D.Gray-Man von Owl_of_the_Arcane (Die unbekannte Geschichte) ================================================================================ Kapitel 11: Banden der Freundschaft ----------------------------------- Die Tage zogen sich endlos, wie die Perlen auf einer unendlich langen Schnur, dahin. Träge und öde zogen sie an ihm vorbei, ihm, der dem Dahinscheiden der Zeit eh keine große Beachtung mehr zumaß. Er war stehen, stecken geblieben auf seinem verschlungenen, unübersichtlichem Lebenspfad. Er hatte die Orientierung in dm Wirrwarr von Kreuzungen, Abzweigungen und Abkürzungen verloren, war in eine Sackgasse geraten, die ihn nun von allen Seiten erdrückte. Es war kaum zum Aushalten, die Erkenntnis ohne Ausweg gefangen zu sein, lähmte seinen Körper und seine Gedanken, füllte sie nur mit Schrecken und Hoffnungslosigkeit. Er wusste nicht mehr weiter, wusste weder aus noch ein. Wieder einmal war er so hilflos, wie damals, als er als Außenseiter, als Freak gemieden, aus dem Heim fortgelaufen war. Jenes Gift, das ihn schon damals heimgesucht hatte, strömte auch jetzt wieder durch seine Adern, das Gift der Einsamkeit, das sich schleichend durch seinen Körper fraß und ihm dabei seelische Schmerzen bereitete. Es war nicht unbedingt die Einsamkeit im personellen Sinne, sondern vielmehr der Mangel an Unterstützung und Rückhalt, der ihn so tief schmerzte. Seit man befürchten musste, dass er irgendwann zum 14ten Noah werden würde, begegnete er selbst bei den engeren Freunden auf Zurückhaltung oder Misstrauen. Er konnte es an ihren Augen sehen, jene Augen die nur flackernd seinen Blick standhielten, wo sie früher ihn geradezu gesucht hatten. Er seufzte traurig, bekümmert über diese Art der Entwicklung, doch vor allem trauerte er seinem verfluchten Auge hinterher. Nie hätte er für möglich gehalten, dass er sich einmal an den Fluch klammern würde, der auf ihm bzw. seinem linken Auge lastete. Jedes mal die stöhnenden, wehklagenden Seelen zu sehen, die an die unheiligen Körper der Akumas gefesselt waren, war nichts Erhebendes oder Erstrebenswertes und doch sehnte er sich sein linkes Auge zurück, jenes Auge, das ihm diese gequälten Seelen vor Augen führte, ihn jedes Mal beim Anblick dieser erschaudern ließ. Seine ungewöhnliche Liebe zu diesen bemitleidenswerten Kreaturen gab seiner Sehnsucht, seinem Verlangen Nahrung, doch es war und blieb ein unerreichbarer Traum, eine gemeine Illusion, der er verzweifelt nachzujagen versuchte. Sein linkes Auge war für immer verloren, sowie fast seine gesamte, linke Gesichtshälfte. Wie von selbst hob sich seine rechte Hand in gespenstisch unbeteiligter Bewegung an, um prüfend über den frisch angelegten Verband zu streichen, sich zu vergewissern, dass dieser auch da war und nicht zufällig doch gesundes, unversehrtes Fleisch, wie er sich erträumte. Stramm spannte sich der Verband um Kopf und Gesicht und ließ damit keinen Zweifel an seiner Verwundung. Immer wieder kreiste ihm dabei diese eine Frage durch den Kopf, geisterte darin herum, wie ein rastloser Geist, der nach seinem gewaltvollen Ableben keine Ruhe mehr finden konnte. Wie sollte er jetzt weitermachen? Wäre er trotz alle dem in der Lage erfolgreich als Exorzist arbeiten zu können, ohne den anderen zur Last zu fallen? Oder würde er seine Existenz als Exorzist an den Nagel hängen und sich vielleicht eine zivile Anstellung im Orden suchen müssen? In irgendeine Richtung würde er jedenfalls gehen müssen, wenn er nicht verrückt werden wollte, doch wo war er am Besten aufgehoben? Wo war er von Nutzen? So viele Fragen kreisten durch seinen Kopf, bereiteten ihm sorgenvolle Kopfschmerzen, die kein Schmerzmittel der Welt vertreiben