Aus Summen kürzen nur die Dummen von Yusuke ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Aus Summen kürzen nur die Dummen Aufgeregt stehe ich im Badezimmer. Probiere immer wieder meine Brille an, nur um sie gleich darauf wieder abzusetzen. Werfe einen Blick in den Spiegel vor mir. Ob ich so zu spießig wirke? Na dann eben doch die Kontaktlinsen. Nervös fahre ich durch meine Haare, ausgewaschenes Lila und zu dem noch lang. Nicht gerade typisch für den Beruf, den ich ab heute ausüben werde. Was werden die Kollegen sagen? Vielleicht doch lieber die Brille… Ach was soll’s. Ich lege sie endgültig bei Seite. Immerhin haben sie mein Foto gesehen und mich trotzdem angenommen. Ich zupfe noch ein wenig an meinen Haaren, sprühe noch mal etwas Haarspray drauf. Wie ich mich schon jetzt auf heute Abend freue, wenn ich das ganze Zeug wieder raus waschen darf. Entscheide mich dann endlich das Bad zu verlassen. Schaue noch einmal zu der Kaffeekanne, die auf dem Küchentisch steht. Der Geruch des heißen Getränks steigt mir in die Nase und alles was ich spüre, ist der aufkommende Brechreiz. Die Angst vor dem heutigen Tag. Die Aufregung. Ich nehme meine Tasche, verlasse das Haus fluchtartig vor dem Kaffeeduft und setze mich in mein Auto. Meine Hände krallen sich in das Lenkrad und ich spüre, wie mein Herz schneller zu schlagen beginnt. Versuche die Gedanken an den heutigen Tag zu verdrängen, mich zu entspannen. Überhaupt frage ich mich, wie ich so schnell an einen Job gekommen bin. Nicht, dass ich mit meinen 25 Jahren nicht langsam anfangen könnte zu arbeiten, aber schon drei Wochen nach meinem Studium? Ich kann nicht leugnen, dass ich in diesem Moment lieber in meinem Bett liegen würde, vielleicht fernsehen… Anstatt dessen, sitze ich hier in meinem Wagen, fahre meinem ersten Arbeitstag entgegen. Wie schnell 15 Minuten vergehen, merke ich erst, als ich mit meinem Auto auf dem Parkplatz zum Stehen komme. Unsicher schaue ich mich um. Viel zu sehen ist hier nicht, dennoch will ich noch nicht aussteigen. Mir noch einige Minuten nehmen. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr und für einen kurzen Moment bleibt mein Herz stehen. In genau 30 Sekunden bin ich offiziell zu spät. Hektisch steige ich aus, hetze auf die Eingangstür zu, laufe den langen Korridor entlang. Sehe die Tür, atme erleichtert auf, als ich meine Hand auf die Klinke lege. Doch genau in diesem Moment, höre ich die laute Schulglocke schlagen. Ich seufze leise, als ich die Tür öffne, vorsichtig hineinschleiche. Sehe gleich in das freundliche Gesicht des Direktors, verbeuge mich kurz und entschuldige mich für meine Verspätung, doch er winkt nur ab, lächelt. "So lange, dies nicht zur Gewohnheit wird." Er führt mich aus seinem Büro, stellt mich kurz den anderen Kollegen vor, selbst ziemlich in Eile, stürmen sie nach einander auf die Korridore zu, verschwinden in den vielen Türen des Gebäudes. Er schiebt mich weiter, erklärt mir, warum sie mitten im laufenden Schuljahr einen neuen Mathe und Physiklehrer brauchen. Ich war übrigens der einzige, der sich beworben hatte, sehr schmeichelhaft. Irgendwann bleibt er dann vor einer verschlossenen Tür stehen, deutet auf diese. "Sie sind ab heute für den Unterricht in dieser Klasse verantwortlich." Er scheint