A snowman, that brings the death von abgemeldet (A supernatural story) ================================================================================ Prolog: -------- Meine erste FF zu Supernatural ... Was soll ich groß sagen? Ich liebe die Serie sowie die Jungs, und diese Story spukt seit letzten November in meinem Hirn herum. Schuld daran ist ein simpler Schneemann, den ich mit eigenen Händen errichtet habe (man lese und staune ^^) und dem ich ein recht krankes Eigenleben angedichtet habe. Irgendwie ließ mich das dann einfach nicht mehr los und nachdem ich eines Tages kurz vor dem Jahreswechsel allein meine Runden auf einem zugefrorenen Teich gedreht habe, stand dann auch der Plot zur Story fest. Ich hoffe, sie gefällt euch und ihr hinterlasst mir eure Meinungen dazu. Und keine Sorge, falls ihr im Prolog Dean und Sam vermisst, sie erscheinen mit dem ersten Kapitel in gewohnter Manier ^^ Coulee City, Washington Stahlkufen gruben sich knirschend in das dicke Eis des Banks Lake, der sich wie ein langes, aber mächtiges Reptil an zu dieser Jahreszeit kargen Felsen vorbeischlängelte. Dutzende von Menschen, unter ihnen auch Kinder aus der naheliegenden Kleinstadt, tummelten sich fröhlich lachend und übermütig schreiend auf dem zugefrorenen Gewässer. Der bereits seit zwei Wochen andauernde Frost und nun auch vor wenigen Stunden einsetzende Schneefall hatte die Gegend rund um Coulee City, welches malerisch an dem eher schmalen See lag, in eine eindrucksvolle Winterlandschaft verwandelt, wie man sie sonst nur aus prächtigen Bildbänden kannte. Die wenigen Bäume, welche rund um den See verstreut lagen, als hätte sie jemand verloren, waren mit zartem Raureif überzogen, der sich durch die leise umherwirbelnden Schneeflocken noch verstärkte. Ein kleiner schwarzer Gegenstand flog ähnlich eines jagenden Raubvogels dicht über das Eis, verfolgt von kreischenden Kindern, die allesamt Hockeyschläger in den Händen hielten und dem kleinen Ding, das sich als Puck entpuppte, hinterhereilten. Einige unter ihnen gingen in dem spielerischen Gerangel um das heißbegehrte Objekt zu Boden, stemmten sich jedoch mit Hilfe ihres Schlaggerätes sofort wieder auf die Beine, um johlend weiter um den Sieg dieses Spieles zu kämpfen. Ab und zu wanderten die besorgten Blicke der anwesenden Erwachsenen zu der lauthals ihren Spaß herausschreienden Gruppe – auch, wenn es nicht ihre eigenen Sprösslinge waren, so hatten sie stets ein Auge auf sie, schließlich kannte hier jeder jeden - doch die Rasselbande ließ sich nicht so schnell von ein paar blauen Flecken beeindrucken, die sie von ihrem wilden Spiel sicherlich davontragen würden. Ungeachtet der voranschreitenden Tageszeit bemerkten sie kaum, wie die Sonne gemächlich, aber doch weitaus flinker als es zu anderen Jahreszeiten der Fall war, begann, sich hinter den um den See aufragenden Felsen zu verbergen. Erst, nachdem sich das doch zunächst überaus hohe Aufkommen der Menschen, die ihren Tag auf dem Eis verbracht hatten, lichtete und ein älterer Mann, der in Begleitung eines kleinen Jungen, vermutlich sein Enkel, die Kinder darauf aufmerksam machte, dass es an der Zeit wäre, nach Hause zu gehen, unterbrachen sie ihr Spiel. „Packt eure Sachen zusammen, Leute!