konnte. Wo würde er die Antworten auf seine nagenden, quälenden Fragen finden können? Wer konnte ihm bei der Problemlösung mir Rat und Tat beistehen? //Lavi…// dämmerte e ihm schließlich in seinen trägen, wie trübsinnigen Gedanken. Wenn es jemanden mit ausgereiften Intellekt und besonderem Scharfsinn gab, dann war es der junge Bookman. Wer, wenn nicht er, sein bester Freund, könnte ihn aus seinen Qualen erlösen? Ihm konnte er sein Leiden anvertrauen, vor ihm brauchte er keine Geheimnisse haben, denn sie beide verband eine enge Freundschaft, eine starke Bande, auf die Verlass war, die durch viele gemeinsame Abenteuer gefestigt worden war und sich nicht so leicht erschüttern ließ. Relativ regelmäßig hatte Lavi bei ihm vorbeigeschaut, auch wenn es meist nur kurze Besuche gewesen waren, schließlich ging sein Alltag weiter wie regulär. Wenn der junge Bookman nicht gerade auf einer Mission war, hockte er in der großen, umfangreichen, klösterlichen Bibliothek oder auf seinem Zimmer und brütete über alten, dicken Schinken. Sein letzter Besuch lag nun schon einige Tage zurück. //Vermutlich ist er zurzeit irgendwo auf einer Mission unterwegs…// dachte Allen und seine anfänglich leicht gehobene Stimmung sackte wieder auf das vorherige Stimmungstief hinab. Wer wusste schon, wann sein Freund wieder zurückkehren würde? Allen seufzte leise und streichelte seinen treuen, goldenen Golem, der ihm in diesen öden, wie quälenden Stunden einzige Gesellschaft war. Selbst Link, der junge Inspektor und sein Aufpasser, erschien nur noch selten, kam jeweils kurz nach den Mahlzeiten, vergewisserte sich, dass er noch da war, noch lebte und verließ kurz darauf auch schon wieder den Krankenflügel, offensichtlich war er auch für den eingeführten Bereitschaftsdienst abberufen worden. Seit dem überraschenden Akumaangriff, bei dem Allen sich seine schwerwiegende Gesichtsverletzung zugezogen hatte, waren nun schon ca. drei Wochen vergangen und seither hatte es zum Glück keine weiteren Angriff mehr gegeben, doch man konnte nie wissen. Erst wenn das noch in der Entwicklung befindliche Sicherheitssystem installiert worden war, konnten sie wieder etwas ruhiger schlafen, ohne befürchten zu müssen nach einem langen, arbeitsreichen Tag ins Bett zu fallen und am nächsten Tag nicht mehr aufzuwachen. Wieder entwich seinen missmutig nach unten gezogenen Lippen ein seelisch erschöpftes Seufzen. Einerseits hasste er es warten zu müssen, sich in Geduld üben zu müssen bis seine Verletzung soweit verheilt und seine Kräfte soweit zurückgekehrt waren, dass er den Krankenflügel endlich wieder verlassen konnte, andererseits fürchtete er sich davor die schützende Umarmung dieses Ortes aufzugeben, um in die Welt der Unsicherheit, der Angst zurückzukehren. Er fühlte sich noch nicht reif, noch nicht stark genug für dieses schicksalhafte Vorhaben, denn es würde bedeuten eine schwerwiegende, schicksalsträchtige Entscheidung zu treffen. Jetzt, so wie er war, so uneins mit sich selbst, war nicht der richtige Zeitpunkt, um bereits über diese, seine bange Zukunft zu entscheiden, jedoch stand es außer Frage, dass diese Entscheidung bald anstehen würde. Er hoffte, dass er einen klaren, vernünftigen Gedanken zu diesem heiklen Thema fassen konnte, nachdem er sich von Lavi Rat eingeholt hatte. //Lavi…wärst du doch jetzt nur hier…// dachte Allen betrübt und schloss seinen treuen Golem, der es sich auf seinem Schoss gemütlich gemacht hatte, fest in seine Arme, als wäre er sein letzter Halt, sein letzter Anker, bevor ihn seine Sorgen, seine Ängste, die er Tag um Tag und selbst in den langen Nächten ausstand, in den Wahnsinn trieben. Es mutete fast wie die göttliche Erhörung