Reich & Schön ! von thelastbird (Haussklaven haben es nicht leicht . [ Zorro x Sanji. ]) ================================================================================ Prolog: No problem for me; I'm Superman! ---------------------------------------- Das hier ist mal ein bisschen was altes, quasi. Das alte Pairing, eine alte Story .. aber ich versuchs gut auf zubacken und frisch zu servieren. :D Damit ihrs trotzdem lest.. xD (!) Ich möchte darauf hinweisen, das die Charakter nicht mir gehören und ich auch kein Geld damit verdiene. o_o Will auch nicht. q: Gehört alles jemand anderem - nur die Idee nicht. :D Und jetzt viel Spaß hiermit ! :D ~ Reich und Schön! ~ N0. 1 – No Problem for me; I'm Superman! „Lorenor Zorro?“ Mein Name erklang, gefolgt von einem unangenehmen Knacken, durch den Lautsprecher des Wartezimmers, und wie auf Kommando drehten sich alle Köpfe zu mir um. Ich erhob mich schwerfällig, schleifte meinen müden Körper durch den Raum auf die Tür zu, in der die Arzthelferin lehnte und mich mit einer fast mütterlichen Fürsorglichkeit ins Behandlungszimmer brachte. Ich war froh, den überfüllten Raum mit den ganzen Mitkranken verlassen zu können. Die Ärztin, eine ältere Dame mit ergrautem Haar und einer streng wirkenden Brille auf der Nase, drehte sich auf ihrem Drehstuhl um und hielt mir emotionslos die Hand hin. Ich wusste schon, wieso ich Ärzte nicht mochte. „Herr... Zorro?“ Über meinen Nachnamen stolperten sie alle. Aber ich konnte ja auch nichts dafür, das ich in diese Teufelsfamilie hineingeboren worden war. „Ja, richtig.“ „Setzen sie sich doch.“ Ich folgte ihrem Befehl brav, ließ mich auf dem Untersuchungsstuhl nieder und folgte mit trübem Blick ihre Finger, die rasend schnell über die Tastatur des Computers fuhren, bevor sie diese Aufgabe an ihre Helferin übertrug. „Also, was führt sie zu mir?“ Intelligente Frage. Darauf sollte sie eine ebenso intelligente Antwort bekommen. „Ich bin krank.“ Fast schön, wie sich ihre Gesichtszüge von verwirrt in ein wenig beleidigt wandelten. „Davon bin ich ausgegangen. Was haben sie denn für Beschwerden?“ „Seit knapp zwei Tagen habe ich Fieber, ich huste und schniefe eigentlich dauerhaft vor mich hin und mein Kopf fühlt sich an wie eine überreife Tomate. Zu dick.“ „Eine Erkältung also.“ Nee, echt? Mein Gott, danke Frau Doktor, da wär ich jetzt ohne sie niemals drauf gekommen! Oh ja, ich hasste Ärzte. Doch ich hielt lieber den Mund – den Medikamente wollte ich trotzdem. Und die würde ich sicher nicht bekommen, wenn ich frech wurde. Ohne das jemand im Raum ein weiteres Wort verlor wurde mein Fieber gemessen, meine Brust, nachdem ich mich entkleidet hatte abgehört und schließlich noch mein Mundinneres untersucht. Nach dieser überaus lästigen Prozedur verscheuchte die Ärztin ihre Gehilfin vom Rechner und begann wieder, wie wild auf die Tasten einzuhämmern. „Ich schreibe ihnen was gegen das Fieber auf und noch etwas Schleimlösendes. Bleiben sie im Bett, trinken sie viel und verzichten sie auf die Glimmstängel.“ „Ich... rauche nicht.“ Die Frau schien wirklich gar nichts von ihrem Handwerk zu verstehen. War meine Lunge voller Teer? Sah ich aus wie ein Raucher? ... Wie sah ein Raucher eigentlich aus? „Ach, na dann hat sich das ja erübrigt. Sollte es in zwei Tagen immer noch nicht besser sein, kommen sie bitte wieder.“ „Mach ich.“ Bloß raus aus dieser Praxis. Den Arzt würde ich wechseln – diese Quaksalberin hatte doch wirklich keine Ahnung! Und die Erkältung hatte ich schon selbst diagnostiziert. Das konnte jeder nicht blinde, normal denkende Mensch ja wohl auf den ersten Blick sehen. Ich erhob mich, schüttelte ihr eher widerwillig die Hand und verließ den Raum. Am Empfangsschalter – nannte man das so bei Ärzten? - ließ ich mir von einem netten jungen Mann das Rezept aushändigen, keine Minute später stand ich im Hausflur und drückte den Knopf des Aufzuges. Ich fühlte mich ein wenig wie ein Weichei. Ich wurde so gut wie nie krank, zumindest konnte ich mich nicht wirklich daran erinnern das ich einmal Fieber gehabt hatte. Und nun, wo es das erste Mal passiert war, rannte ich sofort zum Arzt. Auch wenn es einen Grund hatte – ich musste spätestens in 4 Tagen wieder auf den Beinen sein. Der Aufzug kam und ich stieg ein. Das Ruckeln beim Abwärts fahren ließ mich jeden Knochen im Leib spüren. Ich wollte nur noch ins Bett und schlafen – doch bis dort hin war es ein noch recht weiter Weg, wenn man bedachte wie ich mich fühlte. Ich war kein wehleidiger Mensch. Ich hatte wohl eher die traditionelle Erziehung genossen – ein Mann weint nicht. Und diese Einstellung hatte ich mir bis dato bewahrt. Aber in 4 Tagen begann mein Praktikum bei „Beckster Shooting“, einer Agentur die Fotografen an Firmen vermittelte, für die sie dann Werbefotos oder Modelshootings machten. Und da wollte ich auf jeden Fall gesund und fit sein. Nicht, das ich keinen Job gehabt hätte bis dahin. Ich war 26, lebte in meiner eigenen kleinen Wohnung und hatte keine Unterstüzung à la Eltern – ergo kümmerte ich mich allein um die Finanzierung. Ich schlug mich mit Gelegenheitsjobs durch, nahm jeden noch so dreckigen Job an; hauptsache die Kohle stimmte. Das ich dieses Praktikum bekommen hatte, machte mich mächtig stolz. Ich war kein besonders guter Schüler gewesen, doch das war nicht so wichtig für eine Agentur die Fotografen betreute und vermittelte. Hier ging es nur um die Bilder, und fotografieren war meine unangefochtene Leidenschaft. Der Aufzug kam zum Stehen, ich stieg aus und machte mich auf den Weg. Es wurde schon dunkel; der Himmel war Wolken verhangen und auch sonst war das Wetter nicht sonderlich einladend. Die Menschen, die sich mit Regenschirm und dicker Jacke bewaffnet doch in die Stadt getraut hatten, bereuten es sichtlich, denn die fallenden Temperaturen versprachen nichts Gutes. Meine Wohnung in einem großen Mehrfamilienhaus in einem etwas ruhigeren Teil der City kam in Sicht, als ich mich an ein paar schwer bepackten Einkäufern vorbei drängte. Ein Hochhaus wie es im Buche steht. Ein wenig herunter gekommen von Außen und von Innen gleich doppelt so hässlich. Aber ich war nicht Krösus und froh über dieses Dach über dem Kopf. Ich musste mir noch einen Anzug anschaffen, fiel mir ein, als ich die Straße überquerte. Oder wenigstens ein gutes Hemd, das ich auf eine Jeans tragen konnte. Man hatte mir beim Vorstellungsgespräch schon verraten was meine Aufgaben sein würden, doch so richtig glauben konnte ich es noch nicht. Ich würde einige Zeit im Büro arbeiten, dabei zusehen wie man Treffen organisierte, Fotografen vermittelte und sich um dessen Sorgen kümmerte. Doch hauptsächlich würde ich mit den Fotografen, die allesamt Rang und Namen hatten, auf die Shootings gehen und ihnen dabei zusehen, wie Profis sowas machten. Ich gestand mir selber ein, das ich aufgeregt und hibbelig war. Wenn ich mich gut machte, konnte ich vielleicht bei einem der Fotografen lernen, sowas wie eine Ausbildung machen. Wenn ich bewieß, das ich Talent hatte. Und verdammt, das hatte ich! „HE!“ Erschrocken fuhr ich zusammen, drehte mich um und suchte die Person zum Ruf – doch das Einzige was ich sah war ein Klavier, das in einer unglaublichen Geschwindigkeit auf mich zuraste. Als mich das schwere Instrument traf und ich wie ein nasser Sack nach hinten kippte fragte ich mich, ob ich vielleicht in einem Comic gelandet war. Oder in einer Scatchshow. Versteckte Kamera. Was weiß ich. Dann wurde es erstmal Schwarz um mich und meine Welt. Ich wusste nicht, wie lange ich ohnmächtig auf dem Boden gelegen hatte, aber ich wurde durch einige immer lauter werdende Rufe und einem heftigen Schlag ins Gesicht wieder wach. Danke, Arschloch. Wer mich da auch immer geschlagen hatte – er hatte meine aufkommenden Kopfschmerzen nicht gerade verbessert. „He, können sie mich hören? Ich glaube, er wird wach!“ Das schien der Mann zu sein, der mir die eindeutig zu späte Warnung hatte zukommen lassen. Gemurmel setzte ein und ich vermutete mehrere Personen um mich herum. Um das überprüfen zu können, öffnete ich die Augen. Autsch. Das Licht war zu hell, die Farben zu grell und die Menschen um mich herum zu aufdringlich. Wollten die sich vielleicht auf meine Brust stellen? Dann hatten sie sicher einen besseren Blick in mein Gesicht. Einer stand auf meinen Haaren. Und das war eine Kunst, die waren nämlich ziemlich kurz. „Was...?“ Ich stöhnte auf, als meine eigene Stimme mir viel zu laut vorkam. „Ein Klavier hat sie gerammt.“ Gott, wäre das nicht die bittere Wahrheit, würde ich schallend lachen. Was für ein Scheißtag. Ich erhob mich langsam, war fast dankbar für die stützenden Hände in meinem Rücken, wem sie auch immer gehörten. „Können sie aufstehen?“ Mein besorgter Rettungsrufer hatte lange schwarze Haare, die ihm in Wellen über die Schulter fielen. Außerdem trug er einen Blaumann und ein Holzfällerhemd. Gruselige Mischung. „Ich denke schon.“ Ich schob seine Hand von meiner Schulter, drückte mich in die Höhe und packte mit an den Kopf, als mir ein wenig schwindelig wurde. Sofort wurde ich von drei bulligen Möbelpackern gestützt. Erst jetzt konnte ich wirklich sehen, was hier los war. Jemand zog in unser Haus ein, ganz offensichtlich jemand ziemlich gut betuchtes, denn die Möbel sahen alle recht teuer aus und die Packer schwitzten wie die Säue, was darauf hinwies das der oder die Neue weit oben wohnte. Und oben waren die großen Wohnungen. Komisch. Wieso sollte jemand mit viel Geld in so ein versifftes Mehrfamilienhaus ziehen? Ich schloss kurz die Augen, damit sich mein Kreislauf wieder normalisieren konnte. Einige Schaulustige waren stehen geblieben, betrachteten mich und die Möbelpacker, die immer noch um mich standen und meinen Gesundheitszustand wie die Bluthunde bewachten. Ich fiel mal wieder auf. Verdammt. „Es geht wirklich, danke. Ich geh jetzt rein und leg mich ins Bett. Es geht schon, keine Umstände.“ presste ich zwischen den Lippen hervor und drehte mich in Richtung Hochhaus. In diesem Moment sah ich ihn das allererste Mal. Ich weiß, was die meisten jetzt erwarten – 'seine Schönheit überwältigte mich, ich wusste sofort das er etwas besonderes ist'. Blablabla. Aber so wars nicht. Ehrlich gesagt hielt ich ihn von der ersten Sekunde an für eine arrogante, verkannte Schwuchtel. Ich wusste natürlich nicht, wie Recht ich hatte und das ich in dieser Hinsicht besser den Mund halten sollte. Für mich war er sofort der Schönling. Um die Groteske dieser Situation noch zu verstärken studierte er das Klavier, das einsam und verlassen auf dem Bürgersteig stand. Er hatte mittellange, glatte Blonde Haare, sein Gesicht war markant und doch irgendwie weich und weiblich. Er trug seltsame Klamotten – ein lilafarbenes Seidenhemd und eine schwarze Lederhose. Man konnte allerdings nicht sagen, das ihm das nicht stand. Die vorher so besorgten Möbelpacker bekamen auf einmal das Zittern. „Oh, Herr.. Herr Mutusava, das... das war ein Verstehen! Die Schlaufe um das Klavier hat sich gelöst und es ist vom Wagen gerollt...“ Er drehte den Kopf und betrachtete den Kerl mit den schwarzen Wellenhaaren mit dem kältesten Blick, den ich je gesehen hatte. Mir liefs kalt den Rücken runter und ich wollte nicht wissen, wies meinem neuen Freund ging. Sagen tat er jedoch nicht. Seine Augen reichten aus, um alle Anwesenden zum Schweigen zu bringen. Die Luft schien persönlich den Atem an zu halten, als er den Blick wieder abwendete und das Klavier betrachtete. Ich seufzte. Na fein, hoffentlich war seinem teuren Stück nichts passiert. Mir gings übrigens gut, danke. „Hier ist ein Riss.“ Ich hob eine Augenbraue und betrachtete den Blonden, während die Arbeiter um mich herum fühlbar nervöser wurden. Ich konnte mir denken worauf das hinauslief – und richtig, keine Minute später wurde alles auf mich geschoben. „... aber dieser Kerl hat aber auch echt nicht aufgepasst! Der ist einfach davor gelaufen, obwohl ich gebrüllt hab wie ein Verrückter!“ Lüge! Einmal hatte er gebrüllt, nur ein einziges Mal – und woher soll ich wissen was ich machen soll, wenn man mir ein dümmliches 'HE!' an den Kopf wirft? „Sei still.“ Ein kleiner Siegeszug lief an meinem inneren Auge vorbei. Dieser Mutusava schien mehr mitbekommen zu haben als die Arbeiter wussten. Oder er sah dem Kerl an das er log. „Und wer zahlt das jetzt?“ Seine schwarzen, schmalen Knopfaugen wanderten über die Anwesenden – und blieben an mir hängen. Ich hob beide Hände. Der Schmerz in meinen Knochen erinnerten mich an meine Krankheit und an den Aufprall. „Also ich kann ja wohl nichts dafür, das sich da ein Seil gelöst hat oder sonst was.“ Der Schönling presste die Lippen auf einander. Das sah fast so aus, als würde er ernsthaft nachdenken. Allerdings traute ich ihm das nicht zu. „Du zahlst.“ teilte er mit. Mein Unterkiefer klappte nach unten – nicht wegen der Aussage, sowas war ich gewöhnt. Die Art wie er es sagte haute mich um. Diese Selbstverständlichkeit. Als würde immer alles nach seiner Nase gehen. Na, das konnte der sich abschminken. „Hm... lass mich überlegen... nein?“ An der Reaktion des Mannes konnte ich sehen, das er es wirklich nicht gewohnt war, Widerworte zu bekommen. Seine sonst so schmalen Augen weiteten sich, sein Gesicht bekam einen fast kindlich überraschten Ausdruck. Ich wandte mich ab, ging in Richtung Hauseingang. So einen Kindergarten konnte ich echt nicht gebrauchen. „Der Arzt hat mir Bettruhe verordnet. Also geh ich da jetzt hin. Such dir jemand anderen, den du zur Kasse bitten kannst.“ Die Stille, die auf meine Worte folgte, war fast unheimlich. Mutusava wirkte überrumpelt und verwirrt, während sich die Möbelpacker vor Angst fast in die Hosen machten. Ich wusste echt nicht, was die hatten. Das war nur ein hochnäsiger Schönling. Mit sowas wurde man doch schnell fertig. „Bleib stehen!“ Seine Stimme war herrisch, doch ich überhörte es einfach und ging weiter. Ich hatte weitaus größere Probleme als sein dummer Riss in seinem bescheuerten Klavier. Meine Knochen und mein Hals zum Beispiel. Und meine Nase lief. Das meine 'Frechheit' ein Nachspiel haben würde, konnte ich ja nicht wissen. Auf dem Anrufbeantworter blinkten mir 4 neue Nachrichten entgegen, als ich meine Bude betrat. Als mehr konnte man meine Wohnung wirklich nicht bezeichnen. Ich warf ziemlich geplättet meinen Schlüssel auf die kleine, braune Kommode. Es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Überall lagen Kleidungsstücke herum, Hefte, Bücher und leer gegessene Teller türmten sich auf meinem Beistelltisch an der Coutch und auf dem Essenstisch in der Küche. Aber die Kraft, mal aufzuräumen, hatte ich momentan nicht. War ja auch nicht so wichtig. Ich drückte den 'Abspiel'-Knopf meines AB's und schmiss mich selbst aufs Sofa, als die nette junge Frau im Elektrogerät mir überflüssigerweise mitteilte, das ich 4 neue Nachrichten habe. Dann erklang eine mir wohl bekannte Stimme. „Hey Zorro, ich bins. Lysob. Ich wollte nur mal hören wie es dir geht und so. Du meldest dich ja nie bei mir.. und.. na ja, Ruffy nervt schon seid einer Woche, das wir dich anrufen sollen.“ Ich hob die Augenbrauen. Es hatte einen Grund, wieso ich mich nie bei den beiden Knallköpfen meldete, die passenderweise in einer WG wohnten. Sie waren unerträglich auf die Dauer und schreckliche Kindsköpfe. Lysob redete nach einer kurzen Kunstpause weiter. „Schöne Grüße auch von Ruffy, der ist nur grad bei der Arbeit. Ähm. Wär cool wenn du mal zurück rufen könntest. Wir können ja mal wieder was unternehmen. So wie früher. Ja. Du hast ja die Nummer. Bye.“ Ich schloss die Augen und ließ meinen Kopf auf ein bereitliegendes Kissen sinken. Vielleicht würde ich mich ja sogar melden, mal sehen. Und das vielleicht auch nur, um mal zu hören, was für einen Job Ruffy hatte. Die zweite Nachricht wurde abgespielt. „Zorro altes Haus! Bist du zu Hause? Hallo? Na, anscheinend nicht. Guuuuut, dann hinterlass ich dir eben nur so ne Nachricht. Auch egal. Als ich vorgestern angerufen hab hast du gesagt es ginge dir nicht gut, und ja... ich wollte halt hören wie's jetzt aussieht. Ruf doch mal an.“ Ich schmunzelte leicht. Josaku und Johnny hatten diesen Text in einem herrlichen Singsang gesprochen. Als wären sie eine Person. Verrückt. Nächste Nachricht. „Hallo? Zorro? Geh dran!! Verdammt nochmal, du Arschloch, ich weiß das du da bist!“ Scheiße. Nami. „Du schuldest mir noch 100 Mücken.“ Das wusste ich selbst. Das war ja auch der Grund, wieso ich nicht zurück rief. „RUF AN!“ Der letzte Satz klang wie von einer Domina aus dem Spätprogramm. Ruf an, und dann geh auf die Knie, du Hund. Die letzte Nachricht wurde mit einem Klicken eingeschaltet. „Hallo Herr Lorenor Zorro, hier ist Donathan Shanks von 'Beckster Shootings'. Ich wollte ihnen nur mitteilen, das sie am kommenden Montag bitte um 9 Uhr bei mir im Büro erscheinen. Den Rest besprechen wir dann da. Bis dahin, auf Wiedersehen!“ Ich hob die Hand und wedelte in Richtung AB. Montag 9 Uhr. Alles klar. Das konnte ich mir gerade noch merken. Ich schloss die Augen und genoss die Stille, die nun eintrat. Ich spürte jeden Knochen in mir, alles schmerzte, meine Nase war zu und meine Augen taten mir weh. Ich griff blind nach dem Telefon das neben mir lag und wählte die die Nummer der Lieferapotheke. „Guten Abend, mein Name ist Lorenor Zorro. Ich würde gerne etwas bei ihnen bestellen. Ja, ähm, also..“ Ich gab dem freundlichen Mitarbeiter die Medikamente durch und meine Adresse. Tolle Erfindung, diese Lieferapotheken. Man gab dem Lieferanten beim Abgeben einfach das Rezept, schon war alles geklärt. Praktisch. Man versprach mir, dass mein Heilmittel in der nächsten halben Stunde kommen würde, und so beschloss ich noch ein kleines Nickerchen im Bett zu machen. Die Klingel würde mich schon wecken. Allerdings tat sie das nicht. Denn es klingelte schon, als ich noch dabei war meine Bettdecke vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer zu verfrachten. Okay, auch Lieferservice konnten nicht zaubern. So schnell waren die nicht. Wer also störte? Ein wenig grimmig und vor allem darauf bedacht nicht zu weit zu öffnen, damit man meine säuische Wohnung nicht sah, entriegelte ich die Tür. Ich hätte es eigentlich wissen müssen. Ich hätte wissen müssen, wer da mit seinem eiskalten Gesicht und seinen dunklen Rabenaugen vor mir stand und mich musterte, als wär ich ein abartiges Subjekt ohne Wert. Mutusava. Seinen Vornamen kannte ich immer noch nicht, fiel mir auf, als ich seinen Nachnamen in Gedanken sagte und sich meine Augenbrauen überrascht nach oben schoben. Wir schwiegen uns eine knappe Minute ziemlich sinnlos an und ich wollte schon verärgert die Tür zuschmeißen, als der Schönling endlich den Mund öffnete. „Ich komme wegen meinem Klavier.“ Ich schnaufte. „Nein. Da wär ich jetzt nie drauf gekommen. Hab gedacht, du könntest nicht mehr ohne mich, weil dir mein Gesicht nicht mehr aus dem Kopf geht.“ Nun war er an der Reihe, abfällig zu schnaufen. „So eine Hackfresse wie deine vergisst man auch nicht. Und deine Haare auch nicht.“ Vorsicht. Meine Haare waren mein Heiligtum. Grasgrün und naturbelassen waren sie. Wie das passieren konnte, sollte man bitte meine verkommenen Eltern fragen. Wieder trat Schweigen ein. Wir lieferten uns einen Blickkrieg, in dem keiner wirklich nachgeben wollte. Er starrte mich an, vollkommen emotionslos und kalt, und ich versuchte ebenso zurück zu starren, doch ich wusste, das ich wütend wirkte. Ich hatte das Gefühl, das dieser Kerl mir bis in die Seele starrte mit seinen Rabenaugen, und das gefiel mir überhaupt nicht. Schließlich sagte ich etwas. Das gefiel ihm offensichtlich – er glaubte, gewonnen zu haben. Doch dem war nicht so. „Hör zu. Das deine Arbeitskräfte unfähig sind, da kann ich reichlich wenig für. Ich war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Krall dir deine Möbelpacker und mach sie fertig, verklag sie auf alles was sie haben – aber alles mich in Ruhe.“ Mich juckte die Tatsache, das er sich noch kein einziges Mal nach meinem Befinden erkundigt hatte. „Das hab ich schon.“ Okay. Das war verrückt. „Und... was machst du dann hier?“ Ich hoffte, das alles nicht verstehen zu müssen. Denn es wollte absolut nicht in meinen fiebrigen Kopf rein. Der Blonde fuhr fort. „Ich hab die Kerle zur Schnecke gemacht und eben schon mit deren Vorgesetzten telefoniert. Ich krieg das natürlich ersetzt. Die Sache ist nur, dass dieses Klavier mir sehr wichtig ist. Und man es nicht mehr reparieren kann. Das Teil ist absolut hinüber. Ich habs mir schon angesehen.“ Ich nickte langsam. „Das tut mir Leid.“ teilte ich ohne viel Ehrlichkeit in der Stimme mit. Der Schönling verdrehte die Augen. „Das du zur falschen Zeit am falschen Ort warst, ist schon möglich. Trotzdem hast du Mitschuld daran, das mein Klavier schrottreif ist.“ Der drehte doch total am Rad. „Und was willst du jetzt von mir?“ Der sollte endlich fertig werden. Mein Schädel platzte gleich. „Ich glaube nicht, das du mir den Schaden bezahlen kannst. Sieht nicht so aus, als hättest du Geld.“ bemerkte er mit einem Blick in meine Wohnung. Ich schnaubte. Arschloch. „Deswegen gebe ich dir die Möglichkeit, deine Schulden bei mir abzuarbeiten.“ „Welche Schulden?“ sprudelte es aus mir heraus. „Du hast sie doch nicht alle! Ich habe keine Schuld daran! Mein Gott, kauf dir halt ein neues Klavier! Aber lass mich in Ruhe!“ Er versuchte, die Tür zuzuschlagen, direkt in seine arrogante Fresse, aber er hatte einen Fuß in der Tür. „Ich bitte dich jetzt noch freundlich. Solltest du der Bitte allerdings nicht nachkommen, werde ich auch dir den Arsch wegklagen. Mal gucken, wer fein aus der Sache heraus kommt. Du warst nämlich unvorsichtig.“ Ich konnte nicht fassen, wie dreist dieser Kerl war. „Bitte WAS?“ „Der Möbelpacker hat wirklich drei Mal gerufen. Dich genau darauf hingewiesen, das da ein Klavier auf dich zukommt. Und er hat gesagt, das du es genau gesehen hast und nicht ausgewichen bist. Könnte also mutwillig gewesen sein.“ „Und wieso sollte ich SOWAS BESCHEUERTES machen?“ Ich konnte es nicht fassen! Mein Fieber war wahrscheinlich mittlerweile ins unmessliche gestiegen. „Weil du was gegen mich hast? Wer weiß.“ Er lächelte ein so unglaublich fieses Lächeln, das ich ihm am liebsten sofort hinein geschlagen hätte. Langsam wurde mir bewusst, in was für einer Lage ich mich befand. Der Kerl würde mich wirklich verklagen, da war ich mir sicher. Der würde nicht zögern. Und... wenn der nen guten Anwalt hatte, dann war ich geliefert. Denn hier würde Aussage gegen Aussage stehen. Scheiße. „Wenn du gesund bist, kommst du einfach hoch zu meiner Wohnung und klingelst. Tust du's nicht, komm ich einmal wieder. Und wenn dann immer noch nichts passiert ist, informiere ich den Anwalt.“ Er drehte sich auf dem Absatz um und verschwand. Ich kochte – und das nicht nur wegen dem Fieber. Dieser arrogante Sack, was erlaubte der sich eigentlich?! Glaubte wohl, das er der größte war, der allergrößte. Scheiße. „Und wo soll ich bitte klingeln?“ brüllte ich ihm nach. „Bei Sanji Mutusava!“ kam die amüsierte Anwort. Dann war Stille im Flur. Vollkommen aus der Fassung schlug ich die Tür endlich mit Erfolg zu, drehte mich um und latschte ins Schlafzimmer, wo ich mich ins Bett warf und erstmal ausgiebig ins Kissen brüllte, um meine Wut abzulassen. Ich musste jetzt schlafen, auch wenn ich mich eher danach fühlte, jemanden umbringen zu müssen. Ich konnte absolut nicht fassen, was da gerade passiert war. Das konnte einfach nicht sein. Da überrollte mich so ein bescheuertes Klavier und ich musste dafür auch noch schuften! Mit tiefen Grauen stellte ich mir vor, wie dieser .. Sanji .. eine leidvolle Geschichte erzählen würde. 'Das Klavier war unglaublich viel wert, ein Familienerbstück, Zorro hasst mich..' Blablabla. Ne, ist klar. Und der Anwalt würde es mir dann richtig geben. Von wegen 'Das hat er extra gemacht und sich dabei total dumm angestellt.' Dann würde die Möbelpackerfirma noch seinen Senf dazu geben, und dann war er geliefert. Das durfte nicht passieren. Ich durfte nicht noch eine Anzeige kassieren, das war zu riskant. Scheiße. Ich schlief schließlich voller Mordlust ein und – überhörte gekonnt das Klingeln des Lieferservices. Scheißtag. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - So, das wäre Kapitel 1, quasi die Einführung. Ich hoffe es gefällt euch einigermaßen. Der Rest kommt alles noch. Bald. Ich schreibe es heute - übermorgen. Ich sollte das auf jeden Fall schaffen. :D Jess. O: Kapitel 1: Stupid boy - don't worry. ------------------------------------ ~ Reich & Schön! ~ N0. 2 – Stupid boy, don't worry. Am nächsten Morgen erwachte ich mit der Feststellung, das ich ein kompletter Vollidiot war. Der Wecker piepste ohne Gnade, riss mich aus meinen fiebrigen Träumen und als ich ein wenig verzweifelt den Knopf zum abschalten dieses Höllenlärms suchte, fielen mir gleich zwei ziemlich wichtige Sachen ein. Zum Einen hatte ich den Lieferservice überhört. Das bedeutete, das ich mir meine Medikamente jetzt doch in einer herkömmlichen Apotheke abholen musste. Des weiteren hatte ich gestern jemandem quasi mein Wort gegeben das ich seinen Diener spielen würde – ohne zu bedenken das ich das Recht hatte, ihn dazu an zustiften. Schließlich wars Sanjis Klavier gewesen, das mich da so heimtückisch angefahren hatte. Wieso sollte ich dafür blechen? Ich überlegte, während ich meinen Kopf nochmal ins Kissen drückte, wie ich mich da jetzt wieder rausretten konnte. Na ja, ich hatte ihm ja nichts versprochen, hatte nicht mal richtig zugesagt. Aber er hatte so überzeugt gewirkt, und ich hatte schließlich nicht das Gesetzesbuch studiert. Vielleicht hatte er ja doch Recht .. Mit einem Stöhnen hob ich den Kopf, betrachtete verschlafen die Ziffern meines Digitalweckers. Zehn Uhr. Eine wunderbare Uhrzeit um aufzustehen und sich einen Kaffee zu machen, bevor man sich anzog und zur Apotheke latschte, beschloss ich. Die 4 Anrufe auf meinem AB blinkten immer noch freudig vor sich hin, aber ich beachtete sie nicht. Man konnte nicht behaupten, das ich besser aussah als am Vortag, stellte ich fest als ich im Vorbeigehen in den Spiegel blickte, der im Flur hing. Meine grünen Haare waren zerwühlt und wirkten ein wenig verblasst. Meine Augen waren klein und rot, meine Lippen waren spröde, ich war blass und ich hatte einen deutlich sichtbaren Abdruck meines Kissens im Gesicht. Verdammt. Ein Kaffee würde mir sicher mehr als gut tun – gedacht, getan. Die Kaffeemaschine war schnell eingeschaltet, ich schleppte meinen Körper zurück ins Schlafzimmer und kleidete mich möglichst dick ein. Das herbstliche Wetter versuchte ich mit einer polarkappenfesten Winterjacke und fetten Wollsocken zu bekämpfen, als ich mir meinen durchgelaufenen, heißen Kaffee aus der Maschine klaubte die mir warnend anzeigte das sie eine Entkalkung brauchte und öffnete die Glastür, die auf den Balkon führte. Die Sonne stand ein kleines Stück über den Hochhäusern der Stadt. Eins musste man diesem Haus doch lassen – man hatte einen guten Ausblick. Von hier oben konnte ich das Geschehen auf der Straße beobachten, meinen Kaffee trinken und mich köstlich amüsieren, bis ich keine Lust mehr hatte. Manchmal kam ich mir wie eine alte Klatschoma hinter dicken Wollvorhängen vor, die auf ein Ereignis wartete. Aber ich war nun mal auch nur ein Mensch. Daran konnte ich nichts ändern. Ich nippte an meinem heiligen Gesöff, trat an das leicht labile Geländer und lehnte mich hinab, um mehr sehen zu können. Das übliche Bild. Fahrende Autos, Passanten, Lieferanten, Roller und Fahrräder vereinten sich zu einer breiten, grauen Masse. Es wuselte, murmelte und summte da unten wie in einem Wespennest. Keine schöne Vorstellung, musste ich zugeben. An meinem zweiten Schluck hätte ich mich fast verschluckt, als mir gut erkennbar ein blonder Haarschopf entgegen glänzte, der aus dem Hauseingang kam und zügig die Straße überquerte. Gott, was schmierte sich dieser Kerl in die Haare? Den erkannte man sicher auch im Dunkeln. Ich folgte seiner Gestalt neugierig. Was der wohl beruflich machte? Vielleicht war er Puffmutter, brannte sich ein Gedanke in meinen Kopf, und mich musste grinsen. Das passte. Sanji Mutusava, die Puffmutter. Nee, zu geil. Aber das er jetzt weg war bedeutete auch, das ich warten musste bis er wieder da war, um ihn zur Rede zu stellen. Er hatte so überzeugt gewirkt, als er sich so eiskalt vor mich gestellt hatte. Als wüsse er genau Bescheid. Und vielleicht hatte er ja mehr Erfahrung mit sowas. Ich beschloss, jemanden zu fragen, der Ahnung hatte. Da mir aber akut niemand einfiel in meinem Freundeskreis, der Jura studiert hatte, machte ich mich mit der leeren Tasse auf zurück in die Wohnung. Bevor ich mir über so wichtige Sachen Gedanken machte, brauchte ich einen freien Kopf. Und da der nicht von ungefähr kam, pellte ich mich wieder aus Jacke und Socken, um mir normale Klamotten anzuziehen, mit denen man nicht direkt glaubte, das ich eine Reise in die Arktis machte. Ausgebleichte Jeans, Pullover, Jacke, Schal. Schwarze Schuhe. Und trotzdem blinzelte mich dieses total verpennte Krankengesicht im Spiegel entgegen. Das war einfach zum Kotzen. Ich verließ die Wohnung, nachdem ich mir meinen Schlüssel von der Kommode geschnappt hatte. Ich glaubte schnell wieder zurück zu kommen – dennoch schloss ich hab. In diesem verdammten Haus war nichts sicher, absolut nichts. Weder sein eigenes Hab und Gut, noch seine Gesundheit. Hier wurdest du einfach mal ohne Grund versklavt. Mit weitaus schlechterer Laune als es meine Temperatur eigentlich zuließ verließ ich das Hochhaus, überquerte die überfüllte, zugeparkte Straße und marschierte mit eingezogenem Kopf und grimmigem Gesicht in Richtung Innenstadt. Das Wetter hatte sich noch ein wenig verschlechtert, der Himmel war hässlich grau und kündigte erneuten Regen an. Perfektes Wetter für jemanden, der eine dicke Erkältung hatte und schnell wieder gesund werden wollte. Die Apotheke war zum Glück nicht allzu weit entfernt, und so schlängelte ich mich mit der Vorstellung, das ich nur noch wenige Meter zu gehen hatte, an den umher laufenden Menschen vorbei. Sie waren alle ähnlich gekleidet wie ich, dick eingepackt und ich erkannte auch einige Triefnasen unter ihnen. Das rote Schild der Apotheke glänzte mir entgegen und ich hatte das Gefühl, mich dem heiligen Brunnen der Gesundheit zu nähern. Das Rezept befand sich gut verstaut in der meiner Hose, die ich auch am Vortag getragen hatte. Die Glastür kam in Sicht, ich ergriff die Klinke wie ein Rettungsseil und schob die Tür voller Elan auf. Als erstes glänzte mir das schwitzige Gesicht von Frankie entgegen. War ich wirklich so blöd vergessen und hatte vergessen, das dieser Vollidiot hier arbeitete? Okay, eigentlich mochte ich Frankie ganz gerne. Er war lustig, hatte immer ein offenes Ohr für meine Probleme gehabt und außerdem bekam ich bei ihm in der Apotheke immer alles günstiger. Das Einzige war ich an ihm nicht sonderlich gern hatte, war sein Hang zum Dramatischen. Er liebte es, aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen. Ich glaubte, das er homosexuell war. Denn er weinte bei jeder Kleinigkeit. Ich hatte eben keine Erfahrung mit 'Homos', wie man daran merken konnte. „Frankie.“ murmelte ich, nicht fähig zu einer freudigeren Begrüßung. Der junge Mann mit dem Bodybuilderkörper und der Elivsfrisur, der zu einer erfreuten Umarmung angesetzt hatte, verharrte in der Bewegung und betrachtete mich sorgenvoll. „Zorro – was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als wäre ein Laster über dich gerollt.“ Ich wollte ihn gerade korrigieren – ein Klavier Frankie, ein Klavier – dann fiel mir aber auf, das dieser Satz sicher tierisch peinlich war, und so ließ ich ihn bleiben. Ich nickte einfach nur schwach. „So könnte man das nennen. Die Erkältung hat mich echt .. mies von hinten erwischt. Ich wollte mir nur was abholen.“ Aus meiner Hosentasche zog ich das Rezept und Frankie glotzte, als hätte ich gerade einen unglaublich tollen Zaubertrick aufgeführt. „Nee oder? Du warst nicht wirklich Arzt?!“ Ich zupfte etwas unbehaglich an meinem Schal rum. „Doch. Doch, war ich. Und jetzt hol mir das Zeug und erzähls nicht weiter.“ Der billige Elvisverschnitt grinste, nickte und wuselte in den hinteren Teil der Apotheke, wo in großen Schränken die Mittelchen aufbewahrt wurden, die ich in den nächsten Tagen schlucken würde. Ich betrachtete die Auslagen, studierte mit geringem Interesse die Lutschbonbons und Wunderdrops direkt vor der Theke. Da ich aber auch ein leichtes Halskribbeln verspürte packte ich mir noch Mentholbonbons und eigenartige Auflösetabletten ein, die zwar seltsam aussahen, der Rückseite nach aber wahre Wunder bewirken sollten. Und ein Wunder konnte ich wirklich gebrauchen. „So, hier hast du deine Medikamente. Das hier musst du drei Mal am Tag einnehmen, bis es dir wirklich wieder besser geht. Das hier nimmst du nur, und auch wirklich nur dann, wenn dein Fieber zu sehr steigt... und das hier nimmst du, wie du lustig bist.“ Oh Frankie, du hattest ja keine Ahnung wie lustig ich war. Ich nickte, bezahlte brav und ließ mir alles in eine kleine Tüte packen. „Soll ich dir noch Taschentücher rein tun?“ In diesem Moment lief eine blonde, schöne Frau am Fenster vorbei und ich wurde an etwas erinnert, an das ich eigentlich nicht hatte denken wollen. „Ähm, nein. Könntest mir nen Rat geben.“ Frankie hob die Augenbrauen, nickte und lehnte sich mit einem verschwörerischen Blick über die Theke. „Worum geht’s?“ Ich grinste. „Um einen lästigen Nachbarn. Also, pass auf. Stell dir vor, du wirst.. durch etwas verletzt, das jemand anderem gehört. Und dieser Jemand kommt zu dir und meint er verklagt sich, weil du sein.. etwas kaputt gemacht hast. Darf er das? Oder darf ich ihn verklagen weil sein etwas mich geschädigt hat?“ Frankie runzelte die Stirn. „Und.. was ist dieses Etwas?“ - „Ein Klavier.“ - „EIN KLAVIER?!“ - „Ein Klavier.“ Das darauf folgende, prustende Lachen steigerte meine Laune nicht sonderlich. „Du.. du wurdest von einem Klavier..“ Er schaffte es nicht mal, seinen Satz zu beenden. Ich hätte auch lachen sollen. Aber die Freude blieb mir im schleimigen Hals stecken. Ich wartete geduldig, bis sein Lachanfall ein Ende gefunden hatte, dann sah ich ihn erwartungsvoll an. „Und?“ Frankie gluckste. „Na ja, ich würde sagen, kommt drauf an. Wenn du ihm extra sein.. Klavier.. beschädigt hast und er dafür Augenzeugen hat, dann kann man da nichts machen, dann musst du blechen. Sollte das nicht der Fall sein, würde Aussage gegen Aussage stehen. Dann liegt es in der Hand des Richters.“ Das gefiel mir nicht. Sanji hatte gesagt, das die Möbelpacker gegen ihn aussagen wollten. Also würden die fröhlich die Tatsachen verdrehen. Nee, klasse. „Danke Frankie.“ knurrte ich und drehte mich in Richtung Tür. „Kein Ding! Ich helf dir doch gern.“ Helfen? Von helfen konnte hier keine Rede sein. Direkt ins Verderben hatte er mich gefühlt, dieser nichts ahnende Verrückte. Ich verließ die kleine Apotheke ohne eine Verabschiedung und schlich die Straße hinunter in Richtung Hochhaus. Meine Laune war am erdenklichsten Tiefpunkt angekommen und ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, das sie noch weiter sinken könnte. Ich stellte fest das ich mich täuschte, als ich die Straße zum Hochhaus überquerte und mir am Türeingang ein blonder Haarschopf entgegen blitzte. Eines Nachts würde ich in seine Wohnung schleichen und sie ihm färben, beschloss ich in Gedanken. Vielleicht pechschwarz. Oder Grün oder sowas. „Morgen, Lorenor.“ Ich erschauderte. Seine Stimme war genau so amüsiert und hochmütig wie der Ausdruck in seinen schwarzen Augen. Er wirkte so egoistisch und selbstverliebt, das ich ihm am liebsten auf die Schuhe gekotzt hätte. „Siehst immer noch nicht gut aus. Hast du wenigstens ein bisschen geschlafen?“ Ich wusste nicht, was ihn das anging, aber er blockierte die Tür. Was also sollte ich tun? Ich war zu schwach um ihn einfach bei Seite zu schieben und irgendwie fand ich die Vorstellung ihn zu berühren auch nicht sonderlich behaglich. „Hab ich, danke der sorgenvollen Nachfrage.“ Ich deutete mit meiner freien Hand unbestimmt in den Himmel. „Und – hast du dir vielleicht mal das Wetter angesehen? Nicht grad sonderlich gut für jemanden, der krank ist, findest du nicht auch?“ Als er den Kopf schief legte und mich mit gespielt verständnislosem Blick betrachtete, hätte ich ihm gern mit einem Schlag gegen seine allzu gerade Nase gezeigt, was ich meinte. „Ich will rein.“ knurrte ich. Der Blonde schob die Augenbrauen nach oben und nickte, als hätte gerade ein schwerwiegendes Rätsel gelöst, dann trat er bei Seite. „Na dann will ich dir mal nicht weiter im Weg sein, hm?“ Ach was, das bist du eh schon. Du stehst meinem Leben im Weg, Idiot. Ich verkniff mir diese Worte, wartete ab bis er fast schwerfällig seine Position geräumt hatte und schloss die Tür auf. Ich spürte seinen Blick im Nacken, vor meinem inneren Auge konnte ich sehen wie er mir mit einem höhnischen Grinsen nach starrte dieser Bastard, aber meine Augen blieben eisern am Aufzug kleben. Dieser Mistkerl konnte mich mal. Was hatte diese Aktion wieder für eine Bedeutung gehabt? Hatte er mir irgendwas beweisen wollen? Wie toll er war? Wie freundlich er sein konnte? Wenn das seine Intention gewesen war, hatte er meilenweit am Ziel vorbei geschossen. Außerdem machten mich seine Rabenaugen ganz wuschig, stellte ich ernüchternd fest, als ich den Knopf drückte der es möglich machte das ich in meine Etage kam. Er musste Halbjapaner oder sowas ähnliches sein, denn er hatte viele asiatische Züge in seinem Gesicht, doch auch einige westlich angehauchte. Außerdem waren seine Haare blond, was ja nicht gerade eine normale Haarfarbe für einen Asiaten war. Insgesamt wirkte er sehr exotisch mit seinen wilden Klamotten, diesen seltsamen Augenbrauen und seinen schwarzen Augen. Aber dummerweise konnte ich nicht behaupten, das er schlecht aussah. Hässlich oder so. Er sah gut aus für einen Mann. Wieso machte ich mir über sowas Gedanken?! Das Fieber musste meine Gehirnzellen verbrannt haben. Leise Flüche vor mich hin murmelnd verließ ich den Aufzug, marschierte den Flur hinunter und schloss meine Tür auf. Schade eigentlich, das ich meine Räumlichkeiten so vor fand wie ich sie verlassen hatte – dreckig, unordentlich, ein wenig müffelnd. Aber man konnte nicht erwarten, das es die Heinzelmännchen bis in den 10. Stock schafften. Die machten nur da sauber, wo sie durchs Fenster steigen konnten. Ich schob eher beiläufig ein paar benutzte Teller von meinem Beistelltisch, legte meine Tasche auf auf den freien Platz und breitete sorgfältig alle Medikamente aus. Ich betrachtete sie erst prüfend, dann klappte ich eine Verpackung nach der Anderen auf und las die Gebrauchsanweisung. Oder zumindest die wichtigen Dinge, die in einer Gebrauchsanweisung nun mal drin stehen. Nachdem ich diesen Akt sorgfältig beendet hatte, stellte ich mir die Tropfen, Tabletten und Brausetabletten in einer Reihe auf, betrachtete sie noch kurz und machte mich dann daran, mich von meiner normalen Kleidung in etwas entspannteres zu schälen. Ein Tag vor dem Fernseher auf der Coutch mit einem heißen Tee, in einer Decke und mit jeder Menge Wundermittelchen konnte mir absolut nicht schaden. Nun gekleidet in einer schwarzen Jogginghose, einem dicken Pulli im Omastyle und meinen geliebten dicken Wollsocken ließ ich Wasser aufkochen, während ich meine Decke ins Wohnzimmer verfrachtete und die erste Ladung Medikamente einwarf. Sie versprachen Besserung innerhalb weniger Stunden und ein leichtes Taubheitsgefühl in den Zehen. Na da hatte ich ja was, auf das ich mich freuen konnte. Ich warf mich, das Fieberthermometer aus dem Bad im Anschlag, auf mein weißes Sofa und kuschelte mich mit einem zufriedenen Seufzen unter die ebenso weiße Decke. Ich schob mit das Thermometer in den Mund und begann, mir ein paar Tabletten neben die leere Teetasse zu legen um sie gleich direkt einnehmen zu können – als es klingelte. Erst zweifelte ich an meinem Verstand. Das konnte doch nicht sein, das genau dann, wenn ich mal zur Ruhe kommen wollte, es an der Tür klingelte. Meine Fresse. „Ja, wer ist da?“ nuschelte ich zwischen dem Thermometer hindurch und hoffte, laut genug zu sein. Ich bekam keine Antwort, allerdings erfolgte ein weiteres, lautes Klingeln. Also stand niemand vor der Tür, sondern unten vorm Hauseingang. Mit leisem, wütenden Gemurmel erhob ich mich schwerfällig, schleifte meinen Körper zur Tür und drückte den Öffnungsknopf, damit wer auch immer hinein konnte. Als ich die Tür öffnete, erlebte ich allerdings erneut eine Überraschung. Okay, wieso sollte es mich überraschen? Es war einfach so klar gewesen. SO KLAR. Wer konnte das schon großartig anderes sein als meine liebste Wunderaugenbraue? Das musste doch echt ein Geburtsfehler sein. „Hey, Lorenor.“ Ich antwortete nicht – ich war zu sehr damit beschäftigt, dumm zu glotzen. Das durfte echt nicht wahr sein. Da stand der wohl herausgeputzteste Mann des Stadtviertels vor mir. Und ich?! Ich trug alte Schlabberklamotten, hatte ein Triefnase, ein Fieberthermometer im Mund und hinter mir gammelte meine Bude vor sich hin. Besser konnte es echt nicht laufen. Nach einer peinlichen Pause von gefühlten 2 Stunden räusperte sich der Blonde endlich. „Ich weiß, ich nerve dich wahrscheinlich mittlerweile zu Tode.“ Ich nickte nur schwach. Leugnen brachte nichts. „Ich bin auch nicht gerade freiwillig hier.“ Änderte nichts an der Tatsache, DAS er da war. Konnte er nicht einfach gehen? „Ich hab mich ausgesperrt.“ Ich hob die Augenbrauen und betrachtete ihn verblüfft. „Und was kommst du da zu mir?“ - „Ich dachte, ich könnte von dir aus mal kurz telefonieren..?!“ Ich runzelte die Stirn. Kurz überlegte ich ernsthaft, ihm einfach die Tür vor der Nase zu zuknallen. Doch ich beschloss, das ich dann doch nicht so unhöflich war. „Okay. Komm rein ... nein, halt. Komm nicht rein. Nachher muss ich den Lawinenhund rufen. Ich bring dir das Telefon.“ Das Thermometer in meinem Mund piepste los, und bevor ich es meiner Mundhöhle entnehmen konnte hatte Sanji das schon für mich übernommen. „38.5.“ verkündete er, nur um mir das Thermometer mit einem leichten Lächeln wieder zu geben. „Du solltest ins Bett.“ Ich konnte nicht glauben, das er das gerade wirklich gesagt hatte. Wer bitte hielt mich denn ziemlich gekonnt davon ab? Aber ich sagte nichts, hatte das Gefühl das dieser Sturkopf eh keine Einsicht zeigen würde. Ich drehte mich um, ging mit ausladenden Schritten zur Kommode, schnappte mir das Telefon und überreichte es ihm. Ich hatte das Gefühl, einen alten Freund an den Feind auszuliefern. „Da.“ murrte ich. Er nickte, tippte hastig ein paar Zahlen ein und begann, nachdem er ein wenig gewartet hatte, hektisch in einer mir vollkommen fremden Sprache mit jemandem zu reden. Ein wenig genervt von der Tatsache das ich wie ein Idiot im Türeingang stand, drehte ich mich um und warf mich kurzerhand zurück aufs Sofa. Im Fernseher versprach gerade ein junger, schmalziger Mann einer großbusigen Lady seine ewige Liebe. Ich hätte am liebsten irgendwas Großes nach ihnen geworfen. Ich konnte es nicht haben, wenn andere glücklich waren während ich mich wie der letzte Straßenköter fühlte. „.. Lorenor? Danke. Ich leg das Telefon wieder auf die Kommode.“ Ich reckte den Hals und nickte dem zögerlich in den Raum kommenden Sanji nur matt zu. Jetzt war eh alles egal. Sollte er doch das Ausmaß der Katastrophe sehen. „Ja, tu das.“ „Danke nochmal.“ Ich grummelte ein leises 'schon okay' und drückte mich tiefer unter die Decke. Ich hörte seine Schritte, dann drehte er sich nochmal um. Wieso konnte er nicht einfach verschwinden? „Denkst du an unsere Abmachung?“ Ach, jetzt war das schon unsere Abmachung, ach so. Schon verstanden. „Ich denk an nichts anderes.“ knurrte ich und ich hörte diesen Mistkerl leise Lachen, bevor er die Pforten ins Land des Unrats hinter sich schloss. Mein Kopf fiel zurück ins Kissen, ich stöhnte laut auf und schloss die Augen. Das konnte, nein, das durfte es einfach nicht geben. Das schlimmste war ja, das ich mich in seiner Umgebung so schrecklich klein fühlte. Klein und hässlich. Unbedeutend. Er hatte so ein verdammt großes Ego. Vielleicht war das der Grund, wieso ich ihn einfach nicht leiden konnte. Weil er mich total wahnsinnig machte mit seiner lockeren Art, mit der er jede Situation zu meistern schien. Scheiße, ich war nicht mal im Ansatz so cool. Ich drehte meinen müden Körper zum Beistelltisch, flößte mir erneut ein paar Tabletten ein und schlief schließlich darüber ein, das ich die Musik des Abspannes des Films so entspannend fand. Wieder mal konnte mich nichts aus meinem urzeitlichen Schlaf wecken, das Pfeifen des Wasserkochers blieb ungehört. Na ja, wenigstens hatte er sich bedankt. Kapitel 2: Big plans, small boy. -------------------------------- ~ Reich und Schön! ~ N0. 