Happy ohne Ende? von Schumeriagirl ================================================================================ Kapitel 24: Augenblick verweile doch ------------------------------------ Ich bleibe an dieser Stelle standhaft: Keine der in meiner Story vorkommenden Personen gehört mir und alles, was hier zu lesen ist, ist definitiv frei erfunden und entspricht zu keinem Zeitpunkt der Wahrheit. Lena und Ricardo lagen eng aneinandergekuschelt und Bett und träumten selig, als im Zimmer neben ihnen laut die Türen geknallt wurden und wenig später ein Telefon zu läuten begann. Auf dem Flur schoben halblaut schnatternd die Frauen des Reinigungspersonals ihre Wagen von Zimmer zu Zimmer und gingen ihrer Arbeit nach. Scheinbar war das halbe Hotel bereits auf den Beinen, auch wenn die Uhr erst acht Uhr morgens anzeigte. All das vermochte jedoch weder Lena noch Ricardo zu stören, die vollkommen unbehelligt von ihrer Umwelt weiterschliefen. Erst die kitzelnden Strahlen der türkischen Frühlingssonne weckten einen noch ziemlich verschlafenen Ricardo aus seinen süßen Träumen. Einen Augenblick hielt er die Augen einfach nur geschlossen und versuchte die Welt anzuhalten. Sie sollte für einen kurzen Moment inne halten und ihm Zeit geben. Es war alles so verdammt unwirklich für ihn. Hier lag er und auf seiner Brust schlief seine beste Freundin, die erste Frau, für die er je etwas tieferes als Freundschaft empfunden hatte, die Frau, nach der er sich so lange gesehnt hatte, aber der er sich doch nicht hatte nähern können. Aus Angst vor ihrer Zurückweisung. Wie albern ihm das jetzt auf einmal vorkam. Seine linke Hand ruhte auf ihrem Rücken und Ricardo konnte nicht anders als sie leicht zu streicheln. Ihre warme Haut unter seinen Fingern zu spüren jagte ihm neue Schauer über den Rücken. Am liebsten hätte er geseufzt, aber um nichts in der Welt wollte er seine schlafende Prinzessin wecken. Im Schlaf sah sie sich glücklich aus, so friedlich. Das leichte Lächeln auf ihren Lippen schlug Ricardo in den Bann und er fragte sich, von was sie wohl träumte, dass es ihr einen solchen Ausdruck bescherte. Im Stillen hoffte er, dass er ihn ihrem Traum vorkam, so wie sie in dieser Nacht und schon in vielen anderen seine Träume besucht hatte. Mit der rechten Hand fuhr er durch ihre in alle Himmelsrichtungen abstehenden Harre, wickelte sie um den Zeigerfinger und genoss einfach nur den Augenblick. Lenas warmer Atem auf seiner Haut fühlte sich so verwirrend gut an und er war sich nicht sicher, ob er nicht doch mit offenen Augen schlief und wieder träumte. Vielleicht spielten ihm seine Sinne auch nur einen Streich und wenn er dann wirklich aufwachte, würde doch nicht Lena, sondern Carolin neben ihm und schlafen. So in Gedanken versunken, bemerkte Ricardo gar nicht, wie auch Lena langsam aus Morpheus’ Armen entschwand und wieder in das Reich der Wachenden zurückkehrte. Zuerst war sie leicht verwirrt, spürte sie doch die Wärme eines anderen Körpers neben sich, fühlte eine Hand auf ihrem Rücken, die sie zärtlich streichelte und die andere Hand, wie sie mit ihrem Haar spielte. Ihre Verwirrung verschwand jedoch, als sie einmal tief einatmete und den unverkennbaren Geruch Ricardos wahrnahm und mit diesem Geruch kamen auch die Erinnerungen an den vergangenen Abend und die vergangene Nacht wieder. Lena fragte sich, ob sie vielleicht hätte früher aufwachen und gehen müssen, um ihnen eine unangenehme Szene zu