein. „Klar, sobald du meine Frage beantwortet hast.“ Ich verschränkte meine Arme vor der Brust. „Jetzt ist sie eingeschnappt!“, stichelte Isamu. Daisuke seufzte, ehe sein Gesicht einen leicht rötlichen Farbton annahm und er aus dem Fenster schaute. „Schon gut, ihr habt gewonnen! Ich mag sie. Zufrieden?“ Isamu klopfte ihm lobend auf die Schulter. „Na bitte, es geht doch.“ „Würdet ihr bitte aufhören, euch über mich lustig zu machen?“ Daisukes Gesicht wurde noch einen Hauch roter. „Reicht es euch nicht schon, dass sie mir ständig aus dem Weg geht?“ „Wer geht dir aus dem Weg?“, fragte ich verwundert über den seltsamen Themenwechsel. „Wer wohl?“ Isamu blickte mich mit einer Mischung aus Verwunderung und Unglauben an. Auch Daisuke schaute wieder in meine Richtung. „Ayaka.“, erklärte er. „Ach so.“ Warum war mir das nicht gleich aufgefallen? Sonst war ich doch auch nicht so schwer von Begriff. „Meinst du nicht, du solltest es ihr sagen?“, warf Isamu ein und für einen Augenblick hatte ich sogar das Gefühl, dass er das tat, um mir aus dieser misslichen Lage zu helfen. Der Erbe der Elektrizität schüttelte schwach seinen Kopf. „Dann geht sie mir nur noch mehr aus dem Weg.“ „Glaubst du das wirklich?“, fragte ich leise. „Ich weiß es nicht.“ Daisukes Antwort war nicht lauter. Bemüht, nicht mehr als unbedingt nötig zu verraten, zwinkerte ich ihm zu. „Vielleicht mag sie dich ja auch. Aber wenn du ihr nicht sagst, was du für sie fühlst, wirst du es nie erfahren.“ „Ren Yamamoto, die Spezialistin für Liebesprobleme.“ Als Isamu diese Worte aussprach, reichte sein Grinsen fast von einem Ohr bis zum anderen. „Hast du denn schon genügend Erfahrungen, um darüber sprechen zu können. Wenn ich mich richtig erinnere, warst du bis jetzt erst ein Mal verliebt und hast einen Korb bekommen.“ Am liebsten hätte ich ihn für diese Worte geohrfeigt, doch ich zwang mich, ruhig zu bleiben. „Das hat nichts hiermit zu tun?“, rief ich. „Natürlich.“, widersprach mir der Widerstandskämpfer mit ernsthafter Stimme, „In beiden Fällen geht es darum, dass eine Person einer anderen nicht sagen will, dass er sie liebt.“ Zuerst verwirrten mich die vielen Gemeinsamkeiten, doch schnell verdrehte ich meine Augen. „Und ob da ein Unterschied ist: Kaito ist ein Arschloch. Aber Ayaka dagegen ist ein liebes, nettes, verständnisvolles Mädchen.“ „Okay… Du hast ja recht… Punkt für dich.“ Isamu grinste noch immer. „Moment mal!“ Daisuke starrte mich aus geweiteten Augen heraus erschrocken an. „Du warst mal in Kaito verliebt?“ Es jetzt zu leugnen machte keinen Sinn mehr, weshalb ich einfach nickte. „Er war mal mein bester Freund, jedenfalls bis er mich vor reichlich zwei Jahren deswegen einfach sitzen lassen hat. Seitdem habe ich ihn nur noch wenige Male getroffen.“ „Ach so.“ Es schien als gab sich der Erbe der Elektrizität damit zufrieden. „Wo habt ihr eigentlich den anderen gelassen?“, erkundigte sich Isamu nach einigen Sekunden des Schweigens, „Warum ist Akira nicht bei euch?“ „Er hat sich gestern Abend mit seinem Vater getroffen und ist wie es aussieht noch nicht wieder zurück.“, antwortete ich. Neben mir nickte Daisuke bestätigend. „Und das obwohl er mir gestern hoch und heilig versichert hat, dass er noch am gleichen Tag wieder zurückkommt. Wenn er heute nicht in die Schule kommt, gehen wir ihn suchen.“ „Ich kann euch da leider auch nicht weiterhelfen.“ Isamu schien mit sich zu ringen, ob er weitersprechen sollte oder nicht, entschied sich dann aber dafür. „Solltet ihr allerdings Hilfe brauchen, sagt mir einfach bescheid. Zu dritt sucht es sich leichter. Vielleicht hilft ja auch Naoki.“ Dankbar blickte ich ihn an. „Wir werden darauf zurückkommen. Aber wir sollten deswegen keine solche Panik machen. Vielleicht ist es ja wirklich nichts. Es kann gut sein, dass er bei seinen Eltern übernachtet hat. Am Ende sitzt er noch in der Schule und macht sich über uns lustig, weil wir so einen Zirkus veranstalten. Oder er hat einfach nur vergessen, anzurufen, dass es länger dauert.“ „Das würde Akira nie tun und außerdem vergisst er sonst nie etwas.“, flüsterte Daisuke und etwas sagte mir, er hatte recht… Kapitel 20: Fieber ------------------ Als wir das Schulgelände erreichten, bot sich uns ein merkwürdiges Bild. Auf dem Lehrerparkplatz befand ein schwarzer Luxuswagen, der mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht hier her gehörte. Vor dem Fahrzeug standen Akira und dessen Vater. „Siehst du?“, flüsterte ich leise zu Daisuke, „Du has überreagiert. Ihm geht es gut.“ Mein Klassenkamerad reagierte nicht darauf, sondern starrte seinen besten Freund an. „Lass mich endlich damit in Ruhe!“, schrie Akira in diesen Augenblick! Sein Vater schüttelte den Kopf. „Wenn ich sage, du wirst ihn nie wieder sehen, dann hast du dich gefälligst auch daran zu halten und mir nicht zu widersprechen!“, erwiderte er in gleicher Lautstärke. Akira ballte seine Hände zu Fäusten. „Daisuke ist mein bester Freund. Ich denke nicht einmal im Traum daran, ihn aufzugeben! Nicht jetzt, wo ich ihn endlich wiederhabe!“ Ich zuckte zusammen. So wütend hatte ich den Erben des Wassers noch nie gehört. Es schien ihn wirklich sehr mitzunehmen. „Was hast du gerade gesagt?!“ Jetzt tobte Akiras Vater. „Du wirst jetzt sofort in die Schule gehen und dich abmelden! Hast du mich verstanden?!“ Er griff nach der Schulter seines Sohnes und zerrte ihn eher unsanft einige Schritte in Richtung Schuleingang. „Das werde ich nicht!“ Akira riss sich los. „Ich werde nicht mit euch wieder zurückgehen! Ich bleibe hier, bei meinen Freunden!“ Der Kaiser des Wassers holte aus und war gerade dabei, seinen Sohn für diese Worte zu schlagen, als es Daisuke zu viel wurde und er eingriff. „Hören Sie sofort damit auf!“, rief er uns stellte sich zwischen die beiden. Die Hand von Akiras Vater stoppte und er starrte den Erben der Elektrizität zornentbrannt an. „Misch dich nicht in Angelegenheiten ein, die dich nichts angehen!“ „Es geht mich sehr wohl etwas an.“, widersprach Daisuke, „Wenn mein bester Freund gegen seinen Willen gezwungen wird, einfach zu gehen.“ „Daisuke hat recht.“ Ist stimmte meinem Klassenkameraden zu, während ich auf ihn zuging. „Meinen Sie nicht, Akira ist inzwischen alt genug, um allein auf sich aufpassen zu können? Sie brauchen nicht alle Entscheidungen für ihn zu treffen. Er kann selbst denken.“ Das Gesicht des Mannes nahm einen noch zornigeren Ausdruck an und in seinen Augen stand der blanke Hass. „Was bildest du dir eigentlich ein?“ Wissend, dass Daisuke schon sagen würde, wenn ich zu weit ging, hob ich meine Schultern. „Keine Ahnung. Ich dachte, ich weise Sie netterweise darauf hin, dass Ihr Sohn in der Lage ist, selbstständig zu denken. Ihnen scheint das ja noch nicht aufgefallen zu sein…“ Akiras Vater klappte der Mund auf. Doch entgegen allen Erwartungen konterte er meine Anspielung nicht mit einer Drohung. „Du- Wenn ich- Was bildest du-“ „Da hat Ren es Ihnen aber gezeigt.“ Breit grinsend stellte Isamu sich neben mich und Naoki tat es ihm gleich. „Was mischt ihr euch da ein?“, brüllte der Kaiser des Wassers, „Wisst ihr überhaupt worum es geht?“ Isamus Grinsen wurde breiter und er schaute den Mann siegessicher an. „Ja. Sie haben vor, einen Freund unseres Bosses“, er zeigte auf mich, „zu verschleppen. Und es ist auch nicht so, dass es uns nichts angeht.“ Naoki nickte zustimmend. „Wissen Sie, uns von der Widerstandsbewegung liegt nicht besonders viel an den Kaisern und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, wir wünschten nicht ihren Tod. Allerdings zwingen uns die Umstände im Moment, diese Feindschaft zu ignorieren und uns für eine begrenzte Zeit nicht zu bekämpfen.“ Zuerst zeigte sich in dem Gesicht des Mannes keine Reaktion, dann schlug er wütend gegen sein Auto, ehe er sich wieder an seinen Sohn wandte. „Mach doch was du willst! Aber wage es ja nicht, noch einmal zurückzukommen oder dich in meinem Haus blicken zu lassen!“ Mit diesen Worten stieg er in den Luxuswagen, startete ihn und fuhr vom Parkplatz, ohne noch einmal zurückzusehen. Akira senkte seinen Blick und starrte auf den Boden. Es schien fast, als versuchte er damit, seine Emotionen zu verbergen. Aber recht gut gelang es ihm nicht. Daisukes Gesicht hatte einen gequälten Ausdruck, aber trotzdem zwang er sich zu einem Lächeln als er seinem besten Freund Trost spendend die Hand auf die Schulter legte. „Danke.“, flüsterte der Erbe des Wassers auf diese kleine Geste hin und zum ersten Mal konnte ich keine Arroganz in seiner Stimme hören. Er klang einfach nur noch traurig und verletzt. Ein gequältes Lächeln erschien auf seinem Gesicht während er weiterhin auf den Boden starrte. Mit jeder Sekunde, in der Akira sich nicht aufführte, wie ein verzogenes Gör, begann das Bild, was ich bis jetzt von ihm gehabt hatte, zu schwanken. Ich erkannte ihn kaum wieder. Es war fast, als hätte man ihn ausgetauscht. Neben mir entfernten sich Naoki und Isamu langsam von uns und liefen in die Richtung des Schulgebäudes, welches sie wenig später betraten. Ich sah ihnen hinterher. Eigentlich hätten wie jetzt eine Stunde Mathe gehabt, aber da sich der Lehrer heute auf einer Weiterbildung war, hatte die Schulleitung sich dazu entschieden, dass wir als Ersatz eine Stunde Deutsch machen sollten. Wirklich dankbar war ihnen dafür keiner, denn anschließend folgten zwei weitere Unterrichtsstunden dieses Faches. „Komm.“, flüsterte Daisuke nach einer Weile zu seinem besten Freund, „Gehen wir rein. Der Unterricht fängt gleich an.“ Der Erbe des Wassers nickte. „Das wäre vielleicht besser.“ Wortlos folgte ich den beiden ins Klassenzimmer, hielt aber etwas Abstand, da es Akira sicher nicht angenehm war, zu viele Leute um sich herum zu haben. Vielleicht hatte ich auch einfach Angst und näherte mich ihm deswegen nicht. Wenn ich ehrlich war, wusste ich so gut wie gar nichts über ihn. Bis vor kurzem hatte ich ja noch nicht einmal gewusst, dass Akiras richtiger Nachname nicht Honda war, sondern Mizu. Das hatte mir Daisuke erzählt. Ich setzte mich auf meinen Platz und packte die Unterrichtsmaterialien aus meiner Schultasche. Da ich das Buch wie immer zu Hause gelassen hatte, es war mir einfach zu dick und zu schwer, um es mit mir herumzuschleppen, bestanden diese nur aus Hefter, Hausaufgabenheft und Federkästchen. Obwohl ich auf das Hausaufgabenheft auch gut verzichten konnte, ich benutzte es ja eh nie und die Hausaufgaben schrieb ich immer früh vor dem Unterricht ab, was ich jetzt auch schleunigst tun sollte. „Isamu?“, fragte ich und sah meinen Klassenkameraden mit Hundeaugen an. „Hatten wir Hausaufgaben auf? Darf ich sie von dir abschreiben?“ Der Angesprochene zog seufzend einige Hefter aus dem Ranzen und hielt sie mir vor die Nase. „Beeil dich aber. Wenn der Lehrer reinkommt, will ich sie wiederhaben.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Schnell blätterte ich in den Heftern auf die richtigen Seiten auf und begann, alles abzuschreiben. Auf mein Schriftbild achtete ich nicht wirklich, dazu hatte ich keine Zeit. Aber jetzt mal Ehrlich, wer achtete schon an einem Dienstag Morgen darauf, dass er ordentlich schrieb? Zu meiner Überraschung hatten wir in allen Fächern nur kehr kleine Haisaufgaben auf gehabt, die sich in wenigen Stichpunkten und Sätzen erledigen ließen. So schaffte ich es, dass ich zum Stundenklingeln gerade das letzte Wort zu Ende schrieb. Grinsend reichte ich Isamu seine Hefter zurück. „Danke. Dafür hast du was gut bei mir.“ „Ich komme bei Gelegenheit darauf zurück.“, antwortete er mir. Unsere Deutschlehrerin betrat das Zimmer. Wie immer hatte sie ihr Blondes Haar streng nach hinten gebunden und trug farblich überhaupt nicht zusammenpassende Klamotten. Heute hatte sie sich für einen dunkelgrüne Jeans und eine blau-gelb karierte Bluse entschieden. Das ganze wäre noch halbwegs erträglich gewesen, wäre da nicht die Kette aus den großen rosa Perlen um ihren Hals und die hellgrüne Strickjacke, die sie mit offen gelassenem Reißverschluss über der Bluse trug. „Wenn sie noch einen pinken Hut aufsetzt, wird jeder Zirkus sie mit offenen Armen empfangen…“, murmelte Isamu, dem das äußere Erscheinungsbild unserer Lehrerin offensichtlich auch zuwider war. Ich kicherte. „Oder sie würden kreischend wegrennen, weil selbst sie nicht so viele Farben auf einmal vertragen.“ Mit einem Räuspern machte sie Lehrerin darauf aufmerksam, dass sie den Unterricht gern beginnen würde, woraufhin wir uns schwerfällig von unseren Plätzen erhoben. Nach der üblichen Begrüßung ließen wir und wieder auf unsere Plätze fallen. Danach ging es weiter mit der Kontrolle der Hausaufgaben, die dank Isamu jetzt auch in meinem Hefter standen. Die Lehrerin lief durch das Klassenzimmer und überprüfte, ob jeder sie gemacht hatte. Na ja, eigentlich schaute sie nur, ob die Schüler etwas im Hefter stehen hatten. Was es war, war erst mal zweitrangig. „Da wir heute drei Stunde miteinander haben, habe ich mir gedacht, wir lockern das Ganze durch eine Gruppenarbeit etwas auf.“, meinte sie, als sie fertig war, „Findet euch jeweils zu Gruppen mit vier oder fünf Personen zusammen.“ Isamu rüttelte Naoki, der wie immer schlief, wach und drehte sich zu mir um. „Wen nehmen wir noch mit rein?“ „Keine Ahnung.“ Ich hob meine Schultern. „Vielleicht Daisuke und Akira?“ „Okay.“ Mein Klassenkamerad winkte die beiden zu sich. Wir hatten gerade zwei Tische zusammengeschoben und uns gesetzt, als die Lehrerin auch schon die Aufgabenstellungen austeilte. „Jede Gruppe bekommt eine andere Szene aus Romeo und Julia. Ihr werdet sie umschreiben und morgen den anderen vorspielen. Wenn ihr wollt, dürft ihr euch auch verkleiden.“ Sie teilte die Blätter aus, die die jeweiligen Szenen enthielten. Ich warf einen Blick auf unsere und schnitt eine Grimasse. „Hat irgendwer besondere Wünsche, wen er spielen möchte?“ „Hier!“, rief Isamu und deutete auf Akira, „Er möchte unbedingt eine weibliche Rolle spielen.“ Daisuke lachte. „Die langen Haare dafür hat er ja…“ Naoki schaute und schlaftrunken an. „Habe ich irgendetwas verpasst?“ „Nein, hast du nicht.“, antwortete Akira, bevor die anderen überhaupt die Chance hatten, etwas zu sagen, und warf ihnen vernichtende Blicke zu. Isamu verschränkte grinsend seine Arme hinter dem Kopf. „Jetzt stell dich mal nicht so an. Das war doch nur Spaß.“ „Ihr seid ja nicht mehr zum aushalten.“, seufzte ich und griff mir an die Stirn, „könnt ihr euch auch mal nicht streiten?“ „Nimm die beiden nicht so ernst. Du weißt doch, wie sie sind.“, redete Daisuke auf mich ein. Ich reichte den anderen die Geschichte, die ich in der Zwischenzeit kurz überflogen hatte. „Sagt euch ‚Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral’ etwas?“ Es folgte ein synchrones Kopfschütteln. Isamu griff nach dem Zettel und las ihn durch. „Schade.“, meinte er nach einer Weile, „Es gibt keine Frauenrolle für Akira.“ Dafür fing er sich den nächsten wütenden Blick vom Erben des Wassers, was ihn aber nicht weiter zu stören schien. „Können wir jetzt anfangen?“, fragte Daisuke, der einen amüsierten Blick auf Naoki warf, der schon wieder eingeschlafen war. Er hatte seine Arme auf dem Tisch liegen und den Kopf darauf platziert. Unsere Deutschlehrerin ging durch die Reihen, um zu überprüfen, ob wir auch arbeiteten. Kaum näherte sie sich unserem Tisch, taten Isamu und Daisuke sofort so, als würden sie angestrengt über das Schriftstück diskutieren. Die Lehrerin nahm das mit einem Lächeln zur Kenntnis und ging weiter, allerdings nicht, ohne Naoki vorher noch einmal enttäuscht anzusehen. „Was machen wir eigentlich mit Dornröschen?“ Daisuke hatte sich dazu durchringen können, seine Gedanken laut auszusprechen. Ich kicherte und meine Klassenkameraden lachten. Danach begannen wir mit der Ausarbeitung unseres Stückes, in dem Naoki die Hauptrolle bekam, da er perfekt in diese passte. Er musste ja nur faul rumliegen und tun als würde ihn nichts interessieren, also einfach er selbst sein. Nur einschlafen durfte er nicht. Nachdem wir uns von der Lehrerin die Erlaubnis geholt hatten, gingen wir in ein anderes Zimmer und begannen, unser Stück zu proben. Gerade spielten Akira, Isamu und Naoki, als der Erbe des Wassers auf einmal beachtlich schwankte und sich an der Wand abstützte. „Akira!“, rief Daisuke den Namen seines besten Freundes besorgt und rannte auf ihn zu. Da war der Erbe des Wassers auch schon zusammengebrochen. „Akira!“ Jetzt waren auch die anderen besorgt. Sogar Naoki erwachte aus seinem Schlaf und begutachtete den jetzt am Boden liegenden Sohn des Kaisers des Wassers. Daisuke kniete sich neben seinem besten Freund auf den Boden und rief dessen Namen. Als Akira darauf nicht reagierte, drehte er ihn auf den Rücken, nur um ihm kurz darauf die Hand auf die Stirn zu halten. „Scheiße, er glüht ja richtig.“ Isamu überprüfte kurz die Aussage des Erbens der Elektrizität, ehe er aus mit einem „Ich sag der Lehrerin bescheid. Sie muss den Notarzt rufen!“ aus dem Zimmer stürmte. Naoki sah ihm hinterher, sagte aber nichts und machte auch keine Anstalten, ihm zu folgen. Ich ging langsam auf Daisuke zu, ehe ich mich neben ihm hinkniete. Auch wenn ich es mir nicht unbedingt anmerken ließ, machte ich mir Sorgen um den am Boden liegenden Idioten. Wenn ich die Situation richtig verstand, dann hatte Akira hohes Fieber und war wahrscheinlich deswegen zusammengebrochen. Unklar war mir allerdings, wieso er nichts davon gesagt hatte. In diesem Augenblick öffnete der Erbe des Wassers seine Augen. Er blinzelte ein paar Mal, bevor er sich verwirrt umsah. „Akira…“ Daisuke atmete erleichtert aus. Der Angesprochene versuchte, sich aufzusetzen, schaffte es aber nicht, weswegen er sich nach einigen Versuchen wieder zurücklehnte. „Was ist passiert?“, fragte er. „Du bist zusammengebrochen.“, erklärte ich ihm. Hinter mir nickte Naoki zustimmend. Ich hatte keine Ahnung, wie er da hingekommen war, aber es interessierte mich auch nicht wirklich. Wichtig war, dass es Akira wieder etwas besser zu gehen schien. Daisuke schaute ihn streng an. „Du hast mir vielleicht einen Schreck eingejagt. Wenn es dir nicht gut geht, dann mach gefälligst den Mund auf und teil es den anderen mit!“ Unsere Deutschlehrerin betrat gemeinsam mit Isamu das Zimmer. Ihr folgte ein Mann in einem leuchtend orangen Anzug, von dem ich annahm, dass er der Notarzt war. Schnell stand ich auf, um ihn an Akira heranzulassen. Daisuke tat es mir gleich, beobachtete seinen besten Freund aber weiterhin besorgt. Der Notarzt ging zügig auf seinen Patienten zu und begann, ihn zu suchen. „Das sieht nicht gut aus.“, sagte er nach einer Weile, „Der Junge hat über vierzig Grad Fieber. Er muss sofort ins Krankenhaus!“ Daisuke, Isamu, Naoki und ich wurden aus dem Zimmer geworfen, weswegen wir zurück zum Rest der Klasse gingen. Während wir den Korridor entlangliefen, sahen wir, wie Akira in einen Krankenwagen transportiert wurde. „Das war echt heftig.“, sagte Naoki erstaunlich ernst, woraufhin wir ihn verwundert ansahen. Gewöhnlich sprach er nicht viel und erst recht nicht so offen. Isamu nickte. „Das kannst du laut sagen. Hoffentlich ist er okay.“ Naoki schaute seinen besten Freund etwas erbost an. „Sag jetzt nicht, dass du dir Sorgen um einen Sohn der Kaiser machst. Auch wenn wir im Moment zusammenarbeiten, weil uns die Umstände dazu gezwungen haben, sind wir noch immer Feinde. Vergiss das nicht!“ „Schon klar.“ Isamu hob abwehrend die Arme. „Aber meinst du nicht auch, dass sich das in Zukunft ändern könnte? Ich meine, was geschehen ist, ist geschehen. Es ist keine Lüge, zu sagen, dass wir in der Vergangenheit nicht besonders gut mit ihnen ausgekommen sind, aber vielleicht ändern sich die Dinge ja.“ „Worauf willst du hinaus?“, hakte Naoki nach. Isamu blieb stehen und lehnte sich gegen die Wand, weswegen wir gezwungenermaßen auch anhielten. Er ließ seine Hände in den Hodentaschen verschwinden, als er mit ernster Miene antwortete: „Obwohl Daisuke einer der Kaiser ist, habe ich kein Problem damit. Vielleicht liegt es daran, dass er noch nicht den Platz seines Onkels eingenommen hat. Aber selbst wenn er das tun, was in absehbarer Zeit der Fall sein wird, glaube ich, dass wir weiterhin miteinander auskommen können. Mit Akira sehe ich die Sache ähnlich.“ Naoki seufzte. „Du bist also dafür, dass wir nach dem Ablaufen des Bündnisses nicht wieder gegen die Kaiser kämpfen? Bist du übergeschnappt? Du weißt, dass das nicht geht. Wer soll die Kaiser in ihre Schranken weisen, wenn wir es nicht tun?“ „So habe ich das auch gar nicht gemeint!“, rief Isamu, „Ich weiß, dass sich an unserer Feindschaft zu den Kaisern nichts ändern wird. Ich dachte nur, wir könnten vielleicht bei Daisuke und Akira eine kleine Ausnahme machen. Du weißt schon… So lange sie ihr Land ordentlich führen und die Bevölkerung nicht tyrannisieren und so lassen wir sie in Ruhe.“ „Ich werde darüber nachdenken.“, entgegnete Naoki, bevor er sich von uns abwandte und zurück ins Deutschzimmer ging. Daisuke und ich sahen ihm verwundert hinterher, bevor sich der Erbe der Elektrizität an ihn wandte. „Hast du das eben ernst gemeint?“, fragte er ungläubig. „Ja, habe ich.“, antwortete Isamu. Auf Daisukes Gesicht bildete sich ein schwaches Lächeln. „Sollte es dazu kommen… Solltet ihr die Angriffe auf das Reich der Elektrizität und das Reich des Wassers einstellen, dann seit ihr herzlich bei mir willkommen. Ihr dürft das Land dann betreten und verlassen, wann ihr wollt, ohne in irgendwelche Konflikte zu geraden.“ „Wenn du noch eine kostenlose Übernachtung im Palast drauflegst, sorge ich dafür, dass Naoki euch den Friedensvertrag persönlich unterschreibt.“, scherzte Isamu. Daisuke lachte. „Kein Problem.“ „Da das jetzt geklärt ist.“, unterbrach ich die beiden, „Könne wir zurück ins Zimmer gehen? Nicht, dass wir noch vermisst werden.“ Wir gingen zurück ins Zimmer und setzten uns auf unsere Plätze. Einige unserer Mitschüler warfen uns verwunderte oder neugierige Blicke zu, aber wir beachteten das nicht weiter. Sie wollten doch eh nur wissen, was mit Akira los war. Und da wir das selbst nicht wussten, konnten wir ihnen ihre Fragen nicht beantworten, deswegen ließen wir sie uns gar nicht erst fragen. Ich stützte meinen Oberkörper auf der Bank auf und seufzte. Hoffentlich hatte Akira nichts Ernstes. Aber wenn ich ehrlich war, hatte das vorhin ganz schön übel ausgesehen, als er einfach so zusammengebrochen war. Daran würde ich mich noch lange erinnern. Nach einigen Minuten kam auch die Deutschlehrerin zurück. Ihr Gesicht hatte sämtliche Farbe verloren, woraus ich schloss, dass sie genauso erschrocken gewesen war, wie wir. Allerdings bemühte sie sich sehr, sich nichts anmerken zu lassen. Gerade wollte sie mit dem Unterricht fortfahren, als es klingelte. Im Zimmer war es so leise gewesen, dass der einige zusammengezuckt waren, doch sie störten sich nicht weiter daran, sondern stopften ihre Sachen in den Ranzen und verließen eilig das Zimmer. Man konnte ihnen regelrecht ansehen, wie froh sie waren, dass der Unterricht endlich zu Ende war. Daisuke, Isamu, Naoki und ich taten es ihnen gleich. Allerdings war uns das Unterrichtsende eher gleichgültig, denn wir machten uns viel zu viele Sorgen um Akira, als dass wir es hätten genießen können. Kapitel 21: Von Liebe, Pizza und Entführungen --------------------------------------------- Ich lag in meinem Zimmer auf meinem Bett und sah aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne und man sah, dass der Frühling jetzt entgültig gegen den Winter gewonnen hatte. Aber so richtig darüber freuen konnte ich mich nicht. Wenn ich ehrlich war, interessierte es mich nicht einmal. Meine gesamten Gedanken kreisten um Akiras Zustand, da war kein Platz mehr, sich über das schöne Wetter zu freuen. Wie es ihm wohl gerade ging? Hatte sein Fieber schon etwas nachgelassen? Ich hoffte es. Ohne weiter darauf zu achten, was ich tat, nahm ich das Auge der Katze ab und betrachtete den grün glänzenden Stein. Wie Akira wohl reagierte, wenn er erfuhr, dass ich es hatte? Ob er seine Drohung in die Tat umsetzte und versuchte, mich umzubringen? Aber selbst wenn er das nicht tat, erfreut würde er sicher nicht sein. Wahrscheinlich wäre das sogar das Ende unserer Freundschaft. Aber konnte man eine Freundschaft, die auf Lügen aufgebaut war, überhaupt eine Freundschaft nennen? Ich wusste es nicht. In diesem Augenblick klingelte mein Telefon. Ich nahm ab, ohne einen Blick auf die Nummer auf dem Display zu werfen. „Hallo, hier Ren Yamamoto.“ „Ich bin’s“, erklang Isamus Stimme am anderen Ende der Leitung. Normalerweise rief mein Klassenkamerad mich nicht an, außer es ging um etwas wirklich wichtiges und dazu zählten keine verlorenen Unterrichtsmaterialien oder verlegte Schulbücher. Ich schluckte. „Was gibt’s?“ „Wir haben Neuigkeiten über die Aktivitäten von Wind und Erde. Naoki meine, ich solle euch Bescheid geben, dass wir heute Abend vorbeikommen.“ „Geht klar. Möchtet ihr etwas zu essen?“, erkundigte ich mich, der Höflichkeit wegen. Nicht dass sie mir noch verhungerten. „Du könntest Pizza für uns bestellen. Für Naoki und mich Salami. Miku und Miyu wollen sicher wieder Spinat“, meinte Isamu und ich konnte am Klang seiner Stimme hören, dass er grinste. „Willst du die Pizza oder den Pizzaboten?“, fragte ich belustigt. „Wie kommst du denn da drauf?“, erklang die Stimme meines Klassenkameraden, nachdem er einige Sekunden geschwiegen hatte. Ich stutzte. Doch dann fiel mir ein, dass er noch gar nicht wusste, dass der Erbe des Feuers bei der Pizzeria jobbte. Daisuke, Akira und ich hatten es nicht für nötig gehalten, ihm davon zu erzählen. „Dieser Yuuki arbeitet dort. Mit etwas Glück liefert er unsere Pizza aus“, antwortete ich. Am anderen Ende der Leitung brach Isamu in ein lautes Gelächter aus. „Wenn das so ist, dann nehme ich natürlich auch den Pizzaboten. Kannst du etwas organisieren, dass er zur Besprechung anwesend ist.“ „Ich werde sehen, was sich machen lässt.“ Ich könnte Saya fragen, immerhin war sie sein einer Weile mit Yuuki zusammen. „Okay, dann sehen wir uns heute Abend bei dir“, sagte Isamu und legte auf. Eine Weile starrte ich auf das Telefon, dann hängte ich mir das Auge der Katze wieder um. Ich hatte im Moment andere Sorgen. Die Leute vom Widerstand mussten echt wichtige Informationen bekommen haben, sonst würden sie nicht so ein spontanes Treffen arrangieren. Ich stand auf und verließ mein Zimmer, um nach Daisuke und meiner Schwester zu suchen. Den rechtmäßigen Kaiser der Elektrizität hatte ich relativ schnell gefunden. Er lag mit der Bedienungsanleitung unseres Taschenrechners auf dem Sofa und schien sie gerade zu studieren. Neben ihm auf dem Tisch hatte er den Taschenrechner und eine Art Fernbedienung in ihre Einzelteile zerlegt. „Was wird das, wenn es fertig ist?“, wollte ich wissen. Daisuke grinste. „Ich bau die Fernbedienung für die Sprechanlage der Schule in das Gehäuse unseres Taschenrechners.“ Ich schaute mir sein noch unfertiges Werk genauer an, nur um festzustellen, dass ich nicht verstand, was er da gerade tat. „Du bist echt ein Genie, wenn es um elektronischen Zeug geht.“ „Tja“, lachte er daraufhin nur, „Die Elektrizität liegt mir eben im Blut.“ Ich musste leicht schmunzeln, als ich daran dachte, wie wahr diese Aussage war. „Isamu hat eben angerufen“, sagte ich nachdem ich kurz geschwiegen hatte, „Sie haben wichtige Informationen für uns. Wir treffen uns heute Abend zu einer Besprechung.“ „Was ist mit Akira?“, fragte Daisuke. Ich seufzte. „Wir sagen es ihm, sobald er wieder fit ist. Wenn wir warten, bis er wieder gesund ist, könnten Kaito und Morau das zu ihrem Vorteil nutzen. Er wird es uns schon nicht zu übel nehmen.“ Daisuke nickte. „Da hast du wahrscheinlich recht.“ „Vielleicht kommt Yuuki auch zu dem Treffen.“ Ich ließ mich neben ihm auf das Sofa fallen. Daisuke, der seine Augen bis jetzt nicht von der Bedienungsanleitung genommen hatte, legte diese zur Seite und sah mich verwundert an. „Und wie willst du ihn herbekommen?“, fragte er ungläubig. „Lass dich überraschen.“ Damit war die Sache für mich erledigt. Jetzt musste ich mir nur noch etwas einfallen lassen, wie ich Yuuki in das Haus bekam. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht und ich ging in die Küche, wo sich das Telefon befand. Dort wählte ich Sayas Handynummer, da sie bis jetzt noch nicht zu Hause aufgetaucht war. Meine Schwester nahm nach dem zweiten Klingeln ab. „Ja?