Aus Summen kürzen nur die Dummen von Yusuke ================================================================================ Kapitel 15: ------------ "Kyo." Deine leise Stimme dringt an mein Ohr, als du mich einfach zu dir in deine Arme ziehst, mich an deinen warmen Körper drückst. Ich spüre, wie deine Finger sich fest in den Stoff meines Oberteils graben, deinen Kopf auf meine Schulter legst, leise gegen die Haut meines Halses atmest. Ohne weiter darüber nachzudenken, wie du eben noch zu mir gewesen bist, dass du mich einfach hast stehen lassen, schlinge ich meine Arme um deine Taille, lehne mich sofort gegen dich, kralle meine Finger in deinen Rücken. Lass mich nie wieder los. Nie wieder. Schon wieder rollen kleine Perlen aus salzigen Wasser über meine Wangen. Weiß nicht, ob das Freudentränen sind, die aus meinem Augenwinkel quellen oder doch nur wieder Tränen der Verzweiflung, der Angst ihre hässlichen Bahnen über mein Gesicht ziehen. “Kyo.” Erneut spüre ich deinen heißen Atem an meinem Hals. Hör auf zu reden, küss mich endlich, berühr mich und liebe mich wieder. Doch du hältst mich einfach weiter in deinen Armen fest, drückst mich immer näher an deinen Körper. Ich wehre mich nicht, will dir noch näher sein, niemals nah genug… Meine Tränen verebben in dem Stoff deines Shirts, verschwinden einfach, bleiben gefangen in den verarbeiteten Baumwohlfäden. Halt mich ebenso bei dir fest, lass mich nicht mehr los, fang mich ein, lass mich für immer deins sein. Nein, schieb mich nicht wieder von dir, lass mich bei dir sein… bitte. Mit tränenden Augen sehe ich zu dir hoch, verstehe einfach nicht, was in dir vorgeht, warum du mich in deine Arme ziehst, mir deine Wärme schenkst und mich wieder von dir wegdrückst, mich die Kälte des Sommerwindes fühlen lässt, fern von deinem angenehm warmen Körper. Ich will nicht mehr weinen, aber das Gefühl erneut von dir abgewiesen zu werden, treibt mir die Tränen in meine Augen, lässt sie unaufhaltsam über meine geröteten Wangen laufen. Tu mir das nicht an. Bitte, schick mich nicht wieder weg. “Kyo. Warum hast du das getan?” Deine Stimme dringt nur als ein leises Flüstern an mein Ohr, vernehme sie kaum, so leise sprichst du. Dennoch habe ich dich verstanden, auch wenn nicht den Sinn. Was soll ich getan haben? Was erwartest du für eine Antwort? Nimm mich einfach wieder in deine Arme ohne Worte, will ich deinen Körper an meinem spüren, die letzten Momente genießen, die ich vielleicht mit dir haben werde. Vorsichtig trete ich wieder näher an dich, lehne mich einfach gegen deinen starken Körper. Halt mich fest, wie vorhin auch, so wie du es immer getan hast. Halt mich fest und pass auf mich auf… Du hörst mich nicht, verstehst mein Flehen nicht, drückst mich einfach wieder von dir weg, doch diesmal siehst du mich an, schaust direkt in meine von den Tränen geröteten Augen. Verlangst weiter stumm nach einer Antwort. Ich weiß doch nicht, was du hören willst, was ich sagen soll, was ich tun muss… “Was meinst du?” Meine Stimme klingt so schwach und fremd in meinen eigenen Ohren. Seit du nicht mehr da bist, rede ich einfach viel weniger als sonst noch… “Warum hast du uns verraten? Warum hast du allen von uns erzählst? Warum tust du mir das an?” Unaufhaltsam löcherst du mich mit den Fragen, die dir auf der Zunge liegen und so langsam begreife ich, was du denken musst, was du damit meinst, warum du so reagiert hast, wie du es eben getan hast. Aber warum denkst du so von mir? Wieso hältst du mich für einen Verräter? Warum zweifelst du an meiner Liebe zu dir? Warum… Und bevor irgendeine Antwort meine Lippen verlässt, drängen sich schon wieder neue Tränen aus meinen Augenwinkeln, bahnen sich ihren Weg über mein warmes Gesicht, über meine geröteten Wangen. Ich bekomme einfach kein Wort heraus, versuche weiter Antworten zu finden. Antworten, die rechtfertigen, dass du so von mir denkst. Mit enttäuschtem Blick siehst du mich weiter an, wartest weiter darauf, dass ich mich endlich erkläre. Oh bitte, deute meine Tränen nicht falsch. Glaub mir doch einfach, auch wenn ich noch kein Wort gesprochen habe. Vertrau mir doch. Wie soll das gehen, wenn du denkst, dass ich so was getan habe? Und so schüttele ich einfach schnell meinen Kopf, greife nach deinen Händen und halte sie fest in meinen, schaue zu dir auf. Du sollst nicht so von mir denken, du sollst mich lieben, mir vertrauen und mir glauben können. Es soll wieder so sein, wie es war. Nichts soll zwischen uns stehen, auch wenn sich unsere Wege heute und hier für immer trennen. “Ich habe ihnen nicht verraten. Nichts.” Ich klinge noch leiser als zuvor, hauche dir die Worte nur entgegen, sehe dich weiter an und mit einem Mal kehrt der liebevolle, warmherzige Blick zurück. Ja, du weißt, dass ich die Wahrheit spreche, auch wenn das Lächeln noch immer nicht zurück auf dein Gesicht kehrt. Du bist erleichtert, auch wenn du es noch immer nicht zeigst und du liebst mich. Ich weiß es einfach. Dennoch schleicht sich dieser skeptische Ausdruck auf deine Gesichtzüge, siehst mich weiter durchdringend an, aber es ist okay. Es fühlt sich gut an, angenehm. Ich weiß, dass du mir glaubst, auch wenn du nach weiteren Erklärungen fordern wirst. “Wer hat es dann getan? Du hast gesagt, dass du niemanden von uns erzählt hast und ich ebenso wenig.” Du hast es Daisuke, deinem besten Freund erzählt. Aber du hast Recht, er wird wohl kaum zu meinem Direktor gelaufen sein um zu petzen. Hätte ich nur auch so viel Vertrauen zu Shinya gehabt… Es wäre alles niemals so weit gekommen. Im Grunde ist es doch meine Schuld. “Shin hat’s herausgefunden. Er dachte, dass du mir wehtust.” Reicht das nicht als Erklärung? Es ändert doch nichts mehr. Wie er es herausgefunden hat und wann und warum. Es ist einfach so und es wird so bleiben. Alle wissen von uns, verbieten uns, uns zu lieben. Lass uns zumindest im Guten auseinander gehen. Ich schließe einfach meine Augen, als du mich wieder nahe an dich ziehst, deine Arme um meinen Körper legst