[24/7] Zwischen den Zeilen von halfJack ================================================================================ Kapitel 2: Selbstjustiz ----------------------- Selbstjustiz Matsuda streckte sich und gähnte unverhohlen, bevor er den Blick durch den Raum schweifen ließ, um die anwesenden Männer einen nach dem anderen zu mustern. Herr Yagami saß in einem Sessel und starrte auf die Seiten der Zeitung, die er in der Hand hielt. Nicht weit entfernt hatte sich L ebenfalls niedergelassen, in seiner eigenen ungewöhnlichen Haltung, und aß gelangweilt ein Stück Kuchen. Nur Light war damit beschäftigt, an einem Computer zu arbeiten, und widmete dieser Tätigkeit seine ganze Aufmerksamkeit. „Ich finde es toll, dass du wieder bei uns bist.“ Mit diesen Worten und aller Fröhlichkeit seiner Person richtete sich Matsuda an Light, der seine Arbeit für einen Moment unterbrach und ihn irritiert ansah. „Mir war von Anfang an klar“, fuhr der junge Polizist fort, „dass du auf keinen Fall Kira bist.“ „Wie kommen Sie jetzt darauf, Matsuda-san?“ Light lachte, wenn auch noch immer verwirrt. „Nun, weißt du...“ Mit verschränkten Armen und einem wissenden Gesichtsausdruck lehnte sich Matsuda mit dem Rücken gegen eine Kommode. „Ich musste daran denken, was du damals gesagt hast, kurz vor deiner Inhaftierung. Du meintest, es wäre dir schon oft durch den Kopf gegangen, eigenhändig über manche Verbrecher zu richten. Ich kann das verstehen und das macht dich so menschlich.“ „Menschlich?“, wiederholte Light skeptisch. „Das wäre aber keine abgrenzende Eigenschaft. Denn was sollte Kira sonst sein, wenn nicht ein Mensch?“ „Ich meine, du hast dich gestellt und nicht versucht, dich irgendwie rauszureden! Ich glaube nicht, dass Kira das getan hätte.“ „Danke, Matsuda-san.“ Light lächelte und drehte sich auf seinem Stuhl zu den restlichen Anwesenden herum. „Aber das habe ich damals wegen meiner eigenen Unsicherheit gesagt, weil ich Angst hatte, Kira zu sein und anderen Menschen zu schaden. Natürlich meinte ich es ernst. Doch ich weiß, dass ich mir niemals das Recht herausnehmen würde, mit einer solchen Fähigkeit nach eigenem Ermessen zu handeln. Das würde nicht funktionieren, wenn ich als einzige Person selbstgerecht handle, in einer Welt des ethnologischen Relativismus.“ Eine Augenbraue Matsudas zuckte unmissverständlich nach oben, sodass Light seufzte und zu erläutern versuchte: „Das bringt unser gesellschaftliches System mit sich. Wie soll ich das erklären...?“ „Unsere jetzige Zeit“, half L ihm weiter, ohne von seinem Stück Kuchen aufzuschauen, „die Situation der Postmoderne ist dadurch gekennzeichnet, dass das Ideal der einen, uniformen Vernunft in den Plural disparater Vernünftigkeiten und das polymorphe Nebeneinander divergierender Lebensentwürfe und Weltanschauungen zerbrochen ist.“ „Genau“, bestätigte Light mit einem Nicken, „so fragt man sich, ob nicht ein moralischer Nihilismus anerkannt werden sollte, weil Mitleid eine individuelle Befähigung und Vernunft keine ausreichende Begründung ist.“ „Genau?“, sprach Matsuda unbewusst nach, während sich in seinem Gesicht noch mehr Unverständnis widerspiegelte. „Das heißt nur, dass wir alle unterschiedlich leben und denken“, erklärte Herr Yagami von der Seite und wirkte dabei etwas steif. „Darum ist es nicht gut, wenn ein Einzelner allen anderen seine Gerechtigkeitsvorstellung aufzwingt.“ „Ich will mich natürlich nicht auf Kiras Seite stellen“, warf Matsuda halb protestierend ein, „aber seitdem er das Ruder in die Hand genommen hat, ist die Verbrechensrate gesunken.“ „Das lässt sich leider kaum leugnen.“ Herr Yagami hatte seine Zeitung sinken lassen und schaute nachdenklich zu Boden. „Aber Selbstjustiz ist keine Lösung.