Contrasts von Seira-sempai (The difference between us) ================================================================================ Kapitel 30: Aufbruch nach Nakuni -------------------------------- Yuuki hatte mir noch am selben Abend auf die gleiche Art wie Daisuke die Treue geschworen, und obwohl ich wusste, was kam, war es mir unangenehm. Ich mochte es einfach nicht, wenn Leute vor mir knieten... Die Vorbereitungen wurden beschleunigt und geringfügig abgeändert. So schafften wir es, nach dem Abschlussball noch am selben Abend nach Nakuni zu reisen. Kaum war der offizielle Teil vorbei gewesen, hatten wir ein Taxi gerufen und uns zu mir nach Hause fahren lassen. Dort schlüpften wir in die Kleidung, die wir in Nakuni tragen würden, um nicht aufzufallen. Diese war von den Widerständlern besorgt worden. Da Saya, sie kam ebenfalls mit, sich weigerte, wie die anderen Mädchen auch ein Kleid zu tragen, waren ihr Männerklamotten besorgt worden. Jetzt musste sie sich die Brust abbinden und ihre Haare, wie alle Männer mit langem Haar in Nakuni, mir einem Band im Nacken zusammenbinden. Mir war ein dunkelgrünes Kleid zugeteilt worden. Ich kannte dieses Kleid. Es war dasselbe, das ich in meinen Visionen getragen hatte. Es war nicht besonders weit ausgeschnitten, damit ich das Auge besser verstecken konnte. Yayoi trug ein ähnliches Kleid, allerdings war ihres weinrot. Uns wurden von Miku und Miyu, die bereits fertig gekleidet waren, die Haare gemacht und Hauben auf den Kopf gesetzt. Auch die Jungs trugen diese seltsame Kleidung. Daisuke und Yuuki zogen sich die Uniformen ihrer Familie an, Daisukes war von Ayaka, ebenfalls fertig gekleidet, und Yayoi genäht worden. „Alle Frauen in Nakuni haben lange Haare", sagte Miku und setzte Yayoi eine Perücke auf. Meine beste Freundin schnitt eine Grimasse, ließ es aber über sich ergehen. Saya beobachtete uns mit einem Grinsen im Gesicht. „Selber schuld. Hättest dich auch als Kerl verkleiden können." Daisuke zog sich noch einen dünnen Mantel drüber, der die Wappen auf seiner Kleidung verdeckte, damit er nicht erkannt wurde. Als wir alle fertig waren, stellten wir uns um Naokis Weltenschlüssel herum auf, während er ein Portal nach Nakuni öffnete. Wir wurden von einem Sog erfasst und der Boden unter unseren Füßen verschwand. Als wir wieder landeten, verlor ich das Gleichgewicht. Hätte Isamu mich nicht schnell am Oberarm gepackt, wäre ich bestimmt hingefallen. Yayoi und Ayaka erging es nicht anders, sie waren ebenfalls abgefangen worden. Nur Saya schien keinerlei Probleme gehabt zu haben. „Wir sind im Reich des Wassers", erklärte Naoki. Er deutete auf einen riesigen Palast wenige hundert Meter von uns entfernt, „Dort wohnen Akiras Eltern. Wir werden ihnen jetzt einen Besuch abstatten. Yuuki ist ins Reich des Feuers aufgebrochen, um mit seinem Vater zu sprechen. Er meinte aber, dass wir fest mit ihrer Unterstützung rechnen können. Er wird später wieder zu uns stoßen." Miku und Miyu verabschiedeten sich, da sie noch etwas anderes zu erledigen hatten. Ayaka ging mit ihnen, für den Fall, dass sie eine Heilerin brauchten. Auch Yayoi schloss sich den Mädchen an. Daisuke neben mir nickte. „Dann mal los...", meinte er an den Rest unserer Gruppe, bestehend aus ihm, Isamu, Naoki, Saya und mir gewandt. Wir schwiegen, während wir zum Palast spazierten. Vor dessen Toren stießen wir auf unser erstes Problem. Wie kamen wir hinein, ohne zu großes Aufstehen zu erregen. Doch Daisuke schien vorbereitet