“, bestimmte eines der Mädchen, eine für ihr Alter bereits hochgewachsene Braunhaarige mit langen glatten Strähnen, die sie zu einem Zopf gebunden hatte, ihren Aufbruch. „Wenn wir nicht vor dem Dunkelwerden zu Hause sind, dann war´s das dieses Jahr mit Eishockey.“ Leicht verstimmtes Murren hallte ihr von ihren Freunden, zwei anderen Mädchen und fünf Jungen verschiedenen Alters entgegen, aber ohne ein weiteres Aufmucken verstauten sie ihre Schlittschuhe, sammelten den Puck ein und schulterten ihre Eishockeyschläger. Einer nach dem anderen kletterten sie die Uferböschung hinauf, dabei verwundert bemerkend, dass sie die letzten waren, die den See verließen. Den Kleinsten unter ihnen, einen hellblonden Jungen mit wachen blauen Augen, mussten sie allerdings das kaum nennenswerte Gefälle hinaufziehen, da er mit seinem viel zu schweren Rucksack immer wieder abrutschte, was ihm von jedem ein belustigtes Kichern einbrachte. „Hört auf zu lachen!“, begann er zu fauchen, sich trotz seiner geringen Größe eingängig zu wehren wissend und schenkte jedem unter ihnen eine biestige Grimasse, die eine unverkennbare Warnung an sie alle darstellen sollte, doch diese entlockte ihnen, sehr zu seinem Ärger, nur noch weitere glucksende Geräusche. „Dennis“, maßregelte ihn ein älterer Junge und zeigte auf den Rucksack, den der Kleinere geschultert hatte und der ihn von seiner Größe her beinahe überragte. „Wieso musstest du auch so etwas mitschleppen?“ „Kann ich etwas dafür, wenn Mum darauf besteht, für uns alle Tee zu kochen und mir den in die Tasche steckt, hä?“, beschwerte sich der kleine Wicht. „Und jetzt habt ihr nicht einmal etwas davon getrunken und ich kann den ganzen Kram wieder nach Hause tragen.“ Mit einer beleidigten Schnute musterte er die anderen Kinder, die einander verwundert ansahen. „Wenn du uns auch kein Sterbenswörtchen davon verrätst, ist es kein Wunder. Wir können schließlich nicht hellsehen, was sie dir eingesteckt hat“, sagte der größere Junge und zuckte mit den Schultern, während die anderen zustimmend mit den Köpfen nickten. „Oh“, entfuhr es Dennis daraufhin und er biss sich peinlich berührt auf die Unterlippe. „Ich dachte, ich hätte es euch gesagt. Egal, dann trinken wir ihn zu Hause, sonst kriegt sie sicherlich nen Anfall und meckert, sie hätte alles umsonst gemacht.“ „Jetzt sollen wir auch noch ausbaden, was du vergessen hast?“, stichelte der anderen Junge, grinste dabei aber über beide Wangen. Er wollte den Kleineren nur ärgern und der fiel auch prompt darauf herein, so, wie immer, wenn die Brüder sich zankten. Jedem konnte er trotzen, egal, wer da kam und versuchte, ihn zu necken, aber bei ihm, seinem großen Bruder, saß er auf verlorenem Posten. Tränen traten in die Augen des Blondhaarigen, er mochte es nicht, wenn Blake das tat. „Sie ... wollte ihn dir ja mitgeben, aber ... du warst so schnell aus dem Haus, da hat sie ihn ... mir in die Hand gedrückt“, schniefte er und wischte sich die laufende Nase mit dem Ärmel ab. „Nie wartest du auf mich und ich bekomm dann immer den Ärger ab für alles.“ Ein Seufzen entwich dem großen Jungen und die Augen genervt verdrehend strich er sich das ebenso weizenblonde Haar nach hinten, welches ihm wirr in die Stirn fiel. „Mann, musst du immer gleich flennen, Dennis? Ich hab es doch nicht so gemeint.