3 – Big plans, small boy. Der folgende Morgen begann für mich... nass. Ziemlich nass. Ich erwachte mit verklebten Augen, die ich selbst nach einer Minute nicht wirklich öffnen konnte. Bis ich begriffen hatte das ich mir mal ordentlich über die Augen fahren musste, damit ich wieder etwas erkennen konnte, hatte ich mich schon ziemlich in Panik durch den Raum bewegt und hatte mit den Kopf am Türrahmen angeschlagen. Wunderbar. Als ich mich, von meiner eigenen Blödheit genervt, nochmal ins Bett werfen wollte, stellte ich fest, das mein Kissen vollkommen durchtränkt war. Ich starrte einige Zeit vollkommen verwirrt auf meine Schlafunterlage, bevor mir klar war, was hier passiert war. Ich hatte gesabbert. Oh Gott, wie alt war ich noch mal? Das war doch ein eindeutiges Anzeichen für Altersschwäche, oder etwa nicht? Mit einem wütenden Murmeln war ich das Kissen in eine Ecke meines Schlafzimmers und drückte mein zerknautsches Gesicht in die Matratze unter mir. Ich hatte absolut keine Lust aufzustehen, aber dann dachte ich an meine gammelnde Bude – langsam roch ich sie auch – und vor allem daran, das ich mich körperlich eigentlich besser fühlte. Das Fieber musste gesunken sein. Fast ein Wunder bei der Tatsache, das ich noch nicht sonderlich viel dafür getan hatte das es mir besser ging. Ich rollte mich aus dem Bett, landete etwas unsanft auf dem Boden und richtete mich grummelnd auf. Arme und Beine fühlten sich noch reichlich steif an, waren aber doch soweit beweglich, das ich das Zimmer verlassen und mich im Spiegel betrachten konnte. Abgesehen von dem Sabberstreifen der sich über meine Wange erstreckte sah ich umgänglich aus. Noch ein wenig müde und auch noch ein wenig krank, aber bei Weitem nicht mehr so schlimm wie in den letzten Tagen. Ich hatte ein Wunder gebraucht und Gott hatte mich erhört. Toll. Jetzt würde ich für ein göttliches Gewitter beten, das Sanji mit einem Blitz erschlagen würde. Ja, das würde ich tun, sobald ich fertig war mit aufräumen. Man konnte keinen Schritt tun ohne in irgendwas zu treten, außerdem war die Aktion gestern ziemlich peinlich gewesen und sollte nicht wiederholt werden. Ich begann, nachdem ich mich in meine gemütlichen Klamotten gekleidet hatte, Teller und Besteck in die Spüle zu räumen, die Fenster zu öffnen und den Müll in einen Müllsack zu stecken, da ich fürchtete das mein kleiner Mülleimer das nicht mehr packen würde. Es dauerte seine Zeit bis ich alles erledigt hatte und zugegebenermaßen fühlte ich mich danach ziemlich erschlagen. Als ich aber mein Wunderwerk mit angeschwollener Brust betrachtete, musste ich mir selber eingestehen das sich der Schweiß gelohnt hatte. Okay, geleckt wars jetzt auch nicht. Aber zumindest war der Müll weg und die dreckigen Teller standen da, wo sie hingehörten. Nämlich in der Spüle, zum abwaschen bereit. Ich fuhr mir durch die Haare, betrachtete nachdenklich die Medikamente die ich ordentlich auf meinem Beistelltisch aufgereiht hatte und schnappte mir zwei der Packungen, um die darin enthaltenen Tabletten brav zu schlucken. Ich fühlte mich zwar deutlich besser, doch ich wollte ja nicht das dieses Zustand wieder nach ließ. Diese Mittelchen hielten was sie versprachen. Ich schlenderte in die Küche, betrachtete unschlüssig die Spüle und schüttelte dann den Kopf. Es müsste gemacht werden, das wusste ich nur zu gut. Irgendwann würde sich auf dem Kartoffelresten ein eigenes Ökosystem entwickeln. Und dann würden Riesenschaben meine Wohnung übernehmen. Oder so. In dem Moment, wo ich mich schließlich doch dazu durchrang, heißes Wasser ins Becken zu lassen, klingelte es an der Tür. So oft wie die Klingel in den letzten Tagen benutzt worden war würde sie bald einen ernsthaften Schaden davon tragen. Ich freute mich irgendwie, weil ich jetzt doch nicht zum Spülen kommen würde. Vielleicht war das ja Frankie, der ein wenig Leben in die Bude bringen würde. Ja, mit Frankie sollte er wirklich mal wieder einen ordentlichen Männerabend machen. Es war lange her gewesen das ich dazu gekommen war, irgendwo etwas trinken zu gehen. Ich hatte schon lange nicht mehr Gesellschaft genossen. Ich zog die Tür auf und betätigte unten den Knopf, damit jeder der vor der Haustür stand hinein kommen konnte. Ich lauschte in den Gang hinunter, konnte aber erst nichts hören. Ich wollte mich schon mit einem Schulterzucken abwenden – ich vermutete einen Klingelstreich – als ein ohrenbetäubender, schriller Schrei an mein Ohr rang und mein Trommelfell auf das heftigste vibrieren ließ. „LORENOR EBRAHIM ZORRO!“ Das sie meinen Zweitnamen wusste war schlimm genug. Nur wenige wahrlich auserwählte Personen kannten ihn – und diese auserwählten Personen waren meine Eltern. Wie sie ihn heraus bekommen hatte? Mein Personalausweis war mir aus der Tasche gefallen als ich einmal betrunken gewesen war, und wie immer hatten ihre Rabenfinger alles im eisernen Griff gehabt. Was also erlaubte sich diese Schnepfe, meinen best gehütetes Geheimnis quer durch den Hausflur zu brüllen?! Ich blieb wie angewurzelt stehen, kniff die Augen zusammen und betete, dass das gerade eine akustische Fata Morgana gewesen war. Doch die darauf folgenden trampelnden Schritte ließen keinen Trugschluss zu. Da näherte sich Nami, die Rächerin der Reichen und Machtvollen, Besitzerin von zu viel Geld und zu viel Geiz. Selbst ein schneller Stoßgebet zum Himmel konnte mich vor dem nahenden Tod in Minirock und Top nicht retten. Sie stand im Türrahmen, ihre Augen blitzten aggressiv, ihr Mund war zu einem schmalen Streifen zusammen gepresst und ich glaubte einen gewissen rasselnden Atem hören zu können. Gleich kam der berühmte Satz. Luke, ich bin dein Vater. Dann würde ich eine Hand verlieren und in den Tod stürzen. Obwohl das noch ein angenehmer Tod war im Gegensatz zu dem, was nun folgen würde. „Wie KANNST du es wagen, meine 5 NACHRICHTEN einfach zu ignorieren?“ Ich stand diesem Teufelsweib fassungslos gegenüber. Ich konnte nichts weiter tun als vollkommen hilflos mit den Schultern zu zucken. Sie machte mir keine Angst, nein. Aber ich wusste, das wenn sie so in Rage war, man sie besser nicht noch weiter reizen sollte. Sonst verlor man nämlich mehr als nur ein paar Finger oder den Fuß. Dann verlor man ganz schnell die Männlichkeit. „Ich kanns einfach nicht glauben! Da leihe ich dir 100 Mücken, und was passiert? Du schmeißt das Geld zum Fenster heraus und kannst es mir nicht mal mehr zurück zahlen! Das ist doch ..“ Sie wütete noch ein paar Sätze weiter, doch ich hatte zu viel damit zu tun mein Mobiliar zu retten als ihr zu zuhören. „... und du weißt anscheinend nicht mal was du sagen kannst, das du die ganze Zeit nur sinnlos durch die Bude hetzt!“ Ich richtete mich auf seufzte. „Ich wüsste schon was. Aber ich habe zu viel Angst vor deinen.. schnellen Händen.“ Sie musterte mich wütend. „Dann sag was, Idiot.“ Schluck. Ich sollte auf meine Zunge achten. „Es tut mir Leid, okay? Ich... hab das Geld momentan eben nicht. Ich würds dir ja zurück zahlen, ehrlich. Aber ich kann nicht.“ Ich konnte kein Mitleid erwarten, aber zumindest so etwas wie ein bisschen Akzeptanz hätte ich schon gern gesehen. Doch es kam nichts dergleichen. Nur ein abwesender Blick durch die Wohnung. „Noch nicht mal irgendwas wertvolles hast du hier. Der Schrott lässt sich sicher nicht zu Geld machen.“ Mal ganz abgesehen davon, das ich Nami sicher keins meiner Möbel gegeben hätte, war ich über diese abwertende Meinung über meine Raumausstattung doch ein wenig beleidigt. „Du darfst jetzt gehen.“, teilte ich mit, doch natürlich überging sie auch diesen Satz, ohne mit der Wimper zu zucken. „Na ja, gut. Werde ich mich eben noch was gedulden müssen.“ Huch? Ich stockte, hob die Augenbrauen und betrachtete die Selfmade-Millionärin verunsichert. Wollte die mich jetzt auch zum Haussklaven machen? „Ich bin ja nicht nur wegen dir hier.“ Okay, das war gruselig. Was konnte Nami dem Geizhals wichtiger sein als ihr Geld?! Mir fiel akut nichts ein, aber als sie dann schließlich nach einer langen Kunstpause mit der Sprache raus rückte, konnte ich nichts anderes tun als die Hände auf mein Gesicht zu legen und laut auf zu stöhnen. Wieso war ich da nicht gleich drauf gekommen? „Ich hab gehört, jemand Neues ist bei dir ins Haus eingezogen?!“ Ein fuchsiges Grinsen legte sich auf ihre Gesichtszüge, ihre Augen glitzerten gefährlich. Ich schnaufte, dann nickte ich langsam. „Sanji Mutusava. Ja. Der wohnt seit.. wenigen Tagen hier.“ Ein neugieriges Nicken von ihrer Seite, dann schien sie meine Gesichtszüge genau zu mustern. „Sag mal.. du hast anscheinend keine Ahnung, wer er ist, oder?“ Ich runzelte die Stirn. „Doch, sein Name ist Sanji Mutusava, er wohnt ein paar Stockwerke über mir in einem großen Apartment, scheint viel Geld zu haben und ist mit Abstand – sogar dich hat er abgeschlagen – das nervigste, eitelste und wahnsinnigste Wesen das ich bisher kennen lernen durfte.“ Nami verdrehte die Augen. „Davon rede ich nicht, Idiot. Ich frage dich, ob du weißt, wer er IST.“ Wollte die mich verarschen? Spielten wir 'Wer ist es'? Das war ein unangefochtenes Talent von Frauen. Sie stellten einen vollkommen unvollendeten Satz in den Raum, der den Mann zum raten animieren sollte. Aber Männer haben keinen Spaß an solchen Spielereien. „Sags halt.“ knurrte ich, während ich mich auf mein Sofa fallen ließ und sie sich ungefragt neben mich setzte. „Das glaubst du mir wahrscheinlich eh nicht, wenn ich es dir sage. Deswegen... zeige ich es dir.“ Aus der Umhängetasche die sie dabei hatte zog sie ein Heft. Es sah aus wie eine Modezeitschrift oder ein Hochglanzblättchen. Nett verpackt, vorne eine hübsche Frau drauf mit schicken Klamotten in einer unverschämt erotischen Pose. Ich nickte eher verwirrt. „Ja. Schön. Hast du dir ja super die Gala gekauft. Soll ich jetzt klatschen?“ Wieder verdrehte sie die Augen. „Halt die Klappe und mach die Augen auf, Flachzange.“ Sie schlug das Heft auf, wühlte wenige Sekunden lang darin herum, dann schien sie das gefunden zu haben was sie gesucht hatte und hielt mir voller Stolz Seite 26 unter die Nase. Und ich muss zugeben, eine gute Minute kam ich nicht aus dem Staunen heraus. Es war eine zweiseitige Werbeanzeige. Ein Sofa, schwarz, schick, fast extravagant. Darauf ein Mann. Und ich wette, da kommt jetzt keiner drauf, wer da genau auf dem Sofa saß. Aber nochmal für die geistig ein wenig Langsameren – auf dem Sofa saß Sanji Mutusava. Die Beine waren gespreizt, seine Haare gewollt zerstrubbelt und wild. In seinen Augen lag ein gewisser Glanz, ein Verlangen, das ich nicht so richtig erklären konnte, weil ich es noch nie gesehen hatte. In einer Hand hielt er eine brennende Zigarette, die Andere lag locker ausgestreckt auf der Rückenlehne. Schwarze Hose, weißes Hemd, oben ein Stück offen. Meine Kinnlade klappte nach unten. Weit nach unten. Nami hatte wohl ihr Ziel erreicht, sie grinste siegessicher und zog mir das Heft unter der Nase weg. Sie glaubte wohl, das ich genug dran geschnuppert hatte. Sie betrachtete mich, dann seufzte sie. „Wieso bist du so überrascht? Sieht er in Natura so schlecht aus?“ Ich zuckte, immer noch recht konfus, mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ gab ich von mir und Nami wertete das offensichtlich aus nein, denn sie sprang mit einem Glitzern in den Augen auf. „Ich hab von ein paar Kollegen erfahren, das er genau hier her zieht. Der muss sicherlich unglaublich viel Geld haben, seine Fotos sind momentan ein absoluter Geheimtipp in der Szene!“ Ich nickte wieder langsam. Das waren zu viele Infos auf einmal für mein müdes Gehirn. „Ich werd gleich einfach mal hochgehen und mich vorstellen. Als.. Nachbarin oder so. Irgendwie muss ich ja an ihn ran kommen. Dann spiele ich ein bisschen mit meinen Reizen, und schon hab ich ihn an der Angel. Es gehen Gerüchte um, das er ein echter Hengst im Bett ist! Und das würde ich gern am eigenen Leib erfahren, wenn du verstehst was ich meine.“ Na ja, ich war ja kein Vollidiot. Ich konnte mir schon denken, das vor allem das Geld das der Kerl wahrscheinlich besaß sie unglaublich scharf machte. Moment. Da passte was nicht. Ich brauchte ein bisschen, bis ich begriff, was. „Und wieso wohnt er dann in diesen Hochhaus, wenn er so viel Geld hat?“ Das war eine berechtigte Frage, wie ich fand. Oben waren die Wohnungen zwar groß und geräumig, aber das Haus im Ganzen war ziemlich versifft und alt. Aber auch diese Anmerkung laberte sie in Grund und Boden. Frau halt. Ich wusste schon, wieso ich allein wohnte. „Ist doch total klar! Er setzt eben auf Understatement. Er protzt nicht mit seinem Geld, er lebt lieber bescheiden und zurück gezogen, wie alle guten Künstler eben.“ Waren Models denn Künstler? Ich stellte mir unter einem zurück gezogenen Kreativen eigentlich etwas anderes vor als Sanji. Aber wenn Nami das sagte, würde das auch so stimmen. Sie hatte immer Recht, selbst wenn sie log. Immer noch vollkommen überfordert zuckte ich mit den Schultern und sah zu ihr auf. „Dann geh halt zu ihm. Ist mir Recht. Ich wünsch dir viel Spaß mit der Nervensäge.“ Sie runzelte die Stirn. „Magst du ihn nicht, weil er mehr Erfolg hat als du?“ fragte sie mit einem fiesen Grinsen. Gott, bis vor wenigen Sekunden hatte ich nicht mal was von seinem Erfolg gewusst! Nami war einfach ein wunderbares Bild einer Frau. Sie bediente ohne große Probleme alle Vorurteile. „Laber keinen Müll. Ich mag ihn nicht, weil er total.. durchgeknallt ist.“ Sie nickte nur vielsagend, dann drehte sie sich um und sagte in einem Singsang – Ton : „Mach was du willst. Ich bin weg. Aber..“ Sie drehte sich um „.. ich WILL mein Geld!“ Mit diesen Worten trat sie in den Flur und knallte geräuschvoll die Tür hinter sich zu. Sie kam wie ein Wirbelwind und sie ging wie einer. Nami eben. Ich beschloss, nicht weiter über diesen ganzen Unsinn nach zu denken und mir meinen letzten wirklichen freien Tag noch mal ein wenig gemütlich zu machen. Ich hatte gerade damit begonnen mir ein richtig leckeres Frühstück zu machen, als mir etwas recht wichtiges einfiel. Es kam mir in den Sinn, als ich den Käse schnitt, mit dem ich kurz danach meine Brotscheibe belegte. Mir ging es wieder gut. Die Tabletten schlugen gut an, obwohl ich sie nicht wirklich regelmäßig nahm, mein Fieber war verschwunden, nur eine Triefnase und eine leicht mattes Gefühl waren geblieben. Ich glaubte, das fiel unter 'besser gehen', und somit bestand die Gefahr, das Sanji jeden Moment durch die Tür marschieren und mich zum arbeiten schicken würde. Wie so ein richtiger Sklaventreiber. Mit Peitsche und so. Los Zorro, lauf! Die Steine für meine Grabstätte schleppen sich nicht von allein. Ich schob mir das Brot in den Mund und focht einen inneren Kampf mit meinem Schweinehund aus, der einfach zu faul und zu eingebildet war um zu dem Blondschopf zu gehen. Aber mein Gewissen belehrte mich wie sooft, das mir keine Wahl blieb. Wenn ich nicht zu ihn ging, würde er kommen. Und dann war der Anwalt nicht weit. Das wollte ich echt nicht riskieren. Meine bisher noch weiße Weste sollte nicht beschmutzt werden. Nachdem ich das Brot aufgegessen, den Kaffee aufgesetzt und auch getrunken hatte, entschloss ich mich gegen das schmerzhafte Jaulen meines Schweinehundes, hinauf zu gehen und mich brav zum Dienst zu melden. Ich sah an mir herunter. Ich hatte keine Ahnung was mich erwartete viel mir auf, also wusste ich auch nicht was ich anziehen sollte. Unschlüssig trat ich an meinen Kleiderschrank im Schlafzimmer, machte ihn auf und betrachtete die Kleidung, die sich darin befand. Ich besaß nicht wirklich etwas für besondere Anlässe. Meistens hatte ich dann eine gut Jeans und ein gebügeltes Hemd angehabt, das hatte an mir zumindest ansatzweise edel ausgesehen. Ich beschloss, dasselbe heute auch zu tun. Ich wollte es mir nicht direkt eingestehen, aber die Tatsache das dieser Kerl so unverschämt gut aussah kratzte schon irgendwie an meinem Ego. Wie sah das denn auch aus? Der kleine, hässliche Kerl arbeitet beim schönen Model. Ich sollte mich umbenennen. Igor wär der perfekte Name für mich. In mein sauberes weißes Hemd und meine schicke Bluejeans gekleidet fühlte ich mich gleich einen ticken wohler. Ich krempelte die Ärmel hoch und nickte mir im Spiegel ein wenig unsicher entgegen. Das würde schon klappen. Sicher war ich mir zwar nicht, aber man konnte ja jetzt auch nichts mehr an dem Umstand ändern. Ich schnappte mir meinen Schlüssel, betrachtete ihn wenige Sekunden unsicher, dann kniff ich die Augen zusammen um mich zu sammeln. Du schaffst das, Lorenor Zorro! Ich verließ die Wohnung, auch wenn mein Gefühl mir sagte das ich sofort umkehren und unter meiner Bettdecke verschwinden sollte. Aber das würde ich nicht tun. Ich war ein Mann, und ein Mann hatte kein Problem damit dem quasi neu eingezogenen Rivalen die Stirn zu bieten. Obwohl, davon konnte nun wirklich nicht die Rede sein. Ich würde für ihn arbeiten. Das war eher ein unterwürfiger Akt. Scheiße, das würde der Pisser irgendwann zurück bekommen. Leise murmelnd und mit jeder Menge Anschlagsgedanken im Kopf betrat ich den Fahrstuhl. Erst als sich die Türen hinter mir schlossen und ich die vielen Knöpfe und Schalter betrachtete viel mir ein, das ich gar nicht so genau wusste in welches Stockwerk ich eigentlich musste. Super. Das hatten sie ja toll hin bekommen. Meine Laune sank ein weiteres Mal ein gutes Stück und ich beschloss grimmig, mich durch die Stockwerke zu kämpfen und überall mal genau nach zu sehen. Und wenn ich seine Bude nicht fand, hatte ich wenigstens eine Ausrede. Ich wusste das im 10. Stock die großen Wohnungen anfingen und bis sich in den 14. erstreckten. 4 Stockwerke also mit jeweils ungefähr 5 Wohnungen. Das war noch absolut vertretbar, und so drückte ich den Knopf zum 10. Stockwerk und lehnte mich an die kühle Fahrstuhlwand. Nami hatte sicher auch nach seiner Wohnung suchen müssen. Stellte sich natürlich die Frage, ob sie dazu überhaupt Lust gehabt hatte und ob sie seine Wohnung gefunden hatte. Es gab mir ein gewisses warmes Gefühl im Magen, den beiden die Tour zu vermasseln. Sollten Namis Wünsche tatsächlich umgesetzt worden sein, würde er sie gleich aus einer recht intimen Situation klingeln. Und verdammt, dieser Gedanke trieb ihm tatsächlich ein Grinsen ins Gesicht. Ding! Die Türen ging auf und ich trat vorsichtig in den Flur. Doch die kleinen Klingelschilder im Flur trugen alle nicht den Namen Mutusava. Also wieder zurück in den Aufzug, eine Etage höher. Ich stellte mit vor meinem inneren Auge das wütend verzerrte Gesicht Namis vor und musste grinsen. Im 11. Stock wurde ich dann schließlich fündig. Es war recht offensichtlich das er hier wohnte; wer sollst sollte im Flur Umzugskisten stapeln, die offensichtlich noch keinen rechten Platz gefunden hatten? Die vorletzte Tür auf der linken Seite wars, und ich stand schon davor, die Hand zum Klingelknopf erhoben. Er war nur noch wenige Millimeter entfernt, doch kurz bevor ich meine Bewegung beenden konnte, kurz bevor das verhängnisvolle Schellen durch Sanjis Wohnung hallen konnte, stockte ich. Ich konnte sie hören. Ich runzelte die Stirn, ging mit dem Kopf näher an die Tür heran und lauschte aufmerksam. Tatsächlich. Das war Namis glücklich-verträumte Stimme, die da an mein Ohr drang. Sie kicherte, doch ihre Worte konnte ich nicht genau verstehen. Auch seine Worte waren sehr ungenau, aber es hörte sich stark nach einem fröhlich-feuchten Vorspiel an. Ich kniff die Augen zusammen, ein Schauer lief meinen Rücken hinunter. Allein der Gedanke, mit Nami sowas wie Geschlechtsverkehr zu haben, trieb mit die Tränen in die Augen. Na ja, okay. Spaß würde das trotzdem machen. Aber zwei wichtige Fragen mussten geklärt werden, bevor ich das wirklich tat. Frage Nummer eins. Was sollte ich sagen? 'Lorenor Zorro, melde mich zum Dienst, Sir!' würde sich sicher gut machen, doch ich konnte mir vorstellen das mir das nur schwerlich bis gar nicht über die Lippen kam. Vielleicht sowas wie 'Da bin ich. Was soll ich tun?' Das war ja noch total vertretbar. Klang auch ein bisschen aufmüpfig. Sehr schön. Dann war da nur noch die zweite Frage. Und die ließ mich schließlich wirklich daran zweifeln, ob ich das wirklich tun sollte. Da drinnen war Nami. NAMI. Die Frau, die einen Ruf innerhalb weniger Stunden vollkommen zerstören, eine Existenz einfach bedeutungslos machen konnte, wenn sie nur wollte. Und ich kannte sie. Sie wollte. Es würde sie wütend machen das er störte. Sie wusste, das er mit Absicht störte. Und Sanji würde mit den Informationen auch nicht hinterm Berg halten. Hieß im Klartext – das konnte ich echt nicht bringen, solange ich noch über die Straße laufen wollte ohne mit faulen Eiern beworfen zu werden. Scheiße. Jetzt stand ich hier, die Hand zum drücken erhoben, vollkommen erstarrt und total verunsichert. Drinnen ging das Gekicher langsam in ein ungleichmäßiges Stöhnen über und ich fühlte mich auf einmal vollkommen klein. Klein und bedeutend, vollkommen nutzlos in meinem Dasein. Und das tat irgendwie weh. Meine Hand sank, ich starrte noch eine gute Minute die Tür an, hinter der ich die leisen Glücksgeräusche vernehmen konnte. Ich kniff die Augen zusammen, zwang mich zum umdrehen. Verdammt, ich führte mich auf wie ein Stalker! Ich musste hier weg, bevor noch irgendwer mich hier rum stehen sah. Ich nickte, seufzte leise und ging los, in Richtung Fahrstuhl. Hätte ich auch nur einen kurzen Blick auf den Boden gerichtet, wäre dieses ganze Unglück nicht passiert. Aber ich sah natürlich nicht zu Boden. Hatte ich erwähnt, das ich filmreif war? Mein Leben sollte einen Soundtrack haben, echt. Kapitel 3: I don't feel pretty anyway. -------------------------------------- ~ Reich & Schön ! ~ N0. 4 – I don't feel pretty anyway. Man konnte wirklich nicht sagen das mein Körper ein Geräusch machte, als ich über einen der Kisten stolperte und der Länge nach hin flog. Nein, ich landete auf dem leicht angesifften Teppichboden und schluckte Flusen. Hmmm, lecker. Aber ich hatte mal wieder unbeschreibliches Unglück. Diese eine Art von Unglück, das immer nur mir zu stieß. Ich konnte es nicht genau sagen, aber in der kleinen, tückischen Umzugskiste befand sich irgendwas, was so heftig schepperte, das es den ganzen Flur beschallte und in meinen Ohren rappelte. Meine Nase, die sich in den Teppich gedrückt hatte, begann weh zu tun, pochte in der Mitte meines Gesichts vor sich hin. Ich stöhnte auf, konnte gar nicht richtig denken, so sehr war ich damit beschäftigt den Schrei zu unterdrücken der meinem Mund entweichen wollte. Die Nasenschleimwand schien verschoben zu sein oder sowas. Auf jeden Fall tats so weh. Wieso um Himmels willen hatte ich nicht einmal auf meinen Schweinehund gehört und war schön brav in meiner Wohnung geblieben? Mir passierten doch eh immer nur irgendwelche Unfälle und total unlogische Zufälle. Als mein Hirn wieder einsetze und ich mich wieder darauf besinnte wo ich gerade war und was ich vor wenigen Minuten noch vor gehabt hatte, war es schon um Meilen zu spät. Ich richtete mich eher schwerfällig auf und setzte mich auf meinen Hintern, als ich die Tür hörte. Natürlich nicht irgendeine Tür. War ja klar gewesen. Wahrscheinlich waren alle anderen Bewohner dieser Etage ausgeflogen oder schwerhörig, denn nur diese eine, verhängnisvolle Tür öffnete sich und ein junger Mann mit blonden Haaren und rabenschwarzen Augen starrte mich ebenso überrascht wie verwirrt an. Einige Sekunden beglotzten wir uns einfach nur sinnlos. Wir waren wohl beide so überrascht, erschrocken und verwirrt, das uns erstmal kein Wort über die Lippen kam. Nach einer knappen Minute riss er sich sichtlich zusammen. „Was... machst du denn hier?“ Die logischste Frage die er stellen konnte, aber ich hatte akut keine Antwort parat. „Ähm.“ war meine vorläufige Reaktion, nur um ein wenig Zeit zu schinden, um mir gekonnt eine Ausrede einfallen zu lassen. Da kam aber nichts. Mein Hirn war wie eingefroren, und ganz nebenbei pochte meine Nase immer noch fröhlich vor sich hin. Ein wenig genervt beschloss ich, bei der Wahrheit zu bleiben. Denn damit war ich eindeutig am besten bedient. Ich versuchte allerdings leise zu sprechen, sodass Nami nicht jedes Wort verstand. „Ich wollt vorbei kommen. Arbeiten. Du weißt schon. Aber da hab... ich euch ...“ Ich beendete den Satz vorläufig, weil ich in Sanjis Gesicht Verstehen auf blitzen sah und nicht glaubte, weiter reden zu müssen.“Ach so.“ murmelte er. Er wirkte immer noch ein wenig aus der Bahn geworfen. Kein Wunder. Hatte ich ihn doch gerade bei etwas gestört, bei dem man nicht gestört werden wollte. Ich spürte die Röte in mein Gesicht schießen und dankte mir selbst, das ich beim Betreten des Flurs das Licht ausgelassen hatte. So war es einigermaßen Dunkel und man konnte meine Gesichtsfarbe nur erahnen. „Jetzt ists grad ungünstig.“ Ich musste kurz auflachen. So weit hatte ich auch schon gedacht. „Deswegen wollte ich ja auch gehen.“ murmelte ich, dann besann ich mich auf meine Situation und stand auf. Sah doch scheiße aus, wenn ich da die ganze Zeit wie ein verletztes Reh auf dem Boden hockte und rum stotterte. „Ich geh jetzt.“ murmelte ich, drehte mich um und marschierte recht schnell in Richtung Aufzug. Das war mit Abstand eines der peinlichsten Situationen gewesen, die ich je erlebt hatte. Ich bekam keine Antwort, sah aber als ich mich umdrehte und auf den Knopf zu meinem Stockwerk drückte sein Gesicht, das immer noch aus der Tür heraus schwebte. Ich runzelte leicht die Stirn, hatte aber nicht genug Zeit seine Gesichtszüge zu studieren, dafür schlossen sich die Aufzugtüren zu schnell. Ich betrachtete noch einen Moment unschlüssig die Knöpfe und Schalter auf dem Armaturenbrett, dann schüttelte ich leise brummelnd den Kopf. Die Frage, wieso er so verwirrt gewesen war und wieso er mir so lange hinterher gestarrt hatte, sollte mich nicht beschäftigen, weil es mich nichts anging. Vielleicht hatte ihn das Geräusch so sehr erschreckt, oder vielleicht verwirrte ihn meine schnelle Flucht. Aber wieso sollte es das tun? Es wäre jeden Menschen peinlich gewesen, wenn man ihn der Länge nach aufgeschlagen auf dem Boden gefunden hätte. Ich lehnte mich an die Wand und legte den Kopf in den Nacken. Dem konnte ich doch nie wieder unter die Augen treten! Allein beim Gedanken an das gerade passierte schoss mir erneut die Röte ins Gesicht und ich verfluchte mich für meine nicht vorhandene Schlagfertigkeit. Ich hätte einfach was lässiges Sagen und dann gehen sollen. Aber dieser Moment war so unsagbar peinlich gewesen, das mir nichts dergleichen über die Lippen gekommen war. Dreck. Vor meiner Haustür angekommen schloss ich sie auf, warf den Schlüssel an seinen angedachten Platz auf der Kommode, machte ein paar große Schritte und warf mich mit Anlauf aufs Sofa, wo ich mein Gesicht in den Kissen vergrub und für einige Minuten die Stille genoss, die sich um mich legte wie ein weiches Halstuch. Dieses unangenehme Gefühl im Magen wich langsam aber sicher, es machte sich eine gewisse Resignation breit. Es war nun mal passiert, es war nicht mehr zu ändern. Doof nur, das ich mich mal wieder zum kompletten Vollidioten gemacht hatte. Doof nur, das ich meinen Ruf als starken, gefühlskalten Kerl jetzt an den Nagel hängen konnte. Das würde sicher Gesprächsthema Nummer Eins werden bei den Anderen. Ich hörte schon die Nachrichten, die sie auf meinem AB hinterlassen würden. Nami würde wahrscheinlich einfach 10 Minuten in den Hörer lachen. Scheiße. Ich hob das Gesicht und schob mein zerknautschtes Gesicht in Richtung Tisch, um die dort aufgereihten Medikamente zu betrachten. Ich sollte vielleicht ein paar davon nehmen. Schließlich war meine Erkältung immer noch nicht ausgestanden. Ich erhob mich schwerfällig, schob mir 2 Tabletten in den Mund und schluckte sie brav, bevor ich aufstand und mir mein Telefon von der Kommode schnappte. Ich wählte Frankies Nummer, hoffte irgendwie das der Chaot zu erreichen war. Das grad nicht so viel in der Apotheke los war und wir uns in Ruhe unterhalten konnten. Drei Mal erklang das leise Tuten, und ich wollte schon erbost den roten Knopf drücken, als ich ein leises Knacken und dann eine sich räuspernde Stimme hörte. „Hey Zorro.“, murmelte es tonlos in mein Ohr. Erst war ich ein bisschen verwirrt darüber, das er wusste wer da anrief – dann fiel mir aber ein, das ich sein Handy kontaktierte und es damit kein Wunder war. „Hey Frankie.“, gab ich fast ebenso tonlos zurück. „Auch so scheiße gelaunt?“ Erst herrschte Stille in der Leitung, dann gab es eine knappe Antwort. „Oh ja.“ Da es zu einem der selteneren Ereignissen gehörte, das Frankie schlechte Laune hatte, ließ ich mich auf mein Sofa sinken und spitzte gespannt die Ohren. „Was ist denn passiert?“ fragte ich schließlich ungeduldig, als ich anstatt einer Erklärung nur ein lang gezogenes Schniefen bekam. „Kannst... du vielleicht vorbei kommen?“ war die gewinselte Gegenfrage. Ich schnaufte, sah aus dem Fenster hinaus in das gleich bleibende Grau. Eigentlich hatte ich keine Lust. Ich wollte mich am liebsten gar nicht mehr aus meiner Wohnung bewegen an diesem Tag. Passierte doch eh nur irgendein dummer Unfall. Als der Elvisverschnitt aber auf einmal vollkommen aufgelöst anfing in das Telefon zu jaulen, hatte ich keine Wahl. „Ja... ja, beruhige dich Frankie, ich komm jetzt vorbei. Bist doch sicher in der Apotheke, oder?“ Ein Schniefen, dann ein leises. „Mhm, ja.“ „Okay, ich bin gleich da. Gib mir ein bisschen Zeit.“ Ich legte auf, bevor er anfangen konnte irgendwelche traurigen Lieder zu trällern, und pellte mich in Jacke und Schuhe. Ich fühlte mich ein klein wenig overdressed dafür, das ich nur in die Apotheke wollte und Frankie mir mein Hemd eh gleich voll rotzen würde, aber umziehen wollte ich mich jetzt auch nicht mehr. Ich verließ eiligst meine Wohnung, schloss hinter mir ab und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten. Als ich aus dem Haus hinaus trat und kurz in den Himmel sah um zu testen ob ich meine Kapuze brauchte die an meiner Jacke war, konnte ich nicht anders als ein wenig deprimiert zu schnaufen. Nicht nur, das mir in der letzten Zeit nur Unheil passierte. Nein, das Wetter wurde auch noch von Tag zu Tag unangenehmer. Ich wäre ja froh über ein wenig Regen gewesen, aber es wollte einfach nicht. Der Himmel war grau und verhangen, es war kalt und der Wind trieb die Kälte unter die Haut und in die Knochen. Ich dachte, es sei Herbst? Fühlte sich mehr an wie kurz vor Weihnachten. Ich stapfte die Straße hinunter, überquerte die Kreuzung und marschierte an den einkaufenden Menschen vorbei. Irgendwie sahen die alle glücklicher aus ich. Ich ließ den Kopf sinken, um ihnen nicht mehr ins Gesicht sehen zu müssen. Ich konnte es eben nicht haben, wenn ich mich schlecht fühlte und alle anderen irgendwie glücklich waren. Über all gingen Pärchen Arm in Arm, es wurde gelacht und getuschelt. So viel gute Laune an so einem beschissenen Tag sollte verboten werden. Wieder wirkte die Apotheke für mich wie der angenehmste Ort in dieser Stadt, ich konnte es kaum erwarten ihn zu betreten und als ich die Tür öffnete und tatsächlich eintrat, atmete ich erstmal tief durch. Die Luft schien hier drin sogar besser zu sein als bei den ganzen Clowns da draußen. Könnte auch daran liegen, das ich da einen Leidensgenossen auf der Theke liegen sah. Und mit dem Wort liegen übertrieb ich kein Stück. Frankie seinen Kopf auf der Verkaufstheke gebettet, die Arme davor gelegt, wohl damit man seine Tränen nicht sehen konnte, und schniefte aus Leibes Kräften. Ich konnte mir nicht vorstellen das er gute Umsätze machte, wenn das öfter passierte. „Frankie?“ fragte ich unsicher. Ich hatte den Chaoten ja schon oft heulend erlebt, doch so wie er sich jetzt benahm konnte ich mir nicht vorstellen, das er übertrieb. Irgendwas schlimmes war passiert. Und Frankie ging es wirklich nicht gut. Als der Muskelprotz seinen Kopf hob und mich aus auf gequollenen Augen ansah, erschrak ich ein wenig. Der sah ja noch schlimmer aus als ich in voller Krankheit! „Meine Fresse, was ist denn los?“ fragte ich, während ich um die Theke herum ging und den großen, heulenden Kerl vom Tresen wegzerrte. „Ach Zorro, es ist alles so... schrecklich!“ brüllte er auf, setzte noch ein Mark erschütterndes Jaulen dahinter und vergrub seinen Kopf auf meiner Schulter, während ich ihn in den hinteren Teil der Apotheke zu den Medikamenten und Rezepten brachte. „Ja, das denke ich mir. Aber was ist so schrecklich?“ Ich sah mich um, konnte aber nicht direkt ein Taschentuch entdecken, als ich Frankie an den Kaffeetisch setzte der in der hinteren Apotheke und auf dem noch ein paar Brötchen und eine halbe Tasse Kaffee standen. Zurück in den vorderen Teil des Ladens wollte ich nicht, wollte vorerst Frankie nicht allein lassen. Das konnte ich auch gar nicht, denn der begann, zwischen durch immer wieder vor sich hin schniefend, zu reden. „Erinnerst du dich an diese Frau, die ich kennen gelernt habe?“ Ich runzelte die Stirn, konnte mir aber nicht direkt in Erinnerung rufen wen er meinte. „Ähm...“ - „Nico Robin.“ Ah ja, genau! Ich hatte sie einmal gesehen, sie war im Laden gewesen als ich dort zum quatschen vorbei gekommen war, und sofort war die Welt um Frankie herum wie weg geblasen gewesen. Er hatte nur noch Augen für sie gehabt. Aber man hatte es ihm nicht verübeln können. Diese Nico hatte wirklich mehr als einen Vorzug gehabt. Gleich zwei, wenn man genau sein wollte. „Ja, ich erinnere mich.“ murmelte ich, als Frankie mich weiterhin fragend musterte. Ich setzte mich ihm gegenüber, versuchte ihm so gut es ging zu folgen. „Wir.. wir sind ein paar Mal ausgegangen. Nichts.. besonderes, nur so ein bisschen. Mal ins Kino, einmal sind wir essen gegangen, manchmal ist sie auch einfach in den Laden gekommen und wir haben uns unterhalten. Es war nicht nett, verstehst du? Ich hatte sie... verdammt gern.“ Ich nickte, als Frankie eine Pause machte um sich den Rotz am Hemdsärmel ab zu wischen. „Und.. vorhin, also vor ungefähr einer Stunde, kommt sie in den Laden.“ Ich nickte wieder, da Frankie nicht weiter sprach, mich nur mit seinen verletzten Hundeaugen ansah. „Und zwar nicht allein!“ - „Sie hat nen Freund?“ Oh Zorro, du lernst es echt nie. Nach diesen vier unbedachten Worten brach Frankie wieder in einen Weinkrampf aus und ich hatte Mühe, ihn wieder zum Atmen zu bewegen. „Ganz ruhig Frankie. Ganz ruhig.“ Ich hatte ein wenig Angst um meine körperliche Unversehrtheit, und so schnappte ich mir über den Tisch hinweg seine Hand und drückte sie leicht. Er drückte sie gleich doppelt so feste zurück und ich verkniff mir ein leises Stöhnen. „Das... das tut einfach so verdammt weh, weißt du?“ Ich nickte langsam, auch wenn ich es nicht wusste. „Ja, das... das kann ich mir vorstellen.“ murmelte ich. „Oh Zorro, sei froh, das du noch niemals verliebt gewesen bist! Es ist.. das schlimmste was dir passieren kann!“ schrie Frankie urplötzlich und ich zuckte zusammen. „Nun beruhige dich doch mal, Frankie! Ich verspreche dir, das wird alles wieder.“ „...Echt?“ Ein kleines bisschen Hoffnung flammte in seinen Augen auf, und ich beschloss, einfach so weiter zu machen. Würde schon klappen. „Ja, echt. Man, wenn die Frau nicht auf dich angesprungen ist, dann hatte die dich gar nicht verdient. Halt die Augen offen, es wird schon die Richtige für dich kommen!“ Ich schien ihm wirklich geholfen zu haben, obwohl ich mir das nur schwer vorstellen konnte. Normalerweise machte ich die Menschen mit meinem ''aufbauenden'' Reden noch unglücklicher. Aber Frankie lächelte auf einmal, und irgendwie gab mir das ein gutes Gefühl. Es fühlte sich irgendwie gut an, heute doch noch was gutes getan zu haben. Einem Freund in Not geholfen zu haben. „Danke man. Ich... bin dir echt was schuldig.“ murmelte Frankie, und ich musste tatsächlich kurz lachen. „Laber nicht.“ Frankie grinste, sah in Richtung Tisch, dann bekam sein Gesicht einen überraschten Ausdruck. „Scheiße – ich heule hier nur rum und vergess dabei total, das du auch schlechte Laune hast!“ Er stupste meine Hand an und lächelte. „Also raus damit. Was ist los?“ Das Gefühl, unbedingt darüber reden zu müssen, war verschwunden, und ich wusste wirklich nicht ob ich jetzt noch mit Frankie reden wollte. Aber ich hatte das Gefühl, ihm das ein wenig schuldig zu sein. Er hatte mir hier grad so das Herz ausgeschüttet – was wäre ich für ein Freund, wenn ich ihm so wenig Vertrauen entgegen bringen würde? „Es geht um den neuen Nachbarn, den wir haben.“, murrte ich und sofort spitzten sich bei meinem Gegenübersitzenden die Ohren. Ich konnte förmlich sehen, wie es in seinem Hirn zu arbeiten begann. Es machte mir ein klein wenig Angst. „Ja? Was ist mit ihm?“ Er schien ungeduldig zu sein. Was was wartete er? „Heute ist mir was echt peinliches passiert.“ Ich erzählte ihm die Geschichte, ließ keine Einzelheit aus und erwähnte auch seinen verwirrten Blick, den er mir nach geworfen hatte. „... Als hätte ich irgendwas total abwegiges getan. Als hätte er eine ganz andere Reaktion von mir erwartet oder so. Aber ich meine... was hättest du getan?“ Frankie, der die ganze Zeit brav zugehört hatte, nickte jetzt langsam und legte seinen Kopf auf seine aufgestützte Hand. „Ich wäre auch abgehauen.“ gab er ehrlich zu und ich war dankbar dafür. „Vielleicht war er einfach nur so verdattert, weil ausgerechnet du da oben warst. Vielleicht hat er erwartet das du gar nichts machst, nicht hoch kommst und er dir den Arsch wegklagen kann. Aber so ists ja nicht gewesen und vielleicht hat ihn das verwirrt.“ Ich nickte langsam und betrachtete das karierte Tischtuch, bevor ich mir ein Brötchen schnappte und herzhaft hinein biss. Frankie legte den Kopf schief. „Du scheinst aber auch ein wenig durch den Wind zu sein deswegen.“ bemerkte er. Ich sah auf. „Ach quatsch.“ bemerkte ich. Das ich log war wohl offensichtlich. Jedenfalls sah es Frankie sofort. Er sah mich mit diesem Blick an, den nur er drauf hatte und der mich jedes mal ganz wuschig machte. „Ja, schon gut. Du hast Recht – ein wenig verwirrt bin ich auch. Ich... weiß einfach nicht. Ich versteh mich selbst nicht. In seiner Umgebung fühl ich mich immer wie ein Haufen Dreck, weißt du? Wie ein Nichts, ein Niemand. Er hat so viel erreicht, er hat Charme, er hat Frauen – und davon wohl auch nicht zu knapp... und was hab ich? Ich hab gar nichts. Eine Wohnung hab ich.“ Frankie runzelte die Stirn. „Du hast Freunde.“ merkte er an. Ich zuckte mit den Schultern. „Ja, die auch. Aber die wird er auch zu Hauf haben.“ Der Elivsverschnitt wog den Kopf hin und her. „Und deswegen hälst du dich nicht gern in seiner Nähe auf? Weil du dich in seiner Umgebung klein und dreckig fühlst?“ Das dreckig hätte er ruhig weglassen können, fand ich. „Ja.“ knurrte ich darauf. Frankie nickte. „Weißt du Zorro, ich glaube, eigentlich hast du gar nichts gegen ihn.“ Ich hob die Augenbrauen und starrte ihn perplex an. „Was laberst du?! Der Kerl beschuldigt mich zu unrecht seine Sachen zu beschädigen, hält mich als Haussklaven und hat wohl Spaß daran mich zu nerven – und ich soll ihn mögen?“ Frankie nickte wieder. „Ja. Du... hast so einen Ausdruck in den Augen, wenn du von ihm sprichst. Sowas verletztes. Zum Teil ist das wahrscheinlich verletzte Ehre, aber zum Anderen wohl auch die Trauer darüber, das er dich anscheinend nicht so leiden kann.“ Ich wollte gerade aufspringen um auf das Hefigste zu protestieren – Frankie hatte sie wohl nicht mehr alle, so einen aufgeblasenen Schnösel konnte ich doch gar nicht mögen, so ein bullshit – als die Ladenglocke ging. Wir hoben beide die Köpfe, konnten aber vom Tisch aus nicht sehen, wer herein gekommen war. Frankie sah erst mich an, dann in die Glastür hinter sich. „Gott Zorro, kannst du bitte kurz gehen? Ich seh ja fürchterlich aus mit den verheulten Augen.“ Ich seufzte. „Ich weiß doch gar nicht wo alles steht.“ murmelte ich. Frankie verdrehte die Augen. „Das wirst du schon sehen. Und wenn jemand ein Rezept hat, dann komm einfach zu mir nach hinten und ich such es für dich raus.“ Eigentlich wollte ich das nicht machen. Ich hatte so ein Gefühl im Bauch, das mir verriet, das irgendwas passieren würde wenn ich jetzt nach vorne ginge. Und 'etwas' konnte nicht gerade toll sein bei meinem Glück. Aber Frankie sah mich wieder so an und ich seufzte genervt. „Ja, schon gut, guck nicht so. Ich gehe.“ Ich drehte mich auf dem Absatz um, marschierte an den hohen Regalen vorbei und trat in den Verkaufsraum der Apotheke. Es hätte mir klar sein müssen. Alle Dinge die in den letzten Tagen passiert waren, hatten irgendwas mit ihm zu tun gehabt. ALLES war auf ihn hinaus gelaufen. So auch mein Erscheinen hinter der Theke. Direkt vor meiner Nase stand kein Anderer als unser allseits beliebter Sanji, starrte direkt in meinem vollkommen überrumpeltes Gesicht und ich hatte das Gefühl in Zeitlupe beobachten zu können, wie seine Gesichtszüge entgleisten. Ich kam zum stehen, starrte ihn an, über den Tresen hinweg. Er starrte ebenso zurück. Schweigen trat ein, und schließlich besann ich mich auf meine Aufgabe. Doch mein Mund war mal wieder schneller gewesen als mein Kopf. „Was brauchst du – Kondome?“ Kaum waren diese Worte gesprochen, hätte ich mir am liebsten eine geknallt. Der Laden gehörte nicht mir, also musste ich zu jedem Kunden nett sein, damit ich Frankie nicht das Geschäft kaputt machte. Ich war so ein Idiot! Sanji allerdings, der sich wieder im Griff hatte, blieb erstaunlich ruhig und kühl. Er war wieder so, wie ich ihn kennen gelernt hatte. „Arbeitest du etwa hier?“ Ein wenig Spott lag in seiner Stimme, doch da war noch etwas anderes, das ich nicht einordnen konnte. Etwas völlig anderes. Dennoch fühlte ich mich gekränkt. Was sollte ich jetzt sagen? Ja wäre falsch und nein auch. Verdammt. „Ich helf hier heute nur aus.“ teilte ich mit. Eine halbe Lüge war zumindest schon mal keine Ganze. „Ah ja. Und du bist der Einzige, der hier arbeitet?“ Wieso interessierte ihn das? Er würde doch sicher einen Heidenspaß daran haben, mir unter die Nase zu reiben, das er Kondome brauchte. Also konnte es das schon mal nicht sein. Das war zu interessant, um jetzt das Ganze einfach abzubrechen. Ich nickte. „Ja, der Einzige heute.“ Lieber Gott, bitte verzeih mir diese Sünde, aber ich kann mich nicht beherrschen. Sanjis Augen wurden ein wenig schmaler. „Gut, dann werde ich jetzt gehen.“ Er drehte sich um, doch so konnte ich ihn nicht gehen lassen. Was verdammt noch mal wollte dieser Kerl kaufen, das ich das nicht mitbekommen sollte? Konnte man Penispumpen in der Apotheke besorgen? „Wieso denn? Ein Medikament raus suchen und es dir geben kann ich genauso gut wie alle anderen Verkäufer in Apotheken auch.“ Konnte ich zwar nicht, spielte aber keine Rolle. Er drehte den Kopf, starrte mich mit seinen Rabenaugen an und ein Schauer lief meinen Rücken hinunter. „Wann hast du Schluss?“ sagte er tonlos. Ich stockte. „Gleich.“ murmelte ich. Das war absolut unheimlich. Sobald er diesen Blick aufsetzte, dieses kalte und unnahbare, konnte ich nicht anders als das tun was er sagte. „Gut. Komm direkt danach zu mir. Keine Umwege. Ich hab was für dich zu tun.“ Jetzt wurden meine Augen schmaler. „Glaub bloß nicht, das ich lächeln und den fröhlichen Affen für dich spielen werde, Bengel.“ knurrte ich. Sanji lachte kalt. „Du machst, was ich dir sage.“ Mit diesen Worten war er aus dem Laden und ich mit meinen Nerven am Ende. Kapitel 4: Robotboy, do you need a friend?! ------------------------------------------- ~ Reich und Schön! ~ N0. 5 – Robotboy, do you need a friend? Mein Herz raste in meiner Brust, als ich zum zweiten Mal an diesem Tag vor der verhängnisvollen Tür stand und den Klingelknopf drücken wollte. Ich hatte mich etwas rabiat von Frankie verabschiedet, hatte zu viel im Kopf gehabt um weiter mit ihm reden zu können. Ich wusste gar nicht so genau, wieso ich aufgeregt war, einen wahren Adrenalinrausch hatte. Den ganzen Rückweg zum Hochhaus hatte ich leise Verwünschungen gemurmelt und mir geschworen, diesem Kerl all die Frechheiten irgendwann Heim zu zahlen, aber je näher ich diesem Höllenschlund gekommen war, desto kribbeliger war ich geworden. Mein Herz pumpte unaufhaltsam Blut in alle Bereiche meines Körpers, meine Finger kitzelten unangenehm und mein Magen versuchte sich an einigen Purzelbäumen. Aber ich konnte jetzt nicht mehr kneifen. Ich hatte einfach keine Wahl. Ich betete kurz, das sich Nami davon gemacht hatte, dann drückte ich todesmutig die Klingel. Ich zuckte leicht zusammen, als ein nerviges Surren im Inneren der Wohnung erklang. Kein Wunder, das der Kerl so schlecht gelaunt war bei dem Geräusch, da würde ich auch zu viel bekommen. Ich hörte Schritte und ohne das ich meine Gliedmaßen richtig steuern konnte schob ich die Hände tief in die Hosentaschen und legte den Kopf ein Stück zurück. Ich musste mich verdammt nochmal beruhigen, bevor der Kerl die Tür aufmachte! Ich wollte nicht das er etwas von meiner Nervosität merkte. Absolut nicht. Ich wusste ja noch nicht mal, wieso ich so aufgekratzt war! Das war doch alles total absurd. Ich hörte die Klinke, öffnete die Augen wieder und blickte keine Sekunde später direkt in Sanjis leicht genervtes Gesicht. Na das fing ja super an. Er hatte ein Telefon in der Hand, trug keine Schuhe mehr und sein Hemd war zerknittert und ein Stück geöffnet. Er wirkte ein bisschen wahnsinnig, wie er mich mit seinen schwarzen Augen anstarrte und den Hörer wie eine Mordwaffe erhoben hatte. Ich überlegte, bei Seite zu springen, weil ich einen Schlag oder einen Wurf mit dem Telefon erwartete. Aber nichts dergleichen passierte. Sanji trat bei Seite und machte ein paar hektische Bewegungen, die mich dazu bringen sollten, einzutreten. „Beweg deinen Arsch, Salatkopf.“ knurrte er und ich war augenblicklich dazu verleitet wieder um zukehren, aber die Höhle des Löwen saugte mich auf wie ein schwarzes Loch. Kaum das ich mich versah stand ich schon mitten in seinem Wohnzimmer. Ich staunte nicht schlecht, als ich mir einmal um meine eigene Achse drehte. Der Raum war verdammt groß, größer als ich ihn geschätzt hatte. Die Wände waren in weiß, allerdings hingen schon recht viele Bilder und Gemälde daran, die sich perfekt zum schwarzen Ledersofa und dem schicken Breitbildfernseher ergänzten. Ein großes Bücherregal stand an der rechten Seite, darin befanden sich wie ich flüchtig bemerkte hauptsächlich Bildbände mit Fotos von Models. Links ging ein Flur ab, der führte dann wohl zu den restlichen Räumen. Ich rührte mich vorerst nicht, blieb einfach stehen und bestaunte diese Möbelauswahl. Das war nicht mehr schick. Das war extravagant... und ganz sicher nicht billig. Vor allem das Sofa sah nach einem Designerstück aus. Ich drehte den Kopf und sah kurz zu Sanji – der schien aber gerade gar keinen Nerv für mich zu haben. Er ging an mir vorbei, das Telefon wieder am Ohr, und sprach wieder in dieser unglaublich schnellen, aggressiv klingenden Sprache. Ich beschloss, mich noch ein wenig weiter umzusehen, trat in den Flur und betrachtete staunend die Türen, die links und rechts abgingen. Sie öffnen wollte ich nicht – Sanji hatte sicher einen Grund gehabt, sie zu schließen. Aber wenn man weiter durch ging kam man in die Küche, und ich konnte es mir nicht nehmen lassen dort mal einen Blick hinein zu werfen. Mein Kiefer klappte nach unten, als ich die Hochglanzküche sah, die sich vor meinen Augen erstreckte. Sie war verdammt groß, schien wie aus einem Guss und glänzte so sehr, das ich das Gefühl hatte die Augen zukneifen zu müssen. Ich runzelte die Stirn. Dieser Raum passte zu Sanji. Teuer und extravagant, aber so kalt wie ein Eisberg. Ein Schauer lief meinen Rücken hinunter. Nein, das war definitiv keine Einrichtung für mich. „Na, gefällt sie dir?