Aus Summen kürzen nur die Dummen von Yusuke ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Geschockt lausche ich dem zirpenden Geräusch, das durch das Aufziehen des Reißverschlusses ausgelöst wird. Stechend hallt es in meinen Ohren wieder, vermischt sich mit deinem leisen Ein und Ausatmen. Entsetzt sieht sie uns an. Schaut auf dich, fixiert mich. Ihre Augen weiten sich. Sie zieht uns sie schützende Decke weg, entblößt unsere aneinander geschmiegten Körper. Sie schreit, brüllt dich an. Du schläfst. Wütend zerrt sie dich aus meiner Umarmung, aus meinem Zelt, weg von mir. Fordernd schaut sie mich an, erwartet meine Antwort, Ausrede, Rechtfertigung. Mein Kopf spielt mir dieses Horrorszenario vor, während ich das Licht beobachte, das langsam beginnt, durch den immer größer werdenden Spalt des Zeltes zu fallen. Verzweifelt drücke ich mich näher an dich, hoffe, dass unsere Körper unter der Decke, wie einer erscheinen. Ich schnappe nach meinem Kissen, lege es behutsam auf deinen Kopf. Dein Gesicht schaut schlafend zu mir, so dass du noch gut atmen kannst, mit dem Kissen auf dir. Ich stütze mich leicht von Zeltboden ab, beuge mich etwas über dich, um deine unterbewussten Bewegungen im Schlaf verstecken zu können. Lächelnd schaut mich ein zu stark geschminktes Gesicht an. “Guten Morgen.” Ihre viel zu hohe Stimme dringt schmerzhaft in mein Ohr. Wehe sie weckt dich. “Morgen.” Ich versuche nicht mal zu verbergen, wie genervt ich, über das Eindringen in meine Privatsphäre bin. Meine Worte gleichen einem dunklen Brummen, doch sie scheint dies gar nicht mitzubekommen. “Ich wollte nur Bescheid sagen, dass wir uns gleich treffen um den Tag zu besprechen. Also um neun Uhr am Lagefeuerplatz.” Schön. Hätte sie das nicht gestern sagen können? “Ja.” Langsam spüre ich, wie die Wut in mir hoch kocht, warum grinst sie mich immer noch so blöd an? Verschwinde. Und dann spüre ich, wie du dich leicht neben mir bewegst. Oh nein. Wach jetzt bitte nicht auf. “Ist noch was?” Endlich scheint sie zu bemerken, dass sie gerade stört und sie verschwinden soll. Sie schaut irritiert. Ich will gerade ansetzen, mich zu erklären, ihr zu sagen, dass ich schlecht geschlafen hätte und mich zu entschuldigen, als sie panisch und verwirrt zugleich auf mein Kissen deutet. “Das Kissen hat sich bewegt.” Ihre Stimme scheint sich um einen weiteren Ton erhöht zu haben. Geschockt schaue ich auf das Kissen, vernehme wieder das leise grummelnde Geräusch, das von dir kommt, spüre wie du dich erneut neben mir bewegst. Ich wende mich ihr wieder zu, suche zeitgleich nach irgendwelchen Ausreden. Sehe wie sie in mein Zelt krabbelt, ihre Hand nach dem Stoff, der auf dir liegt, ausstreckt. Schell lege ich meine Hand auf dich. “Ist bestimmt wieder eine Ratte. Hier war gestern schon eine.” Verdammt. Was für eine bescheuerte Erklärung. Als hätte die ganze Nacht ein Nager unter meinem Bettzeug gelegen. Doch ich sehe, wie sich ihre Augen weiten, sie panisch rücklings aus dem Zelt stolpert. “Ratten!” Ihre Schreie hallen über den gesamten Zeltplatz. Wie naiv diese Frau ist. Und geweckt hat sie jetzt auch alle. Wie sollst du jetzt ungesehen aus dem Zelt kommen? Darüber kann ich mir gleich noch Gedanken machen. Erleichtert ziehe ich den Reißverschluss wieder runter, krabbele zu dir, nehme vorsichtig das Kopfkissen von dir und schaue direkt in deine braunen, angsterfüllten Augen. Ich strecke meine Hand nach dir aus, streiche zärtlich über deine Wange, will dich beruhigen. “Das war knapp.” Seufzend schaue ich dich an, knie