“ Aber die Tränen des Angesprochenen dachten gar nicht daran, so schnell zu versiegen und so liefen sie wie kleine glitzernde Diamanten die geröteten Wangen des Jüngeren hinunter. „Dennis ...“, versuchte es Blake noch einmal und sah seinen kleinen Bruder entschuldigend an, die Hände dabei nervös in seinen Hosentaschen vergrabend, doch das Mädchen mit den langen dunklen Haaren, welches ihren Aufbruch bestimmt hatte, kam ihm zuvor. „Hey, pscht“, machte sie und drückte den weinenden Zwerg kurz an sich, woraufhin er tatsächlich aufhörte zu schluchzen und in ihre grasgrünen freundlichen Augen blickte. „Du brauchst nicht zu weinen, Blake benimmt sich nur mal wieder ...“, sie starrte mit hochgezogenen Brauen zu dem soeben Genannten hinauf, „wie ein kompletter Idiot, das müsstest du doch mittlerweile kennen.“ „Kayla!“, fauchte der Ältere der Brüder ungehalten und sah das hübsche Mädchen zornig an, doch sie schwebte nur an ihm vorüber und sagte leise, so dass die anderen es nicht hören konnten: „Er ist dein Bruder, Blake, wie wäre es, wenn du dich endlich auch mal wie seiner benehmen würdest?“ Forsch schmiss sie ihm den Rucksack des Jüngeren, den sie diesem soeben abgenommen hatte, in die Arme, so dass Blake keuchend darunter in die Knie ging und sich im selben Atemzug, der ihm dabei aus der Kehle gepresst wurde, fragte, wie Dennis, das schmächtige Hemd, so etwas überhaupt hatte tragen können. Der ging an der Hand seiner selbst ernannten Beschützerin an ihm vorüber, den Blick etwas schuldbewusst nach unten gerichtet, als wollte er ihm stumm mitteilen, dass ihm der Ausgang dieser Sache leid tat. Vor Wut grunzend folgte er dem Trott seiner Freunde, die sich, da dieses Thema nun wohl gegessen war, eifrig lachend und plappernd vor ihm nach Hause bewegten. Schnell hatte er sie eingeholt und schob sich neben seinen Bruder, der noch immer an der Hand von Kayla ging, die Blake sofort mit warnenden Blicken bedachte, welche er jedoch geflissentlich ignorierte. „Weichei“, flüsterte er Dennis in das eine Ohr, welches seine dicke Wollmütze frei gegeben hatte und verzog dabei die Lippen zu einem Schmunzeln, als er das aufkeimende Schmollen seines Bruders bemerkte. Kayla holte schon tief Luft, um ihm Paroli zu bieten, aber da schoss schon die dementsprechende Antwort aus dem Mund des Kleineren hervor. „Idiot.“ „Mamakind.“ „Blödmann.“ „Warmduscher.“ Ein übermütiges Kieksen suchte sich seinen Weg an die Oberfläche und Dennis rannte kreischend hinter seinem Bruder her, der mit einem gespielt panischen Ausdruck auf dem Antlitz hilfeschreiend vor dem Jüngeren floh, nachdem die anderen Kinder lachend auseinander stoben, damit sie nicht umgerannt wurden. Währenddessen sah Kayla den beiden Jungen kopfschüttelnd hinterher, den Rucksack mit dem Tee, den Blake einfach vor ihre Füße geworfen hatte, aufklaubend. „Männer“, seufzte sie genervt und legte die behandschuhten Hände, nachdem sie sich die schwere Tasche auf den Rücken geworfen hatte, über ihre vor dem eisigen Wind ungeschützten Ohren. „Und in sowas soll ich mich mal verlieben? Niemals.