“, erklang Sanjis belustigte Stimme hinter mir und ich fuhr erschrocken herum. „Es geht.“ gab ich knapp zurück. Diese Antwort schien dem Blondschopf nicht sonderlich zu gefallen, aber er sagte nichts weiter dazu. „Ich hab ne spannende Aufgabe für dich.“ teilte er mit einem Grinsen mit, das mir rein gar nicht gefiel. Ich beschränkte mich aufs Schweigen, das schien mir am klügsten. „Setz dich einfach da hin.“ Er deutete an den kleinen Tisch, der irgendwie unproportional zum Rest der Küche war, an einer Wand stand und auf die Benutzung wartete. Ich zwängte mich auf den Metallstuhl und erschauderte ein weiteres Mal. Man konnte davon ausgehen, das einem der Hintern nach einer halben Stunde sitzen wegfror. „Du darfst das zusammen basteln, was du vorhin kaputt gemacht hast.“ Ich hob die Augenbrauen und betrachtete Sanji, der sich an die Wand mir gegenüber gelehnt hatte und mich auffordernd ansah. Ich allerdings wusste nicht mal was er meinte, deswegen starrte ich ziemlich verwirrt zurück. Der Blonde verdrehte die Augen, dann deutete er ohne ein Wort zu sagen neben mich. Ich senkte den Blick zu Boden und erkannte den Grund meines Sturzes, den ich vor wenigen Stunden erlitten hatte. Die kleine, braune Kiste stand da und schien mich wie ein fieser Feind anzustarren und auszulachen. Ich schloss kurz die Augen, um ein deprimiertes Seufzen zu unterdrücken. Das würde sicherlich spaßig werden. „Mach sie auf und guck dir die Bescherung an.“ sagte Sanji mit einer fast zu gut gelaunten Stimme, und ich folgte seiner Anweisung, schließlich wollte ich auch wissen was ich da zerstört hatte. Eine Vase hatte ich zerschmettert, außerdem etwas, was wohl einmal eine Spieluhr gewesen war, jetzt aber in seine Einzelteile aufgeteilt war. Ich hob den Kopf, betrachtete eher missbilligend den Blonden, der offensichtlich einen Heidenspaß an der Sache hatte. „Okay.“ knurrte ich, auch wenn mir ganz andere Aussagen auf der Zunge lagen, und begann, die einzelnen Vasenstücke aus dem Karton zu fischen. Sanji machte ein paar Schritte auf einen Schrank zu. „Hier hast du Kleber, Sekundenkleber, ein bisschen Werkzeug... wenn du noch irgendwas brauchst, findest du das ziemlich sicher in dieser Schublade hier. Zu Trinken steht im Kühlschrank da vorn, wenn du Hunger hast kannst du dir ein Brot machen oder so.“ Ich nickte langsam und betrachtete hilflos die kleinen bist Kleinstteile der Vase. Wie sollte ich die denn bitte wieder ordentlich zusammen flicken?! Bevor ich mir darüber eingehend Gedanken machen konnte, lehnte sich der Blondschopf mit einer Hand auf den Tisch und betrachtete mein Gesicht eingehend. Seine Augen musterten mich und ich fühlte mich so durchschaut und ertappt, das ich ein wenig rot wurde. Es war als würde er jeden meiner Gedanken, jeden Wunsch und jedes Geheimnis sofort erkennen, das ich in mir verbarg. „Ich muss jetzt noch mal los. Ich bin nicht lange weg, und wenn ich wieder komme will ich Ergebnisse sehen. Sollte mir auffallen, das irgendwas fehlt, kannst du davon ausgehen das ich dich hier arbeiten lasse und dir trotzdem den Arsch wegklage.“ Ich konnte nichts anderes tun als zu nicken. Aus meinem Mund wollte kein Wort entweichen. „Gut. Dann verstehen wir uns ja.“ Er richtete sich wieder auf und verschwand in Richtung Flur. „Viel Spaß.“ Ich wär ihm für seinen belustigten Tonfall gern an die Kehle gesprungen. Aber bevor ich diesen Plan in die Tat umsetzen konnte hörte ich auch schon die Wohnungstür. Ich war allein. Ein wunderbares Gefühl der Freiheit beschlich mich, ein Gefühl das mich lächeln ließ, worauf hin ich mich ein wenig hibbelig erhob. So mussten sich damals die Sklaven gefühlt haben, wenn sie von ihrem Herrn in die Freiheit entlassen wurden. Ich sah mich ein zweites Mal eingehend in der Küche um, konnte aber absolut keinen Fleck auf den wie geleckten Arbeitsplatten entdecken. Entweder der Typ hatte einen Putzfimmel oder eine gute Putzfrau. Mir war es gleich – diese Wohnung steckte voller ungeklärter Geheimnisse und ich würde es als mutiger Höllenforscher wagen, sie aufzudecken. Ich trat in den Flur und entschied mich spontan für die erste Tür links. Ich fand das Bad vor, das mich allerdings noch mehr blendete als die Küche. Dieser Kerl hatte einen Tick, einen Glanztick, das war klar. Die zweite Tür links führte in ein etwas kleineres Zimmer, das ich als Arbeitsraum identifizierte. Ein großer, moderner Schreibtisch mit einem Computer und jeder Menge Terminkalendern stand darin, es war ein kleines Ledersofa vorhanden und auch ein Fernseher hing an der Wand. Ich fragte mich, wofür er den brauchte, wenn er hier arbeiten wollte. Konnte man sich denn beim Fernsehen schauen konzentrieren? Ich jedenfalls konnte es nicht. Der rechte Raum entpuppte sich als Schlafzimmer der extraklasse. Es war genau so groß wie das Wohnzimmer, an der Wand platziert stand ein wunderschönes, japanisch angehauchtes Doppelbett mit dunkelrotem Bezug. Der Kleiderschrank im Raum war genau wie das Bett in dunklem Holz, die Wände hatten eine gewisse Tonfarbe, außerdem hingen viele Bilder mit japanischen Schriftzeichen daran. Fast bewundernswert, wie schnell sich dieser Kerl häuslich eingerichtet hatte. Auch das Wohnzimmer bekam eine zweite Chance und ich schlenderte langsam an den großen Panoramafenstern vorbei, die hinter dem Sofa waren, so groß waren wie ich und den Blick über die Dächer unserer Stadt freigaben. Ich betrachtete nachdenklich den Himmel und stellte fest, das sich die dunklen Wolken ein gutes Stück geklärt hatten und ab und an die Sonne zwischen ihnen hindurch schien. An der Wand unter dem Breitbildfernseher stand ein Musikanlage, deren Boxen durch den ganzen Raum verteilt waren. Mich lockte die Vorstellung der kompletten Beschallung, und so kniete ich mich vor dem Elektrogerät hin und untersuchte die vielen Schalter und Knöpfe. Schnell war der Einschaltknopf gefunden und auch die Abspieltaste war recht unkompliziert gedrückt. Ein paar Minuten herrschte Stille im Raum, ich wollte das Gerät schon wieder abstellen und nachsehen ob eine CD drin war, doch dann erklangen die ersten Töne eines Instuments, das ich nicht direkt einordnen konnte. Doch nach wenigen Sekunden wusste ich, was ich da hörte. Der Mann hinter diesem unsagbar romantischen Sound war Yann Tiersen, und das Lied das gerade abgespielt wurde nannte sich „La Noyée“. Es war ein Musikstück ohne Gesang, leicht klassisch angehaucht, und doch so frisch und neu wie eine Brise. Ich kannte diesen Künstler, ich hatte mich oft mit seiner Musik aus einander gesetzt wenn ich fotografiert hatte, da ich seine Klänge am inspirierendsten fand. Das durfte natürlich niemand wissen. Keiner meiner Freunde und auch keiner meiner Verwandten wusste, das ich solche Musik hörte. Die würden mich doch ohne großes Gerede steinigen. Meinen Ruf wollte ich nicht verlieren und meinen Kopf vor der Enthauptung schützen. Ganz nebenbei wars mir außerdem höllisch peinlich. Aber diese Beschallung von allen Seiten war so überwältigend, das ich mich nicht dazu durchringen konnte wieder auf Pause zu drücken. Ich erhob mich wieder, stand einfach im Raum, schloss die Augen und genoss das Gefühl, das die Musik in mir auslöste. Ich fühlte mich auf eine eigenartige Art glücklich, befreit, fast wie unsichtbar. Und manchmal war das wirklich ein Segen. Als mir klar wurde wo ich mich gerade befand, schüttelte ich schnell den Kopf, bückte mich und drückte auf „Aus“. Ich spürte die Röte in mein Gesicht schießen, obwohl mir das wirklich vor niemandem peinlich sein musste. Vielleicht übertrieb ich nur. Ich musste mir keine Sorgen machen, Sanji war weg und auch die Anderen war nicht da. Niemand würde jemals davon erfahren. Ich schlenderte mit einem seltsamen Gefühl zurück in die Küche, konnte mich aber nicht von dem Wunsch losreißen noch einmal den Suround-Sound zu genießen, gemeinsam mit den Klängen von Yann Tiersen. Aber ich wusste nicht, wann Sanji zurück kommen würde. Also ließ ich es besser bleiben. Ich betrachtete nachdenklich die Vasenteile, dann begann ich sie in mühsamer Kleinstarbeit zusammen zu setzen. Ich wollte sie erst später kleben, ich war mir ja nicht so ganz sicher wo was hingehörte. Nur wollte mir dieses Lied einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen, worauf hin ich es leise vor mich hin summte, während ich prüfend die zusammen passenden Verzierungen betrachtete. Irgendwie wollte diese Vase nicht so wie ich wollte, und ich vermutete das es eiskalte Rache von ihr war. Dafür, das ich sie zerschmettert hatte. Da hast du's Arschloch. Haha. Als ob Vasen sich was dabei dachten, wenn sie sich nicht zusammen setzen ließen. Das war einzig und allein der liebe Gott im Himmel, der seine sadistische Ader entdeckt hatte und sie an mir aus testete. Ich hörte die Tür nicht. Nein, ich hörte sie wirklich nicht, als sie geöffnet und wieder ins Schloss fallen gelassen wurde. Ich war vollkommen konzentriert, in meinem Kopf das Bild der Vase, in meinen Ohren „La Noyée“. Es war nicht nur so das ich es schaffen musste, ich wollte es auch schaffen. Ich mochte anspruchsvolle Aufgaben und das hier war definitiv eine für mich. Mit meinen nicht gerade zärtlichen Arbeiterhänden war das eben kein Zucker schlecken. Ich hörte seine Schritte nicht. Ich summte das Lied weiter vor mich hin, wurde ab und an lauter, dann wieder leiser, fühlte mich gut so allein in dieser schönen Wohnung, auch wenn ich gar nicht mehr allein war. „Du magst Yann Tiersen?“ - „AAAAH!“ Vor lauter Schreck drehte ich mich so heftig auf dem Metallstuhl herum, das der ins Wanken geriet, ich noch ein paar Minuten haltlos mit den Armen in der Luft wirbelte und dann rückwärts auf dem gefließten Boden aufschlug. Es war schon fast wieder eine Leistung, so viel Unglück zu haben, fand ich, als ich Sanji von unten her ins Gesicht starrte und das amüsierte Lachen vernahm. „Kein Grund, im Erdboden zu versinken.“ teilte der Blonde mit und kniete sich neben mich, während ich ziemlich erfolglos versuchte, meinen immer noch vor Schreck zitternden Körper in die Senkrechte zu bringen. Er schüttelte demonstrativ den Kopf. „Erst machst du mein Klavier kaputt, dann zerstörst du meine Vase... und jetzt zerkratzt du meinen Boden.“ Ich starrte ihm, in der Bewegung verharrend, vollkommen perplex ins Gesicht. „Das willst du mir doch jetzt nicht ernsthaft als Arbeitszeit anrechnen?!“ Das meinte der Blondschopf doch nicht ernst. Das konnte er einfach nicht ernst meinen! Der hatte einfach viel zu viel Spaß daran, andere Menschen zu quälen und fertig zu machen. Endlich hatte ich meinen Körper wieder im Griff, ich richtete mich auf und auch Sanji erhob sich wieder. „Unsinn. So unmenschlich bin ich dann doch nicht. Ich wollts nur mal höflicherweise erwähnt haben.“ Auf eine Höflichkeit scheiß ich, danke. „Lass stecken.“ knurrte ich, stellte den Stuhl wieder hin und sah in der Spiegelung des Tisches, wie Rot mein Gesicht wieder war. Scheiße. „Du hast mir meine Frage nicht beantwortet.“ - „Welche Frage?“ Natürlich wusste ich was er meinte. Als ob ich seine dumme Frage vergessen könnte. Aber vielleicht kaufte er mir ja die Konzentration ab, die ich spielte, nachdem ich mich wieder auf den Stuhl gesetzt und tief durch geatmet hatte. ... Nein, er tat es nicht. „Komm Lorenor. Du weißt was ich meine. Yann Tiersen. Magst du ihn?“ Ich wog den Kopf hin und her, dachte erst angestrengt über eine neutrale aber für ihn zufrieden stellende Antwort nach. „Ich find ihn ganz gut.“ teilte ich schließlich recht knapp mit. „Du kennst eines seiner Lieder. Aus einem romantischen Film ist es... ''Amelie'', soweit ich mich erinnern kann.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Hab das Lied halt mal irgendwo gehört.“ knurrte ich. „Den Film kenn ich nicht.“ Das war diesmal nur halb gelogen und darauf war ich ein wenig stolz. Denn den Film hatte ich nie gesehen, obwohl ich den Soundtrack dazu in und auswendig kannte. „Ah, okay.“ Er war mal wieder mit meiner Message nicht zufrieden gewesen, sagte aber nichts weiter dazu. „Muss dir außerdem nicht peinlich sein. Ich find die Musik auch toll.“ Kann schon sein, Blondie, du bist aber auch eine Schwuchtel höchsten Grades und damit aus der Wertung ausgenommen. Konnte man eine Schwuchtel sein und trotzdem mit Frauen schlafen? Ging das... also rein anatomisch? „Hast du Hunger?“ Ich sah nicht auf, wagte es nicht diesem verdammten Mistkerl in die Augen zu sehen. „Ein wenig.“ gestand ich, da sich das Magenknurren nicht verleugnen ließ. „Ich wollte mir eh einen Salat machen.“ Und so wuselte Sanji neben mir geschäftig in der Küche herum, während ich mich versuchte auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ich fühlte mich wie ein kleines armes Hausmädchen, das durch Arbeit versuchte an etwas Essbares zu kommen. Aber ich hatte wirklich Hunger. Auch wenn Salat nicht gerade zu meinen Lieblingsspeisen gehörte. „Soll ich Yann Tiersen anmachen?“ fragte der Blonde vollkommen scheinheilig, während er an einem Salatkopf herumschnibbelte und dabei zu meiner Überraschung keinen einzigen Flecken hinterließ. Ein ''Ja gern!'' wäre absolut nicht angebracht gewesen,und ein ''Nee, lass mal'' wahrer Masochismus. „Mach was du willst.“ war da am diplomatischsten und kam mir am leichtesten über die Lippen. „Tu ich eh.“ teilte Sanji mit einem Nicken mit, verschwand kurz im Wohnzimmer und kam mit entspannenden Klängen im Gepäck wieder zurück. Eine gute halbe Stunde arbeiteten wir so still neben einander, vollkommen im Einklang mit der Musik und unserer Aufgabe. Ich hatte schon zu kleben begonnen, als Sanji den Tisch deckte und mich fragend ansah. „Kannst du das vielleicht so lange weg tun? Ist irgendwie ungemütlich.“ Ich nickte, stand auf, stellte mein bisheriges Meisterwerk auf eine Arbeitsplatte und räumte die restlichen Scherben vorsichtig daneben. Erst als ich mich wieder sinken ließ und mit wachsender Freude den Salat betrachtete, bemerkte ich, das wir uns wie ein altes Ehepaar benahmen. 'Räum doch bitte die Zeitung beim Essen weg.' - 'Ja, Schatz.' Ein wenig peinlich berührt starrte ich auf den gemischten Salat. Tomate, Gurke, Kopfsalat, Mais, Dressing. Alles war vorhanden und ich wagte einen ersten Bissen, nachdem Sanji auch begonnen hatte. Ich hatte ja nicht ahnen können, das diese Gabel voll Salat so ein Feuerwerk in meinem Mund auslösen konnte. Eine gute Minute saß ich einfach nur kauend da, die Augen weit aufgerissen, vollkommen verdattert. Auch als Sanji mich mit einem „Was ist los?“ ansprach, reagierte ich nicht. Wie gesagt, ich war nie ein großer Freund von Salat gewesen. Doch das was da auf meinem Teller lag war kein Salat mehr. Das war eine vom Himmel gesandte Speise zur erquickung meiner Lebensgeister. Quasi als Wiedergutmachung für all das Leid, das ich hatte ertragen müssen. Augenblicklich verzieh ich dem Allmächtigen. „Das...“ brachte ich schließlich hervor, doch mein offener Mund erinnerte mich daran das keine Gottesspeise mehr darin war und sofort schaufelte ich die nächste Gabel hinein. Ich setzte mehrmals zum reden an, doch immer wieder wurde ich von meiner eigenen Gier unterbrochen. Als schließlich nichts mehr vorhanden war und ich ein wenig traurig auf meinen Teller starrte, fiel mir Sanji wieder ein, der mir gegenüber saß und mich ein wenig verstört betrachtete. „Was... ist denn mit dir los?“ fragte er vorsichtig. Er hatte wohl Angst, das nach seinem Salat er der nächste sei, der in meinem Mund verschwinden würde. Das Lob, das die ganze Zeit versucht hatte über meine Lippen zu kommen, blieb mir jetzt im Hals stecken. Keine Frage, dieses Essen hatte mehr als ein Lob verdient. Es hatte mindestens 4 Sterne verdient. Aber... ich konnte es nicht sagen. Es ging nicht, es wollte nicht aus mir heraus, als ich in seine Rabenaugen sah und mich daran erinnerte, wo ich war und wer da mit mir aß. „War lecker.“ murmelte ich schließlich ein wenig verwirrt über mich selbst. Sanji nickte langsam. „Na, dein guter Appetit ist wohl das Beste Lob für einen Koch. Vielen Dank.“ Er stand auf, ich sah ihm nach wie er die Salatschüssel wegräumte und ich fühlte mich dazu gezwungen, ihn bei Seite zu schubsen und die letzten Reste auf zu lecken, die sich noch in der Schüssel befanden. Das es vorbei war – das nichts mehr da war – war fast so enttäuschend wie ein verlorenes Glücksspiel oder eine gescheiterte Liebe. Ich fühlte mich zutiefst betroffen, doch zugleich hoffte ich bald auf mehr. „Ich mach mal weiter.“ Ich erhob mich schließlich auch, und während Sanji die Teller ab wusch legte ich meine Arbeitsmaterialien wieder auf den Tisch und arbeitete weiter. „Bis wann soll ich bleiben?“ fragte ich leise, als Sanji an einer Arbeitsplatte herum wusch, auf der ich absolut keinen Fleck mehr entdecken konnte. Also war Vermutung Eins richtig gewesen. Er hatte nen Putzfimmel. „Wann du willst. Wenn ich ins Bett geh will ich dich hier nicht mehr sitzen sehen, der Rest ist mir egal.“ murmelte er abwesend. „Und wann geht klein Sanji ins die Heia?“ fragte ich mit einem leichten Grinsen, für das ich einen bösen Blick erntete. Ich mochte seine bösen Blicke rein gar nicht. „Recht früh. Um 9 denke ich. Denn im Gegensatz zu anderen sich im Raum befindenden Menschen habe ich einen Job, für den ich früh aufstehen muss. Oder sagen wir es so. Ich HABE einen Job.“ Mit diesen Worten verließ er die Küche und ich starrte ihm nach. In meiner Fantasie bohrten sich viele kleine Messer in seinen Rücken, streckten ihn nieder. Der Gedanke seines baldigen Ablebens beruhigte mich allerdings kein bisschen, viel mehr war es die Musik die mich wieder vernünftig denken ließ. Ich konzentrierte mich wieder auf die Vase und bat sie in Gedanken, sich nicht mehr so zu sträuben. Ich wollte schließlich morgen auch fit sein – mein Praktikum wartete. Kapitel 5: Moves like a kid, looks like a man. ---------------------------------------------- ~ Reich und Schön! ~ N0. 6 – Moves like a kid, looks like a man. Die angenehmste Weise wach zu werden war es wohl, das ein Traum endete – und zwar im Guten – man den Abspann allerdings ausließ und langsam die Augen öffnete, um zurück in die Realität zu kommen. Ganz langsam, ganz vorsichtig. Es hab nicht viele Tage, an denen ich so wach wurde, doch dieser Morgen war in die Liste der wunderbaren Tagesanfänge aufzunehmen. Ich schlug meine Augen auf und fühlte mich entspannt, erfrischt und voller Leben. Kein Schmerz in mir, keine verstopfte Nase, ich hatte nicht mal schief gelegen. Der Raum wurde erfüllt durch das sanft-rote Licht der Sonne, die sich über die Dächer quälte und durch meine Wohnzimmerfenster schien. Von Türen hatte ich nie viel gehalten, und so fielen die warmen Strahlen auch auf mich und mein Bett. Ein Blick auf meinen Wecker verriet mir das ich genau in der Zeit lag – es war 7 und erst um 8 würde ich mein Praktikum beginnen. Dieser Tag durfte mit einem Lächeln begonnen werden und ich ließ es mir nicht nehmen, genau das auch zu tun. Ich schwang meine Beine aus dem Bett, richtete die Laken hinter mir (was ich sonst nie tat), schlenderte aus dem Schlafzimmer und betrachtete mich im Spiegel. Ein einem kurzen Anflug von Übermut machte ich ein paar Dehnübungen und spielte ein wenig Bodybuilder, bevor ich meine Klamotten aus dem Schrank holte und mich ins Bad verdrückte. Mein Geruch ließ wirklich zu wünschen übrig und ich begann diesen wunderbaren Tag mit einer langen, heißen Dusche. Vielleicht hätten andere Angst vor dem heutigen Tag gehabt, doch ich war einfach nur krass aufgeregt. Heute begann mein neues Leben; heute bekam ich die Chance die ich mir schon so lange gewünscht hatte. Und verdammt, ich würde sie nicht einfach so ziehen lassen! Ich würde sie ergreifen und so lange würgen bis sie mir das gab was ich haben wollte. Mit einem Handtuch um die Hüften und nassen Haaren verließ ich peifend das Badezimmer, um eine wässrige Fußspur in meiner Wohnung zu hinterlassen und mein Radio an zuschalten. Dieses Wetter und meine Laune verlangten einfach nach guter Musik – die ich dann auch schnell in Form von Seeed und feinstem Reggae bekam. Ich wiegte mich sanft durch die Bude, trocknete mich vollends ab und schlüpfte in meine Kleidung. Noch ein prüfender Blick in den Spiegel – ich wollte schließlich gut aussehen heute. Das weiße Hemd und die Jeans standen mir. Ich sah aus wie ein Journalist... oder ein guter Fotograf. Perfekt. Fehlte eigentlich nur noch die intelligente Brille, aber mit der konnte ich nicht dienen. In der Küche kontrollierte ich erneut die Uhrzeit und nickte. Ich hatte noch ein wenig Zeit, also konnte ich mir auch noch einen Kaffee trinken und ein Brot schmieren. Die Kaffeemaschine war schnell eingeschaltet – scheiße, langsam sollte ich die echt mal entkalken schloss es mir durch den Kopf – und das Käsebrot war genau in dem Moment fertig geschmiert und belegt, als die schwarze Flüssigkeit durchgelaufen war. War das ein Omen? Würde dieser Tag so toll werden wie ich es im Gefühl hatte? Ich schlitterte nochmal ins Wohnzimmer, wo ich die Lautstärke des Radios aufdrehte, damit ich auf dem Balkon auch noch was hören konnte, den ich kurz danach mit Brot und Kaffee betrat. Meine Füße waren nackt, aber das störte nicht weiter, so schrecklich kalt wie in den letzten Tagen war es bei weitem nicht mehr. Die Sonne hatte sich weiter nach oben gearbeitet und wärmte mein Gesicht und meinen Oberkörper. Ich lehnte mich ans Geländer, sah hinunter auf die Straße und biss herzhaft in den Gouda. Das übliche Treiben da unten. Autos, Menschen, Fahrräder, Motorräder, Sanji. Sanji?! Ich beugte mich ein Stück weiter nach vorne und musterte den Blondschopf, der schnellen Schrittes die Straße überquerte und im leichten Getümmel der Innenstadt untertauchte. Kurz dachte ich an gestern Abend und musste grinsen. Ich hatte die Wohnung des Anderen um 9 verlassen, ich war mit der Vase endlich fertig gewesen und die Spieluhr hatte ich am nächsten Tag machen wollen. Sanji hatte vor dem Fernseher gesessen und so müde ausgesehen, das ich ihn am liebsten mit einem „Jetzt aber schnell!“ ins Bett geschickt hatte. Doch ich hatte nur ein „Nacht, bis morgen“ gemurmelt und war verschwunden. War ja eigentlich ganz angenehm gewesen. Dafür, das Sanji ein Arschloch war, waren wir ganz gut mit einander ausgekommen. Ob das jetzt irgendeine tiefere Bedeutung hatte, ließ ich außen vor. Über sowas sollte man sich an so einem schönen Tag keine Sorgen machen. Als ich seinen blonden Haarschopf absolut nicht mehr aus der Menge ausmachen konnte, lehnte ich mich wieder zurück und atmete tief durch. Ich nahm mir felsenfest vor, mir ab jetzt keine überflüssigen Gedanken um ihn mehr zu machen – das war reine Zeitverschwendung. Ich hatte wichtigeres zu tun. Nachdem die Tasse in der Spüle verstaut war und ich mich nochmal kritisch im Spiegel betrachtet hatte, schlüpfte ich in Schuhe und Jacke. Die Zeit war gekommen. Eine große Wende in meinem Leben stand mir – hoffentlich – bevor. Hörte sich an wie eine Revulotion. Lorenor Chegevara Zorro. Haha. Ich verließ die Wohnung zügig, den Schlüssel in der Hosentasche. Im Aufzug lehnte ich den Kopf zurück und versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Ich konnte nicht abstreiten, das ich aufgeregt war. Sowas hatte ich bisher noch nicht gemacht, es war etwas vollkommen neues und konnte die Verwirklichung all meiner Träume bedeuten. Auf der Straße hatte ich das Gefühl, dass das Wetter noch ein wenig besser geworden war. Keine Wolke trübte den Himmel mehr, die Sonne schien morgendlich frisch auf die Dächer und Fenster der oberen Etagen, ließ die Stadt schimmern und glänzen wie ein Stück reines Gold. Für ein wenig gute Musik hätte ich jetzt getötet. Nickelback vielleicht. Die machten Mut. Oder vielleicht auch noch ein bisschen Seeed. Die machten Laune. Doch da ich kein stolzer Besitzer eines mp3 – Players war, konnte ich mir diese Freude abschminken. Ich kam an der Apotheke vorbei, warf einen flüchtigen Blick hinein und stellte überrascht fest, das nicht Frankie hinter der Theke stand sondern ein fremder, hoch gewachsener Mann, den ich nicht kannte. Vielleicht sollte ich nach der Arbeit mal vorbei schauen und mich nach der Heulsuse erkundigen überlegte ich, während das Apothekenschild immer weiter fort rutschte und ich von weitem das moderne Hochhaus erkennen konnte, in dem „Beckster Shooting“ seine Räumlichkeiten hatte. Mein Herz machte ein paar Luftsprünge vor Freude und meine Beine fühlten sich gummiartig und weich an. Das Gefühl, mal ziemlich dringend auf Klo zu müssen, überkam mich und ich verfluchte mich selbst, das ich da nicht dran gedacht hatte als ich zu Hause gewesen war. Na, die werden da wohl auch ne Toilette haben, schoss es mir durch den Kopf und mutig machte ich größere Schritte, da ich ja auch pünktlich da sein wollte. Meine Armbanduhr versprach mir noch ein wenig Zeit, aber auf die war nie Verlass gewesen. Vor den großen Drehtüren angekommen konnte ich einen Blick ins Innere der Eingangshalle erhaschen, doch die volle Größe dieses Raumes bekam ich erst zu spüren als ich drin war. Unglaublich hohe Decken, große modere Lampen hingen von ihr hinunter, große Fenster waren eingelassen und erhellten den Raum so auf natürliche Weise. Die Wände waren experimentell in verschiedenen Weiß- und Grüntönen gehalten und das Gewusel hier drinnen erinnerte an einen Bienenstock. Überall schossen oder schlenderten Männer und Frauen in Anzügen aus Türen oder Fahrstühlen, oft mit Telefonen am Ohr oder dicken Aktentaschen in den Händen. Der ganze Raum wirkte im ersten Moment so unübersichtlich und durcheinander, das ich einfach nur verwirrt stehen blieb und dabei fast einen Auffahrunfall verursachte. Der dicke Mann mit dem Aktenkoffer beschimpfte mich in einer mir fremden Sprache und verschwand im Getümmel. Ich fühlte mich, als hätte ich mitten auf der Autobahn eine Vollbremsung gemacht. Da, ein großes blaues Schild mit einem dicken „i“ leuchtete mir von der Decke entgegen und mit großer Erleichterung steuerte ich darauf zu. Unter dem Schild fand ich dann tatsächlich eine junge, leicht genervte Frau vor, die mich von ihrem Sitz aus misstrauisch beäugte. „Ja bitte?“ Man konnte ihr die schlechte Laune nicht verübeln. Hätte ich den ganzen Tag da sitzen müssen, wäre ich wohl früher oder später zum Massenmörder geworden. „Guten Morgen. Ähm, ich suche die Firma „Beckster Shooting“. Können sie mir sagen in welches Stockwerk ich dafür muss?“ Die junge Dame schmunzelte, und ich versuchte es auch mal mit einem matten Lächeln, auch wenn ich nicht wusste was so lustig an der Sache war. „Zu wem genau müssen sie denn?“ - „Zu Mr. Shanks.“ Sie nickte langsam, betrachtete ihren Flachbildschirm und runzelte die Stirn. „Ach, sie sind der neue Praktikant, richtig?“ Ihre Blicke schienen mich auszuziehen und ich hatte das Gefühl, meine Hände vor mein Geschlechtsteil legen zu müssen. „Äh, ja, schätze schon.“ Sie nickte wieder, dann lächelte sie. „Sechster Stock.“ Noch ein letztes nicht ganz ernst gemeintes Lächeln, dann stieß mich vom Tresen ab und machte mich auf den Weg zu einem der Aufzüge. Für mich war diese Umgebung sehr befremdlich. Ich hatte selten so viele Menschen auf so engem Raum um mich und eigentlich mochte ich es auch nicht, wenn Andere mir so auf die Pelle rückten. Im Aufzug wurde dieses Gefühl allerdings noch schlimmer. Gute 20 Mann quetschten sich in die Kabine und ich glaubte, ersticken zu müssen – und vor allem nicht im sechsten Stockwerk aussteigen zu können. Doch ich hatte Glück, im sechsten stiegen recht viele aus und ich schwappte mit ihnen hinaus aus dem Fahrstuhl und in einen langen Gang, von dem links und rechts immer wieder Türen abgingen. Nett, das die Frau an der Information mir so gut geholfen hatte dachte ich grimmig, während ich recht orientierungslos den Gang hinauf und hinter ging, ohne wirklich zu wissen wo ich hin musste. „Kann ich ihnen helfen?“ Die Stimme der jungen Frau klang engelhaft in meinen Ohren und ihre blonden Locken ließen keinen zweifel zu – Gott persönlich hatte sie mir zur Hilfe geschickt. „Ja. Ich suche Mr. Shanks.“ Sie deutete mit dem Finger den Gang hinauf. „Die letzte Tür links. In dem Raum ist seine Sekretärin. Die wird sie dann zu ihm rein lassen.“ Wow, der hatte sogar eine eigene Sekretärin? War ja ne heiße Sache. Ich bedankte mich höflich, drehte mich auf dem Absatz um und marschierte den Gang hinauf. Die Aufregung stieg fast ins Unermessliche, als ich an die weiße Tür klopfte und eine leise Stimme „Herein?“ rief. Ich betrat den kleinen, aber freundlich eingerichteten Raum und musterte kurz die junge Sekretärin. Man sagt ja, die Sekretärin sagt viel über den Chef aus. Ich hatte dieses Sprichwort nie wirklich verstanden. Aber jetzt tat ich es. Blonde, glatte lange Haare, schmales Gesicht, großer Busen, knappe Kleidung. Shanks war ganz offensichtlich ein kleiner Perverser. Ich lächelte verunsichert. „Guten Morgen. Mein Name ist Lorenor Zorro, der neue Praktikant.“ Sie betrachtete mich als sei ich ein Alien. Hatte ich irgendwas im Gesicht?! „Lorenor Zorro?“ Ich nickte langsam. „Jaaa..?“ Ihr Gesicht hellte sich auf und ich begriff, das bei ihr erst jetzt der Groschen gefallen war. Die hatte sich definitiv hoch gebumst. „Moment, ich sage Mr. Shanks bescheid.“ Seinen Namen säuselte sie fast. Offensichtlicher ging es wohl kaum. „Mr. Shanks? Lorenor Zorro, der neue Praktikant ist da.“ Das Kommunikationsgerät knackte. „Lass ihn rein, Vanni.“, war die freundlich klingende Antwort. Die Blondine deutete auf die einzig verbleibende Tür die nicht zurück auf den Gang führte. „Da hinein.“ Nein, da wär ich ja echt nie drauf gekommen. Ich verkniff mir ein abfälliges „Danke“ und öffnete wortlos die Tür. Er saß über dem Tisch gebeugt, betrachtete irgendwelche Fotos soweit ich das erkennen konnte, und beachtete mich erst als ich die Tür hinter mir schloss und auf ihn zu geschlendert kam. Er sah interessant aus. Feuerrote, ein wenig längere Haare zierten seinen Kopf, seine Gesichtszüge waren schmal und über seinem Auge prangten drei lang gezogene Wunden. Und... verguckte ich mich oder fehlte Mr. Shanks tatsächlich ein Arm? Alles in Allem gab er den perfekten Schwerverbrecher ab. Fehlte nur die weiße Perserkatze. Wo um Himmels Willen war ich hier gelandet? „Ah, Lorenor!“ Er duzte mich sofort, was darauf deutete das er zur Mafia gehörte. Gott Zorro, fort mit diesen grausamen Gedanken! Er ist dein Chef! Ich setzte ein freundliches Lächeln auf und schüttelte seine verbliebene Hand. „Guten Morgen, Mr. Shanks.“ sagte ich gezwungen ruhig und ließ mich nachdem er mir den Stuhl angeboten hatte, auf diesen sinken. „Du bist pünktlich, das freut mich. Pünktlichkeit ist in unserem Job wichtig, auch wenns die Models meist nicht sind.“ Er lachte. Wenn der immer solche Witze riss, würden das schlimme 2 Wochen werden. Ich lachte gezwungen. „Also, mal sehen. Vielleicht sollte ich dir erst mal erklären, was du hier genau machen wirst.“ Ich nickte. Er fuhr fort. „Ich werde versuchen, dich die zwei Wochen bei einem Fotografen unter zu bringen, damit du dir seine Arbeit in Ruhe ansehen kannst und vielleicht auch mal selbst ein paar Probeschüsse machst. Allerdings hat so ein Fotograf auch mal frei, sind ja nicht jeden Tag irgendwelche Shootings, und in der Zeit wo du bei ihm nichts zu tun hast wirst du bei mir sein und mit mir zusammen Fotos bewerten, Firmen anrufen, Termine machen und ähnliches.“ Ich nickte wieder. Hörte sich doch gut an. Mr. Shanks lächelte. „Gut, das hätten wir geklärt! Nähere Informationen wird dir dann Bloomberg geben.“ Ich horchte auf; meine Augen weiteten sich. Das konnte doch nicht wahr sein. Nein, ich musste mich verhört haben. „Frank... Frank Bloomberg? Der berühmte Fotograf?“ Mr. Shanks lächelte. „Wusstest du nicht, das er bei uns unter Vertrag steht? Ja, genau der.“ Ich hatte ein wenig Angst das mir meine Augen aus der Höhlen fallen würden, also beschränkte ich mich auf einen weit aufgerissenen Mund und aufgeregtes Gestammel. „Ich... ich glaub es nicht! Ich hätte nie gedacht, das ich Mr. Bloomberg mal persönlich kennen lernen würde, und jetzt...? Das ist der Wahnsinn! Der Mann ist ein Genie!“ „Ach, du kannst mich aber auch einfach Frank nennen.“ Ich fuhr erschrocken zusammen und und drehte mich um. Ich hatte ihn wirklich nicht in den Raum kommen hören. Frank Bloomberg war wie ein Geist hinter mir aufgetaucht und legte mir eine Hand auf die Schulter. Er lächelte wie ein glücklicher Vater. „Wirklich, Frank reicht. Wir arbeiten jetzt ein wenig zusammen, und da finde ich ein freundschaftliches Verhältnis besser als dieses formale.“ Wäre das nicht so ein realer Moment gewesen, hätte ich kurz über mich selbst gelacht und diesen Mann mit dem Stoppelbart, den freundlichen Augen und der dicken Brille als Fata Morgana abgestempelt. Aber das konnte ich nicht. Seine Hand lag auf meiner Schulter. Seine Hand!! „Mr. Bloomberg, ähm, also, ich meine Frank...“ Kaum zu glauben, das ich ihn duzen durfte. Das klang, als wären wir alte Freunde. Stolz wuchs meine Brust ein paar Zentimeter nach vorne. Frank Bloomberg lachte. „Nun beruhige dich mal wieder, Lorenor. Tief durchatmen. Ich bin auch nur ein Mensch.. und ganz sicher kein Prominenter. Also verlange bitte kein Autogramm von mir, ja?“ Ich hätte zwar gern eins gehabt, verzichtete aber auf ein trauriges Gesicht und nickte, während ich mich erhob um meinem neuen Chef die Hand zu schütteln. „Also Lorenor, wollen wir? Dein erster Arbeitstag beginnt und glaub mir – ich werd dich gleich ins kalte Wasser schmeißen. Schonung gibt’s nur im Krankenhaus... bei mir musst du Ergebnisse vorweisen können.“ Ich nickte eifrig, während wie Mr. Shanks Büro ohne ein Wort des Abschieds verließen, den Gang hinunter gingen und in einen der Aufzüge einstiegen. „Ich bin mittlerweile – ohne angeben zu wollen – einer der besseren Fotografen geworden, und was ich von einem guten Praktikanten erwarte ist Einsatz, Wissbegierde und vor allem viel Geduld.“ Ich nickte wieder. Ich überlegte ob ich Stift und Zettel zücken sollte. Wenn der weiterhin so viel redete, dann würde das sicherlich nötig werden. „Wir werden jetzt gleich gemeinsam zum ersten Set fahren, wo wir ein paar Aufnahmen mit eher unbekannteren Models durchführen. Es wird eine Menge Hektik um uns herum sein, lass dich davon aber nicht abschrecken und bewahre Ruhe. Neuere Models haben oft das Problem, das sie sich nicht gut auf den Fotografen einstellen können... das wirst du dann ja alles sehen heute. Du wirst erstmal nur zusehen, beobachten und dir ein Bild von der Angelegenheit machen.“ Der Fahrstuhl hielt im Erdgeschoss, wir reihten uns in die Menge von pilgernden Menschen ein und steuerten den Ausgang an. „Morgen werde ich dich dann auf ein Modelshooting für Gucci mit dir fahren. Da wirst du nicht an die Kamera dürfen.. es gucken genug Leute zu, die mich einen Kopf kürzer machen könnten, wenn du einen Fehler machst. Nichts für ungut.“ Ich lächelte leicht. „Versteh ich.“ murmelte ich und meine Stimme hörte sich brüchig und trocken an. Das war zufiel für meine armen Nerven. Ich wollte weinen und lachen gleichzeitig. Schreien und stumm sein zugleich. „He, fühlst du dich nicht gut?“ Ich hatte nicht bemerkt, das wir schon längst das große Bürogebäude verlassen hatten und nun auf der Straße standen. Mr. Bloomberg betrachtete mich besorgt. „Du bist ganz blass.“ Ich atmete tief durch. „Alles ist gut. Ich bin nur... nein, alles ist gut.“ Ich würde das Beste aus diesem Tag machen – würde alles in mich aufnehmen wie ein Schwamm. Und bald würde ich glänzen. Wie der hellste Stern am Himmel würde ich sie alle umhauen. Das nahm ich mir in dieser Sekunde vor. Kapitel 6: Monsters gonna eat your wings, angel. ------------------------------------------------ ~ Reich & Schön! ~ N0. 7 – Monsters gonna eat your wings, Angel. Der nächste Tag begann ähnlich schön wie der vorherige. Zwar war das Wetter um einiges schlechter – es stürmte draußen, das konnte ich bis ins Schlafzimmer hören, Regentropfen knallten gegen die Fenster wie Gewehrsalven – aber dennoch hatte ich das Gefühl, die Sonne würde nur für mich in meinem Apartment scheinen. Während ich mich noch leicht verschlafen auf die Seite drehte und mein Kissen in den Schwitzkasten nahm, dachte ich an den Vortag zurück und musste lächeln. Es war ein unglaubliches Abenteuer gewesen. Ich war mit Frank Bloomberg zu einer alten Lagerhalle gefahren, in der ein komplettes Set mit Lichtquellen, Umzugsräumen, Schminktischen und anderen Utensilien aufgebaut gewesen war. Es war hektisch zugegangen – Helfer waren durch die Gegend gelaufen, Models hatten ihre Kleider gesucht, oft war das Licht nicht so eingestellt wie Mr. Bloomberg es gerne gehabt hätte. Die Models waren nicht in der Richtigen Position, die Utensilien waren verrutscht, die Schminke saß nicht.. Ich hatte mir diesen Job nicht so stressig vor gestellt, doch nachdem ich Mr. Bloomberg einige Zeit beobachtet hatte konnte ich feststellen, das dieser Job nicht stressig WAR. Alles um uns herum war hektisch und ungeordnet gewesen, doch Frank Bloomberg war so ruhig gewesen wie an einem schönen Sommermorgen, wenn man nichts zu tun hatte. Er hatte sich nicht beeinflussen lassen, all die Schnelligkeit war an ihm abgeprallt und seine Bewegungen waren bedacht und ruhig geblieben. 'So beruhigt man auch den Rest der Crew' hatte er mir zu geraunt, doch man hatte auch während des restlichen Shootings nicht viel Ruhe in den anderen Personen sehen oder spüren können. Und es hatte wahrlich lange gedauert. Bis in die späten Abendstunden hatten sie geknippst, posiert, geschminkt und sich umgezogen. Ich hatte wohl den geringsten Teil dazu bei getragen, das Mr. Bloomberg seine Arbeit gut hatte erledigen können. Die meiste Zeit hatte ich neben ihm gestanden, hatte seine Art zu fotografieren beobachtet und seine Art, mit den anderen Menschen zu sprechen. Ich wollte mir möglichst viel beim großen Meister abgucken. Man konnte sagen, das ich glücklich war. Ja, das war ich wirklich. Ich fühlte mich so nah an meinem Traum, so nah an meinen großen Idolen und Vorbildern, das mich ein Schauer überkam wenn ich darüber nachdachte. Und heute stand das Shooting für Gucci an. Ich schielte auf meine Uhr, atmete leise auf und bettete mein Kopf wieder auf der Matratze. Das Shooting war erst heute Mittag, also relativ spät. So hatte ich noch genug Zeit um mich in Ruhe fertig zu machen, zu frühstücken und vielleicht selbst noch ein bisschen mit der Kamera zu üben. Ich wollte schließlich glänzen, das hatte ich mir geschworen. Doch bevor ich mich wirklich aus meinem Bett zwingen konnte, klopfte es laut und energisch gegen die Tür. Erschrocken hob ich den Kopf starrte in Richtung Flur und horchte in die darauf folgende Stille. Hatte ich mich verhört oder hatte da wirklich jemand an meine Tür gehämmert .. um 8 Uhr morgens? Das konnte doch nur irgendein menschenverachtener Typ sein. Ich schälte mich gähnend aus den Federn, schlurfte den Flur hinunter, durchs Wohnzimmer und trat dann vor die Tür, die ich allerdings nur einen Spalt öffnete, da ich nicht mehr trug als meine Boxershorts. Mir war natürlich klar gewesen, wer da stand. Ich hatte von der ersten Sekunde damit gerechnet. Und bis zur letzten Sekunde hatte ich daran geglaubt. Und siehe da – ich, Lorenor Zorro, hatte doch tatsächlich einmal Recht behalten. „Morgen Sanji.“ murmelte ich verschlafen und fuhr mir mit der freien Hand, die nicht auf dem Türgriff lag, durch Gesicht. „Was kann ich an diesem Morgen für dich tun?“ Ich fühlte mich langsam wie ein Dienstleister. Sanjis Gesicht war kaum zu erkennen, im Flur war es dunkel, aber seine Stimme klang eisig. „Wo warst du gestern?“ Oh shit. Das hatte ich ja total vergessen. Stöhnend lehnte ich den Kopf gegen die Tür. „Ich hatte gestern keine Zeit.“ Dem Blonden entwich ein abfälliges Seufzen, das mich in wenigen Sekunden von einem ruhigen, entspannten Mann zu einem genervten, unfreundlichen Kerl verwandelte. „Ach, und was hattest DU bitte zu tun, das du nicht vorbei kommen konntest? Musstest du Erbsen zählen oder was?“ Ich war mal wieder kurz davor, die Tür aufzureißen und diesem Mistkerl an die Kehle zu springen. Meine geringe Bekleidung war mir da egal. „Nein, Sanji. ICH habe nämlich wieder einen Job.“ - „Oho, der werte Herr räumt bei Edeka Regale ein!“ Und mit diesem Satz hatte der Blonde Schönling definitiv meine Schmerzgrenze erreicht. Ich hatte ja schon viel in meinem Leben zu hören bekommen, seine Worte waren eigentlich kalter Kaffee im Gegensatz zu den Dingen, die ich regelmäßig zu Feiertagen von meinen Eltern vorgeworfen bekam. Aber aus seinem Mund klang es so abwertend, so verletzend, so schrecklich, das irgendein Erinnerungsknoten in meinem Kopf platzte, den ich mir vor einiger Zeit gemacht hatte. Ich spürte, wie ich die Kontrolle verlor. Und wenn ich die Kontrolle verlor, war das nie gut. „Sag mal, was erlaubst du dir eigentlich, du Pisser? Nur weil du ein gut bezahltes, schwules Model bist heißt das noch lange nicht, das du andere Menschen mit Füßen treten kannst! Ich hab genau so viel drauf wie du, vielleicht sogar mehr, also verkneif dir in Zukunft deine beschissenen Kommentare!“ Ich konnte mir vorstellen wie ich aussehen musste. Wütende Augen, nackter Körper bis auf eine schwarze Boxershorts, viel Gestikulieren mit den Armen und Händen. Aber es war mir egal. Es war mir sowas von egal. „Vielleicht seh ich nicht so gut aus wie du, ich gebs zu, ich seh nicht mal im Ansatz so gut aus wie du, aber kommt es darauf im Leben an?! Ich hab andere Qualitäten, und wenn du die nicht bald zu schätzen weißt, kannst du gucken wer dir deine behinderte Spieluhr zusammen flickt!“ Beschimpfte ich ihn oder redete ich mir hier den ganzen Frust von der Seele? Ich wusste es nicht genau. Sanji bewegte sich jeweils kein Stück. Ich sah Rauch aufsteigen und der scharfe Geruch von Zigarette kam mir in die Nase. Rauchen tat der also auch noch. Super. „Also hör gefälligst auf mich rum zu kommandieren und fertig zu machen! Ich hab da verdammt noch mal keinen Bock mehr drauf! Meinetwegen, verklag mich doch, mir doch egal! Aber – lass – mich – in – RUHE!“ Ich holte aus, Sanji zuckte zurück; der glaubte wohl ich würde ihm eine verpassen, ha, gut so, der sollte ruhig ein bisschen Angst vor mir haben. Ich schlug die Tür mir so viel Elan zu, das ein wenig Putz von der Decke auf meine Schultern rieselte. Einige Sekunden starrte ich vollkommen perplex auf die Tür. Dann merkte ich, das ich stolz auf mich war. Ja, das war ich wirklich. Ich hatte bei anderen Menschen nie ein Problem damit gehabt, ihnen zu sagen was ich dachte. Dafür war ich im allgemeinen bekannt. Personen die ich nicht leiden konnte bekamen das zu spüren. Aber bei Sanji hatte ich mich immer zurück gehalten. Warum? Ganz klar. Meinen Hals wollte ich nicht in der Schlinge haben. Das Geld das ich hätte zahlen müssen – was ich jetzt wahrscheinlich zahlen musste – war definitiv zu viel für meinen kleinen Geldbeutel. Ich lebte nun mal von dem, was ich gespart hatte. Und so viel war das nun auch wieder nicht. Aber wieso sollte ich mich von jemanden versklaven lassen?! Das war ganz bestimmt gegen irgendein Gesetz, und ich hatte keine Lust mehr die Maus zu spielen. Denn verdammt noch mal, ich war ein Mann! Doch kaum hatte ich mich von der Tür weg gedreht, überkam mich ein anderes Gefühl. Mitleid. Ich runzelte die Stirn und blieb mitten im Wohnzimmer stehen. Das war aber jetzt nicht mein Ernst, oder? Ich empfand äußerst selten Mitleid, und wenn dann nur für meine engen Freunde. Frankie zum Beispiel. Den Kerl musste man einfach bemitleiden. Ansonsten war dieses Gefühl bei mir sehr rar gesäht. Wenn, dann bemitleidete ich mich selbst, ganz selten und in einem ruhigen Moment. Aber doch nicht für IHN! Nicht für diesen aufgeblasenen Schnösel, für diesen arroganten Sack, diesen verdammten Mistkerl, NEIN! Doch es ließ sich nicht leugnen. Es tat mir Leid, das ich ihn so angebrüllt hatte. Ich war wirklich ziemlich laut gewesen. Ich hatte sein Gesicht nicht gesehen, nein, aber vielleicht hatte ich ihn ja wirklich verletzt. NA UND? In den letzten Tagen hatte dieser Scheißkerl ja auch nichts besseres zu tun gehabt als mich fertig zu machen, zu beleidigen und abwertend zu betrachten! Während sich also Engelchen und Teufelchen auf meinen Schultern stritten, beschloss ich das alles einfach erstmal zu vergessen. Ich hatte wichtigeres zu tun als mir über diesen penetranten Arsch Sorgen zu machen. Der würde das schon ab können. Doch auch als ich meine Klamotten zusammen suchte, mich ins Bad begab und die Dusche anstellte, kloppten sich meine Gewissen – ich hatte wohl mehrere davon – auf meinen Schultern weiter. Du musst dich bei ihm entschuldigen. Ja, das musst du. Du warst wirklich ein bisschen grob zu ihm. Grob? Grob?! Grob ist wohl eher, wenn man den eigenen Nachbarn bei sich als Haussklaven hält und ihn bescheuerte Arbeiten verrichten lässt! Das heißt ja noch lange nicht, das du dich auf seine Stufe herablassen musst. Zeig ihm, das es auch anders geht. Das man sich auch entschuldigen kann. Das kann dieser Mistkerl ja wohl alleine rausfinden! „RUHE!