Tribute to Fantasy von abgemeldet ================================================================================ Prolog: -Prolog- ---------------- Ein Krachen. Laute Schreie. Dann wurde es still. Zu still. Belyna hockte zusammengekauert in der Dunkelheit ihres Kleiderschrankes. Ein besseres Versteck war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen. Jetzt fluchte sie und fühlte sich in dem riesigen Kleiderschrank wie auf dem Präsentierteller. Alles war so schnell gegangen seit dem ihre Magd mit lautem Poltern in ihr Gemach gestolpert kam und sie unsanft aus dem Bett gerissen hatte. Die Nachricht war grausam. Hunderte von Schattenkriegern waren in die Stadt gedrungen und brannten alles nieder. Belyna hatte sich nicht bewegen können. Zu groß war die Angst, die sich in jedem Winkel ihres jungen Körpers ausbreitete. „Wir müssen uns beeilen!“ drängte die junge Dienerin mit dem leuchtend roten Haar, die kaum älter als sie selbst war, und schaute sich ängstlich im riesigen Gemach um. Vom Flur her waren erste Kampfgeräusche zu hören. Das zerreißende Geräusch von aufeinandertreffendem Eisen verwandelte Belynas Angst in pure Panik. Schnell sprang sie aus dem Bett und lief zu ihrem Schrank. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit“ rief die verängstigte Magd. „Sie werden so mitkommen müssen!“ Die Dienerin ergriff des Königstochter’s Hand und zog sie im wehenden Nachtgewand vorbei an dem kleinen Fenster, das einen grausamen Blick auf die brennende Hauptstadt zuließ, hin zu einem riesigen Bücherregal. Die Kampfgeräusche, Geschrei und zerschmetterndes Eisen, kamen immer näher. Sie musste schon kurz vor ihrem Gemach sein. Die zitternde Hand des Dienstmädchens griff zu einem alten Band Königreiche des Westens und zog dieses heftig aus der Buchreihe hervor. Es gab ein leises Knacken und das Bücherregal sprang unmerklich ein Stück zur rechten Seite auf. Die Geheimtür war schwer, dass wusste Belyna Thakhisis. Zu oft schon hatte sie den geheimen Weg durch den Nordturm hinab zum silbernen Fluss genommen. Oft war es nur eine Ausflucht aus dem allzeit öden Leben zu Hofe. Gaukler, Ritterspiele, Schlossfeste, dass alles hatte sie früher als kleines Kind begeistert, doch nun war sie eine junge Dame geworden und mit dem Erwachsenwerden kamen auch die Verpflichtungen und Bindungen, die das Amt der jungen Königstochter mit sich brachte. Sie fühlte sich gefangen in einem riesigen Bauwerke aus festem kaltem Stein. Der kleine schmale Fluchtweg war ein allgegenwärtiger Hoffnungsschimmer, ein Weg den sie gerne gegangen war, weil sie wusste, dass an dessen Ende die Freiheit auf sie wartete. Dort wo sie tun und lassen konnte was sie wollte ohne unter dem ständig wachsamen Auge ihrer Mutter zu stehen, zumindest solange, bis sie wieder zum Schloss zurückkehren musste. Denn es war trotz allem ihre Heimat und ihre Zukunft. Doch was würde sie jetzt am Ende dieses Tunnels erwarten? Wieder drangen Schreie aus dem Flur und ein heftiges Poltern ihrer Zimmertür ließ erahnen, dass die Krieger auf dem Weg zu ihr nur noch die schwere Holztür zu überwinden hatten. Wie lange würde sie die Schatten aufhalten können? Ließen sich Schatten überhaupt durch eine einfache Holztür aufhalten? Die beiden jungen Damen drängten sich in die Dunkelheit des Tunnels und wandten sich nach Rechts. Nur die Fackel, die die junge Magd in der Hand hielt versuchte ein wenig Licht in die langen feuchten Gänge zu bringen. Das Dienstmädchen ging voran, kein Zweifel auch sie kannte sich bestens in dem weitreichendem Tunnelsystem aus. Dann ein erstickender Schrei. Belyna sah die Fackel zu Boden fallen, dann den Körper der Dienerin. Dort wo der Pfeil sie in den Kopf getroffen hatte floss bereits ein kleiner Blutrinnsal. Übelkeit stieg in der Prinzessin auf. Sie hörte Schritte von Vorne. Wie waren die Schatten in den Geheimgang gelangt? Das konnte nur bedeuten… „Mama! Papa!