“ Mit einem erschöpften Japsen ließ sich Blake in den frisch gefallenen Schnee fallen, der ihn sofort kalt umrahmte, als sei er ein Gemälde, das man perfekt zur Geltung bringen musste. Die Zweige der Bäume, welche zu allen Seiten von ihm wie stumme Wächter standen, leuchteten im Licht der untergehenden Sonne wie seltene Edelsteine, da sich der Raureif durch die nun sehr schnell fallenden Temperaturen zu Eis verwandelt hatte. Fröstelnd sah er sich um. Er war in den kleinen Wald, der sich wie ein verschmuster Kater an ihre Stadt schmiegte, hineingelaufen, während er sich vor Dennis auf der ´Flucht` befand. Die anderen hatte er scheinbar weit hinter sich gelassen. Wo war die kleine Kröte eigentlich? Ein Rascheln direkt neben ihm lenkte seine Aufmerksamkeit auf ein Gebüsch, aus dem auch sofort mit einem lauten „WUAAAAAAAH!“ sein Bruder hervorbrach und sich schreiend auf ihn warf, so dass ihm mit einem Satz die Luft aus den Lungen gepresst wurde. „Hab dich!“, bemerkte Dennis überflüssigerweise und musterte ihn gewitzt; seine Mütze saß nur noch windschief auf seinem Blondschopf. Dass er sie überhaupt noch hatte, grenzte an ein Wunder, aber womöglich hatte es sich die Mütze zweimal überlegt, ob sie den warmen Kopf lieber mit dem eiskalten Schnee tauschen sollte. „Das bemerke ich auch“, keuchte Blake zur Antwort und kitzelte den Kleineren flink am Bauch, was zur Folge hatte, dass dieser kichernd von ihm herunter rutschte und ebenso in dem kühlen Niederschlag landete. „Du bist ganz schön lahm, ich dachte, du kommst gar nicht mehr.“ Aber anstatt einer entrüsteten Antwort schlangen sich plötzlich zwei kurze Arme um seinen Oberkörper und ein Kopf mit einer Mütze, die ihm nun beinahe im Gesicht hing, drückte sich an seine Brust. Verwirrung machte sich in dem Älteren breit und er versuchte, zwischen dem kratzigen Wollstoff hindurch seinen Bruder auszumachen. „Dennis?“, wühlte es sich durch die Flusen und er spuckte sie angewidert aus. „Ich hab dich lieb, Blake.“ Schweigen hallte durch den Wald, nur das Flüstern des Windes, der Geschichten aus aller Welt durch die Lande trug, pfiff an die Ohren der Brüder. Umständlich setzte sich Blake auf und sah über den Jüngeren hinweg, der ihn plötzlich mit der bitteren Vermutung, etwas Falsches gesagt zu haben, anstarrte, doch der Größere rückte mit einem Male seine Mütze wieder richtig, so dass sie ihrer Funktion, die bereits halb erfrorenen Ohren zu wärmen, genüge tat. „Sonst flippt Mum noch aus“, erklärte Blake sein Handeln unbeholfen, doch Dennis wusste, was er damit ausdrücken wollte. Sein großer Bruder hatte ihn genauso lieb und daran würde sich niemals etwas ändern, solange sie lebten. Er zeigte dies allerdings nur nie in dem Ausmaß, wie Dennis es tat, weswegen Blake ihn ja ein ´Weichei` nannte. „Komm“, hörte er die Stimme des Älteren und sah, wie dieser bereits aufgestanden war und sich den Schnee aus der Kleidung klopfte. „Wenn wir uns nicht beeilen, dann ist es dunkel, bevor wir zu Hause sind und du weißt ja, was das bedeutet.“ „Yap“, nickte der Kleinere und sprang wie ein junges Fohlen in die Höhe. „Hausarrest. Wie ich das hasse.