und mich fest an deinen drückst. Zum ersten Mal verspüre ich keine Tränen, die ich vergießen will, genieße einfach nur deine Nähe und das Gefühl, dich wieder zu haben. Dein Vertrauen, deine Nähe, deine Wärme und deine Liebe. Es fühlt sich so verdammt gut an, lässt mich die letzten Tage vergessen, als wäre es immer so gewesen, als hätte sich nichts verändert. Ich weiß, dass es nicht so ist. “Es tut mir Leid, dass ich so von dir gedacht habe.” Deine leise gehauchten Worte holen mich mit einem Mal zurück in die kalte, bittere Realität, die sich einfach nicht ändern lässt, die uns so herzlos auseinander reißt, obwohl wir uns in den Armen liegen, obwohl ich mich so fest an dich kralle, sind wir machtlos. Und dennoch genieße ich diesen Moment, will gar nicht daran denken, dass es bald zu Ende sein könnte. Dass es vorbei ist, sobald ich mich umdrehe und zurück zu meiner Schule schlendere. Und so will ich diese letzten Augenblicke mit dir nutzen, so viel von dir bekommen, mir alles merken, mir deinen Duft einprägen, wissen wie sich dein Körper anfühlt, wenn auch nur noch in Erinnerungen. Deine Stimme, deine wunderschöne, tiefe Stimme. “Kaoru. Rede mit mir.” Bitte schenke mir nur noch ein paar deiner liebenswürdigen Worte, lasse deine Stimme für mich erklingen, für ein letztes Mal. “Ich liebe dich.” Sogleich, da diese Worte deine Lippen verlassen, beginnt mein Herz schnell gegen meinen Brustkorb zu springen, treibt die Hitze durch meinen Körper und ich spüre, wie meine Wangen erneut wärmer werden, sich leicht rötlich färben. Dieser eine Satz löst in mir noch immer dasselbe aus, wie das erste Mal, als du ihn mir in mein Ohr geflüstert hast. “Ich dich auch.” Ja, ich liebe dich auch. Mein Herz gehört nur dir, wird für immer nur deins sein. Aber bitte schweig nicht wieder. Rede mit mir! “Kao? Und wenn ich einfach allen klar mache, dass ich das wollte. Dass ich dich liebe und dass ich bei dir sein will. Vielleicht können wir dann zusammen bleiben.” Wenn du schon nicht redest, dann werde ich es tun. Sag etwas! Sag mir, dass ich das machen soll, dass sie uns dann in Ruhe lassen, dass sie uns erlauben, zusammen sein zu dürften. Bitte sag es mir einfach. Schenk mir ein paar von meinen naiven Hoffnungen. Halt mich fest und sag mir, dass es eine Lösung geben wird. Sag es mir… “Kyo, Ich hab bald eine Klage wegen des Missbrauchs Schutzbefohlener am Hals. Das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst.” Ein leises Seufzen verlässt deine Lippen und ich kann heraushören, dass du Angst hast. Fest drücke ich dich an mich, halte dich ebenso, wie du mich. Versuche auch dir irgendwie Halt zu geben, dich zu trösten, dir Mut zu machen. Du hast so viel für mich riskiert, für mich, für unsere Liebe, warum also bist du nun der einzige der die Konsequenzen dafür tragen muss? Lass mir doch meine naive Utopie… “Und wenn wir zum Direktor gehen? Ich sage ihm das alles und ich werde den auch anflehen, dass er das mit der Anzeige lässt.” Das muss doch gehen. Irgendwas muss ich doch machen können. Ich kann doch nicht zusehen, wie sie dich beschuldigen, verurteilen, dich mir wegnehmen ohne etwas zu tun. Irgendwas… muss es doch geben. Es muss. “Er muss das zur Anzeige bringen. Vor allem wissen deine Eltern auch davon, nicht? Ich glaube kaum, dass sie das einfach so hinnehmen werden.” Werden sie nicht. Ich darf dich ja nicht einmal mehr sehen. Sie tun alles dafür, dass dies auch nicht mehr geschieht. Und dennoch reicht das nicht aus. Wir finden immer wieder zusammen. Ja, immer wieder! “Ach Kyo.” Und erneut verlässt ein leises, verzweifeltes Seufzen deine Lippen, als du meinen Namen flüsterst, mich einfach weiter fest in deinen Armen hältst. “Ich bin mir sicher, dass er das schon längst gemacht hat. Deswegen bin ich auch hier, wollte schauen, ob ich schon was im Briefkasten habe.” Jedes einzelne deiner Worte scheint so, als würde es mir die Luft zum Atmen rauben, mir meine Kehle zuschnüren. Es tut weh dich so mutlos zu hören. Wir müssen nur daran glauben. Ganz fest glauben… Ich weiß nicht, wie lange wir so da gestanden und uns einfach gegenseitig festgehalten haben. Wir haben uns über dies und das unterhalten, über alltägliche Dinge, die nichts mit uns und unserer Situation zu tun haben einfach nur, um uns abzulenken, um nicht daran denken zu müssen, was nun kommen wird und um deine Stimme hören zu können. Und nun drückst du mich wieder von dir weg, siehst mich lächelnd an, auch wenn du noch immer überfordert und müde wirkst. “Was machst du denn eigentlich hier?” Was ich hier mache? Ich wollte zu dir. Was denkst du denn? Fast beginne ich sogar zu lachen, aber unserer Situation ist einfach nichts lustiges abzugewinnen, es würde sich einfach falsch anfühlen, wenn ich nun anfangen würde zu kichern, schon allein, weil es dir nicht gut geht, auch wenn du versuchst dies zu verbergen. “Ich wollte dich sehen.” Und das habe ich. Es hat sich gelohnt herzukommen. Irgendwie war es doch Schicksal, dass wir uns hier und heute getroffen haben, immerhin hast du mir vorhin erzählt, dass du nun bei deinem besten Freund wohnst und du nur hier warst, um nach deiner Post zu sehen. “Hast du denn gar keine Schule um diese Zeit?” Natürlich hab ich die. Aber das ist mir doch egal, ich wollte dich einfach sehen und dann noch die Sache mit dem neuen Lehrer, aber davon werde ich dir nicht erzählen. Du sollst dir nicht noch mehr Sorgen um mich machen und ich komm damit schon klar und… “Wie spät ist es denn?” Verdammt! Ich muss doch pünktlich zum Schulschluss wieder am Schultor stehen und dort auf meine Mutter warten, die mich mal wieder abholen wird, damit wir uns ja nicht sehen. Du wirfst einen kurzen Blick auf deine Armbanduhr, ehe du mir auch schon verrätst, wie viel Uhr wir haben. “Gleich haben wir eins.” So spät schon? Das heißt, dass ich in knapp zehn Minuten wieder an meiner Schule sein muss. Aber das schaff ich doch nie! Der Bus allein braucht doch fast 20 Minuten, bis ich an der Bushaltestelle an