Waterheart (adult) von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Ein Sturm zieht auf ------------------------------ Irmas Herz hüpfte noch immer auf und nieder, wenn sie an Wills Anruf dachte, und wenn es bis jetzt nicht vor Aufregung gestorben war, dann nur, weil sie es noch brauchte. Neben ihr auf der Matratze lag das Foto, dass sie vorhin in der Schule so erregt hatte; das Bild, auf dem ein Marmeladentropfen an Wills Hals hinunter floss. Was sie vorhin in der Schule nicht hatte machen können, geschah nun: sie griff danach und betrachtete es aus allen Winkeln, mit wachsender Begeisterung und stetig steigender Leidenschaft. Gierig leckte sie sich über die Lippen und ließ das Bild noch tiefer auf sich einwirken. Sie stellte sich vor, wie weitere Tropfen an Wills Hals herabfielen, wie sie sich allesamt einen anderen Weg ihren Körper hinab suchten; und dass Will, um sie wegzuwischen, notwendigerweise ihren Pullover lüften musste. Mit ihren berauschend schlanken Fingern fuhr sie in unnatürlicher Langsamkeit über ihren Bauch und lenkte die Rinnsale in eine andere Richtung… genau hinab zum Zentrum ihres Slips. In ihrer Phantasie schluckte Irma beeindruckt. Obwohl sich das Ganze in der Küche und in aller Öffentlichkeit abspielte, schien es, als gäbe es diesen intimen Moment nur für Will und sie. Niemand sonst sah, wie Will verführerisch auf sie zu schlenderte, ihre Hände auf Irmas Hüften platzierte und sich ganz eng an sie schmiegte. Irma bekam fast keine Luft mehr, obwohl ihr Herz so schnell hämmerte wie noch nie. Wie von selbst krabbelte ihre rechte Hand unter ihr Oberteil, schob sich über ihre rechte Brustwarze und begann sie sanft zu massieren. Noch kribbelte es nur ein wenig, aber der Rest würde sich schon ergeben, sobald die lästigen Stofffetzen um ihren Schoß weg waren. Denn sie fühlte, wie Will den Knopf ihrer Jeans öffnete und sie zu Boden gleiten ließ und gleich darauf dasselbe bei ihrer eigenen Hose tat. Nun waren ihrer beider Unterkörper nur noch von Slips bedeckt, und Will begann, ihre Hüften mit kreisenden Bewegungen aneinander zu schmiegen, Haut an Haut… zuerst langsam, mit der Zeit aber immer energischer… ihre warmen Schenkel, ihren glatten Bauch... und dabei lächelte sie, lächelte, als gäbe es auf der Welt nichts Schöneres, es sah liebevoll und sehnsüchtig zugleich aus… genauso wie ihre Augen, die beide näher kamen und sich erwartungsvoll schlossen. Irmas Gesicht glühte vor Freude, und sie schloss gleichfalls die Augen, öffnete die Lippen einen Spaltbreit und wartete, wartete auf den langersehnten Augenblick… … der niemals kam, denn in genau der Sekunde, als sie schon Wills warmen Atem auf ihrem Gesicht spürte, klingelte das Handy, und Irma erwachte aus ihrem Halbtraum. Sie hatte, ohne es wirklich zu merken, ihre Jeans geöffnet und ihren Finger unter den Slip geschoben. Irmas Wangen wurden wieder rot, diesmal allerdings vor Zorn. Wer auch immer es gewagt hatte, sie zu unterbrechen, konnte sich auf etwas gefasst machen… Sie nahm den Anruf an und fragte möglichst trocken: „Ja, Lair hier?“ „Irma?“ Klasse! Von all den sechs Milliarden möglichen Stimmen auf der Welt musste es ausgerechnet Hay Lins sein... und auf deren Klang legte sie momentan keinen Wert. „Ist Will schon bei dir?“ 'Um Himmels Willen, was geht sie das an?' dachte Irma wütend. 