Aus Summen kürzen nur die Dummen von Yusuke ================================================================================ Kapitel 10: ------------ Die kleinen, viel zu hellen Sonnenstrahlen, die vereinzelt durch das Glas des Fensters brechen, kitzeln sanft auf meiner Haut, welche mich allmählich aus meinem Dämmerschlaf wecken. Noch fünf Minuten… Mit diesem Gedanken drehe ich mich um, entziehe mich dem störenden Licht der Morgensonne, hin zu dir. Ich weiß, dass ich dich sehen werde, wenn ich meine Augen öffne und allein das reicht aus, um mir ein kleines Lächeln auf meine Lippen zu zaubern. Glücklich kuschele ich mich näher an meine Decke, robbe in ihr umschlungen etwas weiter auf deine Seite des Bettes zu. Wie weit weg liegst du denn? Wirklich Lust meine Augen zu öffnen habe ich dennoch nicht und so lasse ich meine Finger über die Matratze gleiten, suche deinen warmen Körper, an den ich mich lehnen kann. Immer weiter strecke ich meinen Arm aus, wandere über das weiße Laken, doch meine Suche bleibt erfolglos. Erst als ich das raue Holz deines Nachttisches unter meinen Fingerkuppen spüre, hebe ich meine Augenlider. Du bist nicht hier. Mein Körper liegt halb auf deiner Bettseite, meine Finger noch immer auf dem kleinen Holztisch. Dabei wollte ich doch neben dir aufwachen, du solltest doch das sein, was ich heute als erstes sehen würde, was ich als erstes spüren sollte und nicht diesen blöden Miniaturschrank. Übertrieben schnell und angewidert ziehe ich meine Hand zurück, ziehe dein Kissen zu mir und bette meinen Kopf auf dieses. Quer über dem Bett liegend, verweile ich so, drücke mein Gesicht in den weichen Stoff, atme deinen Duft ein, meine Augen wieder fest geschlossen. Nur entfernt nehme ich wahr, wie sich die Tür öffnet und wieder schließt. Ein leichter Druck auf der Matratze. Finger, die sanft durch mein Haar streichen. Verschlafen blicke ich zu dir auf, erkenne das leichte Lächeln, das du mir schenkst, als du dich zu mir beugst, sanft meine Lippen küsst. “Frühstück ist fertig, Süßer.” Leise hauchst du mir diese Worte in mein Ohr und schon setzt du dich wieder auf, willst dich erheben. Jetzt geh doch nicht gleich wieder. Schmollend greife ich nach deiner Hand, ziehe dich zu mir zurück, rücke selbst wieder etwas auf meine Seite, um dir Platz zu machen. Schnell legst du dich zu mir, schaust mich an, während ich mich an dich kuschele. “Mein Kaffee wird kalt.” “Ich mach’ dir neuen.” Zaghaft legst du deine Arme um mich, setzt einen kleinen Kuss auf meine Stirn. “Du kannst doch nicht so lange schlafen.” Lächelnd ziehe ich die Decke über uns, lehne meinen Kopf an deine Brust und schließe erneut meine Augen, genieße deine Wärme, die Berührung deiner Finger, die sanft über mein Haar und meinen Rücken streichen. “Noch fünf Minuten.” Aus den “fünf Minuten” sind letztendlich noch anderthalb Stunden geworden, aber da kann ich ja nichts dazu. Dein Bett ist einfach zu weich, deine Decke zu kuschelig und deine Nähe einfach nur wunderschön. Naja und dass ich dann eingeschlafen bin, tat sein Übriges . Du wolltest mich nicht wecken und von allein wach’ ich eben nicht so schnell wieder auf. Irgendwann hast du es dann doch über dich gebracht und mich sanft aus meinem Schlaf geholt. Natürlich war dein Kaffee kalt geworden. Und wie versprochen, hatte ich dir einen Neuen gemacht oder doch eher