Das Haus in der Thornrose Lane von NordseeStrand (Ein Grimms Märchen (und eine Alicia Blade Übersetzung)) ================================================================================ Kapitel 2: Ins Schloss ---------------------- Hey! Die Klausurphase ist fast vorbei! Beide Matheklausuren (bestanden!!!), Biologie, Soziologie und Psychologie hab ich schon geschrieben, nur noch Arbeitsplatz Schule und Chemie fehlen! Danach kann ich auch wieder mehr schreiben. Ich wünsche euch viel Spaß mit diesem Kapitel! Disclaimer: Ich verdiene hiermit kein Geld und besitze keine Rechte. heagdl, Vanilla ------------------------------------------------------------- Kapitel 2: Ins Schloss Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück und erzählte: „Neue Namen hab ich keinen einzigen finden können, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo sich Fuchs und Has gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus.“ aus: „Rumpelstilzchen“ Serena wandte sich um und starrte die Tür an, sie konnte nicht glauben, dass der alte Mann sie ausgesperrt hatte. Mit erhobener Hand klopfte sie fest an das Holz, Nervosität erfasste sie. Einen Moment später, als sich nichts im Inneren des Hauses tat und sie beinahe war bereit, sich auf die Suche nach einer Axt zu begeben (nicht, dass sie erwartete, eine zu finden), ließ sie etwas innehalten. Stirnrunzelnd trat sie an den Rand der Veranda zurück, betrachtete die Hütte und bemerkte, dass diese, wie die Welt um sie herum, sich verändert hatte. Obwohl es noch viele Gemeinsamkeiten mit der kleinen Bruchbude in der Thornrose Lane aufwies, schien dieses Haus aus ungestrichenem Holzresten gebaut zu sein und der kurze Schornstein war nun auf der rechten Seite, nicht auf der linken. Sie ging zur Ecke des Hauses und erblickte einen Stapel Feuerholz, der an der Wand aufgestapelt war. Ein paar dunkle Fenster zeigten Anzeichen von behelfsmäßigen Vorhängen, wahrscheinlich Tüchern, wobei das andere Haus keine gehabt hatte. Ein Brunnen erhob sich aus dem Boden, direkt neben einer staubigen unbefestigten Straße, die von der Veranda wegführte und hinter den Reihen von Getreidepflanzen verschwand. Serena schlich weiter und nahm sich einen Moment, um in das nächste Fenster zu spähen, aber es war mit Ruß verschmiert und es gab nur einen kleinen Spalt zwischen dem Rahmen und dem Vorhang, durch den sie schauen konnte. Sie glaubte, dass sie von ihrem Standpunkt aus ein paar Tischflächen erkennen konnte. Verwirrt und sofort neugierig geworden, ging sie wieder zur Tür und machte nur noch einen kurzen Zwischenstopp an dem hölzernen Briefkasten. Mit zusammengekniffenen Augen las sie die verblassten Buchstaben, die nicht mehr 'Grimm, J.', sondern 'Grimm, W.' bildeten. „Nicht möglich.“, hauchte sie. Mit einem tiefen Atemzug erhob Serena ihre Faust und klopfte abermals laut, abermals hörte sie nur Stille, während sie auf Schritte lauschte. Besorgt seufzend drehte sie sich mit fliegenden Haaren um und ließ sich schmollend gegen die Tür fallen. „Okay, bleib ganz ruhig.“, murmelte sie. „Zuerst müssen wir herausfinden, wo wir sind und die nächste Bushaltestelle finden. Und ein Telefon. Dann rufen wir Mama an und lassen uns ihre Kreditkartennummer sagen, damit wir Karten kaufen können und...“ Die Tür öffnete sich, sie schrie auf und sprang beiseite. „Was willst du?