“ „Du weißt nicht zufällig, ob dein Freund haute wieder bei der Pizzeria jobbt?“, fiel ich mit der Tür ins Haus. „Doch. Er hat heute Dienst.“ Saya antwortete sofort. „Wann hat er Dienstschluss?“, schoss ich meine zweite Frage hinterher. Saya überlegte eine Weile. „So gegen Acht, glaube ich, war-?“ „Welche Pizza isst er am liebsten?“, fragte ich, bevor sie zu ende sprechen konnte. „Hawaii“, antwortete meine Schwester wie aus der Pistole geschossen. „Danke“, sagte ich. „Für mich zwei mit Spinat und extra viel Käse. Dann nehme ich eine morgen mit in die Schule“, meinte meine Schwester fröhlich. „Geht klar.“ Ich legte auf, bevor sie noch mehr Sonderwünsche äußern konnte. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass Daisuke hinter mir stand und mich mit einem belustigten Gesichtsausdruck beobachtete. „Verstehe. So willst du ihn also herbekommen. Das könnte tatsächlich funktionieren. Falls Yuuki mitspielt.“ Ich schaute ihn leicht verärgert an. „Er wird keine andere Wahl haben, immerhin spendieren wir ihm eine Pizza. Da kann man ja wohl erwarten, dass er während des Essens hier bleibt!“ „Stimmt“, mein Klassenkamerad lachte, „Außerdem ist Saya ja auch noch da.“ „Was willst du für eine Pizza?“, fragte ich. „Hawaii“, antwortete Daisuke sofort. Ich deutete ihm an, kurz still zu sein, bevor ich erneut zum Telefon griff und die Nummer des Pizzaboten wählte. Für mich würde ich eine Salami bestellen. Nach dem zweiten Klingeln nahm der Eigentümer ab. „Hallo, hier ist der Pizzaexpress.“ „Ich möchte gern eine Bestellung für heute Abend Acht Uhr aufgeben. Drei Salami, zwei Spinat mit extra viel Käse, zwei normale Spinat und zwei Hawaii“, verlangte ich, „Ist es möglich, dass Yuuki sie liefert?“ Der Mann vom Pizzaexpress lachte. „Aber nur, weil ihr Stammkunden seid. Ich sage Yuuki, er soll euch die Pizza kurz vor Acht vorbeibringen, und kann danach nach Hause gehen.“ „Dankeschön. Das ist wirklich nett von ihnen.“ Ich freute mich und hielt den Daumen nach oben, damit Daisuke sah, dass mein Plan funktioniert hatte. Jetzt mussten wir Yuuki nur noch ins Haus bekommen. Da würde ich mir bis heute Abend noch etwas einfallen lassen müssen. Der Inhaber der Pizzeria legte auf und ich tat es ihm gleich. „Sieht aus als wäre deine Idee gar nicht so schlecht gewesen. Selbst Akira hätte darüber gestaunt, wie leicht es dir zu fallen scheint, solche scheinbaren Zufälle zu inszenieren“, meinte Daisuke grinsend. Ich kicherte. „Gib es doch zu. Ab und an denkt selbst er, dass ich zu etwas zu gebrauchen bin! Auch wenn er sich alle Mühe gibt, es zu verbergen.“ Obwohl ich so tat, als interessiere es mich nicht weiter, verletzte es mich doch ein kleinwenig, dass der Erbe des Wassers so über mich dachte. So langsam mal könnte er mich echt als Freund sehen und nicht als störendes Hindernis oder jemanden, der zu nichts zu gebrauchen war. „So ist das nicht. Du übertreibst“, sagte Daisuke. „Wenn du meinst…“ Ich hob meine Schultern. Daisuke setzte sich neben mich auf einen der Küchenstühle und seufzte. „Wie oft soll ich es dir noch sagen? Akira kann dich leiden, relativ gut sogar. Aber frag mich jetzt nicht, warum er dich ständig wegen irgendwelchen blöden Kleinigkeiten so lange provoziert, bis du ausrastest. Vielleicht macht er das nicht einmal mit Absicht.“ „Kann schon sein“, entgegnete ich, „Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er ständig Streit sucht.“ Mein Klassenkamerad klopfte mir gespielt tröstend auf die Schultern. „Kopf hoch, das mit euch beiden wird schon noch. Wie sagt ,man so schön? Was sich neckt, das liebt sich.“ „Daisuke!“, rief ich aufgebracht und schlug seine Hand weg, „Das meinst du doch jetzt nicht ernst?“ Wenn ich zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, wie recht mein Klassenkamerad damit hatte, wäre meine Reaktion sicher eine andere gewesen. Aber so tat ich alles als einen blöden Scherz ab und dachte nicht weiter darüber nach. Er hob abwehrend seine Hände vor den Körper. „Nein, nein, schließlich bin ich nicht lebensmüde.“ „Das will ich auch hoffen.“ Ich tat, als sei ich ihm deswegen noch böse, obwohl ich es nicht war und das schien Daisuke auch zu wissen. Hätte es in diesem Augenblick nicht an der Haustür geklingelt, hätten wir sicher noch eine Weile herumgealbert, aber so eilte ich aus der Küche, in den Flur, die Treppe hinunter, bis vor die Haustür. Doch draußen stand keiner, weswegen ich sie verwundert öffnete und einen Schritt hinaustrat. Ich ließ meinen Blick über das Grundstück schweifen. Aber auch da konnte ich niemanden erblicken. „Hallo?“, fragte ich verwundert und wollte gerade zurück ins Haus gehen und als einen Klingelstreich von irgendwelchen Kindern abtun, als ich in meinem Augenwinkel einen Schatten wahrnahm, der sich mir langsam näherte. Erschrocken fuhr ich herum und meine Augen weiteten sich, als ich einen grünen, mir sehr bekannten, Haarschopf erblickte. Stumm formten meine Lippen den Namen dieser Person, bevor ich zwei Schritte zurück ins Haus ging und nach Daisuke rief. „Was machst du hier?“, fragte ich Akira in einem strengen Ton, „Du gehörst ins Bett!“ „Mir geht’s gut“, sagte der Erbe des Wassers und ich wusste, dass er log. „Akira!“ Daisuke rief erschrocken als er seinen besten Freund erblickte. Sofort rannte er auf diesen zu, packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn kräftig durch. „Bist du durchgeknallt?! Du kannst doch nicht einfach durch die Gegend spazieren! Nicht in diesem Zustand.“ „Wenn du so weitermachst, wird bald ein Milchshake aus mir“, flüsterte Akira, woraufhin Daisuke ich erschrocken losließ. Ich legte Akira die Hand auf die Stirn, wie erwartet hatte er noch ziemlich hohes Fieber. „Also Milchshake wird ganz sicher nicht aus ihm. Aber vielleicht gibt er einen guten Braten ab. So wie er glüht, ist er sicher bald gar.“ „Ren!“, rief Daisuke, konnte sich das Lachen aber nicht verkneifen. Ohne weiter auf meinen dämlichen und definitiv nicht ernst gemeinten Kommentar einzugehen, schob ich Akira in das Haus. „Sieh zu, dass du ins Bett kommst. Oder willst du wieder zusammenbrechen?“ Akira widersprach mir nicht, wie er es sonst immer tat, sondern ließ sich widerstandslos ins Wohnzimmer schieben, wo ich ihn auf dem Sofa platzierte. Ich holte einige Decken aus dem Schrank und breitete sie über dem Kranken aus. Als ich damit fertig war, ging ich in die Küche und holte ihm ein Glas Wasser und Medikamente gegen das Fieber. Daisuke, der sich in der Zwischenzeit zu seinem besten Freund gesetzt hatte, beobachtete mich schweigend dabei. Ich seufzte als ich Akira das Glas reichte. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein Idiot bist?“ „Ja, du. Gerade eben.“ Er trank das Glas mit einem Zug aus, woraufhin ich ihm eine Flasche aus dem Keller holte. Als ich wiederkam, stand Daisuke gerade auf und deutete mir an, leise zu sein. „Akira ist eben eingeschlafen“, flüsterte er. Ich füllte noch schnell das geleerte Glas und stellte die Flasche daneben, ehe ich mich aus dem Wohnzimmer schlich und die Tür hinter mir schloss. „Was machen wir jetzt mit dem Idioten?“, fragte ich Daisuke. Mein Klassenkamerad hob seine Schultern. „Keine Ahnung. Fürs Erste würde ich ihn einfach schlafen lassen. Das Fieber ist wieder zurückgegangen. Sollte es allerdings wieder steigen, werden wir wohl wieder einen Arzt rufen müssen.“ „Wenn du meinst.“ Ich ließ mich auf einen der Küchenstühle fallen und warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach Sieben Uhr. Nicht mehr lange, dann würden Isamu und Naoki mit ihren Leuten vom Widerstand und Saya eintreffen. Ob ich den Tisch jetzt schon decken sollte? Nach kurzem Überlegen entschied ich, dass es besser war, ihn vorher auszuziehen, wobei mir Daisuke natürlich helfen musste. Na ja, wenn ich ehrlich war, machte er es am Ende allein, da ich ihm nur im Weg rumstand. Er hatte mich sogar schon aus der Küche werfen wollen. Als das geschafft war, zog ich die Tischdecke zurecht, jetzt bedeckte sie nur noch etwa Dreiviertel des Tisches, und stellte ein paar Gläser in die Mitte. Dazu kam dann noch Besteck für jeden und Ketchup aus dem Kühlschrank. Als ich damit fertig war, holte ich noch Saft und Limo aus dem Keller. Daisuke hatte inzwischen für jeden einen Stuhl aufgetrieben. Die nächste Halbe Stunde waren wir damit beschäftigt, auf die Uhr zu schauen und zu warten, dass die Zeig verging. Ab und zu sahen wir nach Akira, der von dem Ganzen tief und fest schlief und von dem Ganzen nichts mitbekam. Eine gefühlte halbe Ewigkeit später, Zehn nach Halb Acht, trudelten die Leute vom Widerstand ein und wenige Minuten später kam auch meine Schwester. Nachdem wir einige Minuten diskutiert hatten, ob wir Saya einweihen sollten oder nicht, einigten wir uns darauf, dass sie es ruhig erfahren konnte. Sie würde sonst wahrscheinlich die ganze Zeit an der Tür hocken und uns belauschen. Zu unserer Überraschung wusste sie schon einiges, auch wenn ihr keine Details bekannt waren. Vielleicht hatte sie uns bereits belauscht. Wir setzten uns an den Tisch und warteten auf das Eintreffen des Pizzaboten. Isamu und Naoki diskutierten über belanglose Dinge und schnell mischten sich die anderen in die Diskussion ein, während ich überlegte, wie ich Yuuki in das Haus bekommen sollte. Einfach hereinbitten konnte ich ihn schließlich nicht. Mein Blick fiel auf die gestapelten Kisten an der Wand. Vielleicht konnte ich die missbrauchen. Als es wenig später klingelte, verstummten sämtliche Gespräche und man schaute mich abwartend an. „Du lockst ihn hoch und wir sorgen dafür, dass er nicht wieder geht“, fasste Naoki noch einmal unseren Plan zusammen. „Viel Glüch, und versau es nicht!“, neckte mich Isamu. „Wird schon schief gehen“, sagte ich als ich mich mit so vielen Kisten belud, dass ich beim besten Willen keine Pizza mehr tragen konnte. Ich stieg die Treppen hinunter, darauf achtend, dass ich nicht ausrutschte und der Länge nach hinknallte und öffnete unter einigen Anstrengungen die Tür. Wie erwartet stand tatsächlich Yuuki davor. Er trug die Uniform vom Pizza-Service samt seiner Dachmütze und grinste mich schief an. „Hier ist die Lieferung.“ „Danke“ Ich lächelte ihn entschuldigend an. „Kannst du sie vielleicht hoch tragen? Ich hab gerade keine Hand frei und das Geld liegt auch noch oben.“ „Kein Problem.“ Nichts ahnend betrat Yuuki das Haus und stieg die Treppe hinauf. „Die Küche ist die zweite Tür links!“, rief ich ihm hinterher während ich die Haustür mit dem Fuß zutrat. Danach folgte ich ihm. Als ich die Küche betrat, bot sich mir ein lustiges Bild. Naoki und Daisuke waren aufgestanden und versperrten Yuuki den Weg aus der Küche, wären der Rest der Widerständler das Fenster blockierte. Nur Saya saß am Tisch und futterte fröhlich ihre Pizza. Mit einem Grinsen im Gesicht stellte ich die Kisten wieder an ihren Platz zurück. „Warum setzt du dich nicht und isst mit uns?“, fragte Naoki, während er seine Pistole auf den Erben des Feuers richtete. Es war mehr ein Befehl als eine Frage, fand ich. „Du hast doch sicher nichts anderes vor, oder?“, erkundigte sich Daisuke und deutete auf einen der jetzt unbesetzten Stühle neben Saya. Isamu verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. „Wir haben dir auch eine Pizza mitbestellt.“ Für den Bruchteil einer Sekunde spiegelte sich Unsicherheit in Yuukis Gesicht, doch schon im nächsten Augenblick war sie wieder verschwunden. „Ich denke, ich werde euer großzügiges Angebot annehmen. Man bekommt nicht immer eine Pizza spendiert“, meinte er während er platz nahm, allerdings nicht, ohne mir einen wütende Blick zuzuwerfen. „Sorry“, nuschelte ich, „Aber anders hätten wir dich kaum herbekommen. Das Geld gebe ich dir später.“ Einer nach dem anderen setzte sich zurück an den Tisch, auch ich. Daisuke schnappte sich die Pizzakartons und verteilte deren Inhalt. Als Yuuki seine Hawaiipizza sah, grinste er. Konnte der Typ eigentlich für länger als ein paar Minuten ernst bleiben? „Die richtige habt ihr schon mal bestellt.“ Ich deutete auf Saya. „Heimvorteil!“ „Verräter!“ Der Erbe des Feuers schaute meine Schwester beleidigt an. Allerdings ließ sie sich davon nicht beirren, sondern futterte weiterhin ungerührt ihre Pizza. Miku und Miyu kicherten leise, sagten aber nichts zu dieser Situation. „Wie geht es eigentlich Akira?“, erkundigte sich Naoki, scheinbar, um das Thema zu wechseln, denn Akiras Zustand interessierte ihn nicht wirklich. Daisuke schnitt eine Grimasse. „Wie es aussieht ist der Volltrottel aus dem Krankenhaus ausgebrochen. Jedenfalls liegt er jetzt auf Rens Couch und pennt. Das Fieber ist zum Glück etwas zurückgegangen.“ „Ist der noch ganz dicht?!“, rief Isamu erschrocken und auch etwas aufgebracht, „Er hätte bei draufgehen können.“ „Das hat Daisuke ihm auch schon gesagt“, informierte ich meine Klassenkameraden. Auf den Verwunderten Blick derer, die nicht in meine Klasse gingen, ergänzte ich: „Akira ist heute in Deutsch zusammengebrochen und wurde daraufhin ins Krankenhaus gebracht.“ „Ihr haltet mich doch nicht hier fest, nur darüber zu diskutieren, oder?“, fragte Yuuki. „Jetzt hab dich nicht so“, zischte Daisuke, „Immerhin spendieren wir dir eine Pizza.“ „Wir haben etwas neues über Wind und Erde herausfinde können“, erklärte Isamu, der gerade eben das letzte Stück seiner Pizza gegessen hatte., „Das ist auch der Grund, warum wir dieses Treffen organisiert haben. Wir hielten es für angebracht, dich ebenfalls darüber zu informieren, da es dich ja auch etwas angeht.“ „Dann lasst mal hören“, sagte Yuuki. Naoki ergriff das Wort. „Wir haben sie in den letzten Tagen nicht aus den Augen gelassen und sind ihnen sogar nach Nakuni gefolgt. Ich sage es nur ungern, aber wie es aussieht, haben sie einen entscheidenden Vorteil.“ „Und der wäre?“, hakte Daisuke nach. „Das Auge der Katze.“, antwortete Isamu. Kapitel 22: Notlügen und Geständnisse ------------------------------------- „Das Auge der Katze.“, antwortete Isamu. Miku und Miyu schluckten, woraus ich schloss, dass sie noch nichts davon gewusst hatten. Aber auch ich war erschrocken, genau wie Daisuke, der mich verwundert ansah. Nur Yuuki blieb ruhig. Entweder er hatte es bereits gewusst oder es war ihm egal. „Sie wissen, wo sich das Auge befindet, wenn sie es nicht schon in ihren Besitz gebracht haben.“, erklärte Naoki. Alle starrten den Anführer der Widerstandsbewegung erschrocken an, auch Saya. Sie wusste also wirklich mehr, als sie zugab. Aber wahrscheinlich hatte sie es von Yuuki erfahren, immerhin waren die zwei zusammen. „Ist diese Information der Grund für dieses Treffen oder kommt da noch mehr?“, fragte Daisuke, der sich als erstes wieder gefasst hatte. Isamu schüttelte seinen Kopf. „Nein, das war alles.“ Der Kaiser der Elektrizität atmete erleichtert aus. „Dann ist ja alles in Ordnung“, murmelte er. „Was heißt hier, alles ist in Ordnung?!“, rief Isamu aufgebracht, „Weißt du überhaupt, was das bedeutet? Wenn sie das Auge wirklich in ihren Besitz gebracht haben, dann können wir einpacken!“ „Noch haben sie das Auge nicht!“, erwiderte Daisuke, „Und außerdem sind sie nicht die einzigen, die wissen, wo sich das Auge im Moment befindet.“ Ich senkte meinen Blick. Das Gespräch verlief in eine Richtung, die mir nicht gefiel. Wenn es so weiterging, dann würden sie in absehbarer Zeit herausfinden, dass ich das Auge besaß. Das wollte ich nicht. Unbewusst streckte ich meine Hand nach Tora aus, der gerade die Küche betreten hatte, woraufhin das Animale auf mich zugerannt kam und auf meinen Schoß sprang. Yuuki zuckte erschrocken zusammen, als er Tora erblickte, während der Rest nur lachte. „Darf ich vorstellen“, scherzte Daisuke, während er Tora am Kopf kraulte, „Das ist Rens Haus-Animale.“ Der Erbe des Feuers beobachtete ihn mit einem skeptischen Gesichtsausdruck. „Ist das nicht ein bisschen gefährlich?“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Tora ist zahm.“ „Wenn du meinst…“, murmelte Yuuki. Naoki räusperte sich. „Zurück zum Auge der Katze. Wie genau hast du das gemeint? Weißt du etwas darüber?“ Daisuke nickte. „Bis jetzt habe ich noch keinem davon erzählt, aber ich weiß, wer es hat. Genauso wie ich weiß, dass Kaito und Morau davon wissen. Ich habe es vor einer Weile erfahren.“ „Warum sagst du das erst jetzt?“, schrie Isamu, „Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, dass wir sämtliche Informationen austauschen, die wir haben! Du warst derjenige, der das vorgeschlagen hat!“ „Ich weiß“, murmelte Daisuke, „Aber ich wollte mir erst ein Bild von der Person machen und herausfinden, wie sie damit umgeht. Außerdem hat die Person noch keine Entscheidung getroffen, ob sie die Macht will oder nicht.“ „Du hättest es und trotzdem sagen sollen!“, schimpfte Naoki, „Das hätte uns eine Menge Arbeit erspart.“ Ich schluckte. Irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl bei der Sache. Das Bündnis war in Gefahr, das wusste ich. Die Widerständler würden nicht einfach so darüberwegsehen, dass wir ihnen diese Informationen verschwiegen hatten. Vielleicht würden sie sogar das Bündnis auflösen. Um das zu verhindern, musste ich erklären, wie die Sache wirklich war. Auch wenn ich es eigentlich hatte noch eine Weile geheim halten wollen. „Ich habe ihn darum gebeten.“, sagte ich mit überraschend fester Stimme. Sämtliche Augenpaare schauten in meine Richtung, auch das von Daisuke, doch keiner unterbrach mich. Yuuki hatte sich als erster wieder gefasst, was mir seltsam vorkam. Wusste er von dem Auge oder interessierte es ihn nur nicht? Vielleicht hatte er aber auch ein Pokerface aufgesetzt um sich seine Verwunderung oder Unsicherheit nicht ansehen zu lassen. Langsam zog ich mir das Band, an dem das Auge hing, über den Kopf und legte die Kette auf den Tisch. Isamu schaute mehrfach zwischen mir und dem Auge hin und her, bevor er die Sprache wiederfand. „Wie? Was? Seit wann hast du es, Ren?“ „Ich hab es kurz nach den Winterferien bekommen“, antwortete ich. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass es besser war, die Wahrheit zusagen. „Und irgendwann haben Kaito und Morau davon erfahren…“, schlussfolgerte Naoki richtig, „Ich gehe mal davon aus, dass du es ihnen nicht gesagt hast.“ „Natürlich nicht!“, rief ich gekränkt, „So blöd bin selbst ich nicht. Dann hätte ich es ihnen auch gleich geben können!“ Ich nahm das Auge zurück. Isamu grinste. „Eigentlich sollte ich wütend sein, dass du uns so etwas verschwiegen hast, aber irgendwie bin ich erleichtert. Solange du das Auge hast, können Wind und Erde es nicht haben. Außerdem haben wir jetzt eine weitere Trumpfkarte gegen sie.“ „Vorrausgesetzt, Ren kann mit dem Auge umgehen. Ansonsten ist es nur ein einfacher Stein an einer Kette, von denen es Tausende gibt.“, ergänzte Naoki und beäugte mich kritisch. Unsicherheit breitete sich in mir aus und ich schnitt eine Grimasse. „Nicht wirklich…“ „Du hast es schon eingesetzt, wenn auch unbewusst“, erklärte Daisuke, „Als du den Kräfteblocker von Akiras Vater zerstört hast.“ „Kräfteblocker?“ Was war das jetzt schon wieder. Daisuke grinste. „Sorry, ich vergaß. Du bist neu auf diesem Gebiet. Ich meine den Stein, den er auf uns gerichtet hat. Er blockt unsere Kräfte und verwendet sie gegen uns. Je größer er ist stärker die Kräfte einer Person sind, desto größer ist der angerichtete Schaden.“ War das der Grund, weswegen Naoki und Isamu nur auf die Knie gesunken und Daisuke das Bewusstsein verloren hatte? Noch bevor ich diese Frage stellen konnte, beantwortete mir Daisuke diese. „Die Kaiser und deren Erben haben sehr große Kräfte, da sie die Elemente kontrollieren. Ein Kräfteblocker richtet bei ihnen also viel mehr Schaden an als bei normalen Kräftebesitzern.“ „Deshalb hat es dich also so sehr mitgenommen“, murmelte ich. „Normalerweise minimieren wir den Schaden mit Schutzsteinen. Mit besonders großen kann man die Kräfteblocker sogar manchmal zerstören“, fuhr Naoki fort, „Aber an diesem Tag hatten wir keine dabei. Wer rechnet auch damit, in der Schule von einem der Kaiser angegriffen zu werden… Das Auge der Katze ist einer der mächtigsten Schutzsteine, vielleicht auch der mächtigste überhaupt. Aber es hat auch noch andere wichtige Funktionen.“ Ich nickte. „Und was sind die anderen Funktionen?“ „Ganz genau weiß ich das auch nicht, aber laut unseren Nachforschungen sollte das Auge ein Portal zu Nakuni öffnen können. Es ist auch von großen Heilkräften die Rede. Allerdings wurde das nicht bestätigt. Hauptsächlich dient es dazu, die Kräfte seines Trägers zu verstärken und ihn vor Kräfteblockern zu schützen.“ „So ähnlich hat es mir auch Daisuke erklärt, auch wenn er auf die Kräfteblocker und Schutzsteine nicht wirklich erwähnt hat.“, sagte ich. Der Kaiser der Elektrizität nickte. „Weiß Akira davon?“, fragte Miku, die bis jetzt noch nichts gesagt hatte. Ich schüttelte meinen Kopf. „Wir haben es ihm noch nicht gesagt.“ „Verstehe“, murmelte sie. „Irgendwie ist dieses Treffen gerade sinnlos geworden, findet ihr nicht auch?“, fragte Yuuki mit dem für ihn typischen Grinsen. Es folgte ein synchrones Nicken. „Und was machen wir jetzt?“, wollte Isamu wissen. Ich hob meine Schultern und gab Yuuki das Geld für die Pizzas. „Den Rest kannst du behalten. Lass dich mal wieder hier blicken, ohne dass wir dich dazu zwingen müssen.“ Er zählte es nach, bevor er sich für das Trinkgeld bedankte und gemeinsam mit Saya die Küche verließ. Ob sie in ihr Zimmer gingen oder wo anderes hin, konnte ich nicht sagen, aber es interessierte mich auch nicht wirklich. „Wir gehen dann auch mal“, meinten Miku und Miyu. Ich winkte ihnen zum Abschien zu, sagte aber nichts. Nur Naoki, Isamu und Daisuke blieben und da die drei nicht aussahen, als würden sie in absehbarer Zeit gehen, setzte ich mich wieder zurück an den Tisch. „Du weißt vom Auge“, sagte Isamu zum Kaiser der Elektrizität. Daisuke nickte. „Und du trainierst sie trotzdem.“, fuhr er fort. Wieder nickte Daisuke. „Und du hast ihr von Nakuni erzählt.“ Isamu beobachtete seine Reaktion kritisch. Daisuke nickte zum dritten Mal. „Bedeutet das, du erkennst sie an?“, fragte er. Der Kaiser der Elektrizität seufzte. „Wäre ich sonst hier?“ Eine Weile war es still, dann seufzte Isamu. „Ich weiß zwar nicht recht, was ich von den Ganzen halten soll, aber solange wir das Auge haben, sind wir im Vorteil. Außerdem würde Ren sicher keine schlechte Herrscherin abgeben.“ Er grinste. Ich warf ihm einen genervten Blick zu. Wenn ich ehrlich war, wollte ich noch immer nicht meinen rechtmäßigen Platz in dieser anderen Welt einnehmen. Bis jetzt war ich ja noch nicht einmal dort gewesen. „Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich nach einer Weile. „Keine Ahnung“, antwortete mir Naoki, „Ich wäre dafür, dass wir so weitermachen, wie bisher. Vorausgesetzt ihr verheimlich uns nicht wieder irgendwelche wichtigen Informationen.“ Er warf Daisuke einen warnenden Blick zu. „Das kommt nicht wieder vor“, entschuldigte sich der Kaiser der Elektrizität sofort. „Wir gehen dann auch mal“, meinte Isamu. Die beiden Widerständler erhoben sich. Ich brachte sie noch bis zur Tür, wo ich mich von ihnen verabschiedete, bevor ich zurück in die Küche ging. Dort räumte ich den Tisch ab und stellte Gläser, Teller und Besteck in die Spülmaschine. Als ich damit fertig war, ging ich ins Wohnzimmer, wo ich Daisuke vorfand. Er saß neben Akira auf dem Sofa und sah ihn besorgt an. Leise, um den Erben des Wassers nicht zu wecken, ging ich auf die beiden zu. „Wie geht es ihm?“, fragte ich Daisuke. Der Kaiser der Elektrizität hob seine Schultern. „Keine Ahnung. Das Fieber ist noch nicht wieder gestiegen, also denke ich mal, es geht ihm ganz gut.“ Ein schwaches Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. „Hoffentlich hast du recht…“ „Gib es zu, du magst ihn!“, stichelte mein Klassenkamerad. „Daisuke!“, mahnte ich ihn, „Kannst du es auch mal lassen? Du weißt genau, dass mir Akira nicht egal ist. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich ihn so mag, wie du es denkst.“ „Findest du ihn attraktiv?“, wollte der Kaiser der Elektrizität wissen. „Als hässlich würde ich ihn nicht beschreiben“, antwortete ich. „Du findest ihn also attraktiv“, murmelte Daisuke. „Ja und, deswegen bin ich noch lange nicht in ihn verschossen!“, entgegnete ich beleidigt. „Ren, bist du wirklich so blind?“ Er schüttelte seinen Kopf. „Nein, bin ich nicht. Du siehst Dinge, wo nichts ist.“ Langsam wurde es mir zu viel. Konnte er nicht über etwas anderes diskutieren, zum Beispiel das Wetter. Oder die letzte Mathearbeit. Den Gefallen tat er mir nicht, leider. „Wen würdest du lieber küssen, Akira oder Isamu?“ „Daisuke!“, rief ich, woraufhin er mir andeutete, leiser zu sein. Aber davon ließ ich mich nicht beeindrucken. „Bist du jetzt völlig durchgedreht? Was ist das für eine Frage. Isamu ist mein Freund, einer meiner besten Kumpel. Wieso sollte ich ihn küssen wollen?“ „Aber bei Akira stört dich der Gedanke nicht.“ Daisuke grinste. „Interessant.“ „Jetzt hör endlich damit auf!“, schimpfte ich, „Langsam nervt es wirklich.“ „Ich will dir doch nur helfen.“, meinte Daisuke ruhig. „Indem du mich mit deinem besten Freund verkuppeltst? Lass dir was besseres einfallen!“ Langsam sollte ich wirklich das Thema wechseln, sonst zwang der Kaiser der Elektrizität mich vielleicht noch zu einem Date mit Akira. Zuzutrauen war es ihm. Daisuke seufzte. „Manchmal bist du echt schwer von Begriff. Ich weiß doch, dass du Akira magst.“ Was zu viel war, war zu viel. Dreist änderte ich das Thema. „Was nimmst du eigentlich alles mit zur Klassenfahrt?“ Einige Sekunden war es still. Mein Klassenkamerad schaute mich verwundert an, dann lachte er. „Jetzt weichst du mir also aus.“ „Tu ich nicht, ich will wissen, was du ein packst, immerhin fahren wir in reichlich einer Woche!“, log ich. Wenn ich ehrlich war, hätte ich es nicht tun müssen, denn Daisuke hatte mich sofort durchschaut. Aber er sagte nichts, sondern beantwortete einfach meine Frage. „Ein paar Klamotten, denke ich. Und mein Handy. Vielleicht packe ich auch mein Radio und ein paar CDs ein.“ „Ach so“, murmelte ich, „Ich wollte noch mein Haarzeug und einen Schminkkasten einpacken, für den Fall, dass jemand im Bus einschläft.“ Ich warf einen Blick auf den Erben des Wassers. Er schlief noch, wir hatten ihn durch unseren Streit also nicht geweckt. Daisuke grinste. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du ihn an Akira testen willst.“ Ich streckte ihm die Zunge raus. „Bist du dir da sicher? Du könntest genauso gut das Opfer sein, oder Isamu und Naoki. Irgendwer muss den Idioten ja mal dafür bestrafen, dass er die ganze Zeit schläft.“ „Das ginge natürlich auch“, meinte Daisuke. Wir unterhielten uns noch eine Weile über belanglose Dinge, ohne Akira, der immer noch schlief, aus dem Augen zu lassen. Irgendwann begannen seine Augenlider zu zucken. Wenig später öffnete er seine Augen und schaute verwundert an die Zimmerdecke. „Wie fühlst du dich?“, fragte Daisuke. Auf Akiras Gesicht bildete sich ein schwaches Lächeln. „Könnte besser sein.“ „Brauchst du etwas? Hast du Hunger? Ist dir kalt?“, fragte Daisuke besorgt weiter. Es musste ihn wirklich mitgenommen haben, dass sein bester Freund in der Schule zusammengebrochen war. Aber das nahm ihm niemand übel. Wir waren alle erschrocken gewesen. Akira schüttelte seinen Kopf und griff nach dem auf den Tisch stehenden Glas. Ich griff nach der Flasche, die ich vorhin daneben gestellt hatte, und goss ihm etwas ein. „Danke“, flüsterte er schwach. „Keine Ursache“, antwortete ich. Akira lächelte. Als ich ihm ins Gesicht sah, begann mein Herz schneller zu schlagen und mir wurde warm. Unweigerlich musste ich an das denken, was Daisuke mir vorhin gesagt hatte. Hatte er vielleicht doch recht gehabt und ich hatte mich in den sturköpfigen, egoistischen Idioten vor mir verliebt? Innerlich schüttelte ich meinen Kopf. Das konnte nicht sein. Das lag nur daran, dass ich Daisukes Worte nicht aus dem Kopf bekam, da war ich mir sicher. Ich hatte keine Gefühle für Akira, die über Freundschaft hinausgingen. „Kannst du mir vielleicht einen Tee machen?“, fragte Akira und riss mich aus meinen Gedanken. Zuerst dachte ich, er hätte mich damit gemeint und wollte schon aufspringen. Doch Daisuke war schneller. Noch bevor ich mich in irgendeiner Weise gerührt hatte, war er vom Sofa aufgestanden und lief in Richtung Küche. „Ich bin gleich wieder da.