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Unconscious Search

Philadelphia 1948. Das Wetter ist stürmisch und ein einzelner Vampir hat sich in diese Stadt verirrt. Nicht ahnend, dass er hier die Antwort auf seine innere Verwirrung und Ruhelosigkeit findet. Ein OS über das erste Treffen von Jasper u Alice
von

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Unconscious Search

Ungewissheit…

Die Sonne war hinter den dicken, dunklen Wolken verschwunden. Nicht ein einziger Strahl durchdrang die graue Flaumschicht. Es war erst vier Uhr nachmittags und dennoch sah es bereits nach Dämmerung aus. Die Häuser, die Laternen, die Passanten warfen riesige Schatten. Jeder versuchte, dem aufkommenden Sturm zu entfliehen, rannte beinahe durch die Straßen.

Der Wind peitschte, schoss durch das Blätterdach der kleinen Bäume, die die Alleen Philadelphias zierten. Hier und dort fielen die ersten Herbstblätter und wurden immer wieder in eine andere Richtung getragen. Eine ihnen unbekannte.

Ebenso wie ich.
 

Kälte…

Sie verursachte eine Gänsehaut, fing in den kleinsten Teilen des Körpers an und bahnte sich langsam einen Weg bis zum Rest. Sie stellte Nackenhaare auf und ließ den Leib erzittern. Kleidung hielt warm, doch auch sie benötigte eine permanente Wärmequelle, an der sie sich aufladen konnte. Die Menschen hatten ebendiese und trugen sie ständig mit sich herum.
 

Blut.
 

Es floss in hunderten von großen und kleinen Arterien, füllte das Herz und sorgte für eine gesunde Hautfarbe. Es produzierte Energie, die wiederum in Hitze umgewandelt wurde und den Mechanismus, durch den es strömte, am Leben erhielt.
 

Und es verursachte ein Prickeln auf meinem Gaumen. Die bloße Vorstellung, es tatsächlich zu verkosten, den Geschmack zu genießen, wenn mich das Aroma eines dieser Geschöpfe, das mir zu nah kam, erfasste, versetzte mich fast in Rage, ließ mich beinahe meine Beherrschung verlieren und das instinktgetriebene Tier in mir hervortreten.
 

Glück…

Ein Mädchen. Soeben an mir vorbeigelaufen und bereits im nächsten Moment weit entfernt auf der anderen Straßenseite. Ohne dass ich meinen Blick in die Richtung lenken musste, wusste ich, dass dieses Lebewesen gerade ein Lächeln auf den Lippen trug. Die Hormone durchströmten den Körper wie Meereswellen, ließen ihn vor Aufregung beben und das Adrenalin steigen. Ursache dafür ein Gewinn, oder eine unerwartete Fügung, vielleicht auch, dass sie mir eben entkommen war - unbewusst.
 

Trauer…

Die Person, die mich in diesem Moment passierte, war vollkommen überflutet von diesem Gefühl.

Ich konnte das Salz der Tränen riechen, die wie wilde Bäche über die Wangen liefen, gerötet von der, aufgrund der niedrigen Außentemperaturen, stärker zirkulierenden Lebensflüssigkeit darunter.

Ein schwerer Verlust, eine Krankheit, ein unermessliches Leid.

Was immer diesem Menschen widerfahren war, nun wurde er davon zerfressen.
 

Stress…

In einem Automobil. Das Gesicht des Fahrers zum Zerreißen gespannt. Der Verkehr war schwach, sehr schwach. Doch das änderte nichts daran, dass der Wagen nicht schneller wurde. Ein verpasster Termin, zu hohe Anforderungen an sich selbst, das stürmische Wetter um uns herum. Es gab viele Ursachen dafür und für viele war man selbst verantwortlich.
 

Angst…

Jemand rempelte mich an, wollte sich bereits beschweren, ich würde ihm im Weg stehen, sollte besser aufpassen. Doch dann schreckte er zurück. Ein leises Knurren, ein kurzer Blick in seine Augen. Meine waren pechschwarz. Ich hatte seit über einer Woche nichts mehr getrunken. Bald würde ich wieder auf Jagd gehen. Der Duft seines alkoholgetränkten Blutes spannte meine Muskeln an, zerrte an meiner Kehle, produzierte Gift in meinen Drüsen.

Doch ich würde mich beherrschen. Ich hatte noch nicht einmal einen speziellen Grund dafür. Aber ich wusste - ich spürte -, ich musste es.
 