zu sein. Zielsicher ging er auf die Wachen zu. „Wir haben einen Termin", log er die Wachen an. Diese musterten ihn, schienen aber nichts Verdächtiges zu finden. „Wie lautet Ihr Name?" „Daisuke Yahama", entgegnete der Kaiser der Elektrizität. „Wir werden es ausrichten." Eine der Wachen verließ ihren Posten und lief zügig in den Palast. Eine Weile tat sich nichts. Wir warteten. Dann wurde plötzlich das Haupttor des Palastes aufgerissen und Akiras Vater stürmte heraus. „Ich will eine Erklärung!", rief er, „Sofort!" Daisuke schnitt eine Grimasse, blieb aber ruhig. „Könnten wir dazu reingehen. Ich möchte sicher gehen, dass wir nicht belauscht werden." Akiras Vater nickte. Er führte uns in das Innere des Palastes, durch einige Gänge, bis wir in einem Raum, der mich stark an einen Konferenzraum erinnerte, anhielten. Ich staunte nicht schlecht über die Inneneinrichtung. Das schien alles sehr edel und teuer zu sein. Er nahm auf einen erhöhten Stuhl, der mich sehr stark an einen Thron erinnerte, Platz und musterte uns abschätzend. „Wollt ihr euch nicht vorstellen?" Daisuke räusperte sich. „Mich kennen Sie ja bereits, aber trotzdem: Daisuke Inazuma, Kaiser der Elektrizität. Ich bin auf dem Weg, meinem Onkel einen gewaltigen Arschtritt zu verpassen und mir zurückzuholen, was mir zusteht." Er deutete auf mich. „Seira Ren Yamamoto. Ihre Vorfahren stammen aus Nakuni. Sie ist Akiras Freundin." Akiras Vater erhob sich und blieb vor mir stehen. „Dich kenne ich doch", meinte er und betrachtete mich skeptisch. Ich schnitt eine Grimasse. „Wir sind uns schon einmal über den Weg gelaufen. Ich habe Ihren Sohn geohrfeigt und Ihr nettes Steinchen zerstört. Dann war da noch der Morgen, als Sie Akira von der Schule nehmen wollten…“ Der Mann musterte mich skeptisch. „Nun ja, ich kann mir schon vorstellen, was Akira von die will. Schlecht siehst du nicht aus…“ Ich war geneigt, ihm einige fiese Kommentare an den Kopf zu werfen, dafür, dass er mich nur nach meinem Aussehen beurteilte, ließ es aber bleiben. die eh schon gereizte Stimmung musste ich nicht noch schlimmer machen. Daisuke deutete auf meine jüngere Schwester. „Saya Aoi Yamamoto, Rens Schwester. Sie ist die Freundin von Yuuki Hoono, Erbe des Feuers. Er kann nicht anwesend sein, weil er einige wichtige Dinge mit seinem Vater zu klären hat, wird aber im Laufe des Tages nachkommen.“ Der Kaiser des Wassers schaute ihn gereizt an. „Was bringst du alles für Leute hier her?“ Daisuke seufzte. „Es ist nötig, glauben Sie mir.“ Dann wies er auf meine beiden Klassenkameraden. „Isamu Kawaguchi und Naoki Takahashi.“ Die Gesichtszüge von Akiras Vater entgleisten. Fassungslos schaute er zwischen Naoki und Daisuke hin und her. „Du bringst mir den Anführer des Widerstandes in Haus? Sag mal, bist du nicht ganz dicht?“ Der Kaiser der Elektrizität schüttelte den Kopf. „Akira und ich sind ein Bündnis eingegangen. Solange wir Nakuni nicht von Wind, Erde und meinem Onkel befreit haben, werden wir uns gegenseitig unterstützen. Yuuki ist dem Bündnis beigetreten.“ Er machte eine kurze Pause, ehe er weitersprach. „Aber deswegen sind wir nicht hier. Wir brauchen Ihre Unterstützung.“ „Wie kommst du darauf, dass ich dir helfen würde?“, fragte der Mann leicht spöttisch. „Akiras Leben hängt davon ab“, antwortete er ernst. Als nichts erwidert wurde, fuhr er fort. „Ich weiß nicht, wie viel Sie von seinem Plänen wissen, aber er reiste in die andere Welt, um nach Verbündeten zu suchen, die ihm helfen würden, Nakuni von der Tyrannei, die es momentan erlebt, zu befreien. Ich bin hier, weil er mich gebeten hat, ihm zu helfen.