“, sagte er und wenige Sekunden später hörte ich, wie er die Küchenschränke durchsuchte. „Der Tee steht im Eckschrank!“, rief ich meinem Klassenkameraden hinterher, ohne Akira aus den Augen zu lassen. Auch, wenn ich mir sicher war, dass Daisuke Dinge sah, wo keine waren… Ich wollte sicher sein. Deshalb stellte ich mir vor, wie es wohl wäre, wenn ich ihn jetzt küssen würde. Würde es mir gefallen oder wäre es eklig. Beinahe hätte ich es auch getan, aber dann hätte ich mich vielleicht bei ihm angesteckt, weshalb ich es dann doch ließ. Außerdem würde seine Reaktion sicher alles andere als freudig sein. „Mir ist kalt“, murmelte Akira, „Kannst du mir noch eine Decke holen.“ Ich nickte. „Klar!“ Doch als ich aufgestanden war und zum Schrank gehen wollte, um die gewünschte Decke zu holen, packte er mich am Handgelenk. „Seira, geh nicht“, flüsterte der Erbe des Wassers schwach, „Ich will nicht allein sein.“ Verwirrt schaute ich ihn an. Was war denn jetzt los? Doch dann fiel mir wieder ein, dass er ja hohes Fieber hatte und vielleicht gar nicht mitbekam, was er tat. Ich lächelte. „Ich geh nicht weg. Ich hole nur kurz die Decke.“ „Nein!“, widersprach er mir und der Griff um mein Handgelenk wurde fester. „Ich denke, dir ist kalt“, hakte ich nach. Dieses Verhalten passte nicht zu Akira. „Ist es auch“, antwortete er mir, jedoch ohne mich los zu lassen. Ich seufzte. „Die Decken sind im Schrank neben der Tür. Ich muss nicht einmal das Zimmer verlassen.“ „Trotzdem.“, widersprach mir der Erbe des Wassers. Seine Sturheit hatte er nicht verloren. Eine Weile war es ruhig und langsam lockerte sich Akiras Griff wieder. Eigentlich hätte ich mich jetzt aus ihm befreien und die Decke holen können, aber ich tat es nicht. Ich setzte mich zurück auf das Sofa, legte die Hände in meinen Schoß und verknotete sie ineinander. „Ich will nicht, dass du gehst.“, wiederholte Akira. So langsam zweifelte ich daran, ob er überhaupt noch zurechnungsfähig war. Auf mich winkte er nicht so. „Das weiß ich doch“, antwortete ich ihm ruhig, „Keine Angst, ich geh nicht. Ich bleibe hier.“ Akira griff nach meiner Hand und hielt sie fest. „Ren, ich liebe dich.“ „Ich weiß. Ich dich- Was?!“ Erschrocken sprang ich auf. Dass ich ihm dabei meine Hand entriss, bemerkte ich nicht. Aber ihm fiel es auch nicht auf, denn er schien bereits wieder eingeschlafen zu sein. Ohne richtig zu wissen, was ist tat, starrte ich zuerst auf ihn, dann auf meine Hand, die er gehalten hatte, und dann wieder zurück zu ihm. Mein Herz raste. Mein Atem raste. Mein Kopf glühte und mein Magen fühlte sich an, als wäre ich gerade Achterbahn gefahren. Von meinem Gehirn will ich gar nicht erst anfangen, es hatte sich einfach aus dem Staub gemacht. Was passierte hier? Was war mit mir los? Hinter mir hörte ich Schritte. Als ich mich umdrehte, stand Daisuke neben mir. Dass er Akiras Worte gehört hatte, konnte ich ihm ansehen, denn er sah verwundert zwischen ihm und mir hin und her. „War das jetzt ernst gemeint?“, fragte ich, nachdem sich meine Atmung wieder etwas beruhigt hatte und ich wieder etwas denken konnte, wie es schien war mein Gehirn doch nicht einfach abgehauen. Oder es hatte es schnell zu mir zurück geschafft. „Ich glaube schon“, antwortete mir Daisuke, bevor er den Tee vorsichtig neben Akira auf den Tisch stellte und schweigend aus dem Wohnzimmer verschwand. Ich sah ihm schweigend hinterher, nicht wissend, ob das gerade wirklich passiert war oder ich es mir nur eingebildete hatte, und je länger ich darüber nachdachte, desto wirrer wurden meine Erinnerungen. Kapitel 23: Auf Klassenfahrt ---------------------------- Seit Akiras mehr oder minder ernst gemeintem Liebesgeständnis waren einige Tage vergangen. Sein Zustand hatte sich gebessert und gestern war er sogar wieder in die Schule gekommen. Eigentlich hätte ich froh darüber sein sollen, doch aus irgendeinem Grund war ich es nicht. Wie es schien konnte er sich an nichts, was während seines hohen Fiebers geschehen war, erinnern. Ich hatte ihn einmal unauffällig auf sein Liebesgeständnis angesprochen und gefragt, ob er es ernst gemeint hatte. Daraufhin hatte Akira mich verwundert angeschaut und gefragt, wovon ich spräche. Danach hatte ich dieses Thema zur Seite geschoben. Vielleicht hatte er in seinem Fieberwahn ja tatsächlich nur etwas zusammengereimt. So sehr ich mir auch wünschte, dass es so gewesen wäre, als ich kurz darauf in Daisukes Gesicht schaute, wusste ich, dass Akira es ernst gemeint hatte. Er konnte sich nur nicht mehr daran erinnern. „Wo bleibst du denn, Ren?“, rief Daisuke durch das Haus und riss mich aus meinen Gedanken, „Wenn du dich nicht beeilst, fahren wir ohne dich!“ Schnell packte ich meine Reisetasche, den Rucksack und mein Handy. Dann warf ich mir meine Jacke über und stürmte die Treppe hinunter, allerdings nicht ohne dabei über die nicht zugebundenen Schnürsenkel meiner Turnschuhe zu stolpern und die Treppe hinunterzustürzen. „Autsch“, kommentierte ich die etwas peinliche Situation und grinste verlegen. Daisuke lachte, während Akira seinen Blick abwandte und mich ignorierte. Das tat er schon, seit er sich wieder von seinem Fieber erholt hatte. Ich stand wieder auf und streckte ihm die Zunge raus. Sollte er doch machen, was er wollte! Mich störte es nicht. So musste ich mir wenigstens nicht mehr seine unzähligen Sticheleien anhören. Ich griff nach meiner Reisetasche, die ich während des Sturzes fallen gelassen hatte und rannte gemeinsam mit meinen beiden Freunden zur Bushaltestelle. Zu unserem Leidwesen regnete es, obwohl Regen für das momentane Wetter sehr untertrieben war. Es goss wie aus Eimern und schon nach der Hälfte des Weges waren wir bis auf die Haus durchnässt. Zum Glück hatte ich eine wasserdichte Jacke angezogen. Mit tropfend nassen Haaren erreichten wir zehn Minuten nach der abgemachten Zeit die Bushaltestelle. Unser Klassenleiter warf uns einen mahnenden Blick zu, bevor er sich bei dem Busfahrer für die Wartezeit entschuldigte und uns einsteigen ließ. Unser Gepäck wurde im Gepäckfach des Busses untergebracht. Meinen Rucksack nahm ich allerdings mit, immerhin war er bis zum Rand gefüllt mit Kosmetikartikel, Haarwickler, Kämmen und Haarbändern. Für den Fall dass Akira im Bus einschlief. „Hier hinten!“, rief Isamu aus der letzten Reihe, wo noch drei Plätze frei waren. Neben ihm saß Naoki, gegen das Fenster gelehnt, und schlief. Wir hatten die drei freien Plätze kaum erreicht, da fuhr der Bus schon los. Schnell setzten wir uns, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ich saß in der Mitte, zwischen Isamu und Akira. Daisuke und Naoki hatten einen Fensterplatz inne. Langsam tuckerte der Bus die Straße entlang. Aufgrund des Regens konnte er nicht besonders schnell fahren, weswegen wir unser Reiseziel wohl mit einiger Verspätung erreichen würden. „Was war eigentlich heute morgen mit dir los?“, wollte Isamu wissen, „Hast du verschlafen?“ Ich schüttelte meinen Kopf und hielt ihm meinen Rucksack unter die Nase. „Ich habe den hier gepackt.“ Als ich ihn öffnete und mein Klassenkamerad die vielen Utensilien betrachtete, musste er grinsen. „Da ist jemand ja gut vorbereitet.“ „Natürlich“, antwortete ich ihm. Isamu griff in den Rucksack und zog einen Schminkkasten heraus. „Hast du was dagegen, wenn ich ihn mir kurz ausleihe?“ Er deutete auf den schlafenden Naoki. Ich schüttelte meinen Kopf. „Bedien dich nur.“ Mein Klassenkamerad begann, das Gesicht seines besten Freundes zu verunstalten. Dieser schlief so fest, dass wer davon nichts mitbekam. Zuerst trug Isamu ihm einen dunkelblauen Lidschatten auf, danach die Wimperntusche und den Kajal. Dann widmete er sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht Naokis Lippen. Hielt dann aber inne und schaute mich abwartend an. „Was meinst du? Soll ich lieber den roten Lippenstift nehmen oder den pinken?“ Ohne wirklich darüber nachzudenken deutete ich auf den roten. „Den hier.“ Danach kramte ich Nagellack in der gleichen Farbe aus meinem Rucksack und begann, Naokis Fingernägel zu lackieren. Als wir fertig waren, betrachteten wir unser Meisterwerk. Ich schoss noch ein paar Fotos mit meinem Handy, bevor ich mich an Daisuke und Akira wandte. „Und, wie findet ihr unser Meisterwerk?“ „Gelungen“, antwortete der Kaiser der Elektrizität. Akira blieb stumm. Er war eingeschlafen. „Ich glaube, wir haben ein zweites Opfer“, murmelte Isamu und begutachtete den Erben des Wassers mit einem hinterhältigen Grinsen. Ich nickte. Daisuke seufzte. „Er reißt euch die Köpfe ab, wenn er wieder aufwacht.“ „Lass das mal unser Problem sein“, beschwichtigte ihn Isamu. „Wenn du meinst.“ Daisuke lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster. Isamu reichte mir den Schminkkasten und ich begann mit meiner Arbeit. Zuerst wollte ich ihm blauen Lidschatten auftragen , wie Isamu es bei Naoki getan hatte, doch dann entschied ich mich für den rosanen. Rosa passte viel besser zu seinem grünen Haar. Für den Lippenstift wählte ich ebenfalls einen rosanen Farbton. Mein Blick fiel auf die nassen Haare des Erben des Wassers. Grinsend zog ich ein paar Haarwickel und Schaumfestiger aus meinem Rucksack. „Gib es zu, du hattest das von Anfang an geplant“, sagte Isamu. „Natürlich“, antwortete ich, während ich Akiras Haare eindrehte und mit Schaumfestiger fixierte. Danach lackierte ich seine Fingernägel. Als ich damit fertig war, warteten wir, bis sein Haar getrocknet war, er wachte in der Zwischenzeit nicht auf, dann entfernte ich die Haarwickel wieder und band sein Haar zu zwei Zöpfen. Da mir normale Haarbänder nicht genügten, band ich noch zwei rosa Schleifen darüber. „Jetzt sieht er aus wie ein kleines Mädchen“, kommentierte Daisuke das zweite Meisterwerk. Ich fotografierte auch Akira, bevor ich meine Schminkutensilien wieder wegpackte und mich zurücklehnte. „Gibt es noch jemanden, der gern ein Nickerchen halten würde?“ „Ich passe“, meinte Isamu immer noch grinsend. „Ich ebenfalls“, antwortete Daisuke. Einige aus unserer Klasse drehten sich um, unter ihnen auch unser Lehrer. Als sie Akira und Naoki erblickten, mussten sie grinsen und einige von ihnen lachten sogar laut los. Die restliche Fahrt unterhielt ich mich mit Isamu und Daisuke über irgendwelche belanglosen Dinge. Als der Bus an einer Raststätte hielt, stiegen wir aus, um etwas frische Luft zu schnappen. Die beiden Schlafenden ließen wir auf ihren Plätzen sitzen. So verging der Vormittag und als es gegen dreizehn Uhr war, wachte Akira wieder auf. Er schaute sich verschlafen um, zog einen Mp3-Player aus seinem Rucksack und begann, Musik zu hören. Ich hatte Mühe, mir das Grinsen zu verkneifen, doch das schien ihm nicht aufzufallen. Er bemerkte nicht einmal, dass seine Fingernägel jetzt eine andere Farbe hatten. Akira wechselte ein paar Worte mit Daisuke, dem es ähnlich erging, ehe er aus dem Fenster sah. Der Regen hatte inzwischen aufgehört und es schien die Sonne. „Das war knapp“, flüsterte mir Isamu ins Ohr. „Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis er es bemerkt“, entgegnete ich in gleicher Lautstärke. Gegen sechzehn Uhr erwachte auch Naoki aus seinem Schönheitsschlaf. Wie schon Akira bemerkte auch er nicht, dass wir sein äußeres Erscheinungsbild etwas verändert hatten und widmete sich der Welt außerhalb des Fensters. „Wer es wohl zuerst mitkriegt?“, fragte ich Isamu nach einer Weile. Mein Klassenkamerad überlegte eine Weile. Dann verschränkte er seine Arme hinter dem Kopf. „Willst du wetten?“ Ich nickte. „Warum nicht? Ich setze auf Akira.“ „Ich auf Naoki. Um was wetten wir?“ „Der Verlierer muss während der gesamten Klassenfahrt das Gepäck des Gewinners tragen.“ „Abgemacht!“ Daisuke beobachtete uns kopfschüttelnd, sagte aber nichts dazu. Als wir unser Reiseziel erreichten war es bereits abend. Naoki und Akira hatten immer noch nichts bemerkt, doch das würde sich wahrscheinlich bald ändern. Wie standen auf, streckten unsere Beine und verließen den Bus. Im Augenwinkel sah ich, wie Akira und Naoki sich seltsame Blicke zuwarfen und tippte Isamu an. „Gleich ist es soweit.“ Akiras Mundwinkel zuckte nach oben als er den Anführer der Widerstandsbewegung betrachtete. Naoki erging es nicht anders. Beide fingen an, zu lachen und deuteten auf den jeweils anderen. Danach waren sie eine Weile still. Akira versuchtem, eine Strähne seines Haares, die ihm ins Gesicht gerutscht war, hinter das Ohr zu streichen. Sie blieb allerdings nicht dort, wo sie sollte. Über seinem Kopf konnte ich ein riesiges imaginäres Fragezeichen erkennen. Langsam tastete er sein Haar ab, bis er an der rosafarbenen Schleife angekommen war. Sein Blick wanderte zu Isamu und mir. „Seira, Daisuke, Isamu“, zischte er, „Euer letztes Stündlein hat geschlagen!“ „Ha!“, rief ich, „Gewonnen!“ Akiras Gesicht verfinsterte sich, als er auf mich zukam. Daisuke hob abwehrend seine Hände vor den Oberkörper. „Ich bin unschuldig. Das haben die zwei allein gemacht!“ Er reichte seinem besten Freund einen Spiegel. Akiras Augen weiteten sich als er sein Spiegelbild betrachtete. Er schluckte, bevor er den Spiegel an Naoki weiterreichte, dem es ähnlich erging. Isamu warf mir einen kurzen Blick zu, bevor er mich am Arm packte und von den beiden wegzog. „Besser, wir verstecken uns erst einmal. Wenn wir den Tag überleben wollen…“ Ich nickte und folgte meinem Klassenkameraden, allerdings nicht, ohne ihm vorher meinen Rucksack in die Hand zu drücken. „Du hast die Wette verloren, schon vergessen?“ Isamu schnaubte, nahm das Gepäckstück aber entgegen. Den Rest des Tages verbrachten Isamu und ich damit, uns vor den beiden zu verstecken. Als ich am Abend fünf Minuten vor der Nachtruhe in mein Zimmer zurückkehrte, welches ich mir zu meinem Leidwesen mit Yayoi und Azarni teilen musste, ließ ich mich erschöpft auf einen Stuhl fallen. „Du siehst fertig aus“, begrüßte mich Yayoi. Ich schnitt eine Grimasse. Seit wann redete sie wieder mit mir? „Versuch du mal, vier Stunden lang vor Naoki und Akira auszureißen.“ „Geschieht dir recht!“, zischte Azarni. Ich ignorierte sie. Für einen Streit war ich viel zu erschöpft. Yayoi kicherte und deutete auf eines der vier Betten. Darauf lag mein Koffer. Hatte sie ihn für mich ins Zimmer gebracht? Die Frage erübrigte sich. „Den hat Daisuke vorbeigebracht, kurz nachdem du und Isamu die Flucht ergriffen haben.“ „Du hängst in letzter Zeit nur noch mit den Jungs ab“, sprach Yayoi weiter, „Ich dachte, wir seien Freundinnen.“ „Das dachte ich auch“, entgegnete ich trocken. In diesem Augenblick klopfte es am Fenster. Ohne weiter darüber nachzudenken, öffnete es, stutzte allerdings als ich Isamu erblickte. „Wie ist du hier hoch gekommen? Wir sind im dritten Stock.“ Mein Klassenkamerad grinste. „Ich bin die Wand hochgeklettert. Aber das ist jetzt unwichtig. Kannst du mich heute Nacht hier verstecken. Ich kann unmöglich mit Akira uns Naoki in einem Zimmer schlafen und Daisuke tut nichts, um mir zu helfen.“ Ich trat zur Seite und ließ ihn in das Zimmer. „Du weißt schon, dass es Ärger gibt, wenn die Lehrer davon erfahren…“ „Bitte, Ren!“ Er flehte fast schon. „Sie bringen mich um. Sie erdolchen mich um Schlaf oder schneiden mir die Kehle durch. Ich will noch nicht sterben!“ Yayoi kicherte während sie ihr kurzes, rotblondes Haar bürstete. „Ich würde sagen, das hast du dir selber eingebrockt.“ „Ich weiß.“ Er kratzte sich verlegen am Kopf. „Aber ich konnte einfach nicht widerstehen…“ Azarni schnaubte, sagte aber nichts. Sie warf mir noch einen letzten hasserfüllten Blick zu, bevor sie ihr Nachthemd und ihre Waschtasche packte und aus dem Zimmer verschwand, wahrscheinlich um sich umzuziehen und für die Nacht fertig zu machen. „Zicke“, murmelte ich, woraufhin Isamu lachte. „Ich kann sie auch nicht leiden“, gestand er nach einer Weile. Yayoi nickte zustimmend, was mich verwunderte. Hatten sie und Azarni sich gestritten? „Ich glaube, sie will etwas von Akira. Jedenfalls redet sie nur noch über ihn und beobachtet ihn die ganze Zeit. Sie hat sogar ein Foto von ihm als Hintergrund auf ihrem Handy. Würde mich nicht wundern, wenn sie gerade versucht, ich sein Bett zu kommen.“ Das ging zu weit. „Was bildet sie sich eigentlich ein! Akira würde doch nie…“ Was? Sie mögen? Mit ihr gehen, wenn sie ihm seine Gefühle gestand? Worüber machte ich mir eigentlich Sorgen? Ich kannte den Erben des Wassers und wusste, dass er nichts für sie übrig hatte. Aber was, wenn ich mich irrte? Wenn er sie auch mochte? Dieser Gedanke gefiel mir nicht. Am liebsten wäre ich aufgesprungen, in sein Zimmer gerannt, und hätte ihn zur Rede gestellt. Aber er war sicher noch sauer wegen der Aktion mit dem Schminkkasten. „Hallo?“ Isamu wedelte mir mit der Hand vor dem Gesicht herum. „Erde an Ren, ist jemand zuhause?“ „Ich war nur grad in Gedanken“, murmelte ich. „Was ist eigentlich in letzter Zeit mit dir los?“, fragte mein Klassenkameras, „Seit Akira in der Schule zusammengebrochen ist, verhältst du dich irgendwie seltsam.“ „Es ist nichts…“, antwortete ich. Das war es doch, oder? „Ren“, seufzte Isamu, „Das kannst du deiner Oma erzählen! Ich kauf dir das jedenfalls nicht ab. Also: Was ist los? Hat es etwas mit Akira zu tun?“ Ich seufzte. „Was würdest du tun, wenn einer deiner Freunde versucht, dich mit seinem besten Freund zu verkuppeln, besagter bester Freund die im Fieberwahn gesteht, dass er dich liebt, sich anschließend nicht mehr daran erinnern kann und du nicht weißt, ob dieser Volltrottel das ernst gemeint hat oder es nur ein blöder Scherz war?“ Einen Augenblick war es still. Isamu starrte mich aus geweiteten Augen heraus erschrocken an. „Ist das dein Ernst? Akira hat gesagt, dass er dich liebt?“ Ich nickte. „Und Daisuke versucht, euch zwei zu verkuppeln?“ Wieder nickte ich. „Krass!“ Wir hätten sicher noch länger darüber diskutiert, wäre in diesem Moment nicht Azarni ins Zimmer zurückgekommen. Zuerst würdigte ich sie keinen Blickes, doch als Isamu grinste und in ihre Richtung schaute, warf ich ihr ebenfalle einen kurzen Blick zu und musste prompt grinsen. Sie trug ein knielanges, rosafarbenes Nachthemd, das mit Spitzen besetzt war und sie aussehen ließ wie Barbies kleine Schwester. „Was grinst du so blöd?“, fuhr Azarni mich an. Ich hob meine Schultern. „Ich habe nur gerade daran gedacht, wie gut dir dieses Nachthemd steht.“ Azarni warf mir einen wütenden Blick zu, bevor sie in ihr Bett kletterte und sich die Decke über den Kopf zog. Isamu beobachtete sie kopfschüttelnd, sagte aber ausnahmsweise nichts dazu, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Ich hatte nämlich keine Lust darauf, dass Azarni zum Lehrer rannte und uns verpetzte. Das gäbe nur wieder unnötigen Ärger, wenn man uns nicht gleich wieder nach Hause schickte. Yayoi gähnte. „Ich glaube, ich gehe dann auch mal langsam schlafen. Wir müssen morgen früh raus.“ Das stimmte. Laut Plan mussten wir morgen um Acht in irgendeinem Hochseilklettergarten sein, der mit dem Bus eine Dreiviertelstunde von hier entfernt war. Dementsprechend zeitig mussten wir aufstehen. Isamu zuckte mit dem Schultern, bevor er das leer stehende Bett belegte. Die Jugendherberge hatte keine Dreierzimmer, weswegen wir ein Zimmer mit vier Betten bekommen hatten. Hätten wir das nicht, müsste Isamu jetzt auf dem Boden schlafen. Ich streckte mich noch einmal, bevor ich Yayoi aus dem Zimmer folgte und wir uns bettferig machten. Wie Azarni trug sie ein rosanes Nachthemd, allerdings war ihres einfacher gehalten. Ich schlüpfte in mein schwarzes Schlafnicki, welches mir drei Nummern zu groß war, und zog eine kurze Hose darunter. Mit Nachthemden konnte ich noch nie viel anfangen. Als wir zurück in das Zimmer kamen, lag Isamu tief und fest schlafend in seinem Bett. Ich schüttelte meinen Kopf und kletterte in mein Bett. Was wohl die anderen gerade machten? Ob sie ihn bereits vermissten? Oder waren sie einfach schlafen gegangen? Vielleicht warteten sie aber auch in ihrem Zimmer und hatten die eine oder andere böse Überraschung für ihn. Hoffentlich kontrollierten die Lehrer heute Nacht nicht die Zimmer, sonst würde auffallen, dass ein Junge in einem der Zimmer der Mädchen übernachtete. Aber so, wie ich unseren Klassenleiter kannte, schlief er bereits tief und fest, um uns morgen in aller Früh aus den Betten werfen zu können. Auf wieviel Uhr er wohl seinen Wecker gestellt hatte? Ich ließ meinen Blick ein letztes Mal durch das Zimmer schweifen, bevor ich meine Augen schloss und versuchte zu schlafen. Allerdings wanderten meine Gedanken wieder zu Akira und Azarni. Hatte Akira es wirklich ernst gemeint, als er sagte, er liebe mich? Oder hatte er in seinem Fieberwahn und Halbschlaf nur etwas herumgesponnen? Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. War es richtig gewesen, ihn nicht darauf anzusprechen oder hätte ich ihn zur Rede stellen sollen. Dann wüsste ich jetzt wenigstens, ob er es ernst gemeint hatte. Und wie sah es mit Azarni aus. Dass sie Akira anhimmelte, war ja laut Yayoi nicht zu übersehen. Was, wenn sie zu ich ging und ihre Gefühle gestand? Würde er dann mit ihr gehen oder würde er ihn einen Korb verpassen. Bei dem Gedanken, die beiden knutschend in einer Ecke vorzufinden, drehte sich mit der Magen um. Ich öffnete meine Augen und schaute aus dem Fenster, um dieses Bild wieder loszuwerden. Was interessierte mich das ganze eigentlich? Akira und ich waren nichts weiter als gute Freunde! Ich empfand nichts führ ihn, was über Freundschaft hinausging. Er konnte gehen, mit wem er wollte. Es interessierte mich nicht! Er war schließlich alt genug, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und wenn er meinte, mit Azarni gehen zu müssen, dann würde ich mich da nicht einmischen! Ich seufzte. Wem versuchte ich eigentlich, hier etwas vorzumachen? Wenn mir eine Sache klar war, dann war das: Ich hatte mich unwiderruflich in diesen egoistischen, eingebildeten, selbstsüchtigen, arroganten Volltrottel verliebt. Kapitel 24: Im Hochseilgarten ----------------------------- Am nächsten Morgen wurden wir durch ein lautes Klopfen an der Tür geweckt. Verschlafen blinzelte ich und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Danach schaute ich an die Decke und überlegte, ob es sich lohnte, weiterzuschlafen, oder on ich aufstehen sollte. Allerdings konnte ich diesen Gedanken nicht zu Ende denken, da es nur wenig später an der Tür klopfte. „Aufstehen!", erklang die Stimme unseres Lehrers, „In einer halben Stunde gibt es Frühstück!" Ich schaute zu dem Bett, das Isamu belegt hatte, stellte aber fest, dass er nicht darin lag. Er war also schon aufgestanden. Vielleicht war er auch in der Nacht zurück zu Naoki, Akira und Daisuke ins Zimmer gegangen, wobei ich das bezweifelte. So leichtsinnig seine Handlungen manchmal scheinen mochten, Isamu war nicht lebensmüde. „Guten Morgen", nuschelte Yayoi und riss mich damit aus meinen Gedanken. „Morgen", antwortete ich, „Wie hast du geschlafen?" Yayoi hob die Schultern. „Wie immer, schätze ich." Dann stand sie auf, schnappte sich ihre Waschtasche und verschwand aus dem Zimmer. Ich tat es ihr gleich und zwanzig Minuten später standen wir in gekämmt, mit geputzten Zähnen und in neuen Klamotten im Speiseraum. Yayoi hatte es sich nicht nehmen lassen, mir die Haare zu machen, weswegen ich jetzt zwei Zöpfe trug. Aber das störte mich nicht weiter. Langsam begann der Speiseraum, sich zu füllen. Akira und Daisuke gesellten sich zu uns und wir setzten uns an einen der umher stehenden Tische. Allerdings war von Isamu und Naoki noch nichts zu sehen. Ob die beiden verschlafen hatten? Diese Frage beantwortete sich mir, als die beiden fünf Minuten nach der abgemachten Zeit den Speisesaal betraten. Isamu hatte einen leicht gereizten Gesichtsausdruck und zog einen noch halb schlafenden Naoki hinter sich her. „Sieht aus, als hätte die zwei sich wieder vertragen", meinte Yayoi gut gelaunt. Ich nickte, konnte mir aber meinen dummen Kommentar nicht verkneifen. „Oder Naoki ist einfach zu müde zum streiten." Daisuke lachte. „Das kann natürlich auch sein." Akira schaute mich kalt an, bevor er seine Aufmerksamkeit dem Brötchen vor sich widmete. Ich schnitt eine Grimasse. So langsam konnte er mal wieder aufhören, wütend auf mich zu sein. So schlimm war das nun auch nicht gewesen. Ich hatte ihn lediglich etwas geschminkt, die Fingernägel lackiert, Locken in seine Haare gedreht und diese dann zu zwei Zöpfen gebunden. Das war nicht der Rede wert. Nachdem alle gefrühstückt hatten, Isamu hatte Naoki irgendwie wach genug bekommen, damit dieser ein Nutellabrötchen essen konnte, stiegen wir in den Bus. Wie schon auf der Fahrt ins Ferienlager setzten wir uns in die letzte Reihe. Ich saß in der Mitte, zwischen Daisuke und Isamu und Naoki neben Isamu am Fenster. „Keine blöden Scherze diesmal!", sagte Naoki und streckte sich noch einmal, bevor er sich die Kapuze seines dunkelgrünen Sweatshirts über den Kopf zog. Er lehnte seinen Kopf gegen das Fenster und war wenig später eingeschlafen. „Wie kann ein Mensch nur so viel schlafen?", murmelte ich an Isamu gewandt. Der Widerstandskämpfer antwortete mir nicht, sondern grinste mich nur schief an. Doch dann erstarrte sein Grinsen und er schaute mit etwas geweiteten Augen zur Tür des Busses. Dort stieg gerade Yayoi ein, gefolgt von Azarni und Akira, die Händchen hielten. Ich schluckte, bemüht meine Fassung zu wahren, ehe ich mich an Daisuke wandte. „Seit wann sind die zwei zusammen?" „Keine Ahnung", antwortete mir dieser, „Gestern waren sie es noch nicht..." Ich wandte meinen Blick zum Fenster, ohne Azarni und Akira weiter zu beachten. Wenn er meinte, mit dieser Schlampe turteln zu müssen, dann sollte er das tun. Ich würde ihn nicht daran hindern. Aber dann sollte er mir gefälligst auch nicht sagen, dass er mich liebte! Ich holte mein Handy aus meinem Rucksack und steckte mein Headset an. „Wärst du so nett und würdest Rapunzel sagen, er soll in Zukunft von mir fern bleiben? Sonst kann ich für nichts garantieren." Daisuke schaute mich mitfühlend an, erwiderte aber nichts, sondern nickte nur. Ich setzte das Headset auf und öffnete den Mp3-Player. Danach stellte ich die Musik so laut, dass ich nichts mehr von meiner Umwelt mitbekam. Isamu schnitt eine Grimasse, wie es aussah, hörte er die Musik ebenfalls. Er forderte mich aber nicht dazu auf, die Musik leiser zu stellen. Die Busfahrt verlief Ereignislos und als wir im Hochseilgarten ankamen, wurden wir von einem der Mitarbeiter empfangen, der uns erklärte, wie wir die Gurte anzulegen hatten und was sonst noch alles zu beachten war. Ich hörte nicht wirklich zu, hatte Daisuke es mir doch schon vor Beginn der Klassenfahrt mehrfach erklärt. Auch Isamu hatte es für nötig erachtet, mir sämtliche Tipps zu geben, damit ich mich nicht vor allen blamierte. Als ich einen Blick auf die verschiedenen Strecken warf, war ich den beiden wirklich dankbar. Ich ließ meinen Blick schweifen. Links neben dem Start stand eine Baumgruppe mit zwei Bänken, dahinter lag ein Parkplatz, auf dem gerade unser Bus parkte, wie ich am Nummernschild erkannte. „Es geht los!", riss mich Isamu aus meinen Gedanken. Er war meine Tasche, die er die ganze Zeit getragen hatte in den Schatten unter die Bäume, gemeinsam mit seiner, bevor er sich auf den Start stürzte. Naoki saß auf einer der Bänke und schlief. Aber das wunderte mich schon lange nicht mehr. Unser Klassenleiter versuchte gerade, ihn wach zu bekommen, bis jetzt erfolglos. „Wollen wir?", fragte Daisuke und zeigte auf den inzwischen wieder leer gewordenen Start. Ich nickte und folgte ihm. Er kletterte zuerst hinauf. Am Anfang war es noch ganz einfach, doch schon nach wenigen Minuten hatte ich Schwierigkeiten, mein Gleichgewicht zu halten. Daisuke hielt immer mal wieder an, um mir zu helfen, wofür ich ihm wirklich dankbar war, sonst würde ich jetzt irgendwo in den Seilen baumeln und auf Rettung durch den Inhaber warten. Gemeinsam beendeten wir die Route 1, welche die leichteste war. Erschöpft, ohne meine Kräfte schaffte ich immer noch nicht besonders viel, ließ ich mich neben Naoki auf die Bank fallen. Dabei wunderte es mich nicht, dass er immer noch, oder war es schon wieder, schlief. Ich holte meine Trinkflasche aus meinem Rucksack und trank einen großen