Contrasts von Seira-sempai (The difference between us) ================================================================================ Kapitel 5: Unerwartete Hilfe ---------------------------- Inzwischen waren fast sechs Tage vergangen. Die Schmerzen, besonders in meinem linken Oberarm, hatten etwas nachgelassen, aber nur ein kleinwenig. Gerade war ich auf dem Weg zum Kühlschrank, um mir eine Flasche Saft zu holen. Die ganze Zeit hatte ich mich nur von Saft und Wasser ernährt, hatte einfach keinen Bissen runter bekommen. Zum einen wegen der Schmerzen und zum anderen, weil mir jedes mal übel wurde, wenn ich daran dachte, dass Kaito mich geküsst hatte. Noch nie war ich so wütend auf eine einzelne Person gewesen. Der Streit mit Yayoi war gar nichts im Vergleich dazu! Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Was glaubte er, wer er sei? Klar, Kaito sah gut aus und die Mädchen liefen ihm reihenweise hinterher, aber das war noch lange keine Entschuldigung! Wäre das nicht mein erster Kuss gewesen, könnte ich ihm vielleicht irgendwann einmal verzeihen, aber so nicht! Eigentlich hasste ich nicht ihn dafür, sondern mich selbst. Warum hatte ich diesen Kuss nicht verhindert? Ich hätte einfach nur meinen Kopf wegdrehen müssen oder ihm eine saftige Ohrfeige verpassen. Aber nein, was habe ich gemacht? Gelächelt und dann die Augen geschockt weit aufgerissen! Das war peinlich, einfach nur peinlich! „Ich Idiot!“ Jetzt konnte ich Kaito wirklich nicht mehr unter die Augen treten. Aber warum hatte er mich eigentlich geküsst? Wollte er sich über mich lustig machen? Bestimmt! Kurz stützte ich mich an der Tür des Kühlschrankes ab. Mir war auf einmal ganz schwindlig. Noch immer spürte ich ein leichtes Schwindelgefühl, während ich lief. Ab und zu wurde es aber auch so schlimm, dass ich befürchtete ich würde gleich zusammenbrechen. Morgen hatte ich als in der ersten Stunde Sport. Vielleicht sollte ich doch nicht in die Schule gehen. Aber dann würde der Neue vielleicht Verdacht schöpfen. Ob es auffiel, wenn ich behauptete, die Treppe runtergefallen zu sein? Oder sollte ich ‚aus versehen’ den ersten Bus verpassen und eine Stunde später kommen? Das war wohl die beste Lösung. Mit etwas Glück würde keiner etwas bemerken. Ich öffnete den Kühlschrank. Alles leer. Es war kein Saft mehr im Haus. Die restlichen Lebensmittel waren schon seit einer Woche aufgebraucht. Seufzend schloss ich ihn wieder. Jetzt musste ich wohl oder übel einkaufen gehen. Draußen schneite es nicht mehr, zum Glück, aber kalt war es trotzdem noch. Dabei war es jetzt schon Anfang März. Langsam musste der Schnee doch mal schmelzen! Halb erfroren erreichte ich das Lebensmittelgeschäft. Ich steckte einen Euro in den Einkaufswagen und betrat das Gebäude. Besagter Wagen füllte sich schneller, als mir lieb war. Es gab so vieles, was gekauft werden musste und ich kaufte wirklich nur das allernötigste. Vielleicht hätte ich doch besser meiner Mutter nachgeben und eine Haushälterin einstellen lassen. Darüber musste ich mit Saya reden, sobald sie wieder zurück war. Immerhin war das ganze zum Großteil ihr Verdienst. „Womit hab ich das nur verdient? Warum muss meine kleine Schwester nur so ein Vielfrass sein?“ „Redest du von Aoi? Das sieht man ihr gar nicht an. Wie viel frisst sie denn pro Tag?“ „Saya mag es nicht, wenn man sie bei ihrem zweiten Vornamen nennt.“ „Ich weiß.“ Moment mal! Mit wem redete ich da überhaupt? Rückartig drehte ich mich um und blickte ausgerechnet in zwei dunkelblaue Augen. „´Daisuke, was machst du denn hier?“ „Einkaufen, was denn sonst.“ Stimmt ja, wir waren in einem Supermarkt. „Und du?“ Daisuke sah mich gespielt neugierig an. „Ich suche was zu essen, bevor ich noch verhungere. Wir haben seit einer Woche nichts essbares mehr im Haus.“ „Und da hat Aoi noch nicht randaliert?“ „Nenn sie lieber nicht so, sonst bist du tot. Saya ist mit dem Kendoclub unterwegs.