meiner Schule ankomme. Verzweiflung und Panik breiten sich in mir aus. “Ich muss los.” Ich will gar nicht gehen, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Vielleicht schaffe ich es, wenn ich renne ohne Pause. Dann muss ich das schaffen. Ich muss… “Jetzt schon?” Ich hätte gar nicht hier sein dürfen. Wenn uns jemand sieht, wenn das jemand wieder herausfinden. Das gibt doch nur wieder Ärger. Für mich und noch viel mehr für dich. Ich will nicht, dass es noch schlimmer wird, als es eh schon ist. Ich hab Angst um dich… “Ich muss zum Schulschluss wieder an meiner Schule sein.” Lass mich doch endlich los. Ich komme zu spät! Das darf ich nicht. Das darf einfach nicht passieren. Wahrscheinlich verstehst du meine Panik nicht, meine Verzweiflung, aber es würde jetzt einfach zu lange dauern, dir das zu erklären. Irgendwann nickst du einfach, fragst auch gar nicht weiter nach, schaust einfach noch mal auf deine Uhr. “Das wird aber knapp.” Ja, wird es. Also lass mich endlich gehen. Versteh das doch. Flehend sehe ich dich an, erkenne wie du nachzudenken scheinst. “Dai fährt dich!” Dai? Daisuke? Dein bester Freund? Warum sollte er mich denn fahren und der ist doch auch nicht hier, oder? Und tatsächlich steht hinter dir ein kleiner, roter Fiat in dem ein nicht ganz so vergnügt schauender Kerl mit roten Haaren sitzt. War der die ganze Zeit schon da? Ich habe ihn wirklich nicht bemerkt, habe einfach nur noch dich gesehen, nur noch dich bei mir gespürt und plötzlich war alles andere egal. Ich will dich nicht verlieren… Sogleich schnappst du nach meiner Hand ziehst mich zu dem Wagen herüber und öffnest mir die Tür, erklärst deinem besten Freund kurz, was er zu tun hat. Aber ich will ihm doch keine Umstände machen… Und schon richtest du dein Wort wieder an mich, siehst mich mit einem kleinen, traurigen Lächeln an. “Dai bringt dich zu deiner Schule. So wie er fährt, schaffst du das auch pünktlich. Ich schreibe dir, okay?” Ich nicke einfach nur, ehe ich hastig meinen Kopf schüttele. “Mein Dad hat mir mein Handy weggenommen und ich hab kein Internet und gar nichts.” Ich sehe dich verzweifelt an, kann einfach nicht fassen, dass mein Vater wirklich das erreicht hatte, was er wollte, als er mir mein Telefon weggenommen hatte. Schon wieder spüre ich, wie mir Tränen in die Augen treten. Tränen, die sich einfach nicht unterdrücken lassen. Doch mit einem Mal halte ich dein Mobiltelefon in meinen Händen, sehe dich fragend an. “Ich besorg mir ein Neues und dann schreibe ich dir. Lösch die anderen Nummern einfach und pass gut drauf auf. Ich liebe dich.” Und schon schließt du die Autotür, lässt mich nicht einmal mehr antworten, als dein bester Freund den Motor auch schon anschmeißt und wie langsam losrollen. Stumm formuliere ich die drei Worte, die auch du mir eben entgegen gebracht hast, schaue aus dem Fenster, bis wir um eine Kurve biegen und ich dich nicht mehr sehen kann. Hoffentlich sehen wir uns noch mal wieder… Ich weiß ja, dass du nun nicht mitkommen kannst. Es wäre einfach zu gefährlich, immerhin werde ich gerade zu meiner Schule gefahren und mittlerweile weiß ja eh jeder was vorgefallen ist. Jeder starrt mich an, wenn sie mich sehen und wenn du jetzt noch dabei wärest… Das ist einfach zu riskant. Du darfst dich mir ja nicht mehr nähern, damit würden wir alles nur noch schlimmer machen. Und du hattest Recht. Daisuke fährt wirklich… viel zu schnell. War das gerade eine rote Ampel? Geschockt sehe ich zu dem Rothaarigen. Der soll mich pünktlich zu meiner Schule bringen, aber bitte lebendig! “Guck nicht so.” Sein lautes Lachen ertönt und ich schaue einfach nur noch verwirrt. Warum hat er denn so gute Laune? Hat der gar keine Angst um dich, immerhin seid ihr doch beste Freunde. Schnell schaue ich einfach wieder nach vorne auf die Straße, beobachte die Häuser, die an uns vorbeiziehen. Wie verdammt schnell fährt er in einem Wohngebiet? “Gleich bist du deinen Führerschein los.” Das kann mir ja eigentlich egal sein, aber wenn er wegen mir so rast, dann ist es das eben nicht, denn dann ist es meine Schuld und das möchte ich nicht. Ich hab schon genug angestellt. “Was für ein Führerschein?” Schon wieder dieses atomare Grinsen. Das meinte er gerade aber nicht ernst, oder? Erneut wandert mein geschockter Blick zu ihm herüber. Ich hätte doch laufen sollen. Ohne Pause ganz, ganz schnell! “Schau nicht immer gleich so. Als würde Kao dich mir anvertrauen, wenn ich nicht wüsste, wie ich Auto zu fahren hätte!” Ja, da ist was dran. Das würde er wirklich niemals zu lassen. “Tut mir Leid.” Meine Stimme dringt nur als ein leises Flüstern über meine Lippen. Ich weiß nicht einmal für was genau ich mich entschuldige, tue es einfach. Vielleicht weil ich dir schon wieder nicht vertraut habe? Weil ich auch noch Ansprüche an Daisukes Fahrkünste stelle, obwohl ich doch der jenige bin, der nicht auf die Uhrzeit geachtet hat, der zu spät gekommen wäre und sich wieder irgendwelche Ausreden einfallen lassen müsste, die man mir sowieso nicht glauben würde. “Hör mal auf dich zu entschuldigen. Ist schon okay.” Ich nicke einfach nur, auch wenn es für mich nicht einfach so ‘okay’ ist. Ich sollte dir endlich anfangen zu vertrauen, drücke das Handy, das du mir eben gegeben hast fest in meiner Handfläche. Wir werden wieder Kontakt haben, wenn auch nur über Kurzmitteilungen oder heimliche Telefonate. Unbewusst schleicht sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Jetzt muss ich nur noch warten, dass du dir ein Neues besorgst und mir schreibst, damit ich auch deine Nummer haben werde. “Ich würde das Handy aber an deiner Stelle wegpacken.” Ja, da hat er Recht. Schnell verstaue ich das kleine Ding in meiner Tasche, nachdem ich es auf ‘lautlos’ gestellt habe. Du musst mir unbedingt die PIN-Nummer schicken, falls es ausgeht und ich muss mir ein passendes Akkuladegerät zu diesem Modell besorgen oder du gibst mir einfach deines, wenn wir uns irgendwann mal wieder sehen… Irgendwann kommt der kleine Fiat