“ wisperte sie kaum hörbar. Panisch hastete sie wieder zurück, sie war völlig orientierungslos und tastete sich durch den Tunnel zurück zu ihrem Zimmer. Sie hoffte nur dass die Schatten noch nicht die Türe überwunden hatten. Sie konnte aus ihrem Fenster klettern, dachte sie verzweifelt. Sie würde sich nicht den Schatten ergeben. Endlich erblickte sie einen Lichtstrahl der durch die Geheimtür in den Gang fiel. Sie rannte schneller. Ihr Herz pochte wie wild und kalter Schweiß legte sich auf ihre Stirn. Sie stolperte in den riesigen Raum, der in ein unheimliches Licht getaucht wurde. Alles wirkte so fremd und schemenhaft. Waren die Schatten schon hier gewesen? Sie schaute zur Tür, die nach wie vor verschlossen am anderen Ende des großen Raumes weilte. Ein lautes Poltern gegen die Zimmertür. Hinter ihr schwere Schritte, die aus dem Geheimtunnel immer näher kamen. Sie saß in der Falle. Wohin nur? Belyna rannte zum Fenster und erblickte die Stadt, die leblos vor sich hinbrannte. Die Schreie der Menschen waren verstummt. Was war wohl mit ihnen passiert? Waren sie tot? Sklaven der Schatten? Und was würden die Schatten mit ihr anstellen? Das steinerne Fenster war viel zu klein, niemals würde die Prinzessin sich da durch zwängen können. Und wenn doch, anschließend ging es rund zehn Meter senkrecht in die Tiefe bevor der erste rettende Absatz in Sicht kam. Nein, dass würde sie niemals überleben. Panisch schweifte ihr Blick durch das Zimmer und fiel auf den großen Kleiderschrank. Verstecken war feige, doch alles in ihr schrie danach in ein dunkles Loch zu fliehen. Ohne weiter drüber nach zudenken öffnete sie den Schrank. Belyna spürte, das die Schatten immer näher kamen. Ihr eisiger Atmen erfüllte das ganze Schloss. Nun saß sie schon seit einigen Minuten im dunkeln Kleiderschrank, verborgen hinter langen glänzenden Kleidern aus Seide und teuren Stoffe in allerlei prächtigen Farben. Sie hatte einen lauten Knall gehört. Hatten die Schatten die Türe überwunden? Dann war es still geworden. Zu still. Belyna versuchte flach zu atmen. Die Schatten durften sie nicht finden. Erst jetzt merkte sie, dass ihr Gesicht feucht von Tränen war. Sie hatte Angst, unglaubliche Angst. Sie hörte wie ihr Herz schlug und hoffte, dass ihr Herzschlag sie nicht verriet. Würden die Schatten ihre Angst riechen können? Ein lautes Knarzen direkt vor der Kleiderschranktür, ein schwerer Atemzug. Sie waren da. Belyna schloss die Augen. Sie hörte das Rascheln einer langen Robe. Es klang unheimlich, unecht. Sie vernahm das Quietschen des Türgriffs der sich langsam drehte, es klickte. Die Prinzessin spürte wie die Kälte in den Raum floss und sich wie ein schweres Tuch über ihren Körper legte. Sie konnte es nicht mehr aushalten, ihr ganzer Körper schrie nach Erlösung. Dann öffnete Belyna die Augen und starrte in zwei rote zu schlitzen gezogene Augäpfel. Das war das Letzte was sie sah. Alsdann drang die Eiseskälte in ihre Atemwege und breitete sich in ihrem ganzen Körper wie ein gieriger Parasit aus. Sie spürte wie die Leichtigkeit und die Wärme, die all die Jahre ihren Geist beflügelt hatten verschwanden und sich ein schwerer schwarzer Vorhang über ihren Geist legte. Die Schatten hatten gewonnen. Kapitel 1: -1- -------------- -1- Die