ersparen, verwarf den Gedanken dann aber gleich wieder. So, wie Ricardo sie hielt, wie er sie streichelte und mit ihrem Haar spielte, wollte er nicht, dass sie ging. War womöglich sogar froh, dass sie noch da war und sie gemeinsam hatten aufwachen dürfen, auch wenn das vermutlich nur ihr eigener Wunschgedanke war, immerhin war Ricardo kein gewöhnlicher, kein freier Mann. Außerdem hätte eine Flucht aus dem Bett und dem Raum nichts verändert, sie hätte das unvermeidliche nur herausgezögert und für Lena gab es nichts Schlimmeres als auf eine schmerzhafte Angelegenheit zu warten, der sie nicht entfliehen konnte. Deswegen war sie auch die erste, die sprach. „Buon Giorno.“ Beim Klang ihrer leisen, melodischen Stimme verkrampfte Ricardo sich leicht, hatte er doch nicht erwartet Lena schon so früh wach zu sehen. Und mit ihr reden zu müssen, etwas, was er gerne noch aufgeschoben hätte, denn dann würde er nachdenken müssen und das würde sein Glück in diesen vier Wänden zerstören. Er wollte jetzt weder denken noch reden, er wollte sie einfach noch ein wenig länger in seinem Armen halten und sich vorstellen, wie es wohl wäre jeden Morgen neben ihr aufzuwachen. Jeden Morgen als erstes ihre Stimme zu hören und in ihre strahlend blauen Augen zu sehen. Heute wollte er diesen Traum einmal zu ende träumen und nicht von lästigen Gedanken und Schuldgefühlen geplagt werden. „Guten Morgen.“ Schweigen. Keiner der beiden wusste, was zu sagen war. Was sie sagen sollten, was vernünftig wäre zu sagen, wussten sie beide nur zu genau, aber trotzdem brachte es keiner der beiden über die Lippen. Keiner wollte die Magie des Augenblickes zerstören. Lena war es schließlich wieder, die sich widerwillig aufraffte, ihren Kopf von Ricardos warmer, bequemer Brust hob. Sich auf ihre Ellenbogen stützte und ihm tief in die Augen sah. Ein unheimlich intensiver Blickkontakt, der mehr sagte als tausend Worte, ihnen jedoch trotzdem nicht das kommende Gespräch ersparen konnte. Aber erst jetzt fiel ihr auf, wie herrlich braun seine Augen waren und am liebsten hätte sie sich jetzt und hier in ihnen verloren. Doch zum ersten Mal seit vergangener Nacht gewann die Vernunft überhand über Lenas Herz und so fing sie stockend an zu sprechen. „Ricardo, was haben wir nur getan?“ Faktisch war es recht einfach und schnell zu erklären, was sie getan hatten und Ricardo war nahe dran ihre Frage genau so zu beantworten um nicht wirklich über das Geschehene nachdenken zu müssen, doch dafür war die Lage einfach viel zu ernst. Egal auf welchen Nenner sie kämen, es würde unter allen Umständen Konsequenzen haben. Genauso wie seine Antwort auf ihre Frage. Außerdem kannte er Lena gut genug um zu wissen, dass sie solch eine Antwort nicht akzeptieren würde. Also musste er spontan improvisieren, wollte er doch wissen, was sie für ihn fühlte, warum sie mit ihm geschlafen hatte. Also antwortete absichtlich ein wenig provozierend: „Du hast nichts getan, Lena, außer einen Freund, der deprimiert und am Boden war, zu trösten. Ich war es, der mehr von dir wollte und du hattest aus Mitleid mit mir nicht das Herz mir zu widersprechen.“ „Das stimmt nicht Ricardo, so nicht. Ja, ich wollte dich trösten, ja, du warst es, der um mehr gebeten hat und ja, ich hatte nicht das Herz mich deiner Bitte zu verweigern, aber nicht aus Mitleid.