“, fragte eine bärbeißige Stimme hinter ihr. Serena wirbelte herum und sah einem alten Mann ins Gesicht, aber nicht demselben alten Mann, der in dem winzigen Haus in der Thornrose Lane wohnte. Obwohl die beiden Brüder hätten sein können. Dieser Mann besaß dieselbe große Nase, dieselbe gedrungene Figur und den zur Glatze neigenden Kopf, aber sein Körperbau war schwerer und seine Kleidung sah aus, als ob sie stark ausgebessert werden müsste. Seine dunklen Augen betrachteten Serena mit Geringschätzung und er schnaubte bevor sie ein Wort hervor bringen konnte. „Hat die verdammte Katze wieder eine nach Hause gebracht?“, brachte er bitter hervor und murmelte dann zu sich selbst: „Ich hätte ihm nie schreiben sollen. Mehr Ärger als er wert ist.“ Die Schultern straffend sah er Serena geradewegs in die Augen, aber sie bemerkte, dass sie nicht aufhören konnte ihn anzugaffen, trotz des unfreundlichen Blickes, mit dem er sie bedachte. „Jetzt hör mir mal zu bevor du wieder an meine Tür klopfst. Ich hab keine Zeit für Irre und Tagträumer. Es ist mir egal, wie hübsch oder süß du denkst das du bist. Ich kenne deinen Typ und ihr seid alle dieselben selbstsüchtigen, eifersüchtigen kleinen Mädchen, die ihr schon vor zweihundert Jahren wart. Ich weiß nicht, was du gehört hast oder was du denkst, das du über gute Feen und böse Stiefmütter und—“ Er machte eine Pause und schnaubte bitter. „Märchenprinzen weißt! Aber wonach du auch immer suchst, du wirst es nicht finden, indem du an meine Tür klopfst. Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich möchte deine Hilfe nicht. Jetzt verschwinde!", schrie er und schlug ihr die Tür vor der Nase zu. Serena hörte seine schweren Schritte langsam davon schlurfen und fühlte, wie ihr Schock sich langsam in Ärger umwandelte. „Das ist das Problem. Ich bin verloren!“, schrie sie. Dann stand sie da, vor Wut kochend, und fragte sich, ob er zurück kommen würde wenn sie noch mal klopfte, aber sie bezweifelte es. Die Stille manifestierte sich in einem Grummeln in der Kehle des Mädchens. Sie marschierte nach vorne und verpasste der Tür einen festen Tritt mit ihrem Fuß. „Nun, ich hoffe du hast das einsame Leben, das du offensichtlich willst, alter Mann!“ Wütend stampfte sie von der Veranda. „Du hättest mir wenigstens sagen können, wo die nächste Bushaltestelle ist.“ Sie bemerkte ein Licht im Haus tanzen und, alle Besorgnis um Privatsphäre verschwunden, legte beide Hände auf die Fensterbank und zog ihren Kopf hoch um hinein zu sehen. Das Glas war genauso dreckig wie all die anderen, machte ihren Blick bräunlich und dunkel, aber der Vorhang war viel kürzer als der des vorderen Fensters. Mit geweiteten Augen betrachtete Serena einen Raum mit hoch aufgestapelten Büchern, Papieren und Notizbüchern aller Größen. Auf einem kleinen Tisch in der Ecke standen Federkiele und Tintenfässer. Auf der anderen Seite des Raumes war ein einfaches Bett auf dessen hart aussehender Matratze zerknüllte, gefaltete und zerknitterte Papiere verteilt waren. Viele der Notizen waren auf den Boden gerutscht. Serena brauchte einen Moment, um den Mann zu bemerken, der vor einem Bücherschrank stand und ein dickes Buch durchblätterte, sein Rücken dem Fenster zugewandt. Serena kniff die Augen zusammen und beobachtete, wie sich seine gebeugten Schultern mit