D.Gray-Man von Owl_of_the_Arcane (Die unbekannte Geschichte) ================================================================================ Kapitel 7: Überraschung der etwas anderen (dritten) Art ------------------------------------------------------- Endlich war der Tag gekommen, jener Tag, auf den sie mit wachsender Erregung, wie auch Nervosität hingefiebert hatte, jener Tag, an dem sich ihre kleine Welt dramatisch erweitern und sie von ihrer quälenden Langeweile erlösen würde. Heute war ihr großer Tag, an dem sie offiziell dem schwarzen Orden und damit der kleinen Gemeinschaft von Exorzisten beitreten würde. Endlich hatte sie sich soweit erholt, dass sie die ärztliche Erlaubnis erhalten hatte, ihr kleines Reich, den Krankenflügel zu verlassen. Das Beste an der Sache war, dass Komuis spezielle „Spürhunde“, die er auf ihre Identität angesetzt hatte, hatten bei ihrer mageren Ausbeute wenigstens ihren Namen herausgefunden. Somit würde sie nicht wie befürchtet als Namenlose in die Ränge der Exorzisten eingehen. Prüfend betrachtete sie ihr Spiegelbild in der kleinen, gemütlichen Stube des Schneiders. Schon früh hatte man ihr die nötigen Maße für ihre Exorzistenuniform abgenommen, sodass dieses unique Stück rechtzeitig für diesen Tag fertig gestellt werden konnte. Kritisch glitten ihre blaugrünen Augen über ihren „Zwilling“ und betrachtete das vollendete Werk des Schneidermeisters. Über einem schwarzen Pulli, von dem man nur den schwarzen Rollkragen sehen konnte, trug sie die schwarze, jackenähnliche Uniform, die ihr bis knapp über die Hüfte reichte. Auf der rechten Seite wurde sie mit roten, glänzenden Knöpfen zugeknöpft. Rote Streifen setzten sich elegant wie zackig von dem schwarzen Untergrund ab und zogen den Schnitt der Uniform nach. Militärisch thronten die Schulterklappen zu beiden Seiten auf den Schulterstücken, ebenso majestätisch, einem Orden nicht unähnlich, prangte das silberne Emblem des schwarzen Ordens, das Rosenkreuz, über ihrer linken Brust. Vervollständigt wurde ihr beeindruckendes Erscheinungsbild durch einen knielangen, rot-schwarz gestreiften Rock, schwarze Strumpfhose und halbhohe, schwarze Lederstiefel. „Sitzt wie angegossen, nicht wahr, Sam?“ meinte Lavi, wobei es mehr eine Feststellung seinerseits als eine wirkliche Frage war. Der junge Exorzist hatte es sich natürlich nicht nehmen lassen, sie an ihrem denkwürdigen Tag zu begleiten. Zwar hatte sich ihr Englisch dank seiner Bemühungen erheblich verbessert, jedoch war er immer noch ihre unangefochtene Vertrauensperson, was ihm bei weitem nicht unangenehm war, ganz im Gegenteil. Sam, die eigentlich Samantha Rieux hieß, war nach der anfänglichen Schüchternheit und Zurückhaltung zu einer wahren, gesellschaftlichen Bereicherung herangewachsen. Sie war sehr offen, mitteilsam und belebend, sofern sie erst einmal Vertrauen zu anderen gefasst hatte. „Ist ein so kurzer Rock nicht etwas zu frisch für diese regnerischen Gefilde…?“ brachte sie ihren leichten Unmut über das knappe Kleidungsstück zum Ausdruck, sowie ihre Vorliebe für bequeme, vor allem lange Hosen. Der Schneider versicherte ihr rasch, dass natürlich auch Hosen zu der militärischen Kollektion gehörten, hatte sich jedoch gedacht, dass sie den Rock bevorzugen würde, immerhin betonte er bei dem zackigen Schnitt der Uniform ihre feminine Seite. „Eigentlich nicht. Du hast ja noch die Strumpfhose und trägst meistens noch den dicken Reiseumhang. Da merkst du nicht viel von dem frischen, englischen Wind“, versuchte Lavi ihr zu versichern, denn er musste dem Schneider zustimmen, dass der Rock ihr gut stand und bei dem