All diese Gefühle erfassten mich, rissen mich mit sich, ob ich nun wollte oder nicht. Ich hatte keine Wahl. In den letzten Jahren hatte ich mich daran gewöhnt. Während ich damals nur von Hass und Misstrauen begleitet wurde, so kamen mir jetzt all diese verschiedenfarbigen Emotionen dieser schwachen Rasse wie ein Regenbogen vor. Eine bunte Palette wahllos zusammen gewürfelter Gefühle.

Sie beherrschten mich, so wie ich sie beherrschte.

Anfangs war ich überfordert damit, weil ich sie nicht kannte. Nicht in diesem Ausmaß. Wie eine Lawine überrollten sie mich, als ich das erste Mal eine Stadt betrat, die nicht von unseresgleichen dominiert wurde. In der es so gut wie keine Vampire gab und die Menschenmassen zur Mittagszeit eine einzelne Person regelrecht zerquetschen konnten, wenn sie alle, dich an dicht durch die Großstadt hetzten.

Ein Festmahl hätte mein Erschaffer gesagt, ein Becken voller Blut mit den unterschiedlichsten Aromen.

Aber auch mit den unterschiedlichsten Emotionen.

Mittlerweile hatte ich sie unter Kontrolle.

Besser als meinen Blutdurst.
 

Was machte ich überhaupt hier?

Wie konnte ich einfach so in eine menschenüberfüllte Stadt gehen?

Wieso hatte ich mich nicht wenigstens vorher darauf vorbereitet?

Ein Fehler.

Es benötigte nur einen einzigen Fehler meinerseits und ich würde das Geheimnis verraten. Würde die Volturi anlocken.
 

Und trotzdem.

Mein Unterbewusstsein sagte mir, ich sollte hier sein.

Ich musste.

Genau jetzt, in diesem Augenblick.
 

Eine Bewegung in der Luft.

Ich hörte das geschmeidige Surren des Windes, wie er sich um die ovale Form schlängelte, es seine Richtung aufzwang. Ein dumpfes Geräusch neben mir. Auf dem Pflaster des Gehweges, eine leichte Verfärbung.

Ohne Vorwarnung, ergoss sich das wassergetränkte Wolkenmeer am Himmel. Wie Kanonenkugeln schossen die Tropfen hinab, prasselten auf den Boden, die Autos, die Häuser… die Menschen.

Nur eine Sekunde und ihre, als auch meine Kleidung waren bis in die kleinste Naht durchnässt.

Dennoch fühlte es sich an, wie das sanfte Streifen einer Feder. Kaum spürbar und gleichzeitig so intensiv wie nie zuvor.

Nicht so bei den Homo sapiens. Für sie war es eine Unannehmlichkeit, eine Qual, dieses Wetter zu ertragen und sich darin zu bewegen. Es ließ ihr Immunsystem auf Hochtouren arbeiten. Es schwächte sie.

Also war es nur natürlich, sich Zuflucht zu suchen. Einen Unterschlupf, der Schutz vor dem Wind, der Nässe und der Kälte bot.
 

Ich musste mich ihnen anpassen, andernfalls würde ich auffallen.

Jemand, der bei diesem Unwetter ruhig und gelassen mitten auf dem Gehweg stand, sich keine Sekunde rührte, als wäre es der windstillste Tag des Jahres, würde Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ohne Frage.
 

Ein Gasthaus, nur ein paar Meter entfernt.

Das Licht strahlte durch die schmalen Fenster nach außen und gab einem kleinen Stück Pflasterstein wieder Farbe, leuchtete sogar auf den Lack eines, am Straßenrand parkenden Autos.
 

Bereits jetzt konnte ich das Summen der Stimmen hören, die sich im Inneren des Gebäudes aufhielten. Konnte sogar die Gespräche verstehen.

Das Wetter, der Job, einsame Damen an der Bar.

Gelächter und Getuschel.

Gereiztheit und Freude.
 

Ich hatte nicht einmal gemerkt, wie meine Füße mich zum Eingang getragen hatten, aber plötzlich stand ich davor, meine Hand auf dem Türgriff.

Nur ein Spalt breit geöffnet und sofort stach ein mir allzu bekannter Geruch in die Nase.

Vampir.

Für den Bruchteil einer Sekunde hielt ich inne, lauschte, analysierte die Atmosphäre.

Für mich war die Zeit ausreichend, über alles nachzudenken und die Situation einzuschätzen. Die Leute selbst bekamen davon nichts mit.