einem übertriebenen Seufzer hoben und wieder fielen. Er schlug den Text zu, ignorierte die Staubwolke, die in sein Gesicht wehte und schob das Buch langsam wieder in das Regal. Egal wie sehr sie sich anstrengte, Serena konnte die goldenen Buchstaben auf dem Rücken nicht lesen. Dann wandte sich der Mann etwas, das an der Wand hing, zu, das Serena noch nicht bemerkt hatte. Weiterhin schielend erkannte sie, dass es ein Spiegel war, aber das Spiegelbild des Mannes war dunkel und unscharf, als er mit wütenden Augen hinein starrte. Serena sah mit angehaltenem Atem zu, wie das Bild im Glas sich zu verändern begann, wie in einem dieser Spiegelkabinett-Spiegel, und tintenschwarz wurde bevor zwei schwache Lichter auftauchten, so als ob sie weit entfernt wären. Aber als sie größer und heller wurden, nahmen sie die erkennbare Form von zwei rot-goldenen Augen an, die vor unterdrückter Wut brannten. Der Mann wirbelte zu Serena herum. Ein überraschtes Quietschen entfuhr ihren Lippen und Serena sprang zurück und fiel mit einem dumpfen Knall auf den Boden. Ihr Herz schlug gegen ihre Rippen. Sie hielt inne, lauschte, erwartete fast, dass der alte Mann mit einem Gewehr in der Hand aus dem Haus stürmen würde. Und doch, kein Geräusch drang aus der-ein Zimmer Hütte. Schluckend und ausatmend ließ Serena ihren Blick zu dem perfekten blauen Himmel über ihr schweifen. Trotz der Wärme der Sonne, die Serena in ihrem Gesicht spüren konnte, war da ein kühler Herbstwind, der die Felder sich gegenseitig zuwispern ließ. Als ihr Herzschlag sich verlangsamt hatte und es offensichtlich war, dass der alte Mann doch nicht herauskommen und sie erschießen würde, presste Serena ihre Lippen zusammen und stand auf, um abermals durch das Fenster zu schauen. Sie bemerkte zuerst den Spiegel, der nun nicht anders aussah als ein regulärer alter Spiegel und das schäbige Zimmer reflektierte. Die Papiere, die zuvor auf dem Bett verteilt gewesen waren, waren nun über den Boden verstreut, machten Platz für die krumme Form des Mannes, der da lag, ohne Decken oder Kissen, auf der harten Matratze. Es sah nicht so aus als ob er sich in der nahen Zukunft bewegen würde Kopfschüttelnd wandte Serena sich ab, ließ ihre Hände an ihre Seiten fallen und dachte, dass sie sich die furchteinflößenden Augen, wie glühende Kohlen in dem dunklen Glas, nur vorgestellt hatte. Ihre vorhergehende Wut auf den Mann schwand und wurde durch etwas ersetzt, was nah an Mitleid grenzte. Der Mann war offensichtlich einsam und sie konnte nicht anders als sich zu fragen, wie lange er schon allein in dieser kleinen Hütte lebte, nur mit seinen Büchern und Papieren zur Gesellschaft. Im Gegensatz zu dem alten Mann in der Thornrose Lane hatte dieser Mann noch nicht mal eine Katze als Begleiter. Ein mitfühlender Seufzer entfuhr dem Mädchen und als sie sich überlegte, ob sie noch einmal an die Tür klopfen und ihm ihre Freundschaft anbieten sollte, entstand ein großer Tumult weit weg hinter den Weizenfeldern. Ihre Neugierde angefacht und ihre Sorge um den alten Mann für den Moment vergessen, wandte Serena sich dem Lärm zu und eilte dorthin. Während sie den kurvigen Weg entlang ging und das Gepolter in der ruhigen Herbstluft immer lauter wurde, fing sie an die Köpfe von sich bewegenden, umher eilenden Leuten in der Ferne auszumachen, die auf sie