“ „Warum sagt er mir das nicht selbst?“, wollte Akiras Vater aufgebracht wissen. Daisuke seufzte, wohl überlegend, wie er die Hiobsbotschaft am besten formulierte. „Sie haben ihn gefangen genommen. Morgen, zur Sonnenwende, werden sie ihn im Reich der Elektrizität öffentlich hinrichten.“ Akiras Vater erstarrte, weswegen Daisuke schnell weitersprach. „Wir haben einen Plan, wie wir ihn da wieder rausholen können. Allerdings brauchen wir dazu alle Unterstützung, die wir bekommen können. Aller Voraussicht nach wird es zu Kämpfen kommen. Bis jetzt wurde noch nichts bekannt gegeben. Wir wissen nur davon, weil wir eine Seherin unter uns haben. Allerdings kann sie ihre Gabe noch nicht voll kontrollieren, weswegen unsere Informationen begrenzt sind.“ Der Mann nichte, auch wenn sein Gesicht noch sehr blass war. „Ich werde euch unterstützen. Allerdings gibt es da ein Problem. Sie sind im Besitz des Auges der Katze.“ „Sind sie nicht“, widersprach ich ihm und zog den grünen Anhänger unter meinem Kleid hervor. Die Augen des Mannes weiteten sich. „Du hast es?“ „Ren hat nicht die Absicht, zu herrschen“, stellte Daisuke sofort klar, woraufhin ich zustimmend nickte. „Ich weiß noch nicht, was genau ich tun werde, wenn das alles vorbei ist, aber wahrscheinlich irgendetwas, was in Richtung Demokratie geht.“ Akiras Vater nickte, ehe er vor mir auf die Knie fiel. Ich kannte die Prozedur schon, weswegen ich äußerlich ruhig bleiben konnte. „Hiermit erkenne ich dich als die neue Herrscherin an und gelobe, dir immer treu zu dienen, dich nie zu hintergehen und stets an deiner Seite zu kämpfen.“ Ich nickte, unsicher, was ich sage sollte, doch das schien zu genügen, denn mein Gegenüber erhob sich wieder. „Wie sieht euer Plan aus? Was muss ich tun?“ Während Daisuke und Naoki ihm erklärten, was genau sie vorhatten und wie er sich am besten verhielt, traf Yuuki ein. Die Wachen ließen ihn problemlos ein und er gesellte sich, nachdem er sich kurz vorgestellt hatte, zu uns. „Mein Vater hilf uns“, verkündete er mit seinem gewöhnlichen Grinsen, „Es war zwar schwer, ihn davon zu überzeugen, die Neutralität aufzugeben, aber inzwischen sieht selbst er, dass sie uns nicht mehr schützen wird. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch wir kämpfen müssen.“ Am nächsten Morgen machten wir uns gemeinsam mit Akiras Vater und einigen seiner Leute auf zu unsrem Treffpunkt, einem der Lager des Widerstands. Dort trafen wir Yuukis Vater. Auch er hatte einige seiner Soldaten bei sich. Yayoi und Ayaka begrüßten mich und meine Schwester, bevor Saya sich wieder zu Yuuki gesellte, der noch kurz mit seinem Vater gesprochen hatte. Auch die Widerständler waren bereits hier. Daisukes Cousin Kantaro, wievielten Grades wusste ich nicht mehr, den wir während des Sportfestes getroffen hatten, ließ uns in das Stadion. Er verteilte sogar Platzkarten, die er wohl entwendet hatte. Sie waren so ausgesucht, dass wir über die ganze Tribüne verteilt waren. Während der Großteil der Widerständler, sie hatten ihre Waffen alle sehr gut versteckt, sich bereits auf ihre Sitzplätze begaben, wurden die beiden Kaiser und deren Soldaten noch etwas kostümiert, damit man sie nicht erkannte, denn sonst wäre unser Plan hinfällig. Erst als Miku und Miyu wirklich sicher waren, dass keiner erkannt werden würde, ließ sie uns ebenfalls eintreten. Kantaro führte uns durch einige Dienstbotengänge