neben dir. “Du solltest doch wieder in deinem Zelt sein.” “Ich hab geschlafen.” Schuldbewusst schaust du weg. Ich nehme meine Hand wieder von deinem Gesicht, starre die Wände des Zeltes an. “Wir müssen vorsichtiger sein.” “Du hast doch selbst geschlafen.” Dein leises vorwurfsvolles Nuscheln, das ich vernehme, lässt mich in deine traurigen Augen sehen. “Ich sagte doch nicht, dass es deine Schuld war.” “Doch irgendwie schon.” Deine Stimme scheint noch leiser geworden zu sein. Ich schüttele den Kopf. “So meinte ich das aber nicht. Ich hätte auch aufpassen müssen, aber es ist ja noch mal gut gegangen. In Zukunft passen wir beide besser auf, ja?” Aufmunternd lächele ich dich an. “Deswegen bin ich trotzdem keine Ratte.” Du schaust beleidigt zu mir hoch. Ich schenke dir einen entschuldigenden Blick. “Mäuschen?” Ich lächele leicht, während du weiter verständnislos schaust, leise grummelst. “Lassen wir das.” Du drehst dich weg, kuschelst dich wieder in die warme Decke. Ich tue es dir gleich, drücke mich liegend näher an dich, lege meine Arme um deinen Körper, hauche dir flüchtige Küsse auf deinen Nacken. “Mein Kätzchen.” Ich streiche über dein blondes, weiches Haar. “Hör auf mir Tiernamen zu geben.” “Oh. Ein kratzbürstiges Kätzchen.” Du richtest dich auf, schaust mich aus wütenden Augen an. Den Blick kenne ich an dir nicht. Deine Stimme klingt fest, wütend. “Hör auf dich über mich lustig zu machen!” Überrascht schaue ich dich an. Ich mache mich nicht über dich lustig. “Zicke.” Deine Augen weiten sich, als du meine Worte hörst, starrst mich überrascht an. “Selber! Du… Flamingo.” Was? Ungläubig lege ich meinen Kopf schief, schaue dich fragend an. “Flamingo?” “Ja. Die sind doch pink.” Ich sehe den leichten Rotschimmer, der sich auf deine Wangen schleicht. “Spielst du auf meine Haare an?” Du nickst verlegen, während ich mein Lachen krampfhaft versuche zu unterdrücken, aber nicht lange durchhalte. Schallend pruste ich los. Ich richte mich leicht, immer noch grinsend, auf, halte dir einer meiner Haarsträhnen vor dein Gesicht. “Das ist aber violett, Süßer.” “Aber wenn das Licht komisch fällt, sind sie pink.” Deine Wangen scheinen förmlich zu glühen, verfärben sich in ein immer dunkler werdendes weinrot. “Du bist süß.” “Bin ich nicht.” Ist das so? Grinsen beuge ich mich zu dir vor. Vergrabe meine Finger in deinem weichen Haar. Meine Lippen bewegen sich auf deine zu, vereinen sich, verschmelzen in einem leidenschaftlichen Kuss, als sich unsere Zungen begegnen, sich sanft gegeneinander bewegen und sich mit einem sehnsüchtigen Gefühl wieder trennen. Zufrieden lecke ich über meine Lippen. “Und du bist doch süß.” Müde laufe ich den anderen hinterher, bilde das traurige Ende der ansonsten lachenden und scherzenden Gruppe. Ich will nicht allein sein. Und ich hasse wandern, vor allem wenn es sich so anfühlt, als wäre ich der Einzige. Die anderen ignorieren mich. Nur ab und zu kommen dumme Sprüche. Eben haben sie eine tote Ratte auf dem Weg gefunden. “Schaut mal, die fette Ratte ist tot.” Noch immer schallen die Worte in meinen Ohren. Alle haben sich nach mir umgedreht. “Der lebt doch noch.” Seufzend schüttele ich den Gedanken ab. Schaue nach vorne, wo du mit den anderen beiden Lehrern voran gehst. Du unterhältst dich mit ihnen und der Frau. Ob du ihr immer noch erklären musst, was heute in deinem Zelt gewesen ist? Ich fühle, wie mein Herz wieder schnell gegen meinen Brustkorb springt, wenn ich nur an den heutigen Morgen denke. Wie ich den Atem anhielt, als ich bemerkte, dass