“ In seinen Augen versuchte Lena zu lesen, ob er ihre Worte auch genauso weit reichend verstanden hatte, wie sie sie gemeint hatte. Doch in ihnen konnte sie weder eine positive noch eine negative Regung erkennen. Eigentlich verzog er keine Miene, doch in seinem Gehirn arbeitete es fieberhaft, während sein Herz bereits einen wahren Stepptanz aufführte. „Warum hast du es dann zugelassen, dass ich dich küsse?“ „Wieso hast du mich überhaupt erst geküsst?“ Lena war klar, dass sie ihm mit dieser Gegenfrage nur auswich, aber sie war sich noch nicht ganz genau im Klaren darüber, was sie ihm auf seine Frage antworten sollte. Die schlichte Wahrheit, die wahrscheinlich alles kaputt machen würde, oder eine dreiste Lüge, die diese ganze Sache als einmaligen Ausrutscher ohne Gefühle darstellte? Sie wollte ihn nicht belügen, aber er war mit Carolin verheiratet und wenn sie ihm gestand, was sie für ihn fühlte, würden sie vermutlich ihre Freundschaft verlieren und das wollte Lena lieber nicht riskieren. Ricardo, der bemerkt hatte, dass Lena ihm nicht so ohne weiteres auf seine Frage antworten würde, weil sie noch viel zu sehr mit sich rang, entschied sich das Risiko einzugehen und sein Gefühlsleben offen zu legen. Es war ein gewagter Schritt, höchstes Risiko, aber er war der Ansicht, dass jetzt er jetzt nichts mehr verlieren konnte, was nicht eh schon verloren war. „Weißt du, Lena, ich habe dich geküsst, weil ich nicht anders konnte. Aus dem Impuls heraus. Die ganze Zeit habe ich wacker gegen diesen Drang angekämpft, aber gestern Abend war ich des Kämpfens müde, ich wollte nur noch die Augen schließen und mich fallen lassen, in der Hoffnung, dass du da bist und mich auffängst. So wie du immer für mich da warst, wenn ich gefallen bin. Gestern, da hatte ich schlicht und ergreifend keine Kraft mehr meiner Sehnsucht zu widerstehen: Ich musste dich einfach küssen, sonst wäre ich wahrscheinlich durchgedreht.“ Verlegen versuchte Ricardo überall hinzusehen, nur nicht auf die junge Frau, deren Blick er förmlich auf seiner Haut spüren konnte. Fieberhaft überlegte er, ob er mit seinem Geständnis zu weit gegangen war und ob er sie jetzt endgültig verschreckt hatte, doch als Lena nach einer halben Ewigkeit ihre Stimme wieder gefunden hatte, klang sie ruhig und- liebevoll. „Weißt du, Ricardo, ich habe mich von dir küssen lassen, weil ich nicht anders konnte.“ Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie Ricardos Worte wiederholte und schon wollte er protestieren, da legte sie ihm ebenso sanft den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete ihm ihr weiter zuzuhören. Sie war noch nicht fertig. „Bis gestern Abend habe ich mir die ganze Zeit unbewusst eingeredet, dass wir nur Freunde sind und dass diese wechselnden Gefühle in meinem Bauch ganz normal sind. Genauso normal wie mein Herz, dass jedes Mal, wenn du mich berührst, einmal kurz aussetzt, nur um dann die nächsten Schläge schneller zu schlagen. Bis zum gestrigen Abend war ich wirklich erfolgreich damit daran zu denken, dass du ein vergebener Mann bist und ich mich unter gar keinen Umständen in dich verlieben darf, aber verdammt, mit deinem Kuss hast du mein gesamtes Kartenhaus rücksichtslos niedergerissen.“ Verlegen und unsicher sahen sie einander an, bis sie beide im gleichen Augenblick die Distanz für einen Kuss zu überbrücken versuchten. Schwungvoll stießen ihre Köpfe gegeneinander und mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht rieben sie sich ihre Stirn ehe ihnen die Komik dieser Situation bewusst wurde und das befreiende Lachen einsetzte. Viel zu schnell wurde Lena jedoch wieder ernst. „Und was machen wir jetzt? Was wird aus uns, falls es überhaupt ein „Uns“ gibt? Immerhin bist du mit Carolin verheiratet und das, was wir hier tun würden manche als Sünde bezeichnen.