“ „Ach so, das erklärt alles.“ Gleichzeitig lachten Daisuke und ich los. Wären wir nicht unterbrochen worden, hätten wir sicher noch eine Weile weiter gescherzt, aber eine junge, hübsche Frau hatte sich in unser Gespräch eingemischt. „Wenn das nicht Seira Yamamoto ist.“ „Ren!“, kam es gleichzeitig von mir und meinem Klassenkameraden. Die junge Frau beachtete das gar nicht weiter. „Was machst du denn hier? Müsstest du nicht in der Schule sein?“ „Verweis!“, gab ich trocken zur Antwort. Die Frau sah mich geschockt an. „Wieso das denn?“ Ich zeigte auf Daisuke. „Der da und der Neue sind schuld.“ Mir fiel auf, dass ich die Frau eigentlich gar nicht kannte, weshalb ich mich zu Daisuke rüberbeugte und ihm ins Ohr flüsterte: „Wer ist das eigentlich? Kennst du die?“ Er antwortete genauso leise, wie ich gefragt hatte. „DIE ist meine Mutter.“ „Oh... WAAAAS“ Ich stolperte einige Schritte Rückwärts. „Sa- sa- sagtest du gerade-“ Mein Klassenkamerad sah mich beleidigt an. „Sorry.“ Mal wieder war ich in eines der berüchtigten Fettnäpfchen getreten, von dem andere noch nicht einmal wussten, dass diese überhaupt existierten. Warum passierten solche peinlichen Sachen immer nur mir? Ich wendete mich von den beiden ab und lief in Richtung Kasse. Dort bezahlte ich die Lebensmittel und verstaute sie in Einkaufstüten. Jetzt musste ich mir nur noch etwas einfallen lasse, wie ich sie nach Hause bekam. „Ich helfe dir. Allein schaffst du das doch nie im Leben.“ Verwirrt drehte ich mich um und sah Daisuke an. War er mir hinterhergelaufen? Unter anderen Umständen hätte ich abgelehnt, aber im Moment war ich mehr als nur froh, nicht alles allein nach Hause schleppen zu müssen. „Danke.“ Im Augenwinkel sah ich, wie Daisukes Mutter uns beobachtete. So war das also. Sie hatte ihm gesagt, er solle mir helfen. Na ja, konnte mir auch egal sein. Am Ende lief es darauf hinaus, dass er den Großteil des Einkaufes schleppte und ich nur zwei Beutel trug. Schweigend liefen wir nebeneinander her. Es dauerte eine Weile, bis wir ein Gesprächsthema gefunden hatten. „Bist du noch sauer auf mich wegen dem Verweis?“ Gespielt wütend sah ich Daisuke an. „Auf dich nicht, aber Rapunzel kann was erleben, wenn er morgen wieder in die Schule kommt.“ Mein Klassenkamerad schnitt eine Grimasse. „Ich will nicht mit ihm tauschen.“ Jetzt lachte ich. „Würde ich dir auch nicht raten.“ „Und wie willst du dich an Akira rächen?“ Daisuke blickte mich neugierig an, als ob er es nicht erwarten könne, meinen Plan zu erfahren. „Bis morgen fällt mir schon etwas ein. Notfalls kippe ich ihm eine ordentliche Portion Pfeffer aufs Pausenbrot.“ „Langweilig! Lass dir was besseres einfallen. Ich will was spannenderes sehen.“ „Soll ich mich etwa mit ihm prügeln?“ Jetzt prustete mein Einkaufstütenschlepper laut los. „Das würde ich nur zu gern sehen, aber lieber nicht. Du hast keine Chance gegen ihn.“ „Wer Mädchen schlägt ist feige!“ „Der war gut!“ Daisuke war noch immer am lachen. „Aber ich fürchte, das wird ihn nicht weiter interessieren.“ „Hab ich es doch gewusst! Ihr kennt euch! Woher? Zuerst bekam ich keine Antwort, aber gerade als ich das Thema wechseln wollte: „Vor einigen Jahren waren wir beste Freunde.“ Daisukes Stimme klang auf einmal traurig, fast so, als wäre etwas schlimmes passiert. „Waren?“ Ich konnte meine Neugier nicht gerade gut unterdrücken. „Unsere Väter waren gegen die Freundschaft und haben uns verboten, weiter miteinander befreundet zu sein.“ „Oh...“ Schon wieder war ich in ein Fettnäpfchen getreten. Schon wieder war es ausgerechtet mir passiert. „Das ist aber rührend.“ Das kam nicht von Daisuke! Aber von wem dann? Suchend sah ich mich um. „Endlich haben wir dich gefunden!