wir nicht alleine waren. Wäre ich rechtzeitig wieder in meinem Zelt gewesen, wäre das nicht passiert. Ich spüre die erneut aufkommenden Schuldgefühle. Andererseits, was platz die Alte auch einfach in dein Zelt? Unverschämt so was. Aber was soll’s. Es ist ja noch mal gut gegangen. Und ich habe es sogar unbemerkt in mein Zelt zurück geschafft, als du sie in ein Gespräch verwickelt hast. Sie scheint sofort auf dich fixiert zu sein, so bald du in ihrer Nähe bist. Und auch jetzt redet sie wieder nur mit dir. Die scheint dich ja ganz toll zu finden. Lächelt dich, einem Gesichtkrampf gleich, an. Fährt sich immer wieder durch ihre Haarpracht. Ich spüre den Anflug von Eifersucht, der in mir hoch zu kochen droht. Und sie ist immerhin schon fast 40. Okay 34, aber das ist trotzdem viel zu alt. Ganze neun Jahre. Das ist abartig. Moment. Du bist auch neun Jahre älter als ich. Egal. Das ist was anderes. Nach stundenlanger Wanderung erreichen wir endlich einen kleinen Sushiladen auf halber Strecke des Berges. Merkwürdig, aber doch erklärbar, immerhin ist dies hier, so viel ich weiß, ein beliebter Wanderort. Täglich steigen hier begeisterte Wanderer und Touristen hoch. Erschöpft lassen wir uns alle auf die draußen stehenden Bänke, die zu dem Imbiss gehören, fallen. Du wieder bei ihr. Alle anderen zusammen und ich allein. Ich seufze, will nicht weiter darüber nachdenken, spüre die Tränen, die drohen aus meinen Augen zu schießen. Ich sehe, wie alle sich etwas zu Essen bestellen. Ich habe keinen Hunger. Immer wieder wandert mein eifersüchtiger Blick zu dir, sehe, wie du ihr einen Snack mitbringst, sie dich mit gelb schimmernden Zähnen anstrahlt. Ich hasse sie. Meine Hände ballen sich unter dem Tisch zu Fäusten, habe meinen Blick starr auf die Holzplatte gerichtet. Will nicht mehr sehen, wie du mit ihr flirtest. Ich muss meine Tränen erneut unterdrücken, knabbere auf meiner Unterlippe. Wieso nimmt mich das so mit? “Alles okay bei dir?” Erschrocken schaue ich auf, blicke in dein lächelndes, besorgtes Gesicht. Ich nicke nur leicht. Schaue wieder weg. Die anderen blicken nur kurz zu uns herüber, scheinen nichts verdächtiges zu bemerken. “Musst du nicht zurück zu den beiden?” Ich deute auf die anderen Lehrer. Erkenne, wie sie zu uns rübeschaut, zu dir. “Ich glaube sie wartet auf dich.” Ich schaffe es nicht, die Eifersucht aus meiner Stimme zu verbannen. Du siehst kurz zu ihr rüber, nimmst wahr, dass sie dich die ganze Zeit über anstarrt. Du lächelst gequält, wendest dich mir wieder zu, verdrehst deine Augen. Du formst die stummen Worte “Hilf mir”, die mir ein leichtes Lächeln entlocken. “Okay. Ich gehe dann mal zurück. Ich glaube die warten.” Seufzend erhebst du dich, schlenderst zurück zu deinem Platz und sofort verwickelt sie dich wieder in ein Gespräch. Obwohl du mir eben gezeigt hast, was du von ihr hältst, spüre ich das erneute Gefühl. Die Angst, dich zu verlieren. Ich versuche mich abzulenken, beobachte die Schmetterlinge, die hier oben umeinander kreisen. Ich schließe meine Augen, genieße die warme, reine Bergluft. Doch irgendwann reißt mich die quiekende Stimme meiner Lehrerin aus diesem Idyll. Ich hasse sie noch mehr, dennoch schaue ich zu ihr. Erkenne, wie sie auf dem Tisch steht und wieder spüre ich die Wut in mir aufsteigen. Sie steht genau vor dir, grinst blöd, wenn eine leichte Windbö ihren Rock flattern lässt. Mit leicht verzogenem Gesicht lehnst du dich etwas zurück, von ihr weg, stehst letztendlich ganz auf. Ihr enttäuschter Blick lässt mich Grinsen. Schadenfreude. Ihre Stimme hat sich verändert, als sie mit ihrem Vortrag fortfährt. Das entzückte Quicken ist verschwunden. Sie erklärt uns, dass wir nun Freizeit hätten und in kleinen Gruppen alleine losziehen dürfen. Mein Grinsen verschwindet, als ich mich umsehe. Ich habe keine Gruppe. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, wandert ihr Blick zu mir. “Tooru hast du eine Gruppe?” Sehe ich so aus, als hätte ich eine? Ich sitze hier zum Spaß alleine. Ich schüttele meinen Kopf. Sie seufzt, verdreht ihre Augen. Als ob das meine Schuld wäre, dass mich hier keiner leiden kann. Sie richtet sich an die anderen Schüler, deutet auf mich. “Möchte jemand Tooru in seine Gruppe aufnehmen?” Kurz herrscht allgemeines Schweigen, bis sie alle anfangen laut zu lachen beinahe nach Luft ringend auf den Tischen liegen. Ich schaue weg und dennoch höre ich die verletzenden Kommentare der anderen. “Der macht die Gruppe kaputt”, “Das soll doch Spaß machen” und “Scheiß Schwuchtel.” Sie sagt nichts, nickt nur. Erlaubt den anderen sich zu entfernen, steigt vom Tisch und beginnt mit dir zu reden. Sofort stürmen alle los, hetzen den kleinen Bergpfad, den wir eben erst entlang gekommen sind, zurück. Scheinen die Stadt, die am Fuße des Berges liegt, erkunden zu wollen. Alleingelassen verweile ich an meinem Platz, vernehme den Schatten, der auf mich fällt. Ich schaue hoch, erkenne das strenge Gesicht der Frau. “Da dich wohl keiner in der Gruppe will, musst du mit uns mitkommen.” Nur nicht zu emphatisch. Sie deutet auf dich und den anderen Lehrer, der scheinbar nicht sprechen kann. Zumindest hab ich das noch nicht gesehen. Ich nicke nur, was bleibt mir anderes übrig und du bist immerhin auch da. Aber sie wird wohl deine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. “Beeil dich. Wir wollen in das Museum.” Begeistert von ihrer Idee, zeigt sie auf ein altes Gebäude, das gegenüber dem Sushiladen steht. Wer bitte baut ein Museum auf einen Berg? Ich erhebe mich, folge ihr. “Können wir?” Ihre viel zu hohe Stimme, quiekt dich fröhlich an. “Eigentlich halte ich nicht so viel von Museen. Ich gehe zurück zum Zeltplatz. Und Tooru sieht auch nicht begeistert aus. Ich kann ihn mitnehmen.” Geschockt schaut sie dich an. Ich erkenne die Enttäuschung, die in ihren Augen liegt. Sie treibt mir ein zufriedenes Lächeln auf meine Lippen. Tja. Pech gehabt. “In Ordnung.” Ihre Wut schwingt in ihrer Stimme mit, als sie sich abwendet und mit dem anderen schweigsamen Lehrer, auf das Museum zugeht. Du setzt dich wieder an deinen Platz, bedeutest mir, mich neben dich zu setzen. Stumm folge ich deiner Aufforderung. Lächelnd schiebst du mir dein halbgefülltes Bento rüber. “Iss lieber was!” “Ich habe keinen Hunger.” “Du hast heute Morgen schon nichts gegessen.” “Da hatte ich auch keinen…” Noch bevor ich den Satz zu Ende sprechen kann, spüre ich den Geschmack von Reis auf meiner Zunge. Grinsend schaust du mich an. “Dich muss man wirklich zu allem zwingen.” Widerwillig schlucke ich das, was du mit soeben in meinen Mund gestopft hast. “Ich will wirklich nicht.” Doch du hörst mir gar nicht zu und schon bewegt sich ein weiteres Stück Sushi auf mein Gesicht zu. Schnell lege ich meine Hand vor meine Lippen. Seufzend legst du die Stäbchen bei Seite, schaust mich ernst an. “Kyo? Wieso willst du nichts essen?” Ich schaue weg, kann deinen durchdringenden Blick nicht ertragen, spüre ihn noch immer auf mir. “Weil ich keinen Hunger habe.” Deine warmen Fingerkuppen streichen über meine Wange, über mein Kinn. Sanft