meinen besorgten Blick gesehen zu haben, klopft mir aufmunternd auf die Schultern. "Die sind ganz nett…" War das Ironie? Ach, was freu ich mich… Er lächelt leicht, wendet sich dann zum Gehen. Unentschlossen schaue ich auf die Tür, umgreife die Klinke nur zaghaft, schließe meine Augen, atme tief durch und trete ein. Die gesamte Aufmerksamkeit der Klasse liegt auf mir. Keiner spricht mehr, starren mich erwartungsvoll an. Ich schlucke, trete dann an das Pult, verbeuge mich kurz und ergreife das Wort. Stelle mich ihnen als Niikura-san vor, erzähle kurz von mir, während ich meinen Blick durch die Klasse schweifen lasse. Sofort fällt mir der kleine Blondschopf ins Auge. Zugegeben, zwischen den ganzen schwarzen Haaren, wäre es wunderlich, wäre er mir nicht aufgefallen. Ich frage mich, wie ich als Lehrperson mit meinen lilafarbenen Haaren wirken muss… Mein Blick wandert wieder zu dem Blonden. Erst jetzt bemerke ich das Metall, das seine Haut durchbohrt. Ich seufze unhörbar. Na hoffentlich macht der keinen Ärger… Ich wende mich wieder der Klasse zu, erkundige mich, ob sie noch Fragen haben. Erkläre ihnen dann meine Lehrmethoden. Mehr oder weniger gerade improvisiert. Sehe mich um, erkenne, dass alle verstanden haben. Kurzer Seitenblick zu dem Blonden. Er schaut mich, wie alle anderen, interessiert an. Ich ergreife die Namensliste, die mir der Chef von dem Laden hier, vorhin gegeben hat. Beginne die Namen laut vorzulesen, lasse sie aufstehen. Versuche mir die Namen der Einzelnen zu merken und weiß, dass ich doch scheitern werde. Den ersten habe ich schon wieder vergessen. Grübelnd lese ich weiter vor. "Nishimura, Tooru" Tooru? Klingt ja richtig niedlich. Ich schaue durch die Reihen, sehe wie der Blonde seine Hand hebt. Süß ist er ja… Erschrocken, klammere ich mich an den weißen Zettel und schüttele den Kopf, was denke ich nur? Seufzend mache ich schnell weiter. Verdränge meinen kleinen gedanklichen Aussetzer. "Terachi Shinya" Das Mädchen... Ähm... Der Junge… ach egal der Mensch neben dem Blonden hebt seine Hand. Schaue ihn kurz an. Ich muss mir merken, irgendwann mal dezent nach dessen Geschlecht zu fragen. Könnte sonst peinlich werden. Verlese noch die letzten Namen, die auf meiner Liste stehen. Lege sie dann zufrieden bei Seite. Ich kann nicht einen Namen zuordnen… Tooru. Mein Blick fällt zu ihm. Doch schnell zwinge ich mich wegzuschauen, krame in meiner Tasche und ziehe einen Stapel an weißen Blättern heraus. Lege jedem einen auf den Tisch. Schüchtern kläre ich sie auf, habe Angst vor den Reaktionen. "Ich habe einen kleinen Test für euch vorbereitet." Ein Raunen und allgemeines Seufzen geht durch die Klasse, ehe ich wieder das Wort ergreife. "Keine Sorge. Ich bewerte ihn nicht. Ich möchte nur wissen, an welcher Stelle ich den Unterricht ansetzten muss." Ich sehe in erleichterte Gesichter. Ohne Widerworte beginnen sie zu schreiben. Ebenfalls erleichtert lasse ich mich auf den Stuhl sinken. Sie scheinen wirklich nett zu sein. Unweigerlich fällt mein Blick auf den Blonden. Ich kann ihn nicht einschätzen. Wirkt lieb und gleichzeitig rebellisch, interessiert und ebenso abwesend und süß… Ich kneife die Augen zusammen. Diagnose, Kaffeeentzug. Genau. Dennoch werfe ich ihm noch einen Blick zu, ertappe ihn, wie er