'Sehr viel', antwortete ihr schlechtes Gewissen, , immerhin hast du bis vor kurzem noch von ihr geträumt.' Guter Einwand, das musste Irma zugeben. „Nein, sie kommt erst viertel drei!" sagte sie laut. "Wieso?“ „Weil ich fragen wollte, ob ich… nicht vielleicht… auch mit euch lernen könnte?! Weißt du, ich könnte auch noch ein paar Übungen für diesen Aufsatz gebrauchen, und wenn ihr schon mal dabei seid-“ Irma seufzte. Mit dieser Antwort hatte sie gerechnet. „Hay Hay, du weißt, dass das nicht geht! Wenn du in der Nähe bist, dann habe ich irgendwie immer den Wunsch, Quatsch zu machen, und dann kann ich mich nicht konzentrieren. Tut mir leid, das wird nichts! Üb doch mit Taranee, die ist doch in Allem die Beste!“ „Und wieso hast du dann ausgerechnet Will um Nachhilfe gefragt und nicht sie?“ fragte Hay Lin, auf einmal ungewöhnlich kalt. Irma schauderte. Hay Lin ahnte etwas… mehr als sie jetzt zugab, wenn sie nicht sogar schon alles wusste. Und selbst, wenn das nicht so war, konnte sie trotzdem spüren, wenn jemand log, oder zumindest, wenn man von einer Aussage nicht zutiefst überzeugt war. Jetzt galt es, vorsichtig zu sein. „Weil für Will komplizierte Schlußfolgerungen nicht so selbstverständlich sind wie für Taranee!“ antwortete sie, als wäre es das Normalste der Welt. „Sie und ich sind auf einem ähnlichen geistigen Level, deshalb wird sie mir vieles einfacher erklären können. Außerdem kann sie ihre Gefühle besser ausdrücken, und darauf kommt es doch beim Interpretieren an, oder?“ Hay Lin schnappte deutlich hörbar nach Luft. Die Erklärung schien sie nicht zufrieden zu stellen, aber sie fühlte wohl, dass sie nicht gelogen war, denn einen Teil dieser Argumente hatte Irma wirklich bei der Ausarbeitung ihres Plans in Betracht gezogen. Alles stimmte, wenn auch nur formal betrachtet. „Ist das alles?“ fragte sie gefasst. 'Scheiße!' fluchte Irma in Gedanken, 'Wie soll ich denn darauf antworten?' „Nein, natürlich nicht, ich will sie dazu bringen, dass sie mir Christopher abkauft! Was denn sonst?“ Sarkasmus: eine Lüge, die offensichtlich eine Lüge war und dennoch ein Stück Wahrheit enthielt. Hay Lin lachte nicht. Aber ihre Stimme klang ein bisschen entspannter. „Entschuldigung, ich wollte nur wieder ein bisschen mehr Zeit mit dir verbringen. In den letzten Wochen waren wir nur selten zusammen allein!“ „Wie hätten wir das denn sein sollen, wo die Lehrer uns doch ständig mit Kontrollen, Abfragen und Hausaufgaben zugemüllt haben? Wir hatten beide einfach keine Zeit dazu!“ „Aber… meinst du,… nach dem Aufsatz am Donnerstag… könnte es wieder besser laufen?“ 'Verdammt, wieso stellt sie immer solche zweideutigen Fragen, wenn sie sowieso Angst vor einer ehrlichen Antwort hat?' dachte Irma und bedauerte ihr falsches Spiel schon fast. 'Ich würde ihr wirklich gerne die ganze Wahrheit sagen… aber würde sie das verkraften?' „Ich weiß es nicht,“ sagte sie schlicht. Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Nur ein leises Schluchzen ertönte. „Du lügst!“ Es knackte in der Leitung und der Anruf brach ab. Nun fühlte sich Irma alles andere als zornig... eher das Gegenteil. Hay Lin hatte ja Recht, sie wusste nur zu gut, dass ihre wachsende Entfremdung nichts mit dem Aufsatz zu tun hatte. Sie probierte, Hay Lin zurück zu rufen, aber diese ging nicht mehr ans Handy. Nach drei Versuchen seufzte Irma resigniert und nahm wieder Wills Foto zur Hand. Im Prinzip hatte Hay Lin dieser ganzen Angelegenheit viel zu viel Bedeutung beigemessen. Was sie beide getan hatten, war doch