vor meiner Schule zum Stehen. Noch genau eine Minute, bis die Schulglocke offiziell den Unterricht beenden wird. Ich glaub es gar nicht, dass wir wirklich pünktlich sind und auch noch am leben! Schnell drehe ich mich zu dem Rothaarige, deute eine kleine Verbeugung an, obwohl er nicht sehr viel älter als ich sein wird. Man muss doch trotzdem höflich sein. “Vielen Dank.” “Kein Ding. Geht ja schließlich um meinen besten Freund und seine große Liebe. Aber jetzt sieh zu, dass du schnell raus kommst. Nicht, dass doch noch jemand mitbekommt, dass du geschwänzt hast.” Schon wieder liegt dieses rebellische Grinsen auf seinen Lippen und auf meinen Wangen breitet sich eine leichte Röte aus, als er mich als ’deine große Liebe’ bezeichnet. Es tut gut das zu hören und Daisuke ist auch wirklich nett, auch wenn er ein furchtbarer Autofahrer ist! Schnell nicke ich. Ich sollte mich wirklich beeilen und hier rauskommen, nicht das meine Mutter mich gleich noch sieht und denkt, dass ich schon einen Neuen hätte oder so was. Mit einem Mal öffne ich die Tür, als ich etwas warmes auf meiner Schulter spüre und gleich Daisukes Hand erkenne, die mich sanft zurückhält. “Noch etwas. Wenn es wirklich zu einer gerichtlichen Verhandlung kommt, dann sag die Wahrheit! Lass dir von niemandem drohen, okay? Das ist Kaorus einzige Chance. Wenn du ihn genauso liebst, wie er dich, dann musst du das tun, egal was andere dann von dir denken. Du musst ihn da rausholen, sonst wandert der ohne Umwege direkt in den Knast.” Ich schlucke leicht, als mir bewusst wird was für eine Verantwortung ich trage. Dass ich allein dich da noch rausholen kann. Schnell nicke ich. “Ja, ich liebe ihn. Ich hole ihn daraus.” Schon wieder klingt meine Stimme so leise, ehe ich mich einfach wieder umdrehe aus dem Wagen Daisukes steige, nachdem ich mich verabschiedet habe und schnell zum Schultor laufe. Irgendwann ertönt auch schon die Schulglocke und Massen von Schülern stürmen aus dem großen Schulgebäude, laufen an mir vorbei, werfen mir skeptische Blicke zu. Ich beachte sie einfach nicht, warte bis meine Mutter vorfährt und mich wieder einsammelt. So, wie sie es jeden Tag tut seit das mit uns rausgekommen ist. Aber ich werde nicht zulassen, dass du ins Gefängnis musst, nur weil du mich liebst und weil ich dich liebe. Das werde ich nicht zulassen… Seit dem sind wieder einige Wochen vergangen. Bei mir zu Hause und bei meiner Familie hat sich nichts geändert. Noch immer lassen sie mich nicht allein vor die Tür. Nicht einmal Shinya darf ich besuchen. Ab und zu kommt er vorbei um mit mir zu lernen oder Hausaufgaben zu machen oder um einfach nur zu reden. Er entschuldigt sich jedes Mal aufs Neue und jedes Mal winke ich einfach nur ab. Ich hab ihm das verziehen. Wirklich. Ich habe begriffen, dass er nichts dafür konnte, dass es viel mehr meine Schuld war. Wenn ich meinem besten Freund so vertraut hätte, wie Kaoru Daisuke dann wäre es niemals so weit gekommen. Schon nach einigen Tagen habe ich die erste Sms von dir bekommen. Wir schaffen es tatsächlich uns in einigen meiner Freistunden zu treffen, auch wenn wir dann oftmals nur 20 Minuten oder knapp eine Stunde haben. Kommt drauf an, ob eine Doppel- oder Einzelstunde bei mir ausfällt. Aber zumindest können wir uns sehen, auch wenn es wieder riskant ist. Daisuke holt mich dann immer ab und bringt mich auch wieder weg. Es ist schön dich zumindest für diese kurze Zeit noch sehen zu können. Meistens reden wir einfach nur oder du küsst mich für einen kleinen Augenblick. Mehr passiert aber nicht… Dafür sehen wir uns einfach viel zu kurz und irgendwie wäre es unpassend. Ich glaube kaum, dass einer von uns beiden das genießen könnte. Mittlerweile habe ich auch die PIN-Nummer von deinem Handy und dein Akkuladegerät! Ich hatte wirklich Angst, dass mir das Ding ausgeht und du mich dann doch nicht mehr kontaktieren konntest. Aber das hat ja zum Glück doch geklappt und seither sehen wir uns zumindest einmal in der Woche, dank meiner Freistunde am Mittwoch und dann noch die Stunden, die unregulär ausfallen. Zum Glück musstest du nicht in Untersuchungshaft. Du hast ja sofort angegeben, dass du bei Daisuke unter gekommen bist. Ich glaube, das hätte ich auch gar nicht ertragen, wenn ich gewusste hätte, dass du in deiner Zelle sitzt. Allein. Dann hätten wir uns gar nicht sehen können. Dann hätten wir nicht mal schriftlichen Kontakt. Natürlich ist das hier in meinen Augen noch immer viel zu selten, dass wir uns sehen, aber im Moment können wir es ja nicht ändern. Wir konnten es nicht ändern, weil wir es zu dem Zeitpunkt nicht in der Hand hatten, aber nun kann sich alles ändern. Es muss sich einfach ändern und ich bin der Einzige, der das kann. Das hat dein bester Freund mir bewusst gemacht und ich werde diese Verantwortung wahrnehmen, werde dich da rausholen. Noch immer starre ich gebannt auf dein Handy, lese mir die Nachricht, die du mir geschickt hast immer wieder durch. Du hast einen Brief bekommen. Einladung zu deiner eigenen Gerichtsverhandlung. Welch Ironie. Der Termin steht also fest. Ob ich auch schon so einen Brief in meinem Briefkasten habe? Ob meine Eltern mich überhaupt hinlassen wollen? Erneut lese ich mir deine Kurzmitteilung durch. Immer wieder folgen meine Augen dem letzten Satz, der auf meinem Display blinkt. ‘Ich habe Angst, aber egal was passiert. Ich liebe dich.’ Ich spüre, wie mir Tränen in meine Augen steigen und dennoch unterdrücke ich diese. Nein, ich werde nicht weinen. Du bist immer stark für mich gewesen, hast immer auf mich aufgepasst und nun werde ich für dich da sein. Ich hole dich da raus! Verlass dich auf mich. Ich glaube, dass es das erste Mal ist, dass du zugibst, dass du Angst hast und ich bin dir dankbar für deine Ehrlichkeit, für deine Liebe. Am liebsten würde ich dich anrufen, dir sagen, dass du keine Angst zu haben brauchst, dir sagen, dass ich dich liebe, dass ich nicht zulassen werde, dass sie dich wegsperren, für etwas verurteilen was du nicht getan hast. Doch es geht nicht. Meine Eltern sind daheim. Es ist einfach zu riskant. Sie könnten mich hören und das würde nur noch mehr Ärger geben. Und so schreibe ich dir nur eine kleine Nachricht zurück. Ich weiß, dass sie dich kaum trösten wird. Aber es geht gerade nicht anders. Ich will das was wir nun haben nicht wieder aufs Spiel setzen. Ich brauche dich einfach und wenn es nur die kleinen Textnachrichten sind, die wir austauschen. Ich brauche das einfach. Und ich brauche dich und ich werde dich zu mir zurückholen und dann werden wir endlich zusammen sein können. Egal was die anderen sagen. Schnell verschwindet dein Handy wieder an seinen geheimen Platz hinter meinem Schrank, wo auch das Akkuladegerät liegt. Zwar könnte ich sagen, dass das noch zu meinem alten Handy gehört, aber hinterher finden meine Eltern noch heraus, dass das ein ganz anderes Modell ist. Ich würde es ihnen mittlerweile zutrauen, also verstecke ich das einfach auch. Sicher ist einfach sicher. Weitere Fehler können wir uns einfach nicht mehr erlauben und das werde ich auch nicht. Ich bin gespannt, wann ich meinen Brief erhalten werde, immerhin habe ich noch vor niemandem ausgesagt. Sie brauchen meine Sichtweise, wenn sie mich schon als Opfer darstellen, dann will ich auch zu Wort kommen! Ich muss einfach. Ich muss das alles aufklären und dich da herausholen, zurück zu mir! Tatsächlich habe ich vor einigen Tagen ein Schreiben von dem zuständigen Gericht erhalten. Ich bin als Zeuge geladen. Irgendwie ist es schon merkwürdig. Die ganzen letzten Wochen wurde ich als ‘Opfer’ betitelt, man hatte Mitleid mit mir und so was und vor dem Gericht bin ich nun doch nur ein einfacher Zeuge? Liegt wohl daran, dass nicht ich der jenige war, der dich angezeigt hat und auch meine Eltern nicht, obwohl mein Vater das sicher liebend gern getan hätte. Der freut sich doch schon darauf dich im Knast sitzen zu sehen und noch mehr freut er sich auf das Geld, das er meint zu bekommen, wenn sich herausstellt, was du mir angeblich angetan hast. Aber das kann er vergessen! Ich werde sicher nicht gegen dich aussagen. Niemals. Ich werde ihnen allen erzählen, wie es wirklich war. Dass das alles auf freiwilliger Basis passiert ist. Dass ich dir dankbar bin, für alles was du für mich getan hast und dass du unschuldig bist. Natürlich wollten meine Eltern den Brief sehen, wollten wissen, was dort drin steht. Ich habe mich nicht einmal gewehrt, habe ich ihnen das Schriftstück sofort überlassen, nachdem ich mir alles durchgelesen hatte. Mehr als ein Termin für die Verhandlung steht sowieso nicht drin und ich habe keine Lust auf noch weiteren Ärger mit meinem Vater. Aber der sieht das anders. Gleich nachdem er sich den Brief geschnappt und den Inhalt durchgelesen hatte, hatte er sich an mich gewandt, mich wieder voller Hass und Wut angesehen. Und zum ersten Mal seit ein paar Wochen redet er wieder mit mir. Obwohl, ob man das Reden nennen kann? Er schreit viel mehr. Schreit mich an. Sagt mir, was ich zu tun habe, was ich vor Gericht zu sagen habe. Ich glaube, dass er ahnt, was ich vorhabe. Dass ich allen die Wahrheit sagen werde und das will er verhindern. Aber er kann reden so viel er will. Ich werde mich nicht aufhalten lassen. Das bin ich dir einfach schuldig. Und ich habe es deinem besten Freund versprochen und dir auch und das werde ich halten, egal was mein Vater sagt. Er wird es einfach nie verstehen und es ist mir egal. Es ist mir scheiß egal! In den letzten Wochen ist mir sowieso klar geworden, dass du der einzige bist, den ich brauche und du bist auch der einzige, dem ich vertrauen kann. Alle anderen haben mir ihr wahres Gesicht gezeigt, nachdem sie das herausgefunden hatten. Allen voran natürlich meine Eltern. Naja und Shin hält auch zu mir, aber so langsam verlieren wir den Kontakt, den wir immer hatten. Einfach, weil ich nicht mehr raus darf. Wir sehen uns nur noch in der Schule und manchmal sitzen wir einfach nur da und wissen nicht worüber wir reden sollen. Ich will nicht, dass unsere Freundschaft zerbricht. Wieso passiert das, wenn sie sogar das mit dir ausgehalten hat? Warum schafft mein Vater das jetzt? Oder liegt es vielleicht gar nicht daran… Vielleicht sucht auch er nur einen Grund, um mich nicht mehr sehen zu müssen, um keinen Kontakt mehr zu mir zu haben… Vielleicht bin ich ihm ja doch peinlich. Ich habe doch gar nichts getan, außer dich abgöttisch zu lieben. Und genau deswegen, werden wir auch wieder zusammen sein, weil du einfach der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden bist und es auch immer sein wirst. Ich brauche dich und ich hole dich zurück… Zurück zu mir. Das hatte ich so einfach gesagt, dass ich dich da rausholen werde. Ich muss doch einfach nur die Wahrheit sagen, aber ich habe Angst. Verdammte Angst. Heute ist der Tag der Gerichtsverhandlung. Der erste. Wer weiß schon, wie viele es geben wird. Ob das wohl so ablaufen wird, wie in den Gerichtsshows, die den ganzen Tag über im Fernseher laufen? Seit einigen Tagen sehe ich mir diese schon an. Ich wollte einfach wissen, was auf mich zu kommt. Natürlich weiß ich, dass die Shows im TV alle gestellt sind, aber so ungefähr muss es doch ablaufen oder? Ich will nicht dahin. Eigentlich schon, weil ich dich dort wieder sehen werde, aber ich habe auch Angst und ich kann mit niemandem darüber reden. Mit wem denn auch? Shinya ist einfach nicht mehr zu erreichen und mit meinen Eltern? Nein ganz sicher nicht… Was passiert, wenn ich etwas falsches sage oder zu viel? Oder wenn du sie von etwas anderem überzeugen konntest? Wenn ich alles kaputt mache? Wenn sie mir nicht glauben? Dann kommst du dort niemals heraus und das wird alles meine Schuld sein. Alles! Ich spüre, wie meine Beine beginnen zu zittern, als ich vor meinem Kleiderschrank stehe und mir meine Anziehsachen für den heutigen Tag heraussuche. Was trägt man denn bei einer Gerichtsverhandlung? Normale Jeans? Ein Hemd? Ich weiß es doch nicht, vielleicht achten sie ja