Sonne schien durch das verdreckte Fenster, dass schon seit Jahren nicht mehr geöffnet wurde und Staubflocken tanzten in den wenigen Sonnenstrahlen, die den Weg auf den Dachboden gefunden hatten. An den Wänden reihten sich unzählige Regale mit Büchern und Fotos aus längst vergangenen Tagen, die durch eine dicke Staubschicht von der Alltagstristes der neuen Welt beschützt wurden. Nur vereinzelt stachen einzelne Bücher hervor, die erst vor kurzem aus der Vergessenheit befreit wurden. Vor den Regalen stapelten sich unzählige Reliquien. Unordentlich zusammengelegt, mit der Absicht sie nie wieder gebrauchen zu müssen. Für viele war es nur ein Haufen wertlos zusammengelegter Schutt. Trödel, Sperrmüll, vielleicht Abfall, den man einfach verbrennen sollte. Doch für Maja war jedes Einzelne ein Schatz. Die junge Frau mit den langen blonden Haaren lag inmitten von aufgeschlagenen Büchern, auf dem einzig freien Stück des Dachboden, das man gefahrlos betreten könnte ohne von unzähligen Büchern erschlagen zu werden und schlief ruhig. Sie war gerne hier oben, die Luft roch so aufregend, außergewöhnlich. Abenteuer lag in der Luft. Doch als sie aus dem Traum aufschreckte blickte sich verängstigt in dem kleinen Raum um und alles wirkte plötzlich bedrohlich. „Schatten!“ wisperte sie und schon verflüchtigte sich die Angst an das Geträumte. Schon wieder, dachte sie. Warum träumte sie in letzter Zeit immer von diesem Mädchen. Seit Wochen schon verfolgte sie der gleiche Traum. Dabei hatte sie keinen Schimmer wer dieses Mädchen war. Und diese Schatten. Alles war so verwirrend. Wie zuvor beschloss sie den Traum zu vergessen und nicht weiter drüber nachzudenken, doch sie wusste, dass er ihr ständiger Begleiter würde. Sie schreckte auf als sie von der Treppe ein Geräusch hörte. „Keine Angst meine Kleine. Ich bringe dir nur ein paar Kekse und etwas Tee“, sprach die ruhige Stimme ihrer Großmutter. „Danke Großmama. Aber du weißt doch, dass du dir nicht solche Mühe machen brauchst.“ „Ich freue mich halt wenn du hier bist und lass deiner Großmama doch noch ihre Enkelin bemuttern. Wer weiß wie lange ich das noch kann.“ „Sag nicht so etwas“, murmelte Maja und nahm ihr das Tablett mit der Verpflegung ab. Die alte Dame war trotz ihres hohen Alters noch gut zu Fuß und setzte sich zu Maja auf den Boden nachdem sie unzählige Bücher zur Seite gelegt hatte. „Ich freue mich natürlich immer wenn du hier bist Maja“, fing sie an zu erzählen. „Aber ich denke, dass es langsam Zeit wird, dass du wieder zur Vernunft kommst.“ Maja ahnte in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickeln würde. „Oma, lass gut sein. Ich…“ doch sie wurde von einem bösen Blick unterbrochen. Oft hatte auch sie sich gefragt, ob sie nicht ihre Zeit verschwende alten ausgedachten Geschichten hinterher zu hängen. Doch wenn sie wieder in ihren grauen Alltag zurückkehrte wusste sie, dass es das Einzige war was ihr Leben erfüllte. In der Welt da draußen würde sie nie das finden, was sie tief in ihrem Herzen berührt, die Lust nach Abenteuer und Wagnis. Das Verlangen mehr zu sein als sie je zeigen konnte, dass auch in ihr etwas Außergewöhnliches steckte. Jeden Tag die gleiche Tristes. Schule und Arbeit war ihr momentaner Lebensmittelpunkt. Doch konnte sie das erfüllen? Sicher gab es auch Momente in denen sie glücklich war, doch die Erfüllung konnte das Leben mit seinen flüchtigen Höhepunkten ihr nicht bieten. „Ich mache mir halt Sorgen. Seit Wochen hockst du jetzt schon hier oben und stöberst in alten Büchern. Nicht, dass ich dir das vorhalten will. Ich meine bei der Jungend heutzutage ist so was nur wünschenswert. Aber schau, dein Leben geht an dir vorbei, wenn du deine gesamte Freizeit hier auf dem stickigen Dachboden verbringst.