“ Meine Stimme hallte an den gekachelten Wänden wieder. Ich atmete einmal tief durch und war dankbar, das die beiden leisen Stimmchen verschwunden waren. Jetzt hörte ich schon Gespenster. Das wurde ja immer abenteuerlicher. Ich stellte mich unter den heißen Wasserstrahl und beschloss, die ganzen Gedanken einfach von mir ab zu waschen. Ich spürte, das ich innerlich immer noch kochte, mein Körper wollte irgendwas großes zerschlagen oder kaputt machen, aber ich hielt mich wie so oft zurück. Erstmal sollte ich zur Ruhe kommen, weiter gleichmäßig atmen und an was anderes denken. Als ich nach einer guten halben Stunde des einseifens, abwaschens und Nachdenkens wieder aus dem Bad trat und damit beschäftigt war mir die Haare trocken zu rubbeln, überlegte ich ernsthaft mich beim Blondschopf zu entschuldigen. Denn Mitleid war ein fressendes Gefühl, das erst dann wich wenn man es getilgt hatte. Doch mein Stolz – das kleine Stimmchen auf der rechten Schulter – verbot es mir. Und ich gab ihm Recht. Sowas sollte mir wirklich nicht passieren. Ich war schon genug zu kreuze gekrochen. Ich sah prüfend auf die Uhr. Ich überlegte noch etwas zu warten oder los zu gehen. Na, zu früh war definitiv besser als zu spät. Ich schlüpfte in meine Klamotten, zog mir Schuhe und Jacke an und verließ gemächlich das Haus- Ruhe war angesagt. Ruhe und Entspannung. Denn die sollte ich nachher am Set ausstrahlen. Ob ich das konnte, wenn da irgendwelche Megamodels vor der Kamera posierten, wusste ich nicht. Wahrscheinlich musste man sich immer nur vor Augen führen dass das auch nur Menschen sind, dachte ich während ich in den Aufzug stieg. Vielleicht musste man einfach vergessen das sie schön waren. Schönheit war ja auch subjektiv. Ich war gespannt darauf wie das heute ablaufen würde. Vielleicht hab es ja mal einen Skandal. Oder man brauchte meine Hilfe bei irgendwas. Das ich nicht an die Kamera durfte war in Ordnung, wie ich fand. Ein klein wenig Respekt vor diesem Schritt hatte ich ja schon. Klar hatte ich viel geknipst, zu Hause wie auf Partys oder einfach in der Natur, aber das konnte man nicht mit dem vergleichen was Mr. Bloomberg da machte. Das war einfach ein Level höher. Ich verließ das Wohnhaus und fühlte mich einigermaßen entspannt. Auch wenn ich die ganze Zeit über Dinge nachdachte, über die ich nicht nachdenken wollte. Wieso schlich sich auch ständig dieser Penetrante Volltrottel in meine Gedanken? Konnte der nicht wo anders hübsch sein? Meine Fresse, allein die Tatsache das ich ihn gut aussehend fand machte mir ein klein wenig Angst. Auch wenn das nichts bedeutete, ganz klar. Man konnte Menschen einfach nur um ihre Schönheit willen hübsch finden. Ja, das konnte man. Bevor Engelchen und Teufelchen sich wieder einmischen konnten, schob ich diesen Gedankengang bei Seite, atmete einmal tief durch und lief die Straße hinauf, um zur Straßenbahnhaltestelle zu kommen. Das neue Set war unten am Hafen, am Pier 3 aufgebaut worden, man wollte das gute Wetter nutzen und ein paar schicke Fotos mit leicht verkommendem Hintergrund machen. Dieser (urban?) style war wohl momentan total angesagt. Die Bahn kam pünktlich, ich kaufte mit eine Fahrkarte und ließ mich seufzend auf einen mangelhaft gepolsterten Sitz fallen. Gleich würde es rund gehen. Gucci. Krasse Sache. Wenn ich das den Anderen erzählen würde.. Da fiel mir die Sache mit Frankie ein und das ich gar nicht mehr bei ihm vorbei geschaut hatte. Apropos. Ich hatte mich im allgemeinen seit langem nicht mehr bei den anderen gemeldet? Warum? Hm. Die Frage war leicht zu beantworten. Sie alle hatten sich nach der Schule stark verändert. Ruffy und Lysob waren zwar ähnlich wahnsinnig geblieben, doch hatten sie sich auf ein wenig beruhigt. Nami war eine paranoide Kampflesbe geworden, Vivi hatte ihren eigenen Frisörladen, Tony Chopper arbeitete als Oberarzt im örtlichen Krankenhaus... Und ich? Ja, ich hatte mich wohl am meisten verändert. Würde man mich mit dem Zorro vor 3 Jahren vergleichen, würde man laut lachen. Ich war wild gewesen, wild und kalt, kalt wie ein Eisberg. Dafür war ich bekannt gewesen und ich hatte das immer als Stärke angesehen. Ich hatte nie Gefühle gezeigt, war stark und beschützerisch gewesen. Doch die Schule war vorbei und ich hatte mich der harten Realität stellen müssen – mit Kälte kommst du nicht weit. Zumindest nicht, wenn du tief in dir drin irgendwie doch nicht so der harte Typ bist. Oder welche harte Typ fotografierte bitte für sein Leben gern? Ich wollte endlich mal ich selbst sein, doch das war schwer wenn man bedachte wie mein Image aussah. Meine Freunde hatte ich zusehends verwirrt, wir waren alle ein bisschen gefremdelt. Die engen Bande von früher gab es nicht mehr. Ich sehnte mir einen Saufabend mit ihnen herbei, während ich aus dem Fenster auf die Straße starrte. So wie früher, als wir alle noch die ''Strohhutbande'' gewesen waren, wie uns die Anderen in der Schule immer genannt hatten. Aber das war vorbei. „Schubertstraße!“ Meine Haltestelle, raus mit mir. Ich schlenderte den Hafen hinauf zum Pier 3, die Hände in den Hosentaschen, und versuchte ruhig zu bleiben. Wahrscheinlich würde ich gleich eh nur im Weg stehen, aber so war das nun mal wenn man ein unbedarfter Praktikant ohne Erfahrung war. Ich konnte das Set erkennen und meine Augen weiteten sich ein Stück, als ich die ganzen Menschen sah, die um die Kameras und die Lampen herum wuselten. Sie wirkten alle schrecklich beschäftigt, und ich fragte mich wie ich in diesem Getümmel Mr. Bloomberg finden sollte. Frank ging mir irgendwie nicht so leicht über die Lippen. Ich kam näher, und von weitem hörte ich eine begeisterte Stimme. Na das Suchen hatte sich wohl erledigt. „Lorenor? Lorenor! Hierher!“ Ich folgte dem Ruf, drückte mich an einigen Kabelträgern und Lieferanten vorbei und stand plötzlich wie im Auge des Sturms neben Frank Bloomberg, der mir grinsend auf die Schulter klopfte. „Du bist wieder pünktlich, das gefällt mir. Wie du siehst ist hier wieder eine menge los, aber das geht schon. Wenn mich oder dich jemand anstößt, kann er mit einer ordentlichen Standpauke und Entlassung rechnen.“ Ich nickte langsam, schüttelte ihm noch schnell die Hand und ließ ihn dann seine Arbeit machen, die momentan aus rum stehen und mir Geschichten erzählen bestand. Die Models, die hinter einer Trennwand fertig gemacht wurden, waren wohl noch nicht so weit. „Ich freu mich wirklich, das du hier dabei sein kannst, Lorenor. Das ist ne echt große Chance für dich.“ - „Ich weiß, Mr. ... ähm, Frank. Ich hoffe ich kann ihnen noch zeigen, was ich drauf hab.“ Mein Chef lachte. „Klar, wirst du alles können. Wer weiß, vielleicht sogar heute! Ich werde dich meine Fotos berwerten lassen.“ Ich hob die Augenbrauen. „Bewerten?“ - „Ja, bewerten. Du siehst sie dir an und sagst mir, was du denkst, was du gut findest und was du anders machen würdest. Ich möchte mehr über deinen Stil erfahren, denn jeder Künstler hat bekanntlich seinen eigenen.“ Ich nickte. „Geht klar.“ Er lächelte, dann fummelte er an seiner Kamera herum. „Pass gut darauf auf, wie ich mit den Models rede, das ist wichtig. Die sind oft ein wenig eigen und mögen es nicht, wenn man sie anmeckert. Dann verlassen sie meist entrüstet das Set, als dürfe man mit ihnen nur mit Engelszungen sprechen.“ Ich grinste. „So sind Frauen nun mal.“ Mr. Bloomberg hob die Augenbrauen. „Frauen? Das hier ist ein Shooting mit Männermode.“ Scheiße. Fehler Nummer eins. Das hatte ich ja klasse hin bekommen. „Ähm ja, klar.“ stammelte ich schnell und Mr. Bloomberg grinste leicht. „Nicht schlimm. Passiert mir auch ständig.“ Ich wusste dass das gelogen war, aber ich dankte ihm im Stillen das er mir so nett helfen wollte. Mr. Bloomberg fuhr fort. „Wir arbeiten heute ausschließlich mit einem Model, der verschiedene Kleidungsstücke präsentieren wird. Wir müssen auf die Lichtverhältnisse und auf seinen Gesichtsausdruck achten, auch wenn ich gehört hab das der bei ihm eh immer ziemlich gut sein soll. Er ist ein echter Geheimtipp in der Szene.“ Oh nein. Bitte nicht. Deja Vu?! Namis Worte, genau Namis Worte. Bitte, das durfte nicht wahr sein, nein lieber Gott, bitte nicht! Doch natürlich hatte man mal wieder kein Erbarmen mit mir. Hinter der Trennwand tauchte erst ein blonder, geschminkter Kopf auf, dann der Rest seines Körpers, gehüllt in einen Hauch von Nichts. Sowas konnte aber auch echt nur mir passieren. Verdammte Scheiße! Ich wäre am liebsten augenblicklich im Erdboden versunken, doch Mr. Bloomberg tat das Schrecklichste, und ich kam nicht dazu. „Sanji! He, Sanji, komm mal rüber! Ich will dir meinen Praktikaten vorstellen.“ Keine Sorge Mr. Bloomberg. Der kannte mich schon. Ich wahr schließlich sein liebster Haussklave. Kapitel 7: I try so hard not to love you - but i love you anyway. ----------------------------------------------------------------- ~ Reich & Schön! ~ N0. 8 – I try so hard not to love you.. but i love you anyway. Und da standen wir uns gegenüber, die Münder weit aufgerissen, ich vor Bestürzung und er vor Überraschung. Klar; er hatte nichts von meinem vermeidlichen Job gewusst. Job, ha! Ein Praktikum machte ich, und das hatte Mr. Bloomberg ihm gekonnt unter die Nase gerieben. Diese Peinlichkeit war nur noch dadurch zu übertreffen, das Sanji hier für Herrenunterwäsche posierte. Na ja, noch posierte er nicht. Er stand da wie ein Stockfisch und starrte mich ziemlich aus der Bahn geworfen an. Ich wartete eigentlich nur auf sowas wie ein Lachen, eine abfällige Bemerkung oder ein ignorantes Abwenden, aber nichts dergleichen geschah. Mr. Bloomberg war von unseren entgeisterten Geglotze wohl so verwirrt, das er erst nach einer knappen Minute seine Stimme wieder fand. „Ihr.. kennt euch also schon?“ Ich nickte langsam, Sanji zeigte keine Reaktion. Die Zigarette in seiner Hand brannte langsam herunter, die Asche fiel aufs Set. Ein fixer, unter bezahlter Kerl wischte es augenblicklich mit Besen und Kehrblech weg. Es gab echt Jobs, die gabs nicht. Und nun kam auch Sanji wieder zurück in die nicht allzu sehr geschätzte Realität. Erst drückte er eilig seine Kippe in einem bereit gehaltenen Aschenbecher aus, dann musterte er mich von oben bis unten, bevor er einen Blick auf sich selbst warf und etwas ungeschickt versuchte aus der knappen Boxershorts mehr zu machen als sie eigentlich war. Ich wusste zwar nicht wieso uns das beide so peinlich berührte, aber als ich den rötlichen Schimmer auf seinen Wangen bemerkte konnte ich nicht umhin, ebenfalls anzulaufen. Mr. Bloomberg ging anscheinend ein Licht auf, seine Augen blitzten verstehend. „Na, das hätten wir dann, wenn ihr euch schon kennt ist das ja wunderbar. Lorenor, kommst du bitte mit mir?“ Ich nickte, wendete fast dankbar den Blick vom Blonden ab und folgte Frank in eine etwas ruhigere Ecke des Sets. „Darf ich fragen wo ihr zwei die Bekanntschaft gemacht habt?“ Dieser Mann war mir ein bisschen zu neugierig, aber anlügen wollte ich ihn auch nicht. „Er ist mein Nachbar.“ murmelte ich und sah etwas unbeteiligt in den Himmel. Ich wollte desinteressiert wirken. Nicht an Frank, sondern an Sanji. Wieso um Himmels willen wollte sich mein Kopf immer wieder von alleine wenden? Das war doch nicht normal. Meine Muskeln machten einen auf Revolution. „Nachbar? Ach so. Und ihr versteht euch?“ Ha! Guter Witz. „Geht so.“ teilte ich relativ neutral mit, um niemanden in die Scheiße zu reiten. Weder mich, noch ihn. Auch wenn ich nicht wusste wieso ich das tat. Ich verstand mich so wieso im allgemeinen nicht mehr. Irgendwas ganz verrücktes ging hier vor. Und ich wollte verdammt noch mal wissen, was! „Na, das soll ja auch heute nicht das Thema sein. Jetzt gleich geht’s los, und ich möchte dich bitten das du immer dicht bei mir bleibst. Wenn du im Weg rum stehst bekomme ich den Ärger.“ Ich nickte, obwohl ich ihm nicht wirklich zuhörte. „Gut, dann komm mit. Sanji scheint bereit zu sein.“ Er ging an mir vorbei, doch ich brauchte eine Minute, in der ich mehrmals sehr tief durch atmete, bis ich mich umwenden und zu ihm gehen konnte. Meine Aufgabe war es also nun, nicht nur Frank, sondern auch Sanji genau zu beobachten. Ich sollte beobachten wie er Franks Worte umsetzte, wann Frank den Knopf drückte, wie weit man gehen konnte und welcher Gesichtsausdruck am Besten war. Klar, hauptsächlich sollte ich auf Mr. Bloomberg achten. Aber das konnte ich nicht. Es ging einfach nicht. Denn sobald das Shooting begann, war ich gefangen in etwas ganz anderem. Ich war gefangen in Sanjis Anblick. Es war mehr als atemberaubend, was da gerade geschah. Der Blonde schien alles um sich herum zu vergessen, er fixierte die Kamera und posierte so, wie es ihm gesagt wurde, dabei wirkte er jedoch so natürlich als würde er ständig so sitzen, rauchen und dabei nur eine Boxershorts tragen. War gut denkbar, das Sanji sowas auch zu Hause machte. Ab und an, wenn niemand hinsah. Der Gedanke trieb mir erneut die Röte ins Gesicht und ich schob ihn erstmal bei Seite. Erstmal. Ein recht karger Stuhl stand auf den Pflastersteinen, und Sanji räkelte sich auf ihm als gäbe es kein Morgen. Zuerst beobachtete ich nur seine Bewegungen, die sehr genau und lässig wirken, eben so, als würde er immer so etwas machen. Ich wusste das ich wie ein Spanner wirken musste. Ich stand hier neben Mr. Bloomberg, starrte Sanji an und wahrscheinlich lief mir ein Sabberfaden aus dem Mund. Aber es war ja niemand da der wirklich lange einen Blick auf mich werfen konnte. Alle waren mit irgendwas beschäftigt und ich war verdammt dankbar dafür. Das Kribbeln in meinem Magen verriet nichts gutes. Entweder mein Enddarm meldete sich und ich würde gleich eine Toilette aufsuchen müssen... oder etwas ganz anderes ging da vor. Etwas, was ich bis vor wenigen Stunden noch als vollkommenen Quatsch abgetan hätte. Ich fand... STOPP! Verdammt Zorro, reiß dich zusammen! Das hier ist ein Job, also benehm dich anständig! Oder zumindest nicht so auffällig wie jetzt. Ich hatte das beklemmende Gefühl, das jeder mir meine akute Geilheit ansehen konnte, auch wenn sich an meinem Unterleib nichts regte. Noch nichts, und es sollte vermieden werden das dort etwas passierte. Doch als ich in sein Gesicht sah – es geschah eher zufällig, ehrlich, es war fast wie ein Unfall – konnte ich meinen Blick einfach nicht mehr losreißen. Seine Augen; seine rabenschwarzen Killeraugen, die mich bisher immer nur missbilligend oder desinteressiert gemustert hatten; ein Feuer erfüllte sie, das mich sogleich auch ergriff, das sich tief in meiner Brust einnistete und dort vor sich hin loderte. Ich hatte das Gefühl zu verbrennen und gleichzeitig glaubte ich ein zufrieren, so unglaublich kalt wirkte er dabei. So unbeschreiblich cool. Ich fragte mich ob es nur einen einzigen Moment in meinem Leben gegeben hatte wo ich so geguckt hatte und verneinte es sofort. Solch eine unglaubliche Leidenschaft gab es nicht in meinem Leben. Ich fragte mich was er sich vorstellte. An wen er wohl dachte, das er so gucken konnte. Wahrscheinlich hatte er gerade gedanklich Sex mit Pierce Brosnan. Der Gedanke ließ mich kurz lächeln – ich bemerkte erst wenige Sekunden später, das er mich ansah und sich eine Augenbraue hebte. „Ja, bleib so, das ist perfekt!“ hörte ich Frank Bloomberg krähen und so kam es dazu, das wir uns einige Sekunden anstarrten, ich mit meinem dümmlichen Grinsen im Gesicht, das relativ schnell wich, und er mit dieser gehobenen Augenbraue und dem leidenschaftlichen Schlafzimmerblick, der mich augenblicklich wuschig machte. Ich wollte etwas sagen, irgendwas, etwas was die Situation aufgelockert hätte, doch mir fiel nichts ein. Absolut gar nicht. Mein Kopf war leer. „Sehr gut, danke. Könnte jetzt bitte jemand den Stuhl weg stellen?“ Hier schien es mehr unterbezahlte Arbeitskräfte zu geben als ich dachte, jedenfalls räumte ein kleiner Kerl mit Baseballcap den Stuhl weg und wuselte sich dann wieder aus dem Bild. „Danke sehr. Jetzt brauch ich dich stehend und in der Hose, Sanji.“ Der Blonde nickte, wandte sich ab, verließ den Fotobereich und verschwand hinter der weißen Trennwand. Ich flehte, das er zurückkehrte. Der konnte mich doch so nicht allein lassen?! Erst dann begriff ich wie ich mich hier verhielt und schüttelte heftig den Kopf. Egal wer oder was diese Gedanken in mein Hirn geschleust hatte, er gehörte erschossen. „Und, wie fandest du's?“ Ich musste ehrlich sein. Ehrlichkeit war eine Tugend. Dementsprechend unüberlegt sprudelte es aus mir heraus. „Geil.“ war meine prollige Antwort und ich beeile mich, sie zu berichtigen. „Also, ich meine, echt klasse. Das sowas ganz anderes, es wirkt alles so natürlich...“ Frank Bloomberg grinste breit. „So ist das, wenn man mit Topmodels arbeitet. Das läuft wie am Schnürchen. Die Einzigen die oft genug nicht spuren sind die Helfer, die herumlaufen und irgendwie immer das falsch machen, was sie besser nicht falsch machen sollten.“ Ich nickte wieder, war aber weiterhin damit beschäftigt die Trennwand anzustarren. „Wie viele verschiedene Fotos machen wir denn noch?“ fragte ich schließlich, damit ich nicht zu auffällig war. Frank Bloomberg lächelte leicht. „Nicht mehr viele. Jetzt noch welche mit Hose, dann komplett im Jackett. Wir machen die pikantesten Fotos immer Mittags, da ist es am wärmsten und er bekommt nicht so eine Gänsehaut. Du weißt schon.“ Ich nickte wieder, auch wenn diese Worte eher ungenau in mein Wackepudding – Hirn drangen. Es war aber auch nicht so wichtig dachte ich, als Sanji wieder hervortrat, bekleidet mit einer schicken Nadelstreifenhose. Wieder verhedderte ich mich in seinen Posen, in seinem Blick, wieder hatte ich das Gefühl gleich zu explodieren. Spürte das denn nur ich? Alle anderen am Set wuselten entweder sinnlos herum, schleppten Sachen von A nach B oder fotografierten eben. Und Frank Bloomberg sah wie immer äußerst entspannt aus. Ich schien ein Einzelfall zu sein und das machte mir Sorgen. Große Sorgen sogar. Die Fotos waren nicht ganz so schnell im Kasten wie die vorherigen, das Licht stimmt öfter mal nicht und einmal fuhr im Hintergrund ein großes Schiff vorbei, das nicht im Bild sein sollte. Ich fand es nicht allzu tragisch. Ich stand gut, die Aussicht war klasse und ich fand einen fast unmenschlichen Spaß daran, Sanji immer mal wieder anzulächeln. Ich bemerkte nämlich – eher so am Rande – das ihn das ein klein wenig aus dem Konzept brachte. Er sah dann immer wieder zu mir und Frank musste ihn in seine Schranken verweisen. Das hatte was. Das letzte Shooting spielte sich immer noch an der selben Stelle ab, jedoch war Sanji komplett in einen schicken Nadelstreifen-Anzug gehüllt, der ihm, wie so gut wie alle Kleidungsstücke, hervorragend stand. Es war nicht schade drum, gut eingepackt war besser als billig ausgepackt. „Lorenor?“, rief mich eine himmlische Stimme zurück in die Realität und ich sah direkt in Frank Bloombergs rosiges Mondgesicht. Er grinste mal wieder auf diese väterliche Art, die ich nicht gut haben konnte. „Wir haben jetzt alles.“ - „Okay.“ Ich folgte ihm zu einem kleinen weißen Tisch, der eher aussah als würde auf ihm tapeziert werden. Darauf aufgebaut standen ein kleiner Laptop, einige andere Apparaturen und eine große Lampe, die um diese Uhrzeit jedoch nicht zum Einsatz kam. „Ich hoffe du willst sie sehen?!“ Ich nickte eifrig. „Klar will ich das!“ Mr. Bloomberg lächelte und nickte, während er die Kamera an den Laptop anschloss. Er wirkte mit dieser Tat ein wenig Oldschool. „Ich glaube, sie sind klasse geworden. Das Licht war perfekt. Sanji hat das wirklich toll gemacht.. okay, ab und an wirkte er ein wenig abgelenkt...“ Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Aber.. da sind sie.“ Frank tätschelte seine Kamera liebevoll und versperrte mit seinem Rücken den Bildschirm. Mir blieb nichts anderes übrig als zu warten. „Wow... echt klasse... hmmm...“ Ich fühlte mich ein wenig gemobbt, wartete aber geduldig bis Mr. Bloomberg mit der Preisung seiner eigenen Meisterwerke fertig war. Der Grauhaarige trat bei Seite und deutete stolz auf den Laptop. „Da, sieh sie dir an!“ Frank Bloomberg hatte immer zu meinen Idolen gezählt. Seitdem ich eine Kamera besaß und seine Bilder im Internet gesehen hatte war ich eingefleischter Fan, ich besaß haufenweise billige Ausdrücke von seinen Werken zu Hause, sah sie mir immer wieder gern an, auch wenn mein Drucker die reinste Katastrophe war. Ich hatte immer so fotografieren wollen wie er. Okay, nicht nur wie er, einige andere Künstler fand ich auch super, aber Frank Bloomberg war einer der Hauptgründe für mein Praktikum gewesen. Man konnte es nicht anders sagen, ich liebte ihn und seine Werke. Doch jetzt stand ich hier, die Sonne beschien mein Gesicht ein wenig, um mich herum rannten, schlichen oder gingen die verschiedensten Berufsgruppen... und ich war enttäuscht. Diese Fotos waren gut. Gut?! Sie waren genial, von einem Meister oberster Güte geschaffen, das sah man sofort. Alles spielte perfekt in einander,das Licht, die Farben, Sanji, der Hintergrund... doch etwas fehlte. Etwas verdammt entscheidendes fehlte, und ich brauchte ein wenig bis ich wusste was es war. Sanji war es. Nicht das er auf dem Bild fehlte, nein, er war schließlich im Großformat drauf, aber... das war definitiv nicht perfekt. Das war nicht das, was ich sehen wollte. Was mir den letzten Kick gab. Ein Bild musste mich gefangen nehmen und nie wieder loslassen, dann war es ein Meisterwerk. Es musste sich in mein Gedächtnis ein brennen. Vielleicht war das Problem das ich Sanji auch privat kannte. Zumindest ein bisschen. Vielleicht war ich mir deswegen so sicher, das aus diesen Bildern nicht der letzte Rest heraus geholt worden war. Die meisten Fotografen schoben die Fehler auf die Models,doch so war ich nicht. Hier hatte Frank Bloomberg etwas vergessen. Er hatte den Kick vergessen. Ich öffnete den Mund und auf einmal war es so still am Set, das man eine Stecknadel hätte fallen hören. Ich hatte das Gefühl als wären alle Ohren in meine Richtung gerichtet worden. Scheiße. „Na, wie findest du sie?“ fragte Frank und verbesserte damit meine Lage kein Stück. Ehrlichkeit war eine Tugend. Hatte Mr. Bloomberg nicht gesagt, er wollte mehr über seinen Stil heraus finden? Das konnte er nicht, wenn ich log. Ich musste ehrlich sein. „Sie sind... toll.“ kam es mir über die Lippen und Frank runzelte die Stirn. „Ähm. Da ist doch noch was.“ wühlte er nach und ich hätte ihn gern irgendwie zum Schweigen gebracht. „Ich...“ Ich atmete tief durch, versuchte mich zu beruhigen. Konnte doch nicht so schlimm sein. Ich würde jetzt nur meinen größten Vorbild sagen, das ich seine Bilder nicht so klasse fand wie er. Keine große Sache. „Lorenor, bitte sei ehrlich.“ Ich kniff die Augen zusammen. Konnten die nicht alle ein bisschen lauter arbeiten? Es war so schrecklich still. „Da fehlt was.“ presste ich schließlich hervor und musste danach tief Luft holen, als wäre ich aus einem tiefen Becken aufgetaucht. Aus einem Haifischbecken. Mr. Bloomberg runzelte die Stirn. „Und was?“ Das war eine berechtigte Frage. Wie sollte ich ihm das jetzt erklären? „Da fehlt... da fehlt eben was. Ich kann das nicht erklären.“ Ich musste wohl ziemlich hilflos aussehen, denn Frank Bloomberg lachte fast besorgt auf und klopfte mir auf die Schulter. „Du glaubst also, es fehlt etwas. Gut! Ich finds gut das du mir deine Meinung sagst. Und weißt du was? Ich wüsste gern was du meinst. Und deswegen machst du's mir vor.“ Ich konnte nicht glauben was er da gesagt hatte. „Bitte was?“ stotterte ich los. Mr. Bloomberg nickte. „Ja, du hast richtig gehört! Jetzt bist du an der Reihe. Ich hab doch gesagt das ich dich ins kalte Wasser schmeiße!“ - „Aber Frank, ich dachte ich darf nicht...“ Frank schüttelte heftig den Kopf. „Ruhe. Ich hab meine Meinung eben geändert.“ Er lächelte, und auch ich bekam sowas ähnliches zustande, wobei mein Herz rasend schnell vor sich hin flatterte. Als ich die Kamera in die Hand gedrückt bekam und zurück zum Set geschoben wurde, konnte ich es immer noch nicht so richtig glauben. Ich würde jetzt Hochglanzfotos machen. HOCHGLANZFOTOS! Mein Gott, das war ja zum verrückt werden, was würde denn heute noch alles wahnsinniges passieren?! „Sanji? Kommst du bitte nochmal in der Boxershorts raus?“ Ich starrte mit glasigen Augen auf den Hintergrund, auf das herunter gekommene Hafenbecken, dann sah ich zu Frank, der mir mutmachend zulächelte. Er machte mir Angst und ich sah wieder weg. Langsam aber sicher spürte ich die Blicke vieler Menschen auf mir. Das war meine Feuerprobe. Besteh sie oder stirb, das war die Devise. Als Sanji hinter der Trennwand hervor trat sah er schon ein wenig verwirrt aus, aber als er mich dann mit der Kamera sah war er endgültig von den Socken. „Was ist denn jetzt los?“ fragte er und ich konnte es ihm nicht beantworten, weil ich es auch nicht wusste. Frank Bloomberg tat es für mich. „Der Junge (so nannte er mich, mein Gott wie peinlich) wird mir jetzt beweisen, wie gut er wirklich ist. Ich will mehr über seinen Stil wissen und außerdem meinte er, das bei meinen Bildern was... fehlen würde.“ Erst starrte Sanji Frank an, dann wanderten seine Augen zu mir. Sein Blick fragte mich, wie ich auf die Idee gekommen war und dem Großmeister sowas unter die Nase gerieben hatte. Ich zuckte vollkommen hilflos mit den Schultern. Sanji seufzte schwer. „Gut... gut. In Ordnung. Aber ich zieh mich jetzt nicht noch mal um!“ Mr. Bloomberg schüttelte schnell den Kopf. „Nein, es reicht so, nur in den Boxershorts. Leg los, Lorenor!“ Ich nickte, tat aber erst mal nichts. Ich stand nur da mit der Kamera, überwältigt von diesem Moment, und hoffte das mich irgendwer rüttelte. Da waren so viele Augen, so viele Menschen beobachteten mich, ich fühlte mich so schrecklich unwohl in meiner Haut, das ich wusste das die Fotos jetzt noch nichts werden konnten. Da kam mir die rettende Idee. Musik. „Hat hier jemand einen mp3-player für mich?“ fragte ich fast zaghaft, und als keiner antwortete wurde ich ein wenig lauter. „Hat hier wirklich keiner einen mp3-player?“ - „Doch. Ich.“ Sanji sah mich erst abschätzend an, dann griff er hinter die Trennwand und reichte mir einen kleinen schwarzen Kasten. „Da.“ Ich nickte langsam, starrte noch eine kurze Sekunde Sanji an, der abwartend zurück starrte, dann fing ich mich wieder und schob mir die Stöpsel in die Ohren. Ich drückte auf Play und die Musik startete. Kayne West. Love Lockdown. Mein Gott, das passte ja wie fast aufs Auge! Ich schloss kurz die Augen, konzentrierte mich voll und ganz auf die Musik, versuchte mit ihr zu verschmelzen, in ihr auf zugehen. So keep your love lockdown, love lockdown.. you choose, you loose. Als ich die Augen wieder öffnete hatte ich fast einen Tunnelblick. Vor mir war nur Sanji. Vor mir stand nur er, nein jetzt saß er, er saß wieder auf dem Stuhl und ich hörte mich selbst Anweisungen geben, während ich den mir fremden Fotoapparat bediente. Dreh dich ein Stück, ja genau, setz dich ein Stück schief drauf, den Kopf höher, lächel ein wenig. You choose, you loose. Tu mal den Stuhl weg, dreh dich, schneller, versuch dich auf der Stelle zu drehen, lächeln nicht vergessen. I keep your love locked down. We're far from home in the dangerzone. Die Zeit verging, ich wusste nicht wie lange ich wirklich fotografiert hatte, aber als ich fertig war und die Stöpsel aus dem Ohr nahm, starrte mich die gesamte Crew an wie ein Außerirdischer. Hatte ich so bescheuert ausgesehen. „Hast du mir was verheimlicht, Lorenor?“ fragte Frank Bloomberg und ich sah ihn verdattert an. „Nein? Was denn?“ Er lächelte leicht. „Du hast sowas wirklich noch nie gemacht?“ Ich schüttelte den Kopf und glaubte, naiv zu wirken, ohne es zu wollen. „Nein, hab ich nicht.“ Mein Chef seufzte, sah mich noch eine Sekunde an, starrte fast in meine Augen, dann nahm er mir die Kamera ab und ging in Richtung Tisch. „Dann wollen wir uns das mal ansehen.“ Ich fühlte eine Spannung in mir, als ich neben den Tisch trat, die ich so nicht kannte. Ich wollte weinen, schreien, lachen und jubeln zu gleich. Ich beschränkte mich schließlich aufs dümmliche Grinsen. Mr. Bloomberg schloss die Kamera an den Laptop und einige Crewmitglieder versammelten sich um uns. Ich hätte sie gern weg geschickt. Und dann öffnete Frank das erste Bild. Ich konnte es nicht fassen und auch Frank sah man die vollkommene Überraschung an. „Das... ist genial.“ stammelte er. Kapitel 8: Somewhere only we know. ---------------------------------- ~ Reich & Schön ! ~ N0. 9 – Somewhere only we know. Das Gefühl, etwas erlebt zu haben was man eigentlich nicht erlebt hatte, wich mehrere Stunden nicht, wurde sogar noch durch ein paar zusätzliche Ereignisse verstärkt. Ich fühlte mich hin und her gerissen zwischen einem Zusammenbruch der der größten Kopfparty die je in mir statt gefunden hatte. Ich entschied mich kurzfristig für eine Kopfparty, ließ meinen Hormonen und dem Adrenalin freien lauf und lauschte dem Lobgesang der Crew um mich herum. Worte wie atemberaubend fielen, wunderbar, perfekt, ein Feuerwerk der Schönheit.. ich hatte kaum Zeit all die Wort in mich aufzunehmen. Ich stand einfach nur stocksteif vor meinem eigenen Werk, betrachtete es vollkommen von mir selbst überrascht und spürte die Hände, die auf meine Schultern und aus Platzmangel auch auf meine Hüfte klopften. Ich glaubte zumindest, das es aus Platzmangel passierte. Anderes konnte und wollte ich mir nicht vorstellen. „Lorenor, ich bin einfach überwältigt.“, rang sich Frank Bloomberg schließlich zu einem Satz durch, nachdem er vorher nur unzusammenhängend gestammelt hatte. „Ich bin einfach nur überwältigt. Wie kann jemand der sowas noch nie gemacht hat so viel Talent haben? Ich bin fast ein wenig neidisch.“ Seine Worte ließen mich rot anlaufen und ich schob eine Hand hinter den Kopf. „Na, so gut sind sie nun auch wieder nicht, ich meine, das war pures Anfängerglück...“ „Und bescheiden ist er auch noch!“ krähte ein Stylist und entfachte damit einen neuen Lobesgebrüll der um mich herum stehenden Menge. Langsam aber sicher wurde mir das alles ein bisschen zu viel. Ich fühlte mich bedrängt und so viel gutes Zureden war ich absolut nicht gewöhnt. Ich sah mich verlegen lächelnd um. „Dank sehr.“ entkam es mir schließlich und man antwortete mit einem eintönigen „Bitte!“. Ich weiß das ich mich hätte freuen sollen. Aber ich tat es nicht. Denn mir war auf einmal nur wichtig, was Sanji dachte. Der war schließlich auf dem Bild drauf. Wenn es ihm nicht gefiel, dann konnte ich sie gleich in die Tonne kloppen. Doch der Blonde stand nur ein wenig verwirrt auf der anderen Seite des Tisches und starrte die Menge verunsichert an. Er war wohl gerade erst wieder hinter der Trennwand hervor gekommen, er trug wieder seine normale Klamotte und die Schminke war auch verschwunden. „Was ist denn hier los?“, fragte er und sofort zogen ihn mehrere Hände hinter den Laptop, damit er einen Blick auf die Bilder werfen konnte. Ich versuchte möglichst unauffällig seinen Gesichtsausdruck zu erhaschen. Doch da regte sich wie so oft nicht viel. „Sind das die von Lorenor?“ fragte er mit einer Ruhe, die mich ein wenig verunsicherte. Ich nickte. Er hob den Blick und sah mich an. Starrte mir direkt in meine Augen und ich glaubte im schwarzen Meer seiner Iris zu ertrinken. „Können wir uns gleich mal unter 4 Augen unterhalten?“ fragte er weiter, und wieder nickte ich, ohne wirklich nachzudenken, denn ich konnte nicht, mein Hirn war wie warme Butter. „Gut.“ Er trat vom PC weg und verschwand wieder hinter der weißen Trennwand. Die Menge war schrecklich still geworden, als müsse man schweigen wenn Sanji redete, und ich konnte mir gut vorstellen das dem auch so war. Langsam aber sicher entfernten sich die Leute, gingen wieder ihren Arbeiten nach, und Frank Bloomberg nahm mich beiseite, schob mich in einen ruhigeren Teil des Sets, während sich im Hintergrund die Sonne langsam in Richtung Hafenbecken neigte. Ich wünschte mir meinen Fotoapparat und ein wenig Zeit herbei. Doch beides war gerade nicht greifbar. „Lorenor, hier lügt niemand. Deine Bilder sind grandios und ich schätze, sie werden auch für die Werbung genommen. Also für das Plakat.“ Ich nickte langsam, starrte leer die gepflasterte Straße hinauf, unfähig für Worte oder Taten. Mr. Bloomberg fuhr fort. „Ich schätze, du schaffst das auch allein, Lorenor. Morgen früh gehst du gleich zu Mr. Shanks und legst ihm die Bilder vor. Ich werde dir jetzt gleich einen Brief geben, den du ihm auch gibst. Ich werde ihn bitten das du einen Job bei ihm bekommst.“ Es drang kaum an mein Ohr und noch weniger in mein Gehirn, doch das Wort Job verstand ich in jeder Sprache. Schließlich war ich arbeitssuchend und nicht arbeitslos. Wieder nickte ich. „Jemand mit deinem Talent sollte nicht in einem Praktikum versauern. Du solltest Geld dafür bekommen, was du machst.“ Ich war ihm dankbar, das wusste ich, aber meine Gesichtszüge waren wie eingefroren. „Danke.“ murmelte ich leise, versuchte mich wieder unter Kontrolle zu bringen. „Ich.. ich weiß es nicht was ich sagen soll, ich bin grad ziemlich von den Socken.“ Frank lachte. „Das sehe ich dir an, Junge. Das sehe ich. Aber mach dir keine Sorgen, das wird sich alles regeln. Wir werden dir alles in Ruhe erklären und du wirst sehen, das ist irgendwann wie Fahrrad fahren. Man hat nach einer Zeit den Bogen raus.“ Scheiße, redeten wir hier gerade über meinen zukünftigen Job?! Ich musste meine Eltern anrufen. Meine Freunde. Ich musste mich um Papierkram kümmern. Hatte ich Anrufe auf meinem AB? Was ist die Quadratwurzel aus 1000? Vollkommen unsinnige Fragen schossen mir durch den Kopf und ich beschloss, das das hier keinen Sinn mehr hatte. Ich würde mich in einer guten Stunde wahrscheinlich halb tot freuen, aber momentan ging das einfach nicht. Ich musste weg. „Mr. .... ähm, Frank, wäre das in Ordnung wenn ich jetzt verschwinde? Ich fühle mich nicht so gut.“ Mr. Bloomberg nickte verstehend. „Natürlich. Warte, ich schreibe dir eben den Brief.“ Er wandte sich ab, ging zurück zum Tisch, suchte sich Papier und Stift zusammen und begann in rasender Geschwindigkeit zu kritzeln. Ich lehnte mich an die Wand. Mir war schwindelig. Frank kam wieder, drückte mit das Papier in die Hand und grinste breit. „Da.“ teilte er mit. Mein Magen meldete sich unangenehm und ich stöhnte leise auf. „Ich... geh jetzt besser.“ Er nickte, ich drehte mich auf dem Absatz um und bahnte mir einen Weg durch die Lichtquellen und Tische zur Straße, als ich eine Stimme hörte. Seine Stimme. Sie war fast so melodisch wie seine Bewegungen fiel mir auf, als ich mich leicht vorbeugen musste um nicht zu kotzen. „Lorenor!“ Ich blieb stehen, drehte mich aber nicht um, beugte mich nach vorne und atmete schwer. Ich zeigte ungern Schwäche, also richtete ich mich eilig wieder auf und spürte seine Hand auf meiner Schulter. „Alles in Ordnung? Du siehst nicht gut aus.“ Ich nickte eilig. „Geht schon.“ Er lächelte und ich fragte mich, ob er mich jemals zuvor angelächelt hatte. Ich konnte mich nicht daran erinnern und lächelte zaghaft zurück. „Komm, ich nehm dich mit.“ Mitnehmen? Mein Butterhirn schwabbelte vor sich hin und konnte sich keinen Reim darauf machen, was Sanji meinte. Womit denn? War der Kerl noch nebenberuflich Straßenbahnfahrer? Erst dann erinnerte ich mich, das es ja eine Erfindung gab, die man Auto nannte und das es viele Menschen gab die dieses Wunderwerk der Technik bedienen konnten. Na, dann stellte sich die Frage, wieso der auf einmal so nett zu mir war. Ich lehnte lieber ab. „Das ist nett, aber ich will dir keine Umstände machen.“ murmelte ich und Sanji drehte den Kopf, um mich verwirrt anzusehen. „Wir wohnen in einem Haus, erinnerst du dich?“ Wir gingen die Straße hinauf und langsam kam auch die Hauptstraße wieder in Sicht. Welches Auto war wohl seins? „Ja.“, murmelte ich und wusste mich nicht weiter zu wehren. „Wieso auf einmal so nett?“ Ich stützte mich an der Wand ab, allerdings versuchte ich unauffällig zu wirken. Haha. Unauffälliges abstützten. Ich war ja ein Scherzbold. Sanji lachte leise und ich fragte mich, wieso alles an ihm so melodisch und natürlich war. „Ich bin immer nett. Du merkst das nur nicht.“ Das war natürlich eine logische Erklärung und ich schloss meinen Mund, um einen Satz wie „schon klar, verarschen kann ich mich allein“ zu vermeiden. Ich fand es angenehmer so mit ihm zu reden. Außerdem hatte ich immer noch ein schlechtes Gewissen. Meine Güte, konnte mein Darm nicht mal langsam Ruhe geben? „Da vorne, der Schwarze, das ist meiner.“ Ich nickte und stellte fest, das mir verdammt schwindelig war. Ich sah ihn doppelt. Also den Wagen. Ein Opel vermutete ich. Schick. „Ah.“ Ich schloss kurz die Augen, machte sie dann aber wieder auf, da ich Angst vor einem Sturz hatte. Er schloss ihn auf, ein leises Klicken ertönte und ich hangelte mich um das Auto herum, um auf dem Beifahrersitz platz zu nehmen. Er stieg kurz nach mir ein. Es roch neu, das Auto, aber es roch auch nach Sanji. Es war angenehm. Ich mochte es. Ich überlegte den Sitz nach hinten zu stellen und zu schlafen. „Ist wirklich alles okay Lorenor? Du bist echt blass.“ Ich spürte seine Hand auf der Stirn und ein Schauer durchlief mich. „Es geht.“ knurrte ich und schob seine Finger weg, aus Angst ich könnte erröten. „Wir fahren nach Hause. Mal sehen was wir da machen können. Oder willst du zum Arzt?“ Ich schnaubte. „Lieber sterbe ich.“ teilte ich mit und Sanji lächelte. „Angst vor Spritzen?“ - „Nein, vor Kampflesben.“ Wieder lachte er und es hörte sich schön an in meinen Ohren. Es fühlte sich gut an in meinem Kopf. Wieder ein Schwindelanfall, ich lehnte mich erneut zurück und schloss die Augen. Sanji fuhr an, ein Ruck ging durch das Auto und durch meinen Magen, ich musste aufstoßen und unterdrückte es. „Soll ich vorsichtig fahren?“ Ich öffnete die Augen nicht. „Mach was du willst.“ schien mir die beste Antwort. Ich glaubte ihn nicken zu hören. „Ich pass auf.“ Ich hörte den Motor, das Radio spielte einen Klassiker aus den 80's, ich überlegte ihn darum zu bitten anzuhalten damit ich mich irgendwo übergeben konnte. „Nicht mehr weit.“; hörte ich ihn sagen und war fast dankbar dafür, das er irgendwas gesagt hatte. Ich nickte wieder. Zu mehr war ich nicht fähig. „Ist dir sehr schlecht?“ Was für eine Frage. Nee, gar nicht, ich find mich farblos einfach schöner. Ich nickte leicht und schüttelte dann schnell wieder den Kopf. „Es geht.“ wiederholte ich mich. Er sagte nichts weiter dazu und das hatte wohl was damit zu tun das er begriffen hatte das ich auch meinen Stolz hatte, und davon nicht zu wenig. Ein verdammtes Stolzpaket war ich, immer darauf bedacht meine Haltung zu wahren. Ich war ein komischer Mensch. „Ich fahr ins Parkhaus.“ Wir hatten ein Parkhaus? Meine Fresse, so viele neue Informationen, ich wusste gar nicht wohin mit ihnen. Es ging bergab und ich ließ weiterhin die Augen zu. Mir war ein Blick auf eine bergab führende Straße zu riskant, auch wenn wir hier nicht von einem kilometer tiefen Abgrund sprachen sondern von einer Parkhauseinfahrt. Eine scharfe Linkskurve, wir hielten, er stieg aus, doch ich konnte mich kein Stück bewegen. Ich hörte seine Schritte auf dem Asphalt und ich zwang mich zum sehen. Er öffnete die Tür. „Komm, ich helfe dir.“ Seine Stimme klang verzerrt, als wäre eine Wand zwischen uns oder so. Außerdem hallten seine Schritte in meinen Ohren nach. Also langsam beschlich mich der Verdacht, das mit mir was nicht stimmte. Das wurde mir aller spätestens in dem Moment klar, als ich mich widerstandslos von Sanji aus dem Auto hebeln und quer durch das Parkhaus schleifen ließ. Ich war nicht der Typ, der bettelte, und auch Hilfe nahm ich nur unter besonderen Umständen an. Und mich durch die Gegend tragen ließ ich mich normalerweise nie. Mir blieb allerdings nichts anderes übrig, meine Knie waren wie Gummi und ich glaubte keinen Schritt gehen zu können. „Das ist der Schock.“ murmelte Sanji, als er mich in den Aufzug schob, ebenfalls eintrat, mich mit einer Hand stützte und mit der Anderen einen Knopf drückte. „Nur der Schock. Du schläfst gleich was, dann geht es dir morgen besser.“ Ich sagte nichts dazu, weil mir das Öffnen meines Mundes zu riskant vor kam. Ankotzen wollte ich ihn auch nicht. Mein Magen knurrte wütend, als der Aufzug los fuhr. Ich klammerte mich ein wenig verzweifelt an der Wand fest, doch Sanji war schneller. Er griff mir unter die Arme und zog mich in die Höhe. Wo hatte der nur diese unmenschliche Kraft her? Er sah so zierlich aus, aber anscheinend hatte er jede Menge Muckies. Ich betete dafür, das der Aufzug endlich am Ziel war, und als sich die Türen öffneten taumelte ich hinaus, lehnte mich an die Wand und keuchte unregelmäßig. Die ganze Aktion war mir mehr als Peinlich, ich fühlte mich schrecklich klein und schwach, wie ich da an der gestrichenen Wand lehnte, stöhnte und meinen Magen pulsieren fühlte. Es störte mich, das er sich so rührend um mich kümmerte, fast aufopferungsvoll war. Ich lebte gern nach festen Regeln, und er brach sie. Das gefiel mir nicht und gleichzeitig imponierte es mir. Ohne Gegenwehr schleppte er mich den Gang hinunter, es war dunkel und ich sah die Tür durch die wir traten doppelt. Ich wusste nicht wo wir waren, es war so dunkel um mich herum, schrecklich dunkel. Ich glaubte nicht das ich Angst hatte, aber ich fühlte mich unwohl. „Leg dich da hin.“ War ich erblindet? Ich hoffe es nicht. Da hatte ich ein mal nen Job und dann versaute es mir irgendein hysterischer Freudeanfall! So weit würde es ja wohl nicht kommen. Ich wusste nicht mal so genau ob meine Augen offen oder geschlossen waren. Jemand zog mir die Schuhe aus und ich musste kurz lächeln, weil ich kitzelig war. Ich glaubte, das ich erbärmlich wirkte und versuchte aufzustehen. Zwei Hände drückten mich zurück. Fast zärtlich. „Schlafen.“ sagte die Stimme, die ich niemandem zuordnen konnte, doch sie klang glaubwürdig. Ich nickte leicht, lehnte mich zurück und schlief ohne große Probleme ein. Ich träumte von nichts, absolut nichts, in meinem Kopf herrschte Leere. - - - - „Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt, der lasse sich begraben.“ Johann Wolfgang von Goethe. - - - - Es war dunkel, absolut stockdunkel, als ich erwachte. Ich wusste nicht so recht was los war, mein Kopf fühlte sich schwer und bleiern an, vollkommen nutzlos auf meinem Hals befestigt. Langsam richtete ich meinen Oberkörper auf, befühlte meinen Kopf, stöhnte leise und tastete mich dann an meiner Unterlage entlang. Ein Sofa. Okay. Fühlte sich aber nicht gerade nach meinem Sofa an, nein. Es roch hier auch ganz anders. War ich wirklich erblindet? Wohl nicht. Ich konnte einen kleinen roten Punkt leuchten sehen, nicht weit weg. Sah ganz nach Fernseher oder sowas aus, der Ausschaltknopf oder ähnliches. Also doch keine Blindheit, einfach nur Dunkelheit. Ich wünschte mir eine Uhr herbei, eine Digitaluhr mit leuchtenden Ziffern. Es musste früh sein, ich war noch müde. Leichte Panik ergriff mich, als ich mir versuchte an den vorherigen Abend zu erinnern und es nicht konnte. Wo um Himmels willen war ich hier gelandet? Ich wusste absolut nichts, in meinem Kopf herrschte ein buntes Wirrwarr. Ich wollte in meine Wohnung, in mein Bett und noch etwas schlafen. Okay, langsam Zorro. Nachdenken. Wenn man nicht weiß wo man ist und es ist dunkel, sollte man versuchen irgendwie das Licht anzumachen. Eine gute Idee. Könnte mir mal bitte jemand einen Lichtschalter in die Hand drücken? Ein wenig genervt von meiner eigenen Dummheit erhob ich mich. Zu schnell. Hätte ich es doch nicht getan. Es gab einen Knall, der Schmerz schoss durch meinen Kopf in meinen Rücken bis in meine Füße, ich glaubte einen elektrischen Schlag zu spüren aber es war nur eine Kante an der ich mir den Kopf angehauen hatte. Ich besaß dieses unglaubliche Talent zur Selbstzerstörung. Ich stöhnte, rieb mir den Kopf, versuchte gerade zu stehen und schaffte es nicht. Ich taumelte ein wenig zurück, spürte das Bein eines Stuhl oder Tisches an meiner Ferse, doch da war es schon zu spät. Ich kippte nach hinten. Wahrscheinlich in Zeitlupe, und gleich gröhlte irgendwer „BAUM FÄLLT!“. Ich wartete nicht darauf, denn kurze Zeit später schlug mein Hinterkopf auf hartem Holzboden auf und ich spürte die Erschütterung bis tief in mein Gehirn. Jetzt würde ich sterben, da war ich mir sicher. So einen Schlag überlebte man nicht. Etwas warmes lief meine Stirn hinunter und ich resignierte. Danke, schöne Welt, du hast mit einige tolle Momente beschert. Ich blieb einfach liegen, schloss die Augen und wartete auf das Ende. Das aber verdammt lange auf sich warten ließ und dann schließlich in Form von einem Lichtstrahl auf mich fiel. Ich kniff die Augen zusammen, es war schrecklich hell auf einmal und das war ich nicht gewöhnt. Ich rollte mich auf die Seite, stöhnte, versuchte mich aufzurichten und schaffte es auch nach zwei Anläufen. „Was...?“ Seine Stimme klang müde, verschlafen, gewürzt mit einer Brise Verwirrung. Lecker. Ich musste wie ein Vollidiot aussehen. Darüber war ich mir im Klaren, und dennoch schaffte ich es nicht, auf die Beine zu kommen. In meinem Schädel begannen viele kleine Arbeiter, emsig mit Hämmern gegen mein Wabbelhirn zu schlagen. Ich hörte sein unterdrücktes Lachen und fühlte mich unglaublich erniedrigt. „Halt die Fresse.“ Er hörte aufs Wort, Sanjis Lachen verstummte und er stand nur wie bestellt und nicht abgeholt im Türrahmen. Endlich gewöhnte ich mich an die Helligkeit und konnte ihn nun genauer betrachten. Er trug nur eine Jogginghose, sie saß ziemlich tief und man hatte einen wunderbaren Blick auf seinen gut definierten Oberkörper und seine schmalen Hüften. Ich sah weg, in die Dunkelheit hinter mir. „Wo bin ich?“ Meine etwas dümmlich klingende Frage war überflüssig, schließlich stand da grad Sanji im Schlafrock vor mir. Wo also sollte ich bitte sein? Das war seine Bude, und langsam erkannte ich auch alles wieder. Wie hatte ich mir nur am Deckenleuchter so heftig den Kopf anschlagen können? „Du blutest!