“ „Was sollen wir schon machen? Das ist doch vollkommen klar.“ „Ach ja, ist es das? Also mir ist im Augenblick gerade nichts klar und ich habe absolut keine Ahnung, wie das alles hier weiter gehen soll, wenn du das schon weißt, bitte, sag es mir. Denn wenn ich ehrlich sein soll macht mir diese ganze Situation, diese ganzen Gefühle und all diese Veränderungen gerade eine Heidenangst.“ Lena hatte nicht so aufbrausend reagieren wollen, aber diese Ungewissheit zerrte schon jetzt an ihren Nerven. Sie hatte einfach Angst vor der Zukunft und dieses Gefühl war Lena neu, denn ihr Leben lang hatte sie immer geplant und organisiert, sie war nie ohne genaue Planung und detaillierte Vorbereitung in etwas hineingestolpert, mit Ausnahme der letzten Nacht. Das hatte sie nicht geplant, darauf war sie nicht vorbereitet gewesen, genauso wenig wie auf die Flut ihrer eigenen Gefühle, die jetzt die Überhand zu erlangen drohten. „Bitte beruhig dich, Lena, ich kann verstehen, dass dir das alles hier Angst macht, mir geht es doch genauso. Aber ich bin auch so glücklich wie schon lange nicht mehr, vielleicht sogar so glücklich wie ich noch nie war.“ Ein leises „ich auch“ von Lena bekräftigte Ricardo weiter zu sprechen und ihm war klar, dass es eine extreme Entscheidung war, die er innerhalb kürzester Zeit aus seinen Gefühlen heraus gefällt hatte, aber noch nie im Leben war er sich so sicher gewesen wie jetzt das richtige zu tun. Hätte er diese Gewissheit nur schon nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht gehabt, so hätte er sich und Lena viel ersparen können. Vor allem natürlich sich selbst. „Und gerade weil ich mit dir so glücklich bin und ich dich noch viel, viel glücklicher machen will, gibt es für mich nur eine Möglichkeit wie es weiter gehen kann: Ich werde mit Carolin reden, ihr alles erklären und mich dann von ihr scheiden lassen, damit wir beide eine reelle Chance haben miteinander in Glück und Frieden alt zu werden.“ Langsam lief eine einzelne Träne über Lenas Gesicht und Ricardo hob vorsichtig den Daumen um sie wegzuwischen. Es war ihnen beiden klar, dass Ricardo etwas zu vorschnell vom zusammen alt werden gesprochen hatte, aber Lena wusste, was er eigentlich meinte. Für was ihm die passenden Worte fehlten und es rührte sie zutiefst. Um sie glücklich zu machen war er bereit seine Ehe zu beenden, für ein Leben mit ihr wollte er alles Vertraute aufgeben. Das waren viele Dinge, die er bereit war aufzugeben, und Lena fürchtete sich fast vor diesen Opfern, aber sie war trotzdem nicht bereit aus purer Angst auf ihren Märchenprinzen zu verzichten. „Das würdest du alles tun? Ohne zu zögern? Ich bin also nicht nur eine kleine Affäre für dich, mit der du dich so lange abgibst, wie sie dir interessant genug erscheint? Die du dann aber wegwirfst wie ein benutztes Taschentuch?