darauf, machen ihr Urteil von diesem abhängig. Warum hilft mir denn keiner? Warum ist keiner bei mir? Ich will doch einfach nur mit jemandem reden, will, dass mir jemand zuhört und mir sagt, dass ich keine Angst zu haben brauche. Dass alles gut wird. Aber niemand ist hier. Wie schon seit Wochen. Ich entscheide mich letztendlich doch meine normalen Klamotten anzuziehen. Die müssen doch eh darauf achten, was ich sage und nicht was ich anhabe oder so was. Hoffentlich tun sie das auch und hoffentlich glauben sie mir und lassen dich wieder gehen. Ohne dich werde ich diesen verdammten Gerichtssaal nicht verlassen. Ich werde deine Hand nehmen, wenn ich dich sehe und nicht mehr loslassen. Dann sollen sie mit uns machen, was sie wollen, aber ich lasse dich nicht mehr los. Nie wieder! Krampfhaft schließe ich meine Augen, gehe noch mal durch, was ich ihnen alles sagen muss. Was sie wissen müssen, damit sie sich ein Bild von der Wahrheit machen können. Schon wieder laufen heiße Tränen über meine Wangen, die ich erneut nicht unterdrücken kann. Wie denn auch? Wer soll schon mit so einer Anspannung fertig werden? Das ist heute der entscheidende Tag. Entweder dürfen wir uns endgültig wieder sehen oder nicht mehr. Sie müssen dich einfach freisprechen und sie müssen ihren Eilbeschluss zurück nehmen. Ich will näher an dich heran dürfen, als 100 Meter. Erschreckt schaue ich auf, als ich die Stimme meiner Mutter höre, die nach mir ruft. Sie wollen fahren. Ich spüre, wie heftig mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmert. Es fühlt sich an, als würde der Muskel gleich aus meiner Brust springen, schmerzhaft. Ich werfe noch einen schnellen Blick in den Spiegel. Ich muss doch gut für dich aussehen… Nur langsam bewege ich mich aus meinem Zimmer heraus, gehe die vielen Stufen ins Erdgeschoss hinab und ich merke, wie mir schwindelig wird, lehne mich gegen die Wand, schließe noch einmal kurz meine Augen. Als ich sie wieder öffne, blicke ich in das besorgte Gesicht meiner Mutter, die mir ein Glas Wasser hinhält, vorsichtig meine Hand nimmt und mir hilft, dass ich die letzten Stufen nicht runterpurzele. Wann war sie das letzte Mal so liebevoll zu mir? Ich kann mich schon gar nicht mehr wirklich dran erinnern. “Setz dich erstmal.” Ihre Stimme klingt sanft und ich tue das, was sie mir gesagt hat, lasse mich auf der Treppe nieder und nehme das Glas Wasser dankend an, trinke hastig einen kleinen Schluck davon. Das ist alles diese verdammte Aufregung. Wirklich überrascht sehe ich auf, als sich meine Mutter einfach neben mich setzt, mich in ihre Arme zieht und vorsichtig beginnt über mein Haar zu streicheln. Was soll das denn jetzt? Ich meine, es ist schön, aber warum tut sie das so plötzlich? Ich verstehe es einfach nicht. Und eigentlich ist es mir egal. Sie soll einfach nur da bleiben und mich weiter festhalten. Ich brauche das jetzt einfach, auch wenn sie die letzten Wochen furchtbar zu mir war. Es ist egal… “Hab keine Angst. Es wird alles gut.” Ich vernehme ihr leises Flüstern an meinem Ohr. Sie weiß doch, wie mein Happy End aussehen würde. Heißt das, dass sie damit einverstanden ist? Überrascht sehe ich sie an. Ob ich sie fragen soll? Sie muss es doch wissen… Sie weiß es! Ohne ein Wort zu verlieren lächele ich sie einfach an, bedanke mich leise, schließe erneut meine Augen und lasse mich wieder gegen sie fallen. Nur noch ein paar Minuten und dann können wir los, nur noch kurz entspannen und wieder runter kommen. Nur noch kurz das Gefühl genießen, dass jemand für mich da ist. Sogleich, da ich das Brüllen meines Vaters höre, zucke ich zusammen, öffne meine Augenlider wieder, sehe in sein wütendes Gesicht. Sein zorniger Ausdruck gilt nicht mir, sondern meiner Mutter. Er beginnt sie zu beschimpfen, wie sie es denn wagen könnte so etwas wie mich in der Arm zu nehmen, dass ich so etwas ja nicht verdient hätte und selbst Schuld an meiner Situation bin. Ja, als hätte ich gesagt, dass ich mich in dich verlieben wollte. Aber er soll sie nicht so anschreien, sie hat doch nichts getan. Als hätte er meinen Wunsch gehört, lässt er sie in Ruhe widmet sich nun wieder mir. Seinem Lieblingsopfer. Und schon wieder knallt er mir denselben Mist gegen den Kopf. Denselben Mist wie die Wochen zuvor auch schon. Verdammt ich hab endlich begriffen, was für ein undankbarer kleiner Bastard ich doch bin. Dass ich ihn lächerlich machen würde. Dass er hofft, dass sie dich für immer wegsperren. Aber das werden sie nicht! Niemals. Entschlossen erhebe ich mich, ziehe schnell meine Schuhe über und gehe auf die Tür zu. Können wir nicht endlich fahren? Ich will mir das nicht weiter anhören müssen. Ich kenne seine Worte doch eh schon auswendig und so langsam prallen sie an mir ab. Ja, so was macht einen stärker und das kann ich für heute gebrauchen. Ich will gar nicht wissen, wie mein Vater reagieren wird, wenn er hört, dass ich nicht das sage, was er mir eingetrichtert hat. Ob er wirklich daran glaubt, dass ich das tun werde? Ehrlich gesagt ist es mir egal. Soll er doch denken was er will. Gleich werde ich ja sehen, wie er reagiert. Gleich. Gleich werden wir uns wieder sehen… Kaoru: Aufgeregt sitze ich in dem Gerichtssaal, lasse meinen Blick durch das Publikum schweifen, sofort sticht mir Daisukes rotes Haar ins Auge. Ja, ihn würde man wohl überall wieder finden, wenn er einmal verloren gegangen wäre. Allein dieses Gedanke treibt mir ein kleines Lächelnd auf meine Lippen, auch wenn ich noch immer furchtbare Angst habe, was hier passieren wird. Ich weiß nicht, wie das zu Ende gehen soll. Wie es zu Ende gehen wird, aber immerhin kann ich dich ein letztes Mal sehen, mein kleiner Engel. Ich schaue einfach weiter durch die Reihen, erkenne hier und da einiger meiner ehemaligen Kollegen, die mich abschätzig ansehen und ein leises Seufzen verlässt meine Lippen. Selbst wenn sie die Wahrheit kennen, werden sie mich weiter mit diesem verachtenden Blick ansehen. Ich kenne solche Leute doch. Für sie bin ich bereits ein