“ „Und was soll mit einer solch perfekten Welt auch erreicht werden?“ L hielt seine Kuchengabel zwischen Daumen und Zeigefinger nach oben und schaute an der aufgespießten Erdbeere vorbei direkt in Matsudas Gesicht. „Eine schöne neue Welt? Oder die Rückreise zum Jahr 1984? Wir sollten uns da keine illusorischen Vorstellungen machen. Sobald Kira gerichtet ist, wird alles wieder so sein wie früher. Nichts wird sich verändert haben.“ „Außerdem“, fügte nun Light hinzu, „hat Kira all das nur durch Gewaltanwendung und die Verbreitung von Angst erreicht. Der Mensch ist dadurch nicht besser geworden, auch wenn sich unsere Gesetze genauso wenig ohne Sanktionen durchsetzen lassen. Wenigstens besteht in unserer Verfassung eine Zustimmung der großen Mehrheit, sonst gäbe es für niemanden mehr Sicherheit in unserem Land.“ „Sicherheit?“, fragte L und sprach das Wort aus, als würde er es im Mund herumwenden, um es von allen Seiten zu betrachten. „Meinst du, dass man jeden Bürger vor sich selbst und seinen Mitmenschen beschützen muss, Light-kun?“ Der Sohn des Polizeichefs schwieg einen Augenblick überlegend und nickte dann. „An sich schon. Warum sonst besitzt Justitia ein Schwert? Ohne das Schwert bliebe die Gerechtigkeit ein bloßes Wort, das keine Kraft besäße, um dem Menschen auch nur einen Hauch von Sicherheit zu geben. Wo keine allgemeine Gewalt ist, da existieren keine Gesetze.“ „Aber wo es kein Gesetz gibt, da herrscht auch keine Ungerechtigkeit. Das, woran wir uns halten, ist der allgemeine Wille, der sich am Ende durchgesetzt hat.“ Matsuda presste die Lippen aufeinander, während er der Unterhaltung zu folgen versuchte, und integrierte sich nun vorsichtig: „Na ja, genau dadurch passiert es doch, dass Menschen ungerecht behandelt werden. Weil unsere Gesetze zu starr sind. Und die Verbrecher nutzen sie doch ebenfalls.“ Überrascht musterte L den oftmals naiv erscheinenden Mann. „Matsuda-san etwas Intelligentes sagen zu hören, das ist wirklich eine erstaunliche Erfahrung. Sie meinen also, dass Gesetze nicht nur die Opfer schützen, sondern auch die Verbrecher?“ „Äh, ich glaube schon?“ Unsicher kratzte Matsuda sich am Hinterkopf, wobei seine Antwort eher wie eine Frage klang. Jetzt schaltete sich sein Vorgesetzter ein: „Wahrscheinlich will Kira darum das gleiche wie unsere Gesetzgebung. Er will den Menschen die Sicherheit zurückgeben, aber seine Mittel sind falsch. Er kann nicht gleichzeitig richterliche und exekutive Gewalt spielen.“ „Denn genau damit“, fügte sein Sohn hinzu, „stellt er sich diktatorisch über das Gesetz. Er sieht sich selbst nicht als Teil des Staates.“ L schob sich die Erdbeere zwischen die Zähne und sagte mit vollem Mund: „Wie heißt es doch? Wer sich in den Staat nicht integriert, ist entweder eine Bestie oder Gott. Und letzteres ist genau das, was Kira sein will.“ Während sich Light seiner Sachen entledigte, versuchte er den stechenden Blick seines Ermittlungspartners zu ignorieren. Immer wenn die Eisenkette gelöst wurde, die sie miteinander verband, hatte Light das Gefühl, er würde noch genauer beobachtet werden als sonst. Er fröstelte und sein Atem wurde von den Kacheln des Badezimmers zurückgeworfen. „Leider sind wir auch heute nicht weitergekommen“, versuchte er nun die unangenehme Stille zu überbrücken. „Ryuzaki, vorhin sprachen wir doch über Kiras Beweggründe für sein Handeln, du erinnerst dich? Du meintest, Kira wolle nicht nur die Gerechtigkeit verkörpern, sondern selbst zu einem Gott aufsteigen.“ „Siehst du das etwa nicht so?“ Unverwandt schaute L ihm ins Gesicht, als Light bereits entkleidet vor ihm stand. „Ich bin mir nicht sicher. Schließlich scheint es doch so zu sein, dass erst das Volk ihn zu einer Gottheit erhoben hat. Selbst der Name Kira ist das Pseudonym für die Gerechtigkeit in den Köpfen der Masse geworden, etwas, an das jeder glauben kann.