“ Innerlich wusste Lena, dass Ricardo niemals so von ihr denken oder sie so behandeln würde, doch sie war einfach zu sehr Frau um nicht doch all diese Unsicherheiten zu verspüren, die es mit sich brachte einen verheirateten Mann zu lieben. „Ja, das würde ich nicht nur tun, sondern das werde ich tun. Und nicht nur für dich, sondern vor allen Dingen für mich selbst, weil ich nicht in einer Ehe leben will, in der ich nur unglücklich bin. Das Leben ist zu kurz um nicht jede Sekunde auszukosten. Und ich bin mit niemandem so glücklich wie mit dir, Lena, deswegen werde ich Carolin auch verlassen, aber das möchte ich ihr gerne von Angesicht zu Angesicht sagen. Persönlich. Alles andere wäre schändlich, das hat sie nicht verdient. So lange müssen wir unsere Beziehung geheim halten, denn ich will nicht, dass sie aus der Presse davon erfährt.“ Gedanklich überschlug Lena wie lange es noch war bis zu Carolins Rückkehr und kam auf knappe vier Wochen. 28 Tage, in denen sie eine Lüge würden leben müssen. Das war eine lange Zeit und sie würde bestimmt nicht leicht werden, aber andererseits konnte Lena seine Beweggründe verstehen, etwas anderes hätte sie ja auch nicht von ihm erwartet, also nickte sie nur leicht. Sie hatten ihre Gefühle bisher so lange verheimlich, da würde es auf vier weitere Wochen auch nicht mehr ankommen. „Danke, dass du mir diese Zeit lässt.“ Ein überglückliches, strahlendes Lächeln zierte sein Gesicht und kurz bevor er sich zu Lena hinüber beugte um sie zu küssen flüsterte er leise: „Ich liebe dich, Lena.“ Es war Paolos wissende Stimme, die Lena wieder aus dem Land der Erinnerungen in die Realität zurück holte und für den Moment war sie sich nicht sicher, ob sie sich darüber freuen oder ihm dafür verfluchen sollte. Einerseits tat es ihr unheimlich weh daran zu denken, was sie damals verloren hatte, zum anderen war diese Nacht aber viel zu schön gewesen um sie vergessen zu können. Lena erinnerte sich noch viel zu lebhaft an das traumhafte Gefühl in Ricardos Armen aufzuwachen, sie wusste noch Wort für Wort, was er an diesem Morgen zu ihr gesagt hatte. Sie konnte seine Küsse förmlich wieder auf ihrer Haut spüren und sie wusste, dass es nur noch mehr schmerzen würde, wenn sie weiter daran dachte. „Lena, du bist nicht allein verantwortlich für das, was zwischen euch passiert ist, versteh’ das doch endlich, dann geht es dir besser. Zu so einer Beziehung gehören immer noch zwei Menschen.“ Am liebsten hätte Lena vor Frust laut los geschrieen, aber sie wusste sich zu beherrschen. Es war doch immer wieder dasselbe: Jedes Mal, wenn sie über diese Sache sprachen, fing Paolo damit an ihr einreden zu wollen, dass sie nicht alleine Schuld an diesem Dilemma war. Dabei war die Sache doch glasklar. „Ach Paolo, lassen wir das lieber. Wir werden nie einer Meinung sein.“ „Wahrscheinlich nicht, aber ich möchte, dass du weißt, dass Ricardo es genauso sieht wie ich. Wobei nein, im Grunde genommen sieht er es genau wie du. Und doch irgendwie anders.“ „Wie meinst du das jetzt schon wieder?“ „Er glaubt, genau wie du, allein an all dem Leid und den Schmerzen verantwortlich zu sein. Er denkt, er allein hätte es angefangen und er wäre es letztendlich auch gewesen, der dir das Herz gebrochen und dich aus der Stadt vertrieben hat. Und das tut ihm unendlich Leid und wenn er euer letztes wirkliches Gespräch rückgängig machen könnte, dann würde er es sofort tun.