“ Sie machte eine Pause. Maja überlegte, ob sie etwas einwenden sollte. Andererseits war die Diskussion nicht neu und immer lief es auf das Gleiche hinaus. Das würde dieses Mal nicht anders enden. Dann sprach ihre Großmutter mit ruhiger Stimme weiter während ihr Blick auf eine Zeichnung fiel die Maja vor sich liegen hatte. „Ich weiß du träumst von einem Prinzen der dich eines Tages aus diesem langweiligen Leben retten kommt. Du träumst davon, dass mitten im Unterricht dunkle Gestallten in den Klassenraum dringen. Du träumst davon, dass eines Tages deine Fantasie zum Leben erwacht. Doch schau dich um. Wir sind nicht Teil eines Buches. Das hier ist das echte Leben. Wenn du weiterhin solchen Träumereien nachhängst wirst du am wirklichen Leben scheitern.“ Maja starrte auf die Staubflocken, die im Sonnenlicht fröhlich auf und ab tanzten. Was hatte ihre Großmutter schon eine Ahnung wovon sie träumte. Sie wusste gar nichts. „Ich sehe es doch an deinem Blick“, fuhr die alte Dame fort. „Du bist genau wie ich es früher war. Schau das sind meine Werke. Mein Leben. Doch auch ich musste irgendwann einsehen, dass Fantasie halt Fantasie bleibt und dass dies nichts am richtigen Leben zu ändern vermag. Ich habe nur schwer wieder die Kurve bekommen, dank deines Großvaters. Gott hab ihn selig. Denk an dich Maja, komm wieder auf den Boden zurück. Es wird nie etwas Zauberhafteres in deinem Leben passieren, als dass was dir das Leben zu bieten hat. Arbeit, einen Ehemann und eine Familie. Und irgendwann wirst du erkennen, dass genau das der Weg zum Glück ist und nicht das ewige Verstecken vor der Welt.“ „Was weißt du denn schon? Ich spüre doch, dass ich nicht in diese Welt gehöre. Das ständige Anpassen an Dinge die ich nicht will. Das ständige Hineinpressen in irgendwelche Bestimmungen, die nicht die meinen sind. Ich spüre wie mich diese Welt einengt und ich kann nicht mehr frei atmen, wenn ich daran denke wie schlecht es doch jedem auf der Welt geht, der nur seiner Aufgabe nachgeht und sich nie fragt, ob es ihn glücklich macht. Wie viele Menschen tagtäglich zur Arbeit gehen und wissen, dass sie das tun müssen, weil es ihr Überleben sichert. Wie viele Menschen tagtäglich Entscheidungen treffen, und merken, dass diese doch schon vorgegeben sind. Unserer Welt ist der Zauber verloren gegangen und jeder lebt nur noch sein Leben vor sich hin, engstirnig und geistlos. Ist das eine Welt in der du leben möchtest?“ Maja war bereits aufgestanden und Tränen flossen ihr über die Wangen. „Nie werde ich etwas Aufregenderes erleben als Bücher zu lesen, ins Kino zu gehen, von Abenteuern zu hören die andere erlebt haben. Warum lässt du mir nicht den letzten Zufluchtsort den ich in dieser gottverdammten Welt habe?“ Maja packte ihre Tasche und stürmte bereits die Treppe hinab. „Maja bitte warte!“ Doch Maja dachte nicht daran. Wie konnte ihre Großmutter ihr nur so in den Rücken fallen? „Maja, du darfst dich nicht verschließen vor Wundern. Auch in unserer Welt gibt es genug Zauberei. Du musst nur bereit sein sie zu sehen. Dann wirst du erkennen, dass kein Fantasiebuch der Welt mit den Abenteuern des Lebens mithalten kann.“ Die Tür schlug zu. Maja rannte den ganzen Weg bis nach Hause. Tausend Dinge gingen ihr durch den Kopf. Ihre Großmutter konnte kein Recht behalten. Warum war dann ihr Leben nur so öde. Warum passierte ihr nie etwas abenteuerliches, wenn doch um sie herum so viel Magie floss? „Maja, was ist passiert. Du bist ja ganz aufgelöst!