“ Das fiel dem aber früh auf. Ich hatte schon den halben Teppich versaut. „Tut mir Leid.“ murmelte ich ungeschickt und drehte mich wieder zu ihm um, zwang mich in sein Gesicht zu sehen. „Ich mach das gleich weg.“ Er runzelte die Stirn, wirkte fast böse. „Also jetzt ist es aber gut!“ Er kam mit wenigen energischen Schritten auf mich zu, blieb nur wenige Zentimeter entfernt von mir stehen und begann mit wissenschaftlich anmutendem Gesicht an meiner Kopfwunde herum zu fühlen. Ich unterdrückte ein schmerzliches Seufzen. „Da muss was drauf.“ Man, der war ja heute ein richtiger Blitzmerker. Er drehte sich um, ich saß wie ein Trottel im Raum und sah ihm nach, wie er die Tür zum Bad öffnete und darin verschwand. Ich wusste nicht so recht wohin mit mir, also hiefte ich mich auf den Sessel neben dem Sofa und versuchte meinen Herzschlag zu beruhigen, der immer noch unregelmäßig ging. Man hörte Poltern, ein leises Fluchen in einer fremden Sprache, wieder Poltern. Ich brauchte ein Pflaster. Der musste nicht gleich das Abwasserrohr ausbauen. Ich wollte gerade aufstehen um nachzusehen was dieser Verrückte da tat, als er mit einem Verbandskasten in der Hand zurück kam. „So.“ Ich starrte ihn an wie einen Geisteskranken. „Was hast du vor?“ Er starrte verwirrt zurück und ich beschloss, vorerst einfach die Klappe zu halten. Ich hatte echt selten so sinnlosen Mist gelabert. „Halt jetzt mal still.“ murrte er, als er merkte das er keine Erklärung bekommen würde. Ich tat wie mir geheißen, als er aus dem Verbandskasten Desinfektionsmittel, eine Art Wattepad und einen Verband holte. Das Sprühmittel war unangenehm, aber ich hütete mich noch mehr Schwäche zu zeigen als vorher. Mein Gott, langsam musste mir vor dem Blonden echt nichts mehr peinlich sein. Der kannte mich jetzt in jeder Lebenslage. Wahrscheinlich würde er mich bald beim kacken beobachten oder sowas. „Ist der Verband zu fest?“ - „Nein.“ Einsilbige Sätze waren etwas wunderbares. Damit konnte man kaum was falsch machen. „Fertig.“ Ich nickte und befühlte sein Werk. Tat wirklich kaum noch weh. Angenehm. Er sah mich emotionslos an, dann schlich ein leichtes Lächeln über seine Züge und ich knurrte leise. „Hör auf dich über mich lustig zu machen. Ich hab die doofe Lampe nicht gesehen.“ Sanji nickte, das Lächeln wich aber nicht von seinen Zügen. „Weiß ich doch. Kannst du wenig für. Ich hätte dir gestern Abend vielleicht sagen sollen, das ich dich mit zu mir genommen habe.“ Ah! Das war das Rätsel, das ich noch lösen wollte. „Dürfte ich vielleicht erfahren wo auf einmal diese akute Güte deinerseits herkommt?“ Er legte den Kopf schief. Er sah aus wie ein sich wundernder Hund. „Hab ich gestern nicht gesagt, das ich immer nett bin und du es nicht bemerkst?“ Ich hätte ihn gern angeschnauzt, aber mir fehlte die Kraft. „Hast du, ja. Schade nur, das ich dir das nicht abkaufe.“ Kurz sah es so aus, als hätte ich ihn verletzt. Ganz ehrlich, ich war kurz davor mich zu erschrecken, als der verletzte Ausdruck in seinen Augen wieder der ewigen Emotionslosigkeit wich. „Weißt du Lorenor, wir sind eben von Grund auf verschieden. Ich ändere manchmal meine Meinung über andere Menschen. Du nicht.“ Ich hob die Augenbrauen. „Spinnst du? Klar änder ich meine Meinung.“ Scheiße, was führten wir hier mitten in der Nacht für ein Gespräch? Sanji schnaubte. „Ja klar. Das merk ich. Ich helf dir und du denkst sofort, ich will irgendwas.“ Er hatte Recht, deswegen schwieg ich. Sanji verschränkte die Arme vor der Brust. „Vielleicht kannst du es dir nicht vorstellen, aber du hast mir Leid getan. Ich wollte dir eben helfen. Entschuldige bitte, in Zukunft werde ich nie mehr nett zu dir sein. Gute Nacht.“ Er drehte sich auf dem Absatz um, machte ein paar ausladende Schritte und knallte die Schlafzimmertür hinter sich zu. Sofort war es wieder stockdunkel im Raum. Ich lehnte den Kopf gegen die Sessellehne und seufzte. Erst wenige Sekunden später fiel mir auf, das er mich nicht raus geschmissen hatte. Komisch. Kapitel 9: Baby, you can have whatever you like! ------------------------------------------------ ~ Reich & Schön! ~ N0. 10 – Baby, you can have whatever you like! Ich setzte mit zitternden Fingern das letzte Zahnrad der Spieluhr zusammen und lehnte mich seufzend zurück. Es war ein gutes Gefühl etwas geschafft zu haben, auch wenn ich dafür die ganze Nacht gebraucht hatte. Ich sah aus dem kleinen Fenster der Küche, in der ich mich befand, betrachtete die aufgehende Sonne am wolkenlosen Himmel und musste leicht lächeln. Klar war ich kaputt, aber es war eine angenehme Schlappheit. Eine Schlappheit, die mir sagte, das ich etwas gutes getan hatte. Und wirklich, die Spieluhr sah wie neu aus. Es war eine Dose, die wenn man sie aufklappte eine schöne Melodie spielte, die ich allerdings nicht kannte. Es hatte mehrere Stunden mit mattem Licht gedauert, bis ich endlich jedes Rädchen richtig angebracht und alles wieder zum laufen bekommen hatte. Ich befühlte meine schmerzenden Hände. Für Feinarbeit waren die eigentlich nicht gemacht. Die Pinzette hatte ich mir im Bad besorgt, den Kleber aus einer Schublade. Und nun lief sie wieder, spielte ihren Song wie am ersten Tag. Ich hoffte nur, das ich ihn damit begeistern konnte. Denn man konnte es nicht anders sagen – diese Spieluhr spielte wieder, weil es mir Leid tat. Sanji war so nett zu mir gewesen und ich hatte seine Motive in Frage gestellt. Das war nicht fair und ich wollte mich irgendwie für mein nächtliches Verhalten entschuldigen. Da ich aber nie ein Mensch großer Worte gewesen bin, wäre mir ziemlich sicher ein „Tut mir Leid, ich hab mich falsch verhalten“ kaum über die Lippen gekommen. Und die Spieluhr war sicher eine gute Möglichkeit, aus Worten Taten zu machen. Bis jetzt war der Blonde noch nicht aus den Federn gestiegen, ich hatte ein paar Mal an der Tür gelauscht, doch gehört hatte ich nichts, auch wenn ich mich wie ein Stalker gefühlt hatte. Der wollte sicher einfach nur seine Ruhe vor mir, schoss es mir durch den Kopf, als ich aus purer Laune das Küchenfenster öffnete und hinaus sah. Der war froh, wenn ich nachher verschwunden war. Ich wusste ja selbst nicht, wieso ich nicht schon längst gegangen war. Die Tür war schließlich nicht abgeschlossen oder unter Strom. Ich konnte die Klinke nach unten drücken und verschwinden. Aber ich tat es nicht, fühlte nicht die geringste Lust in mein eigenes Heim zurück zu kehren. Das Gefühl, hier in Gesellschaft zu sein, tat mir einfach zu gut. Es fühlte sich zu schön an, nicht allein zu sein, sondern bei jemandem, der sich wirklich sorgt. Auch wenn ich das niemals gesagt hätte. Ganz klar. Ich warf unschlüssig einen Blick in den Kühlschrank und beschloss, Frühstück zu machen. Es war alles da. Wurst, Käse, Aufstrich, Marmelade, ich fand sogar aufbackbare Brötchen. Alles verfrachtete ich auf die Arbeitsplatte, darauf bedacht, nicht allzu viel Dreck zu machen, auch wenn sich das bei den Brötchen kaum vermeiden ließ, als ich sie zurecht legte, auf ein Blech tat und in den Ofen schob. Das Besteck und Teller waren nicht so leicht zu finden, diese Küche sah nun mal aus wie aus einem Guss und irgendwann wusste ich nicht mehr, ob ich in allen Schränken nachgesehen hatte oder ob ich irgendwas einfach übersehen hatte. Schließlich tauchten sie in einer Schublade auf, ich schnappte sie mir und verteilte sie ordnungsgemäß auf dem Tisch. Da ich nicht genau wusste was Sanji mochte, landeten alle Beilagen ebenfalls darauf, dann lehnte ich mich gegen den Ofen und wartete leise pfeifend darauf, das die Brötchen fertig wurden. Es war ein komisches Gefühl, sich ein einer mir eigentlich fremden Wohnung wohl zu fühlen. Vor allem, weil Sanji und ich bisher nur wenige freundliche Worte gewechselt hatten. Eigentlich lag es in meiner Natur, zu verschwinden wenn es mir zu dumm wurde. Aber das Gefühl, hier genau richtig zu sein, konnte ich nicht leugnen und ich folgte ihm. Wieso sollte ich hier verschwinden? fragte ich mich lächelnd, während ich die Brötchen aus dem Ofen fischte und versuchte dabei möglichst schnell zu sein. Es war wunderbar hier. Eine Wohnung wie im Traum. Gemütliches Sofa, Essen ohne Ende. Ich stellte den Brötchenkorb der eigentlich keiner war gerade auf den Tisch, als ich die Tür hörte. Ich wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte, ich richtete mich zögernd auf und trat einen Schritt vom Tisch weg. Die Spieluhr hatte ich auf Sanjis Platz gelegt. Aufgeregt war ich, hibbelig, durch den Wind, ich wusste nicht wieso. Passierte halt einfach nicht jeden Tag, das ich mir für jemanden so viel Mühe gab. Und für einen Mann sowieso nicht. Ich wusste nicht mal mehr, wann ich das letzte Mal bei mir zu Hause am Tisch gegessen hatte. Ich nahm meine Speisen eigentlich immer zwischen Tür und Angel ein. Als er den Raum betrat, sah ich weg. Ich wollte seine Reaktion nicht sehen, ich wusste, wenn ich sie sah würde ich erröten und das war das letzte was ich wollte. Ich hörte seine Schritte auf dem Fliesenboden, als ich krampfhaft auf meine Schuhe starrte um ihn nicht ansehen zu müssen. Seine Stimme klang brüchig, alt, als sie ertönte und meine Ohren erfüllte wie Klaviermusik, melodisch und angenehm. „Was...?“ Klar war er überrascht, ich wäre es auch gewesen. Man wachte eben nicht jeden Morgen auf und fand in der Küche einen verlegenen Grünhaarigen und einen gedeckten Tisch vor. Die frischen Brötchen rochen verdammt lecker. „Hast du das gemacht?“ Fast, aber nur fast, hätte ich angefangen zu lachen. Die Antwort auf diese saudumme Frage schluckte ich eilig hinunter, sie wäre gemein ausgefallen und hätte die Stimmung schnell kitten können. Stattdessen nickte ich stumm. „Wieso?“ fragte er weiter. Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte Dreck an meinen Sohlen. So genau hatte ich nie darauf geachtet, jetzt sah ich es. „Ich hatte Hunger.“ sagte ich schließlich, als wir uns eine gute Minute an geschwiegen hatten. Wieder hörte ich seine Schuhe auf dem Boden, ich hörte den Stuhl, ein leises Plumpsen und dann Stille, die mich fast wahnsinnig machte. Schließlich, unter großen Anstrengungen, hob ich den Kopf und sah zum Tisch. Sanji hatte sich auf seinen Stuhl fallen gelassen und betrachtete die Spieluhr, die auf seinem Teller lag wie etwas essbares, mit einem Blick den ich zuvor nie an ihm gesehen hatte. Er bewegte sich irgendwo zwischen vollkommen fasziniert und todtraurig. Er bemerkte mich nicht, als ich langsam um den Tisch herum ging, um mich auf meinen Platz zu setzen, er bemerkte auch nicht das ich mir ein Brötchen nahm und unhöflicherweise begann zu essen. Er klappte die Spieluhr auf, ihr unvergleichlich angenehmer Klang ertönte und als ich das nächste mal von meiner Stulle, die ich mit Wurst belegt hatte, auf sah, sah ich die Tränen in seinen Augen. Mein Mund klappte ein Stück nach unten, ich fühlte mich nicht mehr fähig mich in irgendeiner Art und Weise zu bewegen. Gefühlsausbrüche von Sanjis Seite war ich in keinster Weise gewohnt, und jetzt saß der Blondschopf vor mir und weinte, er weinte tatsächlich, richtige Krokodilstränen waren das. Ich ließ das Messer sinken und beugte mich über den Tisch, klappte die Spieluhr zu, sie verstummte. Er sah auf und ich sank zurück, auch wenn ich das Bedürfnis verspürte ihn in meine Arme zu schließen um ihn zu trösten. Er sollte einfach nur aufhören zu weinen. „Wieso hast du das gemacht?“ fragte er mit erstickter Stimme, die gleich einen neuen Schwall Sorge und Mitleid in mir auslösten. „Du weinst.“ murmelte ich und sah wieder auf mein Brot, biss herzhaft hinein um weiteren Erklärungen aus dem Weg zu gehen. Sanji schniefte leise. „Ja, aber doch nicht weil... weil ich es so schlimm finde...“ flüsterte er und ich hatte Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. Ich nickte nur, wollte eigentlich auf dieses Thema nicht weiter eingehen, es war schrecklich unangenehm ihn so traurig zu sehen. Er sah wieder auf und ich betrachtete schnell die Wand neben mir. „Dankeschön.“ Ich erschauderte. Er hatte es tatsächlich gesagt, ich konnte es kaum glauben, auch als er anfing zu essen, glücklicherweise schweigend, saß ich noch wie vom Donner gerührt da und starrte die weiße Wand an. Ein Bild sollte hier aufgehängt werden. Ich überlegte, sowas wie bitte zu sagen, tat es aber nicht, da ich nicht sprechen wollte. Ich widmete mich still meinem Brötchen, das verdammt gut schmeckte. „Lorenor?“ Ich hasste meine Reaktionen, als er mich angesprochen hatte hatte ich den Kopf gehoben und nun sah ich direkt in sein Gesicht, vollkommen überwältigt von seiner Schönheit in diesem Moment. Memo an mich selbst – Sanji nie wieder ins Gesicht gucken. Das war wirklich gemeingefährlich. „Hm?“ grummelte ich schließlich, um irgendein Geräusch gemacht zu haben. Er lächelte und ich glaubte, dahin schmelzen zu müssen. „Ich bin froh, das du da bist.“ Und wieder so ein Satz, der mich vollkommen aus der Bahn brachte. Meine Güte, konnte der sowas nicht wohl proportioniert ablassen?! Gleich zwei mal an diesem Morgen in kurzem Abstand, da wurde man ja wahnsinnig. Ich verschluckte mich an meinem Brötchen und hustete, während ich ihn aus tränenden Augen musterte. Er schien diesen Satz wirklich ernst zu meinen und das ließ mir einen weiteren Schauer den Rücken hinunter zu laufen. Als ich wieder normal atmen konnte, betrachtete ich meinen Teller. Ich glaubte, ein Mann sein zu müssen, und Männer bleiben in so Situationen ganz cool. Gaaaanz cool. „Freut mich.“ Wow. WOW! Das war nicht cool gewesen, das war einfach nur geschmacklos gewesen, total geschmacklos und dumm. Hätte er doch die Klappe gehalten! Immer wenn er versuchte irgendwie die Situation in den Griff zu bekommen, lief sie noch mehr aus dem Ruder. Das hatte doch sicher was mit Schicksal zu tun. Dankenswerterweise schwiegen wir den Rest des Frühstücks. Ihm war es dann wohl doch noch peinlich geworden, er starrte ebenso auf seinen Teller wie ich. Vielleicht hätte ich diese Aktion lassen sollen überlegte ich, als ich wortlos begann den Tisch ab zu räumen. Wir hatten jetzt schon längere Zeit nicht mehr gesprochen. Als wir uns noch regelmäßig in den Haaren hatten, hatte man uns ja kaum stoppen können. Und jetzt schwiegen wir uns an. Super. Was jedoch einwandfrei klappte, war unsere Zusammenarbeit. Ich spülte, er trocknete ab, ohne das wir darüber reden mussten, es war einfach klar. Ich starrte in die dunkle Brühe und fühlte mich wie ein Idiot. Wie ein halber Mann. Oder eher wie eine Frau, das ich nicht den Mut besaß das zu sagen was ich fühlte. Aber war ich nicht schon immer so gewesen?! Ich hatte nie sagen können, was mich beschäftigt. Vielleicht war das der Grund, wieso ich mich so wenig mit meinen Freunden verbunden fühlte, die gar nicht meine Freunde waren, sondern nur flüchtige Bekannte von früher. Frankie. Das war ein Freund. Wollte ich den nicht noch anrufen oder so? Da war doch was gewesen... „Lorenor?“ Ich sah auf, ihm ins Gesicht, und hasste mich erneut für meine Reflexe. Aber was sollte es? Man konnte es nicht ändern, es war höflicher wenn man sich beim Reden ansah, und verdammt, der Kerl hatte ein echt hübsches Gesicht. „Ja?“, hörte ich mich sagen, ich fand das ich aus gehungert klang. „Willst du nach Hause?“ Der stellte so schlüpfrige Fragen, das gefiel mir nicht. Ich seufzte. „Willst du das ich gehe?“, stellte ich die Gegenfrage und kam mir verdammt klug vor. Sanji verdrehte die Augen. „Wenn ich das wollen würde, dann wärst du schon zu Hause, Dummkopf.“ Ich schloss die Augen, um diese Information in eine Ecke des Gehirns zu schieben, wo ich sie aufbewahren konnte, damit ich später darüber nachdachte. Denn momentan wäre das zu viel auf einmal gewesen. Ich war ja jetzt schon mit der Situation überfordert. Ich zuckte mit den Schultern. „Wer weiß.“ gab ich mit einem falschen Grinsen von mir. Sanji grinste ebenfalls, aber seins wirkte echt. „Weißt du, mir fällt gerade auf, ich war noch nie richtig in deiner Wohnung.“ teilte er mit, als ich ihm einen Teller reichte. Ich schmunzelte. „Du hast nichts verpasst.“ Sanji sah mich aus den Augenwinkeln an. „Wer weiß. Ich glaube manchmal, ich bin etwas... steril.“ Ich lachte, und diesmal ehrlich. „Steril? Das ist unter trieben.“ Der Blonde schob die Unterlippe vor. „Sei nicht so frech. Ich hab dich auf der Coutch pennen lassen.“ Bevor es zu einem erneuten dummen Streit kam, nickte ich. „Dann werd ich ab jetzt so zahm wie ein Lamm sein.“ Sanji nickte. „Das gefällt mir.“ Konnte ich mir vorstellen, das ihm das gefiel, auch wenn ich selbst nicht gerade von meiner Wortwahl begeistert war. Es fühlte sich komisch an, zu ihm nett zu sein. Ich sah auf die Küchenuhr. „Ich muss jetzt gleich los.“ log ich. „Ich muss noch zu Mr. Shanks. Frank Bloomberg meinte, das er mir einen Job geben würde, wenn er die Fotos sieht.“ Sanji nickte. „Die waren auch echt klasse.“ Der Stolz ließ sich nun kaum verbergen. Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Du fandest sie gut?“ stichelte ich. Sanji grummelte. „Ja, fand ich.“ - „Wie gut?“ Der Blondschopf sah mich leicht genervt an. „Man, hast du gestern nicht genug Lob bekommen?“ Ich verhielt mich idiotisch. „Doch.“ murmelte ich und ließ das Wasser aus der Spüle. „Also.“ stöhnte der Andere und stellte die Teller zurück in den Schrank. „Aber wenn dir meine Meinung so wichtig ist : Die Bilder waren erste Sahne. Das ist auch der Grund, wieso ich gestern eigentlich mit dir reden wollte.“ Ich hob die Augenbrauen und sah ich aufmerksam an. „Worum geht’s denn?“ Stimmt, er hatte mit mir reden wollen, das hatte ich ganz vergessen. Sanji lehnte sich an den Herd. „Ich mag die Art, wie du fotografierst. Ich komm gut damit klar, besser als mit den anderen Fotografen und ihren komischen Eigenarten. Ich wollte dich deshalb fragen, ob du vielleicht Lust hast, ein paar Fotos für meine Mappe zu machen.“ Ich gestand mir selbst ein, mit sowas absolut nicht gerechnet zu haben, und konnte erst mal wenige Minuten nur damit verbringen, sinnlos zu starren, bevor ich eine Antwort gab. „Ich.. ja, klar!“ Das Grinsen im Gesicht des Blonden wurde breiter. Das gefiel mir. Ich überlegte mir mehr Sätze, um ihn lachen sehen zu können, verwarf sie aber wieder als mir auffiel wie bescheuert das war. „Du würdest natürlich auch fürstlich entlohnt werden.“ teilte der Andere mit einer ausladenden Handbewegung mit. Das hörte sich verdammt gut an. Ich nickte. „Klar. Ich hab Zeit.“ Klang das jetzt so, als wäre ich arbeitslos? Denn das war ja jetzt bald hoffentlich nicht mehr der Fall. Man, fühlte sich das gut an. Wie ein King. Gekrönt und fähig, alles zu tun. „Gut!“ tönte es aus Sanjis Richtung und ich hob den Kopf wieder, der während meines Nachdenkens nach unten gesackt war. „Was hast du denn heute vor?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Ich muss halt gleich zu Mr. Shanks. Danach... eigentlich nichts, glaube ich. Wenn ich keinen Auftrag bekomme oder sowas. Ich kenne mich halt noch nicht so richtig aus.“ Sanji lächelte und ich schob die Hände in die Hosentaschen, während ich den Blick senkte. „Ist schon klar. Also wenn du heute Zeit hast, dann komm einfach vorbei, ich werde da sein, hab heute sonst nichts zu tun, und dann machen wir welche. Hast du eine gute Kamera?“ Und da scheiterte unser Vorhaben schon. Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“ Er grinste. „Kein Ding. Ich hab eine. Mein eigentlicher Fotograf lässt die immer hier.“ Ich zog die Stirn kraus. „Du... hast einen Fotografen? Ich will dem nicht den Job klauen.“ Sanjis Lachen erinnerte an einen rauschenden Bach im Hochsommer. „Der kann seinen Job eh nicht. Wenn mir die Bilder gefallen, bist du eingestellt.“ Kurz glaubte ich, in Ohnmacht fallen zu müssen. Bis vor kurzem hatte ich mich noch mit Gelegenheitsjobs rum geschlagen, und einmal knallte man mir die Arbeitsstellen nur so um die Ohren! Immer langsam mit den jungen Pferden. Ruhig bleiben, Zorro. „Wie gesagt, ich will niemandem den Job wegnehmen.“ murmelte ich, während ich ihm durch seine Wohnung folgte ohne zu wissen wo er hinging. Als er plötzlich stehen blieb, wäre ich fast in ihn hinein gerannt. Er drehte sich um und wir waren uns so nah, das sich unsere Nasen fast berührten. „Hab ich nicht gerade gesagt, das er seinen Job nicht beherrscht. Ich will dich und nicht ihn.“ Scheiße. Das klang so sexuell.Viel zu sexuell für mein notgeiles Hirn. Mein zweites Gehirn versteht sich. Ein paar Etagen tiefer. Gut, das ich mich so gut im Griff hatte, und eine Sekunde später tigerte Sanji schon weiter, in sein Arbeitszimmer, wo er sich an seinen Schreibtisch setzte. Ich blieb davor stehen. „Okay.“ murmelte ich schließlich. „Ich verschwinde jetzt. Wenn ich nachher Zeit hab, komm ich vorbei und wir machen das Shooting.“ Ich drückte mich schon richtig professionell aus. Wie ein Profi. Dafür sollte ich Extrapunkte bekommen. Sanji nickte. „Okay. Bis nachher, hoffe ich.“ Er lächelte und ich erwiderte es, ohne zu bedenken, das ich jetzt mit ziemlicher Sicherheit rot anlaufen würde. Bevor das geschah, verließ ich den Raum, schnappte mir im Wohnzimmer meine Jacke und den Brief den ich von Frank bekommen hatte rief noch ein letztes „Bye!“ in die Wohnung und bevor man mir antworten konnte, stand ich im Hausflur, wo ich mich erstmal an die Wand lehnte und tief durch atmete. Irgendwas stimmte hier nicht, irgendwas lief hier ganz gehörig schief. Aber ich wusste nicht, ob es mir missfiel. Eher im Gegenteil, dachte ich, während ich auf den Aufzug zuging, ihn betrat und den richtigen Knopf drückte um nach unten zu kommen. Mir gefiel die Art, wie wir jetzt mit einander umgingen. Mir gefiel sie sogar so sehr, das ich hoffte heute keine Aufträge zu bekommen, damit ich bei Sanji sein konnte. Ich war doch wirklich ein kranker, kranker Kerl. Kapitel 10: I feel pretty, oh so pretty! It's not normal how pretty i feel..! ----------------------------------------------------------------------------- N0. 11 – I feel pretty, oh so pretty! It's not normal how pretty I feel .. ! [ West Side Story. ] Ich trat aus dem großen Bürogebäude heraus, drehte mich noch einmal um und schloss die Augen mit einem glücklichen Lächeln. Das war ein Traum. Das musste ein Traum sein, anders konnte man sich das Geschehene nicht erklären. Seine Worte, die Worte von Mr. Shanks, hallten immer noch in meinen Ohren nach. 'Ich liebe deine Arbeit, Lorenor. Diese Fotos sind genial. Es wäre mir eine Freude, dich hier bei Beckster Shooting aufzunehmen'. Eine Ehre? Mir war es eine Ehre gewesen, mehr als das, meine Brust schwoll vor Stolz an wenn ich nur darüber nachdachte was das jetzt für mich bedeutete. War das ein dirftiger Grund, meine Eltern anzurufen? Wahrscheinlich. Die würden sich sicher riesig freuen. Endlich machte ihr Sohn mal was mit seinem Leben. Hatte ja lang genug gedauert. Obwohl – ich bezweifelte, das sie Fotograf als einen Beruf ansehen würden. Wahrscheinlich würden sie fragen, ob ich endlich ein schönes Hobby gefunden hätte. Pah, rief ich sie eben nicht an! Sollten die doch in ihrer spießigen 4-Zimmer-Wohnung verrotten. Ich würde was aus meinem Leben machen, Geld würde ich scheffeln, bis es aus den Fenstern auf die Straße viel, weil auf meinem Konto und in den Schubladen kein Platz mehr war. Die Vorstellung gefiel mir und während ich fröhlich summend in die City einbog und mich an einkaufenden Passanten und Bummlern vorbei kämpfte, musste ich sogar kurz darüber lachen. Man warf mich seltsame Blicke zu, doch es fühlte sich an als würden sie mich alle bewundern. Als wären sie neidisch auf mich. Ich hätte bis zu diesem Moment niemals gedacht, dass das so ein verdammt geiles Gefühl ist, wenn man vorher niemals beneidet wurde. Scheiße! Mit irgendwem musste ich reden, irgendwer der sich ehrlich mit mir freute, sonst würde ich einfach explodieren! Als mir das Apothekenschild entgegen leuchtete, schoss mir Frankie durch den Kopf und mir fiel ein, das ich ihn hatte anrufen wollen. Genau! Ich wollte wissen wie es ihm geht und seit wann er Angestellte hatte. Frankie war ein wahrer Freund, ein echter Kumpel. Der würde sicher nicht in Tränen ausbrechen. Obwohl man sich da beim Elvisverschnitt nie sicher sein konnte. Die Ladenklingel ertönte als ich die Tür öffnete, die warme Luft schlug mir entgegen ich kniff kurz die Augen zusammen, so unangenehm fühlte sich das an. War es schon immer so warm hier drin gewesen? Ich wusste es nicht, allerdings war das auch nicht so wichtig. Der Verkaufsraum war genau so leer wie die Theke dahinter. Ich runzelte die Stirn und versuchte in den hinteren Teil des Ladens zu blicken, konnte da aber auch niemanden erkennen. Okay, irgendwas stimmte hier nicht, und meine gute Laune war sofort wie weg geblasen. Aus irgendeinem Grund schellten bei mir alle Alarmglocken, und das war nie gut. Niemals. Was war hier passiert? „Frankie..?“ Keine Antwort. Ich schlängelte mich hinter die Theke, sah mich nach einer Waffe um. Nur provisorisch. Natürlich. Da ich aber nichts fand, vertraute ich auf meine Fäuste. Nur vorsichtshalber. „Frankie?!“ Ich wurde etwas lauter, als ich Poltern hörte. Oh Gott. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Das konnte doch nicht sein, was konnte man denn in einer Apotheke mitgehen lassen? Okay, dumme Frage. Jede Menge. Eigentlich alles was man schlucken konnte. Scheiße! Hoffentlich gings Frankie gut. Als ich dann die Stimmen hörte, spannte sich alles in mir an, ich war zu einem Schlag bereit... bis ich begriff was hier vor sich ging. Das waren keine Stimmen, die redeten, sondern Stimmen die stöhnten. Leise, laut, ich wusste es nicht genau, es war mir egal, denn jetzt wusste ich das da vor sich ging. Gott, konnte dieser Idiot nicht abschließen wenn er es mit irgendeiner Frau im Laden treiben musste? Ich blieb noch ein paar Sekunden wie vom Schlag getroffen stehen, dann musste ich grinsen. Man, und ich hatte mir schon die schlimmsten Sachen ausgemalt. Und jetzt belauschte ich meinen Kumpel beim Sex. „Oh Baby...“ Okay, das war der richtige Moment für mich, zu verschwinden. Ich schlich möglichst leise zurück zum Verkaufsraum, auch wenn ich glaubte dass das überflüssig war, schließlich hatten sie mich beim eintreten auch nicht gehört. Aber man sollte es ja nicht riskieren. Ich schlängelte sich durch die Tür, darauf bedacht, die Klingel nicht ertönen zu lassen. Als ich wieder draußen in der angenehmen Kälte stand, drehte ich mich noch mal um und grinste. Da stand doch tatsächlich auf dem Schild „Geschlossen“. Hatte ich doch glatt übersehen. Ich musste lachen, als ich mich abdrehte und wieder in Richtung Hochhaus ging. Na der hatte mir sicher was zu erzählen, wenn ich ihn heute Abend mal anrief. Krass, was alles so passierte... Das Hochhaus kam in Sicht und ich spürte dieses Kribbeln in meiner Magengegend, dieses unglaubliche Gefühl das mich ganz wahnsinnig machte. Und das alles war die Schuld dieses Blonden Models, das mir aus irgendeinem mir nicht bekannten Grund den Kopf um 180 Grad verdreht hatte. Und so langsam ließ es sich wirklich nicht mehr leugnen. Obwohl ich das immer wieder tat. Man konnte sich nett finden, ganz klar. Ich verwechselte da bestimmt was. Das war nur die Sympathie, die auf einmal zwischen uns herrschte, ich war das nicht gewohnt. Ich mochte eben selten irgendwelche Menschen. Und Männer ... da war das eh immer ein bisschen komisch. Ich schloss die Haustür auf, betrat den Flur und betrachtete eingehend die Stufen, bis ich mich wie immer dagegen entschied. Treppen waren einfach... na ja. Nicht mein Ding. Ich stieg in den Aufzug und drückte fast automatisch den Knopf, der mich in Sanjis Stockwerk brachte. Was sollte ich bei mir zu Hause? Bei Sanji hatte ich einen Job zu tun. Einen Job. Genau. Das klang total einfach. Job. Genau. Ding! Ich war da und doch konnte ich erst aus dem Aufzug steigen, als sich die Türen wieder schließen wollten, so seltsam fühlte ich mich. Ich sprang schnell aus dem kleinen Spalt hinaus, trat in den Flur und fummelte umständlich an meinen Klamotten rum, eigentlich nur um irgendwas zu tun, das mich ablenkte. Denn ich hörte seine Stimme schon auf dem Flur. Er lachte, redete mit irgendwem. Ziemlich laut, ich vermutete das er an der Tür stand, vielleicht war sie sogar offen. Ich wurde nervös, als ich eine zweite, eine Frauenstimme erkannte, die ebenfalls lachte. Dann. Ja, dann trat die wohl erotischste Frau dieses Planeten – zumindest geschätzt erotischste Frau – aus der Tür und ich wäre fast nach hinten gekippt, so vollkommen geschockt war ich. „Okay, wir sehen uns dann. War nett, dich mal wieder zu treffen.“, sagte sie zur Tür gewandt. Sie trug ein rotes, enges Kleid, nur für ihren Körper geschmiedet, so kam es mir zumindest vor. Mein Gott, das war krass, meine Augen klebten an ihr wie Kaugummi, ich versuchte weg zu sehen doch das ging nicht. Diese Frau war wie ein Autounfall. Man wollte wegsehen, man KONNTE aber nicht. „Hallo, Süßer.“ Ihre Stimme klang wie leckerer Bienenhonig, geschmeidig und fließend. Ich nickte ihr zu, nachdem sie diese Worte an mich gerichtet hatte. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, ich war einfach nur platt. Ich sah Sanjis Blondschopf aus der Tür ragen und endlich konnte ich meine Augen von ihrem Körper nehmen. Meine Fresse. „Hey!“ sagte er lächelnd und ich nickte ihm noch einmal ein wenig konfus zu, bevor er mir Platz machte und ich in seine Wohnung trat. „Mein Gott, wer war das denn eben?“ fragte ich, als Sanji an mir vorbei ging und zwei Weingläser in die Küche brachte. Ich folgte ihm. „Nadine.“, antwortete er. „Wieso?“ Ich keuchte auf. „Wieso?! Also wenn du nicht mit der schläfst, zweifle ich ernsthaft an deinem Verstand. Die ist mal... für sowas gibt es nicht mal Worte!“ Ich fuchtelte etwas übertrieben mit den Händen in der Luft herum und nachdem Sanji die Gläser weg gestellt hatte, drehte er sich zu mir um. Seine Augen waren so kalt und emotionslos wie am ersten Tag. Ich ließ überrascht die Arme sinken. „Nein, ich schlafe nicht mir ihr.“ sagte er tonlos. „Sie ist nur eine gute Freundin.“ Ich lachte auf; das konnte doch nur ein Scherz sein. Er, der sonst immer alles flach legte. Das konnte doch nicht sein. „Komm, verarsche mich nicht. Wieso war sie sonst hier?“ Als ich das verärgerte Glitzern in seinen Augen sah, wusste ich, das ich irgendwie das Falsche gesagt hatte. „Sie hat mich nur besucht, okay? Scheiße, du bist ja schwanzgesteuerter als ich!“ Er ging an mir vorbei, er sah so wütend aus und gleichzeitig so verletzt das ich echt nicht wusste, was ich jetzt wieder gemacht hatte. Ich meine, er hatte mit Nami geschlafen. Und jetzt beschwerte er sich weil ich ihm eine Affäre mit dieser Sexbombe andichtete? Verstehe einer die Models. Ich tigerte ihm mehr verwirrt als schuldbewusst hinterher. „He, tut mir Leid Sanji, ich...“ Moment. Wofür entschuldigte ich mich eigentlich? Dafür, das ich das offensichtliche angenommen hatte? Ich klappte meinen Mund zu und schwieg. „Ja, was ist mit dir?“, erklang seine genervte Stimme hinter dem Sofa, wo er wohl irgendwas aufwischte, jedenfalls konnte ich ihn nicht sehen. „Schon gut.“ murmelte ich und sah mich unschlüssig um. Mein Kopf fühlte sich leer an. Wieso war ich noch mal hier...? Dieselbe Frage schien sich Sanji auch zu stellen, denn sein Kopf tauchte hinter der Sofalehne auf und er musterte mich. „Kann ich denn sonst noch was für dich tun, oder möchtest du einfach nur weiter über mein Sexualverhalten nachdenken?“ Also so langsam wurde mir das zu blöd. Sowas konnte man auch in einem netteren Tonfall sagen. „Ich dachte, ich soll dich knipsen.“ gab ich ebenso pampig zurück. Sanji schnaubte und richtete sich wieder voll auf. Mir war vorher nie aufgefallen, das wir zwar fast gleichgroß waren, er aber trotzdem irgendwie viel... kleiner wirkte als ich. Musste wohl an seinem geringeren Körperumfang und seinem schmalen Gesicht liegen. „Du? Mich? Da musst du dich verhört haben. Ich hab schon einen Fotografen.“ Mein Mund klappte nach unten, als ich ihn mit einem Gefühl vollkommener Bestürzung anstarrte. Das konnte nicht sein Ernst sein. Nee, der verarscht mich, der meint das nicht ernst, unsinn! Provisorisch fing ich an zu lachen, aber als er nicht mit einstieg wusste ich, das dieser Satz kein Scherz gewesen war. Sanji meinte es ernst. Er meinte es wirklich vollkommen ernst. Das war doch... „Okay.“ Ich ließ beide Hände sinken, ich hatte keinen Ahnung wo ich sie hin tun sollte, ich war einfach nur vollkommen baff. „Das... ist jetzt aber nicht dein Ernst.“ Sanjis Augen verengten sich zu Schlitzen. „Alles was ich sage meine ich ernst.“ Das war doch nicht zu glauben! Was bildete der sich eigentlich ein?! „Sanji, ich habe keine Ahnung, was ich dir getan habe, aber das ist kein Grund wie eine Zicke auf mich los zu gehen und mir den Job zu verweigern! Wir können doch in Ruhe reden, ich meine...“ Okay, das dieser Satz aus meinem Mund kam war nicht sehr glaubwürdig, also unterbrach ich mich selbst und seufzte. „Komm, wir sind hier nicht im Kindergarten. Und auf Zickenkrieg hab ich keinen Bock.“ Wenn Blicke hätten töten können, wäre ich wohl bei dem den Sanji mir kurz darauf zuwarf ziemlich schmerzhaft gestorben. „Zicke, hm? Schon klar, jetzt bin ich wieder die Zicke, kein Ding.“ Ich runzelte die Stirn und blieb im Wohnzimmer stehen, während Sanji hektisch und mit rotem Kopf um mich herum werkelte. „Nee, ist klar. Du baust scheiße und ich bin die Zicke.“ Ich riss die Augen auf. „Bitte was? Was hab ich denn getan?“ Ich hatte ein ganz ungutes Gefühl in meinem Magen. Es fühlte sich an wie ein kleiner Tumor, schmerzte und pochte. Scheiße. „Ach Lorenor, vergiss es einfach, es ist egal. Verschwinde am Besten! Ich kann deine dreckige Visage eh nicht mehr sehen.“ Jetzt stand ich da, mitten in einer mir fremden Wohnung, sah diesem Kerl beim zugegeben etwas unbeholfen aussehenden putzen zu und fühlte mich so gedemütigt, so verletzt und ausgenutzt, das ich dringend ein Ventil brauchte. Und dieses Ventil fand ich in Form meiner durchaus zu Höchstleistungen fähigen Stimme. „Sag mal Sanji, tickst du noch ganz sauber? Bei dir sind auch einige Schrauben locker, kann das? Ich glaub ich steh im Wald! Da repariere ich dir deine behinderte Spieluhr, will mit dir das Shooting machen, sag extra für dich den Termin heute ab, komm hierher – und du motzt mich an, weil ich einen Scherz über eine Frau gemacht habe?“ Er war stehen geblieben, starrte die Wand an, während ich mit wütendem Blick und wild gestikulierend weiter sprach. „Ich kanns einfach nicht glauben! Wenn dir das Weib so sehr gefällt, dann heirate sie doch, mir scheiß egal, aber mach mich nicht dafür an weil ich gedacht hab du hast sie geknallt! Ich dachte, du bist der Rammler vom Dienst! Also zick nicht so rum und ...“ Seine Hand traf meine Wange mit einer Geschwindigkeit, die ich vielleicht einem fahrenden Auto zugetraut hätte, seinen Fingern aber sicher nicht. Mein Kopf flog zur Seite, ich spürte den Lufthauch den er erzeugte als er die Hand wieder zurück zog, ich spürte den Schmerz der sich meinen Hals hinab bahnte. Ich spürte meine Wange im Einklang mit meinem Herzen pochen, mein Magen setzte kurze Zeit später auch mit ein. Ein paar Sekunden bewegte ich mich nicht, weil ich so vollkommen erschrocken war, das ich es nicht konnte. Wären es andere Umstände, ein anderer Mensch gewesen der da vor mir geständen hätte, hätte ich ohne groß darüber nach zu denken zurück geschlagen. Aber ich tat es nicht, und das schon allein aus dem Grund, das ich ein unterdrücktes Schluchzen wahr nahm, das sich nachdem ich vollkommen überrumpelt aufgesehen hatte bestätigte. Sanji weinte. Oh Gott, bitte nicht, nicht weinen! Der wusste echt, welche Knöpfe er drücken musste. Er stand vor mir, die Hand die er für die Ohrfeige genutzt hatte an seinen Mund gelegt, die Augen fest zusammen gekniffen, seine ganze Körperhaltung strahlte Angst und Trauer aus. Ich hätte ihn gern in den Arm genommen um ihn zu trösten, aber ich hatte das Gefühl das ich nicht würdig war das zu tun. Nachdem ich ihm so fiel an den Kopf geworfen hatte. Ich stand ihm nur fassungslos gegenüber, wie er da in sich zusammen gesunken kauerte, nur noch ein Häufchen seines alten Selbstbewusstseins. Das hatte er sich wohl gerade aus dem Leib geschlagen. Ich schloss die Augen und atmete zwei mal tief durch, bevor ich wirklich in der Lage war zu sprechen. „Tut mir Leid.“ murmelte ich, nachdem ich den Kopf hatte sinken lassen, damit er die Röte nicht sehen konnte, die sich in mein Gesicht schlich. „Das war... nicht in Ordnung von mir. Ich hätte nicht so schlecht von ihr sprechen sollen.“ Er öffnete die Augen nicht und am liebsten hätte ich mit geweint. Aber ich war ein Mann, und Männer weinen nicht. Es ging eben nicht. Er sagte nichts, schniefte nur und weinte, ich war so hilflos und doch konnte ich nichts tun, ihn nicht in den Arm nehmen, das ging nicht, das konnte ich nicht machen. Er nahm die Hand vom Mund und ich sah das Lächeln, das sich dahinter abzeichnete. Ich ließ verwirrt die Arme sinken. „Du Idiot.“ flüsterte er, dann ließ auch er den Kopf sinken. Ich konnte es ihm nicht verübeln, ihm war das sicher auch ziemlich peinlich. Ich schnaufte. „Ich werde in Zukunft nie wieder ein Ort über sie verlieren, ja?“ Ich befühlte meinen Magen. Mir fiel auf, das dieses Tumorartige Ding schon da gewesen war, als ich ihre Stimme, die Stimme der Frau im roten Kleid gehört hatte. Ich kannte dieses Gefühl nicht, doch ich verschob den Gedanken darüber erst mal auf später. Sanji sah wieder auf. Er lächelte immer noch. „Du verstehst es echt nicht.“ murmelte er, dann hörte ich ein Lachen aus seiner Kehle kommen. „Ist schon okay. Ich verzeihe dir. Ist ja nichts passiert.“ Ich zuckte mit den Schultern und ließ den Kopf hängen. Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter und ein Schauer durchlief mich. „Magst du noch einen Kaffee oder sowas?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich glaube, ich gehe jetzt besser.“ Sein Gesicht bekam wieder diesen traurigen Ausdruck, doch es ging nicht anders, ich konnte nicht da bleiben, ich hatte einen dicken Kloß im Hals. „Okay...?“ sagte er leise, dann trat er einen Schritt zurück. „ich, ähm, ja. Wir sehen uns.“ Sanji nickte, er wirkte abwesend, als ich zurück zur Tür ging.„Lorenor!“ Ich drehte mich um. „Ja?“ fragte ich. Er sah so schrecklich traurig aus. Ich musste weg. „Ich... ich möchte, das du das Shooting machst, ja? Bitte. Komm nachher vorbei. Sowas lässt sich besser machen, wenn es dunkel ist. So gegen... 6?“ Seine Stimme war hoffnungsvoll und ein Kribbeln lief meinen Nacken hinunter. „Okay.“ sagte ich, ohne viel darüber nach zu denken, dann verließ ich die Wohnung und schloss die Tür hinter mir. Was war das denn jetzt bitte gewesen? Ich ließ mich an der Wand hinunter rutschen und atmete mehrmals tief ein uns aus. Das war doch total verrückt. Total! Ich musste mit jemandem reden. Dringend. Sonst würde ich keine Klarheit in mein Gefühlswirrwarr bekommen. Scheiße, echt. Mir fiel auf, das wenn Frankie dieses Weib nicht gevögelt hätte, der ganze Scheiß nie passiert wäre. Ich hasste ihn einige Sekunden dafür, bis mir auffiel das er echt nichts dafür konnte. Ich schnaubte. Aber irgendwer musste doch Schuld sein! Kapitel 11: Terrible times for my heart. ---------------------------------------- ~ Reich & Schön ! ~ N0. 12 – Terrible times for my heart. Die, my darling. Ich stand in meinem Wohnzimmer, in meiner Wohnung, doch es fühlte sich an als würden zwischen mir und Sanji Welten, sogar Galaxien liegen. Ich fühlte mich ganz furchtbar, schlapp und krank, müde und erschöpft, dumm und verwirrt. All diese Gefühle vermischten sich zu einer widerlichen, braunen Pampe. Ich wollte leben und gleichzeitig sterben, lachen und weinen, schreien und stumm sein auf ewig. Ich musste mit jemandem reden. So ging das nicht weiter. Ich wurde verrückt, wahnsinnig, vollkommen durchgeknallt. Aber er würde mir schon zuhören? Wer? Ich war nie für sie da gewesen wenn sie mich gebraucht hätten, ich hatte es nie für nötig gehalten mich um Menschen zu kümmern, die sich im Grunde einen Dreck um mich scheren. Jetzt wünschte ich mir einen von ihnen her. Sogar Nami wäre momentan eine angenehme Gesellschaft, hauptsache ich war nicht allein. Aber das ließ sich wohl eher nicht einrichten. Die waren alle mit ihren eigenen Dingen beschäftigt, machten Sachen für die ich mich nicht interessierte oder interessieren durfte, weil ich einen Ruf zu verlieren hatte. Oh Gott, heilige Scheiße, mein Ruf! Den konnte ich jetzt wohl endgültig an den Nagel hängen. Zorro, der unnahbare, kalte, rational denkende Kerl mit der unmenschlichen Körperkraft und der Fantasie eines Stücks Holz. Alles in sich zusammen gefallen. Lorenor Zorro, die Schwuchtel vorm Herrn. Mist. Mist mist mist! Ich bemerkte, das ich nervös auf und ab ging, immer wieder an meiner Kommode vorbei, zu meinem Sofa, zurück zur Wand, wieder an der Kommode vorbei, zurück zum Sofa und immer so weiter. Ich musste mit jemandem sprechen! Vielleicht sollte ich einen Arzt konsultieren. Herr Doktor, ich hab mich mit meinem Nachbar gestritten und fühle mich auf seltsame Weise von ihm angezogen. Tun sie was dagegen. Ne super Idee. Da konnte ich mich gleich von der nächsten Brücke werfen, da ersparte ich mir das Gelächter. Ich blieb stehen und betrachtete mein Telefon. Nicht immer nur denken und schwitzen, auch mal handeln. Man, sonst war ich doch auch nicht so lahm! Ich schnappte mir das Elektrogerät, drückte ein paar Knöpfe und hielt mich den Lautsprecher ans Ohr. Nicht, das ich wirklich erwartete, das Frankie gerade Zeit für mich hatte. Ich konnte mir vorstellen wie beschäftigt der war, auch wenn ich es mir nicht vorstellen wollte. Ich grinste als das erste Tuten erklang und ich an die Apotheke und seine kleine Nummer zwischendurch denken musste. Schon komisch. Frankie, Elvisverschnitt und Heulsuse, hatte eindeutig Pech im Spiel – dafür aber jede Menge Glück in der Liebe. Bei mir war es genau anders herum und ich wusste nicht, ob mir das passte. Das zweite Tuten. Vielleicht hatte er den Laden auch wieder geöffnet und musste arbeiten? Da konnte ich ihn ja auch nicht bei stören. Das dritte Tuten, ich überlegte ob ich auflegen sollte, da hörte ich das befreiende Klicken. „Hey!“ schallte es mir entgegen und ich bekam augenblicklich von so viel guter Laune Kopfschmerzen. „Hey Frankie.“ antwortete ich, ging mit dem Telefon am Ohr zu meinem Sofa und ließ mich darauf sinken. Ich hörte seine Schritte, Stimmen im Hintergrund, er schien zu arbeiten. „Stör ich?“ fragte ich schließlich leicht genervt, als Frankie keinen Mucks mehr von sich gab. Telefonieren musste gelernt sein. „Nee, ich arbeite grad hinten, Dan steht an der Kasse. Von dem hab ich dir noch gar nicht erzählt! Mein neuer Angestellter ist das. Ich dachte, man könnte mir mal ein bisschen Stress annehmen.“ Ich starrte auf die schwarze Mattscheibe des ausgeschalteten Fernsehers und seufzte. „Ist doch gut.“ murmelte ich. „He Zorro, stimmt was nicht? Ich hab das Gefühl, du hast nicht angerufen um zu hören wie es mir geht.“ Heute waren irgendwie alle Menschen um mich herum richtige Blitzmerker. Ich stöhnte und rieb mir den schmerzenden Schädel. „Ja, richtig, gut erkannt. Ich brauch jemanden zum reden.“ Das gute an Männerfreundschaften: Man kommt schnell zum Punkt. „Schieß los.“, antwortete mein Gesprächspartner knapp und ich konnte davon ausgehen, das ich seine volle Aufmerksamkeit hatte. Probleme anderer Menschen waren Frankies Fachgebiet. „Ich hab dir doch von dem Nachbarn erzählt, mit dem ich in letzter Zeit so einen Stress hatte.“, begann ich. „Das ganze mit diesem Kerl läuft... langsam aber sicher aus dem Ruder.“ Ich hörte etwas rascheln. „Okay? Wie meinst du das?“ fragte er schließlich. Ich fummelte nervös an meiner Hose herum. „Na das...“ Wie sollte ich das jetzt bitte sagen, ohne wie eine Schwuchtel zu klingen? „Es ist irgendwie komisch, mit ihm zusammen zu sein.“ Das klang sogar noch tuckiger als der Satz, den ich mir vorher zurecht gelegt hatte. Bitte, irgendwer sollte vorbei kommen und mir den Gnadenschuss geben. Das war ja nicht mehr auszuhalten. „Komisch?“ fragte Frankie allerdings nur ohne Scheu zurück. Ich nickte, dann öffnete ich den Mund. „Ja, komisch eben. Wir verstehen uns überhaupt nicht.“ Sein Lachen war irgendwie demütigend. „Und das stört dich, Zorro? Es gibt nur wenige Männer, mit denen du klar kommst.“ Da gab ich ihm im Stillen recht. Die meisten Kerle hatten ein Problem mit meinem Ego oder mit meiner meistens eher aufbrausenden Art. „Nein Frankie, du verstehst nicht, was ich meine. Wir... wir streiten uns ständig, andauernd haben wir uns in den Haaren, aber...“ „Aber?“ Der Apothekenbesitzer schien den Braten gerochen zu haben und jetzt brachte vertuschen eh nichts mehr. Vollkommen entnervt und gedemütigt rutschte ich auf dem Sofa ein Stück tiefer. „Es ist eben komisch.“, knurrte ich. Eigentlich hatte ich schon gar keine Lust mehr zu sprechen, aber Frankie ließ nicht locker. „Komisch also. In der Art komisch, das es dir Leid tut, jedes Mal wenn du ihn angebrüllt hast, das du dich am liebsten bei ihm entschuldigen würdest, nachdem ihr euch gestritten habt?“ Ich wusste, wieso ich ihn angerufen hatte. „Genau.“ bestätigte ich und hoffte jetzt auf den ultimativen Frankie-Tipp, der alles wieder richten würde. „Da frage ich mich doch – wenn ihr nicht mit einander könnt, wieso geht ihr euch nicht aus dem Weg?“ Das war eine verdammt gute Frage und ich starrte erst einige Sekunden nachdenklich auf meine Schuhspitzen, bevor ich antwortete. „Weil wir irgendwie... auch nicht ohne einander können. Da gab es eben so ein paar unglückliche... Umstände... die dazu geführt haben das wir was mit einander zu tun haben.“ Wieder eine Pause, weil Frankie mit seinem Angestellten sprach. „Du hast ein Problem, man.