versucht. Ergebnis war dann eine kaputte Kaffeemaschine und eine Küche, die ein ganz klein wenig den Geruch von Verbranntem angenommen hatte. Woher soll ich den auch wissen, dass es ein Minimum an Wasser gibt, das eingefüllt werden muss? Ich trinke eben keinen Kaffee. Auf jeden Fall sind die kleinen Heizröhrchen jetzt schwarz und ich würde mal behaupten, dass die paar Tröpfchen Kaffee, die doch noch in deiner Tasse angekommen sind, ungenießbar sind. Ich hätte das ja auch alles wieder aufgeräumt und deinen Kaffeeautomaten auch bezahlt, wenn du mich gelassen hättest, stattdessen hast du mich einfach zu dir gezogen und mich fest an dich gedrückt, nur um zu verhindern, dass ich das Ding anfasse und noch einen Stromschlag oder so was bekomme. Oh Mann, man merkt wirklich immer wieder, dass Mathematik und Physik deine Fächer sind. Eigentlich ist das ja ganz süß von dir, aber andererseits musst du mir ja einiges zutrauen, wenn du denkst, dass ich meine kleinen Patschhändchen jetzt in den Wasserbehälter stecke. Irgendwann lässt du mich dann los, ziehst den Stecker aus der Steckdose und räumst die stinkende Maschine weg. Als hätte ich das nicht machen können. Schmollend sitze ich auf meinem Platz, schaue dir dabei zu, bis du endlich fertig bist und dich wieder mir zuwendest, mich fragend ansiehst. Was ich habe? Mein Freund hält mich für total bescheuert. Das ist los. “Ich hätte das auch aufräumen können.” “Du bist mein Gast.” Lächelnd setzt du dich mir gegenüber. Ja, super Ausrede. Klasse. “Du hast echt gedacht, dass ich da reinfasse.” Seufzend schüttelst du kurz deinen Kopf. Jetzt tu doch nicht so. Ich weiß genau, was du gedacht hast. “Komm her.” Eigentlich sollte ich das nicht tun, immerhin bin ich ja sauer auf dich, aber ich kann nichts dagegen machen, schon stehe ich vor dir, sehe dich an. Lächelnd ziehst du mich zu dir und ich falle auf deinen Schoß, spüre deine Arme, die du um mich gelegt hast, deinen Kopf, der auf meiner Schulter liegt. “Ich hab einfach nur verdammte Angst, dich zu verlieren.” Ich brauche einen Moment bis deine gehauchten Worte bei mir ankommen und sofort fühle ich die Wärme, die durch meinen Körper wandert, als ich ihre Bedeutung verstehe. Ich drehe meinen Kopf zu dir, sehe dich für einen kurzen Moment an, ehe ich mich einfach gegen dich lehne. “Und wir haben noch immer nicht gefrühstückt.” Etwas zustimmendes murmelnd sehe ich auf, als ein Brötchen auch schon unaufhörlich gegen meine Lippen tippt. Ich hab gar keinen Hunger. Grummelnd drehe ich mich weg, doch mein Feind klopf weiter unermüdlich gegen meine Wange. “Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit am Tag.” “Ich hab a-” Und schon habe ich den gebackenen Teigklumpen in meinem Mund und beiße Augen rollend hinein, immerhin ist sogar süße Erdbeermarmelade drauf und die schmeckt richtig gut. Aber ich habe ja sowieso eine Schwäche für alles, dass ein klein wenig süß schmeckt. Eigentlich ist es ein Wunder, dass ich kein Übergewicht und extrem schlechte Zähne hab. Irgendwomit musste ich ja auch Glück gehabt haben. Kurz schaue ich bei diesem Gedanken zu dir auf, lächele dich lieb an. Ich bin so verdammt froh, dass ich dich hab und dass ich immer neue Seiten an dir kennen lernen darf. Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass du auf europäisches Essen stehst, genau wie ich, wie ich vor wenigen Minuten festgestellt habe. Grinsend öffne ich meine Lippen, lasse mich von dir füttern, bis das Brötchen gänzlich verschwunden ist. “Warst du extra schon Frühstück holen?” Verwirrt siehst du mich an, ehe du leise zu lachen beginnst und auf deine Klamotten deutest. “Im Schlafdress und mit ungestylten Haaren?” “Wenn ich morgens rausgehe, dann immer so, also in meiner Jogginghose.” “Kannst du dir ja auch erlauben, obwohl die Jogginghose muss nicht sein und keine Marmelade im Gesicht.” Irritiert sehe ich dich an, als ich deine Zunge spüre, die sanft über meinen Mundwinkel streicht, kichernd drehe ich mein Gesicht weiter zu dir, fühle deine feuchte Zunge auf meinen Lippen. Genüsslich schließe ich meine Augen, öffne meine Lippen, locke dich in meine Mundhöhle. Du folgst meiner Aufforderung, lässt deine Zunge zwischen meine Lippen gleiten und ich spüre den süßen Geschmack, der meinen Gaumen sanft streichelt. Bis du dich wieder von mir löst, dennoch weiter über meinen Rücken streichst. “Hast du zu Hause angerufen?” Ach ja, ich muss ja wieder nach Hause. Seufzend schüttele ich meinen Kopf. “Mum ist eh daheim.” Ich will nicht zurück. “Hey wir haben noch ein paar Stunden” “Das ist zu wenig!” Schmollend sehe ich dich an, du nickst nur, ändern kannst du ja eh nichts. “Ich hab vorhin mal nachgeschaut. Stau. Das heißt, dass wir ruhig ein wenig später ankommen können.” Na immerhin. Lächelnd lehne ich mich erneut gegen dich. Du gibst dir ja Mühe, nur damit ich glücklich bin. “Und was machen wir heute noch?” Ich überlege für einen kurzen Moment, ehe ich zu lächeln beginne. “Hier bleiben. Wenn wir weggehen, dann musst du deine Haare ja stylen und das dauert mir zu lange.” Nur blöd, dass du mich nach Hause fahren und du dich deswegen wohl oder übel nach draußen bewegen und du natürlich erstmal deine Haare zurecht machen musst. Fast eine ganze Stunde habe ich auf dem Badewannenrand gesessen und dir zugesehen. Unglaublich, wie vertieft und abwesend du sein kannst. Nicht einmal, als ich mich hinter dich gestellt hab und meine Arme um dich gelegt habe, hast du deinen Blick von dem Spiegel und somit deiner Frisur, an der du weiter feiltest, genommen. Sogar, als ich meine Finger unter dein Shirt gleiten ließ und begann sanft über deinen Bauch zu streicheln, galt deine Aufmerksamkeit weiter deiner Haarpracht. Seufzend ließ ich von dir ab, begab mich zurück auf meinen Platz, dort, wo ich nicht störe, dem Badewannenrand. Mittlerweile sitze ich neben dir in deinem Auto auf dem Weg zu mir nach Hause. “Alles okay?” “Nein.” Wie könnte denn alles okay sein? Deine Haare sind dir schließlich viel wichtiger, als ich es bin. Überrascht siehst du mich an. “Hey. Länger kannst du wirklich nicht bleiben. Ich hätte dich auch viel lieber bei mir, aber wenn wir davon ausgehen, dass wir um zwölf Uhr losgefahren sind und den Stau dazu rechnen, dann…” “Darum geht es doch gar nicht.” “Nicht?” Immer wieder wirfst du mir kleine Blicke zu, ehe du deine Augen wieder auf die Straße richtest. “Eben hätten wir noch eine Stunde gehabt, die wir Dank deinen Haaren im Badezimmer verbracht haben und du hast mich vollkommen ignoriert.” Ich höre das leise Seufzen, das deinen Lippen entflieht, ehe deine Stimme folgt. “Tut mir Leid, aber das ist mir eben wichtig, gepflegt auszusehen. Kann ja nicht jeder immer gut aussehen, so wie du.” Gerade will