drehst du mein Gesicht zu dir, legst deine Lippen für einen kurzen Moment auf meine. “Wieso hast du keinen Hunger?” Deine Stimme klingt sanft. Verständnisvoll. Nur zögernd antworte ich, schäme mich. “Ich bin zu dick.” Deine Augen weiten sich, schnell wende ich mich erneut ab. “Was? “ Entsetzen ist aus deiner Stimme raus zu hören. “Wer sagt das?” “Die anderen.” Meine Worte sind nur noch ein leises Nuscheln. Du legst deine Arme um mich, drückst mich fest an dich. “So wie du bist, bist du perfekt.” Ich schüttele nur den Kopf, lache leise auf. An mir ist sicher nichts perfekt. Gar nichts. “Meinst du sie würden dich mögen, wenn du abnehmen würdest?” Ich antworte nicht, geniere mich für diesen naiven, kindlichen Gedanken. Deine Finger streichen beruhigend über meinen Rücken. “Wieso dann?” Ich verstehe nicht, was habe ich ihnen getan? Und wieso beschäftigt mich das so. Sollte ich nicht glücklich sein, dich zu haben? “Sie brauchen Jemanden, den sie fertig machen können.” “Warum mich?” “Ich weiß es nicht. Vielleicht Neid.” Ich lache erneut auf. Neidisch? Auf mich? Ich löse mich etwas von dir, begegne gleich deinem lächelnden Gesicht. “Ich meine das ernst. Du bist ziemlich gut in der Schule, also Mathe ausgenommen. Deine Eltern sind auch nicht gerade arm und du bist verdammt hübsch.” Ich spüre, wie sich ein leichter Rotschimmer, bei deinen letzten Worten, auf meine Wangen legt. Du beugst dich etwas vor. “Und wenn du nicht aufpasst, machst du deine Lehrerin auch noch neidisch.” Oh. Sind wir heute wieder bescheiden. Grinsend drückst du mir einen Kuss auf die Wange. Lächelnd verdrehe ich meine Augen. “Also so toll bist du auch nicht.” Wieder lachst du, grinst mich überzeugt an. “Das sah gestern im Zelt aber noch ganz anders aus.” “Ich weiß gar nicht, was du meinst.” Aus unschuldigen Augen sehe ich zu dir auf. “Ich kann’s dir gern noch mal zeigen.” Langsam beugst du dich zu mir vor. Ich schließe meine Augen, erwarte deine warmen Lippen. Erschrocken reiße ich meine Lider auf, als ich etwas Kaltes an ihnen spüre. Schaue auf das Stück Sushi, das ich gerade küsse. Na toll. “Erst aufessen.” Widerwillig öffne ich meinen Mund, beginne zu essen. Das letzte Stückchen verschwindet irgendwann zwischen meinen Lippen. “Du hast da noch was.” Deine warme Zunge, leckt über meine Lippen, ehe sie sich zwischen sie schiebt, du mich sanft küsst. “Na erinnerst du dich wieder?” Grinsend erwartest du eine Antwort. “Hmm… Ich bin mir nicht ganz sicher.” Triumphierend lächele ich zurück. Sehe, wie du dich schmollend zurücklehnst. Deine Augenbraue klettert skeptisch in die Höhe, als dein Blick an mir vorbei wandert. Fragend folge ich ihm, drehe mich um und erblicke den Sushiverkäufer, der uns scheinbar beobachtet. Er beginnt zu lächeln, als er unsere Blicke bemerkt, fängt scheinheilig an, die kleine Theke zu säubern. Spanner. Ich drehe mich wieder zu dir. “Vielleicht sollten wir gehen.” Eigentlich möchte ich nicht gehen. Zurück zu diesem öden Zeltplatz. Du nickst nur, wirfst dem Verkäufer noch einen genervten Blick zu, ehe du dich erhebst und nach meiner Hand greifst, mich mit dir ziehst. “Kao? Da geht es wieder runter.” Ich deute auf den Bergpfad, den wir gemeinsam hochgestiegen sind. “Willst du zurück?” Ich schüttele schnell den Kopf. “Ich dachte nur… immerhin hast du gesagt, dass du mich zum Campingplatz bringst.” “Was hätte ich sagen sollen? Dass wir uns einen schönen Nachmittag zu zweit machen?” Das wäre sicher komisch gekommen. Und so wandern wir den Pfad weiter hoch. Anstrengend. Nach