“ „Das ist das Problem“, erwiderte L, während Light in die Duschkabine stieg, „der Mensch braucht etwas, das er anbeten kann. Und dieses Etwas muss über allen Zweifel erhaben sein, sodass es jeder anbetet. Dadurch wird überall nur von falschen Göttern gesprochen und jeder meint, sein eigener Glaube sei der richtige. So wie du vorhin schon vom ethischen Nihilismus sprachst, herrscht in diesem Falle bereits ein religiöser Nihilismus.“ „Abgesehen von atheistischen Vorstellungen, die mittlerweile ebenfalls zur Norm geworden sind.“ Das einsetzende Rauschen des Wassers unterbrach für einen Moment ihre Unterhaltung, bis Light es wieder abstellte, um sich einzuseifen. Dabei sprach er mit nachdenklicher Stimme weiter: „Doch selbst wenn ein allgemeiner Agnostizismus sich immer weiter ausbreitet, klammern sich die Menschen an den letzten Rest von Mystik. Da hast du schon Recht.“ „Dabei spielt es am Ende gar keine Rolle. Der Vergleich von Kira mit Gott stört mich nicht, weil er viele Gemeinsamkeiten aufweist.“ Light schaute irritiert auf. Noch immer lehnte L mit dem Rücken an der Wand, die Hände in den Hosentaschen, ohne dass man seinen Gesichtsausdruck deuten konnte. „Gott gilt meist als gütig und allmächtig. Hier kann sich die Frage einschalten, ob Kira gut oder böse ist. Das ist eine einfache Rechnung, die zu beiden Seiten der Gleichung aufgelöst werden muss. Wenn Gott gütig und allmächtig ist, dann gibt es kein Leiden in der Welt. Aber es gibt Leid in der Welt. Also ist Gott nicht gütig oder nicht allmächtig. Das gleiche gilt für Kira.“ „Vor allen Dingen, weil bei Kira kein Entweder-oder besteht“, entgegnete Light und drehte das Wasser wieder auf. Nachdem er sich abgespült hatte und aus der Kabine gestiegen war, fügte er lächelnd hinzu: „Religiöse Anschauungen mathematisch zu berechnen ist äußerst ungewöhnlich.“ „Findest du?“, fragte L und reichte ihm ein Handtuch. Das Wetter war mild gewesen an jenem Tag. Seit dem Beginn des Semesters hatten Light und L ständig Zeit miteinander verbracht. Light konnte sich nicht daran erinnern, dass er je zuvor eine vergleichbare Bekanntschaft geschlossen hatte. Hatte bis dato überhaupt eine Person einen solch prägnanten Eindruck bei ihm hinterlassen? An diesem Tag, der nun schon seit Ewigkeiten Vergangenheit zu sein schien, hatten sie sich zu einem Tennismatch verabredet. Ein Freundschaftsspiel, nichts weiter. Doch so unterschiedlich die beiden Männer auch waren, so hatten sie doch viele Dinge gemeinsam. Beide wollten nicht verlieren. Während sich die Situation in Lights Kopf wiederholte, wurde ihm immer deutlicher bewusst, dass er das Geschehnis im Schlaf Revue passieren ließ. Die Bilder jenes Tages liefen im Stakkato an seinem inneren Auge vorbei, wobei er das Gefühl hatte, jeden einzelnen Schlag real auszuführen. Ein luzider Traum, dachte Light unbewusst und konzentrierte sich wieder darauf, mit aller Kraft den nächsten Ball anzunehmen. Warum war er so versessen darauf gewesen, dieses Match für sich zu entscheiden? Er hatte geglaubt, zwischen ihnen, dem Sohn des Polizeichefs und dem bekanntesten Detektiv der Welt, könnte nie eine normale Freundschaft bestehen. Jetzt verstand Light diese Zweifel nicht mehr, denn letztlich war die ganze Sache nur eine Frage der Definition. Wahrscheinlich hatte es ihn deshalb innerlich so hart getroffen, als L ihm eröffnet hatte, dass er Light für Kira hielt. „Light-kun?“ Seine Augenlider zuckten, doch gab er nur einen leisen unbestimmten Laut von sich und drehte sich auf dem Bett herum. „Light-kun.