ich dir widersprechen, als ich auch schon wieder verstumme. So ein plumpes Kompliment und dennoch färben sich meine Wangen leicht rötlich, zaubert mir ein kleines Lächeln auf meine Lippen. “Hmm? Wieder gut?” “Jaa…” Ich sehe dein Grinsen, drehe mich schnell weg. Ich hasse es, rot zu werden. Das ist einfach nur peinlich. Danach haben wir einige Straßen vor meinem zu Hause angehalten und du hattest mich angesehen und ich schaute zurück, direkt in deine schönen, dunklen Augen. Warum wir angehalten haben, wollte ich fragen, doch ich traute mich nicht, meine Stimme zu erheben, hatte Angst den Moment zu zerstören, als du deine Hand nach mir ausstrecktest, sanft über meine Wange zu streichen begannst und ich meine Augen schloss. Ob dir in diesem Moment bewusst geworden ist, dass die Zeit, in der wir so lange beieinander sein konnten, vorbei ist? Obwohl wir uns doch jeden Tag sehen werden… Umgeben von 25 weiteren Schülern. Bevor ich meine Augen wieder öffnen konnte, nahm ich deinen leisen Atem an meinem Gesicht war, spürte das Kribbeln, das über meine Haut zu wandern schien, bis deine Lippen die Meinigen berührten und du mich liebevoll geküsst hast. Deine weichen Finger lagen unter meinem Kinn, drehten mich sanft zu dir. Ich glaube, dass dies der schönste Kuss war, den du mir bisher geschenkt hattest. Gut, der Ort hätte ein anderer sein können, aber das ist doch auch nicht wirklich wichtig. Zum ersten Mal habe ich gespürt, dass du mich wirklich liebst. Nicht, dass ich daran je gezweifelt hätte, aber ich meine es gespürt zu haben, ein wunderschönes Gefühl. Und noch bevor sich unsere Lippen voneinander trennen, spüre ich die nasse Spur, die sich ihren Weg über mein Gesicht bahnt. Sofort löst du dich von mir, als du die salzigen Tränen auch auf deinem Gesicht spürst. Entschuldigend sehe ich dich an. Jetzt hab ich den Moment doch kaputt gemacht und dennoch lächelst du mich weiter an, wischt mir meine Tränen von meinen Wangen, ehe ich nach deiner Hand greife, sie fest in meiner halte. Immer noch sehe ich in deine Augen. “Die letzten Tage waren schön.” “Ja, sehr.” Und da ist noch eine Sache, die mich interessiert. Ob ich fragen soll? “Bist du wegen mir mitgekommen oder wärest du das auch so?” Ich meine natürlich den widerlichen Ausflug mit meiner Klasse. “Als ob meine Haare und ich freiwillig auf einen Campingplatz ziehen würden. Reicht das als Beweis dafür, dass du mir wichtiger bist, als meine Haare?” Das war vor ziemlich genau einer Stunde. Nun sitze ich wieder zu Hause, alleine in meinem Zimmer, auf meinem Bett herum. Mein Mathebuch liegt aufgeschlagen neben mir, dennoch habe ich noch keinen Blick herein geworfen, obwohl ich es doch versprochen hatte. Ich weiß ja, dass ich für die Matheklausur lernen sollte, aber ich hab einfach keine Lust. Außerdem muss ich immer wieder an die Zeit mit dir denken. Ich vermisse sie jetzt schon und dich. Und ich hasse es, dass wir unsere Liebe verstecken müssen. Wie gern hätte ich dich zum Abschied noch mal geküsst, aber vor meiner Mum ging das ja schlecht. Oh nein. Bloß nicht wieder daran denken. Wie verdammt peinlich das war. Ich meine, wie kann meine Mutter bitte anfangen mit dir, meinem Freund -okay, das weiß sie nicht und es sei ihr verziehen- und Lehrer -und das weiß sie sehr wohl- zu flirten? Wie verdammt peinlich ist denn das bitteschön? Und ich stand