zu seinem Nachbarn rüberschielt. Schnell richte ich mich auf. Meine Stimme wird lauter, als ich seinen Namen ausspreche. Mein strenger Ton, vielleicht eine Spur zu laut, als ich sehe, wie er kurz zusammenzuckt. Sofort spüre ich mein schlechtes Gewissen, als er mit seinen unschuldigen, braunen Augen zu mir hoch schaut. Sofort mäßige ich meine Lautstärke, spreche fast zu lieb zu ihm. Aber ich kann nicht anders… "Das bringt doch nichts, wenn ich…" Kurzer Blick auf die Liste. "…Shinyas Ergebnisse zweimal habe, hm?" Er nickt nur und wendet sich wieder seinem Blatt zu. Keine Widerworte? Überrascht setzte ich mich wieder. Er scheint doch einfach nur schüchtern und nett zu sein. Verdränge meine Vorurteile. Hänge meinen Gedanken nach, bis ich irgendwann wieder realisiere, wo ich eigentlich bin. Schnell erhebe ich mich, sammele den kleinen Test wieder ein. Stelle mich erneut vor die Klasse, lasse sie Arbeitsgruppen bilden und verteile einige Aufgabe, die sie lösen sollen. Ich selbst mache mich an die Auswertung des Testes. Schaue noch mal hoch. Mein Blick fällt auf die beiden scheinbaren Außenseiter. Tooru und… wo ist meine Liste? Shinya. Sie bleiben unter sich. Ich sollte mich erkundigen, warum das so ist. Wende mich dann aber wieder meiner eigenen Aufgabe zu. Arbeite sie genau durch, bis ich letztendlich einen ungefähren Überblick über die Fähigkeiten der Schüler habe. Werfe einen kurzen Blick zu der Uhr. Noch zehn Minuten bis zum Ende der Stunde. Ich stehe auf, wende mich an die Klasse. Alle sehen hoch, schauen interessiert auf die Zettel in meinen Händen. Zurückgeben werde ich sie nicht, fälle ein allgemeines Urteil. Pädagogische improvisierte Maßnahme. "Euer Durchschnittswert lag bei 82% Das ist eigentlich ziemlich gut. Und ich weiß jetzt, an welchen Stellen eure Schwächen liegen. Nächste Stunde fangen wir dann an. Bis morgen." Zufrieden packen sie ihre Sachen ein. Zwar acht Minuten vor Schluss, aber ein wenig Bestechung kann ja nicht schaden. Trete dann zu dem Blonden rüber, sehe wie er seine kleine Umhängetasche packt, mich dann überrascht ansieht. "Ich würde gerne noch kurz mit dir reden." Er nickt und wir warten, bis alle verschwunden sind. Ich setze mich zu ihm. Sehe ihm in die Augen. Ich zögere kurz, weiß nicht genau, wie ich beginnen soll. "Also… Dein Ergebnis war… mit Abstand das schlechteste." Ich lege seinen Test vor ihm auf den Tisch "Hast nur die erste richtig…" Ein müdes Lächeln huscht über seine Lippen. "Die einzige, die ich geschafft habe, abzuschreiben…" Ich schaue ihn an, seufze leise. "Okay… Hast du schon mal an Nachhilfe gedacht?" Er schaut weg und ich meine einen leichten Rotschimmer zu erkennen. Höre seine genuschelten Worte. "Die verzweifeln alle an mir" Ich lächele aufmunternd. "Ich besorge die einen Guten. So schlimm kann's ja gar nicht sein." Er schaut weiter so tieftraurig. Mein Lächeln verschwindet langsam. "… wenn sie meinen…" Fast niedergeschlagen geht er langsam auf die Tür zu, verlässt den Raum und ich merke, dass es mir wehtut, ihn so zu sehen. Kann dieses Gefühl nicht einmal erklären. Verspüre den Drang ihm unbedingt helfen zu wollen. Tiefe Zuneigung? Ich schüttele den Kopf. Er tut mir einfach nur Leid. So wird es sein… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)