Ich öffnete die Tür ganz und trat ein. Abrupt erstarb das Gemurmel, sämtliche Blicke ruhten auf mir.

Neugier und Achtsamkeit waren die vorherrschenden Empfindungen.

Die überwiegenden Geräusche bestanden aus meiner tropfenden Kleidung, die jetzt eine kleine, dunkle Pfütze auf dem Boden zu meinen Füßen hinterließ, dem minimalen Knarren der Stuhlbeine, den unregelmäßigen Atmungen der Gäste, das Rauschen ihres Blutes, das Pochen ihres Herzens.

Ein unangenehmes Kratzen in meiner Speiseröhre, die auf einmal so trocken war, als sei ich tagelang durch eine Wüste ohne Wasser gelaufen.

Aber ich musste es aushalten.
 

Nur eine einzelne Sekunde, dann setzten die Gespräche wieder ein. Jeder wandte sich seinen eigenen Dingen zu.

Allein ein einziges Augenpaar war weiterhin auf mich gerichtet. Eines, von dessen Besitzer ich im Laufe meines Daseins bereits um die tausend getötet hatte. Wenn nicht noch mehr.

Doch etwas war anders. Weder waren die Pupillen schwarz, noch wiesen sie irgendeine Nuance auf, die ins Rötliche fiel.

Nein, ihre Augen waren golden.

So intensiv und verzerrend. So… betörend.

Das elfenbeinfarbene Gesicht umrahmt von feinen, gepflegt wilden und in alle Richtungen deutenden, nachtschwarzen Haarspitzen.

Die blutroten Lippen, aufeinander gepresst, leicht zittrig und nervös. Die Mundwinkel kaum erkennbar nach oben geschoben.

Das Gesamtbild einer Porzellanstatue.

Nur dass solche auf keinen Fall das in ihrem Inneren hatten, was mir genau jetzt mit voller Wucht entgegenschlug.

Ihre Gefühle.

Viel unberechenbarer allerdings die Intensität, die darin lag.

Etwas annähernd vergleichbares hatte ich bisher nur ein einziges Mal erlebt und selbst das war nicht so gewaltig wie jetzt diese Emotionen.

Entschlossenheit…

Selbstsicherheit…

Geborgenheit…

Vertrauen…

Aufopferungsbereitschaft…

Zuneigung…

Leidenschaft…
 

Liebe…?!
 

Ehe ich mich versah, stand sie vor mir. Ich war so in ihren Bann gezogen worden, dass ich ihre, an menschliche Verhältnisse angepasste Geschwindigkeit nicht wahrgenommen hatte.

Meine Muskeln spannten sich an und meine Knie knickten leicht ein, bereit, jedem möglichen Angriff entgegenzuwirken.

Doch das konnte sie nicht. Nicht hier. Es würde uns verraten.

Es würde unseren Tod bedeuten.
 

Nur war sie scheinbar gar nicht auf einen Kampf aus.
 

Ein Lächeln umspielte jetzt ihre Lippen und vervollständigte das Bild, das selbst Da Vincis Mona Lisa in den Schatten verbannte.
 

“Du hast mich lange warten lassen.” Ihre Stimme ein einziges Windspiel, hell und klar, wie das Rauschen eines Baches.
 

Und mit einem Mal wurde mir die Bedeutung all dessen bewusst.

Diese Stadt.

Diese Bar.

Diese Empfindungen.
 

Sie galten mir.
 

Plötzlich wurde mir klar, dass sie mein Ziel war.

Das Ziel einer Suche, von der noch nicht einmal ich selbst etwas gewusst hatte. Tief verborgen in meinem Unterbewusstsein lag eine Sehnsucht, die mich immer wieder intuitiv vorangetrieben hatte.

Bis ich letztendlich angekommen war.

Das Umherirren war beendet.
 

Ich erwies ihr den Respekt, den sie mehr als jedes andere Wesen verdient hatte und senkte meinen Kopf. “Tut mir leid, Ma’am.”
 

Sie streckte ihre kleine, zierliche Hand einladend nach mir aus.

Ohne weiter darüber nachzudenken, ergriff ich sie.
 

Zum ersten Mal fühlte ich etwas bis dato noch völlig unbekanntes.
 

Hoffnung...
 


