Kristallherz von GeZ ================================================================================ Kapitel 1: Jähzorn ------------------ Dabei war ich nicht mal besonders gemäßigt, zumindest früher nicht. Ich war jähzornig gewesen. Wenn ich gereizt wurde, überfiel mich die kalte Wut und ich schlug zu. Einmal, als Sarah und ich alleine waren, weil unsere Eltern auf einer Feier waren und dann bei den gastgebenden Freunden übernachteten, hatte ich einen solchen Anfall von plötzlichem Grimm. Anfangs lief alles gut. Wir blieben natürlich länger auf als sonst, da keiner da war, der uns ins Bett hätte scheuchen können. Essen und Trinken hatten wir uns ins Wohnzimmer mitgenommen – was den Ansichten unsrer Eltern nach ein enormer Regelverstoß war – und wir sahen Fernsehen. Eine Dokumentation, soweit ich mich erinnere, denn ich hatte den Anspruch, auch wenn ich es nicht sein mochte, anderen als intelligenter Mensch zu erscheinen. Sarah, obwohl jünger, nahm das hin und hörte sogar aufmerksam zu, soweit ich das beurteilen konnte, doch dann bestand sie darauf, dass ich den Sender wechselte, weil sie einen Cartoon sehen wollte. Ich lehnte ab. Sie ließ nicht locker. Bestimmt über fünf Minuten lang blieb ich ruhig, dann riss der Geduldsfaden und sie bekam eine Ohrfeige, über die ich fast mehr erschrak als sie, denn diese war heftig genug gewesen, um sie von der Couch zu werfen. In ihren Augen lagen Schock, Angst, Schmerz und stummer Vorwurf einträchtig vereint. Sie weinte nicht, doch das tat nichts zur Sache. Tränen sind kein Indiz dafür, dass man jemanden verletzt hat. Ebenso wenig, wie das Fehlen von Tränen ein Zeichen dafür ist, dass man niemanden verletzt hat. Ich wusste auch so, dass ich ihre zarte kleine Seele geschunden hatte. In der Nacht schliefen wir zusammen. Ich streichelte ihre hellbraunen Locken und summte ein Lied, nach dem sie damals ganz verrückt gewesen war. Ihr Atem ging leise und ruhig und ich lauschte ihm meinerseits, wie sie meinem Summen, und es war mir, als wäre das ihr Lied für mich. Solange hörte ich ihr zu, bis mich die Müdigkeit übermannte und ich entschlief. Am Morgen lag ich allein im Bett, Sarah war schon auf und kam mir fröhlich entgegengehüpft, als hätte sie nur darauf gewartet, dass ich erwachte. Ihr kleines Gesicht war durch eine rote Wange verunstaltet und es machte mich traurig, das zu sehen. Sie war schön, doch in diesem Augenblick war sie hässlich, weil sie meine Tat spiegelte. Sarah bemerkte mein Unwohlsein nicht oder aber sie übersah es geflissentlich. Sie hielt mir stolz ein Bild entgegen, das sie gemalt hatte. Zwei mehr oder minder gelungene Menschen, die einander bei den Händen hielten, neben ihnen allerlei Blumen und im Hintergrund ein Regenbogen. In ihrer krakeligen Grundschulschrift standen unsere Namen, Pfeile führten von ihnen zu der jeweiligen Gestalt, die uns auf ihrem Bild repräsentierte. Dazu stand noch geschrieben: „Ich verzeie dir.“. Ich streichelte ihr lächelnd über den Kopf und sagte ihr, dass man verzeihen mit h schriebe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)