etwas windigen Wetter, das zur Zeit vorherrschte, war so ein kurzer Rock alle mal ein echter Hingucker. Der Rotschopf lächelte still in sich hinein und frönte heimlich seiner Frauen anbetenden Seite. Die schlanken Beine des Mädchens kamen durch den kurzen Rock und die schwarze Strumpfhose voll zur Geltung, während der Hauptteil der Uniform den Brustbereich leider benachteiligend abflachte. Alles in allem machte sie jedoch eine gute Figur, vielleicht etwas zu gut, wie Lavi befürchtete, immerhin gab es neben ihm im Orden noch eine Person, die einen erheblich ausgeprägteren und schlimmeren Ruf als Weiberheld hatte. Diese Person war niemand anderes als General Marian Cross, Allens gefürchteter Lehrmeister. Bei dem Gedanken an den möglichen Rivalen wurde dem jungen Exorzisten gar nicht wohl. Wenn er selber wirklich ernste Gefühle für das französische Mädchen hegen sollte, dann würde er sich beeilen müssen, sie zu erobern, bevor es jemand anderes tat, doch zuvor war diese entscheidende Frage noch zu klären. Empfand er für Samantha tiefer gehende Gefühle, die über ihre bisherige Freundschaft hinausgingen? //…// Er kam zu keinem befriedigendem Ergebnis, weder ein eindeutiges Ja, noch ein völlig klares Nein. Er war sich einfach nicht sicher, wie er die Gefühle zu ihr einordnen sollte. Als er das erste Mal von ihr gehört hatte, lange bevor er sie das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte, war sie für ihn nur eine kompatible Trägerin gewesen, jemand völlig fremdes, den s zu bergen galt, wie einen raren Fund. Da war keine emotionale, höchstens eine rationale Bindung gewesen, doch kaum hatte er ihre Stimme vernommen, ihren schrillen Schmerzensschrei, der Ausdruck ihres Leidens war, hatte dies etwas in ihm geweckt, seinen Beschützerinstinkt. Von einer völlig Fremden war sie rasch zu einer Gleichgesinnten geworden, jemand aus den eigenen Reihen. Je näher er ihr gekommen war, desto stärker war dieser Instinkt geworden, umso übermächtiger der Drang sie vor weiterem Unheil zu bewahren. Er hatte ihn mit nagender Sorge, wie hilfloser Ohnmacht erfüllt, als er neben ihrem niedergestreckten, reglosen Körper gekniet hatte, um sich davon zu überzeugen, dass sie noch lebte und sie nicht zu spät gekommen waren. Er erinnerte sich noch gestochen scharf an diesen Moment, wo er seine Hand ausgestreckt hatte, um an ihrer Halsschlagader nach ihrem Puls zu fühlen. Seine Hand hatte leicht gezittert, für einige Sekunden gezögert, bevor sie das warme und lebendige Fleisch berührt hatte und er erleichtert ihren Pulsschlag unter seinen Fingerspitzen gefühlt hatte. Im ersten Moment hatte sein Innerstes jubiliert, erleichtert und erfreut sie lebend anzutreffen. Allerdings waren Nüchternheit und Sorge rasch wieder zurückgekehrt, sie war noch nicht in sicherer, ärztlicher Obhut, konnte immer noch in Lebensgefahr schweben. Auch wenn er in den folgenden Tagen die Sorge um das französische Mädchen in den Hintergrund seiner Gedanken zurückgedrängt hatte, so war sie stets präsent gewesen. Vor allem kurz vor dem Einschlafen hatte sein letzter Gedanke ihr und ihrem Wohlbefinden gegolten. Bald darauf hatte es die ärztliche Entwarnung gegeben. Sie war über den Berg gewesen, hatte das Schlimmste hinter sich gehabt. Ab da hatten Freude und Erleichterung endlich ihren Einzug bei ihm halten können. Er hatte viel Zeit damit aufgewendet Kontakt zu ihr zu knüpfen, ihr das Leben in der eingeschränkten Welt des Krankenflügels mit seiner Gesellschaft zu versüßen. Als Belohnung erhielt er ihr Lächeln, wie auch ihr Vertrauen, beides wichtige Basiselemente für eine Freundschaft, doch