im Prinzip nicht mehr als ein Spiel gewesen, ein kleines Experiment unter besten Freundinnen… nichts, dem man hätte nachtrauern müssen. Doch für Hay Lin hatte das Ganze eine Wichtigkeit angenommen, die Irma verängstigte. Ihr Verhalten war an sich gut verständlich - schließlich war Eric, ihr bisheriger Freund nun schon seit vielen Monaten nicht mehr in Heatherfield, und ihre Besuche bei ihm in Open Hill verliefen nicht besonders zufriedenstellend. War es da nicht logisch, dass Hay Lin all die unterdrückte Zärtlichkeit, all die Liebe, die sie Eric gegenüber nicht ausdrücken konnte, auf Irma übertrug, die ihre beste Freundin war? Was war überhaupt der Anlaß dafür gewesen, dass sie und Irma letztendlich ein Paar geworden waren? Irma konnte sich fast gar nicht mehr erinnern; sie wusste nur noch, dass Hay Lin ihr vor drei Monaten eine Art Antrag gemacht hatte, und sie hatte ihn ohne lange nachzudenken angenommen… teilweise um Hay Lin eine Freude zu machen, aber auch, weil sie sich nicht länger mit der Frage beschäftigen wollte, in welchen Jungen sie nun wirklich verliebt war und in welchen nicht. Sie hatte nur einmal eine Entscheidung treffen wollen, die von Dauer war, und Irma hatte geglaubt, dass diese ein guter Anfang war. „Typischer Fall von ‚Falsch gedacht’!“ murmelte sie. Wie der Sturm angefangen hatte, vermochte Will Vandom im Nachhinein nicht zu sagen. Er war einfach aufgetaucht, hatte sich durch nichts angekündigt, aber nun war er da und hatte nicht vor, so schnell wieder zu verschwinden. Wie aus dem Nichts hatte der Wind plötzlich mit Orkanstärke geblasen, dunkle Wolken waren aufgezogen, und Blitze zuckten mit beunruhigender Häufigkeit über den Himmel, gefolgt von einem Donner, der im wütenden Rauschen der Meeresbrandung unterging. Die dünne Felsklippe inmitten des Ozeans, auf der Will stand, wirkte fast wie eine Messlatte, so hoch waren die Wellenbrecher, die über sie hinweg und an ihr vorbei peitschten. Mehr als einmal hatte einer der Blitze genau dorthin gezielt, um sie zu treffen, und war doch im letzten Moment von einer Welle abgeleitet worden, so knapp, dass Will glaubte, den nächsten bestimmt nicht zu überleben. Angst beherrschte ihr ganzes Denken und Sein. Dazu kamen noch die schneidende Kälte und der tobende Wind, denen sie in ihrem dünnen, luftigen weißen Kleid nahezu hilflos ausgesetzt war. Will fragte sich allmählich, wie lange das noch so weitergehen würde, als plötzlich eine Flut Wasser an den unteren Rändern der Klippe hoch gekrochen kam. Es war nur eine kleine Flut (sie hätte gerade so einen Eimer gefüllt), doch es war keine gewöhnliche Flut - sie kam, von den Wellen ungebrochen, von keiner Kraft der Welt angetrieben, die Seitenwände der Felsklippe hinauf, floß über den Rand hinein in das Gras, das auf dem Sockel der Klippe wuchs, und bäumte sich vor Will auf wie eine flachgedrückte Schlange. Die Wächterin, die eben noch um ihr Leben gefürchtet hatte, betrachtete die Wasserflut mit sonderbarer Ruhe. Sie hatte gelinde Angst vor diesem körperlosen Wesen, ja, aber das hinderte sie nicht daran, es näher kommen zu lassen. Zunehmend verschwammen auch die schlangenhaften Züge des Wesens, und aus seinem formlosen Kopf wurde das runde Gesicht eines Mädchens mit langen, glatten Haaren. Auf einmal kümmerten der Wind und das Wetter Will nicht mehr, selbst die Gänsehaut auf ihren Armen ging zurück, denn nun kam das sonderbare Mädchen auf