“ Lena versuchte krampfhaft die aufkommenden Erinnerungen an ihr letztes ernstes Gespräch mit Ricardo zu verdrängen, das hielt sie jetzt nicht auch noch durch. Für einen Tag waren schon zu viele bitter-süße Erinnerungen auf sie eingeprasselt, erst ihre Kindheit, dann der Beginn ihrer Beziehung zu Ricardo, den Gedanken an ihr Ende ertrug sie jetzt nicht auch noch. So ging sie zum Fenster, öffnete es, atmete tief durch und versuchte sich wieder auf Paolo und das Gespräch zu konzentrieren. „Ich kann dir nicht sagen, ob es mir Leid tut, was ich damals gesagt habe, aber er sollte, und das kannst du ihm gerne von mir ausrichten, die Vergangenheit ruhen lassen, denn vergossenen Wein, den trinkt keine mehr. Ricardo kann die Zeit genauso wenig zurückdrehen wie wir und manchmal glaube ich, dass es auch besser so ist. Manche Dinge sollen halt einfach nicht sein.“ Lena wusste wirklich nicht, ob es ihr Leid tat, was sie damals gesagt hatte. Sie hatten damals einander sehr wehgetan, ohne auch nur einen Augenblick aufzuhören einander zu lieben, das wusste sie. Es war paradox, dass man immer genau den Menschen am meisten verletzte, den man doch eigentlich so sehr liebte. Schmerzhaft paradox, aber viel zu wahr. Das Leben war voller Entscheidungen, aber keiner sagte jemals was von der Angst, die man in Augenblicken wie diesem fühlte. Wenn man Entscheidungen treffen musste, die das Leben vieler Menschen verändern würde. Würde sie die Zeit zurück drehen wollen um etwas anderes zu sagen? Eigentlich nicht, denn alles hatte sie genau so gemeint und wäre sie jetzt wieder in der gleichen Situation, so würde sie wieder genauso handeln, würde wieder dasselbe tun. „Da hast du wahrscheinlich Recht, Principessa, aber für andere Dinge wiederum lohnte es sich zu kämpfen. Du musst nur zwischen beiden zu entscheiden wissen.“ „Ich habe mich entschieden.“ „Ja, und deswegen bist du auch vor deinen Problemen in Barcelona weggelaufen. Wäre jetzt nicht der richtige Augenblick um zu kämpfen?“ „Nein.“ „Warum nicht?“ „Bitte nicht, Paolo, tue es nicht. Ich habe das wunderbare Gefühl dir alles sagen zu können, bitte gib mir nie das Gefühl dir alles sagen zu müssen. Das könnte ich nicht ertragen.“ Auch wenn Paolo am anderen Ende des Telefons schwieg, wusste Lena doch, dass er sie verstanden hatte und wusste, was sie damit meinte. Hin- und wieder gab es einfach diese Augenblicke, in denen sie nicht miteinander sprechen mussten um sich wirklich zu verstehen. Da ging es einfach so. „In Ordnung, Principessa, ich werde nicht weiter nachfragen, ich will nur fragen, ob es dir da, wo du gerade bist, einigermaßen gut geht.“ „Ach Paolo, du kannst auch ganz direkt fragen, wo ich bin, du musst es nicht so umschreiben. Du nicht. Ich wollte zwar niemandem sagen, wo ich bin, aber dir kann ich vertrauen. Ich bin derzeit bei meinem Bruder und seiner Familie in Bremen und es geht mir den Umständen entsprechend gut. Lena und Lisa, meine beiden Nichten, bringen mich auf andere Gedanken.“ Wieder herrschte einen Augenblick schweigen am anderen ende und Lena war sich sicher, dass Paolo erst wieder überlegte, ob er das, was er dachte, auch wirklich so aussprechen konnte ohne sie zu verletzen. So war es bei Paolo immer und in Zeiten wie diesem war Lena ihm dafür überaus dankbar. „Es tut dir gut wieder Kinder um dich zu haben, habe ich Recht, Principessa? Du vermisst sie, oder?“ „Ja, schon. Besonders natürlich Christian. Grüß meinen kleinen Schatz von mir, Paolo.“ „Werde ich machen, versprochen. Und ob du es glaubst oder nicht, er vermisst dich auch. Keine wird je an das heran reichen, was du ihm bist. Er würde dich gerne bald mal wieder sehen.