Kristallherz von GeZ ================================================================================ Kapitel 6: Laster ----------------- Endlich betrat ein schlampig gekleideter Mann den Raum. Als wolle er das Klischee des zerstreuten, aber genialen Kommissars bedienen, hing in seinem Mundwinkel zudem noch eine Zigarette. Ich hätte schwören können, dass Rauchverbot herrschte, aber diese Regeln galten anscheinend nur für die Besucher dieser Einrichtung. Es wäre sicher auch zu viel verlangt, dass einem zugestanden würde, sich auf die Weise Linderung zu verschaffen. Ich verstehe nicht, wie es Menschen geben kann, die gegen das Rauchen wettern. Jeder Mensch hat Laster. Zigaretten, Alkohol, Sex. Geld, Ruhm, Religion. Was auch immer. Vielleicht hätte ich die Zeit zum Beten nutzen sollen? Mein Gegenüber – ich nannte ihn in Gedanken schon ‚Columbo‘, denn er schien es nicht für nötig zu halten, sich vorstellen – räusperte sich und warf mir einen Blick zu, als wäre er ein lebendes Röntgengerät und wolle in mich hineinsehen. War ich ein Angeklagter hier? Dazu war es zu früh. Dies war kein Gericht. Auf einem Gericht war ich noch nie. Auf einer Polizeiwache bisher auch noch nicht. Die Dinge änderten sich im Leben. Meine Beziehung zu Sarah hatte sich geändert. War sie mein Fels in der Brandung gewesen? Steter Tropfen höhlt den Stein. Warum blieb nichts, wie es war? Der Fels wurde von der Brandung abgetragen. Ich war allein. Ich wurde ignoriert. Ich fand das nie störend oder gar bedauernswert. Doch dass Sarah mich ignorierte, dass sie mich allein ließ, das war bedauerlich für mich. Das schlimmste passierte gestern. Sie kam zu Besuch, lud mich zu ihrer Hochzeit ein. Ich lachte. Ich lachte schallend und laut. Aber ich freute mich keineswegs. Dieser Mann war falsch. Er gehörte nicht zu Sarah. Obgleich sie kein Engel mehr war, ein guter Mensch war sie noch, irgendwo tief in ihrem Inneren. Möglicherweise hatte ich mich geirrt und es gab noch einen Weg, ihr Herz zurückzuholen. Wenn ihr Freund nicht mehr wäre. Sie schüttelte den Kopf, ihr Gesicht sah angespannt aus. Sie war diesem Teufel treu, ließ ihn sich nicht ausreden, austreiben. Ihre Augen wanderten von mir zu dem Bild an der Wand. Eingerahmt in Gold, ein Stück bemaltes Papier aus alten Tagen. Darauf zwei Menschen, die einander bei den Händen hielten, neben ihnen allerlei Blumen und im Hintergrund ein Regenbogen. Ein scheues Lächeln huschte über ihr Gesicht, lag nur einen Augenblick auf ihren roten Mund. „Du hast es immer noch?“ Ich nickte. „Ich liebe es.“ antwortete ich schlicht. Es war das beste Bild der Welt. Fehlendes H hin oder her, es war perfekt, so wie es war. Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz. Sarah. Sie war perfekt, so wie sie war. Selbst mit ihren Fehlern war sie immer noch mein Engel. Ich setzte mich neben sie, schlang den Arm um ihre Schultern, zog sie an mich. „Ich verzeihe dir.“ verkündete ich mit feierlichen Pathos in der Stimme, immerhin war das ein historischer Moment. Ihre Augen waren traurig. Zuvor schien sie ebenfalls zu einer Einsicht gelangt zu sein, allerdings gingen ihre Folgerungen daraus in eine andere Richtung. Ich solle das Bild wegwerfen. Wir bräuchten keine glorifizierten Fragmente der Kindheit, sondern klare Worte in der Gegenwart. Sie würde für mich da sein. Immer. Denn sie liebe mich. Aber sie liebe ihren Freund auf eine andere Art und Weise und ich solle lernen, dass zu akzeptieren, den Unterschied zu verstehen. Ich glaube nicht mehr an Wunder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)