Besuch von GeZ ================================================================================ Immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen begab ich mich zur Haustür, ohne Hast – schließlich hatte es nur einmal geklingelt und der Besucher, der auf Einlass wartete, schien es also nicht so eilig zu haben – aber auch nicht besonders langsam. Ich verließ das Zimmer, in dem ich eben mit den anderen in geselliger Runde gelacht hatte, mit durchweg normaler Geschwindigkeit. Ob das eine Rolle spielt? Ich weiß nicht. Ich glaube man sagt, herausstechenden Ereignissen nähert man sich bedächtig. Schritt für Schritt. Heute war es kalt draußen. Hier drinnen war es warm. Ich hatte die Zimmertür nicht geschlossen, nicht für die paar Sekunden, die ich brauchen würde, die Tür zu öffnen und den Besucher einzulassen. Das Lachen der anderen klang durch die Meter, die zwischen Zimmer- und Haustür lagen allerdings trotzdem gedämpft an mein Ohr, aber gerade darum kam ich mir wie in einem Traum vor, ein Traum von einem Paradies, ein Traum von Geborgenheit. Nach allem, was mir passiert war, erschien es mir wie ein Wunder, dieses Gefühl wiedergefunden zu haben. Diese innere Ruhe, die Kraft, die Lebensfreude, die aus der Gewissheit entspringt, dass man nicht allein ist. Ich hatte erwähnt, dass ich in normalem Tempo zur Tür gegangen war, oder? Doch nun, davorstehend und die Hand zur Klinke ausstreckend, wurde ich doch langsamer, zögerte kurz. Warum? Hinter der Tür stand sicherlich ein Bekannter. Vielleicht sogar einer, über dessen Besuch man sich wirklich freuen konnte. Ja, herausstechenden Ereignissen nähert man sich bedächtig… Nicht wahr? Man bereitet sich sozusagen auf sie vor. Das kühle Metall der Klinke holte mich aus meiner kurzen Starre. Ich drückte sie hinunter, genoss das Geräusch, dass das Öffnen des alten Schlossmechanismus’ machte und warf einen Blick durch den Spalt hinaus, der sich aufgetan hatte. Es war wirklich kalt draußen. So kalt, dass man im T-Shirt leicht eine Gänsehaut bekommen konnte. Wie in Trance ließ ich meine Hände über die Arme fahren, um dagegen anzukämpfen. Denn die Gänsehaut, die sich schlagartig bei mir gezeigt hatte, hatte überhaupt nichts mit der Kälte zu tun. Dabei hatte ich ihn doch nur ganz kurz angesehen – und schon war es mir, als müsste ich augenblicklich vergehen. Aber mein Herz schlug weiter. Auf wessen Seite stand das dumme Ding? Ließ es mich doch diesen Schmerz wieder erleben. Ungläubig schaute ich zum Himmel auf. Sollte es für diese Situation nicht mit Blitz und Donner die passende dramatische Untermalung geben? Kein Wölkchen trübte meinen Blick hinauf. Neumond und ein paar Sterne. Auch Sterne sterben… Ich zwinkerte, versuchte so der aufsteigenden Tränen Herr zu werden. Als mir bewusst wurde, dass er es sehen würde, wenn ich weinte, senkte ich den Kopf schnell wieder und sah zu Boden. Ich war barfuss. Immer. Zu Hause trug ich nie Socken oder Schuhe. Ein Tropfen dieses Salzwassers berührte die nackte Haut meines Fußes. Mit dem anderen wischte ich ihn – krampfhaft schluckend, um endlich irgendetwas sagen zu können – weg. Er musste das doch gesehen haben. Doch weder ein Wort noch ein Laut verließen seinen Mund, der heute so schmal war, weil er die Lippen zusammenpresste, als hätte er auch Schmerzen. Ich sah ihn noch einmal an. Er wirkte so unendlich traurig. Ja, es war sehr kalt draußen. Drinnen war es warm. Mein Herz tat weh. Er stand stumm da und litt. Ich schloss die Tür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)