direkt zu unseren jeweiligen Plätzen. Es war immer noch etwas ungewohnt für mich, dieses Kleid anzuhaben, doch langsam gewöhnte ich mich daran. Daisuke, Ayaka und ich saßen in der ersten Reihe. Ich platzierte die beiden so, dass Ayaka links neben Daisuke saß und ich neben ihr. Danach ließ ich meinen Blick schweifen, in der Hoffnung, einige unserer Verbündeten zu erkennen. Saya saß mir gegenüber in der dritten Reihe. Neben ihr Yuuki und zwei Plätze hinter ihr Yuukis Vater mit einem der Soldaten. Die anderen konnte ich in den Menschenmassen nicht ausmachen. „Gleich geht es los“, flüsterte Daisuke mir und Ayaka zu. Wir nickten. Langsam wurde mir angst. Gleich würden sie Akira hier herausbringen. Was, wenn etwas schief ging? Das Leben des Erben des Wassers hing sprichwörtlich an seidenem Faden. Zwar hatte Daisuke mir versprochen, dass er einen sicheren Weg kannte, wie er Akira retten konnte, doch es gingen immer wieder Dinge schief. Was, wenn sein Onkel nicht so reagierte, wie er es geplant hatte? Ich hatte keine Zeit, mir noch länger Gedanken zu machen, denn einige Musiker betraten das Stadion und begannen, zu spielen. Es war ein ruhiges, dennoch kräftiges und majestätisches Stück. Mein Blick fiel auf die Flaggen. Es waren dieselben, die ich auch in meiner Vision gesehen hatte. Sie befanden sich an genau derselben Stelle und trugen genau dieselben Zeichen. Die Musik verklang und die Musiker zogen sich wieder zurück. Zwei Wachen brachten Akira herein. Er hatte einige blaue Flecken, schien allerdings nicht weiter schwer verletzt zu sein. In der Mitte des Platzes wurde er mit den Eisenfesseln an den Boden gekettet. Er senkte seinen Blick, sah nicht einmal auf. Ich kannte dieses Bild. Gleich würde Daisukes Onkel dazukommen und… Die Leute um uns herum schnappten erschrocken nach Luft. Anscheinend hatten sie erkannt, wer da vor ihnen kniete. Es folgten empörte Rufe, einige sprangen sogar auf. Jetzt betrat auch Kaito den Platz. Zielstrebig ging er auf Akira zu. Er flüsterte ein paar Worte, die ich aber aufgrund der vielen empörten Rufe in der Tribüne nicht verstehen konnte. Als Akira keine Reaktion zeigte, packte er ihn an den Haaren und zwang ihn, aufzusehen. Ich kannte dieses Bild. Vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken, stupste ich Daisuke an. „Gleich ist es soweit“, formte ich mit den Lippen, sobald er mich ansah. Der Kaiser der Elektrizität nickte, ehe sein Blick wieder auf seinen besten Freund fiel. Es folgten die Soldaten und die Flaggen träger. Mein Blick schweifte über die bis zum letzten Platz gefüllten Tribünen und blieb an den fünf Türmen dahinter hängen. Wie in meiner Vision trugen zwei der Türme die gleiche Flagge wie die Soldaten, an den anderen hing eine dunkelrote Flagge, die eine Sonne und etwas zeigte, was einem Kompass ähnelte. Inzwischen wusste ich, dass die roten Flaggen das Symbol für die Sonnenwende trugen. Daisukes Onkel, auch sein Aussehen, die zusammengebundenen Haare und die Krone auf dem Kopf, kannte ich bereits, betrat den Platz. Um mich herum wurde wild gemurmelt. Die gesamte Aufmerksamkeit galt dem Mann, als er auf Akira zuging. Er hob die rechte Hand, mein Blick blieb wieder an der Narbe hängen, die sich über diese zog, und die Menschen auf der Tribüne verstummten. Erneut stieß ich Daisuke an. „Noch etwa dreißig Sekunden.