seines innigen Flehens an, als er hinüber zu der schweren Doppeltür starrte, die den Eingang zum Krankenflügel markierte. Wie eine himmlische Erscheinung mutete die Gestalt an, die soeben eingetreten war und nun direkt auf sein Krankenbett zuhielt, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Nach all den Widrigkeiten, mit denen das Schicksal den jungen Engländer geschlagen hatte, schien Gott endlich nachsichtig mit ihm zu sein und schenkte ihm in seinen dunklen Stunden ein kleines Licht, ein Licht, das vielleicht hell genug strahlte, um ihm, dem „Erblindeten“, den Weg zu weisen. Die Andeutung eines Lächelns hob seine missmutigen Lippen leicht an und gab seinen traurigen Augen wenigstens einen kleinen Hauch ihres alten, magischen Glanzes zurück. „Willkommen zurück, Lavi. Ist alles gut gegangen?“ begrüßte er den Rotschopf, der sich mit einem müden, wie erleichterten Seufzer auf den gepolsterten Stuhl an Allens Krankenbett fallen ließ. „Ah, es tut gut wieder daheim zu sein. Ja, wir hatten zum Glück keine großartigen Probleme mit Akumas. Eigentlich ein gemütlicher Spaziergang, Innocence ausfindig machen, einpacken und abreisen, mehr nicht…Und, gibt es hier was Neues? Irgendetwas an Klatsch und Tratsch?“ gab Lavi mit einem gelangweilten Achselzucken Auskunft, lehnte sich allerdings in Erwartung besonderer Neuigkeiten zu seinem Freund vor. „Ah, nein, nicht wirklich. Die Krankenschwestern hier sind zwar ganz nett, aber auf keinen Fall mit tratschenden Waschweibern zu vergleichen. Tut mir Leid…“, verneinte Allen mit einem schwachen, ironischen Lächeln die Frage des jungen Bookmans. „Zu schade…Wie steht es mit dir? Du siehst aus, als wärst du seekrank. Haben sie dir wieder einen anderen „Cocktail“ verschrieben?“ erkundigte sich Lavi und musterte dabei den blassen, jungen Engländer eingehender. Er machte einen abgezehrten, seelisch ausgemergelten Eindruck. Die blaugrauen Augen starrten unfokussiert in die Gegend, während ihr Besitzer Mal wieder über irgendetwas Unerfreulichem brütete. „Du isst doch auch ordentlich, oder?“ hakte Lavi mit eindeutig besorgtem Unterton in der scheinbar ruhigen Stimme nach, als er keinen Antwort auf seine erste Frage erhielt. „Hm? Oh, eh, ja, tut mir Leid, ich war mal wieder in Gedanken. Nein, die Medikamentation haben sie nicht großartig geändert, aber inzwischen komme ich ganz gut mit weniger Schmerzmitteln aus…Ach, essen tu ich gut, aber jetzt ist der Hunger natürlich geringer, wo ich von meiner Innocence keinen Gebrauch machen muss…“, gab Allen schließlich, nachdem er aus seinen grüblerischen Gedanken aufgeschreckt war, zur Antwort. Lavi runzelte leicht ungläubig die Stirn, während er nochmals einen recht aussagekräftigen Blick über die abgewrackte Gestalt des jungen Engländers wandern ließ. „Weißt du….es ist gut, dass du da bist…Ich brauche deinen weitsichtigen, ungetrübten Intellekt...“, begann Allen zögerlich sein Anliegen zu formulieren. Er wusste nicht genau, wie und wo er anfangen sollte. Wie sollte er Lavi sein persönliches Dilemma begreiflich machen? Nach den passenden Worten ringend leckte er sich über die trockenen Lippen, versuchte seine trägen, paralysierten Gedanken zu ordnen. „Keine Sorge, ich habe immer ein offenes Ohr für dich, Allen. Was immer dich auch zwickt, du kannst es mir anvertrauen. Selbst ein Blinder würde bemerken, dass dich etwas belastet…Was ist es? Was liegt dir so scher auf dem Herzen? Ist es wegen deinem Auge? Befürchtest du ohne es deinen Dienst als Exorzist nicht mehr ausführen zu können?