reuloser Perverser und das werde ich auch immer sein. Deine Eltern sind auch hier. Ich hab deine Mutter erkannt. Sie sieht angespannt aus und dennoch lächelt sie mich kurz an, als sich unsere Blicke für einen Moment berühren. Aber warum? Ehe ich weiter darüber nachdenken kann, ertönt eine Stimme, die die Verhandlung eröffnet. Man bittet mich in den Zeugenstand. Erneut hämmert mein Herz so stark und fest gegen meinen Brustkorb, dass ich Angst habe er zerspringt gleich in tausende von Teilen. Nur langsam begebe ich mich zu dem kleinen Tisch, der vor dem Richter steht. Ich komme mir wirklich wie ein Verbrecher vor oder wie ein schlechter Schauspieler aus einem der Gerichtsshows. Aber das bin ich nicht. Keines von beiden. Ich habe nichts zu befürchten. Ich weiß, dass du die Wahrheit sagen wirst, dass du mich rausholst, dass ich keine Angst haben muss. Ich weiß es. Ich vertraue dir. Und so beantworte ich die Fragen des Richters, die er mir zu meiner Person stellt und stelle ihm meinen Werdegang dar. Ist wohl nicht ungewöhnlich, dass man sich ein Bild von dem Angeklagtem macht, um nachher besser bewerten zu können, nehme ich an. Es ist auch egal. Ich werde das tun, was sie von mir verlangen, so lange ich am Ende als freier Mann gehen darf und dich endlich wieder in meine Arme schließen kann. Eine andere Stimme ergreift das Wort. Der Staatsanwalt, der die Anklageschrift verließt. Ich will das nicht hören. Diese Unwahrheiten, die er dem Gericht präsentiert. Es ist nicht wahr. Nichts davon entspricht der Wahrheit und allmählich ballen sich meine Hände zu Fäusten. Er soll aufhören. Ich bin kein kranker Perverser, der sich an seinem Schüler vergangen hat nur weil ich dich mehr als alles andere auf dieser Welt liebe. Weil ich dich abgöttisch liebe, mein kleiner Engel. Dennoch bleibe ich ruhig. Ich werde mich gleich dazu äußern können, werde ihnen gleich sagen können, dass das so nicht wahr ist. Und tatsächlich beendet er seinen kleinen Vortrag und alle Augen werden auf mich gerichtet. Ich werde gefragt, ob ich etwas aussagen möchte, werde belehrt, dass ich zu den Vorwürfen nichts sagen muss. Ich will. Und ich werde aussagen. Seufzend lasse ich mich wieder auf den Platz nieder, wo ich schon zu Anfang gesessen hatte. Ich glaube kaum, dass mir hier irgendjemand im Saal glaubt. Ich würde mir wahrscheinlich selbst nicht glauben, wenn ich nicht wüsste, dass es wirklich so gewesen war. Mir wurden unzählige Fragen gestellt, nachdem ich mit meinen Ausführungen fertig war und im Grunde waren es dieselben Fragen, die mir mein toller damaliger Chef schon gestellt hatte. Sie spielten auf deine plötzlich besser gewordenen Noten an, auf die Nachhilfestunden. Aber daran ist doch nichts falsches zu finden. Ich habe ihnen doch gesagt, dass ich dich geliebt habe, dass ich es immer noch tue. Dass ich nur deswegen so gehandelt habe und dass du das alles wolltest. Sie glauben mir nicht. Ich weiß es. Ich habe ihren Blick gesehen. Die Blicke der anwesenden Leute. Die einzigen, die wirklich wissen, dass ich nicht gelogen habe sind deine Eltern und Daisuke und du… Ich sehe, dass du zitterst als du den Saal betrittst und dennoch schaust du dich kurz nach mir um, lächelst mich schüchtern an und auch ich schenke dir ein kurzes, warmes Lächeln. Du wirst mich hier rausholen. Nur langsam lässt du dich auf den Platz nieder, wo vor wenigen Moment ich noch gesessen hatte. Sofort beginnen sie dich zu belehren, dass du die Wahrheit sagen musst, dass eine Falschaussage vor Gericht strafbar ist. Du nickst. Du machst dich nicht strafbar. Und so beginnst auch du zu erzählen. Du sagst alles, was wir besprochen hatte, als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Eigentlich könntest du ihnen wirklich alles erzählen, weil ich mir in keinem Moment etwas zu Schulden kommen hab lassen. Vielleicht der Augenblick, als ich dich das erste Mal geküsst hatte, aber sonst habe ich nichts unrechtes getan. Und du erzählst es ihnen und ich spüre, dass es dir zunächst schwer fällt und sofort wandert mein Blick zu deinen Elter, das wutverzerrte Gesicht deines Vaters, als du allen hier erzählst, dass du das wolltest, dass du alles freiwillig getan hast und dass du mich liebst. Erneut fängt mein Herz so schnell gegen meine Brust zu schlagen an und es ist so viel angenehmer als zuvor. Ich liebe dich auch, mein Süßer. Nur aus dem Augenwinkel heraus, erkenne ich, wie sich dein Vater erhebt aus dem Gerichtssaal stürmt. Ja, so hat er sich das wahrscheinlich nicht vorgestellt. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass du dich gegen ihn stellst und für uns aussagst. Aber du tust das richtige. Sie müssen dir nur noch glauben. Erneut siehst du unsicher zu mir herüber, aber du lächelst und auch ich muss lächeln. Es ist schön dich so zu sehen. Du siehst gut aus, wie immer eigentlich. Nach weiteren Fragen wirst du entlassen. Du kannst nach Hause gehen, wenn du das möchtest, aber ich bin mir sicher, dass du warten wirst. Du willst sehen, wie sich das ganze entwickelt und ich habe Recht. Vielleicht kenne ich dich inzwischen ja doch zu gut oder du bist zu durchschaubar. Ich muss ein Kichern unterdrücken. Es ist wirklich nicht zu fassen, wie schnell du es schaffst mich glücklich zu machen und das einfach nur indem du da bist und mich anlächelst. Lächelnd sehe ich dir nach, wie du dich zu deiner Mutter ins Publikum setzt, weiter nur zu mir schaust. Eigentlich wissen sie doch jetzt alles und dennoch geht die Beweisaufnahme weiter. Nach und nach betreten weitere Zeugen den Saal, werden ebenso wie wir beide befragt. Mein ehemaliger Chef ist einer von ihnen. Aber auch er sagt nicht wirklich gegen mich aus, erzählt die Dinge aus seiner Sicht, schweigt wenn er manche Fragen nicht beantworten kann. Weitere Zeugen folgen, auch wenn es nicht mehr viele sind, zieht sich die Verhandlung und so langsam will ich hier nur noch heraus. Weg von hier. Mit dir. Endlich wird die Beweisaufnahme beendet und es kommt zu den Plädoyers