auch noch direkt daneben! Natürlich mal wieder mit einem knallrotem Gesicht und du mit einem breiten, amüsierten Grinsen auf den Lippen. Schön, dass wenigstens einer seinen Spaß hatte. Bis meine Mum auf die glorreiche Idee gekommen war, dich zum Abendessen einzuladen. Hallo? Was soll das denn werden? Ein heimliches “Mum, ich stell dir meinen Freund vor?” Andererseits war es schon komisch, dir zuzusehen, wie du dir tausende von Ausreden hast einfallen lassen. Kann ich dir auch nicht verübeln, würde ich auch nicht wollen, wenn sie nicht meine Mum wäre. Also quasi deine. Dann wären wir ja Brüder.. Oh je~ was denke ich hier eigentlich? Vielleicht sollte ich doch anfangen zu lernen, obwohl dabei wahrscheinlich auch keine sinnvolleren Gedankengänge zu Stande kommen würden. Egal, schaden kann es ja nicht. Also auf in den Kampf. Mensch gegen Mathebuch. Es sei kurz anzumerken, dass das Mathebuch gewonnen hatte oder zumindest sein böser Verbündeter, die Matheklausur. Jetzt habe ich dich seit ganzen sechs Tagen nicht mehr gesehen. Gut, am Montag bist du in der Schule gewesen, um deine Matheklausur zu schreiben, aber das zählt nicht. Immerhin musste ich dich mit 25 anderen Schülern teilen. Nicht wirklich teilen, aber ein ganz klein wenig störend waren sie schon. Hoffentlich hat keiner gemerkt, dass ich dich die ganze Zeit angestarrt hatte, als alle in ihre Aufgaben vertieft waren. Und selbst wenn hätten sie dies doch als perfekte Chance nutzen können, um irgendwo abschreiben zu können und es ist mir total egal gewesen. Sollen sie doch, so lange ich dein hübsches Gesicht ansehen konnte, wie dein Blick konzentriert auf das Blatt vor dir gerichtet war und gleich rüber zu dem deines Nachbars wanderte. Ob ich dich hätte ermahnen sollen? Warum denn auch. Du hast doch gelernt, zumindest in der vorletzten Woche haben wir das zusammen getan und in deinen anderen Fächern bist du ja auch überall gut. Wieso sollte ich dir diese Note jetzt versauen? Es liegt ja nicht wirklich an dir, wenn du das einfach nicht verstehst. Und jetzt ist das eh egal. Ich hab es zugelassen, dass du die Lösungen deines Nachbars in dein Heft geschrieben hattest. Was dabei heraus gekommen ist, weiß ich immer noch nicht. Zwar kontrolliere ich die Klausuren schon seit Montag, aber an deine hab ich mich einfach noch nicht herangetraut. Vielleicht, weil mir dann wieder mehr bewusst wird, was für eine Beziehung wir eigentlich haben sollten? Die zwischen einem Lehrer und einem Schüler, mehr nicht. Ich sollte weiter machen. Schon wieder sind meine Gedanken einfach wieder zu dir herüber gewandert, obwohl ich doch versprochen hatte, die Klausuren morgen wieder zurück zu geben. Also sollte ich auch etwas dafür tun, dass ich fertig werde. Gerade schaffe ich es meinen Blick und meine Konzentration wieder auf das Heft in meinen Händen zu richten, als mich meine schrille Türklingel schon wieder ablenkt. Irgendwer will einfach nicht, dass ich das heute fertig bekomme. Ich kann überhaupt nichts dafür. Seufzend erhebe ich mich von meinem Sofa, schlendere zur Tür und frage mich, wer schon wieder was von mir will. Erstaunt sehe ich meinen besten Freund an, als ich die Tür öffne. “Was willst du denn hier?” “Du klingst ja mal wieder begeistert, mich zu sehen.” Ich bin eben gerade nicht gut drauf. Ich gehe einen Schritt zur Seite, lasse ihn so