“ rief ihre Mutter ihr nach als sie die Wohnung betreten hatte. Sie brauchte jetzt keine guten Ratschläge von einer besorgten Mutter. Sie musste auf Abstand gehen. Schnell packte sie ein paar Sachen in ihren Rucksack und stürmte zur Tür. Ihre Mutter versperrte den Weg. „Schatz was ist los? Hast du Ärger in der Schule? Kann ich dir irgendwie helfen?“ „Mir ist nicht zu helfen!“, raunte sie und stürmte vorbei an ihrer Mutter und hinaus in den spärlich beleuchteten Flur des Altbaus. „Ich bin zum Abendessen wieder da“ rief Maja in einem letzten Versuch ihre Mutter nicht auch den Tränen zu überlassen. Sie rannte in den verwahrlosten Garten, der überwuchert von Unkraut und Müll, kein ansehnliches ruhiges Plätzchen bot. Zu Zeiten war er ihr sogar unheimlich, so zurückgelassen und verwildert schien er oft ein Platz für Junkies und kriminelle Treffen zu sein. So beschloss sie in den Wald zu fahren und holte ihr Fahrrad aus dem Schuppen nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ihr Rucksack fest saß. Das Mädchen fuhr durch die schmuddeligen Straßen der Großstadtsiedlung, die große verkehrsdichte Hauptstraße entlang, bis sie nach einiger Zeit in dürftig bebautes Gebiet kam, dessen Häuser verwahrlost und besitzlos die ausgestorbene Straße säumten. Die Häuser wurden immer weniger und die wenigen restlichen Ruinen, die hier noch überlebt hatten wurden von den Ausläufern des angrenzenden Waldes verschlungen. Sie mochte den Wald, der sich so wild und unbekümmert ausbreitete und um den sich seit Jahren schon keiner mehr gekümmert hatte. Einst war es ein ansehnlicher Stadtwald gewesen, mit vielen herrlichen Wegen und Brücken, Kinderspielplätzen und Grillplätzen. Es war ein schöner Ort, den die Menschen aus der angrenzenden Großstadt gerne zum Ausspannen nutzten. Maja erinnerte sich wie sie früher oft mit ihren Eltern hierher kam und stundenlang an den Teichen gesessen und Enten gefüttert hatte. Es waren jene glückliche Zeiten an die sie so oft dachte nachdem ihr Vater gestorben war. Zeiten in denen Kummer und Sorgen keine Bedeutung hatten. Heute war der Wald nur noch ein verkümmertes Stück Wildnis um den sich keiner mehr zu kümmern wusste, denn nach und nach kamen weniger Menschen in den Wald. Keiner schien sich mehr an der schönen Natur zu erfreuen. Die Menschen hatten sich verändert und schienen nur noch wenig Gefallen an den Wundern der Natur zu finden. Sie verkrochen sich lieber in ihre düsteren stickigen Büros, hingen in gefährlichen Gangs an jeder Straßenecke herum oder hielten sich stundenlang in einem der unzähligen Staus auf, die durchgehend die Straßen verstopften. Sie folgte einem kleinen Trampelpfad der sie zu der Lichtung die sie neulich entdeckt hatte führen würde. Ihr Fahrrad konnte sie nur noch schieben, so eng bewachsen war der Pfad. Nach einiger Zeit erreichte sie die kleine Waldlichtung, die mit ihrem frischen grünen Graß, dem kleinen plätschernden Bach sehr einladend wirkte. Dort war sie ganz für sich und konnte ihren Gedanken nachhängen. Majas Großmutter saß noch lange auf dem Dachboden und dachte nach. Der Tee war schon längst kalt und die Sonne versteckte sich hinter dicken Wolken. Konnte es nur diesen Weg geben? Wiederwillig stand sie auf und ging zu einer alten Kommode, die mit einem dicken Vorhängeschloss versehen war. Unter ihrer schmutzigen Küchenschürze holte sie einen Schlüsselbund hervor an dem neben vielen silberglänzenden Schlüsseln ein alter Rostiger hervorstach. Sie öffnete das Schloss und mit