war das wirklich alles, was sie beide verband? Der junge Bookman ließ einige weitere Erinnerungen an die vergangenen Tage in seinem Geist Revue passieren und beleuchtete sie unter dem Gesichtspunkt ihrer aufgebauten Freundschaft. Manchmal hatte sie ihn mit einer kecken, frechen Antwort überrascht, ihm das Gefühl vermittelt, als würden sie sich schon länger kennen, als bloß ein paar Wochen. Dieses Gefühl der gedanklichen Nähe verwirrte ihn etwas und stimmte ihn nachdenklich, da er normalerweise nicht ganz so schnell solche eine enge Bindung zu anderen knüpfte. Die zwischen ihm und dem französischen Mädchen war ja fast wie über Nacht aus dem Boden gesprossen. War es wirklich gut, dass er sich so abhängig von ihr machte? Als angehender Bookman sollte er sich eigentlich als neutraler, außenstehender Beobachter betrachten, an statt so enge Banden zu seinen zeitweiligen Kollegen zu pflegen. „Kommst du, Lavi? Ohne dich finde ich den Weg zu Komuis Büro nicht…“, riss ihn Samantha aus seinem grüblerischen Gedanken, sodass er ebendiese Gedanken und Fragen vorerst würde zurückstellen müssen. Es gab jetzt wichtigeres zu erledigen. „Komme schon…“, meinte er mit seinem üblichen, fröhlichen Lächeln, das so gar nicht zu dem nachdenklichen Ausdruck, den er vorhin zu Schau getragen hatte, passen sollte. Samantha kam es ein wenig seltsam vor, es wirkte irgendwie deplaziert, wie eine Maske, hinter der er sich, seine wahren Gedanken und Gefühle verbarg. Ihm fiel ihr fragender, besorgter Gesichtsausdruck auf, als er zu ihr aufschloss, nachdem sie sich von dem Schneider-Meister verabschiedet hatten. „Es ist nichts….Na ja, ich habe mir nut Gedanken gemacht, wegen Leverrier…“, meinte er ausweichend und nannte damit einen weiteren Grund, warum er beunruhigt gewirkt hatte. Sie nahm es ihm mit einem leichten Seufzer ab, kaufte ihm diesen vorgeschobenen, wenn auch realen Grund ohne Misstrauen ab. Er hatte sie nicht gerne anlügen wollen, sodass er bei einer Halbwahrheit geblieben war, eine lästige Angewohnheit, die er sich während seiner Ausbildung zum nächsten Bookman angeeignet hatte. Er machte sich wirklich Sorgen um Samantha und ihr offizielles Zusammentreffen mit dem tyrannischen Leiter des schwarzen Ordens. „Das wird schon werden. Du bist ja dabei…“, meinte sie und versuchte seine Sorgen mit einem sachten Lächeln zu zerstreuen. Eigentlich war sie es, die solch eine Zerstreuung gut gebrauchen könnte, da sich ihre Nervosität mit jedem Schritt steigerte. //Was, wenn ich den hohen Erwartungen, die sie in mich setzen, nicht gerecht werden kann, ich nicht zum Exorzisten tauge? Werde ich den schwarzen Orden verlassen müssen und für mich alleine leben müssen?// dachte sie sorgenvoll und der Gedanke ihr neues Heim und vor allem dem jungen Rotschopf verlassen zu müssen, versetzte ihr einen unangenehmen Stich im Herzen. Sie spürte, wie Lavi ihre rechte Hand ergriff und sachte drückte, ein Zeichen der Ermutigung, eine Versicherung, dass er zu ihr halten würde, egal was auf sie zukommen, sie erwarten würde. Sie erwiederte mit nervös klopfendem Herzen seinen sanften Händedruck und blickte mit einem zaghaften Lächeln zu ihm auf, bevor sie die dicke Holztür fixierte, neben der ein kleines, vergoldetes Schild darauf hinwies, dass dies ihr vorläufiges Ziel war, Komuis offizielles Büro, das er nur für solche und ähnliche Anlässe benutzte. Nochmals ein sanfter Händedruck, der ihr Mut einflößen sollte, bevor Lavi ihre rechte Hand wieder freigab und nach kurzem Anklopfen für sie die Tür öffnete, sodass sie zuerst eintreten konnte, dicht gefolgt von ihrem Begleiter. Das kleine