zukamen. Ihre Füße trampelten laut auf dem Boden, ihre Stimmen brachten Aufruhr in die ruhige Farmlandschaft. Es dauerte nicht lange bis Serena das Ende ihres eigenen kleinen Weges, wo er auf ein größere Straße stieß, erreicht hatte, die Erde traf auf Schotter. Dort wartete sie auf den Pöbel, von dem sie sicher war, das er an ihr vorbeikommen würde, beobachtete, wie sich die Köpfe, die sich kaum in ihrem Blickfeld befanden, hin und her bewegten. Die erste Person, die die nächste Ecke umrundete, war allerdings keine, die Serena erwartet hatte. Der Mann war kaum einen Meter groß und hatte sich bis zu diesem Moment komplett hinter dem Weizen versteckt. Normalerweise würde sie nicht so schamlos glotzen, aber noch nie zuvor hatte Serena einen so sonderbar aussehenden Mann gesehen. Er hatte eine spitze Nase und pausbäckige Wangen, und auf seinem Kopf, wenn er auch hauptsächlich mit einer Glatze bedeckt war, wuchsen kleine Büschel roter Haare um die Ohren. Gekleidet in Sachen, die man im Mittelalter als feine Kleidung bezeichnet hätte, trug er eine grüne Tunika und braun und weiß gestreifte Leggins. Es schien ihm Freude zu bringen seine prachtvolle Kleidung vorzuführen – allerdings weniger die Kleidung die er trug, dachte Serena, sondern mehr der Schmuck, der sie vervollständigte. Eine dünne Goldkette hing um seinen Hals, so lang, dass sie bis zu seinem Bauch reichte, und ein großer Smaragdring strahlte an seiner rechten Hand, von der er sicherstellte, dass er sie die ganze Zeit vor seine Brust hielt und von Zeit zu Zeit winkte, sodass das Sonnenlicht den Edelstein durchbrach und grüne Punkte den Weg vor ihm entlang tanzten. Direkt hinter dem Zwerg schwärmten sechs Menschen die alle Miniatur Schriftrollen aus Papier und kurze Federkiele bei sich trugen und alle Fragen riefen, in der Hoffnung das der Zwerg sich dazu entscheiden würde, sie zu beantworten. „Haben Sie jemals jemanden ihren wahren Namen genannt?“ „Wollen Sie das Sorgerecht des Kindes erstreiten?“ „Wie haben Sie die Prinzessin kennengelernt?“ „Ist es wahr, dass Sie das Stroh in Gold gesponnen haben, und nicht die Prinzessin?“ „Haben Sie der Prinzessin irgendwelche Hinweise auf ihren wahren Namen gegeben?“ „Würden Sie sagen, dass Sie eine schwere Kindheit hatten?“ Die Fragen wurden allerdings komplett ignoriert, während der kleine Mann mit schnellen Schritten die Straße weiter hinaufging, ein schadenfrohes, höhnisches Lächeln auf den dünnen Lippen. Hinter den Reportern (Serena nahm an, das sie welche waren), folgte eine noch größere Gruppe Menschen. Etwa zwanzig einfach angezogene Männer und Frauen eilten im Windschatten der Reporter, alle mit besorgtem Ausdruck auf den Gesichtern und sie versuchten verzweifelt mit der Parade mitzuhalten. Sie redeten nicht, aber sie sahen verängstigt und verzweifelt aus, während sie versuchten einen Blick auf den kleinen Mann ganz vorne zu erhaschen. „Entschuldigung?“, fragte Serena eine Frau, die gerade an ihr vorbei ging und sich an die Hand ihres Ehemannes klammerte. Sie machten Blickkontakt und die Frau atmete überrascht ein, als sie angesprochen wurde. „Ja?“ Da das Paar nicht stehen blieb um mit ihr zu reden, musste Serena joggen um mit ihnen mitzuhalten, während sie gleichzeitig versuchte nicht in das Kornfeld abgedrängt zu werden. „Was ist los? Wer ist der Mann?