einem lauten Knarren der schweren Türen kamen unzählige Gerätschaften der Magie zum Vorschein. Kerzen in unzähligen Farben, Räucherwerk und allerlei Gefäße mit Kräutern und bunten Flüssigkeiten. Die alte Dame kramte ein kleines Räuchergefäß hervor sowie zwei weiße Kerzen und eine Schachtel mit der Aufschrift Getrocknete Kräuter. Sie zündete die Kerzen an und stellte sie sorgfältig rechts und links neben das steinerne Räuchergefäss. Dann entzündete sie ein paar der getrockneten Kräuter und ließ sie in die Räucherschale fallen. Das Zimmer bekam langsam einen süßlichen Geruch vermischt mit Lavendel und Thymian. Dann verfiel sie in ein ständiges immer lauter werdendes Summen, das keiner Melodie zu folgen schien. Dabei wippte sie auf den Knien hin und her und wirkte schon nach wenigen Minuten wie in Trance. Das Summen schien lauter zu werden und es ward so als ob mehrere Stimmen mit eingesetzt hatten. Dann öffnete Majas Großmutter die Augen und holte ein langes blondes Haar hervor, das sie von der Stelle gesammelt hatte an der Maja gesessen hatte. Sie warf es in die Räucherschale und direkt fing es an sich zu Kräuseln und immer kleiner zu werden. Dann sprach sie mit solch einer festen Stimme, dass sie selbst Gänsehaut bekam. „Lange habe ich dich nicht mehr um Hilfe gebeten, doch Maja scheint auf den falschen Weg zu raten. Ich möchte nur das Beste für sie. Hilf mir und gib mir die Kraft sie wieder auf den richtigen Weg zu führen.“ Das Summen verstummte mit einem Mal und eine unheimliche Stille machte sich in dem kleinen Raum breit. Es schien als wäre die Zeit stehen geblieben. Majas Großmutter bekam Angst. So war es noch nie gelaufen. Irgendwas ging hier schief. Es war viel zu ruhig. „Hallo? Ist da jemand?“ flüsterte sie in den leeren Raum hinein. Ein Luftzug ging durch das Zimmer und löschte die Kerzen. „Nein!“ rief sie entsetzt. Dann wurde es dunkel und die Dame wusste, dass sie die Kontrolle verloren hatte. Die Sonne beugte sich langsam der Nacht und die letzten Strahlen huschten durch die üppigen Baumkronen der alten Bäume. Das Rascheln des Windes vermischte sich mit dem sanft fließenden Wasser des Baches. Maja lag auf dem Rücken und betrachte die länger werdenden Schatten der Bäume, die sich um sie herum wie Märchentiere bewegten. Sie wusste nicht mehr wie viele Stunden vergangen waren, seit sie von ihrer Großmutter so forsch geflohen war. Hier im Wald schien die Zeit viel langsamer zu vergehen. Hier fühlte sie sich wohl und geborgen, ganz anders als in der Enge der Großstadt. Sie beobachtete zwei Libellen, die geschmeidig in einem Tanz der Lüfte über der Lichtung schwebten. Vielleicht sollte sie langsam aufbrechen. In wenigen Stunden würde die Nacht hereinbrechen und dem Wald jegliche Warmherzigkeit nehmen. Der Wald war ihr zu dunklen Stunden unheimlich. Wer wusste schon welche Wesen sich dann aus ihren Verstecken trauten? Sie packte ihre Sachen zusammen und rüstete ihr Fahrrad. Es war noch ein weiter Weg bis zur sicheren Straße und zum Abendessen würde sie auch zu spät kommen. Mist! Warum musste sie nur immer so viel träumen? Sie fuhr den kleinen Trampelpfad entlang, den sie auch schon gekommen war. Hier kam so gut wie nie jemand entlang. Ihr hatte die Abgeschiedenheit nie etwas ausgemacht, nein sie hatte sie sogar gesucht und in dieser Waldlichtung gefunden. Nicht einmal ihrer besten Freundin hatte sie etwas davon erzählt. Doch jetzt machte diese Einsamkeit sie unruhig. Sie würde es nicht mehr schaffen noch vor Sonnenuntergang aus dem Wald zu sein. Wenn ihr was passieren würde wüsste keiner wo sie