“ versicherte ihm der rothaarige Exorzist und ergriff ermutigend die rechte Hand seines Freundes, sodass dieser seine Nähe, seine Anteilnahme und seinen Willen zur Unterstützung spüren konnte. Ein trauriges Lächeln stahl sich für einen flüchtigen Augenblick auf Allens Lippen, untermalte den Ausdruck seines traurigen Auges mit melancholischer Perfektion. Für diesen einen kurzen Augenblick spiegelte sich das ganze Leid, der ganze Gram auf dem erschlafften Gesicht des weißhaarigen Jungen wieder. „Du kennst mich einfach zu gut, Lavi…besser, als ich mich selbst…Ja, ich mache mir in der Tat dahingehend Sorgen. Seit jenem Tag, an dem ich Mana von den Toten zurückgeholt, seine Seele in das Akuma-Skelett gebannt und ihn anschließend mit meiner erwachten Innocence getötet habe, bin ich ein Exorzist gewesen, habe als solcher gelebt und gekämpfte, um die gefangenen Seelen in den Akumas zu befreien und ihnen Frieden zu schenken…Jetzt allerdings, ohne mein verfluchtes Auge, ohne meine Verbindung zu den Dämonen fühlte ich mich dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen. Unsicherheit hält mich gefangen, gelähmt, sodass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann…..Ich weiß einfach nicht mehr weiter….“, sprudelte es aus dem weißhaarigen Jungen heraus, wie aus einem frischen Bergquell. Er schien irgendwie erleichtert zu sein diese seelische Last endlich mit jemandem teilen zu können. Lavi hörte sich stillschweigend an, was seinen jüngeren Kameraden plagte und atmete dann einmal tief ein und dann wieder aus. „Allen, du selbst betrachtest dich als Exorzist und sehnst dich danach das Leben als solcher weiterführen zu können. Damals, als du deine Innocence verloren hattest, sie bis zu ihren Grundteilchen reduziert worden war, damals hattest du nicht die geringsten Bedenken. Du hattest ein Ziel fest vor Augen, nämlich auf das Schlachtfeld dieses Krieges zurückzukehren, als nichts anderes als ein Exorzist. Damals ging es um deine Innocence, jene Waffe, die dir erst erlaubt, dich als Exorzisten zu definieren und als solcher zu kämpfen. Sag mir also, Allen, wovor du dich jetzt eigentlich fürchtest? Deine Innocence ist nach wie vor intakt, du kannst jederzeit von ihr Gebrauch machen…Dein verfluchtes Auge hingegen ist kein essentieller Teil deines Exorzisten-Daseins, es ist jediglich eine zusätzliche Hilfestellung, mehr nicht. Allen, auch wenn du ein Auge verloren hast und sich deine Sichtweise von der Welt in manchen Punkten verändert hat, so hast du immer noch das Zeug, um diesen Job zu machen. Du bist niemand, der sich scheut noch so große Mühen auf sich zu nehmen, um sein Ziel zu erreichen…Also verdammt noch mal, reiß dich endlich zusammen. Du kämmst nicht allein an vorderster Front, du hast uns, deine Freunde. Wir halten dir den Rücken frei. Du brauchst deine Last nicht ganz alleine schultern…“, redete er nun eindringlich auf seinen bekümmerten Kameraden ein und führte ihm die wesentlichen, die wichtigen Dinge vor Augen, jene Dinge, die Allen bestärken sollten weiterzumachen, weiterzuleben, als Exorzist, als sein Kamerad, auf den er zählen und bauen konnte, so wie umgekehrt. Es blieb einige Augenblicke still zwischen den beiden Jungen, nur das monotone Piepen des Überwachungsmonitors erklang in dieser Stille, in der Lavis Worte in Allens Kopf nachhallten und sich dort einhämmerten. Er hatte den Kopf leicht gesenkt, wie ein Verurteilter, ein Abgeurteilter, sodass es Lavi nicht möglich war sein Gesicht bzw. den Rest, der davon noch übrig war, zu erkennen. Ein leichtes Zucken ging durch den schmächtigen Körper des Jüngeren, ließ die schmalen Schultern leicht erbeben, so wie die hand, die Lavi immer noch fest umschlossen hielt. Fast befürchtete er schon genau das Gegenteil von dem erreicht zu haben, was er beabsichtig hatte und so den Jüngeren