eintreten und schließe die Tür gleich wieder hinter mir. “Tut mir Leid. Hab mich nur gefragt, was du hier machst.” “Darf ich dich nicht einfach besuchen kommen?” Schmollend sieht er mich an. Ich weiß doch eh, dass er mir gleich sagt, warum er wirklich da ist. “Das hast du in den letzten Wochen aber ziemlich vernachlässigt. Also sag schon. Hast du wieder was angestellt?” Schnell schüttelt er seinen Kopf. Na immerhin, muss ich ihm jetzt nicht wieder aus irgendeinem Schlamassel helfen. “Schreibst du morgen irgendwelche Prüfungen und hast keine Lust zu lernen?” Kurzes Schulterzucken seinerseits, ehe er beginnt sich die einzelnen Räume anzusehen. Stimmt ja, er war ja noch nie hier. “Schicke Bude.” “Jap. Woher weißt du eigentlich meine Adresse?” “Telefonbuch.” Ja, das macht eindeutig Sinn. “Naja, wenn du eh schon hier bist, dann kannst du mir ja helfen.” Das sind Matheaufgaben aus der elften Klasse, das wird er ja wohl auch noch hinbekommen. Seufzend schiebe ich ihn in mein Wohnzimmer, setzte mich wieder auf die Couch und schnappe mir das Heft, an dem ich eben schon gesessen hatte. “Wenn du was trinken willst, du weißt wo alles ist.” Nein, weiß er nicht, aber dann soll er halt suchen. Ich muss das jetzt fertig machen. Tatsächlich erhebt er sich, verschwindet aus dem Raum und kehrt nach einigen Minuten mit zwei Gläsern Limonade zurück, stellt eines vor mich auf den Tisch, ehe er nach einem der Hefte greift, die ebenfalls auf meinem Holztisch liegen. Also will er mir doch helfen. Leise beginnt er den Namen, der vorne auf dem Heft steht, zu lesen. “Nishimura, Tooru - Schöner Name.” Und noch bevor er die Seiten des Heftes einsehen kann, reiße ich es ihm aus der Hand. “Das mach ich.” Kurz sieht er mich irritiert an, als sich auch schon ein Grinsen auf seine Lippen schleicht. “Ist das der Schüler, den du geküsst hast? Und jetzt erpresst der dich, damit er gute Noten bekommt und du deinen Job nicht verlierst?” Ja, Nein, Nein. Schnell schüttele ich meinen Kopf. Er soll nicht so von dir denken. Und es ist ja auch gar nicht so, wie er denkt. “Aha und warum willst du das dann unbedingt nachsehen?” Leise seufze ich. Wieso nur, komme ich früher oder später immer wieder auf dich zu sprechen oder muss an dich denken? “Ja ist der Schüler, aber er erpresst mich nicht. Er ist wirklich ziemlich gut in der Schule, bis auf Mathe. Ich will nicht, dass er sich seinen Schnitt versaut.” Was starrt der mich auch schon wieder so skeptisch an? “Was denn?” “Was genau hast du denn jetzt vor?” Ja… Was hab ich eigentlich vor? Was mach ich eigentlich, wenn dein Ergebnis wirklich nicht gut ist? Aber vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht und vielleicht hat das Lernen ja geholfen oder du konntest wirklich genug bei deinem Nachbarn abschreiben. Nein, konntest du nicht. Und du hast schon wieder aus der Summe gekürzt. Ich dreh noch durch. Du hast wirklich alles falsch. Nein warte, du hast die Aufgaben richtig abgeschrieben. Darf ich dafür Punkte vergeben? Seufzend lehne ich mich zurück, starre weiter in dein Heft. Was soll ich denn jetzt damit machen? “Und?” Ach ja. Daisuke ist ja auch noch da. Kurz sehe ich ihn an, ehe ich schon wieder ein lautes Seufzen von mir gebe. “Er hat alles falsch.” “Durchgefallen, würde ich sagen.” Wieso sagt er das jetzt so fröhlich? Sieht er nicht, dass mich das gerade alles andere