schier endlosem Füße voreinander setzen, erreichen wir endlich den flachen Gipfel des Wanderberges. Vor uns erstreckt sich ein kleiner See, der im Licht der Sonne zu schimmern scheint. Um ihn prangen riesige Tannen, deren Äste im leichten Wind schaukeln. Nur eine kleine grüne Rasenfläche befindet sich vor dem gehobenen Ufer des Gewässers. Lächelnd schaue ich zu dir auf. “Hast du gewusst, dass hier ein See ist?” Du nickst leicht. “Ich war als Schüler selbst hier. Konnte mich erinnern, dass wir weiter gelaufen sind. Den Sushiladen und das Museum gab es so damals natürlich noch nicht. Das Haus stand da zwar schon, aber was sicherlich noch kein musum. Und an diesen See konnte ich mich dunkel erinnern. Naja… ist immerhin fast zehn Jahre her.” Betreten sehe ich weg, als mir bewusst wird, was für ein Altersunterschied wirklich zwischen uns liegt. Auch du schweigst. Ob du dasselbe denkst? Ich senke meinen Blick, sehe die grünen Grashalme unter mir, die sich leicht im Wind bewegen. Ich spüre, wie du sanft über meinen Handrücken streichst. Mich etwas näher zum Wasser ziehst und dich irgendwann auf die grüne Fläche fallen lässt. Lächelnd tue ich es dir gleich, lehne mich an dich und lasse die leichte Brise meine Haut streicheln, mit meinen Haaren spielen. Ich spüre, wie du einen Arm um mich legst, meine Seite entlang streichst. Ich schließe meine Augen, genieße deine Berührung, deine Wärme, die Wärme der Sonne. Nur von kurzer Dauer ist dieser Moment, beende ihn, indem ich mich leicht aufrichte, dich grinsend anschaue. “Ich habe immer noch keine Antwort auf meine Frage.” “Welche Frage?” Gähnend streckst du dich, schaust mich aus müden, fragenden Augen an. Ich verdrehe meine. Lege mich wieder auf den warmen Rasen, stütze meinen Kopf auf meine Hände ab. Nur wenige Zentimeter trennen unsere Gesichter. “Weißt du nicht mehr? Auf dem Schuldach?” Noch immer schaust du ratlos. Jetzt tu doch nicht so. Schmollend stelle ich die Frage erneut an dich. “Stehst du auch auf Frauen?” “Blöde Frage. Und ich hab eh keine Lust auf Frage-Antwort-Spielchen.” Ein Grinsen schiebt sich auf dein Gesicht. Ich spüre deine Hand in meinem Nacken, vorsichtig ziehst du mich näher zu dir. Deine Augen schauen in meine und schnell lege ich meine Hand auf meine Lippen, fange deinen verwirrten Blick auf. “Erst antworten.” Etwas unverständliches vor dich hergrummelnd lässt du von mir ab, richtest deinen Blick in den Himmel. “Ja, tue ich.” “Hä?” Irritiert schaue ich dich an. “Deine Frage? Ob ich auch auf Frauen stehe? Ja!” “Achso.” Lächelnd schüttelst du deinen Kopf. Was? Kann doch mal passieren. Für einen kurzen Moment schmolle ich, entscheide mich dann aber, dir lieber weiterhin Fragen zu stellen. “Warst du mit mehr Männern oder mehr Frauen zusammen?” “Frauen.” Seufzend antwortest du brav auf meine Fragen. “Wie viele waren es denn?” Neugierig starre ich dich an. “Weiß nicht. Fünf oder sechs… “ “Und Kerle?” “Das zähle ich doch nicht…” Ein weiteres Seufzen verlässt deine Lippen. “Müssen ja weniger als fünf sein.” Ich spüre, wie deine Fingerkuppen über meine Wange streichen. “Ist das wichtig?” “Ich will’s halt wissen.” Sag schon. Stell dich nicht so an. Ich fange deine Finger ein, halte sie in meinen Händen fest, lächele dich an. Dein Blick bleibt ernst. “Hör zu. Ich hatte nur Beziehungen mit Frauen. Das andere waren One night stands. Nur was für zwischendurch.” Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich lasse deine Hand los, bin überrascht, sogar enttäuscht? Du greifst wieder nach meiner Hand, lässt mich aufsehen, in deine Augen schauen. “Hast du jetzt auch eine Frau zu Hause herum sitzen?” Bitte nicht. Ich spüre die erneut aufsteigenden Tränen. “Nein.” Du richtest dich auf, ziehst mich zu dir. Mein Kopf liegt an deiner Brust, spüre deinen ruhigen Herzschlag. Deine Finger streichen wieder über mein Haar und dein Flüstern dringt in mein Ohr. “Ich will nur mit dir zusammen sein. Von dem Tag an, als ich dich das erste Mal sah. Ich kann mir das nicht mal erklären. Ich weiß nicht, warum ich so stark für dich empfinde. Warum ich dich so liebe. Hörst du! Ich liebe dich.” Deine Worte lassen meine Herz für einen Moment aussetzen, es heftiger schlagen denn je. Ich sehe zu dir auf. “Das war das erste Mal, dass du mir das gesagt hast.” “Davor habe ich es umschrieben.” “Eben.” “Weil ich mir sicher sein wollte.” “Bist du jetzt sicher?” “Ja!”” Du verschließt meine Lippen mit deinen, lässt dich nach hinten fallen, ziehst mich mit dir. Glücklich bette ich meinen Kopf auf deinen Oberkörper. “Und du?” Überrascht schaue ich hoch. “Ob du auch auf Frauen stehst.” Ein Grinsen liegt auf deinen Lippen. Welch bescheuerte Frage, wer hat sich die ausgedacht? Ich werde nicht antworten, doch damit scheinst du nicht zufrieden zu sein. Beginnst mich unaufhörlich in meine Seite zu pieksen. “Lass das.” “Erst antworten.” Ich werde bestimmt nicht antworten. Ich schließe meine Augen, ignoriere deine Attacken. “Kyo… Antworte.” Ich denke ja gar nicht daran, strecke dir stattdessen meine Zunge entgegen. Grinse triumphierend. Grummelnd schubst du mich von dir und auch auf deinem Gesicht ist ein Grinsen zu finden, als du mich auf deine Arme hebst und ich zu zappeln beginne. “Lass mich runter.” “Antworten!” Tze. Das könnte dir so passen. Ich bemerke, wie du dich langsam vorwärts bewegst. Erkenne den See, der immer näher kommt. “Kao? Was hast du vor? Lass das!” Doch du scheinst davon nichts zu halten, bewegst dich einfach weiter, ängstlich klammere ich mich an dich. “Na Kyo? Lust zu baden?” “Das wagst du dich nicht.” “Oh. Mag das Kätzchen etwa kein Wasser?” “Lass mich runter.” “Das werde ich. Option A: Du antwortest und ich setze dich auf dem schönen, warmen, trockenen Rasen ab. Zweite Möglichkeit, du antwortest nicht, und ich lasse dich ins Wasser fallen und werde still hoffen, dass dein Shirt durchsichtig wird, wenn es nass ist.” “Das machst du nicht.” “Nicht?” Demonstrativ beugst du dich etwas weiter über die schimmernde Wasseroberfläche. “Okay.” Ich gebe auf, aber bevor ich in diesem schmutzigen, kalten, nassen Wasser lande und schuppigen Fischen “Hallo” sagen darf, antworte ich lieber. “Na dann. Ich höre.” “Ich denke schon.” “Dass ich höre?” “Dass ich auch Frauen mag.” Ich verdrehe die Augen. “Bist du nicht sicher? Hattest du noch keine Freundin?” “Nein.” Ich schau weg. Irgendwie ist das peinlich. “Einen Freund?” “Nein.” Meine Stimme scheint immer leiser zu werden, schäme mich. “Warte. Dann hattest du auch noch keinen Sex?” Wow. Wie kommst du nur wieder da drauf. Musst du so direkt sein? Ich erröte. Antworte nur leise. “Wenn das gestern mein erster Kuss war, werde ich wohl noch keinen gehabt haben. Lässt du mich jetzt runter?” Sofort stellst du mich auf den Boden ab. Ich gehe allein auf den See zu, setze mich an das kleine gehobene Ufer. Du folgst mir, hockst dich neben mich. “Kyo. Das tut mir Leid. Aber das muss dir nicht peinlich sein. Bitte weine nicht.” Grinsend drehe ich mich zu dir um, piekse in deine Seite. “Ich weine nicht.” Erschrocken stelle ich fest, dass du