“ Ein Lachen explodierte in Blakes Kehle, nachdem diese Worte den Mund seines kleinen Bruders verlassen hatten. Manchmal redete er doch wie ein Erwachsener. Vielleicht, weil ihr Dad ihn oft zu den Skatabenden mitnahm, die ihn selbst so langweilten. Vergnügt beobachtete Dennis den Größeren. Er mochte es, wenn Blake fröhlich war, denn zu oft war dieser in der letzten Zeit in sich gekehrt und schweigsam gewesen. Hatte er ihre Mum gefragt, woran das läge, hatte diese geantwortet, dass es das Alter sei, in dem sich Blake gerade befand. Dann war man einfach so. Wenn er darüber so nachdachte, dann wollte er niemals in dieses Alter kommen, so etwas war doch einfach lästig für die Mitmenschen. Hätte Dennis gewusst, dass Blakes vorübergehende Aufsässigkeit und das Zurückziehen in den eigenen schützenden Panzer mit dem Tod ihres Vaters vor Jahren, als der Kleinere unter ihnen erst vier Jahre alt war, zusammenhing, hätte er das Verhalten seines großen Bruders still hingenommen, da ihm selbst bewusst war, wie es sich anfühlte, jemanden zu verlieren, den man liebte. Rasch fasste er nach der Hand seines Bruders, der dies auch ausnahmsweise mal geschehen ließ und ihn nicht mit einem wütenden Gefauche vertrieb. Und mit einem Male war er froh, so einen Bruder zu haben, einen Freund fürs Leben, mit dem einem mehr verband als dies je mit anderen Menschen möglich war. Eine ungewohnte Wärme erfüllte das Innere des älteren Jungen, nachdem er über die wenigen, aber ausdrucksvollen Worte des Kleineren nachdachte. Dennis nahm ihn so, wie er war, mit all seinen Ecken und Kanten, die nun mal jeder Mensch mit sich herumtrug. Lächelnd umfasste er die Hand seines Bruders fester und beschleunigte seine Schritte, denn obwohl er und auch all seine anderen Freunde sich gerne in dem Waldstück aufhielten und hier oft spielten, fühlte er sich an diesem späten Winternachmittag hier nicht so wohl wie sonst. Das Wissen, was er über diesen Ort mit sich herumtrug, steigerte zunehmend seine Nervosität. Er war heilfroh, sobald sie die Treppen zur Haustür hinaufstiegen und der würzige Duft der frischgebackenen Zimtsterne, die ihre Mutter noch zubereiten wollte, ihre Nasen verwöhnte. Doch plötzlich riss sich der Jüngere von ihm los und lief vor Freude juchzend in einen kleinen Trampelpfad hinein, an dessen Seiten eingefrorene Brombeerbüsche und Dornengestrüpp hervorragten. Die Stirn runzelnd starrte ihm Blake hinterher. „Dennis!“, rief er, aber alles, was von seinem Bruder zurückschallte, waren regelrechte Begeisterungsausbrüche über irgendetwas, das er zu entdeckt haben schien. „Dennis!“, wiederholte der Größere weitaus energischer, denn die wenigen Sonnenstrahlen, welche ihnen soeben noch den Weg nach Hause beleuchtet hatten, waren nun gänzlich verschwunden. „Komm endlich! Wir können morgen auch noch mal hierher kommen, wenn es hell ist, hörst du?“ Blake wartete, aber keine Antwort erreichte seine von der zunehmenden Kälte geröteten Ohren. Fröstelnd zog er die Schultern nach oben, damit das Fell seiner Kapuze zumindest einen Teil von ihnen wärmte, bevor er zögernd ein paar Schritte auf den Trampelpfad zuging, in dem sein Bruder verschwunden war. „Den? Komm, verarsch mich nicht! Das ist nicht besonders lustig! Denk an Mum, sie wird außer sich sein, wenn wir erst im Dunkeln nach Hause kommen und ich habe darauf absolut keine Lust und du sicher auch nicht.