sie zugefloßen, formte einen Arm aus und strich ihr mit einer menschenähnlichen Hand über die Wange. Eine Welle warmer Behaglichkeit durchflutete Wills ganzen Kopf und Hals bis zu den Schultern. Sie seufzte leise. Nach dieser Eiseskälte war das wirklich eine Wohltat! Ein zweiter Arm erwuchs aus dem Wasserwesen. Diesmal legte es seine Hand an ihren Rücken und strich damit an ihrer Wirbelsäule entlang. Und wieder überkam Will ein Gefühl wohliger Wärme, noch stärker als vorher. Wie von fremden Fäden geleitet umarmte sie die ungeformte Wasserflut, stürzte sich mitten hinein in die warme Flüssigkeit, die sie dermaßen anzog. Sie fühlte, wie unsichtbare Hände sie berührten, das weiße Kleid an ihren Schenkeln hochschoben und über ihre Beine bis zu ihren Pobacken glitten. Ein angenehmes, reizvolles Kribbeln fuhr über ihre Unterarme, als würde auch dort eine Hand über die sensiblen Handgelenke und die darunter liegenden Nervenstränge streichen. Es nötigte sie geradezu, selber mit ausgestreckten Fingern in der warmen Wassermasse zu wühlen. Das sanfte Streicheln ging noch lange weiter, und während um sie herum das Meer seine Wellen schlug und der Sturm stärker tobte als jemals zuvor, schwebte Will mit einem Ausdruck absoluter Zufriedenheit auf dem Gesicht inmitten des Wassers, in dem, nur von außen sichtbar, die Gestalt eines rundlichen Mädchens verborgen war, das all das tat, was Will so sehr genoß. Ohne, dass sie etwas davon ahnte, küsste Will es sogar auf den Mund, wovon diese allerdings nicht mehr als ein sachtes Prickeln mitbekam. Doch das störte Will nicht sonderlich: sie fühlte sich ohnehin so gut wie noch niemals zuvor. Wellen absoluten Glücks überschwemmten sie, zwar nur gedämpft, wie durch einen warmen, dunstigen Schleier, aber gerade deshalb so behaglich. Überall um sie herum war diese Wärme, eine glühende Wärme, die sie an ihre Zeit in der Gebärmutter ihrer Mum erinnerte und ihr das Gefühl von Sicherheit gab. Ja, diese Wasserflut würde sie garantiert vor dem Sturm beschützen, sie würde sie umgeben wie ein Schutzmantel, der sich zwar verformte, aber niemals brach. Das glaubte sie selbst noch, als eine riesige Welle die gesamte Wassermasse von der Klippe spülte und sie in den strudelnden Wogen unterging. Wills Geist war so umnebelt, dass sie kaum wahrnahm, wie ihr die Luft zum Atmen weg blieb. Ihre Lunge zog sich zusammen, ihr Herz blieb stehen und ein letzter Schrei brach aus ihr heraus, als sie starb… Oder zu sterben glaubte. In Wirklichkeit erwachte Will mürrisch. Sie lag mit dem Gesicht auf einem aufgeschlagenen Matheheft, dessen Seiten kreuz und quer mit Wurzelgleichungen bedeckt waren. Hinter ihr stand ihre Mutter, die das Ganze mit einem belustigten Grinsen begutachtete. „Das ist also deine neue Art, Hausaufgaben zu machen. Versteh mich nicht falsch, aber die alte Art und Weise gefällt mir besser!“ „Mach dich nicht lustig,“ murrte Will. „Ich hab eben in zweieinhalb Stunden die Hausaufgaben für eine ganze Woche gemacht. Da wird man doch wohl ein bisschen müde sein dürfen!“ „Und ich bin darüber auch unheimlich stolz, meine Kleine! Aber meinst du nicht, dass eine Sieben eher wie eine durchgestrichene Eins aussehen sollte und nicht wie eine Neun?“ Will blinzelte erstaunt und hob das Heft ganz dicht vor ihre schmalen Augenschlitze. „Das soll wie eine Neun aussehen? Quatsch, das ist doch mindestens ’ne waschechte Drei!