 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Ich hoffe, es hat gefallen...^__^



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Kommentare zu diesem Kapitel (25)
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Von:  Krylia
2013-01-07T19:05:50+00:00 07.01.2013 20:05
Wirklich wunderschön geschrieben.
Also, ich weiss gerade gar nicht, was ich sonst noch dazu sagen soll. Respekt. Es ließt sich wunderbar. :)
Von:  chanli
2012-03-25T18:23:35+00:00 25.03.2012 20:23
Ich muss sagen, dass mir dein Oneshot sehr gut gefallen hat! du hast es perfekt hinbekommen Jaspers Gabe tu erklären... Wie du immer kurz die Gefühle angedeutet hast die ihn von außen überfallen... Und dann die Begegnung mi Alice... Traumhaft ;) ein schönes kurzes Sequel zu Biss...

Und obwohl du viele kurze Sätze verwendest, und ich eher auf den Schachtelsatz-Stil abfahre, lies sich die Geschichte total flüssig lesen... Und war richtig fesselnd ;) ich glaub ich muss mal schauen, was du sonst noch so hochgestellt hast :)

LG!
()()
(^^)v chanli
Von:  MoonlightWhisper
2012-03-11T19:02:14+00:00 11.03.2012 20:02
Ich muss sagen, ich mochte die Biss-Reihe nicht so gerne...
Doch was du hier angerichdet hast. Was du geschrieben hast: es ist einfach wundervoll.
Ich bin begeistert, wie du Jaspers Fähigkeit beschrieben und eingebaut hast.
Auch sein Treffen auf Alice, einfach schön.
Du hast wirklich Talent, kein wunder das es YUAL wurde!

lg
Von:  -Moonshine-
2012-03-08T14:48:07+00:00 08.03.2012 15:48
Oh, schön. Ich bin eigentlich kein Twilight-Fan, aber der kurze OS ist wirklich sehr schön geschrieben, sehr authentisch. Vor allem der Schluss gefällt mir sehr gut; er weckt sowas wie Hoffnung, ohne pathetisch oder kitschig zu wrken.
Eine wirklich gute Leistung, verdientes YUAL. :)

LG
Eli
Von:  saso2
2010-10-28T12:25:25+00:00 28.10.2010 14:25
oh richtig schön ^^
Von: abgemeldet
2010-10-20T20:17:08+00:00 20.10.2010 22:17
Oh mein Gott...
einfach der Wahnsinn

Wie die einzelnen Gefühle der Menschen beschrieben werden, man kann sich richtig vorstellen, wie Jasper sie spührt.
Und dazu die verschiedenen Begebenheiten, in denen sie entstanden sein könnten...

Was mir zudem sehr gut gefiel, war die Erinnerung, wie er zum ersten Mal eine Stadt mit vielen Menschen betrat und der Vergleich der verschiedenen Emotionen mit einem Regenbogen.
Aber das Highlight war natürlich die Begegnung zwischen Jasper und Alice. Einfach der Hammer.
Ich konnte mir richtig vorstellen, wie Jasper total verwirrt an der Tür stehen bleibt und Alice auf ihn zu kommt.

...ehrlich gesagt bin ich ein bisschen geplättet und sprachlos...

was noch zu der tollen Erzählung und den ddetailierten Beschreibungen dazu kommt ist dein toller und atemberaubender Schreibstiel... ich finde es gibt nur wenige FF-Autoren die sooo unglaublich fesselnd schreiben, dass man garnich mehr aufhören will was von ihnen zu lesen.
Und genau das bekommst du total gut hin.

Fang gleich an das nächste von dir zu lesen XD

LG KazukiSaeme✖✐✖
Von:  Wasp
2010-05-25T22:36:09+00:00 26.05.2010 00:36
GOTT, dass ist so wunderschön QAQ...
Mir fehlen die Worte *w*
Von:  Juri
2010-03-12T16:08:49+00:00 12.03.2010 17:08
Ich fand es echt toll :)
Dein Schreibstil gefällt mir, erinnert mich irgendwie an meinen :)
Von: abgemeldet
2009-03-30T01:45:06+00:00 30.03.2009 03:45
wunderschön!!
mehr gibt es nicht zu sagen ^^

ggLG
Von: abgemeldet
2009-03-27T13:15:53+00:00 27.03.2009 14:15
Oh wow, ich bin absolut hin und weg...der Totale oberhammer! Ich liebe es, wie die ganzen eindrücke beschrieben wurden und dann der moment als Jasper die gefühle von Alice wahrnimmt. *herzklopfen* <3<3<3

Hammer-Dickes Lob von mir! Hast mich sozusagen vom Hocker gerissen! ^^
Liebe Grüße!


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