“ Nun öffnete er verschlafen die Augen und stellte verwundert fest, dass noch tiefste Nacht zu sein schien, da nur die Dunkelheit von draußen hereindrang. In Lights rechter Schläfe pochte es schmerzhaft. Er hatte in letzter Zeit eindeutig zu wenig Schlaf. Langsam setzte er sich auf und fuhr sich mit der vom Metallring taub gewordenen Hand durchs Haar. Im nächsten Moment erhellte das schwache Licht der Nachttischlampe den Raum. Light schaute in große, dunkle Augen, die seinen Blick suchten und deren Ausdruck schwer zu lesen war. Ls Gedanken zu erraten war die eine Sache, seine Gefühle eine ganz andere. Darum fragte Light nachsichtig: „Was ist los, Ryuzaki?“ „Nichts, ich wollte nur aufstehen.“ Light gab darauf keine Erwiderung, sondern atmete nur tief ein und aus, bevor er sich ungelenk erhob. Er war nicht wütend. So war L eben, denn er hatte offenbar noch mehr in seinem Inneren zu verbergen als nur seinen Namen. Einen Herzschlag lang fühlte Light sich hilflos. „Kannst du nicht schlafen?“ Die Frage klang in seinen eigenen Ohren seltsam, als würde er ein kleines Kind trösten, das aus einem Alptraum erwacht war. Diese Vorstellung widersprach jedoch dem, was er tatsächlich empfand. „Ich weiß es nicht“, antwortete L schlicht, wobei er sich ebenfalls erhob. Er stand unschlüssig im Raum und biss auf dem Daumennagel seiner rechten Hand herum. „Willst du vielleicht“, versuchte Light es weiter, „etwas essen?“ „Ich weiß es nicht.“ „Wir können auch weiter arbeiten.“ „Das ist doch sinnlos, Light-kun.“ Kurzentschlossen ging L zum Fenster, wobei er den Anderen mit sich zog. Ein ernster, undurchdringlicher Ausdruck lag auf seinem Gesicht, als er am Fensterrahmen lehnte und hinaussah. Light war aufgrund der letzten Aussage Ls noch immer verwirrt. Was war sinnlos und wieso? Doch er entschied sich dagegen, ihn auf diese Dinge anzusprechen. Stattdessen sagte er: „Ich bin nicht nur dein Partner in diesem Fall, Ryuzaki. Du kannst... mir alles sagen. Erinnerst du dich nicht, was du damals gemeint hast?“ Light schaute ebenfalls in die Nacht hinaus, da L seinen Blick nicht erwiderte. Dieser antwortete nun mit monotoner Stimme: „Dass du mein erster und einziger Freund bist?“ „Genau.“ „Bei meiner Ermittlungsarbeit gehe ich nicht nur von Statistiken und Fakten aus. Auch menschliche Emotionen berechne ich mit ein. Dir zu sagen, dass ich dich als Freund sehe, hätte dich als Kira vielleicht in deiner Menschlichkeit angesprochen und Hemmungen in dir aufgebaut. Oder es hätte dir ein Gefühl von Sicherheit gegeben, sodass du unbedacht handelst...“ „Was soll das jetzt plötzlich?!“ Light fasste L an den Schultern und hielt ihn fest, damit er ihm ins Gesicht sehen konnte. Die Ringe unter dessen Augen wirkten durch das gedämpfte Licht noch dunkler als sonst. Irgendwie schien es, als sei L erschöpft, doch Light war sich nicht sicher, ob er sich das vielleicht nur einbildete. Nach einer langen Pause, die nur vom Schweigen der beiden erfüllt war, entgegnete L: „Fast könnte man meinen, es würde dich wirklich stören, was ich eben gesagt habe.“ „Natürlich stört es mich!“ Light hielt inne. Plötzlich nahm er bewusst wahr, dass er L noch immer an den Schultern festhielt und dieser unverwandt seinen Blick erwiderte. Und auf einmal wurde ihm etwas klar. „Du testest mich schon wieder, Ryuzaki. Dabei solltest du wissen, dass ich dir vertraue. Und ich sollte wohl akzeptieren, dass du mir ebenfalls vertraust, aber auf andere Weise und mit anderen Auswirkungen. Sonst würdest du meine Nähe nicht so dulden.“ Diesmal lag Verwunderung in Ls Augen, während er fragte: „Ist das so?“ „Ja, vielleicht auch nur unbewusst. Du wirkst oft so, als fändest du die Berührungen anderer abstoßend, aber manchmal unvermeidlich.