“, gab er schließlich von sich und ich wäre ihm am liebsten mit Anlauf ins Gesicht gesprungen. „Danke Frankie, da wäre ich jetzt nie drauf gekommen!“, polterte ich los, doch der Andere lachte nur. „Beruhig dich. Ich kann mir schon ganz gut vorstellen, was bei euch abgeht. So Streits sind ganz normal, ihr seid sicher zwei Sturköpfe – du bist einer, das weiß ich, versuch nicht zu leugnen – die einfach auf einander treffen. Ihr mögt euch, aber ihr wisst wahrscheinlich beide nicht so richtig wie ihr es dem anderen zeigen könnt...“ „... ohne wie eine Schwuchtel rüber zu kommen.“ Ich liebte Frankie manchmal wie einen Bruder. Der Mann war ein Genie. Beziehungsstrukturen sein Lieblingsthema. „Genau.“ bestätigte er, während ich aufstand und in die Küche tigerte. „Aber weißt du, Freunde sein ist eigentlich gar nicht so schwer. Wir zwei schaffen das doch auch – wieso also ihr nicht?“ Ich blieb stehen. Wir waren keine Freunde – aber ich wusste, wenn wir uns näher kennen lernen würden, würde daraus etwas größeres entstehen als eine Freundschaft. Zumindest von meiner Seite. Und das machte mir Herrgott nochmal Angst. Ich war nicht schwul! Frankie schien meine Gedanken durchs Telefon gelesen zu haben. „Was ist so schlimm daran, schwul zu sein?“ fragte er frech und ich hielt das Telefon erst kurz von mir, um es hasserfüllt anzustarren, dann legte ich los. „Was daran schlimm ist?! Das kann ich dir sagen. Zu allererst ist es gesellschaftlich noch kein bisschen anerkannt, auch wenn alle sowas sagen. Schwule werden auf einer bestimmten Ebene immer noch verachtet. Des weiteren... man Frankie, zwei Männer tun es mit einander! Das IST schlimm!“ „Wieso?“ Konnte der sich seine blöden Fragen nicht sonst wo hin schieben? „Idiot! Weil es zwei Menschen vom selben Geschlecht sind! Das... das geht nicht! Ein Mann ist für eine Frau geschaffen, das ist normal und natürlich. Zwei Männer ... das ist total unnatürlich!“ Frankie lachte. „Das ist doch Quatsch, Zorro. Die Liebe ist ein Gefühl, ein Zustand, und die Liebe kümmert sich eben selten darum ob der Partner ein Mann oder eine Frau ist. Wichtig ist doch nur, das es sich gut anfühlt, das es sich richtig anfühlt. Und das es dir gut geht wenn du in seiner Nähe bist.“ „Frankie, ICH BIN NICHT SCHWUL!“ Doch da schien er einer ganz anderen Meinung zu sein als ich. „Wie fühlst du dich denn, wenn du bei ihm bist?“ Ich wollte auflegen. „Weiß nicht.“ knurrte ich, während ich meinen Weg in die Küche fortsetzte und dort anfing, mir einen Tee zu kochen. Einen Nerventee mit viel Zucker. „Komm schon, gib dir Mühe. Wenn er bei dir ist, wie ist das? Stell dir vor, er steht jetzt neben dir. Einfach nur neben dir. Wie fühlst du dich dabei?“ Nein, das würde ich ihm ganz sicher nicht sagen. Als ob ich meinem Kumpel erzählen würde, das mir allein die Vorstellung einen Schauer über den Rücken jagen ließ, ein Gefühl des Glücks das ich bis vor wenigen Tagen kaum gekannt hatte. „Ich fühle nichts, okay?“, maulte ich, doch meine kratzbürstige Art verriet mich wohl. „Also doch.“ Ich starrte hohl in meine Teetasse. „Ich bin nicht schwul.“ wiederholte ich gebetsartig, doch Frankie kannte mich. „Hier sagt keiner, das du schwul bist, Zorro. Ich sage nur, das es möglich sein könnte, das du dich in deinen Nachbarn verguckt hast. Damit bist du nicht direkt schwul.“ „Und was dann?“ jaulte ich fast entsetzt ins Telefon. „Zorro! Reg dich ab! Es gibt viele Menschen die Bisexuell sind.“ Jetzt war ich auf einmal bisexuell. In meinem Kopf summte und brummte es wie in einem Bienenstock. Das Wort kreiste um mich herum. BISEXUELL. Ich sollte es mir auf die Stirn tätowieren lassen. Dann wusste es wenigstens direkt jeder. Scheiße. Hoffentlich wurde die Leitung nicht abgehört. Die bei der Regierung würden sie sich totlachen. „Ich...“ Mir fiel nichts ein, was ich darauf sagen konnte, also schloss ich meinen Mund wieder und kippte das heiße Wasser auf den Teebeutel. Wieder hörte ich seine Schritte. „Willst du auflegen?“ Ich nickte schwach. „Ja. Tut mir Leid.“ Ich hörte ihn leise lachen. „Versteh ich. Musst dich nicht entschuldigen. Tust du doch auch sonst nie. Ich leg jetzt auf, ruf einfach später noch mal an wenn du reden willst.“ Ein Klicken, dann das Besetzt-Zeichen. Ich sah aus dem Fenster, hinaus in den wolkenlosen Himmel, hinaus in den kalten Herbsttag, und fühlte mich meiner Existenz beraubt. Als hätte ich mir all die Jahre etwas aufgebaut, ein Haus um mich herum, das jetzt einfach vom zu starken Wind umgepustet wurde. Und ich stand vollkommen schutzlos mitten in der Welt. Ich zog den Teebeutel aus meiner Tasse, nahm sie mit ins Wohnzimmer, steckte das Telefon wieder auf die Ladestation und sah mich nachdenklich um. Musik. Vielleicht würde die helfen. Ich stellte den Tee ab, kniete mich vor meine Musikanlage und schaltete sie ein; ich wusste, was im Spieler war. Yann Tiersen, seine wunderbaren Klavierstücke. Die brauchte ich jetzt. Wenn schon Tucke, dann richtig. Ha. Bei den ersten Klängen erhob ich mich wieder, setzte mich auf mein Sofa, lehnte mich entspannt zurück und begann zu trinken. 'Was ist so schlimm daran, schwul zu sein?' Frankie konnte das nicht verstehen, der hatte sein ganzes Leben damit verbracht verrückt zu sein und sich in den verschiedensten Sachen zu outen. Mich würde es nicht wundern, wenn der nicht auch nen Hang zu Männern hatte. Moment! Hatte ich das Wort 'auch' benutzt? Ich kniff die Augen zusammen und verfluchte mich selbst, bevor ich einen weiteren großen Schluck nahm. Vielleicht war es ja genau das Falsche, so viel über dieses Thema nach zu denken. Was passierte, das passierte eben, da konnte ich dann auch nicht mehr viel dran ändern. Konnte ja sein, das diese Art die Sache anzugehen die Richtige war. Aber irgendwie konnte ich diesen erschreckenden Gedanken, schwul zu sein, nicht aus meinem Kopf verdrängen. Ich hatte mich früher selbst über Schwule lustig gemacht. Hatte sie verspottet. Und jetzt? Gott. Ich sah noch mal zum Telefon, schüttelte allerdings nachdenklich den Kopf und sah wieder weg. Nein, ich konnte jetzt nicht irgend wen anrufen und mich verabreden. Klar verspürte ich gerade das Verlangen nach Alkohol und sinnlosem Spaß, aber ich konnte mir schon vorstellen wie das ablaufen würde. Nach einer knappen Stunde hätte ich keine Lust mehr, weil mein Kopf voller beängstigender Gedanken sein würde. Darauf konnte ich verzichten. Ich erhob mich erneut, sah zu meiner Musikanlage und schloss die Augen, um die sanften Klavierklänge besser in mich aufnehmen zu können. Wie konnte mich ein einziges Gefühl so vollkommen wahnsinnig machen? Ich wurde nach wahnsinnig hier. Dieses Leben machte mich bekloppt. Bald konnten mich meine Eltern in der Geschlossenen besuchen. Ich warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Die machte auch keine Pause. Kurz vor 6 war es schon – unglaublich, wie schnell die Zeit vergehen konnte, wenn man einfach nur dachte und dachte und dachte. Ich sah in den kleinen Flur, der zur Küche führte und überlegte, was ich tun sollte. '... so um 6?' Seine Stimme hallte in meinem Kopf nach und machte mich nervös. Ich wusste nicht, ob ich hingehen sollte, jetzt, nach all dem was passiert war. Nicht zwischen uns, viel mehr in mir. Ich fühlte mich schwach, sehr schwach. Ich Gefühl, das ich so ungefiltert selten empfand, ein Gefühl das mir Angst machte. Was würde passieren wenn ich nun zu ihm ginge? Das war meine Feuerprobe, die Probe aufs Exempel. Es würde sich zeigen was da wirklich zwischen uns war. Und ich wusste nicht ob ich das wirklich sehen wollte. Ob mich die Wahrheit nicht verrückt werden ließ. Aber was brachte es darüber nachzudenken und es nie zu erfahren? Sei ein Mann, Lorenor Zorro, du warst es 24 Jahre deines Lebens, jetzt sei es auch, mein Gott, so ein paar lausige Gefühle werfen dich doch wohl nicht aus der Bahn! Andere Männer haben das auch und kommen prima damit klar. Der Gedanke, das andere vielleicht auf irgendeine Art stärker waren als ich, beflügelte mich, denn ich mochte es nicht in irgendeiner Kategorie übertroffen zu werden. Ich war verdammt noch mal gern der Beste, und zwar in jeder Lebenslage. Ich schnappte mir mit grimmigen Gesicht meine Tasse, trabte in die Küche und spülte sie aus. Mein Gott, ich benahm mich wie eine Frau. Nervös, hibbelig, nur irgendwie auf einem... na ja, auf meinem Level eben. Wie ein Lorenor Zorro halt nervös und hibbelig sein konnte. Das musste aufhören. Gefühle hin oder her, ich würde keine Schwuchtel werden. Niemals! Ich trat in den Flur zurück, betrachtete mich im Spiegel. Ich grinste. Ich sah aus wie ein richtiger Fotograf. Hemd, Jeans, leichter Bartwuchs. Moment! Ich trat zweifelnd näher an den Spiegel heran, dann strich ich über mein Kinn. Ich verzog das Gesicht. Na toll, zum rasieren würde ich jetzt nicht mehr kommen. Obwohl das nicht so schlimm war. Ich sah... männlich aus. Verwegen. Ich grinste mir fuchsig zu, machte ein paar Bodybuilderübungen. Ich sollte mich für den nächsten James Bond bewerben. Dann würden mich die Frauen anbeten, wenn ich mit nacktem Oberkörper tropfend aus dem Wasser stieg. Super. Ich drehte mich ab, schon mit deutlich besserer Laune, und schlüpfte in Schuhe und Jacke. Frankie hatte Recht. Man sollte im Moment leben, und so wie es eben kam, so kam es eben. Ich würde mir jetzt keine weiteren Gedanken darum machen, zu ihm hoch gehen... und dann würde sich das alles schon regeln. Ich bildete mir da wohl eh nur was ein. Freunde! Wir waren Freunde, nichts weiter, einfach ganz besondere Freunde. Ziemlich besonders. Dabei beließ ich es, zerrte mir die Jacke über, obwohl ich nicht wusste wofür, ich ging ja nicht raus, ich ging nur zu Sanji. Aber mit Jacke fühlte ich mich wohler. Ich sah nochmal nach hinten, in mein Wohnzimmer, das so gar nicht Sanjis Raum ähneln wollte. Ich lächelte. Das fühlte sich richtig an. Also los. Ich verließ meine Wohnung mit einem Gefühl, das ich nicht beschreiben konnte. Kapitel 12: Du wirst es tun; ob du willst oder nicht. ----------------------------------------------------- ~ Reich & Schön! ~ N0. 13 – Du wirst es tun; ob du willst oder nicht. Ich dachte darüber nach, ob Blumen vielleicht angebracht gewesen wären, während ich wie ein Baum fest gewachsen von seiner Tür stand. In meinem Kopf hatten sich im Aufzug schon die wildesten Storys abgespielt. Das er es gerade mit einer Frau – oder einem Mann! - tat, während ich auf dem Weg zu ihm war, das er gar nicht zu Hause war, das er keine Lust auf mich hatte und mir die Tür vor der Nase zuschlug. Ich sah auf meine Armbanduhr. Knappe 5 Minuten zu spät. Stand ich wirklich schon so lange hier? Mein Kopf hob sich wieder, ich starrte auf die weiße Wohnungstür, versuchte sie mit meinen Blicken zu durchbohren. Was er wohl gerade machte? Ob er auf mich wartete? Mir ging mein eigenes Verhalten auf die nerven. Hatte ich mir nicht vorgenommen ein Mann zu sein? Na, ganz offensichtlich klappte das nicht so ganz wie ich mir das erhofft hatte. Okay, ganz ruhig jetzt. Alles wird gut, sei normal, sei nett, sei offen. Das war kein Date! Ich drückte die Klingel. Sie klang so laut in meinen Ohren, ich kniff die Augen zusammen und betete, das er nicht da ist, das er irgendwo war aber nicht hier, bitte Herr, hilf mir. Natürlich war er da. Wir waren ja auch irgendwie verabredet gewesen. Irgendwie, auf eine ganz seltsame Art und Weise. '... so um 6?' Es war 'so um 6'. Ich hörte seine Schritte auf dem Boden hinter der Tür, mein Herz raste, hämmerte gegen meine Brust, ich verfluchte mich dafür das ich keine Blumen hatte die ich vor mein rotes Gesicht halten konnte. Ich sah weg, als er die Tür öffnete, sah erst rechts den Gang hinunter, dann auf meine Füße. In seiner Stimme lag Erleichterung. „Hey, Lorenor.“ Ich nickte, traute mich nicht auf zusehen, ich fühlte mich erbärmlich. Wie ein halber Mann, wie ein ängstlicher kleiner Junge. „Willst du nicht reinkommen?“ Wieder nickte ich, er machte mir Platz, das konnte ich aus den Augenwinkeln sehen, und ich trat ein. Es fühlte sich seltsam an, wieder hier zu stehen, obwohl das letzte Mal noch gar nicht so lange her war. Ich hob den Kopf und sah mich um, auch wenn es überflüssig erschien, es hatte sich schließlich nichts verändert. Abgesehen vom Geruch, der in der Luft hing. Ich schnupperte, war sofort gefangen, es roch lieblich und kräftig und köstlich. Ich war so sehr beschäftigt mit meiner Nase, das ich nicht bemerkte wie Sanji neben mich trat und mich aus den Augenwinkeln ansah. Als ich ein wenig überrascht den Blick erwiderte, lächelte er. Er war ein klein wenig rot, nur an den Ohren. Ich verkniff mir ein Grinsen. „Wonach riecht es hier?“ begann ich, um ein Gespräch ins Laufen zu bekommen. „Kaffee.“, erwiderte er und ich hob die Augenbrauen. „Also mein Kaffee riecht anders.“ gab ich trocken von mir und Sanji lachte. Ein warmer Schauer lief meinen Nacken hinab. Wie Engelsglocken klang sein Lachen, wie feiner Engelsgesang. „Das ist auch besonderer Kaffee aus Rio. Ich hab mal ein paar Gramm davon geschenkt bekommen... und ich dachte, wir trinken jetzt mal einen davon.“ „Wie schmeckt er denn?“ fragte ich, als ich ihm in die Küche folgte. „Weiß ich nicht.“ antwortete er als wäre es das normalste von der Welt, nicht zu wissen wie der eigene Kaffee schmeckt. „Wie, du weißt es nicht?“, murmelte ich verwirrt und wieder lachte er, was mir ein leichtes Lächeln entlockte. „Na ich hab noch nie eine Tasse davon getrunken. Ich hab ja nur so wenig.“ Jetzt verstand ich. „Und wieso... machst du ihn jetzt?“ Sanji drehte sich, in der Küche angekommen, zu mir um. Die Nähe brachte mich fast um den Verstand. „Weil ich ihn nicht allein trinken wollte.“ sagte er mit einem Lächeln und ich spürte ein Kribbeln im hinteren Ende meines Kopfes, ein nervöses Kribbeln. Das bedeutete nichts gutes. Das da hinten war mein Lustzentrum, das gerade aktiviert worden war. Musste der Kerl auch so verdammt nah bei mir stehen? „Ach so.“ sagte ich schließlich ein bisschen prüde und Sanji drehte sich wieder um, um den Kaffee einzuschenken. „Setz dich doch.“ sagte er ohne mich anzusehen und ich folgte diesem Satz wie einem Befehl. Das würde meinen Gummibeinen sicher gut tun. Er stellte die Tasse vor mir ab und setzte sich auf den mir gegenüber stehenden Stuhl. Ich sah in sein Gesicht und wandte den Blick schnell wieder meinem Kaffee zu. „Ich wollte mich bei dir bedanken.“ hörte ich ihn sagen. Ich hob den Kopf wieder und beobachtete, wie er einen großen Schluck Kaffee nahm. Er schien zu schmecken, er sah zufrieden aus. Als er nichts weiter sagte, seufzte ich. „Wofür bedanken?“ fragte ich. „Na das du gekommen bist. Denn... die Sache von eben tut mir wirklich Leid.“ Ich nickte und sah wieder weg. „Ja.“ murmelte ich. „Mir auch.“ Wir schwiegen eine Minute, in dem ich in meinem Kaffee herum rührte, einen Schluck nahm und feststellte das ich so etwas leckeres noch nie getrunken hatte. „Also machen wir das Shooting?“, platzte es schließlich aus mir heraus. Sanji lachte wieder. Ich beobachtete seine Lippen, wie sie sich öffneten um das Geräusch heraus zu lassen, und wie sie sich dann wieder auf einander legten. Es kribbelte in der Gegend meines Enddarms. „Klar machen wir das.“ sagte er schließlich und ich nickte zufrieden. „Gut.“ Es schien ihn auch zu freuen, denn er lächelte und trank weiter seinen Kaffee. Ich überlegte und kam zum Schluss, das wir zum Geschäftlichen kommen sollten. „Wie hast du dir das denn vorgestellt? Also wenn es für deine Mappe ist, sollte es ja möglichst fassettenreich sein.“, gab ich von mir und Sanji nickte. Von einer Sekunde auf die Andere sah er aus wie ein Profi. „Ja, richtig. Ich würde gerne ein paar in der Wohnung machen, auf dem Sofa vielleicht, vielleicht auch auf dem Bett oder in der Küche, das ist dir überlassen, aber ich find die Bude gut für sowas.“ Ich gab ihm mit einem Nicken recht. Er fuhr fort. „Die Klamotten für mich kannst du raus suchen, du bist hier der Profi.“ Der Satz schmeichelte mir und ich sah mit einem Lächeln auf den Tisch. „Die Posen und die Orte kannst du auch angeben. Ich vertraue dir.“ Ich vertraue dir. Der Satz schoss durch mein Hirn wie eine Expressbotschaft und ließ tausende von Hormonen frei in meinem Körper herum tanzen. Er vertraute mir. Er vertraute mir, ließ sich auf mich ein. Ich durfte machen was ich wollte... HALT! Stopp, alles zurück! Meine Gedanken durften nicht in diese Richtung abweichen. Grausam war das. „Okay.“ murmelte ich und starrte in den Kaffee. „Geht es dir nicht gut?“ Seine Stimme klang besorgt und ich musste lächeln. „Nein, alles in Ordnung, mir geht’s gut.“ Ich sah auf, direkt in seine Augen, und fiel in diese schwarzen Steine hinein wie in ein Meer. Er lächelte, ich sah es ohne ihm auf den Mund zu gucken, er lächelte mich an und ich geriet in Versuchung, mich über den Tisch zu beugen und ihn einfach zu küssen, so wie ich schon viele Frauen in meinem Leben geküsst hatte, nur... ehrlicher. Wahrer. Gefühlvoller. „Da bin ich ja froh.“ Der Rotschimmer um seine Nase ließ ihn jung aussehen, wie ein Schuljunge. Ich sah wieder weg. „Sollen wir dann... mal loslegen?“ Klang wie eine Aufforderung zu etwas ganz anderem, aber Sanji nickte. „Ja, okay. Geh einfach in mein Schlafzimmer und guck im Kleiderschrank nach, was dir gefällt.“ Ich nickte, stand auf, stellte die Tasse auf die Spüle und überließ sie Sanjis putzwütigen Händen. Sein Schlafzimmer war schön, ich kannte es ja schon, wunderschön, doch ich hatte mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Ich öffnete seinen Kleiderschrank und spähte vorsichtig hinein. Okay, hier hatte ich alles, komplett alles. Ich konnte mich zwischen schick, extravagant, lässig oder cool entscheiden. Sanji konnte einen Sack tragen, und doch sah es an ihm aus wie eine schicke Weste von Lagerfeld. Nachdenklich schob ich ein paar Teile hin und her. Ich wollte ein paar Schicke Sachen machen, aber auch etwas lässigeres, etwas natürliches. Ich zog schließlich einen Anzug heraus, den ich mir über den Arm warf und einen schicken Pullover gepaart mit einer Jeans. Das musste passen. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und fuhr zusammen. „Ruhig! Ich wollte nur gucken wie weit du bist.“ hörte ich seine Stimme hinter mir und ich glaubte seinen Atem auf meinem Nacken spüren zu können. Ich trat eilig einen Schritt bei Seite und reichte Sanji die Klamotte. „Ja, bin fertig. Zieh das einfach an, okay? Wir... machen erstmal welche auf dem Sofa.“ Das war ein spontaner Entschluss gewesen, aber kein schlechter. Das Sofa war ideal für den schicken Look, aber auch der normale kam darauf gut zur Geltung. Mir würde schon was einfallen. „Okay.“ Ich verließ den Raum und ging ins Wohnzimmer, wo ich auch schon praktischerweise die Kamera vorfand, die auf dem Coutchstisch stand. Wow. Ich betrachtete sie eingehend, drehte sie zu allen Seiten. Das war mal hightech. Das war echt krass. Die konnte sicher alles. Die wischte einem noch den Arsch ab. Ich lächelte, schaltete sie an und schoss ein paar Probefotos. Unglaublich! So eine Qualität hatte ich bisher selten gesehen. Sanji kam in den Raum und ich sah auf, um mein Werk zu betrachten. Na ja, er hatte sich den Anzug sicher mal irgendwann gekauft, von daher war es klar gewesen das er ihm stand. Das er allerdings so heiß darin aussah, darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Ich schluckte, als er auf mich zu kam. „Die Kamera ist gut, oder?“ fragte er und sein Gesicht sah so unschuldig aus bei diesem Satz, das ich ihn am liebsten sofort als Wolf im Schafspelz beschimpft hätte. Ich nickte nur. „Okay, ähm, wo soll ich hin?“ fragte er und sah sich in seiner Wohnung um, als würde er sie nicht kennen. Ich rüttelte mich selbst wach, seufzte und brachte meine Gedanken wieder in die richtige Bahn. „Setz dich erst mal auf das Sofa. Der Rest wird Freestyle.“ Er lächelte und setzte sich, während ich mich zur Musikanlage drehte und sie anschaltete. Was da drin war war mir eigentlich egal, ich brauchte nur ein wenig Musik. Ich drehte die Lautstärke hinunter und schaltete an. Ich grinste, als ich die ersten Töne hörte. „Ich hör sowas manchmal ganz gern.“ kam es von Sanji, aber er brauchte sich nicht rechtfertigen, ich mochte Queen auch. „Kein Wunder. Die sind gut.“ Under Pressure, das Lieb kannte ich, es war verdammt gut und stimmungsvoll, passte also irgendwie auf eine skurile Art und Weise. „Okay, los geht’s.“ Ich legte die Kamera an und begann. Sofort wurde alles wie im Film, es passierte einfach, ich machte mir keine Gedanken darüber, ich sagte etwas und Sanji führte es aus. Setz sich anders hin, das Bein weiter nach hinten, ja genau, jetzt sieh in die Kamera, lächeln, ja, beug dich nach hinten, genau so. Ich versank in seinem Anblick vollkommen, ich sah durch die Kamera und es gab nur noch ihn in diesem Moment, ihn, seine Schönheit und mich. Sein Lächeln war atemberaubend, seine Augen glänzten wie die Sterne, er bewegte sich wie ein geschmeidiger Tiger auf der Jagd. Wir machten noch ein paar Bilder im Stehen, er kramte eine alte Brille hervor mit der er wie ein Professor aussah, er setzte sie auf und wir knipsten wie die Verrückten. Na ja, ich knipste, er räkelte sich vor der Kamera, aber das reichte vollkommen, mehr wollte ich gar nicht. Als ich das nächste mal auf die Uhr sah, war eine halbe Stunde vergangen. Ich staunte nicht schlecht. „Wow!“ murmelte ich, dann sah ich auf. „Ich glaube, das Reicht. Zieh dir mal die anderen Sachen an.“ Sanji nickte und stand sofort auf, verschwand in seinem Schlafzimmer. Ich fühlte mich richtig professionell, ein tolles Gefühl. Im Schnelldurchlauf sah ich mir die entstandenen Bilder an und nickte zufrieden. Die waren echt verdammt gut geworden; Sanji würden sie gefallen. Wie ein frauenfressender Geschäftsmann. Nicht so schlecht. „So.“ Sanji tauchte in meinem Blickfeld auf und ich lächelte, als ich sah wie überaus gut ihm der Pullover stand. „Mit Brille?“ Ich nickte. „Mit Brille am Bücherregal.“ Und weiter gings, jede Menge Bilder am Bücherregal, dann ein paar am Sofa, am Fernseher, immer wieder lächelnd, ich liebte sein Lächeln. Es fühlte sich ewig an, ich glaubte in diesem Moment wirklich das es nie mehr enden würde dieses Gefühl, dieses beisammen sein, diese Schönheit, diese Ehtik. Doch als der Fotoapparat anfing zu piepen, wusste ich was los war. Sanji seufzte, er hatte sich am Fenster drapiert. „Speicherkarte voll.“ sagte er fast beleidigt und ich lächelte. „Nicht schlimm, wir haben ja jede Menge gute Fotos.“ Der Blonde zog gespielt einen Schmollmund. „Na und? Es hat Spaß gemacht.“ Ich gab ihm Recht, das hatte es wirklich. Es hatte sogar verdammt viel Spaß gemacht. Mein Herz schlug hart gegen meine Brust. Er kam auf mich zu und bevor er mir zu nahe kommen konnte reichte ich ihm die Kamera. „Willst du dir die Bilder jetzt ansehen?“ fragte ich fast neugierig. Ich wollte mein Werk ja auch mal auf dem Pc betrachten... und ganz nebenbei wollte ich Sanjis Gesicht sehen, wenn er sie sah. Doch er schüttelte den Kopf. „Nein, nicht jetzt. Ich weiß ja das sie gut sind. Ich gucke sie mir... morgen früh an, in Ordnung?“ Ich verstand nicht worauf er hinaus wollte. Musste ich jetzt verschwinden? Hatte er noch was zu tun? Irgendwas schien er zu wollen, und ich machte mich schon auf eine nette Abfuhr bereit. „Ich dachte, ich... könnte was Leckeres für uns kochen?“ Ich hob überrascht die Augenbrauen. „Kochen?“ fragte ich ungläubig. Hatte ich ihn richtig verstanden. Er nickte. „Ja, kochen. Ich hab Hunger, und... ja. Würde mich freuen wenn du mit isst.“ Ich traute meinen Ohren immer noch nicht richtig, aber falls ich mich doch nicht verhört hatte nickte ich schnell. „Ja doch, gern.“ Er lächelte und deutete auf das Sofa. „Setz dich hin, entspann dich, guck Fernsehen, ich bring das Essen dann. Im Wohnzimmer ist es entspannter als in der Küche.“ Stimmt. Da wirkte alles sehr eingeengt und gezwungen. Ich nickte wieder. „Okay.“ Er lächelte, drehte sich um und ging in Richtung Küche. Ich ließ mich auf sein Sofa fallen und legte den Kopf in den Nacken. Das hier war meine Feuerprobe, und ich glaubte das ich sie bestand. Ich war in meinem Element gewesen, hatte mein Bestes gegeben und jetzt saß ich hier. Männlich, noch vollkommen normal, ruhig. Einigermaßen ruhig. Aber was das hier jetzt war, wusste ich nicht mehr. Ein Date? Oder sowas wie ein Geschäftsessen? Keine Ahnung, aber mir gefiel die Vorstellung hier bleiben zu können, mit ihm zu essen, richtig entspannt. Ich schnappte mir die Fernbedienung und schaltete irgendeine langweilige Talkshow ein. Ich hätte ihm gern beim Kochen zugesehen, aber ich glaubte dass das unangebracht war. Ich würde hier auf ihn warten. Ich verfolgte ein paar Minuten die Talkshow, die war allerdings so schrecklich langweilig das ich es schnell wieder bleiben ließ und den Kochgeräuschen lauschte, die aus der Küche zu mir drangen. Es dauerte nicht lange, da roch es fantastisch in der ganzen Wohnung, nach Fleisch und Nudeln, wie ich zu erkennen glaubte, aber sicher konnte ich mir da ja auch nicht sein. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie ich ihm beim kochen half. Wie wir gemeinsam aßen und uns anlächelten, glücklich. Ich glaubte ein wenig komisch auszusehen, wie ich da mit dem Kopf zurück gelehnt auf dem Sofa saß und lächelte, also setze ich mich wieder normal hin und folgte dem öden Fernsehprogramm. Um die Uhrzeit lief da einfach nichts gescheites. Ich hörte Teller klappern und Besteck klirren, während sich der Duft weiter im Raum verteilte. Es schüttelte mich ein wenig, so gut roch es. „Fertig!“ Da stand Sanji in der Tür, eine Schürze um seine Hüften gebunden, ein glückliches Lächeln auf dem Gesicht, seine Augen glänzten wie die Sonne selbst, in den Händen zwei Teller. Ich hatte ihn noch nie so schön gesehen und ich wünschte mir den Fotoapparat her, damit ich ihn so festhalten konnte. Obwohl das nicht geklappt hätte, die Speicherkarte war ja voll. „Was ist los?“ Er sah mich fragend an und ich wandte schnell den Blick ab. „Nichts.“ murmelte ich und machte dann ein Stück Platz, damit er sich setzen konnte. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen schoss es mir durch den Kopf, als ich spürte wie er sich ins weiche Polster fallen ließ und mir meinen Teller reichte. Wir sahen uns nicht an. Betrachtete mein Essen eingehend und stellte mit ein wenig Stolz fest, das ich Recht behalten hatte. Nudeln und ... hm. War das Lamm? Es roch unglaublich. „Lammfleisch.“ raunte Sanji und ein Schauer lief mir den Rücken hinunter. Er hatte wohl bemerkt das ich gerätselt hatte. Ich nickte nervös. Wir benahmen uns wie Teenager. Wie verliebte Teenager. Meine Finger schwitzten. Ich schielte auf seinen Teller, beobachtete wie er den ersten Bissen nahm und tat es ihm gleich. Ich würde ihn nachher um ein wenig Alkohol bitten. Vielleicht würde mich das entspannen. Und ihn auch. Der rote Schleier auf seiner Nase verriet ihn. Ich lächelte. Na das würde ja was werden. Wir aßen schweigend und peinlich berührt. Kapitel 13: 36 Grad über Null. ------------------------------ ~ Reich & Schön! ~ N0. 14 – 36 Grad über Null. „Schmeckt es dir?“ Sanjis Frage war vollkommen überflüssig, sinnlos bei der Tatsache, das ich seit guten 10 Minuten keinen Ton gesagt hatte, weil ich so mit essen beschäftigt war. Oder eher mit fressen, denn ich schlang die Nudeln, das Fleisch und die Soße nur so in mich hinein. Ich wusste, das diese Art die Lebensmittel zu mir zu nehmen nicht gerade seinen einmaligen Geschmack unterstützte. Man musste genießen. Aber so war ich nun mal nicht. Wenn mir etwas schmeckte aß ich es schnell, damit es kein anderer bekommen konnte. Ich nuschelte ein leises „Hmja“ und aß weiter, ohne zu signalisieren das ich reden wollte, denn ich wollte nicht reden. Ich schloss sogar die Augen um den Geschmack besser auf der Zunge schmecken zu können. Das Fleisch war auf dem Punkt gebraten worden, von innen noch ein bisschen blutig, die Nudeln waren außen weich und innen noch ein bisschen fest und die Soße hatte einen sahnigen Geschmack. Wäre das kochen eine Kunst, wäre Sanji Da Vinci, da war ich mir sicher. Wir schwiegen noch eine Weile, aßen stumm, das Einzige was ich hören konnte waren die Geräusche des Fernsehers und unser Besteck auf den Tellern auf unseren Knien. „Ich hab Durst. Soll ich dir auch was holen?“ Ich sah kurz auf, schluckte den letzten Bissen des Fleisches hinunter und wünschte ihn zurück auf den Teller. Ich wollte mehr davon. „Ja, gern.“ nuschelte ich zwischen dem Kauen. „Und was?“ Ich sah in den Fernseher, beobachtete wie eine Blondine ihren hässlichen Mann heulend ohrfeigte. „Hast du Vodka im Haus?“, fragte ich trocken. Wieder lachte er und ich überlegte mir weitere Witze, die diese Reaktion hervorrufen könnten. Er sah so natürlich aus, wenn er lachte. „Ja, hab ich noch. Aber ich weiß nicht wie lange der schon im Eisschrank liegt...“ Ich zuckte mit den Schultern. „Egal. Je kälter, desto besser.“ Er nickte, nahm sich die Teller die ich ihm reichte, und verschwand in Richtung Küche. Ich sah mich kurz im Raum um, dann stand ich auf und schlich mich fast – ich fühlte mich erbärmlich, schon wieder – in Richtung Lichtschalter. Der war zum drehen, so das man das Licht je nach Wunsch stärker oder schwächer machen konnte. Das kam mir natürlich wie gerufen. Das Licht war voll aufgedreht, was auch mit dem Foto zu tun gehabt hatte, jetzt aber drehte ich es ein wenig runter, und als es mir immer noch nicht matt genug war noch ein bisschen. Warum ich das tat war mir nicht ganz klar, es war nur eine Eingebung gewesen und Eingebungen folgte ich aus Prinzip immer. „Lorenor? Alles okay?“ Erschrocken drehte ich mich um, aber er war nicht im Raum, es hörte sich an als würde er aus der Küche rufen. Mein pochendes Herz wurde ein wenig ruhiger, allerdings spürte ich es immer noch hart gegen meinen Brustkorb schlagen „Ja, alles in Ordnung!“ beeilte ich mich zu sagen und ging zurück zum Sofa. „Weil du das Licht runter gedreht hast. Ich wollte nur mal fragen.“ Ich schloss die Augen und vertrieb die peinliche Röte auf meinen Wangen. Na toll. Das hatte ja super geklappt. Jetzt cool bleiben! „Nein, es war ein bisschen hell, ich wollte..“ Ja, was wollte ich eigentlich? Das war das Problem mit meiner Fantasie. Sie existierte nicht. Ich sagte nichts weiter dazu und auch Sanji schwieg dankenswerterweise aus der Küche. Ob er was gemerkt hatte? Idiot, natürlich hatte er was gemerkt, als wenn man sowas nicht merkt. Ich war ja auch so furchtbar unauffällig gewesen. Hahaha. „Ist Absolut okay?“ Absolut? Hä? Wovon redete der? Erst nach wenigen Sekunden nachdenken ging mir das Licht auf, das er den Vodka meinte. „Äh, ja klar.“ Ich fummelte nervös an meinen Fingernägeln herum. Ich hörte seine Schritte auf dem Holzboden und schloss angestrengt die Augen. Entspannen. Wir waren zwei Männer, wir waren Kumpels die sich einfach abends zusammen setzten und... Fernsehen sahen. Genau! Wir guckten uns ein Spiel an. Football. Wie es Männer eben manchmal taten wenn sie sich trafen. Football gucken... und das Licht runterdrehen. Ja klar. Ich stöhnte und beugte mich nach vorne, eigentlich nur, weil mein Rücken weh tat, aber es hatte auch eine gewisse entlastende Wirkung, mein Hirn fühlte sich gleich viel leichter an. Es tat auf die Dauer weh, so viel nachzudenken. Ich tat das doch sonst nie. Er trat in den Raum und ich sah nicht auf, weil ich glaubte das nicht zu können. „Hier ist er.“ Vor meiner Nase wedelte die Flasche auf einmal hin und her und ich glaubte einen Heiligenschein über der Verschlusskappe fliegen zu sehen. Endlich, heiliges Getränk der Götter, erfreue mich und.. bitte lass mich etwas entspannter werden! Ich ergriff sie, entfernte den Deckel und ließ die ersten Schlucke in meinen Hals hinunter laufen. Es brannte, brannte ganz fürchterlich, und das war herrlich. Ich betrachtete den Flaschenaufkleber. „Ist er gut?“ Ich nickte abwesend. „Wunderbar.“, teilte ich ehrlich mit und nahm sofort die nächsten Schlucke. Nicht, das der Alkohol sofort anschlagen würde, aber es tat einfach gut zu wissen das er gleich etwas tun würde. Sanji ließ sich mit einem Bier neben mir sinken und ich beobachtete aus den Augenwinkeln wie er die Flasche öffnete und gebannt auf den Fernseher sah. Ich wartete wie ein sabbernder Hund darauf, das er trank, das wollte ich nicht verpassen. Und schließlich tat er es und ich wurde mit einem verdammt erotischen Ausblick auf sein Gesicht belohnt. Seine Augen schlossen sich – war das einstudiert? - er legte den Kopf in den Nacken und schluckte, seine Lippen lagen auf der Flaschenöffnung und versiegelten sie – ich stellte mir vor wie er dasselbe mit meinen Lippen tat und kam mir wie ein Spanner vor. Schnell wandte ich mich dem Fernseher zu und trank weitere Schlucke meines Hochprozentigen. „Trinkst du eigentlich immer sowas?“ fragte der Blondhaarige, nachdem wir fast 10 Minuten schweigend der langsam abklingenden Talkshow gefolgt waren, ohne uns wirklich dafür zu interessieren. Ich nickte langsam. „Ja, schon. Bier ist nichts für mich, irgendwie.“ Er sah mich an, ich spürte es, auch wenn ich es nicht wagte den Kopf zu drehen. „Du bist schon einer.“ murmelte er und ich ließ lächelnd den Kopf sinken. „Was für einer bin ich denn?“ fragte ich schließlich unter Aufbringung all meiner geistigen Kräfte. Mir war das alles so schrecklich peinlich. Ich hörte und spürte, wie er sich zurück lehnte. Ich blieb lieber nach vorne gebeugt. „Du bist einer der speziellen Sorte Mensch, die ich nicht blicke.“ Okay, jetzt wurde dieses Gespräch interessant. Ich drehte den Kopf und sah in seine Rabenaugen, ein Schauer lief wieder meinen Rücken hinunter und ich glaubte nicht, je wieder irgendwelche anderen Augen so schön finden zu können. „Wie meinst du das denn?“ murmelte ich ein wenig leise. Er saß ganz entspannt da, die Beine locker von sich gestreckt, das Bier in seinen Händen, er drehte es nachdenklich zwischen seinen Fingern und seine Augen waren auf einen Punkt bei seinen Füßen gerichtet. Er war rot um die Nase, seine blonden Haare hingen ihm ein klein wenig im Gesicht. Er sah so verdammt süß aus, so verdammt ... ich musste mich zusammen reißen. Ich lehnte mich ein Stück nach hinten, um ihm nicht allzu nah zu sein, auch wenn mein ganzer Körper danach schrie. Sanji öffnete langsam den Mund. „Ich weiß nicht. Ich hab sonst nicht so das Problem damit, Menschen zu durchschauen. Ich verstehe recht schnell, wie sie ticken und wie ich mit ihnen umgehen muss. Du weißt schon.“ Nein, das wusste ich nicht, aber ich glaubte nicht das nachfragen jetzt was brachte. Ich ließ ihn einfach weiter sprechen. „Aber bei dir... ich weiß nicht, da ist es anders. Ich steig bei dir einfach nicht hinter. Du bist mir so unerklährbar wie sonst niemand auf der Welt.“ Ich hob die Augenbrauen. Er verstand mich nicht? Was war denn an mir so schwer zu verstehen? Okay, ich verstand mich selbst in 90 % der Fälle nicht. Ich handelte oft aus dem Bauch heraus, ich dachte nicht über meine Aktionen nach. Aber soweit ich mal Freunde gehabt hatte, hatten die immer von mir behauptet das ich total einfach gestrickt war. Hm. Deren Meinung sollte eigentlich nicht gelten; sie kannten mich schließlich auch nicht. Ich sag wieder weg, auf den Fernseher, in dem Werbung für irgendein Blasenmittel lief. „Okay...?“ murmelte ich schließlich und trank noch einen Schluck. Der Rotschimmer um meine Nase kam vom Vodka. Ganz klar. Obwohl der noch gar nicht angeschlagen haben konnte. Aber wenn Sanji fragen sollte, war das eine fantastische Ausrede. „Versteh mich nicht falsch Lorenor. Aber... ich fühle mich...“ Er wusste ebenso wenig wie ich was er so sagen sollte, also schwieg ich und Sanji tat es mir gleich. Wir starrten weitere 10 Minuten auf den Fernseher. „Wirklich kein Bier?“ Ich spürte, wie eine gewisse Benommenheit in meinen Kopf wanderte. Ich schüttelte den Kopf. „Nee, besser nicht.“ murmelte ich und er lächelte, als er wieder in Richtung Küche verschwand. Ich schloss die Augen und rieb mir über das Gesicht. Alkohol, du süße Droge. Ich danke dir. Ich merkte, wie alles um mich herum leichter wurde, wie ich begann auf Wolken zu sitzen. Fühlte sich deutlich besser an als vorher. „Oh man. Kein Bier mehr.“ Ich sah auf, beobachtete wie er sich wieder neben mir sinken ließ. Er sah so süß aus wenn er schmollte. Ich wollte seine Lippen berühren. Er griff nach der Vodkaflasche und trank mit wachsender Überraschung meinerseits mehrere Schlucke ohne mit der Wimper zu zucken. „Du trinkst...?“ fragte ich und er setzte ab, lächelnd. „Seh ich aus als würde ich sowas nicht vertragen?“ fragte er grinsend und ich zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Schon, doch. Verträgst bestimmt einiges.“ Sanji lachte auf und ich sah weg, damit er meine Röte nicht sah. „Da liegst du falsch. Ich vertrag nicht wirklich viel... deswegen hör ich jetzt auch auf.“ Er stellte die Flasche klirrend ab und lehnte sich wieder zurück. Ich tat es ihm gleich – ich fühlte mich wohl. Wirklich wohl. Ich musste nicht mehr haben, es war schon sehr angenehm einfach nur in seiner Nähe zu sein, es beruhigte mich und gab mir ein angenehmes Gefühl in der Magengegend. Endlich, die Talkshow hatte ihr tragisches Ende gefunden und ein Spielfilm startete. Was da wohl lief? Ich gab mir Mühe, der Geschichte zu folgen, doch ich konnte es nicht so recht. Als ich Sanjis hohl klingende Stimme an meinem Ohr hörte, wusste ich nicht ob das an meinem Alkoholpegel oder an seinem lag. „Verstehst du was da abgeht?“ Ich drehte langsam den Kopf und sah ihm in seine schwarzen Augen, die jetzt von einem leichten Schleier verhängt waren. Er war mir so verdammt nahe das mir mein Herz fast stehen blieb. Mein Magen pulsierte, doch ich schaffte es tatsächlich zu grinsen. „Kein Stück.“ Er hatte Recht behalten, er vertrug wirklich nichts, absolut gar nichts. Er hatte ein Bier und einen Schluck Vodka gehabt, und jetzt saß er da, der rötliche Schimmer und der Nebel um seine Augen verrieten ihn, und er kicherte leise. Aber auch das veränderte nichts an der Tatsache, das er wunderschön war. Besonders jetzt, wo er so nah bei mir war, wurde mir das klar. Er lehnte sich leicht an mich, ich fühlte seine Schulter an meiner, es war einfach atemberaubend. Ich fühlte leichten Schwindel. Ich hätte mehr essen sollen. „Lorenor...?“ gluckste er und ich konnte nicht anders, ich stimmte mit ein. „Ja...?“ Er schloss die Augen und ich sah, wie er schwankte. „Ich glaub das war zu fiel des Guten.“ Er begann zu lachen, er lehnte seinen Kopf an meine Schulter und lachte einfach, ich versank mit ihm in diesem Augenblick, er war so unbeschreiblich schön das ich nichts anderes tun konnte als ihn anzusehen. Ich hätte ihn so gern geküsst das mein gesamtes Denken sich auf seine Kippen konzentrierte. Wie sie sich bewegten, auf und ab. „Mir... Lorenor, mir...“ Oh Gott. Meine Augen weiteten sich alamiert, als Sanjis Gesichtsfarbe von normal in blass-grünlich wandelte. „Du musst...?“ begann ich, doch da begann er schon zu würgen, ein Geräusch das mich daran erinnerte das wir gut gegessen hatten. Scheiße. Ich rappelte mich eilig auf, so eilig wie ich eben konnte, meine Beine waren wackelig und mein Kopf war voller Sahne. Ich zerrte ihn an seinem Arm in die Höhe, er sah aus wie Grünkohl oder sowas in der Art, er hielt sich die Hand vor den Mund und würgte. Er ließ sich brav von mir durch die Wohnung schleifen, ich verfrachtete ihn eilig ins Badezimmer, wo ich den Klodeckel hoch klappte und ihn vorsichtig davor platzierte. „Oh Gott...“, stöhnte er, ich musste lächeln weil mein versoffenes Hirn diese Geräusch dazu nutzte neue schmutzige Gedanken auszuführen, als er sich mit einem unangenehm platschenden Geräusch ins Klo übergab und ich ihm auf den Rücken klopfte. Sofort war all die Erotik – oder die Romantik – verflogen. Er atmete schwer, nachdem er sich noch ein zweites Mal entleert hatte, er keuchte richtig und ich machte mir ein wenig Sorgen. „Besser?“ fragte ich, nachdem er sich mit den Armen an der Schüssel hoch gestemmt hatte. Er nickte vorsichtig. „Ja.“, sagte er schließlich noch zur Bestätigung. Ich sah mich um, eigentlich nur um zu gucken ob man hier irgendwo ein Fenster aufmachen konnte, als ich ihn leise lachen hörte. Ich drehte überrascht den Kopf. „Was ist los?“ fragte ich ungläubig, als er sich neben der Toilette an der Wand hinunter gleiten ließ. Ich drückte den Abspühlknopf. „Das ist doch total bescheuert.“ murmelte er Blonde und ich ließ mich auf den hinunter geklappten Klodeckel sinken. „Bescheuert?“ hackte ich nochmal nach. Er nickte. „Ja, bescheuert. Da will ich... einen schönen Abend mit dir verbringen... und reiher mir nach nem Bier die Seele aus dem Leib.“ Er klopfte sich auf den Bauch. „Verdammter nervöser Magen.“ Ich lächelte leicht und ließ den Kopf sinken; die Röte kehrte wieder zurück, verdammt, ich konnte mich wirklich nie wie ein Mann benehmen! „Ich fand den Abend trotzdem schön.“ murmelte ich. Der Alkohol beflügelte meine Zunge, das musste es sein. Sowas würde ich doch sonst nie sagen. Ich spürte seinen Blick auf meinem Gesicht. „Fandest du...?“ Ich nickte wieder, allerdings so, das mein Gesicht von meinen Armen verdeckt blieb. „Ja, doch.“ Ich hörte ihn leise lachen, lauschte dem Widerhall an den Wänden. „Scheiße. Ich check dich wirklich nicht. Du machst mich noch wahnsinnig.“ Wenn der wüsste, wie der mich schon längst wahnsinnig gemacht hatte, würde er sowas nicht sagen, da war ich mir sicher. Aber ich ließ meinen Mund geschlossen, weil ich das Gefühl mochte, hier im Einklang mit ihm zu sitzen. Auch wenn es ein wenig unangenehm roch. „Ich sollte mir den Mund ausspülen.“ murmelte der Blonde, stemmte sich in die Höhe, ging an mir vorbei und trat an das Waschbecken. Ich beobachtete, wie er das Wasser einschaltete und es sich in den Mund schaufelte. Ich folgte mit den Augen den Tropfen, die von seinem Gesicht in Richtung Becken zurück fielen. Kurz darauf zückte er sogar seine Zahnbürste und begann sich die Zähne zu putzen. Ich schnaufte, erhob mich und drehte mich in Richtung Tür. „Lorenor...!“ Huch?! Deja Vu? War mir nicht genau sowas mal an seiner Haustür passiert? Ich drehte mich um. „Ja?“ Er spuckte die Zahnpasta aus, wischte sich den Mund ab und lächelte. „Ich, ähm... danke.“ Er lächelte mich an und ich fühlte mich völlig außerstande mich zu bewegen. „Das du... du weißt schon.“ Ja, jetzt wusste ich wirklich was er meinte und ich nickte langsam. „Ach was. Ist doch nichts passiert. Nur kannst du davon ausgehen, das ich dich in Zukunft nicht mehr an Alkohol heran lassen werde.“ Er war wieder vollkommen klar, das sah man an seinem scharfen Blick und seinen direkten Bewegungen. Mir dagegen ging es nicht ganz so gut. Ich schwankte ein wenig unangenehm, doch eigentlich ging es. „Willst du dich setzen, Lorenor?“ Ich wollte ihm meinen Spitznamen anbieten, so wie mich alle nannten. Obwohl. Wenn er mich Lorenor nannte.. das hatte... Ich schloss die Augen, um meinen Kopf wieder frei zu kriegen, und seufzte. Als ich seine Hand auf meiner Schulter spürte, erschauderte ich. „Komm, setz dich hin, du siehst auch nicht so gut aus.“ Ich nickte leicht, folgte seinem Arm der mich hinter ihm herzog zurück ins Wohnzimmer, wo er mich auf das Sofa drückte. „Soll ich dir was bringen? Zu trinken oder zu essen?“ Es fühlte sich so natürlich an, das er bei mir war, so vollkommen in Ordnung. „Nein, nein. Setz dich einfach zu mir.“ Ich beobachtete, wie seine Augen sich überrascht weiteten und seine Wangen erneut ein Rotschimmer zierte. „Okay...?“ Er sank neben mir auf das Sofa und sah mich an. Ich ertrug es nicht, das er so nah bei mir war, das unsere Hände sich fast berührten. Ich wollte platzen. Und das sofort. „Ist dir heiß? Du siehst so rot aus.“ Ja klar sah ich rot aus! Und diese Farbe würde sich auch nicht ändern, denn kurz darauf fühlte ich seine Hand auf meiner Stirn. „Du hast aber kein Fieber?!“ Das konnte ich auch nicht mit Sicherheit sagen, es fühlte sich so an, seine Hand berührte meine Haut und es prickelte und knisterte darunter. Ich stellte mir vor, wie ich seine Hand berührte und sie sanft küsste. Während das noch durch meinen Kopf geisterte, bemerkte ich erst am Rande, dann aber immer klarer, das seine Hand meine Stirn hinab glitt und über meine Wange strich, langsam, vorsichtig. Ich drehte den Kopf und sah ihm in die Augen, ihm, der Fleisch gewordenen Schönheit. Und in seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der mir den letzten Rest Luft aus den Lungen drückte. Kapitel 14: Show me what it's like to be the last one standin'. --------------------------------------------------------------- Wuhu!! Erotik! Oh mein Gott >0< xD !! Ich bin ganz kribbelig. ê.,e In meinen Fingern & so. Ich hoffe mal, es entspricht euren Vorstellungen. xx Oft hab ich sowas noch nicht gemacht. Aber Mühe geb ich mir !! x3 & jetzt viel Spaß beim Lesen ! :D ~ Reich & Schön! ~ N0. 15 – Show me what it's like to be the last one standin'. Seine Finger waren ganz weich und warm, ließen ein Kribbeln auf meiner Haut entstehen, wie ein Feuer das sich in meinem Gesicht ausbreitete. Ich schloss die Augen, zum einen weil ich die Situation sonst nicht ertragen hätte, zum anderen war es der pure Genuss der mich dazu trieb. Mein Herz blieb mehrere Sekunden stehen, genau wie mein Atem, ich wusste nicht was ich tun sollte, die Situation brachte mich fast um. Als ich die Augen wieder öffnete, immer noch atemlos, sah ich direkt in sein Gesicht, und das ließ mich schließlich wieder atmen, eher stockend, aber wenigstens atmete ich überhaupt. Er sah so ängstlich aus, erschreckt vor sich selbst, und gleichzeitig von einer grimmigen Entschlossenheit gepackt. Er war nicht mehr schön. Er war einfach umwerfend. Absolut unwiderstehlich. „Lorenor...