Büro des Supervisors war fast so behaglich, wie die kleine Stube des Schneiders. Am anderen Ende des Raumes stand ein einfacher, eleganter Tisch aus dunklem Kirschholz, hinter dem bereits Komui mit einem väterlichen Lächeln sitzend gewartet hatte. Der Boden war mit einem roten Fliesteppich ausgelegt worden, der ihre Schritte nun fast bis zur Lautlosigkeit dämpfte. Bücherregale füllten schwer beladen jede Wand aus, außer der schmalen, seitlichen Fensterfront, an der ein kleiner, mit braunem Leder bezogener Zweisitzer stand. „So trifft man sich wieder.“ Anders als erwartet, hatte nicht Komui diese begrüßenden Worte an die beiden Besucher gerichtet, sondern eine Person, die gerade genüsslich an einer heißen Tasse englischen Tees nippte und es sich auf dem Zweisitzer bequem gemacht hatte, während zu seiner Linken sein verlässlicher Begleiter Posten bezogen hatte, der stille, junge Mann mit dem blonden, geflochtenen Pferdeschwanz. Samantha war annähernd in der Mitte des Raumes wie angewurzelt stehen geblieben, als sie des Mannes gewahr wurde, den sie am wenigsten innerhalb des Ordens leiden konnte und als letztes hatte sehen wollen, Malcolm C. Leverrier. Lavi wäre beinahe in das Mädchen hineingerannt, als sie so plötzlich und unvermittelt stehen geblieben war. Fast wie ein Leibwächter hatte er nun dicht hinter ihr Stellung bezogen und machte mit seinem unfreundlichen Blick klar, dass er eine intensive Abneigung gegen diese hohe Führungspersönlichkeit hegte. Begütigend und unbeeindruckt lächelnd stellte Leverrier die leere Teetasse bei Seite und erhob sich. „Nun, da wir ja alle versammelt sind, können wir endlich los. Hevlaska wartet bereits…“, sagte er immer noch lächelnd, doch es war nur eine aufgesetzte Mimik. Seine kleinen Augen brannten sich nach wie vor abschätzig und arrogant durch sie hindurch. Erst als er an ihr vorbei schritt, unterbrach er den intensiven, wie einschüchternden Blickkontakt. Dieser Mann liebte es mit seiner Macht, seiner Autorität und seiner erdrückenden Persönlichkeit andere einzuschüchtern. Er hielt Furcht, wie Ehrfurcht für die besten Mittel, um sich seine Leute gefügig und unter Kontrolle zu halten. Selbstsicher schritt er voran, an seiner Seite sein stille Begleiter, seine rechte Hand. Hinter ihnen gingen in gebührendem Sicherheitsabstand Samantha und Lavi, während Komui das Schlusslicht bildete. Es war eine schweigsame Prozession, die mehr an einen Trauerzug erinnerte. Fast alle trugen Schwarz, nur der japanische Supervisor stach mit seiner weißen Uniform wie eine himmlische Erscheinung aus der Gruppe hervor. Die Stimmung war düster, während die kleine Gruppe durch spärlich beleuchtete Korridore in die Tiefen der klösterlichen Anlage hinab stieg. Niemand sprach ein Wort, nur die Geräusche ihrer Schritte hallten gespenstisch von den dicken Steinwänden wieder, bevor sie schließlich an ein großes Eisentor kamen, in das ein riesiges Rosenkreuz eingraviert war. Hinter diesem Tor lag Hevlaskas unterirdisches Reich. Sie war die Hüterin der Innocencen. Das Tor schwang wie von Geisterhand bewegt nach innen auf und gab den Blick auf einen langen Stahlsteg mit Geländer frei. Der Raum, in den der Steg hineinragte, war gewaltig in seinen Dimensionen. Er umfasste mindestens vier, wenn nicht sogar fünf Stockwerke war so breit wie die nördliche Flanke der klösterlichen Anlage. Was Samantha jedoch neben diesen beeindruckenden, räumlichen Dimensionen am meisten überraschte, war das, was sie am Ende des Steges erwartete. Dort ragte eine gruselige, bleiche Erscheinung über den Steg hinaus. //Was in aller Welt ist das?