“ Mein Klassenkamerad und guter Freund bereitete sich vor. Er schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch. Sein Onkel sprach unterdessen weiter. „Du hast es also gewagt, einen Widerstand gegen mich anzuzetteln?", fragte er und spuckte vor Akira auf den Boden, „Dann lebe mit den Folgen." Er wandte sich an die Soldaten. „Enthauptet ihn!" „Ich befehle euch, haltet ein!“, donnerte plötzlich Daisukes Stimme durch das gesamte Stadion. Er schrie so laut, dass Ayaka und ich erschrocken zusammenzuckten. Verwirrt blickte ich ihn an. Das war sein Plan? Die Soldaten stoppten ihre Bewegungen und senkten ihre Schwerter. „Was tut ihr da?“, fuhr Daisukes Onkel sie an, „Fahrt fort!“ Daisuke war inzwischen aufgestanden und auf den Platz gesprungen. Er öffnete den Mantel, der seine Uniform versteckte. Dann riss er seine Kopfbedeckung ab und warf sie einfach weg. Der Mantel folgte wenig später. „Haltet ein!“, wiederholte er seinen Befehl mit Nachdruck. Die Soldaten schauten verwirrt zwischen ihm und seinem Onkel hin und her. Auch die Zuschauer schienen verwirrt. „Wer bist du?“, wollte sein Onkel aufgebracht wissen, „Dass du glaubst, du hättest die Macht, hier einzugreifen?“ Daisuke setzte ein künstliches Lächeln auf. „Ich bin enttäuscht. Erkennst du mich denn nicht? Immerhin bist du es doch gewesen, der meinen Vater vor vier Jahren ermordet hat. Meine Mutter und mich wolltest du auch töten. Aber wir sind entkommen.“ Er hielt kurz inne, bevor er ruhig, aber trotzdem gut hörbar, weitersprach: „Ich bin zurückgekehrt, um zu holen, was mir zusteht!“ Je länger mein Klassenkamerad gesprochen hatte, desto blasser war sein Onkel geworden. „Ich bin es, Daisuke, dein Neffe. Der Sohn deines Bruders. Der Sohn des Mannes, den du aus Machtgier brutal ermordet hast und der du jetzt vorgibst, zu sein.“ In den Tribünen war es still, so still, dass man wohl gehört hätte, wenn eine Nadel zu Boden gefallen wäre. Alle starrten gespannt auf Daisuke und dessen Onkel. Der Onkel schnappte nach Luft, schien etwas sagen zu wollen, doch Daisuke ließ ihn nicht zu Wort kommen. Er schob einen seiner Ärmel ein Stück nach oben und legte eine Hand auf das Armband. Die Umrisse des Schmuckstücks verschwammen und es nahm die Form eines Katanas an. Er war das Erbstück der Familie Inazuma, der Gegenstand, an dem man den Kaiser oder dessen Nachfolger erkannte, das wusste ich. Die anderen schienen es auch zu wissen. Gespannt, teilweise auch fassungslos, beobachteten sie das Geschehen. „Das kann nicht sein“, rief Daisukes Onkel, „du bist tot. Du bist damals in dem Brand gestorben!“ „Und warum stehe ich dann vor dir?“, fragte Daisuke. Sein Onkel schaute zu Kaito. „Kümmer dich um ihn“, zischte er, woraufhin Kaito sofort nach seinem Katana griff. „Nicht so schnell“, rief Yuuki. Er schälte sich aus seiner Verkleidung und sprang mit gezücktem Katana auf den Platz. Saya folgte ihm, auch sie trug ein Katana, allerdings wusste ich, dass sie wohl noch das ein oder andere Wurfmesser bei sich hatte. Jetzt mischte sich aber auch Morau ein. Ich griff nach meinem Katana und sprang ebenfalls auf den Platz. Yuuki und Saya stellten sich Morau gegenüber, Daisuke seinem Onkel und ich Kaito. Wir hatten noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen. Wenn sie überrascht waren, uns zu sehen, dann verbargen sie es sehr gut, denn ihre Gesichter blieben emotionslos. Nur Akira konnte ich ansehen, dass er verwundert, aber vor allem erleichtert, war. „Mast euch nicht lächerlich!“, rief Daisuke Onkel, „Was könnt ihr schon ausrichten. Ich besitze das Auge der Katze! Ich bin Nakunis Herrscher?