beider Anwälte. Ich höre gar nicht mehr wirklich hin, kann nur noch zu dir herübersehen, immer wieder lächeln, wenn auch du zu mir hinschaust, denn anders als ich scheinst du den beiden Vorträgen genauestens zu folgen. Wozu denn? Sie sagen nichts aus, werden nichts an dem Urteil ändern. Ich kann an dieser Stelle doch eh nicht mehr eingreifen. Ich kann nur noch abwarten. Abwarten, wie sie über meine, unsere Zukunft entscheiden werden. Nochmals wird das Wort an mich gerichtet und schließlich mir überlassen. Ach ja. Aber was soll ich sonst noch sagen? Dass ich unschuldig bin? Ich hoffe, dass sie das bereits selbst gemerkt haben. Aber was sagt man denn in so einer Situation? Darüber habe ich mir wirklich keine Gedanken gemacht. Vielleicht sollte ich einfach schweigen und abwarten. Mein Blick fällt zu dir, wenn ich schon nichts sage… Doch dann fällt es mir plötzlich ein. Ja, vielleicht ist es übertrieben und einfach nur dumm, aber ich muss das einfach tun. Lächelnd sehe ich dich an. “Ich liebe dich.” Ich flüstere zwar nur, aber ich bin mir sicher, dass du es gehört hast oder es zumindest von meinen Lippen ablesen konntest. Es ist mir so egal, was die anderen von mir denken. Vielleicht war das wirklich das letzte Mal, dass ich dir das sagen konnte. Wer weiß das schon? Hoffentlich werden sie das Urteil heute schon verkünden. Nicht wie ich so oft in den Nachrichten gezeigt wird, dass Verhandlungen vertagt werden. Das würde ich wirklich nicht mehr aushalten. Weitere Tage voller Ungewissheit und ohne dich. Kyo: Ich bin so verdammt aufgeregt. Und ich habe Angst. Was ist, wenn das alles nichts gebracht hat? Wenn sie dich trotzdem für schuldig erklären? Was sollen wir denn dann machen? Ich will nicht auf dich verzichten müssen. Ich will dich bei mir haben und das für immer und das habe ich denen doch auch gesagt. Hoffentlich reißen sie uns nicht wieder auseinander. Nicht schon wieder… Endlich betreten sie den Saal wieder und ich erhebe mich, so wie alle anderen hier im Raum. Vorsichtig greife ich nach der Hand meiner Mutter, die die ganze Zeit bei mir geblieben ist. Ich weiß, dass sie nun auch für dich ist. Für uns. Und dennoch habe ich noch immer Angst. Sie sollen das Urteil endlich verlesen. Ich will endlich Gewissheit nach so langer Zeit. Wir mussten lange genug warten. Bitte lasst uns wieder zusammen sein. Nach für mich einer halben Ewigkeit beginnen sie vorzutragen, was sie entschieden haben. Warum müssen solche Leute immer so viel reden? Können sie nicht einfach sagen, ob sie uns glauben oder nicht? Ob du den Saal als freier Mann verlässt oder nicht? Ob wir uns wieder lieben dürfen… Endlich, endlich klärt er uns über unserer Zukunft auh und mit einem Mal schießen mir die Tränen in die Augen. Du bist frei. Frei. Freudentränen, die ich mal wieder nicht unterdrücken kann. Schnell presse ich mir meine Hand von meinen Mund, damit nicht noch ein Schluchzer nach außen dringt. Überglücklich sehe ich einfach nur zu dir, begegne deinem erleichterten, überglücklichen Blick. Ich glaube wir hören beide nicht mehr zu, als noch erläutert wird, warum du freigesprochen wirst, warum sie von einer Verurteilung absehen. Und wir dürfen uns wieder näher kommen. Du wirst nicht mehr dafür bestraft, wenn du näher als 100 Meter an mich heran kommst. Pass auf, denn dann lasse ich dich sicher nie wieder gehen. Nie wieder. Die Verhandlung wird geschlossen und wir alle verlassen den Saal. Überglücklich gehe ich mit meiner Mutter mit, lasse auch endlich ihre Hand los und lächele sie an. Ich bin ihr so dankbar, dass sie mich versteht, dass sie das doch noch okay findet und dass sie mich unterstützt. Natürlich kommst du nicht sofort raus. Da gibt sicher noch einiges an Formalitäten zu klären, aber das macht nichts. Ich warte auf dich. Ich konnte diese ganzen letzten Wochen warten, also schaffe ich wohl noch diese paar Minuten. “Du hast lang nicht mehr so glücklich ausgesehen.” Nein, habe ich wirklich nicht. Da hat sie Recht. “Die letzten Wochen waren auch nicht besonders schön.” Sie nickt nur und ich weiß, dass er ihr Leid tut. Dass sie das alles nicht gewollt hatte. Wahrscheinlich hatte sie einfach nur Angst vor meinem Vater, immerhin habe ich mittlerweile gemerkt, wie aufbrausend und wütend er werden kann. Was mich wohl erwarten wird, wenn ich nach Hause komme? Er wird das niemals akzeptieren können. “Tooru? Das mit deinem Dad. Das bekommen wir schon hin. Mach dir da mal keine Sorgen.” Wieso schafft sie es heute eigentlich immer wieder mich zum Lächeln zu bringen? Das ist doch nicht normal. Aber heute ist ja auch kein normaler Tag. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir zusammen sein dürfen. Für immer… “Danke…” Ich will mich wirklich bei ihr bedanken, ihr sagen, wie froh ich bin, dass sie auf meiner Seite steht, dass sie wieder für mich da ist. Und das werde ich auch noch! Dennoch stürme ich einfach los, als ich endlich sehe, wie du aus dem Saal trittst, dich bereits suchend umschaust. Im nächsten Augenblick liege ich einfach in deinen Armen kuschele mich weiter an dich, atme deinen wunderschönen Duft ein. Lass mich nie wieder los. Die anderen können mit uns machen, was sie wollen, aber bitte lasst uns einfach zusammen sein. “Ich liebe dich auch.” Ja ich musste doch noch drauf antworten. Dazu hatte ich eben keine Gelegenheit mehr, immerhin galt dem Angeklagten das letzte Wort. Lächelnd schaue ich zu dir auf und sofort spüre ich deine herrlich weichen Lippen auf meinen. Es tut so gut, dich endlich wieder so nah bei mir spüren zu können. So verdammt gut… Ich weiß nicht, wie lange wir dort gestanden und uns einfach nur geküsst und festgehalten haben. Und dennoch musstest du den Kuss lösen, sahst mich an. Und mit einem Mal war das Lächeln aus meinem Gesicht verschwunden, als ich in deine traurigen Augen sah. “Kyo. Ich kann nicht hier bleiben.” es handelt sich dabei um ein deutsches Gericht, ebenso die Schulzeiten… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)