“ Wieder keine Reaktion. Langsam beschlich den Jungen ein ungutes Gefühl, sein Magen zog sich schmerzerfüllt zusammen wie bei einer unangekündigten Mathearbeit, die er hundertprozentig in den Sand setzen würde. Winzigkleine Schneeflocken tanzten um ihn herum, als er den Pfad betrat, in dem sein kleiner Bruder etwas entdeckt zu haben schien, von dem es sich lohnte, den unbarmherzigen Zorn einer sorgenvollen Mutter auf sich zu ziehen, die gewiss schon die Polizei alarmiert hatte, weil ihre Söhne bereits eine halbe Stunde über der Zeit waren. „Danny?“ Normalerweise müsste der Jüngere jetzt wutentbrannt aus den Büschen springen, zwischen denen er sich bestimmt verborgen hatte, um seinem großen Bruder einen Streich zu spielen, denn er hasste diesen Spitznamen, den Blake ihm verpasst hatte, wie nichts anderes. Aber erneut geschah nichts, kein Knurren oder wütendes Zischen war zu erahnen, welches der Kleinere in diesen Situationen stets zum Besten gab, kein unbedachtes Rascheln der Zweige, welche er definitiv gestreift hätte, sofern er diesem Versteck entfliehen wollte, um sich für den Ausruf dieses Namens zu bedanken. „Hey“, rief Blake mit zitternder Stimme, während das Gefühl begann seinen Magen wie einen nassen Schwamm zusammenzudrücken. „Jetzt mach keinen Mist und zeig dich wieder, dein großer Bruder hat nämlich langsam die Hosen voll, jaaaaaa, du hast es geschafft, zufrieden?“ Mit ausgestreckten Armen drehte sich der Junge um sich selbst, aber kein Zwerg kam aus dem Gestrüpp geflitzt, um ihn vor Vergnügen gackernd halb umzurennen. „Den“, flüsterte Blake, während er mit Schrecken fühlte, wie die Angst wie tausend eklige Käfer seine Kehle hinaufkrabbelte. „Wo bist du?“ Hektisch begann er, die Büsche zu durchforsten, jeden einzelnen, in dem Dennis vielleicht stecken könnte und grinsend dem unsinnigen Treiben seines Bruders zusah, wie dieser eindringlich hoffte, aber nirgendwo war ein Lebenszeichen des Kleinen zu finden. Dornen hatten sich bereits in den Stoff seiner Winterjacke gegraben und dort tiefe Furchen hinterlassen, aber das bemerkte der Junge gar nicht. Immer wieder ging er den kurzen Pfad auf und ab, dessen Ende von Bäumen und Sträuchern begrenzt war, durch die es kein Durchkommen gab, außer für ein Kaninchen oder einen Fuchs, aber keineswegs für einen Jungen von Dennis´ Größe. Als er das Gestrüpp bereits mehrere Dutzend mal durchkämmt hatte, dabei jedoch nur auf reichlich Kleingetier gestoßen war, was ihn mit wütenden Pfiffen bedacht hatte, kam ihm etwas in den Sinn, das er zu Beginn des eigenartigen Verschwindens seines Bruders ohne weiteres Interesse beiseite geschoben hatte. Dennis´ Fußabdrücke im Schnee waren ins Leere verlaufen: sie hörten in der Mitte des Pfades einfach auf, als wären ihm Flügel gewachsen, mit deren Hilfe er davon geschwebt war. Lähmende Furcht überkam den Blondhaarigen, die wie flüssiges Feuer in seinen Eingeweiden brannte und ihn in die Knie zwang. Verzweifelt nahm er den im fahlen Licht des aufgehenden Mondes hell glänzenden Schnee zwischen die behandschuhten Finger, dessen winzige Flocken ähnlich zig vom Himmel gefallener Sterne glänzten und betrachtete ihn eingängig, als erwartete er Antworten von dem kühlen Nass. „Du bist nicht hier, Den, hab ich recht?“ Seine tiefblauen Augen, die denen seines Bruders so sehr ähnelten, starrten ins Leere. „Aber wenn nicht hier, wo dann?