“ Ich bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick. „Ach wirklich? Warum kann ich es dann nicht sehen?“ Der Mann zog eine Kette unter seiner Kleidung hervor, die meinem Auge sehr ähnlich sah. Allerdings spürte ich etwas falsches, etwas unreines von ihr ausgehen. Ich hob meine Augenbraue. „Ach wirklich?“ Dann holte ich mein Auge hervor. „Und was ist dann das?“ Der Mann starrte mich erschrocken an, allerdings nicht halb so erschrocken wie Akira. In Akiras Augen erkannte ich Fassungslosigkeit, Wut, aber auch Enttäuschung. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass er ja noch gar nicht gewusst hatte, dass ich das Auge besaß. Entschuldigend lächelte ich ihn an. Kaito nutzte den kurzen Augenblick meiner Unachtsamkeit und schleuderte mich über den halben Platz. Dabei verlor ich mein Katana. Er drückte mich zu Boden, bevor er mich auf die Knie zog und an den Haaren festhielt. Ich wusste, was als nächstes passieren würde, doch trotzdem war ich unföhig zu handeln. „Halt schön still", hörte ich Kaitos Stimme hinter mir, „Dann passiert dir auch nichts. Wir wollen nur das Auge." Eine Hand tastete an meinem Hals entlang, auf der Suche nach meiner Kette. Sie wurde auch schnell fündig und zerrte an dem schwarzen Band, an dem der grüne Stein hing. Schnell griff ich nach dem Stein. Ich wollte nicht, dass Kaito ihn mir wegnahm. „Finger weg!", sagte ich. Hinter mir lachte es. „Nun hör schon endlich auf, dich zu wehren. Es hat keinen Sinn mehr. Du hast verloren." Doch ich hörte nicht auf. Stattdessen fing ich an, meinen Kopf wild hin und her zu schütteln. Mein Haar wurde straffer gepackt, was mich daran hinderte, ihn weiter zu bewegen. Eine Hand fuhr mir durch das Haar. „Was für schöne lange Haare du hast", vernahm ich wieder Kaitos Stimme. Ich wusste nicht, woran es lag, doch aus irgendeinem Grund machte mich diese Aussage unglaublich wütend. Danach ging alles schnell. Das Auge der Katze, welches ich immer noch mit einer Hand um umklammerte, wurde warm und nahm die Form eines Katanas an. Ich reagierte schnell. Noch bevor Kaito eine Chance hatte, mich daran zu hindern, hatte ich den Griff des Katanas mit beiden Händen gepackt und die Schneide nach hinten, in Richtung meiner Haare, bewegt. Die Hand in meinem Haar verschwand. Ich nutzte die Gelegenheit und sprang von ihr weg. Dabei wehten mir meine langen Haare ins Gesicht. Während des Sprunges fiel mein Blick auf Akira, er kniete immer noch am Boden, war aber nicht länger gefesselt. Daisuke war neben ihm und schien ihn zu stützen. Grünblaue Augen schauten mich noch einmal mit einer Mischung aus Wut, Hass und Enttäuschung an, dann wandte Akira seinen Blick ab. Ich blickte zu Kaito, dem ich jetzt gegenüberstand. Er schüttelte seine rechte Hand und sah mich mit einem seltsamen Grinsen im Gesicht an. „Du wolltest dir eben doch nicht ernsthaft deine schönen langen Haare abschneiden, oder Seira?", fragte er mit hörbarem Spott in der Stimme. „Ich geb dich gleich 'schöne lange Haare'", zischte ich wütend und bevor ich realisierte, was ich gerade tat, hatte ich nach hinten gegriffen und mit einer Hand mein Haar gepackt. Mit der anderen führte ich das Katana nach hinten und schnitt mir mit dem Samuraischwert die Haare ab. „Hier! Bitteschön!", schrie ich und warf sie in Kaitos Richtung. „Und nenn mich nie wieder Seira!" Eine Windböe kam auf und verteilte mein Haar auf dem ganzen Platz. Durch das fliegende Haar hindurch sah ich Kaito, der mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)