“ Plötzlich standen einige Männer vor uns auf dem schneebedeckten Weg. Ich erstarrte. Sie trugen die gleiche Kleidung wie die Kerle, die mich letzte Woche angegriffen hatten, schienen aber um einiges stärker zu sein, so fühlte es sich wenigstens an. Ein bisschen hatte ich gelernt, zu fühlen, wie viel Kraft mein Gegenüber besaß und sie waren zu stark für mich. Zitternd stolperte ich ein paar Schritte zurück und stellte meine Einkäufe an den Nächstbesten Gartenzaun. Mein Klassenkamerad stand noch immer wie angewurzelt auf einer Stelle. „Daisuke?“ Seine Augen waren weit aufgerissen. Er hatte Angst, große Angst, vor den Personen, die vor uns standen. Erst viel später als ich konnte er sich aus seiner Starre befreien. Auch er zitterte, als er meine restlichen Einkäufe an den Umzäunung des Gartens stellte. Im Gegensatz zu mir ging er sofort in Kampfstellung. Wusste er über diese Kerle bescheid oder war das nur eine Art Reflex? Leider hatte ich keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. „Das ist aber ein süßes Mädchen.“ Einer von ihnen stand plötzlich nur einen Schritt vor mir und starrte mich an. Erschrocken schrie ich auf und schlug wild um mich. Der Fremde wich einige Schritte zurück. „Ich nehme alles wieder zurück. Du bist alles andere als süß.“ „Selber Schuld, wenn du dich nicht benehmen kannst.“ Ein Junge, der eine schwarze Maske trug und schwarz-rotes Haar hatte stand auf einmal zwischen mir und dem Fremden. Vom Aussehen und dem Charakter her ordnete ich ihn den Feinden zu, obwohl ich mir da nicht so ganz sicher war. Plötzlich spürte ich wieder den Schmerz in meinem linken Arm. Während ich wild rumgefuchtelt hatte, war mir das gar nicht aufgefallen. „Autsch!“ Daisuke sah mich erschrocken an. „Ren, bist du verletzt?“ Ich schnitt eine Grimasse. „Das war ich schon vorher. Bin letzte Woche die Treppe runtergefallen.“ Mein Klassenkamerad griff sich gespielt genervt an den Kopf. „Sag das doch gleich!“ „Du hast mich doch nicht gefragt.“ Ich erschrak, als ich auf einmal eine starke Kraft neben mir spürte. Daisuke stand neben mir. War das etwa er? Aber das würde ja heißen... Ich sah ihm ins Gesicht. „Daisuke, wie-“ Plötzlich bemerkte ich, dass seine Augen auch dieses seltsame Leuchten hatten, wie die von Kaito, diesem Morau und dem Neuen, wenn auch um einiges schwächer. Was war hier los? Alle, außer der Junge mit der Maske und dem schwarz-roten Haar griffen uns auf einmal an. Es schien, als sei er der Anführer oder so etwas in der Art. Daisuke ging in Verteidigungsstellung. Einen Angreifer nach dem anderen schlug er mit den Fäusten zurück. Mit dem bloßen Auge konnte ich seinen Bewegungen kaum noch folgen. Dafür war er einfach zu schnell. Aber diese seltsamen Kräfte durfte ich jetzt nicht einsetzen. Daisuke schlug die Angreifer wieder zurück, aber da stürmten die nächsten schon wieder auf uns zu. Das ging jetzt schon mindestens eine Viertelstunde so. Erschöpft sank mein Klassenkamerad neben mir auf die Knie. „Daisuke, alles ok?“ Zu meiner Überraschung hatte er noch nicht einen Kratzer. Also hatten die Feinde keinen Treffer landen können. Nur seine Klamotten waren etwas verschmutzt. „Mist, das sind einfach zu viele!“ Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Es geht wohl nicht anders. Ich muss das Siegel lösen.“ Von was redete er? Siegel? Er hatte ein Siegel? Daisuke schob den Ärmel seiner Winterjacke nach oben und zog sich ein schwarzes Armband vom Arm. Gerade, als ich ihn für verrückt erklären wollte, erschien an der Stelle, wo sich bis vor kurzem noch das Armband befanden hatte ein schwarzer Blitz auf der Haut. Er schloss für einige Sekunden die Augen. Als er sie wieder öffnete, zerbrach der schwarze Blitz in der Mitte in zwei etwa gleich große Teile. Diese wiederum zersprangen in Millionen kleinster Splitter, welche dann nach und nach verblassten. Was war das eben gewesen? Auf einmal spürte ich eine unheimlich starke Kraft direkt neben mir. Es war Daisuke! War er so stark? Bevor ich mich versah, war er wieder auf die Beine gesprungen und in Verteidigungsstellung gegangen. Erneut sprangen die Gegner auf ihn zu. Diesmal bewegte er sich noch schneller. Ich sah nur noch Streifen. Doch auf einmal blieb er stehen. Die Gegner hatten ihn eingekreist und hielten ihm ihre Waffen an die Kehle. Zu meiner Überraschung lächelte Daisuke. „Das nutzt euch bei mir überhaupt nichts.