zu suchen war. Sie trat schneller in die Pedalen und merkte, dass sie schon nach kurzer Zeit schwer zu atmen anfing. Am Wegesrand entdeckte sie die ersten Glühwürmchen, die mit ihren Lichtern den Weg zu ebnen schienen. Die Sonne war jetzt ganz verschwunden und nur noch schwaches Licht drang durch die dichten Baumkronen. Kalter Schweiß lief ihr den Rücken runter. Der Wald wirkte unheimlich. Der Gesang der Vögel war verstummt und an seiner waren geheimnisvolle Rufe der Nachttiere getreten. Maja fuhr jetzt ungewöhnlich schnell. Der Weg war uneben und nicht das erste Mal hätte sie beinahe das Gleichgewicht verloren. Sie erreichte eine weitere Abzweigung doch dieses Mal war sie sich nicht sicher welchen Weg sie gekommen war. Es sah in der hereinbrechenden Dunkelheit alles so gleich aus. Sie hielt sich rechts, doch der Weg wurde immer unebener bis er schließlich ganz aufhörte und in wildem Gestrüpp endete. Maja machte kehrt und wurde zunehmend nervöser als sie merkte, dass sie kaum noch etwas erkennen konnte. Sie fuhr wieder auf die letzte Abzweigung zu. Doch diesmal war irgendetwas anders. Von weitem konnte sie nur einen Schatten erahnen, doch je näher sie kam desto mehr wurde ihr klar das dort jemand stand. Eine dunkle Gestalt, gekleidet in einer langen Robe, stand regungslos inmitten des Weges. Sein Gesicht war nicht zu erkennen und wurde von der Dunkelheit um ihn herum fast verschlungen. Maja wollte bremsen, doch ihre Bremsen schienen sich zu sträuben. Sie versuchte mit ihren Füßen zu stoppen, doch sie war einfach zu schnell. Sie kam der dunklen Gestalt immer näher und ihr Herz fing wild an zu pochen. Es waren nur noch wenige Meter, dann würde sie ungehalten in den Fremnde rasen. Dann hob der dunkle Schatten seinen Kopf und offenbarte zwei rot leuchtende Augen, die sich wie zwei Messerstiche in Majas Kopf bohrten. Das Fahrrad fuhr gegen einen Ast, der den Weg kreuzte und kam von Weg ab. Maja verlor das Gleichgewicht und landete in der allgegenwärtigen Dunkelheit. Sie spürte einen brennenden Schmerz in ihrem Kopf. Flugs versuchte sie sich aufzurappeln und ihr erster Blick galt der Abzweigung, die sie nach dem Fremden absuchte. Doch der Weg war leer. Maja konnte vor Angst kaum atmen und blickte sich verängstigt in ihrer Umgebung um. Ihre Augen hatten sich zwar etwas an die Dunkelheit gewöhnt doch sie konnte noch immer nur schemenhaft die Umrisse der Bäume aus ihrer direkten Umgebung erkennen. Hatte sie sich den Fremden nur eingebildet? War ihre Fantasie mal wieder mit ihr durchgegangen? Doch es schien so real. Sie spürte wie etwas warmes, klebriges ihren Kopf hinunterfloss. Blut! Sie musste so schnell wie möglich aus diesem Wald heraus. Sie eilte zu ihrem Fahrrad und suchte ihren Rucksack den sie bei dem Sturz verloren hatte. Ihre Hände tasteten zitternd über den moosigen Waldboden. Kurze Zeit später hatte sie ihn gefunden. Als sie sich aufrappelte blickte sie in zwei finstere rote Augen, eiskalt und starr. Sie spürte den warmen Blutrinnsal, der jetzt ihren Hals hinunter floss, merkte die Kälte, die sich wie ein Gespinst über sie legte. Sie wollte schreien, wollte weglaufen, doch sie blickte nur unverwandt in die tödlichen roten Augen ihres Gegenübers. Sie wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Aus Sekunden wurden Minuten und aus Minuten eine halbe Ewigkeit. Dann endlich war sie dankbar dafür, dass sie merkte wie sie die Dunkelheit einwickelte, ihre Füße versagten und sie bewusstlos zu Boden fiel. Würde sie hier jemals jemand finden? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)