“ hörte ich ihn sagen, es war nur mein Name, aber er hatte so eine gewisse Art dieses Wort auszusprechen, das mich leise seufzen ließ. Erneut schloss ich die Augen, um auch das letzte bisschen auskosten zu können, während er die Konturen meines Gesichtes nach fuhr und mit den Zeigefinger über meine Lippen glitt. Er hinterließ eine kribbelnde Spur aus Gier und Lust. Ich hätte ihm gern 1000 Dinge gesagt, Dinge die auf meiner Seele brannten wie ein Feuer, doch ich konnte es nicht, viel zu überwältigt war ich von seinen Fingern, die den Weg zu meinem Hals fanden oder dort meine Muskeln und Sehnen nach fuhren. Ich hörte wie er sich bewegte, spürte kurze Zeit später seinen heißen Atem an meinem Ohr und ein erregter Schauer glitt meine Schulterblätter hinab. „Küss mich, Lorenor.“ Meine Finger verkrampften sich, mein Herz zersprang fast in viele kleine Einzelteile, als ich mit einer Hand seinen Kopf zu meinem zog und meine Lippen auf seine legte. Diese waren weich, weich und zart, göttlich, einfach perfekt wie der Rest seines Körpers. Sie schmeckten nach Zigaretten, allerdings nur ganz schwach, sie schmeckten nach Nudeln und Fleisch und nach Alkohol, und sie schmeckten einfach nur nach Sanji. Seine Lippen waren ein 5-Gänge-Menü. Ich spürte wie sein Körper sich entspannte, wie er beide Hände an meinen Brustkorb legte um sich ab zu stützen und wie ich selbst meine Pranken auf seinen Rücken gleiten ließ, vollkommen ohne das ich wirkliche die Kontrolle darüber hatte. Er öffnete leicht den Mund, vorsichtig, neugierig was nun passieren würde, und mir ging es nicht anders, ich wollte mehr von diesem atemberaubenden Geschmack, mehr von diesem herrlichen Glücksgefühl das mir das Herz so flattern ließ. Mein Magen machte mehrere Saltos, als seine Zunge sanft über meine Lippen fuhr, darauf wartete das sie sich öffneten, und sobald ich seiner Bitte nachgekommen war berührte er meine, umspielte sie, kitzelte sie, versuchte sie zum mitmachen zu animieren. Und lange musste er darauf nicht warten. Seine Hände glitten in meinen Nacken, er rutschte ein Stück näher heran, schlang schließlich beide Arme um mich und drückte sich an mich, genauso versunken in diesen Kuss wie ich, der mir jedes bisschen Verstand raubte. Als wir uns nach vielleicht 3 Minuten aus Luftmangel von einander lösten, atmeten wir schwer, sahen uns aber weiter in die Augen, gefangen im Augenblick, im Hier und Jetzt. Im Hintergrund gab der Fernseher seltsam klagende Laute von sich. Es interessierte mich nicht und Sanji offensichtlich auch nicht, denn nachdem er mehrmals tief durch geatmet hatte küsste er mich wieder, so leidenschaftlich und gefühlvoll das ich nichts anderes tun konnte als ihn sanft an mich zu drücken. Ich hatte es darauf angelegt, ich hatte gewusst das es irgendwann passieren würde. Da waren zu viele Spannungen zwischen uns gewesen. Aber das es tatsächlich so fantastisch war, das hatte ich mir nicht zu träumen gewagt. Als er sich ein zweites Mal von mir löste, hatte sich ein matter Schleier auf seine Augen gelegt, ein Schleier der nun auch vor mir tanzte, der Schleier der Lust. Seine Zunge fuhr meinen Hals hinab, während er redete. „Hat dir schon mal jemand gesagt... das du verdammt gut schmeckst?“ Ich ließ den Kopf entspannt in den Nacken gleiten, schloss die Augen und lächelte leicht. „Bisher noch nicht.“, gestand ich. „Und was ist mit dir?“ Sanji zuckte mit den Schultern, während er sich meinem Brustbein widmete. „Kann mich nicht daran erinnern.“, nuschelte er, und es war auch egal, alles war egal, Hauptsache er war bei mir und er machte weiter, oh Himmel, bitte hör nicht auf damit! Er knabberte an mir, zärtlich aber doch mit Nachdruck, und ich biss die Zähne zusammen um nicht leise zu stöhnen. So weit sollte es noch kommen. Das der mich hier zum stöhnen brachte. Nee Kumpel, so haben wir nicht gewettet. Ich ergriff sein Kinn, zwang es mit zärtlicher Gewalt nach oben, versiegelte seine Lippen mit einem leichten Kuss und strich vorsichtig seinen Brustkorb hinab, über seinen Bauch, dann über seine Hüften wieder hinauf zu seinem Brustkorb, zärtlich, vorsichtig, wo ich die Knöpfe seines Hemdes zu packen bekam und sie öffnete. Nachdem ich das lästige Kleidungsstück entfernt hatte, schob ich sein Gesicht ein wenig von mir, so das ich ihm nicht weh tat, und während er mir überrascht mit Blicken folgte, schloss ich die Augen und beugte mich vor, um die weiche Haut unterhalb des Brustbeins zu liebkosen. Jedes Körperteil von ihm schien einen eigenen, umwerfenden Geschmack zu haben, ich bekam nicht genug von ihm er raubte mir die Sinne, der ließ mich nicht mehr klar denken. Vom Brustbein wanderte ich tiefer, strich mit der Zunge kurz über seine Brustwarzen, war ihm dann doch ein leises keuchen entlockte, was mich verdammt stolz machte. Dann widmete ich mich vorerst seinem Bauch, fuhr mit der Zunge um seinen Bauchnabel, zeichnete die Konturen nach. Ich hörte ihn fiebrig lachen. „Okay, schon verstanden, du bist der Boss.“ hauchte er und fuhr mir durch meine Haare, nervös, zittrig, erregt. Ich fühlte mich großartig. Mit ein wenig Nachdruck schaffte ich es schließlich, ihn dazu zu bewegen das er sich nach hinten lehnte, er glitt in die waagerechte und ich folgte seinem Bauch, an dem ich mich regelrecht fest gesaugt hatte. „Hrmz..“, murmelte er und ich lächelte, fuhr mit der Zunge wieder nach oben, ich sah auf und blickte direkt in seine Augen, die mich verschleiert betrachteten, während ich mich erneut seinen Brustwarzen widmete. Er legte den Kopf in den Nacken und stöhnte leidvoll auf, als ich zärtlich in sie hinein biss. Es gefiel mir mehr als gut, ihn so vollkommen in meiner Hand zu haben, er konnte sich nicht wehren und das machte mich noch wilder. Ich wollte mehr. So war ich nun mal. Ganz oder gar nicht. Wenn mir etwas schmeckte, aß ich es auf bis nichts mehr davon da war. Ich fuhr mit den Händen über seine Arme, ich spürte wie er zitterte als ich ihn am Hals weiter küsste und meine Hände ihn sanft an der Hüfte kraulten. Kurze Zeit später bemerkte ich, wie seine Hände begannen hektisch die Knöpfe meines Hemds zu öffnen. So wie der zitterte würde das allerdings verdammt lange dauern. Ich lächelte leicht, hob den Kopf und sah ihm ins Gesicht, zuerst bemerkte er nicht das ich ihn beobachtete, er stierte auf die Knöpfe als wollte er die brutal abreißen, dann sah er auf und betrachtete mich erschrocken. „Was...?“ fragte er, da hatte ich meine Lippen aber schon auf seine gelegt. Als ich mich wieder aufrichtete, hatte sich Sanji unter mir vollkommen entspannt, er lag da, die Arme kraftlos von sich gestreckt, und atmete schwach. Ich glaubte, das er vorerst nicht mehr viel auf die Reihe bekam, und begann mir die Knöpfe selbst auf zu knöpfen, bis ich seine Finger auf meinen spürte. „Lorenor.“ Ich sah ihm in die Augen und nickte aufmerksam. „Ja?“ Sein Lächeln brachte mich fast um den Verstand, ließ mich vollkommen vergessen was eigentlich los war, was das alles für uns bedeutete. „Lass mich das machen.“ Seine Stimme hatte einen ganz anderen klang als sonst, sie hörte sich tief und rau an, angenehm in meinen Ohren. Ich glaubte, das ich noch nie jemanden zuvor so begehrenswert gefunden hatte wie ihn in diesem Moment. Wie er mich ansah, neugierig, aufgeregt, ein Lächeln im Gesicht, das Gesicht vor Aufregung ein wenig rot, die blonden Haare zerzaust. Ich wollte ihn. Sofort. Während mein Mund seine Wangen, seine Stirn und seine Lippen liebkosten, öffnete er mein Hemd und entfernte es, strich mir über den nackten Oberkörper, stöhnte leise auf als ich eine empfindliche Stelle an seinem Hals erwischte. Er schmeckte nach mehr, nach so unendlich mehr als das. „Lo..renor...!“ Ich liebte seine Stimme, wie sie meinem Willen vollkommen unterlag, wie er nicht dazu fähig war etwas anderes zu tun als meinen Namen zu stöhnen, während meine Finger erst zart, dann bestimmt über seinen Schritt glitten. Nicht, das ich sowas jemals zuvor gemacht hätte, nein. Das hier war genauso neu für mich wie – wie ich annahm – für ihn, einem Mann hatte ich mich noch nie hingegeben, ha, allein die Vorstellung hätte mich vor 2 Wochen zu einem Übelkeitsanfall getrieben, und auch mit Frauen tat ich sowas selten. Aber ich wusste schon, was mir selbst gefiel, und konnte davon ausgehen das es bei Sanji nicht anders war. Ich knabberte an seiner Haut, strich mit den Fingern über sie, hinterließ dünne Spuren auf seinen Bauchmuskeln und um seinen Nabel herum. Doch das Ultimatum war noch lange nicht erreicht. Noch lange nicht. Ich öffnete seinen Gürtel. „Hrrm..“ Das Geräusch das ihm entwich als ich mit der Hand über seine Oberschenkel strich gefiel mir, ich wollte mehr davon hören, und auch Sanji war nicht abgeneigt, denn kurze Zeit später spürte ich, wie auch an meiner Hose herum gedocktort wurde. Er sah in meine Augen, tief hinein, und ich glaubte nie wieder weg sehen zu können. Er sah ein wenig ängstlich aus, was ich verstehen konnte, mir ging es nicht anders. Während ich seine Jeans hinunter zog, betrachtete ich ihn aufmerksam. „Ist das ... okay für ich?“ fragte ich schließlich, als er mit seinen Fingern durch mein Gesicht fuhr und leise seufzte. Es dauerte eine kleine Weile, dann nickte er vorsichtig. „Wenn... ich irgendwas mache was dir nicht gefällt, dann sag es, ich höre sofort auf.“ gab ich zu verstehen. Ich wollte der letzte Mensch sein, der ihm weh tat. Doch er lächelte nur, zog mein Ohr zu seinem Mund und hauchte einen sanften Kuss darauf. „Du darfst mit mir machen was du willst.“ Das hätte er wohl besser nicht gesagt, denn sofort schaltete sich ein kleines LED in meinem Kopf aus, ich dachte kein bisschen mehr über mein Handeln nach, alles ließ sich von meinen überkochenden Gefühlen leiten. „Okay.“ keuchte ich atemlos, presste ihn an mich und ließ schließlich doch ein leises keuchen aus meiner Kehle gleiten, als Sanji nun begann mich ein wenig zu verwöhnen. Und scheiße, das konnte der besser als so manche Frau. Das war besser als alles was ich bisher erlebt hatte. Das toppte jedes Gefühl. Ein Zittern fuhr durch meinen Körper, ich biss ihm vorsichtig in den Hals und fummelte umständlich an seiner schwarzen, engen Boxershorts herum. Die stand ihm verflixt gut. Ich ließ mir nicht mal Zeit, diesen Anblick unter mir länger zu genießen, wie ich es vielleicht sonst getan hätte; ich war so verdammt spitz auf ihn das ich nichts anderes tun konnte als ihn weiter zu küssen und zu küssen und zu küssen. Er drückte seinen nun nackten Körper an mich, ich spürte jeden Muskel und jede Sehne an ihm und fand es berauschender als so mancher Drogenkonsum. Sein Herz schlug wie wild und auch meines tat das, als er auch mir meine restliche Bekleidung vom Körper zog. Und jetzt ließ ich mir die Zeit, ihn anzusehen, ich ignorierte sogar das leise Wimmern von ihm als ich mich ein Stück in die Höhe stemmte und unsere Körper dadurch für wenige Sekunden von einander trennte. Sein Blick; seine reine, weiße Haut; sein perfekt geformter Körper, der sich unter mir räkelte wie ein Tiger vor dem Absprung; seine Lippen, zu einem Lächeln vorzogen, zu einem leidvollen Lächeln, seine Hände die nach meinem Gesicht griffen um es wieder zu sich zu ziehen... Ich liebte ihn so sehr in diesem Augenblick, das ich am liebsten angefangen hätte zu weinen. Aber das hätte sicher der Stimmung geschadet. „Lorenor...“, hörte ich ihn wimmern und ich beeilte mich, meinen Körper wieder an seinen zu pressen, das prickeln auf jedem meiner Körperteile zu spüren, ihn einfach bei mir zu haben. Er biss mir ins Ohr, ich stöhnte leise, dann sah er mir in die Augen. „Findest du nicht, dass das Sofa ein bisschen... eng ist.“ Ich wusste nicht worauf er hinaus wollte, aber ich nickte langsam. „Ja, ein bisschen.“ murmelte ich erhitzt, bevor ich mich ungeachtet seiner Worte wieder seinem Hals widmete. „Lorenor!“, lachte er leise und ich sah auf. „...was?“ murrte ich. Er lächelte und ich versank mit ihm in diesem Augenblick. „Ich wollte damit doch nur andeuten, das wir alles weitere vielleicht ins Schlafzimmer verlegen sollten.“ Ich nickte langsam; ja, er hatte recht, hier war zu wenig Platz und der Boden war hart und ungemütlich. Das Bett bot sich da schon viel mehr an. „Okay.“ Ich erhob mich langsam, er hielt sich an meinem Hals fest, feste an mich gedrückt, völlig unwillig mich los zu lassen, und während wir uns ein weiteres Mal leidenschaftlich küssten tappten wir im Einklang in Richtung Schlafzimmer, die nackten Füße machten klatschende Geräusche auf dem Boden und während ich ihm brav in seine Gemächer folgte, verlor ich noch den letzten Rest Selbstbeherrschung. Scheiß doch was drauf. Dieser Abend sollte nicht daran scheitern, das ich nachdachte. Dafür fühlten sich seine Küsse an meinem Hals einfach zu gut an. - - - - - - - - - - - - - - „Liebe geht noch immer durch den Magen.“ - Unbekannt. - - - - - - - - - - - - - Ich wurde am nächsten Morgen nicht wie ich erwartet hatte durch sanfte Berührungen in meinem Gesicht wach, nein – mich weckte das schrille Geräusch der Türklingel. Ich blinzelte, meine Augen waren verklebt und mein Körper fühlte sich matt und kraftlos an. Neben mir spürte ich Sanjis Körper; sein Arm lag eng an meinem, ich spürte seine weiche Haut und lächelte, als ich sein engelhaftes Gesicht vollkommen ruhig neben mir liegen sah. Ich seufzte, als ich die Spuren des vorherigen Abends an ihm begutachtete. Ein paar Kratzer an der Schulter, an seinem Brustkorb befand sich ein recht großer Knutschfleck und auch an anderen Stellen hatte er ein paar Schrammen ab bekommen. Das tat mir nachträglich natürlich schrecklich leid; ich hatte ihm schließlich nicht weh tun wollen. Allerdings hatte er gestern Abend auch keine Einwende gehabt und ich war ja auch nicht verschont geblieben. Mein Rücken schmerzte, als ich mich aus den Federn kämpfte, leise, damit er nicht wach wurde. Im Spiegel an der Wand erkannte ich nach einigen Verrenkungen drei lange, rote Kratzer. Oha. Das Klingeln ertönte erneut und ich hörte, wie der Blonde sich unruhig im Bett wälzte. Welcher Spasti klingelte bitte um diese Uhrzeit? Wenn der Digitalwecker nicht irgendwie stehen geblieben war, dann war es kurz nach acht, eine absolut unmenschliche Uhrzeit um zu stören. Aber die Klingel ertönte sogar noch ein drittes mal, es bestand kein Zweifel, irgendwie schien es dringend zu sein. Ich öffnete die Tür vorsichtig, eigentlich sinnlos bei der Tatsache das die Geräuschkulisse Sanji auch noch nicht geweckt hatte, und schlich mich ins Wohnzimmer, wo ich mir Boxershorts und Hose wieder überzog. Egal wer da vor der Tür stand, er würde gleich etwas von mir zu hören bekommen. Scheiße, verdammte! Wie sah das denn aus, wenn ich jetzt so aufmachte? Da konnte ich gleich anfangen nasal zu reden und zu sagen 'Der Süße steht noch unter der Dusche.' Oder sowas. Es klopfte mehrmals heftig an die Tür und ich verdrehte die Augen. Wenn das jetzt eine schrullige Nachbarin war, für die wir letzte Nacht zu laut gewesen waren, dann aber Prost Mahlzeit. Der würde ich was auftischen. Doch als ich an die Tür heran trat und sie gerade öffnen wollte, das grimmige Gesicht schon aufgesetzt, da ertönte von der anderen Seite her eine Stimme, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Sanji? Sanji! Ich weiß genau das du da bist, verdammt, mach auf! Du hast gesagt du rufst an, und was hast du getan? Nichts hast du getan, seid 5 Tagen warte ich jetzt schon auf deinen Anruf, verdammt, wenn du mich nicht magst, dann vögel mich gefälligst auch nicht!“ Nami. Himmel Herrgott. Vor der Tür stand Nami. Kapitel 15: Somebody told me, you have a girlfriend who looks like a boyfriend?! -------------------------------------------------------------------------------- ~ Reich & Schön! ~ N0. 16 – Somebody told me, you have a girlfriend who looks like a boyfriend?! Mein Herz setzte eine Sekunde aus, nur eine Sekunde, doch es reichte aus um mich nach Luft schnappen zu lassen. Oh verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt. Das durfte nicht wirklich passieren. Aber ich hörte sie. Ich hörte ihre Fäuste gegen die Tür hämmern, hörte ihre nervige Stimme an mein Ohr dringen. Ich hörte sie fluchen, kreischen, fauchen, heulen. Keine Ahnung, was die wieder ritt. Ich kannte Nami jetzt schon verdammt lange, ich hatte sie oft so erlebt, und nie hatte ich eine besondere Freude dabei empfunden. Aber ich wusste, was das bedeutete. Das bedeutete, das Nami verdammt noch mal verletzt war. In meinem Kopf rauschte es. „... verdammt, jetzt mach auf! Willst du, das ich mir die Hände breche?“ Das wollte er sicher nicht, schoss es mir durch den Kopf. Aber er konnte ja nicht riechen, das du vor der Tür stehst, liebste Nami. So, jetzt war guter Rat teuer. Was konnte man schon groß tun gegen eine wahnsinnige Furie die einem den Kopf abriss, sobald man die Tür öffnete? Oh, ich sah es lebhaft vor mir. Ich öffnete zaghaft die Tür, kurz darauf hatte sie meinen grünen Haarschopf in der Hand, zerrte so lange an ihm bis sie in seinem Besitz war. Super. Klasse. Wieso ich nicht auf die Idee kam, Sanji zu wecken – keine Ahnung. Es kam mir einfach nicht in den Sinn. Ich schloss die Augen, um ihr wahnsinniges Gebrüll nur für kurze Zeit von meinen Ohren fern zu halten, und überlegte. Spontan fiel mir ein Spruch ein, den ich mal irgendwo in einem dummen kleinen Internetforum gelesen hatte. Ich hatte ihn damals total sinnfrei gefunden, ja sogar bescheuert. 'Das einzige, was uns bleibt, ist die Flucht nach vorn'. Die Flucht nach vorn. Endlich verstand ich, was dieses Satz bedeutete. Scheiße nochmal. Mir blieb wirklich nur die Flucht nach vorn. Das Problem am Schopf packen und so lange gegen die Wand schlagen bis es Ruhe gab. Das war jetzt die Devise. Ich war mir wohl selten einer Sache so sicher gewesen wie in diesem Moment. Ich streifte mir mein Shirt über, machte mir aber nicht die Mühe es zu zuknöpfen, ließ es einfach offen. Ich entschied, das ich so viel rebellischer wirkte. Mit ein paar weiten Schritten auf dem fast warmen Holzboden stand ich vor der Tür. Ich ließ mir die Zeit, noch einmal tief durch zu atmen, bevor ich öffnete, während sie das Holz zerkratzte und jaulte wie ein ausgesperrter Hund. Dann drückte ich die Klinke nach unten und riss die Trennwand zwischen mir und ihr wortwörtlich auf. Für eine halbe Sekunde starrten wir uns an. Ihre Augen weiteten sich überrascht, als sie mich erkannte, doch ich sah es nicht ein mich von ihrem Blick beeinflussen zu lassen. Ich war ein Mann. Ein Gott verdammter Mann! Ich würde das jetzt durchziehen. Eiskalt. So, wie ich eben eigentlich war. Solange Sanji 2 Meter Abstand hielt. Oder vielleicht eher 100 Meter. Pufferzone so zusagen. Sie öffnete den Mund, wahrscheinlich um irgendeinen verblüfften Kommentar los zu werden, aber ich war – das erste Mal in meinem Leben – schneller als sie. Ich polterte los, als wäre ich schon immer so spontan gewesen. „Sag mal, geht’s dir noch gut? Reißt hier mitten in der Nacht fast die Tür ab, ich glaub es hackt! Ich weiß, du findest nie Schlaf, weil dein Hirn ständig darüber grübelt wie du an weitere Moneten kommen könntest, aber es gibt auch Menschen auf der Welt, die um diese menschenverachtende Uhrzeit noch schlafen. Und rein zufällig zählen Sanji und ich dazu.“ Schweigen, selbst als ich die kurze Kunstpause ließ sagte sie nichts. Ich hatte ihr wortwörtlich die Sprache geraubt. Das gefiel mir. „Wenn du also die Güte haben könntest, nicht weiter auf diese Klingel da zu drücken oder diese Tür zu demolieren? Ich würde nämlich gern noch etwas schlafen. Oder seh ich aus, als wär ich ausgeschlafen? Hm? Nee, oder? Also. Lass es sein, oder ich lass mir was einfallen, wie ich dich von hier weg kriege. Und glaub mir, mir wird was verdammt Gutes einfallen.“ Nach einer richtigen Drohung klang das nicht, aber zumindest hatte ich es ihr irgendwie gezeigt. Ich hatte ihr mal so richtig meine Meinung gegeigt. Wow. Was für eine Leistung. Einer überrumpelten, verwirrten Frau die Meinung zu geigen. Genial. Ich sollte mich auf der Stelle Notschlachten lassen. „Verschwinde jetzt. Sofort. Gute Nacht.“ Mit diesen Worten knallte ich kraftvoll die Tür vor ihrer Nase zu. Es fühlte sich so unbeschreiblich genial an, als ich ihre Schritte hörte, die sich langsam den Gang hinunter entfernten. Als ich hörte, wie sich der Aufzug schloss. Dieses Gefühl raubte mir jeden Verstand, ich hätte am liebsten gesungen und getanzt. Einfach genial, einfach unbeschreiblich, wie sie geguckt hatte. Zum schießen. Ich lachte tatsächlich, hielt mir beide Hände vor das Gesicht und lachte, vollkommen gedankenlos, einfach nur ergriffen von diesem Moment. Dann hörte ich seine Stimme. „Was... ist denn los...?“ Als ich ihn hörte, wurde mein Denken langsam klarer, was auch damit zusammen hängen konnte, das ich seine Stimme als so angenehm in meinen Ohren empfand. Aber diesmal brachte seine Stimme keine Entspannung, sie ließ keinen Schauer über meinen Nacken jagen. Sie brachte die Klarheit und somit mein Hirn zurück. Und ich begann, nach zu denken. Mir wurden innerhalb weniger Sekunden mehrere Dinge klar. Zum einen hatte ich mich gerade offiziell – oder auch inoffiziell, je nachdem wie man es auslegte – als schwul geoutet. Nach dieser Geschichte würde Nami sicher nicht vor dem Berg halten, was hier abgegangen war. Sie wollte schließlich nicht, das ich Geschichten über sie erzählte, logisch. Da erzählte sie lieber was über mich. Des weiteren hatte ich mir bis jetzt noch gar keine Gedanken darüber gemacht, was das eigentlich bedeutete, das Nami hier war. Hier gewesen war. Sie hatte sicher nicht vor der Tür gestanden und Terror gemacht, weil ihr das so viel Spaß machte. Sie hatte da gestanden, weil sie verletzt gewesen war. Zutiefst verletzt. Das hatte man in ihren Augen sehen können und ich hatte es an ihrer Stimme gehört. Das wieder rum bedeutete, das Sanji sie verletzt hatte. Um jemanden verletzen zu können, musste der andere aber auch Gefühle für einen haben. Und das ließ mich die finale Schlussfolgerung ziehen, das Nami etwas für Sanji empfand. Oh mein Gott. Als ich sein Gesicht sah, war mir das Lachen schon vergangen. Ich lehnte mit ernstem Gesicht an der Tür, auch wenn ich gar nicht bemerkt hatte das ich mich angelehnt hatte. „Lorenor..?“, hörte ich ihn sagen, aber ich reagierte nicht darauf. Die zwei hatten etwas mit einander gehabt, und die Tatsache das Nami... Gefühle... für ihn hatte, bedeutete das da mehr gewesen war als ein One Night Stand. Da musste einfach mehr gelaufen sein. Anders konnte man sich das nicht erklären. Er kam immer näher und ich flehte ihn in Gedanken an, Abstand zu halten. Ich konnte nicht klar denken wenn er so nah bei mir stand, und ich brauchte jetzt einen klaren Kopf. Ich musste damit erst mal umgehen. Der kleine Tumor in meinem Magen schwoll an, verwandelte sich in etwas anderes, verwandelte sich in ein unglaublich herablassendes Gefühl des verarscht worden seins. Dieser verdammte Mistkerl. „Hey, geht’s dir nicht gut?“ Ich hob den Kopf, sah ihm ins besorgte Gesicht. Besogt. Pah. Ein Schauspieler war er, und dazu noch ein verdammt guter. Vielleicht war das ja sogar sein Nebenjob. Würde ja passen. „Wer ist da an er Tür gewesen?“ Ich hätte ihm am liebsten ins Gesicht gelacht. „Deine Geliebte.“ hörte ich mich sagen und beobachtete, wie sich seine Augen verwirrt weiteten. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, das dieser Körper mir gehörte, viel mehr sah ich durch diese Augen wie durch ein Fenster und beobachtete alles wie ein Wissenschaftler. „...wer?“ Musste man ihm das wirklich erklären? So alt war er doch noch nicht, das er Alsheimer haben konnte. Obwohl. Das trat eventuell in jedem Alter auf. Er kannte sich da nicht so aus. „Na deine Geliebte. Nami. Ich hab sie weg geschickt, du hast noch geschlafen. Kannst sie ja anrufen. Und sagen, das es dir Leid tut, das dein Haussklave sie so angefahren hat.“ Nun sah ich Verstehen in seinen Augen auf blitzen. Das hatte aber verdammt lange gedauert. „Lorenor, das...“ Er schien an meiner Stimme gehört zu haben, wie toll ich das alles fand. Total klasse. Ich stand auf so ne Scheiße. „Ich gehe.“ Mein Körper erhob sich, ohne das ich ihn wirklich steuern konnte, und schob sich an ihm vorbei. „Lorenor, du verstehst da was total falsch! Das... das war doch was total anderes!“ Ich schnaubte. „Ach ja? Na dann. Ist es für dich also was total anderes, ob du nun nen Mann in die Kiste bekommst oder ne Frau. Schon klar. Ich hoffe, es hat dir wenigstens Spaß gemacht, mich als Schwuchtel hinzustellen.“ Ich klang so ruhig und gleichzeitig so beherrscht, das ich ein wenig Angst vor mir selbst bekam. Normalerweise, wenn ich so klang, gab es kurz darauf etwas aufs Maul. Und ich wollte ihn nicht schlagen. Obwohl ich in diesem Moment fast platzte vor Wut, Enttäuschung und Trauer. Ich wollte ihm nicht weh tun. Nicht körperlich. „Lorenor...“ Mir konnte er nichts mehr vorspielen. Die Trauer in seiner Stimme war nicht echt, nein. Ich sah ihm nicht ins Gesicht. „Nichts Lorenor. Es hat sich ausgelorenort.“ Tada! In angespannten Situationen neigte ich dazu, neue Wörter zu erfinden. Und ausgelorenort hörte sich schon verdammt cool an. „Das... kann doch nicht dein Ernst sein! Lass mich das erklären, bitte!“ Nein, das würde ich nicht. Er konnte mit sich selbst reden. Konnte sich überlegen, was an seiner fast perfekten Taktik falsch gelaufen war. Scheiße. „Ich gehe jetzt.“ betonte ich erneut, als ich mir fix das Hemd zuknöpfte. Ich hörte seine Schritte hinter mir auf dem Boden. „Du... kannst doch nicht einfach verschwinden!“ Tränen für die Kunst. Wahrscheinlich hatte er sich Tigerbalm unter die Augen geschmiert oder sowas. Verdammter Schauspieler. „Du verstehst das total falsch! Ja klar, ich hatte was mit ihr, und das weißt du auch, und ja, ich war auch mal mit ihr Essen, das kann ich nicht leugnen, ich will dich ja nicht anlügen oder sowas..“ Ich lachte auf. „Ach, willst du nicht? Dann bagger mich das nächste mal einfach nicht an, okay?“ Das ich den Kopf gehoben hatte, war ein Fehler gewesen. Scheiße nochmal. Wieso ging er nicht einfach weg? Ich brauchte einen gewissen Sicherheitsabstand zwischen unseren Körpern. Ich ertrug seine Nähe nicht länger. Ich ging zur Garderobe und streifte mir meine Jacke über. Ich fragte mich, wieso ich nicht schon längst verschwunden war, wieso ich alles so in die Länge zog. Dumme Frage. Alles in mir schrie danach, das er mir endlich eine vernünftige Ausrede lieferte. Eine, die ich glauben konnte. Aber er redete einfach nichts schön. Das machte mich noch wütender. „Ich bitte dich, geh nicht!“ Konnte der nicht endlich aufhören zu betteln? Die Entscheidung war gefallen. Ich schlüpfte in meine Schuhe, ohne sie zu zu machen. „Lorenor, verdammt!“ Ich spürte, wie er an meiner Jacke zerrte, ich griff nach seiner Hand und hielt sie fest. Eine gute Sekunde starrten wie uns in die Augen. Mein Herz raste wie verrückt, als ich seinen Blick auf meinen Lidern brennen spürte. „Vergiss es, Sanji. Auf so eine Scheiße hab ich keinen Bock. Such dir jemand anderen, den du verarschen kannst.“ Das hatte gesessen. Ich sah, wie sich sein Gesicht auf seltsame Weise verzog, wie seine Augen kleiner wurden und er den Mund zusammen kniff. Ich beobachtete, wie weitere Tränen seine Wangen hinunter liefen. Ich ließ ihn wieder los. Ich hatte eine kleine rote Spur auf seinem Handgelenk hinterlassen. Scheiße. Er sagte nichts mehr, sah mich nur an mit seinem flehenden Blick, und ich spürte wie sich alles in mir sträubte, ihn jetzt allein zu lassen. Ich war ein Mann. Ein Mann. Ein Mann. Auch wenn man davon nicht mehr viel merkte. Ich benahm mich wie eine betrogene Frau. Ich fühlte mich auch wie eine. Also hatte ich irgendwie die Berechtigung. „Man sieht sich.“ Ich drehte mich um, es fiel mir schwer, als ich sein Gesicht nicht mehr sah mich nicht wieder umzudrehen, doch ich zog es durch. Ich öffnete die Tür und ohne einen weiteren Ton zu sagen oder an meine Ohren dringen zu lassen trat ich hinaus und schloss sie wieder. Von der anderen Seite der Tür her hörte ich etwas poltern, dann einen Aufschrei. Erschrocken drehte ich mich um, wagte es aber nicht noch einmal zurück zu gehen. Ich wusste, was das für mich bedeutet hätte. Ihm war schon nichts passiert. Hoffte ich. Der Aufzug lag still da wie das geöffnete Maul eines Fischs, der nur darauf wartet das ein kleinerer Zeitgenosse vorbei schwimmt, den man fressen konnte. Mich konnte er haben. Ich opferte mich freiwillig. Die automatischen Türen schlossen sich hinter mir und ich starrte die Knöpfe für die verschiedenen Stockwerke an, als hätte ich sie noch nie gesehen. Was nun? Wohin mit mir? Vorerst drückte ich den Kopf in mein Stockwerk. Mir wurde schlecht, als sich der Aufzug in Bewegung setzte. Ich hielt mich an der Wand neben mir fest. In meinem Kopf rauschte und kreischte es, als würde eine Kreissäge mein Hirn bearbeiten. Ich glaubte, jetzt auf der Stelle sterben zu müssen. Was ich als nicht so schlimm empfunden hätte, schoss es mir durch den Kopf. Das wäre schon okay gewesen. Die schönste Zeit in meinem Leben, die sich auf einen Tag und eine Nacht beschränkt hatte, war vorbei. Damit war das jetzt auch geklärt und ich konnte in Ruhe abtreten. Aber das wäre sicher nicht so ein schönes Bild für die Mitmieter, wenn ich da tot im Aufzug lag. Da würde dann nur die Frage aufkommen, wer das wegmachen sollte. Die Türen öffneten sich wieder, ich taumelte hinaus, auf meine Tür zu, verwirrt und irgendwie leer. Ich überlegte ernsthaft, mich einfach da hinzulegen wo ich gerade stand und zu warten. Aber worauf? Das der Tod eintrat? Das ich verwest war? Das mich irgendwer fand und den Arzt rief? Oder vielleicht darauf, das er zu mir kam, mich einsammelte und weg warf, wie er es jetzt schon einmal getan hatte? Vielleicht übertrieb ich ja auch. Ich übertrieb ganz sicher. Das mit dem Mann sein hatte sich wohl endgültig erledigt. Ich schloss mit zittrigen Händen meine Tür auf, betrat meine Wohnung. Die Stille umhüllte mich, als ich sie wieder schloss, und ich fühlte mich auf einmal so allein wie noch nie in meinem Leben. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als ich den Kopf drehte und mich langsam umsah. Hatte sich natürlich nichts verändert. Und doch tat es weh, alles so zu sehen, wie es war. Alles so unverändert betrachten zu müssen. Ich schloss die Augen, um mich zu beruhigen. Sicher war das eigentlich alles gar nicht so schlimm. ... und ob das schlimm war. Zuerst hatte dieser Mistkerl mich zu einer Schwuchtel gemacht, mich weich gemacht, und dann verarschte er mich nur, machte mich zu einem seiner Spielzeuge. Aber nicht mit mir. Verfickt! Als ich die Augen wieder öffnete beobachtete ich vollkommen emotionslos meine Hände, die meine Kommode umwarfen, den Fernseher umfegten, mein Sofa um stießen und alle Bücher aus dem Regal rissen. Ich beobachtete mich selbst, wie ich erst mein Wohnzimmer total zerlegte, dann weiter durch den Flur wütete und in der Küche alle Teller auf den Boden warf, das Besteck klirrend fallen ließ und Töpfe und Pfannen aus dem kleinen Fenster schmiss. Jetzt drehte ich echt komplett am Rad dachte ich grinsend, als ich in meinem Schlafzimmer die Bezüge zerriss. Nach knapp 20 Minuten war alles vorbei. Ich stand vollkommen erschöpft im Flur, betrachtete die Bilder, die mit zersprungenen Rahmen auf dem Boden lagen. Ich wollte sie nicht mehr sehen. Ich wandte den Kopf und betrachtete mein Wohnzimmer, das einem Schlachtfeld glich. Bücher, Bilder, Möbelstücke, Deko – alles lag verstreut auf dem Boden, die meisten größeren Möbel waren umgeschmissen. Zum Teil sogar kaputt. Ich ergötzte mich an diesem Bild der Zerstörung, bis mir auffiel das es schon wieder so schrecklich leise war. Ich sah aus dem Fenster. Es regnete Bindfäden. Besser konnte es nicht laufen. Ich ging durchs Wohnzimmer, stöpselte ihm vorbeigehen das Telefon aus und schnappte mir meine Kamera, die wie durch ein Wunder heil geblieben war. Ich hatte mich nicht entkleidet, was ein Vorteil war, ich schnappte mir noch den roten Schirm den Ace mal bei mir vergessen hatte und verließ ziemlich eilig meine Wohnung. Ich schloss nicht mal ab. Normalerweise bekam in diesem Haus schnell mal was Beine, aber ich glaubte nicht das da drin jetzt noch was wertvolles zu finden war. Ich nahm die Treppen, ich wusste nicht wieso, es fühlte sich besser an, ich lief alle Stufen hinunter, nahm sogar ab und an 2 auf einmal. Unten angekommen ließ ich mir keine Verschnaufpause, ich machte den Schirm auf und lief los, rannte die Straße hinauf, nicht in Richtung Innenstadt sondern in Richtung Park. Die Bewegung tat mir gut, ich begann mich besser zu fühlen, erschöpft aber gut. In meinem Kopf rasten die Gedanken wie in einer Achterbahn. Ich musste sie zum halten bringen. Der Park war nicht weit entfernt, die Bäume waren rot und gelb und bräunlich gefärbt, der Herbst hatte ihnen die schönsten Farben geschenkt. Ich hielt den Schirm in die Höhe, er färbte meine Haut rötlich, was mir irgendwie ein sommerliches Gefühl verlieh. Ich hielt die Kamera in die Höhe und begann Fotos zu machen. Von mir, von den Bäumen, vom Himmel. Aber die Meisten machte ich von mir. Ich stellte sie auf eine Bank, stellte den Schirm so über sie das sie nicht nass wurde und machte ein paar Einstellungen, sodass sie in wenigen Minuten mehrere Fotos machte, ohne das ich einen Knopf drückte. Der Regen begann auf der Stelle meine Kleidung zu durchtränken, ich spürte ihn auf meiner Haut und in meinen Knochen. Ein wunderbares Gefühl der hilflosen Schönheit ergriff mich, als ich, vor Nässe triefend, über die Rasenfläche vor der Kamera rannte, in die Luft sprang, die Arme ausbreitete und den Regen wirken ließ, als ich anfing zu singen und zu tanzen nur um die Stille zu vertreiben, nur um mir zu zeigen das ich nicht wahnsinnig geworden war. Baby, that's yust the way it is, Baby! Wenige Passanten kamen vorbei, die mich aber allesamt gleich verstört betrachteten. Ich drehte mich noch ein paar Mal im Kreis, bevor ich mich keuchend und vollkommen am Ende auf die Wiese fallen ließ. Mein Haar verschmolz mit dem Untergrund. Ich fühlte mich auf angenehme Weise unsichtbar. Während ich die Augen schloss und auf mein Ende wartete, fragte ich mich, was aus mir geworden war. Kapitel 16: I think i saw you crying. ------------------------------------- ~ Reich & Schön ! ~ N0. 17 – I think i saw you crying. Als ich meine Augen aufschlug und mich vorsichtig im Raum umsah, wusste ich weder genau, wer ich war, noch wie ich hierher gekommen war. Mein Herzschlag beruhigte sich allerdings wieder, als die Erinnerung zurück kehrte – nicht nur an meinen Namen, sondern auch an diesen Ort. Ich lag in meinem Bett in meiner Wohnung. Beruhigt sackte ich wieder nach hinten, ließ meinen Kopf wieder in das weiche Kissen fallen und atmete schwer aus. Ich fühlte mich gar nicht gut. Mein Kopf war schwer und irgendwie voll, meine Augenlider verklebt, meine Knochen schmerzten und mein Magen knurrte wütend. Wies alles auf eine klassische Erkältung hin. Na super. Ich war noch nie in meinem Leben krank gewesen.. und jetzt gleich zwei Mal hinter einander? Ein seltsamer Zufall. Wie hatte ich mir den Schnupfen nur einfangen können? Als mir auffiel, das ich mich nur bruchstückhaft bis gar nicht an den Vortag erinnern konnte, wurde mir wieder etwas mulmiger. Okay. Irgendwas stimmte nicht mit mir. Man verlor doch nicht einfach so das Gedächtnis? Da ich aber zu faul war um aufzustehen, blieb ich liegen und griff nach dem Digitalwecker neben mir. Es musste früh sein, das erste Licht des Tages drang durch meine Fenster hinein, und tatsächlich, es war kurz nach halb neun. Ich durchforstete mein Hirn nach irgendeinem Termin, der heute eingehalten werden musste, doch ich konnte mich an keinen erinnern, also hoffte ich das Beste und schloss erneut die Augen. Wenn jemand was von mir wollte, konnte er ja anrufen. Dieser Gedanke wirkte so ernüchternd auf mein Hirn, weckte es so brutal aus seinem erinnerungstechnischen Tiefschlaf, das ich erschrocken aufkeuchte und mir mit der rechten Hand an den Kopf packte, als der Vortag mich fast mit seinen Ereignissen erschlug. Niemand konnte mich anrufen. Ich hatte das Telefonkabel aus der Buchse gezogen. Ich blinzelte, als ich glaubte, die Erinnerungen verarbeiten zu können, und richtete mich schwerfällig auf. Es war kein Wunder, das ich erkältet war. War ja auch furchtbar intelligent, wie ein Vollidiot 'I'm singing in the rain' nach zusingen; und zu tanzen. Ich sollte mir echt mal ein vernünftiges Hobby anschaffen. Mein nächster Gedanke galt meiner Wohnung. Und schon traf mich der zweite Schock an diesem Morgen. Man verschonte mich offensichtlich nicht und ich befürchtete, das dies ein echter Scheißtag werden würde. Denn mal ganz abgesehen davon, das ich in frischen Lacken lag, mein Bett neu bezogen war und gewaschen roch, konnte ich von meinem Bett aus den Flur erkennen – sauber und ordentlich. Da hatten Bilder auf dem Boden gelegen, kaputte Bilder, die Rahmen waren zersprungen gewesen. Ich schloss die Augen und keuchte angestrengt. Hatte ich das etwa alles nur geträumt? War das alles einfach nur ein schrecklich langer – sich über Tage hinweg ziehender – Albtraum gewesen? Eine zuckersüße Vorstellung, die mir gefiel. Ich hatte Sanji nie kennen gelernt, wir waren uns nie über den Weg gelaufen, niemals, ich hatte nicht bei ihm gearbeitet und auch mit ihm geschlafen hatte ich nicht. Nami hatte nie von uns erfahren und ich hatte mich nie in diesen Zwiespalt gebracht. Wunderbar. Das wäre zu schön um wahr zu sein. Unter größten Anstrengungen hievte ich meinen Körper aus dem Bett, ließ die Füße auf den Boden sinken und genoss die Kälte, die mich durchzuckte. Sie war angenehmer als die Hitze in meinem Kopf, die mich träge machte. Fieber? Ich wusste es nicht genau. War jetzt auch erst mal nicht so wichtig. Ich musste mir meine Wohnung ansehen. Musste sehen, ob ich geträumt hatte oder eben nicht. Und als ich in den Flur sah, glaubte ich wenige Sekunden tatsächlich, das alles nur ein Traum gewesen war. Von der Verwüstung war rein gar nichts mehr zu sehen. Man musste bemerken, das keine Bilder mehr an der Wand hingen, aber auch der Boden wirkte eher wie geleckt. Ich wandte meinen Kopf ungläubig zum Wohnzimmer. Was war hier nur los? Alles stand wieder an seinem Platz. Fernseher, Sofa, Kommode. Die Bücher waren wieder eingeräumt, nichts lag mehr auf dem Boden. Ich hörte meine Schritte auf dem Boden widerhallen, als ich langsam durch die Wohnung ging um alles genauer zu begutachten. Ich musste mich an Türrahmen der Küche festhalten, als ich die Arbeitsplatte betrachtete, die eindeutig nochmal gewischt worden war. Kein einziges Staubkorn war zu entdecken, die Wohnung wirkte wie neu gekauft. Oh mein Gott. Das war nicht mehr seltsam. Das war unheimlich. Gruselig. Wer um Himmels willen war in meiner Wohnung gewesen? Nur, um auch absolut sicher zu sein, das der Fremde sich nicht noch irgendwo in einer dunklen Ecke befand, durchsuchte ich das Bad, die Schränke und ich sah sogar hinter jede offene Tür. Ich musste mir eingestehen, das ich das alles ziemlich bedenklich fand. Da wusste jemand, wo ich wohnte. Und wo all meine Sachen hingehörte. Vielleicht war es ja Frankie gewesen? Vielleicht hatte der mich ja gefunden, und als er Ordnung gemacht hatte, war er wieder verschwunden. Kopfschüttelnd ließ ich mich auf meinem Küchenstuhl sinken und stierte auf den blanken Boden. Nein. Das passte nicht zu Frankie. Erstens konnte der das Wort Ordnung nicht mal richtig schreiben, zweitens hätte der nicht einfach die Mücke gemacht. Der lebte doch quasi vom Ruhm. Mit einer guten Tat brüstete er sich nur zu gern. Vielleicht sollte ich mir einen Kaffee machen. Ja, das war eine gute Idee. Ich erhob mich wieder, meine Füße fühlten sich schwer an, mein Kopf ebenfalls, meine Hände steif und mein Nacken gebrechlich. Außerdem lief meine Nase. Oh ja, das würde ein echter Scheißtag werden. Ich sah es schon vor mir. Wahrscheinlich hatte ich wirklich Fieber. Als ich den Schalter meiner Kaffeemaschine umlegte und kurz auf die Uhr sah, fiel mir ein, wie ich testen konnte, ob all das nur ein Traum gewesen war.. oder eben nicht. Vielleicht war ich ja auch einfach nur eingeschlafen, als ich krank geworden war, und hatte diesen total verrückten Traum geträumt. Ich schliff meinen Körper ins Wohnzimmer und unterzog den Raum einer zweiten Untersuchung. Sogar das Telefonkabel war wieder in der Steckdose, als wäre nichts passiert. Ich schlüpfte in meine Schuhe, griff nach meiner Jacke. Ich war einfach viel zu verwirrt. Das konnte doch alles nicht sein! Wie war das nur möglich? Ich schnappte mir meinen Schlüssel, der auf der Kommode lag, und verließ die Wohnung. War das nur ein Traum gewesen? Der Aufzug kam klappernd an, ich betrat ihn und drückte den entsprechenden Knopf. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich fragte mich, was ich wohl tun würde, wenn alles nicht die Realität gewesen war. Wenn mich an dieser Tür tatsächlich nicht Sanjis Klingelschild erwartete, sondern das Schild eines vollkommen Fremden. Was würde ich dann tun? Ich konnte es nicht sagen, und als ich in den Flur hinaustrat wusste ich nicht mal mehr,ob ich wirklich wissen wollte, was jetzt die Realität gewesen war und was nicht. Vielleicht war es besser so, einfach zu vergessen. Einfach zu sagen, das es niemals passiert war. Dann konnte ich den Vortag einfach als schlechten Traum abstempeln und in Ruhe sterben. Ohne mir Gedanken darüber machen zu müssen,das ich eventuell schwul war. Was ich natürlich nicht war. Unsinn, Lorenor Zorro und schwul? Das passte ja wohl ebenso wenig wie die Faust aufs Auge. Oder wie der Arsch auf den Eimer. Schritte hinter mir. Ich wagte nicht mich um zudrehen, mein Herz machte einen Salto, ich hielt fast automatisch die Luft an, ging aber weiter. Die Schritte hinter mir wurden leiser. Und auch ich blieb stehen. Oh Himmel, bitte nicht. Bitte, er darf es nicht sein. „Guten Morgen – kann ich was für sie tun?“ Überrascht drehte ich mich um und starrte der Quelle dieser wunderbar sanften Stimme in die Augen. Hinter mir stand die Frau im roten Kleid. Ich konnte es nicht fassen. Mein Mund klappte nach unten, ich war zu nichts weiter fähig als sie anzustarren und Wind durch meinen Hals wehen zu lassen. Sie trug heute kein Kleid, eine hautenge Hüftjeans betonte ihren eleganten Körper und ein niedlicher, roter Rollkragenpullover ließ ihre blauen Augen strahlen. Ich fragte mich, wie ein Mensch allein so verdammt hübsch sein konnte. „Äh...“ war meine vollkommen überforderte Antwort. Sie blieb vor mir stehen und lächelte. Ihre Zähne glänzten mir weiß entgegen. Ich befürchtete, zu erblinden. „Ich will sie nicht aufhalten, aber mir scheint, sie wollen in dieselbe Wohnung wie ich.“ Ich drehte mich erst um, betrachtete die braune Tür die ich für Sanjis hielt, dann starrte ich ihr wieder ins Gesicht. „Kann... schon sein?“ gab ich verunsichert von mir. Wieder dieses Lächeln von ihr. „Moment, ich schließe auf.“ Sie schob sich an mir vorbei, zog aus ihrer kleinen weißen Handtasche einen Schlüssel, stecke ihn ins Schloss und drehte ihn. Die Tür ging auf. Ich starrte sie entsetzt an. Die... wohnte doch nicht etwa hier? Mir schien, das meine Befürchtung bestätigt worden war. Das war alles tatsächlich nur ein Traum gewesen. Ein sagenhafter, seltsamer Traum, in dem alles total schief gelaufen war. Es gab gar keinen Sanji. Wahrscheinlich gab es nirgendwo jemanden auf dem Planeten mit so einem Namen. Ich hatte ihn mir zusammen gesponnen. Vielleicht wegen dem Fieber. Eine Halluzination. Vollkommen durch den Wind folgte ich ihr, ohne sie zu fragen ob ich eintreten durfte. Ich wollte mich setzen. „Kann ich ihnen etwas anbieten?“ Ich sah auf. Meine Gedanken fuhren erneut Achterbahn. „Nein, ich meine, danke, nein, ich möchte nichts.“ Mir wurde schwindelig, als ich die Inneneinrichtung betrachtete. Hier war alles wie.. in meinem Traum. Alles am selben Platz. Das hier war Sanjis Wohnung. Verfickt, was war hier nur los? „Sie sehen verwirrt aus.“ Sie hatte sich vor mich gesetzt, und erst jetzt fiel mir auf das ich mich auf dem Sofa nieder gelassen hatte. Sie saß auf dem Couchtisch. Sie schien sich hier aus zukennen. Hilfe, in mir drehte sich alles! „Das bin ich auch.“ gestand ich und ließ den Kopf in den Nacken fallen. Sie lächelte. „Sie hatten wohl jemand anderen erwartet.“ In mir begann eine schrille Klingel an zuspringen. Ich hob den Kopf. „Allerdings. Woher wissen sie...?“ - „Ich wohne hier nicht, wenn sie das glauben.“ Sie schien nur aus einem einzigen Lachen zu bestehen. Es gefiel mir auf seltsame Weise. „Mein Bruder wohnt hier.“ BAM! Ein einziger, kleiner Satz, der mich ohne große Probleme von den Füßen gefegt hätte, hätte ich nicht gesessen. Das konnte jetzt EINFACH nicht ihr ernst sein! Ihr Bruder. Oh mein Gott. Erst jetzt fiel mir diese verdammt krasse Ähnlichkeit auf. Ihre blonden, weichen Haare. Ihre dunkelblauen Augen. Ihr unbeschreiblich einnehmendes Lächeln. Ihr wunderbarer Körper. Scheiße, ich war so ein Blindfisch! Wieso war mir das nicht schon vorher aufgefallen? Mir entwich ein überrumpeltes „Oh...!“, als ich mich zurück lehnte und sie mit weit aufgerissenen Augen ansah. Sie lächelt nur wissend. „Und du musst Lorenor Zorro sein, habe ich Recht?“ Ich sagte nichts dazu, da ich viel zu sehr damit beschäftigt war, den Kopf zu senken und an irgendwas anderes zu denken, damit sie nicht sah, wie mein Gesicht sich langsam rot färbte. „Du bist also der Kerl, der meinem kleinen Bruder so den Kopf verdreht hat.“ BAM! Wieder ein Schlag in die Magengrube, diesmal aber fester, sie hatte Nieren und Leber erwischt, scheiße. Runde eins ging eindeutig an ihre Wenigkeit. Ich sah nicht auf. „Da müssen sie mich verwechseln.“ Sie hob die Augenbrauen. „Sie sind nicht Lorenor Zorro?“ - „Doch doch...“ Ihr Lächeln machte mich nur noch nervöser. Ich spürte, wie meine Ohren rot anliefen. „Na also.