// dachte das französische Mädchen erschrocken und starrte von Angst gelähmt das seltsame, leicht durchscheinende und doch substanzielle Wesen an, das dort auf sie zu warten schien. Die Gestalt wirkte wie ein dämonischer Geist eines riesigen, schlangenähnlichen Geschöpfes, dem man sie zum Opfer darbrachte. Zwei starke Hände legten sich auf Samanthas Schultern und schoben das geschockte Mädchen mit sanfter Gewalt weiter bis zum Ende des Steges. Das einzige, was sie von dem seltsamen Wesen erkennen konnte, war der weibliche, menschlich anmutende Kopf, der in den langen schlangenähnlichen Körper überging, von dem sie einige, geschuppte Segmente erkennen konnte. Der Rest des Körpers lag tiefer verborgen und sie hegte nun weiß Gott keine Neugier mehr von ihm zu sehen. „Wir bringen dir unser jüngstes Mitglied, Hevlaska…“, begann Komui, doch kaum hatte er den Mund aufgemacht, hatte die Hüterin der Innocencen bereits ihre vielen, tentakelähnlichen Arme um das entsetzte Mädchen gewunden und sie vom Steg gehoben. //Ich werde bei lebendigem Leib gefressen…!// dachte sie panisch und versuchte sich dem festen Griff dieser unheimlichen Erscheinung zu entwinden, doch es gab kein Entkommen, dieses Etwas hatte sie fest im und zog sie immer näher zu sich. Nur noch ein kleines Stück, dann würde sie im grässlichen Schlund dieser Monstrosität verschwinden. „Lavi…!“ schrie Samantha verzweifelt, wie panisch. Wie konnte er sie nur solch einer schrecklichen Gefahr aussetzen? Warum hatte er sich so um sie bemüht, wenn er in Wirklichkeit keinen Pfifferling um ihr Leben gab? War das alles nur gespielt gewesen, um sich an ihren letzten, panischen Sekunden ihres Lebens zu ergötzen? Hatte sie ihn so falsch eingeschätzt? Tränen der Verzweiflung, der Todesangst und des Alleingelassenseins strömten heiß ihre Wangen hinab. „Shhhht, habe keine Angst. Ich tue dir nichts…“, sprach das befremdliche Wesen mit ruhiger, weiblicher Stimme beruhigend auf das verängstigte Mädchen ein. Es war doch immer das Selbe. Wieso konnte Komui die Exorzistenanwärter nicht darüber aufklären, was sie in diesen Hallen erwarten würde? Es tat ihr weh die verängstigten Anwärter an sich zu nehmen, glaubten diese doch, dass sie ihnen weiß Gott was antun würde. Die Hüterin seufzte in Gedanken. Sie würde ein ernstes Wort mit Komui sprechen müssen, so konnte das einfach nicht weitergehen. Bei Allen Walker und Arystar Krory war es damals nicht viel anders gelaufen, alles nur ein großes Missverständnis. Behutsam zog sie das immer noch verschreckte Mädchen näher zu sich heran, bis sie sich an der Stirn berührten. Ein eigenartiges Gefühl durchströmte Samantha, als sie dem seltsamen Wesen so nahe war. Erstaunlicherweise verflog ihre Angst augenblicklich und innere Ruhe kehrte bei ihr ein, so als wüsste sie mit Bestimmtheit, dass von Hevlaska keine Bedrohung ausging. Nach wenigen Augenblicken wurde sie wieder auf den Steg herabgelassen, wo sie sich an das Geländer klammerte, da ihre Beine von dem schockenden Erlebnisse noch leicht zitterten und sie sich nicht sicher war, ob sie sich aus eigener Kraft auf diesen würde halten können. Lavi war sofort wieder an ihrer Seite und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, erhielt von ihr aber nur einen gekränkten, anklagenden Blick. Sie war eindeutig sauer auf ihn. „Und wie sieht es aus, Hevlaska?“ erkundigte sich Leverrier mit selbstzufriedenem und heimlich amüsiertem Ausdruck. „Solch eine Innocence, wie die ihrige habe ich zuvor noch nie gesehen. Ein völlig neuer Typ, ganz anders als die bisher bekannten. Die Innocence befindet sich nicht wie üblich ihrem Körper, noch hat sie eine feste Form angenommen, viel mehr umgibt sie sie wie eine Art Aura, eine zweite Haut“, erklärte Hevlaska, was sie über die Innocence des französischen Mädchens hatte herausfinden können. „Was ist mit der Synchronisationsrate?