“ Plötzlich sprangen Blitze von seinem Hals auf die Waffen über. Alle Gegner fielen um, alle außer drei. Der rothaarige maskierte Junge und zwei seiner Leute stand noch. Betont langsam lief er auf meinen Klassenkameraden zu. Doch er griff uns nicht an. Statt dessen prüfte er nur am Puls, ob seine Gefolgsleute noch lebten. Die anderen zwei sprangen auf Daisuke zu. Doch bevor er überhaupt in ihrer reichweite war, kamen Blitze auf seinen Händen geschossen. Auch diese beiden sackten zu Boden. „Jetzt sind nur noch wir beide übrig.“ Entschlossen, nicht zu verlieren, sah Daisuke den Fremden an. „So habe ich mir das nicht vorgestellt! Einen schönen Tag noch.“ Er drehte sich um und ging. Seine Leute ließ er einfach liegen. „Warte!“ Ich rannte ihm hinterher. Zu meiner Verwunderung blieb er tatsächlich stehen. „Was willst du?“ „Ist die Haarfarbe echt?“ Sowohl Daisuke als auch der maskierte Fremde verloren das Gleichgewicht und knallten der Länge nach in den Schnee. Mein Klassenkamerad sprang sofort wieder auf und sah mich geschockt an. „Ren, bist du verrückt?“ Jetzt stand auch der andere wieder auf. Neugierig sah ich ihn an. „Jetzt sag schon!“ Er lachte. „Die Haarfarbe ist echt.“ Wenige Sekunden später war er verschwunden. „Ren, du hast echt einen Dachschaden! Man fragt doch seinen Feind nicht, ob er sich die Haare färbt!“ Eingeschnappt sah ich ihn an. „Ich wollte es aber unbedingt wissen!“ Plötzlich gaben Daisukes Knie nach und er sackte zusammen. „Alles ok? Bist du verletzt?“ Ich rannte sofort auf ihn zu. Den schmerz verdrängte ich gekonnt. Besorgt kniete ich mich neben ihn. „Daisuke?“ „Alles ok. Ich bin nur etwas erschöpft. Es ist schon eine Weile her, seit ich diese Kräfte das letzte Mal benutzt habe.“ Erleichtert atmete ich aus. Verdattert sah er mich an. „Sag mal, hast du keine Angst vor mir?“ Etwas verdutzt schüttelte ich den Kopf. „Nein, sollte ich?“ Jetzt lächelte Daisuke. „Vor mir brauchst du keine Angst zu haben, aber vor den anderen.“ Eine Weile sagte keiner von uns mehr ein Wort, bis er die das Schweigen brach. „Was wollten die Kerle eigentlich von dir? Hast du ihnen etwas gestohlen?“ Ich seufzte. Wo sollte ich am besten anfangen, mit dem erklären. In der Mitte oder am Schluss? Der Schluss war wohl das beste. Ich öffnete den Reißverschluss meines Mantels ein Stück und nahm die Kette ab, welche Kaito das Auge der Katze genannt hatte. Dann hielt ich den grünen, schön glänzenden Stein meinem Klassenkamerad direkt unter die Nase. Zuerst sah er mich etwas verwirrt an, bis er realisierte, was ich da in der Hand hielt. Er gab einen erschrockenen Laut von sich und stolperte einige Schritte rückwärts. „Das- das ist doch-“ Ich unterbrach ihn. „Ihr nennt es das Auge der Katze, richtig?“ Langsam fasste sich Daisuke wieder. „Wo hast du das her?“ „Weiß auch nicht so richtig. Ich hatte es auf einmal in der Hand. Ist das Ding irgendwie wertvoll?“ „WAAAS?! Weißt du überhaupt, was du da in der Hand hältst?“ „Nicht so richtig wirklich.“ Daisuke seufzte. „Ich weiß eigentlich auch nicht, was das genau ist. Aber es ist unheimlich wertvoll. Wie bist du da rangekommen?“ „Hab ich doch schon gesagt. Ich weiß es nicht. Von einer Sekunde zur anderen hatte ich das Teil in der Hand!“ Einige Sekunden war es sagte keiner ein Wort. Es war so still, dass man es gehört hätte, wäre eine Stecknadel zu Boden gefallen. Hatte ich gerade eben etwas falsches gesagt? Ich sah, wie mein Klassenkamerad mich anstarrte, sämtliche Gesichtszüge waren ihm entglitten. Die Augen und den Mund hatte er weit aufgerissen. „Da- Daisuke?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)