“ Sie gähnte und klappte das Matheheft nachlässig zu. „Dann schreib ich das eben heute Abend nochmal sauber ab!“ „Gute Idee, du solltest nämlich schon vor zwanzig Minuten bei deiner Freundin Irma sein!“ „Stimmt, wir hatten ja viertel drei ausgemacht,“ rief Will und wurde schlagartig wach. „Ich bin sowas von spät dran… Verdammt, ich muss ja auch noch meinen Rucksack packen!“ „Das haben ich und Dean schon mal freundlicherweise übernommen!“ antwortete Mrs. Vandom verschmitzt, doch auch etwas unsicher. „Wolltest du bis zum Donnerstag Morgen bei ihr bleiben?“ fragte sie vorsichtshalber. „Äh… Ja, glaub schon!“ „Und mit ihr baden gehen?“ „Vermutlich…“ „Und deinen eigenen Zahnputzbecher nehmen?“ „Eigentlich ja!“ „Gut, das hab ich mir gedacht! Ich lass schon mal das Auto an!“ sagte Mrs. Vandom beruhigt und drehte sich zur Tür. „Nein, warte, Mum!“ rief Will, schnappte sich ihren Riesenreiserucksack und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich fahr mit dem Fahrrad hin, das wird schon, ich komm zurecht, bis übermorgen!“ sprudelte sie hervor und verließ das Haus. Sie hatte kaum Zeit, sich über ihren Traum Sorgen zu machen. Nochmal zwanzig Minuten später bog sie in die Garageneinfahrt der Lairs ein, bremste und betätigte ihre Fahrradglocke. Sie sah, wie Irma, die bis eben noch von ihrem Zimmerfenster auf die Straße gestarrt hatte, sich abwandte, um sie an der Haustür zu begrüßen. Ihrer finsteren Miene nach zu urteilen war sie nicht sehr erfreut über Wills Verspätung. Garantiert würde sie ihr eine sarkastische Standpauke halten, die sich gewaschen hatte. Doch Will hatte schon eine Idee, wie sie die umgehen konnte. Als Irma, nun deutlich entspannter, aus der Haustür trat, war niemand zu sehen. Wills Fahrrad stand verlassen in der Einfahrt, und die ganze restliche Straße war menschenleer. Das konnte doch eigentlich nur eines bedeuten… Geistesgegenwärtig trat Irma einen Schritt beiseite, zog das linke Bein schwungvoll nach und ließ sich dann auf das unsichtbare Etwas fallen, das durch sie zu Boden gestürzt war. Sie versuchte, es an den Handgelenken zu packen… merkte dann aber, dass es gar keine Hände hatte. Dafür merkte sie allerdings, wie sie etwas herumwälzte, an den Schultern packte und zu Boden presste, sich dann mit seinem ganzen Gewicht auf sie setzte und über sie lehnte. Zuerst dachte Irma wirklich daran, sich zu freizuboxen. Es wäre kein Problem gewesen: sie war relativ stark gebaut, und das unsichtbare Etwas, das da auf ihrem Bauch saß, schien im Vergleich zu ihr ein Fliegengewicht zu sein! Doch dann checkte sie die Lage und wog ab: ein warmer, offensichtlich weiblicher Unterkörper saß mit gespreizten Beinen auf ihrem Bauch, und geschmeidige Hände, deren Fingerkuppen auf ihrer Haut wie Feuer brannten, berührten sie in der Halsbeuge, wobei die Fingerspitzen auf der nackten Haut ihres Ausschnitts und die Daumen auf ihrem Schlüsselbein lagen. 'Wieso sollte ich daran was ändern!' dachte Irma zufrieden. Die Luft vor ihren Augen flimmerte magisch, und gleich darauf erschien vor Irma das unverblümt grinsende Gesicht von Will. Sie hatte ihr rotes Haar zu einem hübschen Pferdeschwanz zusammengesteckt und trug ein spitz ausgeschnittenes hellgrünes T-Shirt. Seltsamerweise hatte sie ihre übliche Jeans gegen kurze, knalleng anliegende Radlerhosen getauscht… ein Grund mehr für Irma, allein bei ihrem Anblick und noch mehr bei ihrer Berührung inniges Herzflattern zu bekommen. Will grinste entschuldigend. „Ich weiß, der Trick ist so uralt wie die Schöpfung selbst… aber es ist doch komisch, wie viele Leute immer noch darauf reinfallen, nicht wahr?