“ Ich seufzte erleichtert auf, als sie sich erhob und ein paar Schritte durch den mir so vertrauten Raum ging. „Was wolltest du denn von ihm?“ Hey hey, moment mal. So lange kannten wir uns aber auch noch nicht, das ich ihr gleich direkt meine Leidensgeschichte auftischte. Das ging ja wohl absolut niemanden was an. Ich zuckte mit den Schultern. „Nur so.“ antwortete ich abwehrend. Sie rückte ein Bild gerade, das an der Wand hing. „Also wenn du mit ihm reden willst, wirst du hier lange warten.“ Ich wollte doch gar nicht mit ihm reden! Und doch brannte jetzt diese verdammte Frage auf meiner Zunge. „Wieso?“, platzte es schließlich aus mir heraus. Verflucht sei meine Neugierde! Sie drehte sich um, sah mir in die Augen. Sie hatte denselben Charme wie ihr Bruder. Ein paar Sätze und sie wusste, wie sie mich anpacken musste, um zu bekommen was sie wollte. Dieses Haus brachte nur Unheil über mich. Ich war anscheinend dazu geschaffen, dieser Familie zu dienen. Das war mein Lebenszweck. „Na weil er hier ausziehen will. Momentan ist er bei mir zu Hause, und er weigert sich nur einen einzigen Fuß in diese vier Wände zu setzen.“ Ich runzelte die Stirn. „Okay?“, antwortete ich ziemlich knapp. Sie nickte langsam. „Und ich denke, du weißt, wieso.“ Auch das konnte ich locker mit einem ja beantworten, aber so einfach wollte ich es ihr nun auch wieder nicht machen. Runde zwei würde sie nicht so einfach gewinnen. „Kann schon sein.“ murrte ich und erhob mich wieder. „Ich sollte jetzt verschwinden. Ich wollte sie nicht belästigen.“ Da waren zu viele Probleme, die auf einmal auf mich einprasselten. Ich konnte und ich wollte mich nicht mit allen auf einmal befassen! „Lorenor.“ Ich blieb stehen. Ich hatte schon fast die Tür erreicht. Ihre Hand auf meiner Schulter machte mich unsicher. „Ein kleiner Tipp, nur so unter uns. Sanji hat morgen ein Shooting für Lagerfeld. In der Weinmannstraße. Bei Mr. Bloomberg, du erinnerst dich?“ Die Tatsache, das sie so viel über mich wusste, machte mir Angst. Aber ich nickte langsam, ohne irgendeine Emotion zu zeigen. „Ja.“ knurrte ich schließlich. „Und?“ Sie lachte leise. „Vielleicht solltest du mal hingehen.“ Ich drehte mich schwungvoll. Das Gefühl in mir, das sich wieder auf all meine Körperteile ausbreitete, machte mich wütend. Ich hasste es, schwach zu sein. „Jetzt hör mir mal zu – ich bin nicht derjenige gewesen, der Scheiße gebaut hat! Sanji war derjenige, der mich verarscht hat, und ich werd ihm sicher nicht wie ein jammernder Hund hinterher laufen!“ Sie hob die Augenbrauen. Auch sie konnte herrlich kalt sein, genau wie ihr Bruder. „Ach. Du meinst, so wie er dir nach gelaufen ist?“ Bitte was? Ich hob die Augenbrauen und starrte sie verwirrt an. Sie nickte langsam. „Scheiße, du scheinst echt ganz schön schwer von Begriff zu sein. Was glaubst du denn, wieso Sanji dich bei ihm quasi eingestellt hat? Wieso er ständig vor deiner Tür stand? Wieso er sich so um dich gekümmert hat? Wieso er ständig versucht hat, in deiner Nähe zu sein?“ In meinem Kopf begann es zu summen wie in einem Bienenstock. Was ging denn jetzt ab? Sie deutete meinen vollkommen irritierten Blick falsch und legte erst recht los. „Oh ja, mein Lieber! Du scheinst ja echt Tomaten auf den Augen gehabt zu haben, und mein Gott, das kann ja schon mal passieren, aber am Anfang hatte Sanji eher das Gefühl, das du nur mit ihm spielst, und scheiße, es war ihm verdammt ernst. Die Sache mit Nami ... gut, die meisten Gerüchte über ihn stimmen, er ist ein Aufreißer, er kann jede haben, aber das mit Nami .. war eher etwas für sein Ego, verstehst du? Er hatte vorher auch noch nie was mit Männern. Er sieht sich nicht als schwul oder sowas an. Und dann rennst du vor sein Piano und er kann nicht mehr ohne dich – kein wunder, das er sich da erstmal versucht seine eigene Männlichkeit zu beweisen!“ Ich wollte Einspruch einlegen, das doofe Klavier hatte ich schließlich nicht kommen sehen, aber sie polterte weiter und wurde sogar lauter. Ein wenig verunsichert ließ ich meine Arme sinken, die ich zuvor zum gehen erhoben hatte. „Hast du eigentlich eine Ahnung, in was für einer Verfassung er bei mir ankam? Er war vollkommen durchnässt, seine Kleidung triefte nur so, er sah übermüdet und verheult aus! Zwei Stunden habe ich damit verbracht, ihn dazu zu überreden, das er sich ins Bett legt, und als ich ihn endlich dort hatte, hat er nicht geschlafen, nein, er hat geweint! Und als er dann endlich geschlafen hat, da hat er weiter geweint, er hat deinen Namen gerufen, bestimmt drei Mal, hat gefleht das du ihn noch mal so in den Arm nimmst!“ Ich ließ den Kopf sinken. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. „Aber weißt du, Lorenor, es ist deine Sache, wie du mit den Menschen umgehst, die dich lieben, es ist dein Problem, wenn du einsam stirbst. Ich werde dich ihm ausreden.“ Meine Augen weiteten sich. Ich spürte Tränen in mir aufkommen, die mich mit aller Macht unterdrückte. ... die dich lieben. Lieben. Lieben. Oh verdammt. Ich sah auf, entschlossen, kein bisschen Gefühle zu zeigen. Ich drehte mich auf dem Absatz um, riss die Tür auf und verschwand. Kapitel 17: Walk it out - what goes around comes around! -------------------------------------------------------- Kapitel 18. oo Hier wird’s gefühlsmäßig krass. Hab ich mir überlegt. ê.,e Hehe. ;] Mal sehen, was drauß wird. Ich geb mir Mühe.. x3 & jetzt viel Spaß beim Lesen ! :D ~ Reich und Schön! ~ N0. 18 – Walk it out – what goes around, comes around. Selbst als ich die Augen geschlossen hatte, hatte ich noch das Gefühl, das die Wände auf mich zukommen. Nie war mir meine Wohnung so klein, so unglaublich leer und doch so einengend vorgekommen. Die Luft schien hier drinnen auch immer dünner zu werden. Doch ich traute mich nicht, ein Fenster zu öffnen, wagte es nicht, so nahe an den drohenden Abgrund heran zu treten. Da waren zu viele Gedanken in meinem Kopf, die mich zum springen verleiten würden. Bedeutete das jetzt, das ich selbstmordgefährdet war, nur weil sich irgend so ein Kerl in mich verguckt hatte? Ich presste meine zu Fäusten geballten Hände auf meine Augenlider – irgend so ein Kerl, das war doch glatt gelogen, er war einfach nicht irgendwer, er war Sanji. Er war das blonde Model, der Mann mit den Rabenaugen und dem Hammerkörper. Er war einfach er und genau das machte es mir unglaublich schwer, ihn auch nur für eine Sekunde zu vergessen. Und das ich hier auf dem Sofa herum lag und mich selbst für mein schlechtes Gefühl bemitleidete, brachte auch nichts. Ich war doch sonst immer ein Mann der Tat gewesen, jemand, der etwas anpackte und es durchzog. Aber seitdem all diese Dinge passiert waren, konnte man mich eigentlich nicht mehr als Mann bezeichnen. Viel mehr war ich zu einem heulenden Weichei mutiert, das auf seinem Sofa lag und über die Nichtigkeit seines Seins nachdachte. Ich war einfach nur noch bemitleidenswert. Oder eher erbärmlich, das war das richtige Wort dafür. Mit einem Ruck richtete ich mich auf, kniff ein weiteres Mal die Augen zusammen und zwang mich zur inneren Ruhe. Wenn man Probleme hatte, musste man sie systematisch anordnen, um darüber nachdenken zu können. Meine Füße trugen mich fast automatisch in die Küche, wo ich meine Kaffeemaschine einschalten wollte, die mir aber mit mehreren glucksenden Lauten mitteilte, das sie quasi tot war. Verkalkung. Na scheiße. Ein Tee würde mir sicher nicht helfen, meine Sorgen in den Griff zu bekommen, außer ich mischte irgendwelche Drogen darunter. Und ich hatte momentan keine im Haus. Ich hatte heute ein Pech, das war unbeschreiblich. Mit einem genervten Seufzen ließ ich mich auf meinem Küchenstuhl sinken und betrachtete die weiße Wand vor meiner Nase. So, und jetzt langsam. Ich wollte ja nicht schon wieder anfangen, mich zu bemitleiden, ich wollte in Ruhe über diese ganze Angelegenheit nachdenken. Der Grund, wieso ich mich so schlecht fühlte, lag auf der Hand. Die Frau im roten Kleid, Sanjis Schwester – mir fiel auf, das ich ihren Namen gar nicht kannte – hatte mir unmissverständlich und nicht direkt durch die Blume mitgeteilt, das der Blondschopf einiges durchgemacht hatte wegen mir. Ob sie komplett die Wahrheit gesagt hatte ließ ich einfach mal dahin gestellt, ich traute ihr nicht so recht über den Weg, aber in ihrer Stimme hatte eine gewisse Verzweiflung gelegen, eine gewisse Sorge. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, das sie mich angelogen hatte. Das also bedeutete, das ich Sanji mit meinen Worten und mit meiner Tat weh getan hatte. Allerdings hatte ich auch das Gefühl, eine gewisse Berechtigung dafür zu haben. Das mit Nami hatte mich schließlich auch verletzt, irgendwie. Obwohl man ihm das nicht anrechnen konnte, Nami war schließlich vor mir gewesen. Aber allein die Tatsache, das er erst sie flach legte und sich dann mich angelte, ließ mich erneut aufkochen. Was glaubte der eigentlich, wer er war? Casanova vom Dienst? Doch kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, stach er mich unangenehm in meine Hirnrinde. Seine Schwester hatte etwas von Liebe gesagt. Das Wort hatte sich in mein Herz gebrannt. Liebe. Mit diesem Begriff hatte ich mich bisher eigentlich nicht aus einander gesetzt. Ich hatte es noch nie zu jemandem gesagt, in Filmen fand ich den Satz 'ich liebe dich' total übertrieben und schnulzig und auch bei Paaren die ich kannte konnte ich mir selten vorstellen, das sie wirklich das empfanden, was Liebe eigentlich bedeutete. Mein Blick wanderte zum Fenster. Wenn man jemanden liebte bedeutete das, das man mit diesem Menschen den Rest seines Lebens verbringen will, weil man weiß, das man ohne ihn nicht mehr kann, das man ohne diesen Menschen nicht mehr leben will. Wenn man sich liebt kann man sich bedingungslos hingeben, man würde alles für den Anderen tun, sogar das eigene Leben opfern. Ob er das für mich tun würde? Ein Schauer durchlief mich bei dem Gedanken daran. Und gleichzeitig überlegte ich, wie es mit mir stand. Das ich nicht ohne ihn konnte zeigten meine Gedanken, die sich ununterbrochen um ihn drehten. Ich hatte mich ihm bedingungslos hingegeben, hatte ihm alles gegeben was er gewollt hatte und hatte dasselbe zurück bekommen. Das war zwar nur auf sexueller Ebene passiert, doch während ich so darüber nachdachte wurde mir klar, das ich es auf jeder erdenklicher Ebene tun würde. Mein Leben? Das hatte ich ihm ja schon irgendwie geschenkt. Vor allem hatte ich ihm meine Gefühle geschenkt, und das war für einen Menschen wie mich schon eine verdammt große Sache. Seufzend ließ ich den Kopf sinken. Das war ja alles schön und gut, und ich konnte mich auch darüber freuen, das ich jetzt zu dieser Erkenntnis gekommen war. Aber das brachte mir reichlich wenig. Sanji war weg, fort, wollte umziehen, wollte nie wieder in dieses Haus zurück. Vielleicht wollte er sogar die Stadt verlassen. Mich ergriff Panik bei diesem Gedanken und ich klammerte mich an meine Stuhllehne. Das Gefühl des Allein seins versuchte mich auf zu fressen, als ich nun doch aufstand, zum Fenster ging und es öffnete. Er wollte mich nie wieder sehen. Und ich konnte es sogar verstehen, irgendwie. Anstatt mit ihm zu reden, anstatt sowas wie eine Entschuldigung zu akzeptieren und mir seine Erklärung anzuhören, war ich davon gelaufen wie ein verletzter Köter. Wie ein Idiot hatte ich die heillose Flucht ergriffen. Und was hatte mir meine Starrsinnigkeit eingebrockt? Ich saß allein in meiner Küche, lauschte dem Wind der an meinem Fenster vorbei rauschte und suhlte mich in meinem Leid. Genial. Da hätte mich echt ein besseres Schicksal treffen können. Ich überlegte, Musik an zu machen, ließ es aber bleiben, weil ich keine Musik besaß die zu meiner Stimmung passte. Ich stand nicht auf so auf Balladen, normalerweise. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, das es früh war, aber ich fühlte mich so müde und kaputt wie lange nicht mehr. In meinem Kopf pulsierte die Hitze. Fieber. Aber sowas von eindeutig. Scheiße, verdammte! Nie wieder im Regen tanzen, nie wieder. Ich erhob mich, schleifte mich ins Bad und durchsuchte mein Arzneischränkchen. Ein wenig war noch von den Mitteln übrig, die ich gekauft hatte. Jedoch konnte ich zum verrecken keine Gebrauchsanweisungen finden. Auch wenn mir die Vorstellung von einer Tablettenüberdosis irgendwie gefiel, wollte ich nicht mein baldiges Ableben riskieren. Die einfachste Lösung war da ein Gang in die Apotheke. Super – da konnte ich dann auch gleich mal Frankie hallo sagen. Was er wohl dazu sagen würde, das ich schon wieder krank war? Na egal, seine Meinung konnte mir ja egal sein. Ich nickte entschlossen, begab mich ins Wohnzimmer, schlüpfte in Jacke und Schuhe und schnappte mir wieder meinen Schlüssel. Bis jetzt war immer, wenn ich das Haus verließ, etwas unerfreuliches oder total tolles passiert. Ich hoffte auf zweites, schloss hinter mir ab und betrat den Fahrstuhl. Die Frau im roten Kleid hatte von einem Shooting erzählt, das Sanji morgen hatte. Bei Mr. Bloomberg. Es würde ein leichtes sein, die genaue Adresse heraus zu finden, aber... Der Aufzug kam unten an und ich stieg aus. Die Frage war nicht, ob ich ihn wieder sehen wollte. Jeder Zelle meines Körpers wimmerte nur so nach seinen Berührungen. Viel mehr beschäftigte mich die Frage, ob er mich an seinem Arbeitsplatz sehen wollte. Ich hätte verstanden, wenn nicht, ich wusste, das es mich auch nicht direkt erfreut hätte nach dem Streit. Aber was blieb mir schon sonst für eine Möglichkeit? Ich überquerte die Straße, vollkommen in Gedanken versunken. Ich musste ihn einfach noch mal sehen. Ich musste ihm noch einmal in die Augen sehen. Wenn er dann gehen wollte, okay, dann sollte er gehen. Aber ein letztes Mal wollte ich das Gefühl haben, sicher zu sein. Das Apothekenschild kam in Sicht, der einzig leuchtende Punkt in diesem trüben Herbstwetter. Ich schob mich an den Passanten vorbei, drückte die Tür auf und trat ein. Tatsächlich stand Frankie hinter der Theke, bediente freundlich eine ältere Dame. Als er mich sah, wurde aus dem Lächeln ein breites Lachen. „Zorro! Moment, bin gleich bei dir. Geh doch schon mal nach hinten.“ Ich nickte, schob mich hinter die Theke und schlenderte in den hinteren Teil der Apotheke, gefolgt von den Blicken der Dame. Damit rechnete die wohl nicht, das so Typen wie ich hier ein und aus gingen. Ich ließ mich auf den kleinen Klappstuhl fallen und betrachtete die Medikamente in den Schränken. So viele Drogen, so wenig Zeit, schoss es mir durch den Kopf und ich lächelte, als Frankie sich zu mir gesellte. „Hey, Kumpel. Was gibt es?“ Ich rümpfte die Nase. „Ich bin krank.“ teilte ich mit. Frankie verdrehte die Augen. „Ja, sowas hab ich mir schon gedacht, irgendwie.“ Ich hob die Augenbrauen. „Sehe ich so fertig aus?“, murrte ich. Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter. „Das auch. Aber mal ganz abgesehen davon, kam dein Lover hier heute morgen schon rein und hat sich mit Medikamenten eingedeckt.“ Moment. Alles zurück marsch marsch. Und nochmal von vorn. „...wer?“ „Na dein Lover. Dieses blonde Model. Sah reichlich krank aus.“ Ich hob die Augenbrauen. „Wie bitte..?“ Frankie starrte mich ungläubig an. „Ich dachte, du stehst so auf ihn? Und jetzt weißt du nicht mal, das er ziemlich erkältet ist? Okay, dann klär ich dich mal auf. Er ist erkältet. Er meinte irgendwie, das er so dumm war und ohne Schirm durch den Regen geturnt ist... japp, da kann sowas schnell mal passieren. Da bin ich irgendwie davon ausgegangen, das ihr zu zweit euren Spaß gehabt habt, als du hier so rein gekommen bist.“ Auf seine Anspielungen ging ich nicht näher ein. „Hat er sonst noch was gesagt?“ fragte ich einfach nur geeilt. Frankie runzelte die Stirn. „Ähm, ja, das er sein Fotoshooting wohl absagen wird. Weil das krank keinen Sinn macht.“ Scheiße. Scheiße scheiße scheiße! Jetzt war guter Rat echt teuer. „Hör zu Frankie, das ist verdammt wichtig. Hast du eine Ahnung, wie ich auf dem schnellsten Weg heraus finde, wo sich eine Person aufhält, die nicht bei sich zu Hause ist?“ Frankie starrte mich an, als wäre ich durchgedreht. „Ähm. Ich nehme an, wir reden von Sanji.“ - „Kluges Bürschchen.“ „Hm.“ Nachdem er nach knapp einer Minute nichts gesagt hatte, wurde mir das langsam zu bunt. „Okay, verstanden, du weißt keine Möglichkeit. Ich werd mir schon was ausdenken.“ Als ich seinen nervösen Blick sah, stockte ich. „Hör mal Zorro. Ich würde dir ja gern helfen. Aber eigentlich darf ich nicht. Geht um Schweigepflicht und sowas.“ Ich runzelte die Stirn, dann seufzte ich. „Frankie, bitte! Das ist so verdammt wichtig!“ Er sah mir in die Augen. „Ich weiß. In Ordnung. Du könntest die Lieferung raus fahren, die er für seine Schwester aufgegeben hat. Mensch, du hast echt ein Schweineglück!“ Ich runzelte die Stirn, auch wenn er verdammt recht hatte. „Was für eine Bestellung?“ Frankie grinste. „Dein Süßer hat für seine Schwester Pillen bestellt, die ich nicht auf Lager hatte. Ich hab ihm gesagt, das sie heute Nachmittag da wären, aber er meinte er würde keine Zeit mehr haben vorbei zu kommen und hat mir die Adresse seiner Schwester gegeben, damit ich frei Haus liefere.“ Frankie war ein Gott. Ein verdammter Gott des Glücks. Mich überkam das Verlangen ihn zu drücken, doch ich ließ es. Wir waren ja doch irgendwie Männer. „Danke Frankie.“ brachte ich tonlos über die Lippen. Er klopfte mir auf die Schulter. „Schon okay. Geht hier ja um deinen Seelenfrieden und so. Auch wenn ich nicht weiß, was passiert ist.“ Das brauchte er auch nicht so dringend zu wissen. Ich sah mich hektisch um. „Her mit dem Päckchen!“ Er sah mich ein wenig mitleidig an. „Zorro, ein gut gemeinter Rat. Frag mich, ob du mein Auto haben kannst. Du musst ans andere Ende der Stadt.“ Ich atmete mehrmals tief durch, damit ich wieder zur Ruhe kam. „Liebster Frankie. Darf ich mir deine Karre leihen?“ Der junge Mann grinste. „Klar, Alter!“ Jetzt tat ich es wirklich – ich packte ihn an der Schulter und zog ihn kurz, aber bestimmt in meine Arme. „Danke, man.“ Er lachte. „Kein Ding.“ Wir ließen uns los und damit keine peinliche Stille entstand, überreichte mit Frankie die Schüssel und das kleine, weiße Päckchen. „Hier. Alles heil abliefern. Mach keinen Unsinn – und klär das!“ Ich nickte. „Alles klar, Boss.“ Er nickte mir lächelnd zu, dann beeilte ich mich seinen Laden zu verlassen. So ein Schwein hatte ich lange nicht mehr gehabt und so einen guten Freund wie Frankie hatte nicht jeder. Irgendwie würde ich ihm noch dafür danken. Irgendwann. Vielleicht gingen wir bald mal wieder auf meine Kosten etwas trinken. Der kleine schwarze Polo stand brav da, wo man ihn geparkt hatte, und kurz überlegte ich, doch zu laufen. Ich hatte selten so ein peinliches Fahrzeug gesehen. Das war einfach nicht mein Stil. Aber was scherte mich das jetzt schon – wichtiger war, das ich schnell von A nach B kam. Denn Sanji hatte gesagt, das er am Nachmittag keine Zeit hatte. Was das bedeuten konnte, wollte ich mir gar nicht ausmalen. Ich stieg ein, schob den Schlüssel ins Schloss und fuhr los. Das Auto fuhr sich gut, was allerdings ein wenig störte war der einsetzende, schleichende Nachmittagsverkehr, der das vorwärtskommen nicht gerade erleichterte. Ich war öfter damit beschäftigt zu Hupen als das Gasbedal zu treten. Verdammte Geisterfahrer! Hatten die sich alle ihren Führerschein bei Ebay ersteigert? Das ich eigentlich derjenige war, der wie eine angesenkte Sau durch die Straßen düste, fiel mir nicht auf. Wundern taten mich nur die wütenden Blicke und die mehrmals in die Höhe gereckten Mittelfinger. Diese Stadt war verdammt unfreundlich. Ich schielte auf das Päckchen, auf das Frankie in seiner Kinderhandschrift die genaue Adresse vermerkt hatte. Laubengasse. Das lag in einem ruhigeren Teil der Stadt, etwas abgelegen, man konnte fast sagen in einem gut betuchten Viertel. Na, so hatte seine Schwester aber auch ausgesehen. Gut betucht bis stinkereich, so hatte ich sie von Anfang an eingeschätzt. Als ich langsam aus der City hinaus fuhr und in die ruhigeren Viertel der Stadt kam, wurde auch der Verkehr besser und ich hatte die Zeit, mir Gedanken zu machen, ohne die Sorge haben zu müssen jemanden hinten rein zu fahren. Und erst jetzt kam mir in den Sinn, das ich das ja jetzt alles ganz super eingefädelt hatte – mir aber noch keine einzige Sekunde genommen hatte, um darüber nachzudenken, was ich eigentlich sagen wollte. Scheiße. Ich konnte da doch schlecht klingeln nach dem Motto 'Hey, na alles klar? Ich wollte mal zu Sanji, geht das?' Und auch wenn sie mich reinlassen würde, was sollte ich in Sanjis Anwesenheit von mir geben? 'Hey, hab gehört du bist krank? Gute Besserung. Wollte nur mal vorbei schauen.' Das kam sicher genial. Da würde ich innerhalb kürzester Zeit wieder vor der Tür sitzen. Nee, so lief das einfach nicht. Ich musste mir irgendwas zurecht legen. Ich bog in die erste Nebenstraße ein, es wurde Zeit! Also. Langsam. Es musste nett sein, sollte nicht zu aufdringlich wirken und ihn gleichzeitig davon überzeugen, nicht weg zu ziehen. Ich musste mich entschuldigen, wollte aber auch rüber bringen das ich auch eine Erklärung von ihm erwartete. Toll. Das in einem Satz zu kombinieren war so gut wie unmöglich. Ich konnte ja erst mal mit der eigenen Entschuldigung beginnen, auch wenn das mal so gar nicht meine Art war. Aber anders ging es wohl nicht. Es war lange her, das ich mich bei jemandem richtig für etwas so großes entschuldigt hatte. Ich wusste gar nicht so richtig wie das ging – aber sowas wie Entschuldigung sollte schon drin vorkommen. Ich sah das Schild der Laubengasse und bog mit klopfendem Herzen ein. Verdammt, scheiß doch was drauf! Ich ließ das jetzt einfach auf mich zukommen. Würde schon klappen. Irgendwie. Die Häuser waren allesamt groß, schön gestaltet und auch die Gärten ließen nicht zu wünschen übrig – ein richtiges Villenviertel eben. Mein Gott, sowas kannte ich nur von Postkarten. Die Hausnummer 7 wars und als ich vor besagtem Haus parkte, fiel mir erstmal die Kinnlade hinunter. Es war nicht so, das ich noch nie solche Prachtbauten gesehen hatte. Aber ... ich konnte nicht glauben, das ich jemanden kannte, dem so ein Haus gehörte. Die Frau im roten Kleid lebte fürstlich. Ihr Haus war riesig, im Barockstil wenn ich mich nicht vertat, riesige schöne Fenster, eine Eingangstür wie zu einem Schloss und faszinierende Buschkunst im Garten. Obwohl sowas eigentlich nicht mein Fall war, passte es gut zur sonnengelben Villa, die die Laune hob, sobald man sie ansah. Passte zu Sanjis Schwester. Und zu Sanji. Ach verdammt! Ich stieg aus, mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich schnappte mir das kleine Päckchen und schloss den Polo ab, den ich am liebsten nie wieder betreten wollte. Es war eben irgendwie nicht mein Stil. Das Grundstück war komplett umzäunt, ein großes schwarzes Eisentor versperrte den Weg in den Garten und zur Eingangspforte. Eine kleine Klingel mit angebrachtem Hochsicherheitssystem verriet, das hier das Geld zu Hause war. Das war quasi Namis Traumschloss. War ja auch ganz nett. Ich atmete mehrmals tief durch, beruhigte meinen stetig steigenden Blutdruck allerdings nicht damit, und drückte schließlich ziemlich nervös und zappelig den kleinen Knopf. Ich wartete eine knappe Minute, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, dann ertönte ihre Stimme. Ich erkannte sie sofort. „Ja bitte?“ Sie hatte mich schon gesehen, wahrscheinlich durch die kleine Kamera, das hörte ich. Ich seufzte. „Hey. Ähm, ich bins, Zorro, also Lorenor Zorro. Ich...“ Ja, und jetzt? Scheiße. „Ich... soll ihnen die Medikamente vorbei bringen.“ Puh. Grad nochmal gerettet. Damit kam ich wenigstens schon mal in den Garten. Das war doch was. Erst ein Knacken, dann ihre Antwort, ein wenig kalt. „Komm rein.“ Das Tor öffnete sich wie von Geisterhand und während ich mit weichen Knie das Grundstück betrat umklammerte ich das Päckchen so fest wie ich konnte. Wenn hier gleich wütende Bulldoggen um die Ecke schossen und mich anfielen, wusste ich, was ihr Plan gewesen war. Aber der Garten blieb ruhig und ich beeilte mich, zur Eingangstür zu kommen. Mein Herz wollte zerspringen, als ich ihr rotes Kleid aufblitzen sah. Kapitel 18: And I know, you're perfect. --------------------------------------- ~ Reich & Schön! ~ N0. 19 – And I know, you're perfect. Wie lange war es eigentlich her, das ich ihn das letzte Mal gesehen hatte? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, alles schwamm in meinem Kopf wie auf einer seichten Pfütze, ich wollte weg und gleichzeitig nichts lieber als genau hier bleiben. Der Vorgarten, wenn man ihn noch als einen solchen bezeichnen konnte, war riesig, gigantisch zu den Ausmaßen die ich von zu Hause gewohnt war. Da bestand der Vorgarten aus einem Busch und drei Tulpen, fertig. Hier war er ungefähr so groß wie das doppelte meiner Wohnung, der Rasen wirkte frisch und absolut perfekt gestutzt, als hätte sich jemand mit der Nagelschere an die Arbeit gemacht. Zwei kleinere Bäume zierten ihn, sie waren akkurat zugeschnitten und machten einen koketten Eindruck. Ein stattliches Herrenhaus eben, prunkvoll und dem Stil nach zu schätzen weit vor dem 1. Weltkrieg gebaut, auch wenn ich mich da täuschen konnte. So viel Ahnung hatte ich von Architektur nun auch wieder nicht, aber ich konnte verstehen wieso man hier wohnen wollte – große, hohe Fenster, das sonnige Gelb in dem die Hauswände gehalten waren hoben auf irgendeine Art die Stimmung und man hatte das Gefühl, in eine vollkommen andere Welt getreten zu sein, so laut und eindringlich hörte man die Vögel zwitschern, das Gras rauschen und den Wind an den Kleidern zerren. Der kleine Steinpfad auf dem ich meinen Weg beschritt wirkte verschlungen, als würde er an einen geheimen Ort führen, den nur ich betreten durfte – was natürlich quatsch war, aber es hatte diese einmalige Wirkung auf mich und obwohl mir mein Herz bis zum Hals schlug musste ich lächeln. Das rote Kleid, das ich an der großen braunen Eingangstür gesehen hatte, war verschwunden, und ich glaubte fast es mir nur eingebildet zu haben, so wie ich ein Sterbender Wasser einbildet, wenn er durch die Wüste irrt. Es war nicht mehr weit bis zum Eingang und langsam ergriff mich das ungute Gefühl der Panik. Es krabbelte meine Beine hinauf, fraß sich durch meine Eingeweide, kam schließlich in meinem Hirn an und entlud sich wie ein elektrischer Schlag quer durch meinen Körper. Ich war vollkommen verunsichert, als ich die Treppen zum verandaähnlichen Vorsprung hinauf ging, und wurde mit jedem Schritt langsamer. Unschlüssig drehte ich das kleine Paket in den Händen. Hätte man mich jetzt vor diesem Haus gesehen, hätte man mich eventuell für den Gärtner gehalten, für mehr aber nicht. Niemals durfte sich ein Mensch wie ich, vom einfachen Pöbel, mit so gehobenen Herrschaften wie diesen abgeben. Ich stellte mir Sanji in einer Königsrobe vor und musste kurz lachen. Das passte nicht so recht. Aber zu ihr allemal. Ein Schauer lief meinen Rücken hinunter. Sie wäre eine Diktatorin sondergleichen. Vor der Haustür angekommen bewahrheiteten sich meine Befürchtungen und ich hätte vor Enttäuschung und Frust am liebsten laut aufgeschrien. Diese Tür war weder angelehnt, noch war sie offen, noch sonst irgendwas. Sie war einfach da, versperrte mir den weiteren Weg und ließ mich verzweifeln. Wieso um Himmels Willen hatte sie mich hinein gelassen? Um mich im Garten versauern zu lassen? Oder ... hatte sie einen Plan? Gehetzt sah ich mich um, spähte noch Security oder knurrenden, wütenden Kötern, konnte aber keines von beiden entdecken. Das stimmte mich keineswegs ruhig, ganz im Gegenteil, ich wurde noch nervöser und sah mich verzweifelt nach einem Klingelknopf um, den es nicht gab, was mich nicht wunderte. Wenn man das Vordertor sicherer ausstattete als so manches Gefängnistor, brauchte man keine Klingel vor dem Haus. Das war unnötig. Wahrscheinlich gabs am Zaun Selbstschussanlagen dachte ich und erschauderte erneut. Das hätte ich ihr sogar zugetraut. Alles, was sich auf 10 Meter nähert, wird abgeknallt. Bam. Scheiße! Das konnte doch nicht ihr Gott verdammter Ernst sein! Ich starrte das Päckchen in meinen Händen an und hätte so gern voller Wut auf den Boden geworfen, tat es aber doch nicht, da ich in diesem Moment die ersten Geräusche hörte, die nicht in die sonst so idyllische Kulisse passten. Überrascht hob ich den Kopf. War das... etwa ein Lachen gewesen? Vielleicht hatte ich mich ja verhört, gut möglich, aber dieses Geräusch war der symbolische Strohhalm, den ich zur Hilfe ergreifen wollte. Ein Lachen, das von irgendwo hinterm Haus kam, bedeutete das da jemand war. Und wenn jemand da war, konnte er mich rein lassen, vielleicht. Das war zwar total absurd und ich kam mir eher wie ein Stalker vor, aber das war egal, vollkommen egal. Erstmal war nur wichtig, das ich zu Sanji kam, irgendwie. Ich legte das Päckchen vor die Tür, sah sie nochmal prüfend an – doch als sich nichts an ihrem geschlossenen Zustand änderte, beließ ich es dabei. Ich betrachtete auch den Rasen nochmal, bevor ich ihn betrat. Wahrscheinlich zerstörte ich jetzt dieses Kunstwerk, dieses Meisterwerk der Gartenkunst, doch im Grunde war das nicht so wichtig. Wieder ein Lachen, diesmal Lauter, und je näher ich den Geräusch kam desto mehr erkannte ich, das es nicht allein war. Da waren noch mehr Stimmen. Manche redeten, manche lachten, ich hörte jemanden husten und einer rief plötzlich einen Namen, den ich nicht so recht verstehen konnte. Ich runzelte die Stirn und reckte den Kopf eher vorsichtig um die Hausecke. Und nun konnte ich das sehen, was ich schon vermutet hatte. Da stieg doch tatsächlich eine Party im Garten. Ich konnte meine Augen kaum trauen. Die Szene hatte nichts postkartenmäßiges mehr, denn selbst darauf hätte man so etwas nicht abgebildet. Die trübe Herbstsonne neigte sich langsam hinab und beschien mit ihrem goldenen Licht die Festgemeinschaft. Männer sowie Frauen mittleren Alters waren anwesend, manche jünger, manche älter. Sie alle waren fein gekleidet, trugen Kleider und Anzüge, sahen aus wie geleckt. Die Haare saßen, Schmuck und Prunk glänzte von jedem Frauenhals, viele hatten Gläser mit Wein oder Sekt in der Hand. Ich war auf einer Luxus-Gala-Party gelandet. Meine Augenbrauen reckten sich immer weiter nach oben, als ich wie von Sinnen nun auch meinen Körper dem Kopf folgen ließ und unbeirrt auf die Feierlichkeiten zuging. Je näher ich kam, desto mehr wurde ich bemerkt. Ich beobachtete wie einige auf mich aufmerksam machten, wie sich immer mehr Augenpaare auf mich richteten, bis so gut wie jeder mich kurz oder etwas länger musterte. Es wurde getuscht, und ich konnte mir denken wieso. Verlegen zupfte ich an meiner Jeans herum, auf das ich ein einfaches Hemd trug. Jeans, ha! Den Stoff kannten die hier ganz offensichtlich nicht mal. Ganz klar, wenn man sich den Arsch mit Seide abwischt, braucht man sowas wie Jeans auch nicht. Ich bekam die Gelegenheit den Rest des Gartens zu bewundern, als ich fast angekommen war und auf einer kleinen Anhöhe stand, von der ich auf den Garten hinab blicken konnte. Der Anblick verschlug mir die Sprache. Die Rasenfläche hatte die ungefähre Ausmaße eines halben Fußballfeldes, dazu kamen Blumebeete, Bäume, Strächer und rechts hinten ein riesiger Teich, der umwuchert war und an dem wohl zur Deko ein niedliches kleines Japanisches Teehaus stand. Ich fühlte mich in eine andere Zeit katapultiert, weit weg an einen anderen Ort. Was machte ich noch mal hier? Ich verfluchte mich dafür das ich meinen Fotoapparat vergessen hatte, und erst als ich mich an diesem wunderbaren Bild satt gesehen hatte schenkte ich den Gästen des Hauses wieder ihre gewollte Aufmerksamkeit. Denn ihre hatte ich wohl seid guten fünf Minuten. Ich sah ihre Blicke, spürte sie im Nacken und auf meinem Körper, ein beklemmendes Gefühl das mir die Luft abschneiden wollte. Ich lächelte verlegen, als ich den kleinen Hügel hinunter schlenderte und damit den Rasen weiter vernichtete. „Guten Tag.“, grüßte ich höflich und lächelte in die Runde. Ich bekam Kopfnicken, ein paar lächelnde Gesichter und abfälliges Kopfschütteln als Antwort. Insgesamt eher abwertend. Ich fühlte mich wie ein Bettler in einem Luxushotel. Bis ich ihre Stimme ertönen hörte und mir das Blut in den Adern gefror. „Ah, Lorenor Zorro, da sind sie ja endlich! Wir haben schon auf die gewartet, aber so sind Künstler nun mal, kommen immer zu spät, nicht wahr?“ Ihr rotes Kleid blitzte mir in der Sonne entgegen, ihre Schritte halten auf den Steinplatten der Terasse wieder, ihr Gang war selbstsicher, aber doch angespannt. Ich verstand die Welt nicht mehr. Was war denn jetzt los, bitte? Das Lächeln das sie erst mir, und dann den Gästen schenkte, wirkte wie aufgemalt. „Ihren Fotoapparat haben sie auch nicht dabei? Ach macht nichts, wir haben ja einen guten hier, da hatten wir ja drüber gesprochen. Ich bin froh, das sie noch kommen konnten!“ Sie kam nur wenige Meter vor mir zum stehen und ich öffnete den Mund um zu fragen was dieses Affentheater sollte, als sie sich von mir abwendete und eiskalt weiter redete. „Herr Zorro ist nämlich der Schüler von Mr. Bloomberg, dem berühmten Fotografen, wissen sie? Und es wird gemunkelt, das er seinem Meister den Rang abläuft.“ Anerkennendes Gemurmel. Diese Frau hatte nicht nur mich, sondern auch den Rest der Menschheit in ihren Händen, wenn sie wollte. Die konnte locker die Weltherrschaft anstreben. Sie drehte sich wieder zu mir um und ihr Blick verriet mir das sie mich mit ihren eigenen zarten Händen erwürgen würde, wenn ich jetzt auch nur einen falschen Ton sagte. Da ich keinen Rausschmiss riskieren wollte, spielte ich mit. „Tut mir Leid das ich so spät bin, aber der Verkehr um diese Uhrzeit ist wirklich grausam.“ Ich lächelte affektiert. „Aber ich denke, das wissen sie bereits.“ Ihr Blick wurde bohrend. Ich ließ mich nicht beirren. „Ja, meinen Fotoapparat habe ich leider nicht mitbringen können, ich lasse ihn gerade von meinem Hauspersonal zerlegen und reinigen. Wenn ich ihren nutzen dürfte, wäre das hervorragend... sie kennen das ja, immer Ärger mit den Angestellten.“ Einstimmiges, beipflichtendes Gemurmel. Die Blicke änderten sich von abgeneigt in ehrfürchtig. Man hielt mich für einen Millionär, der lieber bodenständig lebte. Ich liebte es, wie ein paar einfache Worte die Menschen so beeinflussen konnten. Sie konnte ich allerdings nicht überzeugen. Sie wirkte eher wütend. „Kommen sie mit.“ Ich folgte ihr durch die Reihen der Gäste, die mich allesamt beeindruckt musterten, über die Terrasse durch eine große Glastür in den Innenraum, der sich als Esszimmer herraustellte. Ich verliebte mich genau in diesem Moment in das Haus, als ich diesen Raum sah. Er war groß, hell, wunderschön mit antiken Möbeln eingerichtet und im Kamin brannte ein gemütliches Feuer. Ich wollte sie fragen ob sie Untermieter akzeptierte, als sie die Glastür hinter mir zu machte und vor mich trat, damit die Gäste hinter der Scheibe nicht von ihrem wütenden Gesicht sehen konnten. „Du hast ne ziemlich große Schraube locker, kann das?“ knurrte sie und ich hätte ihr dieses Kompliment am liebsten zurück gegeben. Aber deswegen war ich nicht hier. „Wo ist Sanji?“ fragte ich ruhig, doch sie war noch nicht fertig. „Stolzierst hier einfach hinein, platzt in meine Party, machst meine Gäste nervös – und glaubst auch noch, groß rumprotzen zu müssen?“ „Wo ist Sanji?“, wiederholte ich mich, denn nach einem zweiten Blick stellte ich fest, das er nicht unter den Gästen war. „Verdammt, ich glaubs nicht, und ich musste dich aus der Scheiße...“ „Wo. Ist. Sanji?“ Ich wusste nicht wie oft und wie eindringlich ich das noch sagen musste, bis es zu ihr durch drang – doch nach diesem Satz wurde sie stiller. „Nicht hier.“, teilte sie mit und ich verdrehte die Augen. „Das sehe ich auch.“ Sie sah erst hinter mir aus dem Fenster, musterte die Gäste, dann seufzte sie. „Er hat sich ins Teehaus zurück gezogen, ihm war wohl der Trubel zu viel. Er mag meine Partys nicht.“ Das konnte ich vollends verstehen. „Dann gehe ich jetzt zu ihm.“, sagte ich, doch bevor ich mich umdrehen konnte ergriff sie meinen Ärmel. „Stehen bleiben, Idiot. Wie sieht das denn aus, wenn du da jetzt ohne Kamera rum rennst? Auffälliger geht es ja wohl kaum.“ Ich wog den Kopf hin und her. Recht hatte sie. Sie drehte sich zu einer kleinen Kommode und öffnete die oberste Schublade. Zu Tage beförderte sie eine kleine, aber überaus gute Kamera, die gut in der Hand lag. „Da. Und jetzt verschwinde.“ Ich nickte, drehte mich um und verließ das Wohnzimmer, auch wenn es mir weh tat, denn dieser Raum war es wert, lange bewundert zu werden. „Sie sind also Fotograf?“ Eine Hand sauste auf meine Schulter, als ich mich an den herum stehenden Menschen vorbei drücken wollte. Ich drehte den Kopf und betrachtete den Besitzer der Hand – ein älterer Mann mit rundem Gesicht und dünnem Haar. „Machen sie auch Portrait?“ Was ich jetzt darauf antworten sollte, wusste ich nicht. Ich nickte einfach mal selbstbewusst. Sein Lächeln wurde breiter. „Mr. Bloomberg den Rang ablaufen, soso! Na junger Mann, hätten sie einmal Lust meine wunderschöne Tochter abzulichten?“ Sein Wurstfinger hob sich und deutete quer durch die Menge auf ein junges Mädchen, vielleicht 2 Jahre jünger als ich, die zu mir sah und als ich ihren Blick erwiderte, sich beschämt abwendete und mit einer anderen Frau sprach, die verdächtig nach ihrer Mutter aussah. Ich witterte Ärger. „Das wäre mir eine Ehre, mein Herr, doch heute habe ich leider keine...“ „Nein nein, es soll ja auch gar nicht heute sein! Kann ich sie eventuell einmal anrufen? Sie machen doch sicher auch Hausbesuche?“ Hoppla, wollte man mich etwa verkuppeln? Ich lächelte leicht irritiert. „Ja, schon...“ „Gut. Dann geben sie mir gleich einfach mal ihre Nummer, ich werde sie kontaktieren.“ Ich nickte, lächelte, verabschiedete mich auf später und tauchte im Getümmel unter. Ein wenig verwirrt bahnte ich mir meinen Weg. Gott, sowas war mir auch noch nicht passiert! Endlich hatte ich die Gesellschaft hinter mir gelassen und unter den Blicken vieler Anwesender schritt ich über den kleinen, gepflasterten Weg auf das Teehaus zu. Mein Herz begann wieder wie wild zu schlagen, denn die Tatsache das ich gleich Sanji gegenüber stand hatte ich gerade im ganzen Durcheinander fast vergessen. In meinem Kopf spielten sich tausend Szenen ab, wie es laufen könnte, als ich mit weichen Knie am See ankam und nur noch wenige Meter zu gehen hatte. Vielleicht würde er mich sofort weg schicken. Vielleicht würde er schreien und weinen. Das wollte ich natürlich nicht. Ich gestand mir ein, das ich Angst hatte, und das gab mir wieder den Mut, das ich es schaffen würde. Das Teehaus hatte wohl eine Schiebetür, diese war aber geöffnet, und so konnte ich ohne große Probleme direkt ins Innere sehen, als ich davor trat. Und der Anblick ließ mich erschaudern. Etwas vergleichbar schönes hatte ich wohl nie zuvor gesehen, deswegen konnte ich eine knappe Minute nichts anderes tun als starren und starren und starren. Da saß Sanji auf dem Boden des sonst komplett leeren Teehauses, eine Zigarette im Mundwinkel, seine Haare fielen ihm ins Gesicht, doch er sah trotzdem müde aus. Sein Hemd war oben ein Stück offen, es war weiß, seine schwarze Hose passte dazu und seine Füße waren nackt. Er hatte die Beine leicht angewinkelt und sah hinaus aus dem großen Fenster, aus dem die komplette Wand bestand, auf den wunderschön von der Sonne beschienen See. Nachdem ich meine Fassung wiedergefunden hatte und spürte, das der Blonde so in Gedanken war das er mich noch nicht bemerkt hatte, zückte ich ohne lange darüber nachzudenken die Kamera und begann Fotos zu machen. Das bemerkte er natürlich, das Geräusch war unverkennbar, und er drehte den Kopf. Ich fotografierte im Akkord, wie sich sein Blick von verwirrt in überrascht wandelte, wie ein ganzer Körper versteifte und er den Mund öffnete. „Lorenor...?“ Als er das sagte, ließ ich die Kamera sinken. Ich betrachtete ihn nicht durch die Linse und fand ihn gleich doppelt so schön. „Ja.“ sagte ich leise, dann zog auch ich meine Schuhe aus und trat ins Teehaus. Er hatte sich versteift, aber er rutschte nicht ab von mir, also kam ich langsam näher. „Was tust du hier?“ hörte ich ihn vollkommen verwirrt sagen, doch ich hörte auch die Erleichterung darin und empfand dasselbe. „Ich muss mit dir reden.“, murmelte ich, dann ließ ich mich ihm gegenüber auf den Holzboden sinken. Unsere Blicke trafen sich und keiner wagte es, weg zu sehen. „Reden?“ fragte er fast flüsternd, und ich nickte. Wir schwiegen. „Wenn du mit mir reden willst, musst du auch was sagen.“ klärte er mich nach knapp zwei Minuten auf. Ich seufzte. „Das weiß ich, aber... es fällt mir nicht leicht, die richtigen Worte zu finden.“ Er nickte langsam und beobachtete, wie ich mich mir die Hände vor das Gesicht legte und stöhnte. Ich ließ die Hände genau dort, als ich aussprach was mir auf der Seele brannte. „Ich war ein Idiot Sanji. Es tut mir Leid, das ich dir einen Strick daraus gedreht habe, das ... na wegen der Sache mit Nami.“ ich sah seine Wangen erröten. „Ach was, es war meine Schuld...“ murmelte er und sah weg, doch das ließ ich ihm nicht durchgehen. „Nein, war es nicht. Und jetzt sei ehrlich. Du warst es doch, der mich nach Hause gebracht und meine gesamte Wohnung wieder ordentlich gemacht hat, oder?“ Erst schwieg er, starrte auf den Boden, bevor er langsam nickte. Ich schüttelte lächelnd den Kopf. „Wieso?“ fragte ich schließlich und er sah mich mit seinen großen, verängstigten Augen an. „Ich war spazieren, als ich dich gesehen hab. Du lagst da einfach mitten auf dem Rasen und hast geschlafen. Du hättest dir doch den Tod geholt! Da hab ich dich nach Hause gebracht. Und als ich deine Wohnung gesehen hab, da war mir klar, was los gewesen war...“ Jetzt war ich an der Reihe, beschämt weg zu sehen. Ich hatte ihn eigentlich nicht wissen lassen wollen, wie wütend mich das alles gemacht hatte. Wir schwiegen wieder, bevor ich weiter redete. „Ich danke dir.“ Ein Lächeln huschte über seine Lippen. „Kein Problem. Hab ich gern gemacht.“ Ich spürte ein Kribbeln in meiner Magengegend, als er das sagte. „... und jetzt?“ hörte ich ihn fragen und riss mich damit aus den Gedanken. Gute Frage. „Ich... weiß es nicht.“ gab ich ehrlich zu und er seufzte. „Hör mal Lorenor. Das mit Nami, das ist blöd gelaufen. Und ich würde lügen wenn ich sagen würde, ich wüsste mit wie vielen Frauen ich schon im Bett war. Aber... das ist absolut nicht vergleichbar mit dem, was da... für dich ist.“ Er drückte sich etwas umständlich aus, doch ich verstand was er sagen wollte. Ich sah zu Boden. „Ich fand dich vom ersten Moment an toll. Als du da lagst, vom Klavier getroffen, und dich langsam auf gerappelt hast... da hattest du dieses grimmige in den Augen, dieses störrische. Ich weiß nicht wieso, aber als ich das gesehen habe, da .... konnte ich an nichts anderes mehr denken.“ Ich spürte, wie meine Ohren rot wurden. Der Kerl entblößte sich hier gefühlsmäßig vor mir und ich saß rum wie ein steifer Klotz. Verdammter Idiot! „Ich stand doch nur vor deiner Tür, weil ich doch nochmal aus der Nähe sehen wollte. Und... wow.“ Mein Magen füllte sich mit Steinen. Mir wurde schlecht. „Eigentlich... also eigentlich, du weißt schon, stehe ich nicht auf Männer. Aber bei dir war mir das total egal, was du bist, alles an dir hat mir so verdammt gut gefallen, sowohl dein Aussehen als auch dein ruhiges, störrisches Wesen... ich weiß nicht, wie ich das sagen soll...“ Ich betete, das er aufhörte. „Sanji...“ begann ich, und er sah auf. Weiter wusste ich nicht so richtig. „Ich... ach verdammt.“ Ich fluchte leise und schlug mir gegen die Stirn. Das konnte doch einfach nicht so schwer sein! „Es tut mir Leid, das ich so aus geflippt bin. Ich war... einfach... eifersüchtig.“ So, BAM, jetzt war es raus und ich konnte in ruhe sterben. Das er es aber nicht dabei belassen konnte, war ja klar. „Eifersüchtig?“ fragte er ungläubig und am liebsten hätte ich ihn angemault, das er sich ja wohl nicht verhört hätte, aber ich ließ es. „Ja.“, knurrte ich. Ich sah ein Lächeln auf seine Lippen huschen und das machte mich glücklich. „Lorenor?“ - „Mhm?“ Wieder schweigen, aber die Ruhe tat gut, ich konnte mich sammeln... ... bevor er mir den finalen Schwerthieb verpasste. „Verdammt, ich liebe dich.“ Mitten durchs Herz stieg er sein Katana, durchbohrte mich – aber töten tat er mich nicht. Ganz im Gegenteil. Mein Herz flatterte zwar, schlug danach aber doppelt so heftig weiter. Mein Mund öffnete sich, doch ich hatte ihn nicht unter Kontrolle, er klappte auf und zu, bis ich etwas sagen konnte. „... komm her.“ Seine Augen weiteten sich, wieder ein kurzes Lächeln das mich unbeschreiblich glücklich machte, dann krabbelte er zu mir und kuschelte sich in meine Arme. Ich drückte meinen Kopf gegen seine Haare und zog seinen unvergleichlichen Geruch in mich ein. „Wenn ich nicht dasselbe empfinden würde, wäre ich nicht hier.“, sagte ich leise, bevor er seinen Kopf hob und meinen Mund mit einem Kuss versiegelte. Nun saßen wir in diesem kleinen, japanischen Teehaus seiner Schwester, deren Namen ich immer noch nicht kannte, küssten und und vergaßen den Rest der Welt, der sich um uns weiter drehte. Wir vergaßen sogar die schöne Landschaft draußen. Nichts und gleichzeitig alles zählte in diesem Augenblick – die Zeit konnte warten, denn wir waren in diesem Augenblick zeitlos schön, festgehalten auf einem etwas anderem Fotoapparat, auf einem Stück für die Ewigkeit – festgehalten in unseren Erinnerungen. - - - - - - - - - - Wääääh. T___T'' Vorbei. Aber! Da kommt soooofort was neues. Quasi. Hab ja noch was auf der Festplatte. :D Besonders fetten, lieben Dank an Janina! -knutsch- Hab dich liieb! x3 Also, bis zu meiner nächsten FF! O: LG; Jess. :3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)