“ Ein plötzlich aufkommender Wind strich ihm durch das Gesicht und ließ ihn zusammenzucken, nachdem etwas in sein Ohr flüsterte, dessen Laut ihn Hoffnung schöpfen ließ, aber es klang so unglaublich weit weg, dass er es kaum glauben konnte. „Dannyyyy! Kannst du mich hören?!“, brüllte er mit dem letzten bisschen Kraft, was ihm noch gegeben war und sprang auf, hektisch atmend hin- und herlaufend, während er dabei auf weitere Signale seines Bruders wartete. „Wenn du mich hören kannst, dann gib mir ein Zeichen, okay?! Irgendetwas, du kannst mich sogar Idiot rufen, wenn du willst, ich bin dir dann nicht mal böse, nur bitte, bitte ... mach dich bemerkbar!“ Doch das einzige, was ihm eine Antwort gab, war der Wald mit seinen unzähligen Geräuschen, welche das Leben um ihn herum ausdrückten. Aber das seines Bruders schwieg wie ein düsteres, der Ewigkeit übergebenes Grab, in dem nur Eiseskälte herrschte. „Den ... Mum wird weinen, wenn du nicht nach Hause kommst und Ben, also Dad ... er wird versuchen, stark für uns zu sein, aber ich glaube, still und heimlich wird er ebenso weinen wie Mum ... und ich auch ... also bitte ... bitte, komm mit mir.“ „Blake?!“ Eine Stimme zerriss die Stille um ihn herum wie eine brutale Hand ein Stück Papier. Mit einem erwartungsvollen Ausdruck auf dem kindlichen Gesicht wirbelte der soeben Gerufene herum, hoffend, einen blondhaarigen Strubbelkopf, den er um ein Vielfaches überragte, vor sich zu sehen, samt tiefblauer Augen, die ihn vorwitzig, aber auch um Verzeihung heischend anblinkerten, aber alles, was ihn mit Kälte und Bitterkeit bedachte, war der dahinschwindende Nachmittag, welcher vor der düsteren Nacht floh. Wieder hallte die Stimme an sein Ohr, eindringlicher nun, ängstlicher als noch zuvor und Blake erkannte sie. Sie gehörte zu einem Mädchen, ein Mädchen, das seinen kleinen Bruder auf ähnliche Weise liebte wie er und sich oft um ihn sorgte, wie wohl auch jetzt, aber scheinbar nicht nur um Dennis, sondern nun ebenso um ihn. Aber seine Antwort auf ihren Ruf blieb aus, er weigerte sich, ihr zu verraten, dass er sich ganz in ihrer Nähe befand, schob die hässliche Wahrheit beiseite, dass sein Bruder nicht da war, wo er sein sollte – beschützt an seiner Seite. Nochmals rief sie nach ihm, der Verzweiflung nahe, wie er aus der Unsicherheit ihres Klanges entnahm. Ob sie sich genauso fühlte wie er jetzt? Die Gewissheit im Herzen, etwas verloren zu haben, was nicht so einfach ersetzt werden konnte? Er spürte, wie etwas seine Haare am Hinterkopf streifte und erschauderte unter der Berührung. Langsam, beinahe so bedächtig, wie die Erde sich drehte, wandte er sich um, aber dort war niemand. Nur eine bunte, selbstgestrickte Wollmütze breitete sich wie ein greller Farbtupfer auf dem öden Weiß des Schnees aus. Wie betäubt ließ sich Blake auf die Knie sinken, das Kleidungsstück nicht aus den Augen lassend. Beinahe liebevoll glitten seine Finger über den groben Stoff, als versuchten sie Antworten nach dem Verbleib des kleinen Jungen zu finden, dessen Kopf noch am Nachmittag als Zuhause für die Mütze gedient hatte, doch alles, was die schnell einsetzende Dunkelheit ihm entgegenspie, waren unheilvolle Befürchtungen und nie gekannte Angst um seinen kleinen Bruder, den die hervorrückende Nacht mit seinem düsteren Maul verschluckt hatte. „Danny ... .“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)