“ „Ich bin nicht darauf hereingefallen!“ verteidigte sich Irma. „Ich habe fest damit gerechnet, dass du das machen würdest.“ Was hieß schon gerechnet - sie hatte es geplant! Wenn ihr Gesamtplan funktionieren sollte, musste irgendwann innerhalb ihrer freien Tage so etwas passieren. „Ich wollte dir nur den Spaß nicht verderben!“ fuhr sie fort „Papperlapapp!“ meinte Will. „Du wusstest doch nicht mal, dass du meinem Rucksack und nicht mir ein Bein gestellt hast!“ Irma sah an Will vorbei auf den umgestürzten Rucksack und dann wieder zu ihr. Wills körperliche Präsenz verwirrte sie über alle Maßen. Sie konnte praktisch ohne Schwierigkeiten in den Ausschnitt ihrer Freundin schauen und die darunter verborgenen Formen erahnen, ohne dabei die Augen von Wills Gesicht nehmen zu müssen und sich zu verraten... wobei sie selbst nicht recht wusste, was von Beidem sie mehr faszinierte. Es war, als würde sie die Frucht ihres Begehrens auf dem Silbertablett serviert bekommen, dafür aber drei Wochen lang fasten müssen. ‘I-i-immer schön an den Pla-a-n halten, keine Angst, du hast für alles v-vorgesorgt!’ „Zugegeben…“ antwortete sie kleinlaut. „Na dann, steh auf!“ sagte Will überraschend heftig, und ihr schnell nachgereichtes „Wir können ja nicht den ganzen Tag hier liegen bleiben“ konnte nicht darüber hinwegtäuschen, was für ein seltsames Gefühl sie bei der Berührung von Irmas Schoß überkommen haben musste. Die beiden Mädchen standen rasch auf und schoben Wills Fahrrad in eine Seitengasse neben der Garage. Dann packte Irma Wills Rucksack beim Henkel und trug ihn mit beiden Händen ins Haus hinein. „Na dann, Mademoiselle Lair, wären sie so freundlich, meinen Koffer auf mein Zimmer zu tragen?“ fragte Will ironisch. Irma lachte. „Aber gerne, wenn das Fräulein so gnädig ist, ihr Zimmer mit ihrer unwürdigen Kammerdienerin und deren Haustier und einzigem Gefährten zu teilen…“ „Mit wem?“ stutzte Will. „Mit mir und meiner Schildkröte!“ „Aber… das ist ein Einfamilienhaus! Da müsste doch theoretisch auch ein Gästezimmer mit inbegriffen sein!“ sagte Will verblüfft. Irma wurde rot. „Ist es ja auch, es hat nur eben kein Bett! Christopher hat vor kurzem ein paar seiner Freunde mitgebracht, es war ein Regentag und sie hatten Langeweile. Muss ich noch mehr sagen?“ „Sie haben das Bett zerlegt?! Aus lauter Langeweile???“ „Nein, eher aus Versehen. Solche hölzernen Bettleisten halten auch nicht alles aus, und immerhin haben acht Drittklässler daran herumgerüttelt. Da kann schon mal was zu Bruch gehen! Jedenfalls hat meine Mutter das Zimmer abgeschlossen, bis Vater die Zeit hat, es zu reparieren.“ Will schmunzelte. „Na, da kann ich mich ja schon mal auf was gefasst machen!“ „Wie meinst du das?“ fragte Irma, die die Antwort halb schon ahnte. „Deine Mutter… und Mr. Collins haben doch nicht… jetzt schon…“ „O doch! In sieben Monaten bekomme ich einen Stiefbruder oder -schwester. Ich wollte es eigentlich nicht an die große Glocke hängen… aber du kannst das doch für dich behalten, oder?“ Will zog eine Augenbraue hoch. „Donnerwetter!“ flüsterte Irma wie vom Schlag getroffen. „Dann sind wir ja in Zukunft Leidensgenossinnen! So was hab ich mir schon immer gewünscht. Das macht uns zu Verbündeten… Busenfreundinnen… Schwestern… eineiigen Zwillingen…“ „Eine schöne Klimax“, warf Will anerkennend ein. „… auf immer und e… eine was?