“ hakte Komui aufgeregt nach. Die Entdeckung eines neuen Innocence-Typen stimmte ihn als Wissenschaftler besonders euphorisch. „Dazu kann ich leider nichts sagen. Da sich ihre Innocence in so einer Art von dematrialisiertem Zustand befindet, habe ich keinen genauen Zugriff auf sie…“, gab die Hüterin fast entschuldigend zu Antwort und zog sich dann zurück. Sie hatte ihren Teil getan, was nun aus dem Mädchen werden würde, war Sache der Führung. „Ist das nicht ein wundervoller Anfang?“ fragt Komui und schaute erwartungsvoll zu der jungen Exorzistin, die alles andere als beigeistert zu sein schien, dafür saß der Schock ihr noch zu tief in den Knochen. „Nun, da diese Formalitäten geklärt sind, müssen wir nur noch die Teameinteilung vornehmen. Da die Einheit um General Cross bereits sehr groß ist und General Cloud Nine, sowie General Zokalo Winter keine Schüler mehr haben, noch welche annehmen wollen, bleibt nur noch die Einheit um General Froi Tiedoll…“, spann der Supervisor elanvoll das Gespräch weiter und ignorierte dabei mögliche Anmerkungen durch seinen Vorgesetzten. Der würde ihm in dieser Sache nicht dazwischenreden. Die Dinge lagen eben so, wie er selbst gesagt hatte. Nur allein das Team rund um den künstlerisch begabten General kam in Frage, um die frisch gebackene Exorzistin aufzunehmen. Gut gelaunt bildete er wieder das Schlusslicht der kleinen Gruppe, als diese wieder gen Oberfläche und Tageslicht strebte. Nun galt es die freudige Nachricht auch den anderen Teammitgliedern mitzuteilen. Leverrier verließ die Gruppe zur Erleichterung aller relativ rasch, immerhin war er als Führungsperson ein viel beschäftigter Mann. Auch der Supervisor machte sich vom Acker, gab Lavi aber vorher noch die Anweisung Samantha herumzuführen, wobei er dem Rotschopf ein verräterisches Zwinkern zuwarf, bevor er dann summend durch einen der vielen Korridore verschwand. Jetzt waren sie nur noch zu dritt. „ich hatte bisher noch nicht die Gelegenheit mich gebührend vorzustellen. Mein Name ist Howard Link. Ich bin Leverriers Assistent“, stellte sich ihr stiller Begleiter unvermittelt vor. Seine Stimme klang neutral, distanziert, ganz so wie seine Persönlichkeit. Samantha nickte nur düster. Sie war immer noch sauer und verschmähte Lavis Hand, die er nach ihr ausgestreckt hielt, um ihr gentlemanmäßig stützend unter die Arme zu greifen, da sie immer noch etwas wacklig auf den Beinen unterwegs war. Mit Nichtbeachtung strafte sie ihn, IHN, der sie so gemein ins sprichwörtlich offene Messer hatte laufen lassen. Mit keinem Wort hatte er erwähnt, was sie dort unten in der Halle der Hüterin erwarten würde. Eigentlich war sie nicht besonders nachtragend, doch dieser „Verrat“ ging tief, hatte das Vertrauen zu ihrem „Anker“, ihrem persönlichen Halt tief erschüttert. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt, oder zumindest verbal ihren Zorn an ihm ausgelassen, doch dazu fühlte sie sich zurzeit nicht in der Lage. Sie war froh, wenigstens einigermaßen sicher auf ihren Beinen dahin staksen zu könne, fragte sich allerdings wohin er sie dieses Mal führen würde. //Schlimmer kann es eigentlich ja nicht mehr werden…// dachte sie immer noch in Rage und belegte ihren treulosen Kameraden in Gedanken mit allen nur erdenklichen Flüchen. Das würde sie ihm noch heimzahlen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)