“ Die Dame schüttelte ihren Kopf und wandte sich ab. „Er ist ein sehr schlechter Mann.“, sagte sie mit Ekel in der Stimme. „Warum? Was hat er getan?“ Die Frau brach in Tränen aus und ihr Ehemann legte einen Arm um ihre Schultern bevor er Serena mit einer Mischung aus Verwirrung und Überraschung ansah. „Weißt du es nicht?“ Sie fühlte sich nervös bei seinem Blick und so zuckte sie mit den Schultern und sagte: „Ich bin nicht wirklich von hier.“ Die Entschuldigung akzeptierend nickte der Mann ernsthaft. „Dieser Mann hat einen bösen Komplott gegen den ersten Prinzen und seine Prinzessin am laufen. Er hat sie mit einer Abmachung hereingelegt und nun muss die Prinzessin ihm ihr neugeborenes Kind geben!“ Serena hob in Erkenntnis eine Augenbrauche und mit einem komischen, sinkenden Gefühl im Magen, wandte sie sich nach vorne und leckte ihre Lippen. „Wissen Sie was, vielleicht habe ich doch von ihm gehört. Lassen Sie mich raten: Die Prinzessin muss seinen Namen erraten, damit sie ihr Kind behalten darf?“ „Exakt! Und niemand weiß, wie der lauten könnte!“, schrie die Frau wütend und warf ihre Hände in die Luft. „Er sagt ihn keiner Menschenseele.“, fügte der Mann hinzu. Serena fühlte sich schwindlig und rieb ihre Finger gegen ihre Schläfe. „Dies kann nicht sein.“ „Und jetzt ist er auf dem Weg ins Schloss, um den letzten Schritt seines grausamen Plans durchzuführen. Kannst du dir das vorstellen? Das arme, hilflose Kind, genommen von so einem herzlosen Unhold!“ „Welches Schloss?“ „Warum – das da!“, rief die Frau aus und zeigte nach vorne. Serena sah auf und schnappte nach Luft. Sie konnte nicht anders als mitten auf der Straße stehen zu bleiben, ihre blauen Augen brauchten einen Moment um sich auf den Blick auf das riesige steinerne Schloss, nicht so weit weg, einzurichten. Es bestand aus einem wunderschönen gläsernen Dom, vier hohen, spitzen Türmen an den Ecken und Reihen um Reihen von glitzernden Fenstern in allen Farben. Um das Schloss herum stand eine einfache Stadt, auf die sie schnell zukamen. Ein dunkler und schöner Wald wuchs auf der einen Seite, mehr Farmland lag auf der anderen und eine Bergkette stand zu ihrer Linken.“ „Oh. Das Schloss.“, flüsterte sie sich selbst zu, nahm sich die Zeit um das Bild aufzunehmen, bevor sie wieder weitereilte um abermals die Meute zu erreichen, bevor sie in den Stadtstraßen verschwanden. Serena ging mit der Gruppe hinter den Reportern (die langsam frustriert wurden wegen den wenigen Informationen, die der kleine Mann preisgeben wollte) und sah sich mit großen Augen die Stadt an. Fenster und Türen öffneten sich als sie daran vorbeigingen, Männer jeden Alters schauten heraus und besahen sich den Tumult. Viele tauchten neugierig auf bevor sie vor Angst und Sorge nach Luft schnappten und wieder nach drinnen verschwanden. Mit gerunzelter Stirn machte Serena sich wieder auf den Weg zu dem Mann und seiner Frau. „Es tut mir Leid, Sie schon wieder zu unterbrechen.“, begann sie. „Aber bin es nur ich – oder sind hier keine Frauen?“ „Heute werden keine Frauen in den Straßen der Stadt sein.“, erklärte die Frau. „Alle Damen von Adel des ganzen Königreichs machen sich für den Ball heute Abend fertig.“ „Ein Ball, der wahrscheinlich nicht stattfinden wird! Nicht jetzt, wo er hier ist!“, wütete der Mann. „Red nicht so!