“ fragte Irma verdutzt. Mit gewichtiger Miene schloß Will die Augen, verschränkte die Arme, wiegte sich auf den Fussspitzen vor und zurück und verkündete altklug:„Die stufenweise Steigerung eines normalen Wortes zu einer Wendung absoluter Bedeutsamkeit! In diesem Fall die Steigerung der Intimität und Vertrautheit zweier seelenverwandter Mädchen in vier Stufen!“ setzte sie hinzu. Als sie die Augen wieder aufmachte, erblickte sie zu ihrem Erstaunen Irma, die ihr wörtlich genommen an den verschränkten Armen und bildlich gesprochen an den Lippen hing. Ihr bittendes Gesicht war nur wenige Millimeter von dem ihren entfernt. Ihre Nasen waren so nah beieinander, dass sie jeden Atemzug ihres Gegenübers abbekamen und bei ihrem eigenen mit einsogen. „Das hast du wirklich schön gesagt,“ hauchte Irma. Will zitterte ein bisschen. Genauso wie vorhin auf der Wiese war ihr Irmas Nähe gleichzeitig unangenehm wie wohltuend. Sie atmete so viel von dieser Wärme aus, die Will vorhin im Traum so intensiv gespürt hatte… und die sie dann in den Tod geführt hatte. Seit sie wusste, dass sie eine Wächterin Kandrakars war, hatte Will vor Träumen gehörigen Respekt und wusste, dass sie zwar chaotisch und sinnlos erschienen, aber durchaus einen wahren Kern und manchmal sogar einen prophetischen Charakter hatten. Und dieser Traum war viel zu geordnet abgelaufen, viel zu konzentriert, als dass er keinen tieferen Sinn gehabt hätte. Hatte dieses Mädchen in ihrem Traum nicht sogar ein wenig wie Irma ausgesehen?! Irgendwie schon... Aber hatte Irma denn jemals solche glatten Haare gehabt? Sie war so konsequent lockenhaarig wie kein anderes Mädchen an der Schule! Nie im Leben hätte sie zugelassen, dass ihr Haar glatt wie ein Stück Otterpelz auf ihren Rücken fiel. Das hätte viel zu sehr nach Cornelia ausgesehen. Natürlich war das nur ein Detail, aber es machte keinen Unterschied: Welche Gefahr sollte denn von Irma ausgehen? Dies bedenkend löste Will langsam die verschränkten Arme, ließ Irmas aufliegende Hände in ihre eigenen fallen und drückte sie lächelnd. „Immerhin bin ich ja hier, um dir Deutschnachhilfe zu geben!“ „Das stimmt. Und ich erwarte viel von dir. Vielen Dank, dass du gekommen bist, Will!“ sagte Irma vertrauensvoll zurück lächelnd. „Also, mit was willst du mich als erstes quälen?“ Will ließ Irma’s Hände los, öffnete ihren Ranzen und zog nach einigem Suchen eine Mappe mit Aufsatzblättern hervor. „Das sind alle meine Aufsätze der letzten Jahre, angefangen bei meinem letzten Jahr in Faddens Hill. An der Schule dort haben sie großen Wert auf Literaturnoten gelegt, deshalb sind wir sehr umfassend an die Sachen herangegangen. Wenn wir dann noch mal die verschiedenen Epochen und Schriftsteller durchgehen, dürfte deine Arbeit eigentlich ganz gut ausfallen.“ „Schön… sehr schön,“ sagte Irma leise, unbewusst, ob sie die Methode meinte oder nicht etwas anderes. Sie ließ sich mit einem zögernden Schnaufen auf die Treppe plumpsen. Will setzte sich neben sie. Sie starrten verträumt in das Licht, das durch das Oberlicht der Tür auf die Treppe fiel. Irma seufzte. Will seufzte ebenfalls und klapperte mit den Fußsohlen auf dem Boden. „Hättest du etwas gegen eine kleine Galgenfrist?“ fragte sie nebenher. „Ich dachte schon, du fragst nie!“ antwortete Irma erleichtert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)