Schluck, bevor ich mich neben der Bank auf den Rücken ins Gras fallen ließ. Schlafen war jetzt gar keine so schlechte Idee. Zu noch einer Route war ich zu erschöpft, und den anderen zusehen, wollte ich nicht. Also schloss ich meine Augen und versuchte, die Geräusche um mich herum auszublenden, was mir überraschend gut gelang. Ich wachte wieder auf, als ich etwas nasses in meinem Gesicht spürte. Verwundert öffnete ich meine Augen und blickte in die von Daisuke. Er hatte sich über mich gekniet, seine Wasserflasche in der Hand, mit dem offenen Verschluss direkt über meinem Gesicht. Das erklärte, was mich geweckt hatte. Ich warf ihm einen wütenden blick zu und wischte mir das Gesicht mit meinem Ärmel wieder trocken. Da ich jetzt nicht mehr weiterschlafen wollte, setzte ich mich auf und sah mich um. Isamu war inzwischen zur Bank zurückgekehrt und saß neben Naoki. Dieser war zu meiner Überraschung gerade wach. Doch noch bevor ich mich weiter wundern konnte, warum, hielt mir Daisuke einen Pappteller unter die Nase. „Dein Mittagessen", sagte er, „Ich hab mir die Freiheit genommen, dir Pommes zu bestellen, da du Bratwurst nicht magst." Als ich wieder zu Isamu und Naoki sah, erkannte ich, dass sie bereits aßen, was auch Naokis Wach sein erklärte. Ich schaute zurück zu Daisuke. „Danke", sagte ich und nahm den Teller entgegen, „Wo ist eigentlich Akira?" Der Kaiser der Elektrizität schnitt eine Grimasse und deutete auf den Parkplatz. „Da drüben." Ich folgte seinem Blick, während ich mir die ersten Pommes in den Mund schob. Tatsächlich, Akira war auf dem Parkplatz, er saß mit dem Rücken zu mir an einen Gartenzaun gelehnt. Allerdings war er nicht allein. Neben ihm saß Azarni. sie lehnte gegen ihn und hatte den Kopf auf seiner Schulter. Akira beugte sich zu ihr herunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr, bevor er sie auf die Wange küsste. Etwas in mir zog sich zusammen. Ich spürte, wie meine feucht wurden. Schnell wendete ich meinen Blick ab und starrte auf den Boden, den Kopf nach vorn gebeugt, damit meine Augen von meinen Haaren verdeckt wurden. Daisuke, der mich beobachtet hatte, legte mir die Hand auf die Schulter. „Sieht aus, als hätte er es letztens doch nicht ernst gemeint", murmelte ich leise, „Es ist schon erstaunlich, was Leute im Fieberwahn so alles von sich geben." Der Erbe der Elektrizität seufzte. „Ja, sieht aus als wäre das wirklich nur das Fieber gewesen. Obwohl ich mir sicher war, dass da mehr dahinter war." „Worüber sprecht ihr?", wollte Isamu wissen, der uns beobachtet hatte. Daisuke warf mir einen fragenden Blick zu. Er wollte wissen, ob ich damit einverstanden war, dass er es sagte. Als ich nickte, antwortete er: „Erinnerst du dich noch daran, als Akira in Deutsch zusammengebrochen ist?" Isamu nickte. „Er ist aus dem Krankenhaus ausgebrochen und Ren und ich haben ihn in Rens Wohnzimmer einquartiert, während wir unsere Diskussion über das Auge abgehalten haben. Als ihr dann wieder weg wart, ist er aufgewacht und hat wirres Zeug geredet. Zwischendrin hat er Ren gestanden, dass er sie liebt." Naoki hob die Augenbrauen. „Das hat er gesagt?" „Aber es ist ja nicht so, als ob er es ernst gemeint hätte.", murmelte ich. „Du liebst ihn, oder?", fragte Isamu. Ich nickte. „Sieht so aus." Der Widerstandskämpfer schaute zurück zu Akira und Azarni, die sich gerade leidenschaftlich küssten. „Wenn du es ihm heimzahlen willst, ich bin dabei." „Ich auch", erklang Yayois Stimme hinter mir. Sie lächelte mich aufmunternd an, bevor sie sich neben mich ins Gras fallen ließ. Daisuke grinste. „Ich helfe dir auch. Es wird Zeit, dass Akira lernt, dich nicht für selbstverständlich zu nehmen. Vielleicht merkt er dann endlich, was er an dir hat. Du bist viel besser als diese Tussi da und wenn er kapiert, wird es ihm noch leidtun, dass er dich so verletzt hat." „Danke", flüsterte ich, „Ihr seid echt gute Freunde." „Merkst du das jetzt erst, Chef?" Isamu schaute mich gespielt beleidigt an. „Also wie sieht dein Plan 'Rache an Akira' aus?", kam es von Naoki, der zu meiner Überraschung noch hellwach war. Ich überlegte. „Keine Ahnung. Wir könnten ihm zu Beginn Chilipulver aufs Frühstücksbrot streuen oder ihm nachts mit Textmarker das Gesicht verunstalten. Oder seine Unterhosen im Flur aufhängen." „Klingt nach einem Plan", sagte Isamu. Yayoi nickte. „Du könntest aber auch versuchen, ihn eifersüchtig zu machen." Auf meinen verwunderten Blick hin, ergänzte sie: „Schnapp die einen Kerl und knutsch vor Akira mit ihm rum, halt Händchen, tu so, als wärst du total in ihm verschossen. Und Akira ignorierst du einfach." Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Je länger ich darüber nachdachte, desto besser fand ich die Idee, bis auf den Part mit dem Rumgeknutsche. Ich hatte wenig Lust, jemanden zu küssen, für den ich nichts empfand. Aber den Rest konnte ich problemlos tun. Und da wir heute Abend in eine Disco gingen, würde es nicht weiter schwer sein, einen Kerl zu finden, der meinen Anforderungen entsprach. „Wisst ihr was?" Ich schaute in die Runde. „Wir tun einfach beides. Ich schnapp mir heut Abend in der Disco einen netten Kerl, und wir spielen ihm gleichzeitig so viele Streiche wie möglich. Er wird es noch bereuen, sich mit mir angelegt zu haben." „Da ist sie wieder, die Ren, die wir alle kennen und lieben!", rief Isamu. Ich lächelte. Auch, wenn es immer noch weh tat, half es doch, wenn mich meine Freunde ablenkten. „Was hast du eigentlich für Klamotten für heute Abend eingepackt?", fragte Yayoi nach einer Weile. Ich schaute sie verwundert an. „Jeans und T-Shirt?" Isamu lachte, Daisuke schüttelte grinsend seinen Kopf und Naoki schlief wieder. „Ren!", rief Yayoi, „Sag, dass das nicht dein Ernst ist! Du kannst doch nicht in den Klamotten in die Disco gehen und glauben, dass du einen Kerl abschleppen kannst!" „Ich will auch keinen Kerl abschleppen, ich will nur Rapunzel eifersüchtig machen!", erwiderte ich. Es war schon eine Weile her, dass ich Akira das letzte Mal so genannt hatte. „Komm mit!" Yayoi zog mich auf die Beine. „Dort hinten ist ein Klamottengeschäft. Wir gehen jetzt Klamotten kaufen, damit du heut Abend was zum anziehen hast." Sie ließ mir keine Zeit, zu widersprechen, sonders zog mich aus dem Hochseilgarten, die Straße entlang, bis wir vor dem Klamottengeschäft stehen blieben. Als wir das Geschäft betraten, waren wir allein. Eine Verkäuferin kam auf uns zu. „Kann ich euch helfen?" Yayoi nickte. „Meine Freundin braucht für heute Abend ein Outfit für die Disco." Dann schob sie mich in die nächstbeste Umkleide. Gemeinsam mit der Verkäuferin brachte sie mir verschiedene Outfits, zu denen fast immer ein sehr knapper Minirock gehörte. Am Ende entschied sich Yayoi für einen weißen Minirock mit Rüschchen, die ihn etwas länger aussehen ließen, und ein blaugrünes Neckholdertop mit einem weißem Schriftzug. Als ich das Top genauer ansah, bemerkte ich, dass es genau die gleiche Farbe hatte, wie meine Augen. Als nächstes drückte Yayoi mir eine hautfarbene Nylonstrumpfhose in die Hand. „Damit deine Beine schöner aussehen." Danach suchte sie Schuhe für mich. Nach einigem hin und her entschieden wir uns für schwarze Sandalen mit einem kleinen Absatz, in den anderen hatte ich nicht laufen können. Dazu kam noch eine dünne schwarze Jacke mit Kapuze und eine silberne Kette mit Herzanhänger. Wir zahlten schnell und liefen zurück zum Hochseilgarten, wo die letzten gerade ihre Gurte zurückgaben. Schnell mischten wir uns in die Menge und ich ließ meine neu erworbenen Klamotten in meinem Rucksack verschwinden, den Isamu mir hinhielt. „Wie es aussieht, seid ihr fündig geworden", sagte er, während wir in den Bus einstiegen. Wir setzten uns wieder auf unseren Platz in der letzten Reihe, doch diesmal saß Yayoi noch mit bei uns. Die Fahrt zurück verlief ähnlich, wie die Hinfahrt. Ich hörte Musik und schaute aus dem Fenster. Allerdings war ich diesmal mit den Gedanken bereits beim Abend. Wir hatten kaum das Ferienlager erreicht, da zerrte Yayoi mich schon aus dem Bus in unser Zimmer. „Wie haben noch zwei Stunden", sagte sie, „Ich fang besser gleich mit deinen Haaren an. Immerhin sollst du heute Abend umwerfend aussehen." Ich nickte und ließ sie einfach machen. Was die Mode und das Geschick, irgendwelche Haarfrisuren zu zaubern, betraf, hatte sie eindeutig mehr Talent. Sie kämmte mir mein langes Haar, bevor sie einen Lockenstab auspackte und begann, mir Locken zu drehen. Danach bearbeitete sie meine Haare mit Schaumfestiger und Haarlack. „Damit die Frisur auch hält", erklärte sie mir, „Und jetzt ziehst du die Klamotten an, die wir gekauft hatten." Ich tat, was sie von mir verlangte. Bei der Strumpfhose hatte ich allerdings meine Probleme, was Yayoi mit einem Lachen quittierte. So etwas hatte ich noch nie getragen. Wenn man es genau nahm, hatte ich auch noch nie einen Rock getragen, zumindest nicht freiwillig. Früher hatte meine Mutter mich manchmal gezwungen, einen anzuziehen. Endlich in den neuen Klamotten, ließ ich mich auf mein Bett fallen. „Mach bloß vorsichtig mit der Strumpfhose. Wenn du eine Laufmasche hast, kannst du sie wegwerfen", warnte sie mich. Ich setzte mich wieder auf und richtete mit einer Grimasse meinen Rock. Er war wirklich kurz. Wenn ich nicht aufpasste und mich ungünstig bewegte, konnte man mehr sehen, als nur meine Beine. In der Zwischenzeit machte Yayoi sich fertig, was nicht annähernd so viel Zeit in anspruch nahm, wie bei mir. Ihre kurzen rotblonden Haare ließ sie offen. Sie zog einen schwarzen, extrem kurzen Jeansrock, ein blassrosa Top und ähnliche Schuhe wie ich an. Als ich ihre Beine genauer betrachtete, sah ich, dass sie ebenfalls eine Strumpfhose trug. Danach schminkte sie sich. Als Yayoi fertig war, setzte sie sich neben mich auf das Bett und begann, mich ebenfalls zu schminken. Ich musste immer wieder irgendwelche komischen Grimassen schneiden und zweimal schminkte sie mich wieder ab, bis sie zufrieden war. Mit einem Lächeln betrachtete Yayoi ihr Werk. „Vielleicht sollte ich Stylistin werden", meinte sie, während sie mir die Kette umlegte. Dann erst durfte ich in einen Spiegel schauen. Was ich dort erblickte, überraschte mich. Mir blickte eine hübsche junge Frau mit ausdrucksstarken Augen und vollen Lippen entgegen. „Wow", murmelte ich. Etwas besseres fiel mir nicht ein. Aber Yayoi nahm es mir nicht übel. Sie winkte ab. „Wofür sind Freundinnen denn da, wenn nicht für das?" Dann reichte sie mir meine Schuhe. Ich zog sie an und drehte mich einmal um die eigene Achse, wodurch die Rüschchen meines Rockes sich anhoben und ein ganzes Stück mehr Bein sichtbar wurde. „Du hast wirklich gute Arbeit geleistet. Als ich eben in den Spiegel geschaut habe, habe ich mich fast nicht wiedererkannt." Yayoi grinste. „Die Jungs werden dir heute Abend reihenweise hinterherlaufen. Wenn Akira da nicht merkt, was er verpasst hat, ist er ein noch größerer Idiot, als ich dachte." Ich schnitt eine Grimasse. Musste sie mich ausgerechnet jetzt daran erinnern. Ich wollte gerade etwas erwidern, als Azarni ins Zimmer gestürmt kam. Sie öffnete ihren Koffer, fischte ein paar Klamotten heraus und verschwand ins Bad. Yayoi und mich ignorierte sie. Nach etwa einer Viertelstunde kam sie wieder. Ebenfalls in ihrem Discooutfit. Allerdings sah ihres bei weitem nicht so schön aus, wie meines. Sie trug ein pinkes Minikleid und schwarze Stiefel mit extrem hohen Absatz. In Ihren Haaren steckte eine Blume in der gleichen Farbe wie das Kleid. Sie warf ihre anderen Klamotten aufs Bett und verließ das Zimmer wieder. Yayoi zog sich eine rote Stoffjacke über. „So langsam sollten wir auch mal los, sonst fahren sie noch ohne uns", meinte sie und deutete auf die Uhr. Ich zog mir meine Jacke ebenfalls über. Geldbörse und Handy steckte ich in die Innentasche. Gemeinsam verließen wir das Zimmer und liefen zum Eingangsbereich, wo wir uns treffen sollten. Kapitel 25: Verkalkuliert ------------------------- „So langsam sollten wir auch mal los, sonst fahren sie noch ohne uns", meinte sie und deutete auf die Uhr. Ich zog mir meine Jacke ebenfalls über. Geldbörse und Handy steckte ich in die Innentasche. Gemeinsam verließen wir das Zimmer und liefen zum Eingangsbereich, wo wir uns treffen sollten. Yayoi hätte den Zeitpunkt nicht besser wählen können. Als wir den großen, mit Bäumen umpflanzten und einigen Sitzgelegenheiten ausgestatteten Eingangsbereich betraten, waren bereits alle versammelt. Ein Blick auf die an der Wand angebrachte Uhr verriet mir, dass wir auf die Minute pünktlich waren. Daisuke, der sich bis eben noch mit Akira unterhalten hatte, kam auf uns zu. Prüfend betrachtete er mich von oben bis unten. „Nett siehst du aus." „Nett?", rief Isamu, der sich ebenfalls zu uns gesellte. Naoki, der überraschenderweise gerade wach war, folgte ihm. Yayoi warf Daisuke einen gespielt wütenden Blick zu. „Kerle!", schimpfte sie, „Ihr hab echt sowas von keine Ahnung!" „Hey!", beschwerte sich Isamu, „Ich hab doch gar nichts gesagt." Naoki schüttelte seinen Kopf und beobachtete seinen besten Freund schweigend, wie er sich mit Yayoi stritt, ob Jungs nun Ahnung von Mode hatten oder nicht." Ich schaute zu Akira, woraufhin der Erbe des Wassers schnell seinen Blick abwandte und auf den Boden starrte. „Ich glaube, der Plan könnte funktionieren.", murmelte ich, an niemand besonderen gewandt. „Natürlich funktioniert er!", meinte Yayoi, „Er ist ja auch von mir!" Azarni, die mir bis jetzt nicht unter den anderen Schülern aufgefallen war, kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Ihr Gesicht war von Wut gezeichnet. „Was bildest du dir eigentlich ein!", schimpfte sie, „Akira gehört mir! Lass gefälligst deine Finger von ihm!" Ich setzte mein unschuldigstes Lächeln auf, das ich besaß, gegen das nicht einmal Saya immun war. „Wovon redest du? Ich habe doch gar nichts gemacht!" „Das will ich auch hoffen!" Mit diesen Worten stolzierte die Blondine in ihren viel zu hohen Absatzschuhen davon, direkt auf Akira zu. Allerdings waren die Absätze wohn etwas zu hoch für sie, denn auf halber Strecke stolperte sie über ihre eigenen Füße und wäre beinahe der Länge nach auf den Boden gefallen, wenn unser Klassenleiter sie nicht noch am Oberarm gepackt hätte. Isamu, Yayoi und Daisuke prusteten los und wenig später stimmte auch Naoki ein, genau wie der Rest der Klasse. Auch ich musste lachten, allerdings verging es mir wieder, als ich sah, wie Akira auf Azarni zuging und sie dem Lehrer abnahm. Ich warf den beiden einen letzten wütenden Blick zu, bevor ich meinen Freunden zum Bus folgte, der inzwischen auf dem Hof gehalten hatte. Wie schon auf dem Rückweg vom Hochseilgarten, saßen wir auf der letzten Bank. Ich sah, wie Azarni und Akira Händchen haltend den Bus betraten und sich turtelnd einige Reihen vor uns niederließen. Je länger ich die beiden beobachtete, desto wütender wurde ich. „Na warte, Rapunzel, du kannst etwas erleben!", flüsterte ich leise und ballte meine Hände zu Fäusten Isamu, der mich gehört hatte, grinste. Nur leider war ich nicht nur wütend, sondern auch maßlos enttäuscht von Akira. Ich zog meinen Mp3-Player aus meiner Handtasche, den ich mir vorhin noch schnell eingesteckt hatte, setzte die Kopfhörer auf, darauf achtend, meine Frisur nicht zu zerstören, bevor ich mein Lieblingslied hörte. Ohne es zu merken driftete mit den Gedanken ab. Der Tag hatte mich wohl doch etwas mehr erschöpft, als ich geglaubt hatte und die leichten, schwankenden Bewegungen des Busses trugen nicht gerade dazu bei, munter zu bleiben. Ich gähnte noch einmal, bevor ich in einen unruhigen Schlaf fiel. Es war dunkel und es regnete. Was hieß es regnete? Es goss wie aus Eimern. Die Kleidung klebte an meinem Körper. Als ich mir sie genauer ansah, entdeckte ich ein zerrissenes Kleid von der Art, wie sie Leute vor einigen hundert Jahren getragen hatten. Wieso trug ich so etwas? Vor mir kämpften zwei Personen. Ich wusste nicht, wer es war, konnte es wegen dem starken Regen nicht erkennen, aber ich wusste, ich kannte die beiden. Zögerlich lief ich auf sie zu. Da hörte ich es, dieses Geräusch, wie Klingen aufeinander prallten. Inzwischen war ich nahe genug dran, um erkennen zu können, was vor sich ging. Zwei Jungen, etwa in meinem Alter standen sich gegenüber, mit unzähligen Verletzungen auf den Körpern. Ich zitterte am ganzen Körper. Ein Windstoß von hinten blies mir meine Haare ins Gesicht. Wie ich es gewohnt war, wollte ich sie mir hinter die Ohren streichen, doch ging es nicht. Sie rutschten wieder vor. Warum? Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff. Mein langes Haar war auf einmal so kurz, dass es nicht einmal mehr bis auf die Schulter reichte. Was war hier los? Wieder prallten die Waffen aufeinander. Die Kämpfenden waren am ende ihrer Kräfte angelangt, aber sie hörten nicht auf. Wollten sie so lange weitermachen, bis einer von ihnen starb? Erst jetzt fiel mir auf, dass die Gegend, in der ich mich gerade befand nicht aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert sein konnte. Wo war ich? Wer waren die Personen vor mir? Was war mit meinem Haar passiert? Und wieso um alles in der Welt trug ich so ein hässliches, zerrissenes Kleid? Einer der beiden Kämpfenden schrie schmerzhaft auf. Der andere stürmte auf ihn zu. Plötzlich erschien eine Mauer aus Wasser vor dem, der geschrien hatte. Ein starker Wind kam auf und blies die Mauer zur Seite, woraufhin der Andere mit einem Schwert ausholte. Der junge Mann, der geschrien hatte, konnte dem Schwertangriff gerade noch so ausweichen, indem er in meine Richtung sprang. Jetzt stand er einen Meter neben mir. Ich sah ihn an. Er hatte blaugrünes, kurzes Haar und Augen in derselben Farbe. Außerdem trug er auch solche altmodische Kleidung, wie ich es tat. Plötzlich spürte ich, wie mein Herz um ein vielfaches schneller schlug, als normal. Warum? Der Junge sah mich an. In seinen Augen konnte ich Hass sehen, unendlichen Hass, aber auch eine große Enttäuschung. Irgendetwas sagte mir, dass diese Gefühle nicht auf den anderen Jungen gerichtet waren, sondern auf mich. Wieso? Was hatte ich getan? Der andere Junge kam extrem schnell auf mich zugestürmt. Fassungslos starrte ich ihn an, bewegte mich aber keinen Millimeter von der Stelle. Statt dessen schloss ich krampfhaft die Augen. Ich wollte hier weg, jetzt, sofort. Das war nicht die Welt, in die ich gehörte! Eine warme Flüssigkeit spritzte mir ins Gesicht. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Der fremde Junge mit den blaugrünen Haaren stand vor mir und hatte den Angriff mit seinem Körper abgefangen. Das Schwert steckte in seinem Oberkörper. „Warum?“ Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht heraus. Der Junge drehte sich zu mir um und lächelte. Der Hass und die Enttäuschung waren aus seinen Augen verschwunden. „Würde dir etwas zustoßen, könnte ich mir das nie verzeihen.“ Mit diesen Worten kippte er nach hinten. „NEIN!“ Ich rannte auf ihn zu, schaffte es aber nicht mehr, seinen Sturz abzufangen. Mit einem dumpfen Geräusch kam er auf dem schlammigen Boden auf. Ich kniete mich neben ihn und griff nach seiner Hand. „Nein, bitte!", schluchzte ich. Der Junge versuchte, sich aufzusetzen, doch es gelang ihm nicht. Schnell drückte ich ihn an den Schultern wieder zurück auf den Boden. „Du darfst dich nicht bewegen!" Den Kampf, der um uns herum tobte, hatte ich längst vergessen. Die blaugrünen Augen des Jungen blickten in meine und ein schwaches Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. „Du darfst nicht aufgeben", flüsterte er. Er hob befreite seine Hand aus meinem Griff und strich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Versprich mir, dass du nicht aufgibst." Ich nickte. Zu mehr war ich nicht fähig. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich brachte keinen Ton heraus. „Ich liebe dich." Der Junge lächelte. Seine Hand erschlaffte und rutschte aus meinem Gesicht. „Nein!", schrie ich, „AKIRA!" Erneut griff ich nach seiner Hand. „Bitte, du darfst nicht sterben!" Immer mehr Tränen liefen mir über das Gesicht. Ich bildete mir ein, zu spüren, wie seine Hand kälter wurde. ich... „...n" „...en! „REN!" Ich schreckte auf. Yayoi stand vor mir, ihre Hände auf meinen Schultern und schaute mich besorgt an. Verwirrt schaute ich mich um. Der Bus hatte gehalten. Die anderen waren gerade dabei, ihn zu verlassen. Nur Yayoi und Daisuke waren noch da. „Du hattest einen Albtraum", erklärte der Erbe der Elektrizität ruhig. Ich nickte. „Er ist gestorben", flüsterte ich, „schon wieder." Daisukes Augen weiteten sich. „War es der gleiche Traum, wie letztes Mal?", wollte er wissen. „Es ist immer der gleiche Traum", murmelte ich. Sein Gesicht wurde ernst. „Wie oft hattest du diesen Traum bereits?" „Das war das dritte Mal. Aber irgendwas war anders. Diesmal ging er länger..." Ein ungutes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. „Was hat das zu bedeuten?" „Vermutlich eine Vision sein, oder eine Warnung", meinte Daisuke, „Wir müssen der Sache auf den Grund gehen. Sobald wir wieder zu Hause sind, werde ich mit meiner Mutter darüber sprechen. In ihrer Familie gab es viele Seher, auch wenn sie die Gabe nicht besetzt. Vielleicht kennt sie jemanden, der uns weiterhelfen kann..." Er griff nach meiner Hand und zog mich auf die Beine. Gemeinsam mit ihm und Yayoi verließ ich den Bus. Draußen warteten Isamu und Naoki auf uns. „Alles klar, Chef?", wollte Isamu sofort wissen. Ich nickte nur, da ich nicht wusste, wie ich ihnen die Sache erklären sollte. Ich musste es ihnen sagen, das wusste ich. Aber nicht während der Klassenfahrt. Sobald wir wieder zu Hause waren, würde ich es ihnen sagen, beschloss ich. Jetzt sollten sie erst einmal den Discobesuch genießen. Die beiden musterten mich etwas skeptisch, fragten allerdings nicht weiter nach, wofür ich ihnen Dankbar war. „Dann wollen wir mal ein paar Jungs aufreißen gehen", flötete Yayoi fröhlich, als sei nichts gewesen, und zog mich in vor der Disco wartende Menge, „Bei Gelegenheit erklärst du mir dann mal, was Daisuke mit den Sehern gemeint hat..." Ich schluckte. Yayoi wusste nichts von der anderen Welt, dem Auge der Katze, den Widerständlern, die hier Animale bekämpften oder dem Krieg. Sie war eine ganz normale Schülerin, wie ich es vor nicht allzu langer Zeit auch noch gewesen war. „Geht klar", antwortete ich deswegen in dem Wissen, dass ich ihr die Sache wohl nie erklären würde. Ich durfte sie nicht in den Krieg mit hineinziehen. Sie richtete mir noch einmal die Frisur, ich hatte sie wohl doch etwas beschädigt, bevor sie mir Kopfhörer und Mp3-Playsr abnahm und in meiner Handtasche verschwinden ließ. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich sie noch getragen hatte. Ein letztes Mal überprüfte sie, ob mein Make-up noch in Ordnung war, bevor sie mich weiter zum Eingang der Disco zerrte, wo wir nach kurzer Wartezeit eingelassen wurden. Die Musik drinnen war lauter, als ich geglaubt hatte. Ich musste Schreien, um mit Yayoi reden zu können. Noch waren außer unserer Klasse wenig andere Personen hier, aber es war auch noch relativ früh. Wir beschlossen, uns erst mal in einer ruhigen Ecke an einen Tisch zu Stellen und etwas zu trinken zu bestellen. Alkoholfrei natürlich, darauf hatte unser Klassenleiter bestanden. Sonst hätte er uns nie im Leben zur Abschlussfahrt in eine Disco gelassen. Während Isamu und Daisuke zur Bar gingen und die Getränke bestellten, standen Naoki, Yayoi und ich am Tisch und versuchten uns, trotz der lärmenden Musik zu unterhalten. Ich wusste schon jetzt, dass ich Discos definitiv nicht mochte. Wir unterhielten uns über nebensächliche Dinge und als die beiden Jungs mit unseren Getränken zurückkamen, fingen wir an, über die Leute auf der Tanzfläche zu lästern. Unsere Lieblingsopfer waren Azarni und ein Junge in zerrissener Jeans, sie so tief saß, dass man seine rot karierte Unterhose sehen konnte. Dazu trug er ein schwarzes T-Shirt und ein Cap mit dem Aufdruck eines mir unbekannten Filmes. Aber im Gegensatz zu Azarni konnte er wenigstens tanzen. Sie dagegen stolperte nur so auf der Tanzfläche herum und musste sich mehrfach an Akira festhalten, um nicht hinzufallen. Mit jedem Sturz, nach dem er sie auffing, wurde ich wütender. Yayoi, die meinen Blick bemerkte seufzte. Sie trank den letzten Schluck ihrer Cola, bevor sie mich an der Hand packte und auf die Bühne zog. „Dann wollen wir mal sehen, wie gut du tanzen kannst", meinte sie grinsend. Unsere Jacken und Taschen blieben bei den Jungs, die diese mehr oder weniger freiwillig bewachten. Jedenfalls hatten sie so eine Ausrede, warum sie nicht tanzten. Sie begann, mir ein paar einfache Schritte zu zeigen und mir zu erklären, worauf ich achten musste. Durch das Kampftraining mit Daisuke und Akira gelang es mir schnell, ihre Bewegungen nachzumachen und tanzte bald recht annehmbar. Allerdings hatte ich immer noch etwas Angst, dass mein weißer Minirock etwas mehr freigab, als er sollte, was Yayoi mit einem Kopfschütteln beobachtete. „Keine Angst", sagte sie nach einer Weile, „man kann nichts sehen. Und jetzt hör endlich auf, ständig an deinem Rock herum zu zupfen. Du machst mich noch ganz verrückt!" Danach fiel es mir etwas leichter, mich auf das tanzen zu konzentrieren und bald wurden die ersten Jungs auf uns aufmerksam. Ich tanzte mit mehreren von ihnen, aber irgendwie war keiner nach meinem Geschmack. Schon mehr als einmal musste ich ihre Hände von meinem Hintern entfernen oder mich aus einem zu engen Tanz lösen. Ab und an warf ich einen Blick auf Akira. Dieser beobachtete mich seit einer Weile mit einem grimmigen Gesichtsausdruck. Azarni, die neben ihm stand, hatte schon mehrfach versucht, seine Aufmerksamkeit auf sie zu richten, war allerdings gescheitert. Yayoi, die inzwischen mit Isamu tanzte, ich hatte keine Ahnung, wie sie ihn auf die Tanzfläche bekommen hat, grinste mich ein paar Mal wissend an, wenn Akira wieder besonders grimmig dreinschaute. Aber irgendwie war auch mein jetziger Tanzpartner nicht der richtige. Ich wartete noch bis zum Ende des Liedes, bevor ich unter dem Vorwand, etwas frische Luft zu brauchen, nach draußen verschwand. Es war inzwischen dunkel geworden und der nur spärlich beleuchtete Parkplatz der Disco stand voller Fahrzeuge. Sogar auf der Wiese dahinter hatten einige Ihre Fahrräder, Motorräder und Mopeds abgestellt, weil wo anders kein Platz gewesen war. Ich lief über den Parkplatz, die Arme vor der Brust verschränkt. Ohne Jacke war es doch etwas kalt hier draußen. Ich war gerade an der Wiede angekommen, als ich ein Geräusch hinter mir hörte. Erschrocken fuhr ich zusammen und drehte mich um. Etwa zwei Meter von mir entfernt befand sich eine Person, die zielgerichtet auf mich zukam. Der Statur nach, war es wohl einen jungen, aber sicher konnte ich mir nicht sein. Er trug ein dunkles Sweatshirt, dessen Kapuze er sich ins Gesicht gezogen hatte, was es unmöglich machte, dieses zu sehen. Nur durch Daisukes Training gelang es mir, die Ruhe zu bewahren. Ich konzentrierte mich auf meine Kraft und spürte sofort, wie sie sich in meinem Körper ausbreitete. Meine Sinne wurden schärfer, ich hörte besser und sah besser. Trotz der Dunkelheit hatte ich eine klare Sicht. Der Junge zog sich die Kapuze etwas aus dem Gesicht. Zum Vorschein kam eine schwarze Maske, die sein gesamtes Gesicht verdeckte. Außerdem konnte ich ein paar schwarzrote Haarspitzen erkennen. Ich ging in Kampfstellung. Kein Zweifel, bei dem Jungen vor mir handelte es sich um den gleichen maskierten Jungen, der zu Kaito und Morau gehörte. „Jetzt sei doch nicht immer so ernst", meinte er locker und obwohl ich sein Gesicht nicht erkannte, wusste ich, dass er grinste. „Wo hast du denn deine Freunde gelassen?" Ich ging einen Schritt zurück. Auch wenn ich inzwischen schon einiges gelernt hatte, wusste ich, dass ich ihm im Kampf unterlegen war. Doch er griff mich nicht an. Stattdessen pfiff er anerkennend. „Schickes Outfit. Ich wusste gar nicht, dass du dich so gut kleiden kannst." „Soll das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung sein?", fuhr ich ihn an. Er lachte. „Ein Kompliment natürlich. Was denn sonst?" Mein Blick glitt zum Eingang der Disco. So langsam müssten die anderen doch mein Fehlen bemerkt haben und nach mir schauen. Wenn ich doch nur Tora mitgenommen hätte. Aber ich musste ihn ja unbedingt zu Hause bei meiner Schwester lassen. Ich ging einen weiteren Schritt zurück, was mein Gegenüber mit einem Lachen quittierte. „Wenn ich du wäre, würde ich nicht mal ans weglaufen denken. Es würde dir nicht gelingen. Meine Leute haben dich eingekreist." Hektisch drehte ich mich um und entdeckte tatsächlich einige Männer in schwarzen Anzügen, die sich hinter Bäumen und Sträuchern versteckten, sich aber kurz zeigten, damit ich sehen konnte, dass er maskierte Junge nicht log. „Jetzt sei ein liebes Mädchen und gib mir das Auge der Katze, dann verschwinde ich und du kannst in Ruhe mit deinen Freunden weiterfeiern." „Nein!", antwortete ich mit fester Stimme. Ich würde das Auge nicht weggeben. Es war unsere letzte Hoffnung, den Krieg in Nakuni stoppen zu können. In diesem Augenblick stürmten Isamu und Naoki aus der Disco, dicht gefolgt von Daisuke, der sich sofort auf den maskierten Jungen stürzte, während die anderen beiden sich um dessen Begleiter kümmerten. Es war nur ein kurzer Kampf, der endete, sobald er angefangen hatte. Der maskierte Junge rief seine Begleiter zu sich, bevor er mir noch einmal kurz zuwinkte. „Wir sehen uns." „Hiergeblieben, du Feigling!", rief Isamu. Doch darauf lachte der Maskierte nur. „Keine Angst. Wir ziehen uns nicht zurück. Die Welt ist rund. Wir kommen von der anderen Seite wieder." Dann waren sie verschwunden. „Was war das denn jetzt?", fragte Daisuke verwundert. Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber irgendwie fand ich es lustig." Dann fiel mir auf, dass Akira nicht mitgekommen war. Das Lächeln verschwand aus meinem Gesicht und ich blickte traurig auf den Boden. **************************************************************** Hier geht es zur ersten von drei Nebengeschichten. Animexx http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/389611/320112/ FF.de http://www.fanfiktion.de/s/5265739500011fb637b4bdad/1/Bis-zum-letzten-Schnee-Saya-x-Yuuki- In Bis zum letzten Schnee erfahrt ihr, wie Saya und Yuuki zusammengekommen hat. Außerdem erfahrt ihr auch noch etwas mehr über Yuuki, da er in Contrasts bis jetzt nur wenige kurze Gastauftritte hatte. Kapitel 26: Eskalation und Eifersucht ------------------------------------- „Dieser Vollidiot", schimpfte Daisuke und sah mich mitfühlend an, „Soll ich ihm mal auf den Zahn fühlen?" Ich schüttelte meinen Kopf. „Bist du sicher?", fragte der Erbe der Elektrizität. „Ich will jetzt nicht darüber reden", antwortete ich. Daisuke seufzte. „Wenn du meinst..." Schweigend gingen wir zurück in die Disco. Ich ließ meinen Blick kurz über die tanzenden Paare schweifen, bevor ich mich zu Yayoi, die unsere Sachen bewachte, an den Tisch stellte. Mir war die Lust auf Tanzen vergangen. Isamu klopfte mir noch einmal auf die Schulter, bevor er zur Bar verschwand. Wenig später kam er mit zwei Gläsern Cola zurück, von denen er mir eins überreichte. „Hier, trink erst einmal etwas." Ich nickte ihm dankbar zu und zwang mich zu einem Lächeln. Doch genau an diesem Moment beschloss Akira, gemeinsam mit Azarni an unseren Tisch zu treten. „Alles in Ordnung?", fragte mich der Erbe des Wassers, „Di siehst so blass aus." Ich warf ihm einen bösen Blick zu, bevor ich mich zwang, nett zu lächeln und ihm antwortete: „Klar, was sollte den sein?" Isamu wich einige Schritte zurück. Ich hörte ihn ein „Wow, jetzt ist sie richtig wütend." zu Naoki und Daisuke murmeln, worauf die beiden sofort nickten. Akira jedoch schien das nicht zu bemerken. Er legte Azarni seinen Arm um die Hüfte und zog sie an sich heran. „Dann ist ja alles gut." Ich nickte. „Wenn du uns jetzt bitte wieder allein lassen würdest? Du bist hier nicht erwünscht." Er betrachtete mich mit einem musternden Blick. „Ach, und seit wann ist das so?" Jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich stellte mein noch fast volles Glas Cola ruhig auf dem Tisch ab, ehe ich ihm in die Augen starrte. „Du warst nie erwünscht. Ich habe dich bis jetzt nur geduldet, weil du Daisukes bester Freund bist und ich mich nicht mit ihm streiten wollte! Und jetzt verschwinde!" Yayoi sog scharf Luft ein, sagte aber nichts. Auch Naoki, der überraschenderweise immer noch wach war, und Isamu schnappten nach Luft. Nur Daisuke blieb ruhig. Er legte mir seine Hand auf die Schulter und sagte leise: „Beruhige dich, Ren. Es ist keinem geholfen, wenn ihr euch jetzt hier prügelt." „Als ob sie auch nur den Hauch einer Chance hätte", schnaubte Akira. „Geh einfach", erwiderte ich. Doch Akira ignorierte es einfach. „Was soll so ein schwaches Mädchen wie Seira schon gegen mich ausrichten können!", spottete er weiter. Arzani kicherte und das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich holte aus und schlug ihn kräftig mit meiner flachen Hand auf die Wange. „Jetzt halt endlich mal die Luft an, du Westentaschen-Napoleon. Seit du aufgetaucht bist, stellt du nur Ansprüche, erwartest, dass alle nach deiner Pfeife tanzen und wenn sie es nicht tun, fängst du an, herum zu zicken!" Akira wollte zum Sprechen ansetzen, aber ich brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. „Ich habe keine Lust mehr auf dein Getue also tu mir einen Gefallen und zieh Leine!" Nicht alles, was ich ihm in meiner Wut an den Kopf warf, stimmte. Aber ich dachte mir auch keine Lügen aus. „So lasse ich nicht mit mir reden, und schon gar nicht von einer Frau!" Akira schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ach, ist es jetzt auch noch geschlechtsabhängig?", fuhr ich auf, „Ich habe es dir schon einmal gesagt und ich widerhole es kein zweites Mal. Hör auf, mich wie eine deiner hirnlosen Tussies zu behandeln! Ich lasse mich von dir nicht herumkommandieren!" „Daisuke, jetzt bring endlich dein Mädchen wieder unter Kontrolle!", schimpfte der Erbe des Wassers. Am Tisch wurde es still. Alle starrten ihn erschrocken an. „B- Bitte was?", brachte ich, nachdem ich den ersten Schreck verdaut hatte, hervor. Auch Daisuke war geschockt von dieser Aussage. „Ihr seid doch zusammen", fuhr Akira fort. Ich wusste nicht, über was ich ärgerlicher sein sollte: Die Anschuldigung, mit Daisuke, der ganz nebenbei in Ayaka verliebt war, zusammen zu sein, oder dass Akira Frauen anscheinend für nicht gleichberechtigt hielt. Aber wenn ich genauer darüber nachdachte, passte es irgendwie. Er hatte mich schon immer wie jemanden behandelt, der nicht für sich selbst denken konnte. Das machte mich wütend. Ich griff nach meiner Cola, ging ruhig auf ihn zu, bis ich direkt vor ihm stand und schüttete ihm dann das Getränk über den Kopf. „Jetzt hör mir mal gut zu: Du bist ein respektloser, vorlauter Rotzbengel, ohne einen Hauch Taktgefühl. Du hast dich einfach bei mir eingenistet und durchfüttern lassen, warst dir aber zu fein, im Haushalt mit zu helfen oder dich sonst irgendwie erkenntlich zu zeigen! Statt dessen hast du an allem etwas auszusetzen gehabt. Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Der Kaiser von China? Newsflash: Die Monarchie wurde vor Jahren abgeschafft! Von Emanzipation scheinst du auch noch nichts gehört zu haben. Oder wolltest du es nicht hören? Ich weiß nicht, unter welcher Brücke du bis jetzt vor dich hinvegetiert bist, aber du kannst dich gern dorthin zurückziehen!" Ich drehte mich um und ging zu meinen Freunden zurück. „Lasst uns rausgehen. Die Luft hier stinkt mir." Isamu klopfte mir auf die Schulter. Ob seine Geste anerkennend oder tröstend gemeint war, wusste ich nicht. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regungen. Ähnlich sah es mit Daisuke und Naoki aus. Nur Yayoi starrte Akira wütend an. Geschlossen ging unsere kleine Gruppe am Erben des Wassers vorbei. etwa zwei Schritte hinter ihm blieb ich stehen. „Nur, um die Sache richtig zu stellen. Daisuke und ich sind nicht zusammen. Wir sind nur Freunde." Ich sprach laut und deutlich, damit er mich trotz der lauten Musik auch verstehen konnte. Dann folgte ich den anderen, die bereits zum Ausgang der Disco vorgegangen waren. Draußen ließ ich mich auf den Boden sinken. Dass ich meinen weißen Rock damit dreckig machte, interessierte mich nicht. Es war mich auch egal, dass ich mir meine Strumpfhose zerriss. Isamu gab mir meine Jacke, die ich mir, ihn dankbar anlächelnd, überzog. „Wie soll es jetzt weitergehen?", fragte Daisuke und ich wusste, dass er nicht nur meine Beziehung zu Akira meinte, sondern auch, wie sich unser Streit auf unseren Plan bezüglich Nakuni auswirkte. „Keine Sorge", antwortete ich deshalb, „Ich werde euch weiterhin helfen. Erwarte nur nicht, dass ich weiter nett zu diesem Idiot bin." Der Kaiser der Elektrizität atmete erleichtert aus. „Du hast doch nicht etwa gedacht, ich setze unseren Plan aufs Spiel, nur weil ich mit einem unserer Verbündeten nicht klarkomme", warf ich ihm gespielt beleidigt an den Kopf. Er schüttelte seinen Kopf. „Nein, aber ich wollte sicher gehen, dass du noch hinter deinem Wort stehst." Yayoi schaute uns leicht verwirrt an, was ihr keiner übel nahm. Sie wusste immerhin nicht, wovon wir sprachen. „Willst du sie einweihen?", fragte Naoki nach einer Weile. „Können wir ihr vertrauen?" Ich nickte. „Sie hat bis jetzt jedes meiner Geheimnisse für sich behalten." Der Anführer des Widerstands ließ sich neben mir auf den Boden sinken. „Glaubst du an parallele Welten?", fragte er Yayoi. Das rot-blond-haarige Mädchen sah ihn an, als ob sie nicht wisse, ob sie ihn ernst nehmen sollte. „Ich komme aus einer solchen Welt, Daisuke und Akira auch. Ren und Isamu sind hier geboren, aber ihre Vorfahren stammen aus Nakuni, so heißt diese Welt." Yayoi blickte zu mir, ich sah ihr ihre Unsicherheit an. „Er sagt die Wahrheit", antwortete ich ihrer unausgesprochenen Frage, „Aber da ist nicht mehr. Versprich mir, dass du keinem davon erzählst." Sie nickte. „Ich verspreche es." „Nakuni ist in fünf Herrschaftsbereiche unterteilt, die nach den Elementen benannt sind, die die jeweils herrschende Familie beherrscht: Feuer, Wasser, Wind, Erde und Elektrizität.", fuhr Isamu fort, „Die Familienoberhäupter nennen wir die fünf Kaiser." „Ich bin der Kaiser der Elektrizität", sagte Daisuke und auf Yayois ungläubigen Blick hin ließ er kleine Blitze über seinen Händen erscheinen. „Akiras Vater ist der Kaiser des Wassers", fügte er noch hinzu. „Erinnerst du dich noch an Kaito?", fragte ich. Yayoi nickte. „Er war ein Arschloch." „Sein Vater ist der Kaiser des Windes. Dann gibt es da noch einen Morau, den Sohn des Kaisers der Erde und Yuuki, den Sohn des Kaisers des Feuers, Sayas Freund." „Freund?", fragte sie verwundert, „Freund wie in Kumpel-Freund oder Freund-Freund?" Ich lachte. „Deine Beschreibung gefällt mir. Ich meinte Freund wie in Freund-Freund. Sie sind schon eine Weile zusammen." „Wohin gehörst du? Und Isamu und Naoki?", wollte sie wissen. „Ich bin der Anführer des Widerstands und Isamu ist so etwas wie meine rechte Hand", erklärte Naoki, „Wie bekämpfen die Kaiser." Jetzt war Yayoi endgültig verwirrt. „Aber ihr versteht euch doch..." „Um dir das zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen", fuhr Naoki fort, „Bevor Nakuni in fünf Teile geteilt wurde, wurde es von einer Herrscherfamilie regiert. Sie trugen keine gewöhnliche Krone, sondern wurden an einem bestimmten Edelstein, den sie um den Hals trugen, erkannt. Wir nennen ihn das Auge der Katze. Woher der Name kommt, weiß ich nicht. Vielleicht, weil der Stein den gleichen Farbton hat, wie die Augen von Katzen in Nakuni. Hier haben sie ja nicht nur grüne Augen. Der Legende nach verschwand das Auge, sobald der Herrscher starb und erschien beim nächsten Herrscher, sobald dieser Volljährig war. Das war nicht immer der direkte Erbe. Das Auge suchte sich die Person aus, die am besten geeignet war, das Land zu führen. Aber vor langer Zeit verschwand die Herrscherfamilie und mit ihr das Auge. Das Land wurde unter den fünf mächtigsten Adelsfamilien aufgeteilt. Lange Zeit herrschten sie gerecht. Doch je mehr Zeit verging, desto unwahrscheinlicher war es, dass das Auge zurückkehren würde und sie begannen, ihre Macht auszunutzen und das Land ins Verderben zu stürzen. Nakuni steht kurz vor einem Krieg, der einen großen Teil der Bevölkerung auslöschen könnte. Die Familien der Kaiser, die seit Generationen verfeindet waren, haben vor kurzem Beschlossen, untereinander Bündnisse zu schließen und gemeinsam gegen einen Feind vorzugehen. Intrigen werden gesponnen und ungewollte Personen heimlich aus dem Weg geschafft." Er sah zu Daisuke. Auf dessen Nicken hin, fuhr er fort: „Daisuke ist so einer Intrige zum Opfer gefallen. Sein Onkel hat seinen Vater ermordet und wollte ihn ebenfalls töten. Er war gezwungen, Nakuni zu verlassen, gemeinsam mit seiner Mutter. Seitdem gilt er als tot und regiert sein Onkel das Reich der Elektrizität, was eigentlich Daisuke gehört. Er hat sich mit Wind und Erde verbündet. Sie planen, Wasser und Feuer auszulöschen. Mein Vater stammt aus dem Reich des Windes. Er war ein guter Freund des Kaisers. Als er von dem Bündnis und den Plänen mitbekam, gründete er den Widerstand. Er stellte eine Waffe her, mit der er den Kaisern ebenbürtig war und begann, sie zu bekämpfen. Sie haben ihn gefangen und öffentlich hingerichtet, aber nie seine Waffe gefunden. Die hatte er vorher mir übergeben. Seitdem leite ich an seiner Stelle den Widerstand." Überrascht sah ich ihn an. So viel hatte ich bis jetzt nicht über ihn gewusst. „Akira kam hierher, um nach Verbündeten zu suchen, damit er den Krieg verhindern konnte", setzte Daisuke Naokis Erklärung fort, „Ich schloss mich ihm an, weil es meine Pflicht als Kaiser ist, mein Land zu beschützen. Wenig später kam Ren dazu, die im Besitz des Auges ist, und somit die rechtmäßige Herrscherin, auch wenn sie sich nicht so verhält. Ich habe sie in Politik und Kampf ausgebildet, ohne Akira etwas von dem Auge zu erzählen. Er weiß es bis heute nicht. Ein wenig später schlossen wir ein Bündnis mit dem Widerstand. Seitdem versuchen wir, Feuer ebenfalls zum Beitritt bewegen zu können, und planen, wie wir in Nakuni am besten vorgehen. Der Plan ist fast fertig und die Widerständler reisen zwischen den Welten hin und her, und haben mit der Umsetzung der ersten Phase begonnen. Sobald das Schuljahr beendet ist, geht es los." Yayoi warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. „Das erklärt einiges, auch, warum du seit Neuestem kaum noch Zeit für mich hast. Auch, wenn ich nicht verstehen kann, warum ihr mich jetzt doch eingeweiht habt." „Du siehst Dinge, die normale Menschen nicht sehen", antwortete wieder Naoki, „Dinge, die nur Menschen aus Nakuni sehen können." Sowohl Yayoi als auch ich sahen ihn erschrocken an. „Wenn du willst, kann ich dich trainieren", bot Naoki an, „Dann kannst du dich uns anschließen. Oder du lässt es bleiben. Dann musst du aber versprechen, dass du niemandem davon erzählst." „Ich würde mich euch gern anschließen", sagte Yayoi, ohne zu Zögern. „Hast du irgendwelche Stärken? Kampfsport? Umgang mit besonderen Waffen?", wollte jetzt Daisuke wissen. Yayoi überlegte. „Ich habe mal ein paar Jahre Bogenschießen gemacht..." Naoki nickte. „Sobald wir wieder zu Hause sind, schau ich mir das mal an und dann trainieren wir dich, damit du mit uns kämpfen kannst." In diesem Augenblick trat Akira aus dem Eingang der Disco. Er sah sich kurz um, bevor er wütend auf uns zu stapfte und direkt vor mir stehen blieb. Seine Haare waren von der Cola verklebt und seine Kleidung hatte bräunliche Flecken. „Ich habe mit Azarni Schluss gemacht", sagte er. Ich hob meine Augenbraue. „Und? Was hat das mit mir zu tun?" Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, bevor er eine Grimasse schnitt und sie sich an der Hose abwischte. „Ich wollte dir das nur sagen." „Das hast du jetzt, dann kannst du auch wieder gehen!", antwortete ich, da ich keine Lust hatte, mich noch weiter mit ihm zu unterhalten. Akira sah mich an, als hätte er eine andere Antwort erwartet. Aber was hätte ich sonst sagen sollen? Ich war vielleicht in ihn verliebt, aber das hieß noch lange nicht, dass ich mich so von ihm behandeln ließ. Und ohne eine Entschuldigung würde ich kein normales Gespräch mehr mit ihm führen. Doch er ging nicht. Statt dessen blieb er stehen und fragte nach einer Weile: „Bist du wirklich nicht mit Daisuke zusammen?" Ich antwortete ihm nicht. Dazu war ich noch zu wütend. Der Kaiser der Elektrizität seufzte. „Manchmal bist du echt blöd. Warum hast du mich nicht einfach gefragt? Aber dazu warst du dir wohl zu stolz. Lieber schiebst du die Eifersuchtsnummer!" Akira schnappte nach Luft und wollte gerade etwas erwidern, als Daisuke ihn unterbrach: „Ich bin nicht blöd! Ich kenne dich und ich weiß, dass du schon länger an Ren interessiert bist. Wie du allerdings auf die Idee kamst, ich wäre mit ihr zusammen, kann ich nicht nachvollziehen. Erklärst du es mir? Denn ich habe Ren weder geküsst, noch mit ihr Händchen gehalten, noch sonst etwas getan, was Pärchen normalerweise tun. Ich bin noch nicht mal in sie verliebt!" Der Erbe des Wassers ließ sich neben seinem besten Freund auf den Boden fallen. „Ich habe echt Mist gebaut, oder?" Isamu schnaubte. „Fällt dir das erst jetzt auf?" „Das geht dich nichts an", zischte Akira in seine Richtung, woraufhin er von Daisuke am Kragen gepackt und gegen die nächste Wand gestoßen wurde. „Komm endlich von deinem hohen Ross runter und fang an, dich wie ein normaler Mensch zu benehmen!", schrie er wütend, „Siehst du nicht, was du mit deiner arroganten Art alles anrichtest? Wie lange willst du noch auf den Gefühlen anderer Menschen herumtrampeln? Fang ja nicht an, hier das Opfer zu spielen! Du musst endlich lernen, dass es neben dir noch andere Menschen auf der Welt gibt!" Er ließ ihn wieder los. Akira rutschte an der Wand herunter und blieb regungslos am Boden sitzen. Lange war er still, bis er irgendwann leise „Es tut mir leid." murmelte. Wäre es nicht so still gewesen, hätte ich ihn nicht verstanden. „Was tut dir leid?", bohrte Daisuke leise nach, „Dass du deine Wut an deinen Freunden ausgelassen hast? Dass du mir nicht vertraut hast? Dass du deine eigenen Schlüsse gezogen hast, ohne zu überprüfen, ob sie überhaupt der Wahrheit entsprachen? Dass du Ren wie den letzten Dreck behandelt hast?" „Alles", flüsterte Akira und als er aufsah, bemerkte ich, dass ihm Tränen über das Gesicht liefen. Er weinte. auch Daisuke schien das bemerkt zu haben, denn er kniete sich neben seinen besten Freund und legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. Akira schluchzte: „Es tut mir leid, dass ich nicht sofort zu dir gestanden habe als mein Vater dich verletzte. Es tut mir leid, dass ich dir nicht genug vertraut habe, dass ich nicht mit dir über meine Ängste gesprochen habe. Es tut mir leid, dass ich so gemein zu Ren war. Sie ist ein gutes Mädchen. Das hatte sie nicht verdient." Ich schluckte. Er hatte mich gerade zum ersten Mal 'Ren' genannt und nicht mehr 'Seira'. Irgendwie machte es mich glücklich. Jetzt schaute er mich an. „Ich werde mich bessern, das verspreche ich. Ich werde dich nie wieder 'Seira' nennen. Ich werde dich ab jetzt mit mehr Respekt behandeln. Aber bitte, gib mir noch eine Chance." Mein Herz stockte. Meinte er gerade das, was ich dachte, dass er meinte? Er schien meinen fragenden Blick bemerkt zu haben, denn er nickte. „Ich liebe dich, Ren, schon seit einer Weile." Mein Herz setzte einen Schlag aus, bevor er begann, mit neuer Intensität zu schlagen. Doch so schnell, wie die Euphorie über sein inzwischen zweites Liebesgeständnis gekommen war, so schnell verging sie auch wieder. „Ich liebe dich auch", sagte ich mit festerer Stimme als ich mir zugetraut hatte und sah in sein hoffnungsvolles Gesicht, was mich gleich wieder enttäuscht ansehen würde, „Aber ich will eine gleichberechtigte Beziehung. Ich habe gesehen, was du von Frauen hältst. Das ist nicht das, was ich will. Ich kann und werde mich dir nicht so unterordnen. Davon würde ich nicht glücklich werden. Solange du Frauen nicht als gleichberechtigt akzeptierst, kann ich nicht mit dir zusammen sein. Es tut mir leid." AN: Ich habe ewig gebraucht, bis ich mit diesem Kapitel zufrieden war. Viermal habe ich es gelöscht und wieder von vorne begonnen. Es war schwer, den Streit glaubhaft herüberzubringen. Ich hoffe, ihr seid auch mit meinem Liebesgeständnis zufrieden. Ich wollte es nicht so klischeehaft machen, weil ich das nicht mag. Vergesst nicht, bei meiner Nebengeschichtevorbeizuschauen. (Es hat einen Grund, warum ich sie an genau dieser Stelle hochgeladen habe) Animexx [link href="http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/389611/320112/"]http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/389611/320112/[/link] FF.de [link href="http://www.fanfiktion.de/s/5265739500011fb637b4bdad/1/Bis-zum-letzten-Schnee-Saya-x-Yuuki-"]http://www.fanfiktion.de/s/5265739500011fb637b4bdad/1/Bis-zum-letzten-Schnee-Saya-x-Yuuki-[/link] In Bis zum letzten Schnee erfahrt ihr, wie Saya und Yuuki zusammengekommen hat. Außerdem erfahrt ihr auch noch etwas mehr über Yuuki, da er in Contrasts bis jetzt nur wenige kurze Gastauftritte hatte. Kapitel 27: Von Visionen und fliegenden Messern ----------------------------------------------- Der Rest der Klassenfahrt verlief eher ruhig. Akira und ich sprachen nicht viel miteinander und wenn, dann wechselten wir nur wenige Worte miteinander. Die Strumpfhose hatte ich mir am Abend wirklich zerrissen, aber Yayoi meinte, das sei nicht weiter schlimm, solche Strumpfhisen könne man eh nur selten ein zweites Mal anziehen. Mit Azarni stritt ich mich so schlimm, wie noch nie. sie machte mich dafür verantwortlich, dass Akira mit ihr Schluss gemacht hatte. Naja, irgendwie war ich das auch... Die anderen warfen mir teils bewundernde, teils verwunderte Blicke zu. Es hatte sich herumgesprochen, dass ich Akira einen Korb verpasst hatte. Bis jetzt wusste ich zwar noch nicht, wer dafür verantwortlich war, aber ich tippte auf Isamu oder Naoki. Wobei ich Naoki wahrscheinlich wieder streichen konnte. Außer Schlafen, tat er tagsüber ja nicht besonders viel und endlich wusste ich auch, was mit ihm los war. Wir arbeiteten weiter an unserem Plan, in den wir auch Yayoi eingeweiht hatten. Akira hatte das ohne einen Kommentar hingenommen. Vom Auge hatte ich ihm immer noch nicht erzählt und wenn ich ehrlich war, wäre es mir lieber, wenn ich das nie tun müsste. Aber irgendwann würde er es erfahren. Ich hoffte nur, dass er mir dann verzeihen konnte, es ihn so lange verschwiegen zu haben. Noch würde ich es nicht sagen, es würde unsere Lage nur noch komplizierter machen. Er sollte erst einmal lernen, Frauen als gleichberechtigt zu akzeptieren. Dann konnte ich es ihm allemal noch sagen. Der Bus, in dem wir saßen, fuhr der Autobahn entlang, in Richtung unserer Heimat. Einigen unserer Mitschüler war es sogar gelungen, den Fahrer dazu zu überreden, eine DVD einzulegen. Jetzt lief irgendeine dumme Liebesschnulze, die mich stark an Romeo und Julia erinnerte, auch wenn die Protagonisten anders hießen. Das hatte ich noch überprüft, bevor ich mich meine Kopfhörer aufgesetzt und meinen Mp3-Player eingeschaltet hatte. Akira, der neben mir saß, schaute aus dem Fenster. Isamu war heute früh auf die spontane Idee gekommen, wir könnten unsere Sitzplätze ja auslosen und so kam es, dass ich mich Akira in der Vorletzten Reihe landete, während die anderen es sich hinter mir bequem machten. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass er geschummelt hatte, ich konnte es ihm nur leider nicht nachweisen. Einige Zeit verging und ich war gerade eingedöst, als ich spürte, wie mir jemand den Arm um die Schulter legte. Überrascht schaute ich Akira an, denn es konnte nur er gewesen sein. Er lächelte mich freundlich an. „Schlaf weiter", flüsterte er leise. Ich nickte, noch nicht wieder ganz wach und bettete meinen Kopf auf seiner Schulter, woraufhin er begann, mir mit der Hand durch mein langes Haar zu fahren. Ich schloss meine Augen und genoss die kleinen Zärtlichkeiten, wissend, dass ich ihm dadurch nur noch mehr verfiel. Aber sein Verhalten schien ihm aufrichtig leid zu tun, denn er hatte sich inzwischen selbst bei Naoki und Isamu entschuldigt. Mit dem Gedanken, noch eine Weile abzuwarten und wenn er dann weiterhin so nett war, doch mit ihm zu gehen, schleif ich ein. „Hey, Ren" Etwas rüttelte an meiner Schulter. „Aufwachen! Wir sind gleich da!" Müde öffnete ich meine Augen und blickte in die blaugrünen Augen Akira. Er hatte sich über mich gebeugt. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich, wie der Bus gerade an der Haltestelle hielt, an welcher wir auf der Hinfahrt eingestiegen waren. Ganz wie der Gentleman, der er seit Neuestem war, nahm mir Akira meinen Rucksack und später auch meinen Koffer ab und trug sie zu mir nach Hause. Er ließ sich nicht das kleinste Bisschen Erschöpfung anmerken, dabei waren meine Taschen nicht gerade leicht. Die anderen folgten mir, auch Yayoi. Sie hatten wohl wieder beschlossen, die Meetings bei mir zu Hause abzuhalten. Gefragt hatten sie mich auch dieses Mal nicht, aber ich nahm es ihnen nicht übel. Isamu wollte gerade die Klingel betätigen, da ich ihm zu lange nach dem Schlüssel suchte, als die Tür aufgerissen wurde und meine jüngere Schwester uns schief angrinste. „Wieder Full House, heute?", fragte sie gut gelaunt, wie sie es eigentlich immer war. Dann fiel ihr Blick auf Akira, der meine Taschen noch immer in der Hand hatte. Ihr Grinsen wurde noch breiter. „Wurde aber auch langsam Zeit. Ich dachte schon, ihr bekommt das nie auf die Reihe!" Ich seufzte. War es wirklich so offensichtlich gewesen? Einer nach dem anderen betraten wir das Haus, während Saya fröhlich vor sich hin trällerte und den Pizzaboten anrief. Inzwischen wusste sie, was jeder von uns, außer Isamu, für eine Sorte bevorzugte. Aber der fraß eigentlich alles, was man ihm vorsetzte. Ich hatte noch nie gehört, dass ihm irgendetwas nicht geschmeckt hatte. Irgendwas musste mit seinen Geschmacksnerven passiert sein. In der Küche wurde ich auch schon stürmisch von Tora begrüßt, der sich sofort von seinem noch gut gefüllten Futternapf abwandte und mir in die Arme sprang. Ich lachte und kraulte meinen kleinen Animale. Saya deckte währenddessen dein Tisch. Sie stellte Gläser, Getränke und sogar Teller und Besteck darauf. Wie es aussah, hatte sie uns wirklich vermisst. Als ich die Teller nachzählte, stellte ich fest, dass einer zu viel auf dem Tisch stand. „Kommt Yuuki vorbei?", fragte ich sie deshalb. Saya nickte. „Er hat in zehn Minuten Dienstschluss." War es schon so spät? Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war Zehn vor Sieben. Also hatte Yuuki heute früher Schluss. Wenig später, ich hatte es noch nicht geschafft, meinen Koffer auszuräumen, klingelte es an der Tür. Saya stürmte die Treppe hinunter. Danach waren Stimmen im Flur zu hören und sie trat gemeinsam mit ihren Freund in die Küche. Schnell waren die Pizzas ausgeteilt, und die Kartons auf dem Fensterstock gestapelt. Das Essen verlief relativ schweigsam. Nach der langen Busfahrt waren wir erschöpft und nicht mehr wirklich zu irgendwas zu gebrauchen. Ich wollte nur noch ins Bett und schlafen. Morgen würde mein Training weitergehen und ich wollte meinen letzten freien Tag genießen und schlafen, solange ich konnte. Doch Daisuke schien etwas anderes geplant zu haben. Er hatte seine Mutter angerufen und zu mir bestellt. Sie sollte mit mir den Traum durchgehen, den ich seit Monaten hatte. Er war immer noch der Meinung, dass es sich um eine Vision handelte. Nach dem Essen verabschiedeten sich Isamu und Naoki, die noch einige Sachen im Widerstand zu regeln hatten. Yayoi begleitete sie. Auch Saya und Yuuki verabschiedeten sich. Sie wollten noch ins Kino gehen, hatten sie gemeint. Ich gönnte es ihnen, auch wenn ich ein kleinwenig neidisch auf meine Schwester war, da ihre Beziehung so gut lief, während ich kein Glück in der Liebe hatte. Nur Daisuke und Akira blieben, worüber ich relativ froh war. Ich wollte die anderen nicht beunruhigen, falls mein Traum doch nicht so ernst zu nehmen war, wie Daisuke glaubte. Daisukes Mutter, sie hatte sich als Nana vorgestellt, war eine freundliche Frau mittleren Alters. Ihr an einigen Stellen schon ergrautes Haar hatte sie lose im Nacken zusammengebunden. Ihre, im Gegensatz zu Daisuke braunen Augen, strahlen Weisheit und Lebensfreude aus. „Also, Seira-", begann sie, wurde aber sofort von mir und Daisuke energisch unterbrochen. „Ren!", riefen wir zeitgleich. Akira lachte leise, sagte aber nichts, wofür ich ihm dankbar war. Er schien sich wirklich Mühe zu geben. „Also, Ren", sagte Nana deshalb mit einem leichten Lächeln im Gesicht, „Dann erzähl mir mal, was das für ein Traum ist, der dich die letzte Zeit verfolgt." Ich kam ihrer Aufforderung nach und erzählte davon, dass es regnete, dass ich irgendwelche komische Kleidung trug, dass meine Haare kürzer waren, dass Akira gegen Kaito kämpfte und von diesem mit einem Katana aufgespießt wurde. Das Liebesgeständnis ließ ich allerdings weg, das brauchte keiner zu wissen. Ich erwähnte nur noch, dass Akira in dem Traum ebenfalls kurze Haare gehabt hatte. „Bist du dir sicher, dass Akira in deinem Traum stirbt?", fragte Nana dann. Zuerst sah ich sie verwundert an, bis ich begriff, worauf sie hinauswollte. „Nein. Als der Traum aufhört, lebt er noch. Aber er ist schwer verletzt und das Bewusstsein verliert er auch." Nana seufzte. „Also können wir davon ausgehen, dass er es sehr wahrscheinlich nicht überlebt..." Ich schaute sie an, nicht wissend, was ich darauf antworten sollte. „Seit wann hast du diesen Traum? Wann hattest du ihn zu ersten Mal?" Ich überlegte kurz. „In der Nacht, bevor ich Akira kennenlernte." Nanas Gesicht war inzwischen ernst geworden und sie zog ihre Stirn in Falten. „Hat sich der Traum seitdem irgendwie verändert?" Ich nickte. „Er geht jetzt länger. Früher hat er schon eher aufgehört. Aber ansonsten habe ich keine Veränderung bemerkt." Nana seufzte, dann wandte sie sich an ihren Sohn. „Ich sage es nur ungern, aber ich denke, dass es sich bei Rens Traum um eine Vision handelt. Allerdings weiß ich nicht, wie genau man diese nehmen kann. Aber es handelt sich dabei definitiv um eine Warnung vor einem Geschehen, das noch in der Zukunft liegt." Dann gab sie mir eine kleine Papiertüte, in der sich einige Kräuter befanden. „Brühe dir heute Abend einen Tee daraus und geh schlafen, sobald du ihn getrunken hast. Er verstärkt die Gabe, Visionen zu empfangen. Hast du diese Nacht keine, handelt es sich also nur um einen dummen Traum. Hast du allerdings eine Vision, dann benachrichtige mich bitte." Ich nickte. Zu mehr war ich nicht mehr fähig. Akira würde sterben und Kaito würde ihn umbringen. Ich hatte echt kein Glück mit den Personen, in die ich mich verliebte. In der Nacht hatte ich wieder diesen Traum: Es war dunkel und es regnete. Die Kleidung klebte an meinem Körper. Als ich mir sie genauer ansah, entdeckte ich ein zerrissenes Kleid von der Art, wie sie Leute vor einigen hundert Jahren getragen hatten. Wieso trug ich so etwas? Vor mir kämpften zwei Personen. Ich wusste nicht, wer es war, konnte es wegen dem starken Regen nicht erkennen, aber ich wusste, ich kannte die beiden. Zögerlich lief ich auf sie zu. Da hörte ich es, dieses Geräusch, wie Klingen aufeinander prallten. Inzwischen war ich nahe genug dran, um erkennen zu können, was vor sich ging. Zwei Jungen, etwa in meinem Alter standen sich gegenüber, mit unzähligen Verletzungen auf den Körpern. Ich zitterte am ganzen Körper. Ein Windstoß von hinten blies mir meine Haare ins Gesicht. Wie ich es gewohnt war, wollte ich sie mir hinter die Ohren streichen, doch ging es nicht. Sie rutschten wieder vor. Warum? Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff. Mein langes Haar war auf einmal so kurz, dass es nicht einmal mehr bis auf die Schulter reichte. Was war hier los? Wieder prallten die Waffen aufeinander. Die Kämpfenden waren am Ende ihrer Kräfte angelangt, aber sie hörten nicht auf. Wollten sie so lange weitermachen, bis einer von ihnen starb? Erst jetzt fiel mir auf, dass die Gegend, in der ich mich gerade befand nicht aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert sein konnte. Wo war ich? Wer waren die Personen vor mir? Was war mit meinem Haar passiert? Und wieso um alles in der Welt trug ich so ein hässliches, zerrissenes Kleid? Einer der beiden Kämpfenden schrie schmerzhaft auf. Ich erkannte ihn als Akira. Der andere stürmte auf ihn zu. Plötzlich erschien eine Mauer aus Wasser vor Akira. Ein starker Wind kam auf und blies die Mauer zur Seite, woraufhin der Andere, es war Kaito, mit einem Katana ausholte. Akira konnte dem Schwertangriff gerade noch so ausweichen, indem er in meine Richtung sprang. Jetzt stand er einen Meter neben mir. Ich sah ihn an. Sein blaugrünes, kurzes Haar war nass vom Regen und seine Augen, die dieselbe Farbe hatten, leuchteten unnatürlich hell. Außerdem trug er auch solche altmodische Kleidung, wie ich es tat. Plötzlich spürte ich, wie mein Herz um ein vielfaches schneller schlug, als normal. Warum? Akira sah mich an. In seinen Augen konnte ich Hass sehen, unendlichen Hass, aber auch eine große Enttäuschung. Irgendetwas sagte mir, dass diese Gefühle nicht auf Kaito gerichtet waren, sondern auf mich. Wieso? Was hatte ich getan? Kaito kam extrem schnell auf mich zugestürmt. Fassungslos starrte ich ihn an, bewegte mich aber keinen Millimeter von der Stelle. Statt dessen schloss ich krampfhaft die Augen. Ich wollte hier weg. Das war nicht die Welt, in die ich gehörte! Eine warme Flüssigkeit spritzte mir ins Gesicht. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Akira stand vor mir und hatte den Angriff mit seinem Körper abgefangen. Das Katana steckte in seinem Oberkörper. „Warum?“ Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht heraus. Akira drehte sich zu mir um und lächelte. Der Hass und die Enttäuschung waren aus seinen Augen verschwunden. „Würde dir etwas zustoßen, könnte ich mir das nie verzeihen.“ Mit diesen Worten kippte er nach hinten. „NEIN!“ Ich rannte auf ihn zu, schaffte es aber nicht mehr, seinen Sturz abzufangen. Mit einem dumpfen Geräusch kam er auf dem schlammigen Boden auf. Ich kniete mich neben ihn und griff nach seiner Hand. „Nein, bitte!", schluchzte ich. Der Junge versuchte, sich aufzusetzen, doch es gelang ihm nicht. Schnell drückte ich ihn an den Schultern wieder zurück auf den Boden. „Du darfst dich nicht bewegen!" Den Kampf, der um uns herum tobte, hatte ich längst vergessen. Die blaugrünen Augen des Erben des Wassers blickten in meine und ein schwaches Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. „Du darfst nicht aufgeben", flüsterte er. Er befreite seine Hand aus meinem Griff und strich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Versprich mir, dass du nicht aufgibst." Ich nickte. Zu mehr war ich nicht fähig. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich brachte keinen Ton heraus. „Ich liebe dich." Der Junge lächelte. Seine Hand erschlaffte und rutschte aus meinem Gesicht. „Nein!", schrie ich, „AKIRA!" Erneut griff ich nach seiner Hand. „Bitte, du darfst nicht sterben!" Immer mehr Tränen liefen mir über das Gesicht. Ich bildete mir ein, zu spüren, wie seine Hand kälter wurde. Dann wurde es schwarz um mich herum. Regen und Geräusche verschwanden. Bilder zogen an meinen Augen vorbei, so schnell, dass ich sie kaum wahrnehmen konnte. Als ich meine Augen wieder öffnete, befand ich mich auf einem großen Platz, der von einer noch größeren Tribüne umgeben war. Dort standen und saßen Menschen, die Kleidung trugen, wie sie vor einigen hundert Jahren modern gewesen war. Als ich an mir heruntersah, sah ich, dass ich ebenfalls so ein Kleid trug. Ich kannte dieses Kleid, wusste aber nicht, woher. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich auf dem Boden Kniete. Eine fremde Hand hatte mein langes Haar so stark gepackt, dass es wehtat. Ich wollte aufstehen, wurde aber an den Haaren wieder zurück in meine bisherige Position gezerrt. „Halt schön still", hörte ich Kaitos Stimme hinter mir, „Dann passiert dir auch nichts. Wir wollen nur das Auge." Eine Hand tastete an meinem Hals entlang, auf der Suche nach meiner Katte. Sie wurde auch schnell fündig und zerrte an dem schwarzen Band, an dem der grüne Stein hing. Schnell griff ich nach dem Stein. Ich wollte nicht, dass Kaito ihn mir wegnahm. „Finger weg!", hörte ich mich sagen. Hinter mir lachte es. „Nun hör schon endlich auf, dich zu wehren. Es hat keinen Sinn mehr. Du hast verloren." Doch ich hörte nicht auf. Stattdessen fing ich an, meinen Kopf wild hin und her zu schütteln. Mein Haar wurde straffer gepackt, was mich daran hinderte, ihn weiter zu bewegen, und eine Hand fuhr mir durch das Haar. „Was für schöne lange Haare du hast", vernahm ich wieder Kaitos Stimme. Ich wusste nicht, woran es lag, doch aus irgendeinem Grund machte mich diese Aussage unglaublich wütend. Danach ging alles schnell. Das Auge der Katze, welches ich immer noch mit einer Hand um umklammerte, wurde warm und nahm die Form eines Katanas an. Ich reagierte schnell. Noch bevor Kaito eine Chance hatte, mich daran zu hindern, hatte ich den Griff des Katanas mit beiden Händen gepackt und die Schneide nach hinten, in Richtung meiner Haare, bewegt. Die Hand in meinem Haar verschwand. Ich nutzte die Gelegenheit und sprang von ihr weg. Dabei wehten mir meine langen Haare ins Gesicht. Während des Sprunges fiel mein Blick auf Akira, er kniete am Boden, Daisuke war neben ihm und schien ihn zu stützen. Grünblaue Augen schauten mich mit einer Mischung aus Wut, Hass und Enttäuschung an, dann wandte Akira seinen Blick ab. Ich blickte zu Kaito, dem ich jetzt gegenüberstand. Er schüttelte seine rechte Hand und sah mich mit einem seltsamen Grinsen im Gesicht an. „Du wolltest dir eben doch nicht ernsthaft deine schönen langen Haare abschneiden, oder Seira?", fragte er mit hörbarem Spott in der Stimme. „Ich geb dich gleich 'schöne lange Haare'", zischte ich wütend und bevor ich realisierte, was ich gerade tat, hatte ich nach hinten gegriffen und mit einer Hand mein Haar gepackt. Mit der anderen führte ich das Katana nach hinten und schnitt mir mit dem Samuraischwert die Haare ab. „Hier! Bitteschön!", schrie ich und warf sie in Kaitos Richtung. „Und nenn mich nie wieder Seira!" Eine Windböe kam auf und verteilte mein Haar auf dem ganzen Platz. Durch das fliegende Haar hindurch sah ich Kaito, der mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Ich schreckte auf und saß sofort aufkrecht in meinem Bett. Meine Atmung ging stoßweise und ich zitterte. Mein Traum hatte sich verändert! Es war mehr geworden. Diesmal waren nicht nur Akira und Kaito dort gewesen, sondern auch noch Daisuke. In meinem Zimmer war es bereits hell und die Sonne schien zum Fenster herein, weshalb ich beschloss, einfach aufzustehen. Ich zog mir eine Jogginghose und ein bequemes T-Shirt an, bevor ich meine Haare lustlos zusammenband und das Zimmer verließ. Auf dem Weg zur Küche hörte ich schon die Stimmen von Daisuke und Saya. Als ich die Tür öffnete, bot sich mir ein lustiges Bild. Saya und Daisuke staden vor der Spüle und wüschen das Geschirr von gestern Abend an. „Der Geschirrspüler ist kaputt", erklärte Daisuke auf meinen fragenden Blick hin. Ich nickte nur und setzte mich an den Tisch. Erst jetzt bemerkte ich Akira, der rechts neben mir entspannt an der Wand lehnte und genüsslich an seinem Kaffee schlürfte. „Ihr könntet uns ruhig helfen!", schimpfte Saya nach einer Weile. Akira hob seine Schultern. „Abwaschen ist Frauenarbeit." So schnell konnte ich gar nicht reagieren, wie die Küchenmesser geflogen kamen. Sie bohrten sich, mit der Spitze voran und der Schneide nur wenige Millimeter von Akiras Gesicht entfernt, links und rechts neben seinem Kopf in die Wand. Eines der Messer hatte ihm sogar an der Wange gestreift und einen dünnen, sauberen Schnitt hinterlassen, der jetzt begann, zu bluten. Die Messer, die Saya geworfen hatte, waren so scharf, dass sie, wo sie in der Wand steckten, sogar Akiras Haare durchtrennt hatten und einige Strähnen des blaugrünen Haares auf den Boden fielen. Die Kaffeetasse rutschte Akira aus der Hand und kam mit einem klirrenden Geräusch auf, wo die in tausend Scherben zersprang. Der Kaffee verteilte sich zwischen den Scherben und Akiras abgetrennten Haaren. ******************************************************************* Alle, die noch nicht bei der Nebengeschichte vorbeigeschaut haben, sollten das nach diesem Kapitel nachholen. (Es ist für den weiteren Verlauf der Geschichte praktisch, zu wissen, was dort passiert ist) Animexx http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/389611/320112/ FF.de http://www.fanfiktion.de/s/5265739500011fb637b4bdad/1/Bis-zum-letzten-Schnee-Saya-x-Yuuki- Kapitel 28: Yuukis zweite Identität ----------------------------------- „Da kann ich nichts mehr machen", sagte Ayaka, die Akiras Haar kritisch betrachtete, „Wenn ich du wäre, würde ich es abschneiden." Der Erbe des Wassers warf Saya einen wütenden Blick zu, bevor er nickte. „Dann schneid es ab." Nachdem wir uns vom ersten Schock erholt hatten und Akira den Boden unter Androhung vom Essensentzug und Schlössern vorm Kühlschrank gekehrt und gewischt hatte, hatte ich Ayaka angerufen und gebeten, vorbeizukommen, damit sie sich Akiras Haar anschauen konnte. Sie war die einzige von uns, die in der Lage war, die Haare so zu schneiden, dass es hinterher ordentlich aussah. Ich reichte ihr einen Kamm die Haarschneideschere, die meine Mutter früher benutzt hatte, um mir und Saya die Haare zu schneiden. Sie war noch gut erhalten. Ayaka nahm die Gegenstände lächelnd entgegen und begann, Akiras Haar zu bearbeiten. Strähne für Strähne fiel sein langes blaugrünes Haar auf den Boden. Akira sah seinem Haar wehleidig hinterher. Ayaka musste ziemlich viel abschneiden und als sie fertig war, reichte Akiras Haar nicht einmal noch bis zum Kinn. Daisuke, ließ sich grinsend neben ihm nieder. „Jetzt hör schon auf, zu schmollen. Außerdem geschieht es dir recht. Was hast du auch so eine große Klappe." Akira schnaubte. „Jetzt fall du mir nicht auch noch in den Rücken." Inzwischen hatte ich mein Handy aus der Hosentasche geholt und schnell ein Foto geschossen. Dieses schickte ich, zusammen mit ein paar Smileys, an Isamu und Naoki. Es dauerte nicht lange und ich erhielt eine Antwort von Isamu, in der er sich zum Mittagessen 'für eine taktische Besprechung' einlud. So wie ich ihn kannte, wollte er sich nur über Akira lustig machen. Doch ich sagte ihm trotzdem zu, unter der Bedingung, dass er das Essen mitbrachte. Als Ayaka fertig war, reichte sie Akira einen Handspiegel, in dem er ihr Werk kritisch betrachtete. Es war ihr gut gelungen, fand ich. Man konnte keinen Unterschied zu einem Haarschnitt von einem Friseur sehen. Das schien auch Akira so zu sehen, denn er nickte anerkennend und gab ihr den Spiegel zurück. Er wollte die Küche gerade verlassen, als Saya ihn zurückrief. „Du hast etwas vergessen!" Grinsend reichte sie ihm zum zweiten Mal den Besen. Akira murrte, nahm ihn aber entgegen und kehrte sein abgeschnittenes Haar auf. Er war gerade fertig, da klingelte es schon an der Tür. Als ich öffnete, standen mir Isamu und Naoki entgegen. Sie hielten mir vier Pack Spagetti, eine Tüte Tomaten, eine Tüte Zwiebeln, Ketchup und zwei Dosen Fertigtomatensoße entgegen. „Für das Essen ist gesorgt", meinte Isamu und grinste breit „Wir waren extra noch schnell einkaufen." Ich lachte. „Da wird sich Akira aber freuen." Die beiden traten ein und liefen in Richtung Küche, wo Isamu Daisuke die Lebensmitteleinkäufe reichte. Erst danach wandte er sich an Akira. „Bist du unter einen Rasenmäher geraten oder was ist passiert?", scherzte er. Akira warf ihm einen wütenden Blick zu, erwiderte aber nichts. Isamus Grinsen wurde noch breiter, falls das überhaupt noch möglich war. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst und mit gespieltem Mitleid klopfte er dem Erben des Wassers auf die Schulter. „Nimm es nicht so schwer. Wenigstens kann Ren dich jetzt nicht mehr Rapunzel nennen." Saya, die das Geschehen bis jetzt aus dem Hintergrund beobachtet hatte, konnte sich nicht mehr beherrschen und lachte laut los. Einer nach dem anderen stimmten wir ein und am Ende lachten sogar Naoki und Akira. Die darauf folgenden Tage verliefen eher ruhig. Akira gewöhnte sich mehr oder weniger schnell an seine neue Frisur. Die Vorbereitung für Nakuni waren inzwischen beinahe abgeschlossen. Jetzt mussten wir nur noch auf die passende Gelegenheit warten. Nur bezüglich Yuuki hatte sich nichts getan. Er wollte sich nach wie vor aus allen Konflikten heraushalten. Mit Akira verstand ich mich von Tag zu Tag immer besser. Wenn er wollte, konnte er ein echter Gentleman sein. Aber von Tag zu Tag wuchs auch mein schlechtes Gewissen. Ich hatte ihm immer noch nichts vom Auge erzählt und wollte es am liebsten niemals tun. Aber früher oder später wurde er es herausfinden. Entweder von mir, von einem unserer Verbündeten oder von Kaito und Morau. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich Angst vor diesem Moment. Würde Akira in alte Muster verfallen und wieder der verzogene, egoistische Rotzbengel werden, der er am Anfang gewesen war? Ich seufzte. Übermorgen war der Abschlussball und Yayoi und ich liefen gerade von einer Boutique zur nächsten. In dem ganzen Stress in den letzten Monaten war mir nämlich entfallen, dass ich für den Abschlussball auch ein Kleid benötigte. „Beeil dich, Ren", schimpfte meine rotblondhaarige Freundin, „In einer Stunde schließen die Geschäfte." Schnell rannte ich ihr hinterher und betraten die gefühlt hundertste Boutique. Die wievielte es wirklich war, wusste ich nicht. Ich hatte bei fünfzehn aufgehört zu zählen. Ich hatte die Boutique kaum betreten, da wurde ich auch schon in die Umkleide geschoben und Yayoi reichte mir ein Kleid nach dem anderen, die ich anzog und ihr dann präsentierte. Bis jetzt war sie mit noch keinem Kleid zufrieden gewesen. Ich befürchtete schon, dass das diesmal auch der Fall sein würde, als sie plötzlich meinte: „Das nehmen wir." Sie deutete auf das blassgrüne Satinkleid, welches ich gerade trug. Am liebsten wäre ich vor Freude in die Luft gesprungen, aber ich hielt mich zurück. Nicht, dass sie es sich dann noch einmal anders überlegte. Zuzutrauen wäre es ihr. Schnell suchte sie noch eine zu dem Kleid passende dünne Jacke, Schuhe und eine Handtasche heraus, dann durfte ich mich wieder umziehen. Endlich wieder meine knielange Jeans und mein T-Shirt tragend ging ich zur Kasse. Als die Kassiererin den Preis nannte, musste ich schlucken. So ein teures Kleidungsstück hatte ich noch nie besessen, aber da ich nicht noch weiter suchen wollte, bezahlte ich es und lies es mir einpacken. Dann liefen wir zurück zu den anderen, die wir in einem Straßencafe sitzen lassen hatten. Ich hatte sie gerade erblickt, da hielt ich auch schon den Beutel mit meinem neu erworbenen Kleid hoch und rief: „Wir haben etwas!" „Na endlich!", murrte Akira, ehe er nach meinem Beutel griff. Schnell zog ich ihn aus Akiras Reichweite. „So nicht", schimpfte ich, „Das bekommst du erst zum Abschlussball zu Gesicht!" Daisuke, der uns beobachtet hat, lachte. So machten wir uns zu viert auf den Rückweg. An der Bushaltestelle mussten wir nicht lange warten, dann kam unser Bus, in den wir auch gleich einstiegen. Da die Sonne schien und wir schönes Wetter hatten, entschieden wir, einen kleinen Umweg zu nehmen und das schöne Wetter noch etwas zu genießen. Deshalb stiegen wir einige Haltestellen früher aus. Wir brachten Yayoi nach Hause, wo ich ihr auch das Kleid übergab. Nicht, dass Akira noch auf die Idee kam, in meinem Zimmer danach zu suchen. Dann liefen wir zu dritt weiter. Akira griff nach meiner Hand und ich ließ es zu. Auch wenn wir offiziell noch kein Paar waren, wusste ich, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis ich ihm nachgab. „Und, freust du dich schon auf dein Zeugnis?", fragte der Erbe des Wassers. Ich grinste. „Wohl eher auf die Ferien, die darauf folgen!" Wir lachten und liefen weiter. Inzwischen waren wir auf einer wenig genutzten Straße am Rand des Dorfes, wo nur wenige Häuser standen und noch weniger Autos vorbeifuhren, angekommen. Wegen der wenigen Autos hatte man sich nicht mal die Mühe gemacht, die Straße zu teeren. Sie bestand noch aus den gleichen abgenutzten Wackersteinen, aus denen man sie im letzten oder vorletzten Jahrhundert gebaut hatte. Hier hatte früher auch Kaito gewohnt, war dann aber umgezogen und das Haus stand jetzt leer. Würde er noch hier wohnen, würde ich einen großem Bogen um diese Gegend machen, wie ich es vor seinem Umzug getan hatte. Aber der Erbe des Windes wohnte schon seit Jahren nicht mehr in dem Dorf. Wohin er genau gezogen war, wusste ich nicht, aber es war mir auch egal. „Was gibt es heute Abend zu essen?", fragte Akira Daisuke. Der Kaiser der Elektrizität sah seinen besten Freund gespielt aufgebracht an. „bin ich dein Koch?" Akira schüttelte den Kopf. „Nein, aber du bist der einzige im ganzen Haus, der vernünftig kochen kann." Wären meine Kochkünste nicht so katastrophal, wäre ich jetzt beleidigt. Aber wer nicht einmal Nudeln kochen konnte, ohne etwas falsch zu machen, der sollte sich über solche Kommentare besser nicht beschweren, zumal er auch nicht an mich gerichtet war. Deshalb nahm ich es gelassen. Dann konnte ich eben nicht kochen, na und? Eine der Mülltonnen auf der rechten Seite explodierte. Akira zog mich an sich, um mich vor der Explosion zu schützen. Danach wurden wir durch die Luft geschleudert und kamen einige Meter entfernt wieder am Boden auf. „Scheiße, was war das denn?", schimpfte Daisuke, der sofort wieder auf die Beine gesprungen war. Auch Akira stand wieder auf und zog mich auf die Beine. Aufmerksam sehen wir uns um. Dann kam plötzlich ein Wind auf, der so stark war, dass er uns beinahe von den Füßen wehte. Ich war froh, heute früh keinen Rock angezogen zu haben, sonst hätte ich jetzt ein ernsthaftes Problem. Im nächsten Augenblick stand Kaito vor mir. Der Wind verschwand und der Junge musterte mit gehobener Augenbraue mein Outfit. „Kein Rock, heute?", fragte er mit enttäuschter Stimme. Er wollte nach meiner Schulter greifen, aber Akira war schneller. Er schlug Kaitos Hand zur Seite. „Finger weg von meiner Freundin!", zischte er. Dann griff er nach dem Armband, das er immer an seinem Handgelenk trug. Die Umrisse des Schmuckstückes verschwammen und es nahm die Form eines Katanas an. Akira zog es aus seiner Scheide und hielt die Spitze der von Wasser umgebenen Klinge in Kaitos Gesicht. Der Erbe des Windes sprang einige Meter zurück. „Soso", sagte er, „Seira ist also jetzt deine Freundin." Ich erwiderte nichts. Weder wies ich ihn darauf hin, dass ich mit Akira noch nicht zusammen war, noch schimpfte ich, weil er mich wieder Seira genannt hatte. Stattdessen ballte ich meine Hände zu Fäusten und blickte Kaito wütend an. „Verschwinde!" Doch Kaito schüttelte seinen Kopf. „Wie ich sehe, bis du immer noch so unfreundlich. Du weißt, was ich will. Gib es mir und ich lasse dich in Frieden. Den Erben des Wassers werde ich aber trotzdem töten müssen. Nicht, dass er einen Aufstand anzettelt..." „Du wirst deine Finger von ihm lassen!", schrie Daisuke. Kaito schnaubte. „Als ob ein kleiner Bürgerlicher wie du etwas gegen mich ausrichten könnte. Falls es dir schon wieder entfallen sein Sollte: Ich bin der Sohn des Kaisers des Windes. Ich herrsche über den Wind." Auch er wandelte sein Armband in ein Katana und als ich die Waffe genauer ansah, bemerkte ich, dass die Klinge von Wind umgeben zu sein schien, denn an der Stelle, an der sie sich nur wenige Zentimeter über dem Boden befand, wirbelte sie den Staub auf. „Du quatscht ja immer noch", erklang eine mir bekannte Stimme und wenig später stand Morau neben dem Erben des Windes. Auch er hatte sein Katana gezogen. Aber die Klinge seines Schwertes hatte nicht den glänzenden, silbernen Farbton, wie es bei normalen Schwertern der Fall war, sondern einen matten, dunkelbraunen Farbton. Fast wie Erde. Innerlich schlug ich mir gegen die Stirn. Natürlich sah es wie Erde aus. Wenn Akiras Schwert von Wasser und Kaitos von Wind umgeben war, wieso sollte um Moraus Klinge keine Erde sein? Mir fiel auf, dass von den insgesamt fünf, vier der Erben, in Daisukes Fall Kaiser, anwesend waren. Es fehlte nur noch Yuuki, dann hätten wir Full House. Davon wussten Kaito und Morau allerdings nichts. Für sie war Daisuke ein einfacher Bürgerlicher. Der Kaiser des Windes hatte das kurze Gespräch mit Kaito genutzt, um sich und mir eine Waffe zu besorgen. Er hielt eine lange Metallstange in der Hand, die er in der Mitte zerbrach und mir die Hälfte zuwarf. Sie hatte in etwa die gleiche Länge wie ein Katana. „Was willst du denn mit dem Zahnstocher?", erklang eine Stimme hinter mir und als ich mich umdrehte, erblickte ich den Jungen mit der Maske. Sein rotschwarzes Haar glänzte in der Sonne und ich konnte anhand seiner Stimme hören, dass er grinste, obwohl die schwarze Maste sein gesamtes Gesicht bedeckte. Ich sah nicht einmal seine Augen. „Dieser Zahnstocher wird dir gleich ordentlich deinen Hintern versohlen!", antwortete ich gereizt, irgendwie machte er mich wütend mit seinen dummen Sprüchen, und holte zum ersten Schlag aus, doch der maskierte wich meinem Angriff mühelos aus. Lachend zog er sein Katana. „So sieht eine Waffe aus!" Ich ignorierte seinen dummen Kommentar und konzentrierte mich stattdessen auf meine Kraft, als ich mir sicher war, sie unter Kontrolle zu haben, erinnerte ich mich an Daisukes Training, was ich die letzten Monate über ergehen lassen hatte. Ich war stärker geworden, das wusste ich. Auch wenn ich Daisuke und Akira wohl nie ebenbürtig sein würde, war ich nicht mehr das schwache Mädchen, das man beschützen musste. Es wäre doch gelacht, wenn ich diesem aufgeblasenen Trottel vor mir nicht eine kleine Lektion erteilen könnte! Ich ging in Angriffsstellung uns sprang wenig später wieder auf ihn zu. Diesmal hatte er mehr Schwierigkeiten, meine Schläge zu parieren. Aber er hatte noch immer einen entscheidenden Vorteil: Im Gegensatz zu mir besaß er eine richtige Waffe. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie Akira gegen Kaito und Daisuke gegen Morau kämpfte. Akiras Kampf war ausgeglichen, während Daisuke immer weiter zurückgedrängt wurde. Er spielte immer noch seine Rolle des einfachen Bürgers, und das, obwohl er so verlieren würde. Doch der Kaiser der Elektrizität hatte keine andere Wahl. Seine Identität durfte auf keinen Fall bekannt werden. Unser Plan baute darauf auf, dass keiner wusste, dass er noch lebte. Erfuhren Kaito und Morau also davon, würde er nicht mehr funktionieren und wir müssten uns einen neuen ausdenken, wozu wir keine Zeit mehr hatten. Ich wich einen Schwerthieb des maskierten Jungen aus und holte zum Gegenschlag aus, als ich hörte, wie Daisuke vor Schmerz aufschrie. Schleunigst sprang ich zurück und verschaffte mir einen genauen Überblick. Akira tat es mir gleich, sprintete aber gleich darauf auf Morau zu, um diesen von Daisuke wegzubekommen, der sich seine Schulter hielt. Blut lief seinen Arm hinunter und tropfte zu Boden. Die Eisenstange, die er als Waffe benutzt hatte, lag, in zwei Teile zerschnitten, einige Meter hinter ihm. Akira packte seinen besten Freund am unverletzten Arm und stieß ihn in meine Richtung. Daisuke sprang zurück und landete neben mir. Erst jetzt sah ich, dass der Stoff seines T-Shirts an der Schulter auch vom Blut durchtränkt war. Es war Daisukes rechter Arm. Und dieser hing leblos an seinem Körper herunter, was bedeutete, er konnte nicht mehr kämpfen. Die Lage war aussichtslos, das wusste ich. Die Widerständler konnten uns nicht helfen, da von unseren Bündnis mit ihnen ebenfalls keiner erfahren durfte. Wir waren in der Unterzahl! Akira bekämpfte gerade gegen zwei Gegner und als der maskierte Junge ebenfalls auf ihn zustürmte, sprang ich dazwischen. Solange Akira weiterkämpfte und nicht aufgab, würde ich es ihm gleich tun, egal wie sinnlos es war. Ich weigerte mich, aufzugeben. Ihm helfen konnte ich allerdings auch nicht. Ich schaffte es gerade mal, den Maskierten von ihm fern zu halten. Je länger ich gegen den Jungen kämpfte, desto seltsamer kam er mir vor. Es wirkte fast, als würde er nicht mit voller Kraft kämpfen. Ich hatte viele Kämpfe zwischen Akira und Daisuke beobachtet und spürte inzwischen, wenn sich jemand zurückhielt. Allerdings war ich mir bei dem Maskierten nicht sicher. Wenn er sich zurückhielt, dann verbarg er das wirklich gut. Aber warum sollte er nicht mit voller Kraft kämpfen? Lag es daran, dass er den Träger des Auges nicht töten wollte, denn dann würde das Auge unweigerlich verschwinden. Ich sah, wie Daisuke hinter mir nach seinem Armband griff und Akira schien es ebenfalls bemerkt zu haben, denn er schrie: „Daisuke, nicht! Wenn du das jetzt tust, war alles umsonst!" Der Kaiser der Elektrizität schluckte, ließ seinen Arm aber wieder sinken. Im nächsten Augenblick wurde Akira nach hinten geschleudert. Seine Gegner hatte die kurze Unaufmerksamkeit seinerseits genutzt. Er kam mit dem Rücken nach unten auf den Wackersteinen auf. Sein Griff um das Katana löste sich und die Waffe glitt ihm aus der Hand. „Akira!", schrien Daisuke und ich gleichzeitig. Der maskierte Junge erstarrte. „Scheiße!", schimpfte er leise. Danach ging alles schnell. Kaito sprang auf Akira zu und setzte die Spitze seines Katanas auf Akiras Hals. „Irgendwelche letzten Worte?", fragte er spöttisch. „Ja", antwortete Akira, „Fick dich!" Kaito wollte gerade zustoßen, als Morau ihn an der Schulter packte und daran hinderte. „Lass es. Lebend nutzt er uns mehr. So bekommen wir seinen störrischen Vater vielleicht dazu, endlich abzudanken und sein Reich dem Bündnis zu überlassen." Obwohl er nur sehr leise gesprochen hatte, konnte ich jedes Wort verstehen. Morau zog einen ovalen Stein aus seiner Hosentasche, den ich dank Daisukes Trainings als Weltenschlüssel erkannte. Jetzt erst erkannte ich, was sie vorhatten. Sie wollten Akira nach Nakuni bringen! Das durften sie nicht! Doch ich konnte mich nicht rühren. Es war, als seien meine Füße am Boden festgeklebt. Der maskierte Junge schnellte an mir vorbei und sprang auf die beiden zu. Dabei kickte er Akiras Katana in unsere Richtung. Er griff nach dem Weltenschlüssel, doch es war zu spät. Morau, Kaito und Akira lösten sich vor unseren Augen in Luft auf. „Scheiße!", rief der Maskierte wütend, bevor er sich die Maske vom Gesicht riss und auf den Boden warf. Er trat auf sie drauf, mehrfach, bis sie zerbrach. Zögerlich ging ich auf ihn zu, doch meine Bewegungen erstarrten erneut, als ich zwei leuchtend grüne Augen und ein mir sehr bekanntes Gesicht erblickte. „Y- Yuuki?" Kapitel 29: Überraschung ------------------------ Der Erbe des Feuers schaute mich erschrocken an, fast so, als hätte er nicht bemerkt, dass er nicht allein war. Er schnitt eine Grimasse, bevor er sich ein Grinsen auf das Gesicht zwang. „Überraschung!" Daisuke, der inzwischen Akiras Katana aufgehoben hatte, stellte sich neben mich. „Was heißt hier Überraschung?", fragte er aufgebracht, „Ich dachte, du bist neutral!" „Bin ich auch!", erwiderte Yuuki aufgebracht. Daisuke schnaubte. „Und was hattest du dann bei Kaito und Morau zu suchen?" „Ich habe sie ausspioniert!", antwortete Yuuki. „Kannst du das auch beweisen?", wollte ich wissen. Es fiel mir schwer, ihm zu glauben. Der Erbe des Feuers seufzte, ehe er zu Daisuke sah. „Sie wissen nicht, wer du bist. Und von eurem Plan habe ich ihnen ebenfalls nichts erzählt. Im Gegenteil: Ich habe den Widerständlern immer wieder Informationen zugespielt. Anonym, versteht sich. Ich bin schließlich nicht lebensmüde." „Wissen sie, wer du bist?", fragte ich weiter nach. Daisuke hatte sich inzwischen auf den Boden sinken lassen und hielt seine verletzte Schulter. Yuuki schüttelte seinen Kopf. „Sie halten mich für einen niederen Adligen aus dem Reich des Feuers", meinte er. Ich holte das Handy aus meiner Hosentasche und rief Isamu an, Naoki würde an seines eh nicht rangehen. Nach dem dritten Tuten nahm mein Klassenkamerad und guter Freund ab. „Was gibt's?", erklang seine immer gut gelaunte Stimme. „Wir haben hier ein kleines Problem", erklärte ich, „Und bräuchten euch, um einige Aussagen zu überprüfen. Können wir uns treffen?" „In einer halben Stunde bei dir. Ich bring was vom Döner mit", entschied er. „Geht klar", antwortete ich. Wir machten uns auf den Weg und dabei ließen wir Yuuki nicht aus den Augen. Dieser schien sich gar nicht weiter daran zu stören und schlenderte, mit seinem üblichen Dauergrinsen im Gesicht, neben uns her. Als wir bei mir zu Hause ankamen, warteten Isamu und Naoki bereits auf uns. Zuerst winkte Isamu mir grinsend zu, doch als er Daisukes verletzte Schulter und Akiras Katana in dessen Hand erblickte, gefror ihm das Grinsen auf dem Gesicht. „Was ist passiert", fragte er ernst. „Sie haben Akira", antwortete Daisuke. Jetzt war auch Naoki erstarrt. „Wer?", wollte er wissen. „Kaito und Morau", entgegnete ich, „Sie haben uns eben überrascht!" „Scheiße!", schimpfte Isamu, „Warum gerade jetzt?! Nächste Woche hätten wir unseren Plan umsetzen können!" „Wir bleiben beim Plan!", bestimmte Naoki. „W- was?", rief Daisuke, während Yuuki, Isamu und ich ihn sprachlos anstarrten. „Akira ist für die Ausführung unseres Planes nicht zwingend notwendig. Wir schaffen es auch ohne ihn", erklärte der Anführer des Widerstandes seine Entscheidung. „Du willst ihn im Stich lassen?" Daisuke war empört. „Nein, natürlich nicht!" Naoki seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, „Aber wir werden am ursprünglichen Plan festhalten und nur geringfügig abweichen, um ihn zu befreien. Er dient wahrscheinlich als Geisel. Sie werden ihn also nicht sofort umbringen und auch nicht foltern, da er unverletzt mehr wert ist. Wir werden also seinen Vater kontaktieren, damit er etwas Zeit schindet. In der Zwischenzeit werden wir herausfinden, wo er hingebracht wurde und was mit ihm geplant ist." Daisuke atmete erleichtert aus. „Das ist wahrscheinlich wirklich das Beste." Naoki ging auf ihn zu und betrachtete seine Verletzung. „Ich werde eine unserer besten Heilerinnen rufen, damit du nächste Woche wieder fit bist." Er zog sein Handy aus der Hosentasche und tippte darauf herum. „Sie ist in fünf Minuten da", sagte er wenig später. Isamu deutete auf Yuuki. „Was macht der eigentlich hier?" „Er hat uns eine ziemlich unglaubwürdige Geschichte erzählt, die ihr überprüfen sollt", antwortete ich, während ich die Haustür aufschloss und die anderen einließ. Isamu wartete noch auf die Heilerin, der Rest folgte mir in die Küche. „Worum geht es?", erkundigte sich Naoki, nachdem er sich auf einen der Küchenstühle fallen gelassen hat. „Er behauptet, sich bei Kaito und Morau eingeschleust und euch anonym Informationen zukommen lassen zu haben", schilderte ich die Situation. Naoki nickte. „Das lässt sich schnell herausfinden. Welche Informationen hast du uns zukommen lassen?", wollte er von Yuuki wissen. Der Erbe des Feuers zögerte einen Moment, schien zu überlegen, bevor er antwortete: „Dass sie vom Auge wissen. Dass sie sich die meiste Zeit über im Reich der Elektrizität aufhalten. Dass sie planen, Nakuni unter der Führung von Daisukes Onkel zu regieren. Ich habe euch sogar einen Grundriss vom dortigen Palast mit allen vorgenommenen Änderungen zukommen lassen. In der linken unteren Ecke war ein kleiner Tintenfleck und die obere Kante war etwa in der Mitte eingerissen." Naoki überlegte einen Moment, ehe er nickte. „Er sagt die Wahrheit." Jetzt betrat auch Isamu die Küche, allerdings staunte ich nicht schlecht, als ich die Person sah, die ihn begleitete. „Ayaka?" Seit wann gehörte Sayas beste Freundin zum Widerstand. „Sie ist unsere beste Heilerin", erklärte Naoki, „Für den Kampf ist sie aber gar nicht zu gebrauchen, weshalb nur wenige von ihr wissen." Ayaka nickte, ehe sie auf Daisuke zuging. „Zieh bitte dein Oberteil aus, damit ich mir die Wunde ansehen kann", bat sie. Der Kaiser der Elektrizität kam der Aufforderung sofort nach. „Es ist ein sauberer Schnitt und nicht sehr tief. Du hast Glück gehabt. In vier Tagen sollte er verheilt sein", meinte sie und zog einen kleinen, blutroten Stein aus ihrer Hosentasche. Diesen hielt sie vor die Schnittwunde. Ayaka schloss die Augen und der Stein fing an, zu leuchten. Man konnte beobachten, wie Daisukes Wunde sich nach und nach schloss, bis nur noch eine kleine Narbe zurückblieb. „Mehr kann ich nicht für dich tun", sagte Ayaka und ließ sich neben Daisuke auf den Stuhl nieder. Ich löste meinen Blick von der jetzt geheilten Wunde, mich faszinierten diese Kräfte immer noch. „Was sollt ihr trinken?", fragte ich, um die Stimmung etwas zu heben. Doch als ich mich erhob und Gläser aus dem Schrank holen wollte, begann auf einmal, sich alles um mich herum zu drehen. Ich bekam noch mit, wie ich Halt suchend nach dem Tisch griff und jemand besorgt meinen Namen rief, dann wurde es schwarz. Es war dunkel und es regnete. Die Kleidung klebte an meinem Körper. Als ich mir sie genauer ansah, entdeckte ich ein zerrissenes Kleid von der Art, wie sie Leute vor einigen hundert Jahren getragen hatten. Wieso trug ich so etwas? Vor mir kämpften zwei Personen. Ich wusste nicht, wer es war, konnte es wegen dem starken Regen nicht erkennen, aber ich wusste, ich kannte die beiden. Zögerlich lief ich auf sie zu. Da hörte ich es, dieses Geräusch, wie Klingen aufeinander prallten. Inzwischen war ich nahe genug dran, um erkennen zu können, was vor sich ging. Zwei Jungen, etwa in meinem Alter standen sich gegenüber, mit unzähligen Verletzungen auf den Körpern. Ich zitterte am ganzen Körper. Ein Windstoß von hinten blies mir meine Haare ins Gesicht. Wie ich es gewohnt war, wollte ich sie mir hinter die Ohren streichen, doch ging es nicht. Sie rutschten wieder vor. Warum? Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff. Mein langes Haar war auf einmal so kurz, dass es nicht einmal mehr bis auf die Schulter reichte. Was war hier los? Wieder prallten die Waffen aufeinander. Die Kämpfenden waren am Ende ihrer Kräfte angelangt, aber sie hörten nicht auf. Wollten sie so lange weitermachen, bis einer von ihnen starb? Erst jetzt fiel mir auf, dass die Gegend, in der ich mich gerade befand nicht aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert sein konnte. Wo war ich? Wer waren die Personen vor mir? Was war mit meinem Haar passiert? Und wieso um alles in der Welt trug ich so ein hässliches, zerrissenes Kleid? Einer der beiden Kämpfenden schrie schmerzhaft auf. Ich erkannte ihn als Akira. Der andere stürmte auf ihn zu. Plötzlich erschien eine Mauer aus Wasser vor Akira. Ein starker Wind kam auf und blies die Mauer zur Seite, woraufhin der Andere, es war Kaito, mit einem Katana ausholte. Akira konnte dem Schwertangriff gerade noch so ausweichen, indem er in meine Richtung sprang. Jetzt stand er einen Meter neben mir. Ich sah ihn an. Sein blaugrünes, kurzes Haar war nass vom Regen und seine Augen, die dieselbe Farbe hatten, leuchteten unnatürlich hell. Außerdem trug er auch solche altmodische Kleidung, wie ich es tat. Plötzlich spürte ich, wie mein Herz um ein vielfaches schneller schlug, als normal. Warum? Akira sah mich an. In seinen Augen konnte ich Hass sehen, unendlichen Hass, aber auch eine große Enttäuschung. Irgendetwas sagte mir, dass diese Gefühle nicht auf Kaito gerichtet waren, sondern auf mich. Wieso? Was hatte ich getan? Kaito kam extrem schnell auf mich zugestürmt. Fassungslos starrte ich ihn an, bewegte mich aber keinen Millimeter von der Stelle. Statt dessen schloss ich krampfhaft die Augen. Ich wollte hier weg. Das war nicht die Welt, in die ich gehörte! Eine warme Flüssigkeit spritzte mir ins Gesicht. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Akira stand vor mir und hatte den Angriff mit seinem Körper abgefangen. Das Katana steckte in seinem Oberkörper. „Warum?“ Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht heraus. Akira drehte sich zu mir um und lächelte. Der Hass und die Enttäuschung waren aus seinen Augen verschwunden. „Würde dir etwas zustoßen, könnte ich mir das nie verzeihen.“ Mit diesen Worten kippte er nach hinten. „NEIN!“ Ich rannte auf ihn zu, schaffte es aber nicht mehr, seinen Sturz abzufangen. Mit einem dumpfen Geräusch kam er auf dem schlammigen Boden auf. Ich kniete mich neben ihn und griff nach seiner Hand. „Nein, bitte!", schluchzte ich. Der Junge versuchte, sich aufzusetzen, doch es gelang ihm nicht. Schnell drückte ich ihn an den Schultern wieder zurück auf den Boden. „Du darfst dich nicht bewegen!" Den Kampf, der um uns herum tobte, hatte ich längst vergessen. Die blaugrünen Augen des Erben des Wassers blickten in meine und ein schwaches Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. „Du darfst nicht aufgeben", flüsterte er. Er befreite seine Hand aus meinem Griff und strich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Versprich mir, dass du nicht aufgibst." Ich nickte. Zu mehr war ich nicht fähig. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich brachte keinen Ton heraus. „Ich liebe dich." Der Junge lächelte. Seine Hand erschlaffte und rutschte aus meinem Gesicht. „Nein!", schrie ich, „AKIRA!" Erneut griff ich nach seiner Hand. „Bitte, du darfst nicht sterben!" Immer mehr Tränen liefen mir über das Gesicht. Ich bildete mir ein, zu spüren, wie seine Hand kälter wurde. Regen und Geräusche verschwanden. Bilder zogen an meinen Augen vorbei, so schnell, dass ich sie kaum wahrnehmen konnte. Ich schloss meine Augen, damit mir von der Bilderflut nicht schlecht wurde. Als ich sie wieder öffnete, befand ich mich auf einem großen Platz, der von einer noch größeren Tribüne umgeben war. Dort standen und saßen Menschen, die Kleidung trugen, wie sie vor einigen hundert Jahren modern gewesen war. Als ich an mir heruntersah, sah ich, dass ich ebenfalls so ein Kleid trug. Ich kannte dieses Kleid, wusste aber nicht, woher. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich auf dem Boden Kniete. Eine fremde Hand hatte mein langes Haar so stark gepackt, dass es wehtat. Ich wollte aufstehen, wurde aber an den Haaren wieder zurück in meine bisherige Position gezerrt. „Halt schön still", hörte ich Kaitos Stimme hinter mir, „Dann passiert dir auch nichts. Wir wollen nur das Auge." Eine Hand tastete an meinem Hals entlang, auf der Suche nach meiner Katte. Sie wurde auch schnell fündig und zerrte an dem schwarzen Band, an dem der grüne Stein hing. Schnell griff ich nach dem Stein. Ich wollte nicht, dass Kaito ihn mir wegnahm. „Finger weg!", hörte ich mich sagen. Hinter mir lachte es. „Nun hör schon endlich auf, dich zu wehren. Es hat keinen Sinn mehr. Du hast verloren." Doch ich hörte nicht auf. Stattdessen fing ich an, meinen Kopf wild hin und her zu schütteln. Mein Haar wurde straffer gepackt, was mich daran hinderte, ihn weiter zu bewegen, und eine Hand fuhr mir durch das Haar. „Was für schöne lange Haare du hast", vernahm ich wieder Kaitos Stimme. Ich wusste nicht, woran es lag, doch aus irgendeinem Grund machte mich diese Aussage unglaublich wütend. Danach ging alles schnell. Das Auge der Katze, welches ich immer noch mit einer Hand um umklammerte, wurde warm und nahm die Form eines Katanas an. Ich reagierte schnell. Noch bevor Kaito eine Chance hatte, mich daran zu hindern, hatte ich den Griff des Katanas mit beiden Händen gepackt und die Schneide nach hinten, in Richtung meiner Haare, bewegt. Die Hand in meinem Haar verschwand. Ich nutzte die Gelegenheit und sprang von ihr weg. Dabei wehten mir meine langen Haare ins Gesicht. Während des Sprunges fiel mein Blick auf Akira, er kniete am Boden, Daisuke war neben ihm und schien ihn zu stützen. Grünblaue Augen schauten mich mit einer Mischung aus Wut, Hass und Enttäuschung an, dann wandte Akira seinen Blick ab. Ich blickte zu Kaito, dem ich jetzt gegenüberstand. Er schüttelte seine rechte Hand und sah mich mit einem seltsamen Grinsen im Gesicht an. „Du wolltest dir eben doch nicht ernsthaft deine schönen langen Haare abschneiden, oder Seira?", fragte er mit hörbarem Spott in der Stimme. „Ich geb dich gleich 'schöne lange Haare'", zischte ich wütend und bevor ich realisierte, was ich gerade tat, hatte ich nach hinten gegriffen und mit einer Hand mein Haar gepackt. Mit der anderen führte ich das Katana nach hinten und schnitt mir mit dem Samuraischwert die Haare ab. „Hier! Bitteschön!", schrie ich und warf sie in Kaitos Richtung. „Und nenn mich nie wieder Seira!" Eine Windböe kam auf und verteilte mein Haar auf dem ganzen Platz. Durch das fliegende Haar hindurch sah ich Kaito, der mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Wieder strömte eine Bilderflut an meinem Auge vorbei, doch diesmal ließ ich sie nicht auf mich einströmen, sondern begann, gezielt nach etwas zu suchen. Ich wollte wissen, was mit Akira war, wie es ihm ging, also konzentrierte ich mich auf ihn. Die Bilder stoppten. Ich sah den Platz, auf dem ich mich vorher befunden hatte, war aber jetzt auf der Tribüne. In der Mitte kniet Akira mit gesenktem Blick. Um seine Fußgelenke befanden sich Eisenketten, die ihn an einer Flucht hinderten. Neben ihm stand Kaito, dieser packte Akira grob an den Haaren und zwang ihn, aufzusehen. Männer in Rüstungen betraten den Platz und positionierten sich links und rechts von den beiden. Zwei der Männer trugen Fahnen in dunkelvioletter Farbe, auf denen ein hellgelber Blitz abgebildet war. Mein Blick schweifte über die bis zum letzten Platz gefüllten Tribünen und blieb an den fünf Türmen dahinter hängen. Zwei der Türme trugen die gleiche Flagge wie die Soldaten, an den anderen hing eine dunkelrote Flagge, die eine Sonne und etwas zeigte, was einem Kompass ähnelte. Ein Mann, Mitte Vierzig, mit schwarzem, im Nacken zusammengebundenem Haar und einer Krone auf dem Kopf betrat den Platz, ging langsam auf Akira zu. Irgendwie sah er Daisuke ähnlich. Sofort galt die gesamte Aufmerksamkeit dem Mann. Er hob die rechte Hand, mein Blick blieb an der Narbe hängen, die sich über diese zog, und die Menschen auf der Tribüne verstummten. „Du hast es also gewagt, einen Widerstand gegen mich anzuzetteln?", fragte er und spuckte vor Akira auf den Boden, „Dann lebe mit den Folgen." Er wandte sich an die Soldaten. „Enthauptet ihn!" Ich schreckte auf und griff nach dem Auge der Katze. Es leuchtete. „Ren!", hörte ich Daisukes besorgte Stimme. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich auf dem Küchenboden lag und die anderen mit besorgten Gesichtern neben mit knieten. Aber das war jetzt unwichtig. „Kennst du jemanden, der dir ähnlich sieht, aber glatte Haare hat?", fragte ich Daisuke, „Er ist Mitte Vierzig, hat schwarze Haare und eine Narbe auf der rechten Hand." Der Kaiser der Elektrizität keuchte erschrocken auf. „Woher weißt du von der Narbe?" „Sag es einfach!", fuhr ich ihn an. Daisuke schluckte. „Mein Onkel. Er und Vater sahen sich zum Verwechseln ähnlich und Mutter behauptet, ich habe äußerlich sehr viel von meinem Vater." „Scheiße!", schimpfte ich. Isamu schaute mich verwirrt an. „Jetzt noch mal langsam und für alle verständlich. Was ist eben passiert?" „Ich hatte wieder eine Vision", antwortete ich, „Das glaube ich zumindest. Zuerst habe ich die beiden Szenen gesehen, von denen ich euch schon erzählt habe. Als die Zweite verschwamm, habe ich mich auf Akira konzentriert und bin in einer dritten Szene gelandet. Sie spielt auch auf dem Platz mit der Tribüne. Akira ist mitten auf dem Platz angekettet. Daisukes Onkel, zumindest denke ich, dass er es ist, gibt den Befehl, ihn zu enthaupten. Danach bin ich aufgewacht." Daisuke, die Widerständler und Ayaka starrten mich alarmiert an. „Kannst du dich sonst noch an etwas erinnern? Irgendwas, was auf den Ort oder den Zeitpunkt schließen lässt?", bohrte Naoki. „Daisukes Onkel hat eine Krone getragen." Die Leute um mich herum schnappten erschrocken nach Luft, „Und da waren Fahnen. Dunkelviolette mit einem Blitz und dunkelrote mit einer Sonne und etwas, was ein Bisschen aussieht, wie ein Kompass von früher." „Die Sonnenwende", stellte Isamu sachlich fest, „Das ist in drei Tagen." „Und du bist dir sicher, dass er eine Krone getragen hat?", wollte Daisuke wissen. Ich nickte. „Warum ist das so wichtig?" „In Nakuni werden Kronen nur vom jeweiligen Herrscher, dem Besitzer des Auges, getragen und auch dann nur zu wenigen besonderen Anlässen, zum Beispiel der Sonnenwende. Sieht aus, als hätten die meinen Onkel bereits zum neuen Herrscher gekrönt oder werden es in den nächsten Tagen tun." Er hielt kurz inne. „Wir müssen mit Akiras Elter reden, am besten sofort." Kapitel 30: Aufbruch nach Nakuni -------------------------------- Yuuki hatte mir noch am selben Abend auf die gleiche Art wie Daisuke die Treue geschworen, und obwohl ich wusste, was kam, war es mir unangenehm. Ich mochte es einfach nicht, wenn Leute vor mir knieten... Die Vorbereitungen wurden beschleunigt und geringfügig abgeändert. So schafften wir es, nach dem Abschlussball noch am selben Abend nach Nakuni zu reisen. Kaum war der offizielle Teil vorbei gewesen, hatten wir ein Taxi gerufen und uns zu mir nach Hause fahren lassen. Dort schlüpften wir in die Kleidung, die wir in Nakuni tragen würden, um nicht aufzufallen. Diese war von den Widerständlern besorgt worden. Da Saya, sie kam ebenfalls mit, sich weigerte, wie die anderen Mädchen auch ein Kleid zu tragen, waren ihr Männerklamotten besorgt worden. Jetzt musste sie sich die Brust abbinden und ihre Haare, wie alle Männer mit langem Haar in Nakuni, mir einem Band im Nacken zusammenbinden. Mir war ein dunkelgrünes Kleid zugeteilt worden. Ich kannte dieses Kleid. Es war dasselbe, das ich in meinen Visionen getragen hatte. Es war nicht besonders weit ausgeschnitten, damit ich das Auge besser verstecken konnte. Yayoi trug ein ähnliches Kleid, allerdings war ihres weinrot. Uns wurden von Miku und Miyu, die bereits fertig gekleidet waren, die Haare gemacht und Hauben auf den Kopf gesetzt. Auch die Jungs trugen diese seltsame Kleidung. Daisuke und Yuuki zogen sich die Uniformen ihrer Familie an, Daisukes war von Ayaka, ebenfalls fertig gekleidet, und Yayoi genäht worden. „Alle Frauen in Nakuni haben lange Haare", sagte Miku und setzte Yayoi eine Perücke auf. Meine beste Freundin schnitt eine Grimasse, ließ es aber über sich ergehen. Saya beobachtete uns mit einem Grinsen im Gesicht. „Selber schuld. Hättest dich auch als Kerl verkleiden können." Daisuke zog sich noch einen dünnen Mantel drüber, der die Wappen auf seiner Kleidung verdeckte, damit er nicht erkannt wurde. Als wir alle fertig waren, stellten wir uns um Naokis Weltenschlüssel herum auf, während er ein Portal nach Nakuni öffnete. Wir wurden von einem Sog erfasst und der Boden unter unseren Füßen verschwand. Als wir wieder landeten, verlor ich das Gleichgewicht. Hätte Isamu mich nicht schnell am Oberarm gepackt, wäre ich bestimmt hingefallen. Yayoi und Ayaka erging es nicht anders, sie waren ebenfalls abgefangen worden. Nur Saya schien keinerlei Probleme gehabt zu haben. „Wir sind im Reich des Wassers", erklärte Naoki. Er deutete auf einen riesigen Palast wenige hundert Meter von uns entfernt, „Dort wohnen Akiras Eltern. Wir werden ihnen jetzt einen Besuch abstatten. Yuuki ist ins Reich des Feuers aufgebrochen, um mit seinem Vater zu sprechen. Er meinte aber, dass wir fest mit ihrer Unterstützung rechnen können. Er wird später wieder zu uns stoßen." Miku und Miyu verabschiedeten sich, da sie noch etwas anderes zu erledigen hatten. Ayaka ging mit ihnen, für den Fall, dass sie eine Heilerin brauchten. Auch Yayoi schloss sich den Mädchen an. Daisuke neben mir nickte. „Dann mal los...", meinte er an den Rest unserer Gruppe, bestehend aus ihm, Isamu, Naoki, Saya und mir gewandt. Wir schwiegen, während wir zum Palast spazierten. Vor dessen Toren stießen wir auf unser erstes Problem. Wie kamen wir hinein, ohne zu großes Aufstehen zu erregen. Doch Daisuke schien vorbereitet zu sein. Zielsicher ging er auf die Wachen zu. „Wir haben einen Termin", log er die Wachen an. Diese musterten ihn, schienen aber nichts Verdächtiges zu finden. „Wie lautet Ihr Name?" „Daisuke Yahama", entgegnete der Kaiser der Elektrizität. „Wir werden es ausrichten." Eine der Wachen verließ ihren Posten und lief zügig in den Palast. Eine Weile tat sich nichts. Wir warteten. Dann wurde plötzlich das Haupttor des Palastes aufgerissen und Akiras Vater stürmte heraus. „Ich will eine Erklärung!", rief er, „Sofort!" Daisuke schnitt eine Grimasse, blieb aber ruhig. „Könnten wir dazu reingehen. Ich möchte sicher gehen, dass wir nicht belauscht werden." Akiras Vater nickte. Er führte uns in das Innere des Palastes, durch einige Gänge, bis wir in einem Raum, der mich stark an einen Konferenzraum erinnerte, anhielten. Ich staunte nicht schlecht über die Inneneinrichtung. Das schien alles sehr edel und teuer zu sein. Er nahm auf einen erhöhten Stuhl, der mich sehr stark an einen Thron erinnerte, Platz und musterte uns abschätzend. „Wollt ihr euch nicht vorstellen?" Daisuke räusperte sich. „Mich kennen Sie ja bereits, aber trotzdem: Daisuke Inazuma, Kaiser der Elektrizität. Ich bin auf dem Weg, meinem Onkel einen gewaltigen Arschtritt zu verpassen und mir zurückzuholen, was mir zusteht." Er deutete auf mich. „Seira Ren Yamamoto. Ihre Vorfahren stammen aus Nakuni. Sie ist Akiras Freundin." Akiras Vater erhob sich und blieb vor mir stehen. „Dich kenne ich doch", meinte er und betrachtete mich skeptisch. Ich schnitt eine Grimasse. „Wir sind uns schon einmal über den Weg gelaufen. Ich habe Ihren Sohn geohrfeigt und Ihr nettes Steinchen zerstört. Dann war da noch der Morgen, als Sie Akira von der Schule nehmen wollten…“ Der Mann musterte mich skeptisch. „Nun ja, ich kann mir schon vorstellen, was Akira von die will. Schlecht siehst du nicht aus…“ Ich war geneigt, ihm einige fiese Kommentare an den Kopf zu werfen, dafür, dass er mich nur nach meinem Aussehen beurteilte, ließ es aber bleiben. die eh schon gereizte Stimmung musste ich nicht noch schlimmer machen. Daisuke deutete auf meine jüngere Schwester. „Saya Aoi Yamamoto, Rens Schwester. Sie ist die Freundin von Yuuki Hoono, Erbe des Feuers. Er kann nicht anwesend sein, weil er einige wichtige Dinge mit seinem Vater zu klären hat, wird aber im Laufe des Tages nachkommen.“ Der Kaiser des Wassers schaute ihn gereizt an. „Was bringst du alles für Leute hier her?“ Daisuke seufzte. „Es ist nötig, glauben Sie mir.“ Dann wies er auf meine beiden Klassenkameraden. „Isamu Kawaguchi und Naoki Takahashi.“ Die Gesichtszüge von Akiras Vater entgleisten. Fassungslos schaute er zwischen Naoki und Daisuke hin und her. „Du bringst mir den Anführer des Widerstandes in Haus? Sag mal, bist du nicht ganz dicht?“ Der Kaiser der Elektrizität schüttelte den Kopf. „Akira und ich sind ein Bündnis eingegangen. Solange wir Nakuni nicht von Wind, Erde und meinem Onkel befreit haben, werden wir uns gegenseitig unterstützen. Yuuki ist dem Bündnis beigetreten.“ Er machte eine kurze Pause, ehe er weitersprach. „Aber deswegen sind wir nicht hier. Wir brauchen Ihre Unterstützung.“ „Wie kommst du darauf, dass ich dir helfen würde?“, fragte der Mann leicht spöttisch. „Akiras Leben hängt davon ab“, antwortete er ernst. Als nichts erwidert wurde, fuhr er fort. „Ich weiß nicht, wie viel Sie von seinem Plänen wissen, aber er reiste in die andere Welt, um nach Verbündeten zu suchen, die ihm helfen würden, Nakuni von der Tyrannei, die es momentan erlebt, zu befreien. Ich bin hier, weil er mich gebeten hat, ihm zu helfen.“ „Warum sagt er mir das nicht selbst?“, wollte Akiras Vater aufgebracht wissen. Daisuke seufzte, wohl überlegend, wie er die Hiobsbotschaft am besten formulierte. „Sie haben ihn gefangen genommen. Morgen, zur Sonnenwende, werden sie ihn im Reich der Elektrizität öffentlich hinrichten.“ Akiras Vater erstarrte, weswegen Daisuke schnell weitersprach. „Wir haben einen Plan, wie wir ihn da wieder rausholen können. Allerdings brauchen wir dazu alle Unterstützung, die wir bekommen können. Aller Voraussicht nach wird es zu Kämpfen kommen. Bis jetzt wurde noch nichts bekannt gegeben. Wir wissen nur davon, weil wir eine Seherin unter uns haben. Allerdings kann sie ihre Gabe noch nicht voll kontrollieren, weswegen unsere Informationen begrenzt sind.“ Der Mann nichte, auch wenn sein Gesicht noch sehr blass war. „Ich werde euch unterstützen. Allerdings gibt es da ein Problem. Sie sind im Besitz des Auges der Katze.“ „Sind sie nicht“, widersprach ich ihm und zog den grünen Anhänger unter meinem Kleid hervor. Die Augen des Mannes weiteten sich. „Du hast es?