Assoziatives Schreiben von Ekolabine (Du liest nur einen Satz...) ================================================================================ Kapitel 10: Satz 23: Das Zeichen -------------------------------- Er genoss seine Konzentration, seine Übersicht und seine Geistesgegenwart, und ab und zu, wenn er auf sich selbst achten konnte, weil der andere am Wort war, meinte er zu spüren, dass nun doch, langsam und unauffällig, eine innere Befreiung durchzuschimmern begann und dass seine neue Wachheit, die, ganz anders als Montag Nacht, jetzt nichts Überdrehtes an sich hatte, in einem Zusammenhang mit dem Entschluss von heute morgen stand. Er würde keine Angst mehr haben. Er hatte seinen Entschluss immer voller Angst in Frage gestellt. Hatte Angst, dass er die Konsequenzen zu spüren bekam. Aber seit er beschlossen hatte, nichts mehr zu bereuen und zu seinen Entscheidungen zu stehen, konnte er plötzlich frei atmen. Konnte diese Welt genießen. Er biss wieder ein Stück von seinem Hot Dog ab und hörte seinem Gegenüber zu. Nils war seit Jahren schon an dieser Ecke und verkaufte seine Hotdogs. Wenn man ein bisschen länger bei ihm stand und sich Zeit nahm, dann erzählte er seine Sicht der Dinge und wie er die Welt sah. Es hatte etwas Erfrischendes ihm zuzuhören. Mephisto atmete ganz tief die Luft ein. Hier am Park roch es herrlich nach frisch gemähtem Gras. Er liebte diese Welt. Hier war der Himmel weit und die Sonne strahlend hell. Lächelnd lauschte er Nils. „Sag mal Meph, musst du nicht langsam wieder zurück in dein Büro? Deine Mittagspause geht doch sicherlich nicht ewig“, Nils schaute ihn abwartend an. „Hm, ja Kumpel, ich mach mich mal so langsam auf dem Weg. Bis morgen.“ Mephisto gab Nils die Hand und ging dann leichten Fußes Richtung Innenstadt. Er arbeitete hier in einem Architektenbüro als Assistent. Die letzten Stufen hoch nahm er in einem Satz und öffnete gut gelaunt die Türe zu seinem Zimmer, als er erstarrte. An seinem Tisch saß mit dem Rücken zu ihm, wartend ein Mann. Er erkannte ihn sofort. Der Fremde drehte sich nun herum und schaute nach, wer da zur Tür hineingekommen war. „Oh, hallo mein Sohn. Ich dachte, ich besuch dich mal. Setz dich!“ Seine Stimme klang heißer, fast wie gekratzt. Mephisto ging um den Tisch herum und ließ sich in seinen Drehstuhl sinken. „Hallo Vater.“ Sie starrten sich eine Weile schweigend an. Luzifer sah sich in seinem Büro um und begutachtete alles sorgfältig. „Hm, bitte Mephisto hilf mir auf die Sprünge. Ich hab immer noch nicht rausgefunden, warum du weggelaufen bist und dich gerade auf der Erde versteckst.“ Nun war es wohl so weit. Er würde sich seinem Vater stellen müssen und endlich ihm die ganze Wahrheit sagen müssen. „Ich liebe diese Welt, Vater.“ Schweigen. „Nun, wenn du es als Liebe ausdrücken willst, mein Sohn. Ich mag diese Welt im Grunde auch, ohne sie hätte unser Dasein wohl keinen Grund. Ist sie doch der Ursprung unserer Existenz, aber deswegen will man doch noch lange nicht in ihr Leben. Oder erfreust du dich an dem ganzen Leid hier?“ Er schien es nicht zu begreifen. „Nicht solch eine Liebe, Vater. Ich bin hier, weil ich den frischen Duft nach dem Regen liebe, die Musik, Kinderlachen, der Duft von frischem Gebäck und vieles mehr.“ Er war lauter geworden und beugte sich etwas vor, als er diese Worte seinem Vater eindringlich sagte. Mephisto atmete tief. Würde sein Vater es verstanden haben? Wieder schweigen. Plötzlich sank sein Vater nach hinten an die Stuhllehne. „Seit wann weißt du das?“ „Seit einigen Jahrhunderten.“ „Was ist mit deinen Sünden?“ „Viele bereue ich seit geraumer Zeit.“ Luzifer schloss die Augen. Da hatte er einiges erlebt und nichts konnte ihn mehr aus der Ruhe bringen. Doch sein eigen Fleisch und Blut schaffte es doch immer wieder. „Ein Engel.“ Die Worte blieben alleine im Raum stehen. Anscheinend musste der Fürst der Hölle nachdenken. Den Schock erstmal schlucken. „Mein eigener Sohn ist ein liebenswerter, gefühlsduseliger Engel“, schrie er plötzlich los, „weißt du, was du damit anrichtest!“ „Du warst auch einst einer, Vater!“ „Sind sie weiß?“ Luzifer stürzte über dem Tisch und packte seinen Sohn. Riss ihm das Hemd von den Schultern und legte seine Hand auf den Rücken seines Sohnes. Sofort spießen leicht graue Flügel aus Mephistos Rücken. Luzifer starrte diese Abartigkeit an und wusste nicht mehr weiter. Hilflos sank sein Kopf auf Mephistos Schulter. „Mein eigener Sohn“, murmelte er nur. „Vater“, Mephisto selbst klang nun auch verzweifelt. „Vater, ich kann nicht sagen, dass es mir leid tut. Ich will hier bleiben und in dieser Welt leben.“ Er hoffte, dass sein Vater es verstand. Plötzlich erhob sein Vater sich und ließ von ihm ab. „Wenn du weiterhin zu mir gehören willst, dann wirst du dir diese abartigen Flügel abreißen. Wo du lebst, ist mir egal. Aber merke dir, solltest du eines Tages frei von Sünden sein, dann bist du weder willkommen noch stehst du dann unter meinem Schutz.“ Mit diesen Worten verließ Luzifer das Büro und die Erde, um zurück zu seinem Thron zu kehren. Mephisto blieb perplex zurück. Lief ja besser als er erwartet hatte. Was hieß hier besser? Es lief geradezu grandios. Er hatte ja fest damit gerechnet, dass sein Vater ihn zurück in die Hölle zwang und ihn Jahrhunderte lang quälen würde, bis seine Flügel endlich wieder schwarz sein würden. Vielleicht hatte sein Vater auch nicht das Ausmaß seines Verrats erkannt?! Erleichtert sank Mephisto zurück in seinen Stuhl, faltete die Hände und begann zu beten. Hatte je jemand dies gesehen oder nur erahnt? Hatte je ein Prophet dies prophezeit? Das Undenkbarste war geschehen. Das Zeichen, welches der Herrscher im Himmel niemanden gesagt hatte. Weder Engel noch Dämonen wussten davon. Gab es denn das? Ein gefallener Dämon, der eines Tages zurück in den Himmel kehren würde? Dabei rein von jeder Sünder und voller Liebe?! Dies war das Zeichen, das nicht in der Offenbarung stand. Am Tag des Jüngsten Gerichts würde der sündigste aller Teufel in den Himmel steigen und wieder ein Engel sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)