zum Weinen gebracht hatte. In Erwartung dieser Situation hatte er von seiner hand abgelassen und sich zu ihm gebeugt, ihn vorsichtig umarmt, um ihn zu trösten, das Missverständnis zu begleichen, doch statt der erwarteten Schluchzer drang ein leises aber erleichtertes Lachen an sein Ohr. Etwas verdutzt nahm er von dem jungen Engländer Abstand, hielt ihn ein wenig von sich, um ihn misstrauisch zu betrachten, doch er erblickte nur eine kleine Freudenträne, die sich Allen von seinem rechten, verbliebenen Auge fortwischte. „Wie hältst du es nur mit so einem Jammerlappen, wie mir aus, Lavi?“ fragte Allen, während sein blaugraues Auge ihn mit einem dankbaren Funkeln bedachte. Erleichtert darüber, dass Allen seine Worte richtig verstanden und diese auch begriffen hatte, lehnte er sich mit einem zufriedenen Lächeln zurück. Es war ein beruhigender, wie auch erfüllender Gedanke seinem geplagten Freund geholfen, ihn wachgerüttelt zu haben, sodass dieser von seinen Sorgen befreit war und keine Angst mehr vor der ungewissen Zukunft haben brauchte. Es war nur zu natürlich in mach einer Situation verunsichert, verängstigt und besorgt zu sein, vor allem unter solchen, schwerwiegenden Bedingungen. „Ich bin dein Freund, Allen, und als solcher akzeptiere ich dich vorbehaltlos ganz genauso, wie du bist, mit all deinen Stärken, Schwächen und Macken…“, sagte Lavi schlicht, doch er meinte diese Worte genauso, wie er sie gesagt hatte. „Danke, Lavi, danke…“, murmelte Allen und beugte sich nun seinerseits zu dem Rotschopf, um ihn zu umarmen, ihm so seine Dankbarkeit, seine Freude und all die anderen Gefühle zum Ausdruck zu bringen, die er im Hinblick auf ihre Freundschaft zu ihm empfand. Der junge Bookman erwiederte ein wenig verlegen die Umarmung seines Freundes und bekundete, dass es für ihn eine Selbstverständlichkeit war, für seinen Freund, seinen Kameraden da zu sein. //Schade, dass nicht jeder solch eine Auffassung hat…// seufzte Lavi still in Gedanken, die in diesem kurzen, bewegenden Moment seinem zweiten Sorgenkind, Samantha, gewidmet waren. Schnell jedoch schob er diese Gedanken in eine besonders große und tiefe Schublade seines Hinterstübchens und schloss diese ab, damit sie nicht sein ganzes Denken vereinnahmten, so wie sie es die vergangenen Wochen versucht hatten. „Wie geht es Samantha?“ fragte Allen nach, da das Letzte, was er von den beiden mitbekommen hatte, ihr heftiger, wie spektakulärer Streit in der Kantine gewesen war. Mit dieser ungeschickt gewählten Nachfrage bezüglich des jüngsten Mitgliedes ihrer kleinen Exorzistengemeinschaft machte der junge Engländer unwissentlich, wie unabsichtlich Lavis Bemühungen zu Nichte das französische Mädchen aus seinen Gedanken zu verbannen. „Gut nehme ich an…Ich habe sie schon länger nicht mehr gesehen. Sie ist ja bei Tiedolls Einheit, da sieht man sich kaum, da wir ja unterschiedliche Missionen bestreiten. Auch im Bereitschaftsdienst habe ich sie bisher noch nicht angetroffen, aber ich habe keinerlei Bedenken, dass sie sich inzwischen gut bei uns eingelebt hat…“, meinte Lavi und versuchte möglichst beiläufig und unbeteiligt zu klingen, obwohl ihr Streit insgeheim immer noch an ihm nagte, doch sein Stolz und sein Rechtempfinden verweigerten ihm eine Aussöhnung mit der Franzosin. Allen merkte, dass er einen wunden Punkt bei seinem Freund offen gelegt hatte und schwieg deshalb etwas betreten, fasste sich jedoch ein Herz und erkundigte sich nach der Ursache ihrer Auseinandersetzung, da sie ja zuvor eigentlich wunderbar auszukommen schienen. Der Rotschopf seufzte leise und stützte seinen Kopf auf die ineinander verschränkten Hände ab. „Die ganze Sache ist einfach nur ein