“ „Ren hat nicht die Absicht, zu herrschen“, stellte Daisuke sofort klar, woraufhin ich zustimmend nickte. „Ich weiß noch nicht, was genau ich tun werde, wenn das alles vorbei ist, aber wahrscheinlich irgendetwas, was in Richtung Demokratie geht.“ Akiras Vater nickte, ehe er vor mir auf die Knie fiel. Ich kannte die Prozedur schon, weswegen ich äußerlich ruhig bleiben konnte. „Hiermit erkenne ich dich als die neue Herrscherin an und gelobe, dir immer treu zu dienen, dich nie zu hintergehen und stets an deiner Seite zu kämpfen.“ Ich nickte, unsicher, was ich sage sollte, doch das schien zu genügen, denn mein Gegenüber erhob sich wieder. „Wie sieht euer Plan aus? Was muss ich tun?“ Während Daisuke und Naoki ihm erklärten, was genau sie vorhatten und wie er sich am besten verhielt, traf Yuuki ein. Die Wachen ließen ihn problemlos ein und er gesellte sich, nachdem er sich kurz vorgestellt hatte, zu uns. „Mein Vater hilf uns“, verkündete er mit seinem gewöhnlichen Grinsen, „Es war zwar schwer, ihn davon zu überzeugen, die Neutralität aufzugeben, aber inzwischen sieht selbst er, dass sie uns nicht mehr schützen wird. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch wir kämpfen müssen.“ Am nächsten Morgen machten wir uns gemeinsam mit Akiras Vater und einigen seiner Leute auf zu unsrem Treffpunkt, einem der Lager des Widerstands. Dort trafen wir Yuukis Vater. Auch er hatte einige seiner Soldaten bei sich. Yayoi und Ayaka begrüßten mich und meine Schwester, bevor Saya sich wieder zu Yuuki gesellte, der noch kurz mit seinem Vater gesprochen hatte. Auch die Widerständler waren bereits hier. Daisukes Cousin Kantaro, wievielten Grades wusste ich nicht mehr, den wir während des Sportfestes getroffen hatten, ließ uns in das Stadion. Er verteilte sogar Platzkarten, die er wohl entwendet hatte. Sie waren so ausgesucht, dass wir über die ganze Tribüne verteilt waren. Während der Großteil der Widerständler, sie hatten ihre Waffen alle sehr gut versteckt, sich bereits auf ihre Sitzplätze begaben, wurden die beiden Kaiser und deren Soldaten noch etwas kostümiert, damit man sie nicht erkannte, denn sonst wäre unser Plan hinfällig. Erst als Miku und Miyu wirklich sicher waren, dass keiner erkannt werden würde, ließ sie uns ebenfalls eintreten. Kantaro führte uns durch einige Dienstbotengänge direkt zu unseren jeweiligen Plätzen. Es war immer noch etwas ungewohnt für mich, dieses Kleid anzuhaben, doch langsam gewöhnte ich mich daran. Daisuke, Ayaka und ich saßen in der ersten Reihe. Ich platzierte die beiden so, dass Ayaka links neben Daisuke saß und ich neben ihr. Danach ließ ich meinen Blick schweifen, in der Hoffnung, einige unserer Verbündeten zu erkennen. Saya saß mir gegenüber in der dritten Reihe. Neben ihr Yuuki und zwei Plätze hinter ihr Yuukis Vater mit einem der Soldaten. Die anderen konnte ich in den Menschenmassen nicht ausmachen. „Gleich geht es los“, flüsterte Daisuke mir und Ayaka zu. Wir nickten. Langsam wurde mir angst. Gleich würden sie Akira hier herausbringen. Was, wenn etwas schief ging? Das Leben des Erben des Wassers hing sprichwörtlich an seidenem Faden. Zwar hatte Daisuke mir versprochen, dass er einen sicheren Weg kannte, wie er Akira retten konnte, doch es gingen immer wieder Dinge schief. Was, wenn sein Onkel nicht so reagierte, wie er es geplant hatte? Ich hatte keine Zeit, mir noch länger Gedanken zu machen, denn einige Musiker betraten das Stadion und begannen, zu spielen. Es war ein ruhiges, dennoch kräftiges und majestätisches Stück. Mein Blick fiel auf die Flaggen. Es waren dieselben, die ich auch in meiner Vision gesehen hatte. Sie befanden sich an genau derselben Stelle und trugen genau dieselben Zeichen. Die Musik verklang und die Musiker zogen sich wieder zurück. Zwei Wachen brachten Akira herein. Er hatte einige blaue Flecken, schien allerdings nicht weiter schwer verletzt zu sein. In der Mitte des Platzes wurde er mit den Eisenfesseln an den Boden gekettet. Er senkte seinen Blick, sah nicht einmal auf. Ich kannte dieses Bild. Gleich würde Daisukes Onkel dazukommen und… Die Leute um uns herum schnappten erschrocken nach Luft. Anscheinend hatten sie erkannt, wer da vor ihnen kniete. Es folgten empörte Rufe, einige sprangen sogar auf. Jetzt betrat auch Kaito den Platz. Zielstrebig ging er auf Akira zu. Er flüsterte ein paar Worte, die ich aber aufgrund der vielen empörten Rufe in der Tribüne nicht verstehen konnte. Als Akira keine Reaktion zeigte, packte er ihn an den Haaren und zwang ihn, aufzusehen. Ich kannte dieses Bild. Vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken, stupste ich Daisuke an. „Gleich ist es soweit“, formte ich mit den Lippen, sobald er mich ansah. Der Kaiser der Elektrizität nickte, ehe sein Blick wieder auf seinen besten Freund fiel. Es folgten die Soldaten und die Flaggen träger. Mein Blick schweifte über die bis zum letzten Platz gefüllten Tribünen und blieb an den fünf Türmen dahinter hängen. Wie in meiner Vision trugen zwei der Türme die gleiche Flagge wie die Soldaten, an den anderen hing eine dunkelrote Flagge, die eine Sonne und etwas zeigte, was einem Kompass ähnelte. Inzwischen wusste ich, dass die roten Flaggen das Symbol für die Sonnenwende trugen. Daisukes Onkel, auch sein Aussehen, die zusammengebundenen Haare und die Krone auf dem Kopf, kannte ich bereits, betrat den Platz. Um mich herum wurde wild gemurmelt. Die gesamte Aufmerksamkeit galt dem Mann, als er auf Akira zuging. Er hob die rechte Hand, mein Blick blieb wieder an der Narbe hängen, die sich über diese zog, und die Menschen auf der Tribüne verstummten. Erneut stieß ich Daisuke an. „Noch etwa dreißig Sekunden.“ Mein Klassenkamerad und guter Freund bereitete sich vor. Er schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch. Sein Onkel sprach unterdessen weiter. „Du hast es also gewagt, einen Widerstand gegen mich anzuzetteln?", fragte er und spuckte vor Akira auf den Boden, „Dann lebe mit den Folgen." Er wandte sich an die Soldaten. „Enthauptet ihn!" „Ich befehle euch, haltet ein!“, donnerte plötzlich Daisukes Stimme durch das gesamte Stadion. Er schrie so laut, dass Ayaka und ich erschrocken zusammenzuckten. Verwirrt blickte ich ihn an. Das war sein Plan? Die Soldaten stoppten ihre Bewegungen und senkten ihre Schwerter. „Was tut ihr da?“, fuhr Daisukes Onkel sie an, „Fahrt fort!“ Daisuke war inzwischen aufgestanden und auf den Platz gesprungen. Er öffnete den Mantel, der seine Uniform versteckte. Dann riss er seine Kopfbedeckung ab und warf sie einfach weg. Der Mantel folgte wenig später. „Haltet ein!“, wiederholte er seinen Befehl mit Nachdruck. Die Soldaten schauten verwirrt zwischen ihm und seinem Onkel hin und her. Auch die Zuschauer schienen verwirrt. „Wer bist du?“, wollte sein Onkel aufgebracht wissen, „Dass du glaubst, du hättest die Macht, hier einzugreifen?“ Daisuke setzte ein künstliches Lächeln auf. „Ich bin enttäuscht. Erkennst du mich denn nicht? Immerhin bist du es doch gewesen, der meinen Vater vor vier Jahren ermordet hat. Meine Mutter und mich wolltest du auch töten. Aber wir sind entkommen.“ Er hielt kurz inne, bevor er ruhig, aber trotzdem gut hörbar, weitersprach: „Ich bin zurückgekehrt, um zu holen, was mir zusteht!“ Je länger mein Klassenkamerad gesprochen hatte, desto blasser war sein Onkel geworden. „Ich bin es, Daisuke, dein Neffe. Der Sohn deines Bruders. Der Sohn des Mannes, den du aus Machtgier brutal ermordet hast und der du jetzt vorgibst, zu sein.“ In den Tribünen war es still, so still, dass man wohl gehört hätte, wenn eine Nadel zu Boden gefallen wäre. Alle starrten gespannt auf Daisuke und dessen Onkel. Der Onkel schnappte nach Luft, schien etwas sagen zu wollen, doch Daisuke ließ ihn nicht zu Wort kommen. Er schob einen seiner Ärmel ein Stück nach oben und legte eine Hand auf das Armband. Die Umrisse des Schmuckstücks verschwammen und es nahm die Form eines Katanas an. Er war das Erbstück der Familie Inazuma, der Gegenstand, an dem man den Kaiser oder dessen Nachfolger erkannte, das wusste ich. Die anderen schienen es auch zu wissen. Gespannt, teilweise auch fassungslos, beobachteten sie das Geschehen. „Das kann nicht sein“, rief Daisukes Onkel, „du bist tot. Du bist damals in dem Brand gestorben!“ „Und warum stehe ich dann vor dir?“, fragte Daisuke. Sein Onkel schaute zu Kaito. „Kümmer dich um ihn“, zischte er, woraufhin Kaito sofort nach seinem Katana griff. „Nicht so schnell“, rief Yuuki. Er schälte sich aus seiner Verkleidung und sprang mit gezücktem Katana auf den Platz. Saya folgte ihm, auch sie trug ein Katana, allerdings wusste ich, dass sie wohl noch das ein oder andere Wurfmesser bei sich hatte. Jetzt mischte sich aber auch Morau ein. Ich griff nach meinem Katana und sprang ebenfalls auf den Platz. Yuuki und Saya stellten sich Morau gegenüber, Daisuke seinem Onkel und ich Kaito. Wir hatten noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen. Wenn sie überrascht waren, uns zu sehen, dann verbargen sie es sehr gut, denn ihre Gesichter blieben emotionslos. Nur Akira konnte ich ansehen, dass er verwundert, aber vor allem erleichtert, war. „Mast euch nicht lächerlich!“, rief Daisuke Onkel, „Was könnt ihr schon ausrichten. Ich besitze das Auge der Katze! Ich bin Nakunis Herrscher?“ Ich bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick. „Ach wirklich? Warum kann ich es dann nicht sehen?“ Der Mann zog eine Kette unter seiner Kleidung hervor, die meinem Auge sehr ähnlich sah. Allerdings spürte ich etwas falsches, etwas unreines von ihr ausgehen. Ich hob meine Augenbraue. „Ach wirklich?“ Dann holte ich mein Auge hervor. „Und was ist dann das?“ Der Mann starrte mich erschrocken an, allerdings nicht halb so erschrocken wie Akira. In Akiras Augen erkannte ich Fassungslosigkeit, Wut, aber auch Enttäuschung. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass er ja noch gar nicht gewusst hatte, dass ich das Auge besaß. Entschuldigend lächelte ich ihn an. Kaito nutzte den kurzen Augenblick meiner Unachtsamkeit und schleuderte mich über den halben Platz. Dabei verlor ich mein Katana. Er drückte mich zu Boden, bevor er mich auf die Knie zog und an den Haaren festhielt. Ich wusste, was als nächstes passieren würde, doch trotzdem war ich unföhig zu handeln. „Halt schön still", hörte ich Kaitos Stimme hinter mir, „Dann passiert dir auch nichts. Wir wollen nur das Auge." Eine Hand tastete an meinem Hals entlang, auf der Suche nach meiner Kette. Sie wurde auch schnell fündig und zerrte an dem schwarzen Band, an dem der grüne Stein hing. Schnell griff ich nach dem Stein. Ich wollte nicht, dass Kaito ihn mir wegnahm. „Finger weg!", sagte ich. Hinter mir lachte es. „Nun hör schon endlich auf, dich zu wehren. Es hat keinen Sinn mehr. Du hast verloren." Doch ich hörte nicht auf. Stattdessen fing ich an, meinen Kopf wild hin und her zu schütteln. Mein Haar wurde straffer gepackt, was mich daran hinderte, ihn weiter zu bewegen. Eine Hand fuhr mir durch das Haar. „Was für schöne lange Haare du hast", vernahm ich wieder Kaitos Stimme. Ich wusste nicht, woran es lag, doch aus irgendeinem Grund machte mich diese Aussage unglaublich wütend. Danach ging alles schnell. Das Auge der Katze, welches ich immer noch mit einer Hand um umklammerte, wurde warm und nahm die Form eines Katanas an. Ich reagierte schnell. Noch bevor Kaito eine Chance hatte, mich daran zu hindern, hatte ich den Griff des Katanas mit beiden Händen gepackt und die Schneide nach hinten, in Richtung meiner Haare, bewegt. Die Hand in meinem Haar verschwand. Ich nutzte die Gelegenheit und sprang von ihr weg. Dabei wehten mir meine langen Haare ins Gesicht. Während des Sprunges fiel mein Blick auf Akira, er kniete immer noch am Boden, war aber nicht länger gefesselt. Daisuke war neben ihm und schien ihn zu stützen. Grünblaue Augen schauten mich noch einmal mit einer Mischung aus Wut, Hass und Enttäuschung an, dann wandte Akira seinen Blick ab. Ich blickte zu Kaito, dem ich jetzt gegenüberstand. Er schüttelte seine rechte Hand und sah mich mit einem seltsamen Grinsen im Gesicht an. „Du wolltest dir eben doch nicht ernsthaft deine schönen langen Haare abschneiden, oder Seira?", fragte er mit hörbarem Spott in der Stimme. „Ich geb dich gleich 'schöne lange Haare'", zischte ich wütend und bevor ich realisierte, was ich gerade tat, hatte ich nach hinten gegriffen und mit einer Hand mein Haar gepackt. Mit der anderen führte ich das Katana nach hinten und schnitt mir mit dem Samuraischwert die Haare ab. „Hier! Bitteschön!", schrie ich und warf sie in Kaitos Richtung. „Und nenn mich nie wieder Seira!" Eine Windböe kam auf und verteilte mein Haar auf dem ganzen Platz. Durch das fliegende Haar hindurch sah ich Kaito, der mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Kapitel 31: Aus Liebe --------------------- Kaitos Blick folgte meinem Haar, das langsam vom Wind weggeweht wurde. Ich wusste, dass es sich für Mädchen und Frauen in Nakuni nicht gehörte, kurzes Haar zu haben. Es galt als unschicklich. Und eigentlich mochte ich mein Haar auch lieber länger. Aber Kaito hatte mich so wütend gemacht, dass ich einfach nicht nachgedacht hatte. Auch Akira starrte mich fassungslos an. Daisuke nutzte den Augenblick der allgemeinen Verwirrung, um ihn von seinen Fesseln zu befreien und ihm ein unauffälliges Armband mit einem Wassertropfen als Anhänger zuzuwerfen. Kaum hatte Akira den Gegenstand in die Hand genommen, verwandelte er sich auch schon in das Katana. Der Erbe des Wassers warf mir einen letzten enttäuschten Blick zu, bevor er sich neben mich stellte, die Spitze der von Wasser umgebenen Klinge auf Kaito gerichtet. Sein ablehnendes Verhalten verletzte mich, aber ich konnte nichts dagegen tun. Außerdem war ich selber schuld. Hätte ich ihm die Wahrheit gesagt, hätte er sicher nicht so reagiert. Die beiden sprangen aufeinander zu. Mir blieb nichts anderes übrig, als zuzuschauen, denn sie waren mir beide weit überlegen. Immer wieder stießen ihre Klingen aufeinander und jedes Mal, wenn ich das metallische Klirren hörte, zuckte ich zusammen. Es begann, zu regnen. Zuerst nur ganz schwach, dann wurde der Regen stärker. Ich erinnerte mich an meine Vision. Noch kamen mir die Bilder nicht bekannt vor, aber das war nur noch eine Frage der Zeit. Meine Hände begannen zu zittern. Ich hatte Schwierigkeiten, das Katana festzuhalten. Akira wurde zurückgestoßen. Schnell sprang ich dazwischen und hinderte Kaito somit daran, ihn zu verletzen, während der Erbe des Wassers sich wieder auf die Beine zwang. Doch lange konnte ich Kaito nicht aufhalten, dann schaffte er es, mich wegzuschleudert. Zwar verletzte ich mich dabei nicht, wenn man von den paar Kratzern an meinen Armen und Beinen mal absah, aber jetzt konnte er wieder auf Kaito zustürmen und ihr erbitterter Kampf ging weiter. Der Himmel wurde immer dunkler. Obwohl es erst später Nachmittag war, konnte ich kaum noch etwas erkennen und der starke Regen verbesserte meine Sicht nicht wirklich. Inzwischen hatten sich die Armeen der verschiedenen Länder mit eingemischt. Auch einige Bürger beteiligten sich an den Kämpfen. „Gib auf“, hörte ich Daisuke zu seinem Onkel sagen, „Du hast verloren.“ Jetzt mischten sich auch die Widerstandskämpfer ein. Nur Naoki spazierte gemütlich auf uns zu. „Du solltest besser auf deinen Neffen hören. Vielleicht lassen wir dich dann am Leben“ Er tat als überlege er. „Obwohl. Eher nicht. Du bist mir schon zu lange ein Dorn im Auge.“ Ich beobachtete, wie viele Blicke in Naokis Richtung wanderten. Dann sah ich Erkenntnis in den Augen. sie wussten also, wen sie vor sich hatten. „Was tust du denn hier?“, kam es aufgebracht von Kaito. Naoki lächelte. Aber es war kein freundliches Lächeln, es war kalt und grausam. „Damit hast du nicht gerechnet, was?“, siegessicher schaute ich Kaito an. Zuerst war der Erbe des Windes verwirrt, dann schien er zu begreifen. „Nein“, murmelte er, „Das habt ihr nicht getan.“ „Doch“, entgegnete ich ihn trotzig. „Ihr habt euch mit dem Widerstand zusammengetan? Das ist ein schlechter Scherz!“, schrie Daisukes Onkel plötzlich. Der Kaiser der Elektrizität schüttelte seinen Kopf. „Damit hast du nicht gerechnet, was?“ Naoki war inzwischen bei uns angekommen und blieb neben mir stehen. „Ich wusste, um zu gewinnen, müssen wir euch überraschen. Deshalb habe ich mich nicht gemeldet und in den bisherigen Kämpfen zurückgehalten, damit ihr mich für einen normalen bürgerlichen hieltet. Und deshalb ich Naoki auch gebeten, sich uns anzuschließen. Es war leichter als gedacht, ihn zu überzeugen, schließlich hatten wir denselben Feind. wie sagt man so schön? Der Feind deines Feindes ist dein Freund?“ Den Rest bekam ich nicht mehr mit, den Kaito kam plötzlich auf mich zugestürmt. „Das war deine Idee, oder?“ „Nein“, antwortete Akira, bevor ich überhaupt die Chance hatte, meinen Mund zu öffnen, „Die Idee kam von Daisuke, auch wenn Ren ihn wahrscheinlich den Anstoß dafür gegeben hat.“ Er stieß Kaito von mir weg und ihr Kampf ging weiter. Inzwischen war es richtig dunkel geworden. Es regnete immer noch. Die Kleidung klebte an meinem Körper. Mein Kleid war zerrissen und dreckig. Vor mir kämpften Akira und Kaito. Hätte ich das nicht gewusst, hätte ich sie durch den starken Regen nicht erkannt. Zögerlich lief ich auf sie zu. Immer wieder hörte ich das Geräusch, wie ihre Klingen aufeinander prallten. Wie in Trance bewegte ich mich auf sie zu. Inzwischen war ich nahe genug dran, um erkennen zu können, was vor sich ging. Die Augen beider strahlten vor Entschlossenheit und ihre ganzen Körper von kleineren und größeren Wunden bedeckt. Ich zitterte am ganzen Körper. Ein Windstoß von hinten blies mir meine Haare ins Gesicht. Wie ich es gewohnt war, wollte ich sie mir hinter die Ohren streichen, doch ging es nicht. Sie rutschten wieder vor. Warum? Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff. Mein langes Haar war auf einmal so kurz, dass es nicht einmal mehr bis auf die Schulter reichte. Zuerst fragte ich mich, was los war, bis mir wieder einfiel, dass ich mir vorhin in meiner Wut die Haare abgeschnitten hatte. Wieder prallten die Waffen aufeinander. Die Kämpfenden waren am Ende ihrer Kräfte angelangt, aber sie hörten nicht auf. Wollten sie so lange weitermachen, bis einer von ihnen starb? Die mittelalterliche Umgebung, die ich durch den langsam nachlassenden Regen erkennen konnte, gab dem Ganzen ein skurriles Aussehen. Einer der beiden Kämpfenden schrie schmerzhaft auf. Ich erkannte ihn anhand seiner Stimme als Akira. Kaito stürmte auf ihn zu. Plötzlich erschien eine Mauer aus Wasser vor Akira. Ein starker Wind kam auf und blies die Mauer zur Seite, woraufhin der Erbe des Windes mit einem Katana ausholte. Akira konnte dem Schwertangriff gerade noch so ausweichen, indem er in meine Richtung sprang. Jetzt stand er einen Meter neben mir. Ich sah ihn an. Sein blaugrünes, kurzes Haar war nass vom Regen und seine Augen, die dieselbe Farbe hatten, leuchteten unnatürlich hell. So hell hatte ich sie noch nie leuchten sehen. Mein Herz raste. Akira sah mich an. In seinen Augen konnte ich Hass sehen, unendlichen Hass, aber auch eine große Enttäuschung. Ich wusste, dass diese Gefühle mir galten und nicht Kaito. Am liebsten hätte ich geweint, ihn angefleht, mir zu verzeihen, doch ich brachte keinen Ton heraus. Ich schaffte es noch nicht einmal, meine Lippen zu bewegen. Kaito kam extrem schnell auf mich zugestürmt. Ich starrte ihn an, bewegte mich aber keinen Millimeter von der Stelle. Stattdessen schloss ich krampfhaft die Augen. Ich wollte hier weg. Ich wollte nach Hause. Das war nicht die Welt, in die ich gehörte! Eine warme Flüssigkeit spritzte mir ins Gesicht. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Akira stand vor mir und hatte den Angriff mit seinem Körper abgefangen. Das Katana steckte in seinem Oberkörper. „Warum?“ Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht heraus. Zu sehr war ich von seinem Verhalten geschockt. Warum schützte er mich? Hasste er mich denn nicht? Ich hatte ihn belogen und verletzt und eben hatte er mich auch noch durch seinen Blick spüren lassen, was er empfand. Akira drehte sich zu mir um und lächelte. Der Hass und die Enttäuschung waren aus seinen Augen verschwunden. „Würde dir etwas zustoßen, könnte ich mir das nie verzeihen.“ Mit diesen Worten kippte er nach hinten. „NEIN!“ Ich rannte auf ihn zu, schaffte es aber nicht mehr, seinen Sturz abzufangen. Mit einem dumpfen Schlag kam er auf dem schlammigen Boden auf. Ich kniete mich neben ihn und griff nach seiner Hand. „Nein, bitte!", schluchzte ich. Der Erbe des Wassers versuchte, sich aufzusetzen, doch es gelang ihm nicht. Schnell drückte ich ihn an den Schultern wieder zurück auf den Boden. „Du darfst dich nicht bewegen!" Den Kampf, der um uns herum tobte, hatte ich längst vergessen. Die blaugrünen Augen des Erben des Wassers blickten in meine und ein schwaches Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. „Du darfst nicht aufgeben", flüsterte er. Er befreite seine Hand aus meinem Griff und strich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Versprich mir, dass du nicht aufgibst." Ich nickte. Zu mehr war ich nicht fähig. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich brachte keinen Ton heraus. „Ich liebe dich." Der Junge lächelte. Seine Hand erschlaffte und rutschte aus meinem Gesicht. „Nein!", schrie ich, „AKIRA!" Erneut griff ich nach seiner Hand. „Bitte, du darfst nicht sterben!" Immer mehr Tränen liefen mir über das Gesicht. Ich bildete mir ein, zu spüren, wie seine Hand kälter wurde. Ich nahm nichts mehr wahr, weder die Geräusche des Kampfes noch das Rufen meiner Freunde und Verbündeten. Das Einzige, was mich noch interessierte, war Akira. Er durfte nicht sterben. Ich liebte ihn doch. Das Auge der Katze hatte inzwischen wieder die Form des kleinen grünen Steines angenommen. Ohne wirklich zu bemerken, was ich tat, griff ich danach. Meine Finger umschlossen den Stein, der Mein Leben grundlegend verändert hatte. Plötzlich begann das Auge zu leuchten. Warme, weiche Hände legten sich um meine vom Wasser ausgekühlten Finger. Es waren die Hände einer Frau, das fühlte ich. Sie dirigierte das Auge über Akiras Oberkörper, in dem noch immer Kaitos Katana steckte. Langsam begann das Katana, sich aus dem Körper zurückzuziehen, bis es ganz entfernt war. Meine Hände wurden direkt über die Einstichstelle geleitet. „Konzentrier dich“, hörte ich eine Frauenstimme sagen. Obwohl ich nicht begriff, was vor sich ging, tat ich, was von mir verlangt wurde. Erstaunt beobachtete ich, wie dir Blutung langsam stoppte. Ein Teil des Blutes floss sogar in die Wunde zurück. Die Ränder der Einstichstelle begannen, miteinander zu verschmelzen, bis sich die Wunde komplett geschlossen hatte und nur noch eine kleine Narbe zu sehen war. Erschöpft stützte ich meine Hände vor mir ab und meinen Oberkörper darauf. Das hatte mich mehr Kraft gekostet, als ich mir bewusst war, dass ich sie besaß. „Das hast du gut gemacht“, sagte die Frau. Dann war sie verschwunden. Als ich meine Augen wieder öffnete, befand ich mich wieder auf dem Schlachtfeld. Ich hörte das Klirren aufeinandertreffender Klingen und die Schreie der Kämpfenden. Vor mir lag Akira. Seine Kleidung war noch immer blutverschmiert und zerrissen, die tiefe Stichwunde, die Kaitos Katana verursacht hatte, hatte sich allerdings geschlossen. Ich streckte meine Hand nach ihm aus und fühlte vorsichtig seinen Puls. Er war noch da. Schwach, aber nicht zu schwach, und regelmäßig. Akira lebte. Eine Welle der Erleichterung überkam mich und ich spürte plötzlich, wie erschöpft ich war. Ich war so erschöpft, dass ich kaum noch meine Augen offenhalten konnte. Ich hörte noch, wie jemand meinen Namen rief, dann brach ich neben Akira zusammen und um mich herum wurde alles schwarz. Hier geht es zur zweiten Nebengeschichte: Beste Freunde für immer Animexx http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/327013/ FF.de http://www.fanfiktion.de/s/52fd580200011fb62f78600a/1/Beste-Freunde-fuer-immer-Daisuke-amp-Akira- Behandelt, wie Akira und Daisuke sich kennengelernt haben. Epilog: Seira ------------- Ich befand mich auf einer von der Sonne beschienenen Wiese, deren Blumen in vielen prächtigen Farben blühten. Mir gegenüber stand eine junge Frau. Sie sah hübsch aus, dass musste ich zugeben. Ihr langes, lockiges, blondes Haar fiel ihr über die Schultern und reichte ihr bis zum Po und ihre grünen Augen leuchteten mich fast schon an. „Wer bist du?“, fragte ich. Die Frau lächelte. „Du kennst mich“, antwortete sie mir mit der gleichen Stimme, die mir vorhin geholfen hatte, Akira zu heilen. „Du warst das?“ Sie nickte. „Mein Name ist Seira. Du hast sicher schon von mir gehört.“ Zögerlich nickte ich, nicht sicher, ob ich etwas erwidern sollte. „Vor zweihundert Jahren wurde ich ein Teil des Auges“, erklärte Seira, „Mir ging es ähnlich wie dir, nur dass ich mich nicht in den Erben eines Kaisers sondern in den zweiten Sohn des Herrschers verliebt habe. Ich war einem anderen Versprochen, aber er hat trotzdem um meine Hand angehalten. Wir wollten heiraten und ich erwartete ein Kind von ihm, als sein Vater erfuhr, dass ich im Besitz des Auges war. Er sah mich als Bedrohung und versuchte, mich zu töten. Mein Geliebter und ich flohen nachts aus dem Palast und verbargen uns in einem der Umliegenden Dörfer, wo ich ihm einen Sohn gebar. Wir führten ein einfaches Leben, aber wir waren glücklich. Bis sein Vater uns fand. Sie kämpften und meinem Geliebten gelang es, seinen Vater schwer zu verletzen, bevor dieser ihm das Schwert in die Brust stieß. Ähnlich wie du habe ich versucht, ihn zu heilen. Ich liebte ihn und konnte ohne ihn nicht leben. Aber meine Kraft reichte nicht aus, weswegen mir nichts anderes übrig blieb, als mein Leben gegen das Seine zu tauschen. Ich nahm ihm das Versprechen ab, mit seinem Sohn in eine andere Welt zu fliehen, in deine Welt. Doch aus irgendeinem Grund starb ich nicht, sondern verschmolz mit dem Auge. Lange verstand ich nicht, warum. Bis ich dich traf. Wir sind uns ähnlich. auch ich war sehr temperamentvoll. Die Haare habe ich mir allerdings nicht abgeschnitten.“ Während sie den letzten Satz sagte, grinste sie mich keck an. „Bin ich auch mit dem Auge verschmolzen?“, wollte ich wissen. Ich konnte mich nur noch daran erinnern, dass ich erschöpft neben Akira eingeschlafen war. „Nein.“ Seira schüttelte ihren Kopf. Mir fiel auf, dass ich durch sie hindurchsehen konnte, fast wie bei einem Geist, wie sie manchmal in Filmen dargestellt wurden. „Du schläfst nur“, sagte Seira. Sie betrachtete ihre Hände. „Ich habe nicht mehr viel Zeit.“ zuerst verstand ich nicht, was sie meinte. Doch dann bemerkte ich, dass sie von Sekunde zu Sekunde durchsichtiger wurde. Es war fast, als würde sie gleich aufhören, zu existieren. Sie kam auf mich zu und nahm meine Hände in ihre, bevor sie meine Hände öffnete und etwas hineinlegte. Als ich hinsah, erkannte ich das Auge der Katze. „Es liegt an dir, Nakuni wieder aufzubauen und zu führen. Sei eine gute Herrscherin.“ Ich umschloss das Auge mit meinen Fingern und drückte es an mich. Ich würde sie nicht enttäuschen. „Und sprich mit Akira“, fuhr Seira fort, „Eure Liebe ist stark. Ihr werdet es schaffen.“ Dann verschwand sie und ich stand allein auf der Wiese. „Warte!“, rief ich. Ich hatte noch so viele Fragen, so viele Dinge, die ich mit ihr besprechen wollte. Doch ich blieb allein. Ein Wind kam auf und blies mir ins Gesicht. „Lass mein Opfer nicht umsonst sein. Werde Glücklich.“, vernahm ich Seiras Stimme ein letztes Mal. Dann war es wieder ruhig. Der Wind wurde stärker. Er blies die Blumen von der Wiede, bis nur noch trockener Boden übrig blieb. Doch auch dieser wurde weggeweht, bis die gesamte Umgebung verschwunden und ich wieder von Schwärze umgeben war. Hier geht es zur dritten und letzten Nebengeschichte: In eine gemeinsame Zukunft Animexx http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/326999/ FF.de http://www.fanfiktion.de/s/52fd55fb00011fb628fb45af/1/In-eine-gemeinsame-Zukunft-Daisuke-amp-Ayaka- Behandelt die Geschehnisse, nachdem Ren bewusstlos auf dem Schachtfeld zusammengebrochen ist und wie es mit Ayaka und Daisuke weitergeht, die ja schon seit einer Weile ineinander verliebt sind. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)