schwankst, nach meiner Hand greifen willst, die ich reflexartig wegziehe und mit einem lauten Platschen ins Wasser fällst. Für einen Moment schaue ich überrascht, kann nicht glauben, dass du wirklich im See liegst. Leise beginne ich zu lachen, als du dich tropfend erhebst, aus dem Gewässer kletterst. Angesäuert wringst du deine Klamotten, so weit es möglich ist, aus. Ich kann meine Lachen nicht unterdrücken, pruste erneut los. “Ja. Lustig nicht?” “Und wie…” Ein verräterisches Grinsen ziert dein Gesicht. Was hast du vor? Mein Lachen verschwindet, stattdessen mustere ich dich. Versuche zu erahnen, was du vor hast. Doch noch bevor ich reagieren kann, liegen deine Arme um mich und du kuschelst dich noch näher an mich. Ich kreische laut, versuche mich aus deiner Umklammerung zu befreien. “Ihh… Du bist nass.” “Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich lasse dich nicht mehr los.” “Jetzt bin ich eh schon total nass.” “Gut so.” Mit diesen Worten löst du dich von mir, greifst nach meiner Hand. “Wir sollten langsam gehen. Immerhin müssen wir vor allen anderen da sein. Und ich habe auch keine Lust das hier zu erklären.” Du deutest auf deine nassen Klamotten. Ich werfe einen letzten Blick zurück zu dem See, in dem sich die untergehende Sonne spiegelt, ihn rot erscheinen lässt, ehe wir den Weg, der uns hier herauf gebracht hat, wieder zurückgehen. Fest umklammere ich deine Hand, schaue zu dir auf. “Das eben wollte ich nicht.” “Ach was. Schon gut. Ich habe ja meine Rache bekommen.” “Ja. Die wäre aber nicht nötig...” Ich spüre, wie du deine Hand auf meinen Mund legst, mich von dem Bergpfad zwischen die Bäume ziehst, die entlang des Pfades stehen. Fragend schaue ich auf, doch du deutest nur nach vorne. Ich folge deinem Deut, erkenne die beiden Lehrer, die amüsiert aus dem alten Museumsgebäude kommen. “Und wie kommen wir jetzt an denen vorbei?” “Wir warten erstmal , bis die weg sind.” Und nach etlichen Minuten, die wir uns hinter Bäumen und Gebüschen verstecken, scheinen die beiden wirklich verschwunden zu sein. “Und wie sollen wir die überholen ohne gesehen zu werden?” “Dann müssen wir wohl eine Abkürzung nehmen.” Wir gehen an dem Sushiladen, der inzwischen geschlossen ist, vorbei. Vor uns erstreckt sich ein steiler Abhang, auf dem Geröll, größere und kleinere lose Felsen liegen. Nicht umsonst trennt uns ein kleiner Holzzaun von diesem. “Das ist nicht dein Ernst… Kao!” Ich sehe, wie du über den Zaun kletterst, deine Hand nach mir ausstreckst. “Ich will nicht.” Dennoch greife ich nach deiner Hand, überwinde die Abgrenzung und klammere mich sofort fest an dich. Nach und nach steigen wir so den Berg hinab. “Ob das schneller geht?” “Ist dir das zu langsam?” Grinsend lässt du meine Hand los, beginnst schneller einen Fuß vor den anderen zu setzen, während ich an meinem Platz stehen bleibe, dir sehnsüchtig nachschaue. “Kao.” Meine Stimme klingt leicht panisch, als ich versuche mir dir mitzuhalten. Ich passe gar nicht mehr auf, wohin ich trete, will einfach nur wieder zu dir, behalte nur dich im Auge. “Jetzt warte doch.” Endlich zeigst du Erbarmen, schaust lächelnd zu mir hoch. “Jetzt beeil dich doch.” Murrend klettere ich den steilen Abhang hinunter. Du streckst mir deine Hand entgegen und ich tue es dir gleich. Gehe einen weiteren Schritt auf dich zu. Unsere Fingerkuppen berühren sich für einen kurzen Augenblick. Ich schreie laut auf, als sich der Stein unter meinem Fuß löst, mich mit sich in die Tiefe reißt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)