sehr großes, und sehr blödes Missverständnis. Sie hat total überreagiert…“, begann Lavi leise, während besonders unangenehme Erinnerungsbruchstücke an jenen Vorfall durch seine Gedanken flackerten. „Samantha hatte sich endlich soweit erholt, dass sie den Krankenflügel verlassen und Hevlaska aufsuchen konnte…Ich hatte es versäumt sie darauf vorzubereiten, was sie dort unten erwarten würde. Dem entsprechend ist sie ziemlich in Panik geraten…Du kennst das ja aus eigener Erfahrung…Jedenfalls hat sie mir das ziemlich übel genommen, als hätte ich das absichtlich getan. Als ob ich so was jemals machen würde! Den Rest kennst du ja…“, setzte Lavi seine Schilderung der Ereignisse, die den Ausschlag zu ihrem Streit gegeben hatte, deprimiert fort. „Das ist in der Tat ein gravierendes Missverständnis. Jeder, der Hevlaska nicht kennt und nicht weiß, was ihre Aufgabe ist, bekommt es mit der Angst zu tun…Hevlaska war sicherlich auch nicht sonderlich von den Vorfall dort unten begeistert…“, murmelte Allen und hatte seine rechte Hand nachdenklich an sein Kinn gelegt. „Du solltest versuchen Samantha die Situation verständlich zu machen und das Missverständnis so schnell wie möglich aus der Welt schaffen…“, schlug Allen vor, da eine direkte Konfrontation, wo die Ereignisse noch relativ frisch waren, seiner Ansicht nach am besten war. „Ehrlich gesagt, hänge ich noch an meinem Leben. Wenn das so ausartet, wie beim letzten Mal, dann reißt sie mir gleich zu Beginn den Kopf von den Schultern oder kratzt mit die Augen aus, da habe ich nun wirklich keine Lust drauf…“, schüttelte Lavi den Kopf und bedachte seinen Ratgeber mit einem gequälten, ironischen Lächeln. „Willst du etwa den Kopf in den Sand stecken und die ganze Zeit mit Scheuklappen durch die Gegend laufen, Lavi? Willst du das wirklich? Das sieht dir gar nicht ähnlich. Du hast dich doch vorher auch nicht vor größeren Konfrontationen gescheut. Was ist dieses Mal anders?“ wollte Allen von ihm wissen, als er ihm nun seinerseits freundschaftlich ins Gewissen redete. „Dieses Mal stecke dich selber voll drin…“, gab ihm Lavi deprimiert zur Antwort und lehnte sich mit einem schweren Seufzer auf seinem Stuhl zurück sich mit den Händen unglücklich durch das rote Haar fahrend. //Warum kann Samantha nicht wenigstens etwas von Allens Einfühlsamkeit und Verständnis haben?// klagte er in Gedanken und starrte den Kopf in den Nacken gelegt zur hohen Decke des Krankenflügels hinauf. „Mehr kann ich dir leider nicht raten, Lavi, aber du solltest es nicht weiter so dahinschleifen lassen. Das tut weder dir noch ihr gut…“, meinte Allen eindringlich, wobei er jedoch ein wenig nachvollziehen konnte, wie Lavis persönliches Dilemma aussah. „Nur Mut, du schaffst das schon…“, bekräftigte der junge Engländer seinen Freund nochmals und ergriff nun seinerseits dessen rechte Hand, um sie sanft zu drücken und ihm damit zusätzlich Mut zuzusprechen. Lavi würde das schon schaffen, sofern er von seinen Freunden, auf die er vertraute, genügend Rückhalt bekam. „Vielleicht solltest du Linalee ebenfalls um ihre Einschätzung der Situation bitten. Als Mädchen weiß sie vielleicht eher wie Samantha tickt…“, schlug Allen letztendlich vor, doch mehr wusste er auch nicht zu der verzwickten Problemlösung beizutragen. Der junge Bookman nickte leicht und signalisierte damit seine Zustimmung zu dem Vorschlag des jungen Engländers. Vielleicht würde ihm die zusätzliche, andere Sichtweise der Dinge helfen das Konfliktpotential wenigstens abzumildern, das sich bei seinem Zusammentreffen mit Samantha auf jeden fall entwickeln würde. Wieder konnte er nur hoffen und beten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)