“ L schaute hinab auf Lights Hände, die auf seinen Schultern ruhten, und meinte: „Nein, so etwas fühle ich im Moment nicht.“ „Gut.“ Light lächelte. „Was ist dann also los?“ Wieder baute sich zwischen ihnen Stille auf, die jedoch eher erwartungsvoll als unangenehm war. In Gedanken versunken ließ L den Blick nach draußen gleiten. Die unbekannte, neuartige Nähe war tatsächlich nicht störend. Ganz im Gegenteil. Schließlich sagte er: „Es tut mir sogar ein wenig leid. Du weißt, dass ich dich oft im Unklaren lasse, dich manchmal sogar belüge. Auch wenn du im Moment die Wahrheit sagst, denke ich, dass das auf Gegenseitigkeit beruht.“ Zuerst wollte Light protestieren, besann sich dann jedoch eines Besseren. „Du vernachlässigst eben nie deine Deckung.“ Seufzend löste er seine Hände von L. „Davon abgesehen, wer nicht lügen kann, weiß nicht, was Wahrheit ist. Wenn du mir allerdings nur von deinen Gefühlen erzählst, einfach nur davon, was in dir vorgeht, könnte ich dir damit selbst als Kira nicht schaden.“ „Wie ich mich fühle?“ L hatte sich ihm wieder zugewandt, die Augen voller Erstaunen geöffnet, als würde er das Wort „Gefühle“ zum ersten Mal hören. Dann antwortete er jedoch: „Ich sagte doch schon, dass wir uns im Kreis drehen. Dadurch fühle ich mich unbefriedigt und ziellos. Für einen kurzen Moment kommt der Wunsch zurück, etwas zu bewirken, etwas zu erreichen, aber die Entscheidung fällt mir schwer. Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll und irre nur in meinen Gedankengängen umher, die keinen Sinn mehr zu ergeben scheinen. Oder doch, sie ergeben Sinn, aber der Beweis fehlt mir. Warum reicht es nicht, dass ich weiß, dass du Kira bist?“ „Ich bin nicht Kira!“ Light hatte nicht erwartet, dass sein Freund so viel über sich erzählen würde, doch die jetzige Wendung gefiel ihm nicht. „Vielleicht meinst du nur, dass du nicht Kira bist. Warum wehrst du dich so sehr gegen diesen Gedanken?“ „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass es sich furchtbar anfühlt, unter diesem Verdacht zu stehen.“ Natürlich hatte L den Abend nicht vergessen, als er Light das Zugeständnis gemacht hatte, dass sich ein solcher Verdacht wahrscheinlich schrecklich anfühlen musste. Dennoch konterte er: „Solange du selbst weißt, dass du es nicht bist, kann dir das doch egal sein.“ „Aber du bist nach wie vor davon überzeugt, dass ich Kira bin.“ Jetzt glaubte auch Light, sie würden sich im Kreis drehen. Hatte das alles überhaupt einen Sinn? L legte interessiert einen Finger an die Lippen und fragte: „Also spielt meine Meinung eine wichtige Rolle für dich?“ „Natürlich... wie oft sollen wir noch darüber diskutieren, dass wir Freunde sind. Als Freund ist es mir wichtig, was du von mir denkst, ganz unabhängig von der gesamten Ermittlung um Kira.“ „Und wenn die Tatsache, dass du Kira bist, nichts an meinen Gefühlen dir gegenüber ändern würde, Light-kun?“ Ganz im Gegenteil, setzte L seinen Gedanken fort, wenn ich mir sogar wünsche, du seist Kira? Light fuhr sich zum wiederholten Mal durch das Haar und schloss die Augen. Er war müde, verwirrt und nicht mehr gewillt, sich weiter mit einer Sache auseinanderzusetzen, die er eigentlich längst akzeptiert haben sollte. Darum sagte er schließlich: „In dieser Angelegenheit denke ich wie mein Vater. Ich glaube nicht an Gerechtigkeit durch Selbstjustiz.“ L schaute noch einen langen Moment in jene klaren braunen Augen, die von keiner Unsicherheit getrübt waren, und nickte dann. Er würde Light nicht darauf ansprechen, weshalb er der Frage ausgewichen war. Vielleicht war es ihm selbst nicht bewusst. Das danach eintretende Schweigen würde noch den Rest der Nacht zwischen ihnen bestehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)