als glücklich macht? Grummelnd suche ich nach einem leeren Blatt Papier, drücke dieses meinem besten Freund in die Hand. “Schreib mal paar Zahlen auf.” “Warum?” “Mach doch einfach.” Verwirrt schreibt er tatsächlich einige Ziffern auf sein Papier, das ich schnell wieder an mich nehme, mit deinen Zahlen vergleiche. Irgendwo muss ich doch noch ein leeres Heft liegen haben und tatsächlich finde ich eins in meinem Arbeitszimmer, das ich eh nicht benutze. Glücklich gehe ich zurück, lege das Heft und deines vor Daisuke. “Du schreibst auf, was ich sage und die Zahlen sollten ungefähr so aussehen wie die von Kyo.” Dein Blick strahlt vor Verwirrung. “Fälscht du gerade die Klausur? Und warum nennst du den Kyo?” “Im Moment fälscht du die und wenn du fertig bist, dann erklär ich dir das meinetwegen.” Daisuke nickt seufzend, ehe ich beginne ihm die Ziffern zu diktieren und er fleißig beginnt sie in das leere Heft zu schreiben. Was tue ich da eigentlich? “Ich kann nicht mehr. Meine Hand fällt mir gleich ab.” Seufzend und pseudodramatisch lässt er seinen Kugelschreiber fallen, wie ein nach Ehre lechzender Held sein blutiges Schwert niederfallen lässt, den aussichtslosen Kampf gegen den speienden Drachen aufgibt. Oder so ähnlich. Ein Glück, dass er die letzte Aufgabe schon niedergeschrieben hattest. “Übertreib mal nicht. Du musstest dabei nicht einmal nachdenken, nur stumpf das aufschreiben, was ich dir gesagt hab.” “Davon tut mir meine Hand aber trotzdem weh.” Ich bin mir sicher, dass er das überleben wird. Zufrieden greife ich nach dem Heft, besehe mir Daisukes Einträge. Doch, die Zahlen hat er gut hinbekommen, sehen genau so aus, wie deine oder zumindest sehr, sehr ähnlich und das reicht auch. “Hast du gut gemacht.” “Wow! Ein Lob vom Perfektionisten. Dankeschön.” “Apropos Perfektionist! Der Name fehlt vorne.” Seufzend werfe ich ihm das Heft auf den Tisch und tatsächlich überträgt er auch noch deinen Namen auf das vor ihm liegende freie Namensfeld. Braves Daidai! Erwartungsvoll sieht er mich an. “Was denn?” “Du wolltest mir noch was erzählen.” “Wollte ich nicht.” “Ich aber!” “Dann erzähl!” “Ich will, dass du es mir erzählst.” Das habe ich versprochen, oder? Aber andererseits hab ich ja, was ich brauche, aber eigentlich halte ich meine Versprechen und Daisuke wird mich eh so lange bearbeiten, bis er weiß, was er wissen will. Wenn er so engagiert mal an sein Studium gehen würde. “Was willst du denn wissen?” “Warum du die Klausur für den fälscht?” “Ich will nicht, dass er sich dadurch seinen Schnitt versaut.” Habe ich das nicht eben schon mal gesagt? “Und das machst du jetzt bei jedem so, oder wie?” Sag mal, macht er das extra oder versteht er das wirklich nicht? “Verdammt! Weil ich ihn liebe.” “Immer noch?” “Natürlich immer noch!” “Ich dachte, dass das nur eine Phase war.” Tja, falsch gedacht! “Tut mir Leid.” Ich seufze erneut, schüttele den Kopf. Ich brauche kein Mitleid. Eigentlich ist doch alles gut, immerhin bin ich mir dir zusammen, mit der Person, die ich liebe. “Er liebt mich auch.” Warum erzähle ich das eigentlich? Sollte es nicht unser Geheimnis bleiben? Und warum erzähle ich es ausgerechnet ihm. Ich weiß doch genau, wie er reagieren wird. Gleich versucht er mir wieder ins Gewissen zu reden… “Und das heißt jetzt was?” … wenn er es verstanden hat. “Wir sind zusammen und versuch erst gar