“ Selbstverständlich wusste Lena, dass Paolo sie geschickt dazu überreden wollte wieder nach Mailand zurück zu kommen, aber dazu war sie auch nach all der Zeit einfach noch nicht wieder bereit. Das wäre zu viel. „Ich weiß, ich weiß und ich werde kommen, aber nicht demnächst ja? Wenn Christian möchte, kann er mich ja auch hier in Bremen oder mal wieder in Barcelona besuchen kommen. Hier hätte er sogar Lisa und Lena als Spielkameradinnen.“ Sowohl Lena also auch Paolo lachten leise auf, jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Lena, weil sie sich ihren herzallerliebsten Wirbelwind mit ihren beiden Nichten vorstellte, Paolo, weil er an eine Aussage seines Sohnes dachte. „Ihm würde das bestimmt gefallen, aber deinem Bruder unter Umständen nicht, denn Christian war der Auffassung, dass wenn er dich schon später mal nicht heiraten kann, dann will er wenigstens jemanden heiraten, der dir so ähnlich ist wie irgend möglich. Und so wie du bisher von der kleinen Lena berichtet hast, könntet das genau auf sie zutreffen.“ Der Gedanke an Christian und Lena als Paar heiterte Lena wirklich ungemein auf und in ihrem Kopf formte sich schon das Bild der beiden Händchen haltend. In der Tat, sie würden sicher ein süßes Paar abgeben, aber erst in ein paar Jahren. So lange wollte Lena ihren lieben Bruder solche Sorgen ersparen, es reichte schon, wenn er sie selbst wie ein Wachhund vor allen Männern abschottete. Erschöpft und emotional vollkommen ausgelaugt ließ Lena das Telefon sinken. Es rutsche ihr aus der Hand und fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Teppichfußboden. Das kümmerte Lena jedoch herzlich wenig, so tief war sie in Gedanken versunken. Minutenlang stand sie einfach so am Fenster und starrte wie hypnotisiert in die Ferne. Erst als sie ihre Zimmertür hörte, drehte sie sich um nur um ihren besorgt aussehenden Bruder im Rahmen stehen zu sehen. Seinen sorgenvollen Blick ertrug Lena jetzt nicht auch noch, das war einfach zu viel, deswegen wandte sie sich wieder dem Fenster zu und flüsterte nur ganz leise und mit zittriger Stimme: „Nicht jetzt, Torsten, bitte nicht jetzt.“ Trotz ihrer geringen Lautstärke hatte der Lutscher verstanden und verließ leise das Zimmer, nicht jedoch ohne sie noch einmal unauffällig zu mustern. Und was er sah gefiel im nicht sonderlich: Ihre sonst so fröhlich strahlenden Augen waren glanzlos und leer, ihr Gesicht fahl und ihre ganze Haltung hatte Resignation geschrieen, dabei war seine Schwester nie ein Mensch gewesen, der leicht aufgab, aber so, wie sie da gerade am Fenster gestanden hatte, schien sie einfach nur ein kleines, gebrochenes Mädchen zu sein, das all seine Hoffnung verloren hatte. Ein Anblick, der sich unwiderruflich in Torstens Gedächtnis gebrannt hatte. Und genau so wollte er seine geliebte kleine Schwester nie wieder sehen und er schwor sich, dass er alles tun würde, um sie endlich wieder fröhlich und aus tiefsten Herzen lachen zu sehen. Koste es, was wolle, sein kleines Mädchen sollte wieder so glücklich werden wie früher, als sie gemeinsam davon geträumt hatten die Welt zu erobern. So unbeschwert und frei. To be continued… Nun wisst ihr, wie die beiden den Morgen „danach“ erlebt haben. Habe ich zu dick aufgetragen oder ist es glaubhaft? Wie lange geht diese Beziehung wohl dann gut und woran scheiterte sie letztendlich? Was haben sie sich gegenseitig an den Kopf geworfen, dass Ricardo es bereut, Lena sich aber nicht sicher ist? Und wie wird der Lutscher wohl das Lächeln zurück ins Gesicht seiner Schwester zaubern? Theorien, Vorschläge? ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)