Patriota von abgemeldet (Der Landsmann) ================================================================================ Kapitel 1: Familie ------------------ „Was ist das schrecklichste was dir je passiert ist?“ „Das schrecklichste was mir je passiert ist...tja, wo soll ich nur anfangen? Ich würde sagen mein Leben ist so schrecklich gewesen, dass ich nicht mal mehr den Unterschied zwischen freudigen und traurigen Erinnerungen machen kann.“ „Warum redest du andauernd in der Vergangenheitsform von dir? Du bist doch kein alter Mann, der seine Lebensgeschichte erzählt.“ „Ich bin zwar nicht alt, aber...ich lebe schon lange nicht mehr...nein schon lange nicht mehr.“ Meine Mutter war eine tüchtige Frau. Sie arbeitete viel und trotzdem gab sie mir die Liebe, die ich brauchte, aber damals nicht zu schätzen wusste. Sie war hübsch und hatte immer ein Lächeln für mich über, auch wenn es ihr schlecht ging. Sogar auf ihrem Sterbebett lächelte sie mir zu. „Ach Vin, weißt du wie sehr ich mir eine Tochter von deinem Vater gewünscht hätte bevor er den letzten Atemzug genommen hat? Sie würde mir beim kochen helfen und die Wäsche für mich aufhängen. Sie würde später einmal meine Kleider tragen und sie hätte das bezaubernde Lächeln deines Vaters geerbt. Sie wäre wundervoll.“ „Aber es gibt sie nicht. Ich bin dein Sohn.“ Ich hasste es, wenn meine Mutter von ihrer nicht vorhandenen Tochter schwärmte. Sie errötete leicht, strich sich die Haare aus dem Gesicht und schaute mit ihren wunderschön hellen Augen zur untergehenden Sonne hin. Heute war ein herrlicher Sommertag. Es war angenehm warm, aber nicht zu heiß und eine kühle Brise blies meiner Mutter das sommerliche Kleid um die Hüften. Sie drehte sich zu mir um und schaute mir tief in die Augen. „Natürlich bist du mein Sohn, aber du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du mir in zehn Jahren noch helfen wirst. Du wirst dir ein Mädchen suchen und mit ihr in die Stadt ziehen. Du wirst glücklich sein ohne mich. Meine Tochter würde mich nicht in Stich lassen.“ Noch bevor ich etwas erwidern konnte ging sie an mir vorbei und machte sich auf den Weg zu unserem Haus. Damals war ich zu naiv und viel zu jung um überhaupt zu verstehen was sie damit meinte. Aber was konnte man von mir erwarten? Ich war schließlich erst neun Jahre alt. Ich verstand nicht einmal warum der Himmel blau und die Sonnenblumen am Rande unserer Felder gelb waren. Nun, das verstehe ich bis heute noch nicht. Und ich bezweifle, dass irgendjemand anderes das auch versteht. Was ich damit sagen will ist, dass ich nicht verstand warum sie so tat als würde sie mich hassen, obwohl dem nicht so war. Es war hart. Viele würden sagen ich bin verrückt, erst sage ich, dass sie immer ein Lächeln für mich über hatte und dann plötzlich spreche ich über den Hass, den sie gegen mich hegte. Mit dem Hass meine ich ihre Angst Männern gegenüber. Obwohl ich noch ein Kind war, betrachtete sie mich als vollwertigen Mann. Nachdem mein Vater uns verlassen hatte, fing es an. Sie sprach andauernd davon, wie sehr sie sich eine Tochter wünschte und beachtete meine nicht sehr selten vorkommenden Wutausbrüche dabei gar nicht. Mein Vater war jetzt etwa sechzehn Monate tot. Mich störte das nicht im Geringsten, denn er hatte mich nicht besonders gemocht. Ehrlich gesagt war mir egal, ob er im Moor erstickte oder sich an einem Apfel verschluckte. Hauptsache es gab ihn nicht mehr. Er hatte mein Mutter geschlagen, und das jeden Tag und mehrere Male. Ich hasste ihn, Aber meine Mutter hatte ihn geliebt und ich glaube, sie hätte ihn selbst dann noch geliebt, wenn er sie ins Grab gebracht hätte. Sie verschwand hinter den hohem Mais Feld und ich hörte nur noch ihr verträumtes Summen. Es war die Musik, die sie wahrscheinlich noch am leben hielt. Einmal hatte sie zu mir gesagt, sie hätte Angst zu sterben, weil sie nicht wusste, ob es in der Hölle Musik gäbe. Ob sie dort Harfe spielen könnte oder Ein Liedchen summen. Es war zum verrückt werden. Niedergeschlagen hing ich die restliche Wäsche auf und schaute dann zum Himmel hinauf. Am liebsten wäre ich weggelaufen. Weg von meiner Mutter, weg aus diesem verfluchten Dorf. Den Wäschekorb in meiner Hand ging ich weiter. Die Sonne war jetzt fast hinter den Bergen verschwunden und der Wind blies mir hauchzart über meinen nackten Oberkörper. Ein schönes Gefühl. Die Luft war trocken und es würde bald regnen, das spürte ich. Warum von diesem doch so schön klingendem Ort weg wollte? Es gab einfach zu viele schlimme Erinnerungen an meinen Vater. Ich wollte nicht mehr an ihn denken. Das war der Grund. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke erscheint es mir töricht, dass ich nur knapp zwei Wochen nach dem so einfühlsamen Gespräch mit meiner Mutter, wirklich weggelaufen bin. Fira war eigentlich ein sehr schöner Ort gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)