nicht, mir irgendwas ausreden zu wollen. Ich werde ihn eh nicht verlassen, also kannst du dir das gleich sparen.” Ich will es einfach nicht hören, wie falsch unsere Beziehung ist. Dass es verboten ist. Wie kann es denn überhaupt falsch sein, wenn wir uns lieben und wir glücklich sind? Zumindest, wenn wir uns sehen können und der Grund dafür, dass wir das eben nicht können, wie jeder andere, ist doch die Schuld unserer verdammten Gesellschaft. Was soll’s. Es ändert sich ja doch nichts. Entschlossen schaue ich wieder zu meinem besten Freund, der mich ebenfalls ansieht, jedoch nichts sagt, einfach nur nickt. Ob er mich wirklich versteht? “Vielleicht solltest du mal weiter machen, wenn du die morgen wieder zurückgeben willst.” Grinsend wedelt er mit einem der Hefte vor meiner Nase herum. Seufzend greife ich danach. Na dann, los. “Du, Kyo? Du schuldest mir doch noch ein Eis, ne?” Tu ich das? Ach ja, stimmt! Unser monatlicher Wer-kriegt-die-meisten-Sprüche-reingedrückt-Kontest. Eigentlich habe ja ich gewonnen. 31:46 Das sind ganze 15 Punkte mehr, aber nein die Zeit unseres Klassenausfluges zählt ja nicht, weil Herr Ich-muss-ja-die-Grippe-bekommen-wenn-wir-Ausflug-haben-obwohl-das-Kyos-Plan-war ja leider nicht die Gelegenheit hatte, Punkte zu sammeln. Der Arme aber auch. Eine ganze Woche allein zu Hause, anstatt auf einem wunderschönen, vor Luxus nur so strotzenden Campingplatz einen Spruch nach dem anderen an den Kopf geknallt zu bekommen. Aber eigentlich war es doch ganz gut, dass er nicht dabei war. Sonst hätte ich nicht so viel Zeit mit dir verbringen, geschweige denn in deinem Zelt schlafen können. Aber das weiß er ja nicht, deswegen könnte er mir doch eigentlich ein Eis gönnen, immerhin hat er mich hängen lassen. “Ja.” “Ich verzichte auf mein Eis und du lernst stattdessen mit mir die alten Kanji für den Test. Du kommst doch aus Kyoto. Ihr habt das da doch alle voll drauf.” “Meinetwegen. Wann denn?” “Heute?” “Hab eh nichts vor.” Gerade wollte ich noch nach der Uhrzeit fragen, als die Klingel andeutet, dass der Unterricht beginnt. “Jetzt gibt’s die Klausuren wieder.” “Ja wunderbar.” “Ich hab eine drei.”[*] Ungläubig sehe ich in mein Heft und noch ungläubiger sieht Shinyas Gesichtsausdruck aus, als er sich zu mir beugt und auf die Heftseite mit der Zensierung starrt. “Wie hast du das denn gemacht?” Ja, gute Frage. Wie hab ich das gemacht? Die war doch total mies gewesen, als ich sie geschrieben hab. Ich hatte doch keine einzige sinnvolle Lösung. Obwohl mittlerweile sehen die Lösungen in meinem Heft gar nicht mal so schlecht aus. Mehr als verwirrt packe ich meine Klausur in meine Tasche, als du die Stunde beendest, nachdem du mit uns die Aufgaben durchgegangen bist und es klingelt. Ich warte, bis alle verschwunden sind, ehe ich zu dir schreite, dich anlächle. “Hey.” “Na? Zufrieden?” Schnell nicke ich. Klar bin ich zufrieden. Ich hab eine drei in Mathematik. Das hatte ich seit der Grundschule nicht mehr. Ich sehe dich immer noch überglücklich an, doch du seufzt leise. Wieso nur? Doch als ich nachfrage, winkst du nur ab. “Hast du heute ein wenig Zeit für mich?” “Für dich doch immer.” Ich lächele dich noch mal an. Also werden wir uns nach fast einer Woche endlich mal wieder sehen. Nur wir beide. Allein. [*]nach dem deutschen Notensystem Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)