“, zischte die Dame, und sie fingen an sich zu streiten. Serena fiel wieder etwas zurück in der Gruppe und versuchte, sich die Szenerie der Stadt anzusehen. Alle Häuser waren in gedeckten Blau-, Gelb-, oder Grüntönen angemalt und standen dicht an dicht, mit kaum einer Gasse dazwischen. Viele Häuser waren zwei oder drei Stock hoch. Jedes Fenster war mit einem Blumenkasten voller Spätsommerblumen geschmückt und weiße Gardinen hingen hinter dem sauberen Glas. Serena bemerkte, dass die Kiesstraße am Eingang der Stadt zu einer Kopfsteinpflasterstraße geworden war. Voraus, in einem großen Garten vor dem Eingang zum Schloss, stand eine große Turmuhr über den Dächern der Stadt. Aus tiefrotem Holz geschnitzt und mit Zahlen und Zeigern aus Gold und Silber stach die Uhr wie ein Juwel aus der einfachen Stadt hervor. Die Menge teilte sich um die Turmuhr und Serena zwang sich dazu, mitzuhalten, versuchte weiterhin gleichzeitig den Sekundenzeiger im Blick zu behalten. Selbst als sie so vor dem Garten von so weit unten auf die Uhr sah, erkannte sie, dass er Minutenzeiger so lang wie ihr Körper sein musste. „Oh!“ Nach Luft schnappend sprang Serena zurück nachdem sie Kopfvoran in den Rücken eines Mannes gelaufen war. Sie sah auf und bemerkte einen Streit weiter vorne. Sie waren schon an den großen hölzernen Toren angelangt, die sich zum Garten des Schlosses hin öffneten. Vor der Menge standen zwei von Kopf bis Fuß in Metallrüstung gekleidete Wachen, die ihre langen Lanzen gekreuzt hatten und dem Zwerg so den Zugang verwehrten. „Sie dürfen nicht eintreten!“, rief einer aus einem Stahlhelm. „Ich werde tun, was ich möchte.“, schnaubte der Zwerg mit unleidlicher Stimme. Sich am Rand der Gruppe vorbeidrängend suchte Serena einen besseren Blickwinkel. Langsam hob der Zwerg seine Hand, mit geradem ausgestrecktem Arm, genau vor sein Gesicht und die Wachen flogen zurück und schlugen schmerzhaft gegen die Holztore hinter sich. Mit einem dumpfen Aufprall und einem metallischen Scheppern brachen beide zusammen und bewegten sich nicht mehr. Die Menge und die Reporter schnappten nach Luft und traten ängstlich zurück Ohne seine Hand zu bewegen trat der kurze Mann ein paar Schritte nach vorne und die hölzernen Tore fingen an zu quietschen und rumpeln und öffneten sich langsam. Zufrieden straffte der Zwerg die Schultern und ging weiter. Der Rest der Nachfolger, Reporter und Einwohner, stand da und zitterte vor Ehrfurcht, viele auch vor Angst. „Oh… gibt es den niemanden der uns vor seiner Grausamkeit retten kann?“, murmelte eine ältere Frau leise, als die Tore zu rasseln anfingen und sich langsam wieder schlossen. Serena, voller Neugierde, sprang nach vorne, wich den Reportern aus und warf sich zwischen die Tore bevor sie sich schließen konnten. Sie flog auf die andere Seite, landete mit einem Stöhnen auf dem gepflasterten Weg. Sie sah auf und erwartete eine Horde muskelbepackter Wachen zu sehen, die scharfe Gegenstände auf sie richteten, aber stattdessen war niemand da. Keine Wachen, keine Zwerge, keine Stadtbewohner. Sie setzte sich auf, wischte sich die Hände ab und murmelte: „Ich fange an, mich wie Alice im Wunderland zu fühlen.“ Sie hoffte, dass sie nicht auf eine blutrünstige Königin treffen würde und sah sich im Vorhof um. Der Weg war mit schwarzem und weißem Marmor gepflastert und in den Rillen dazwischen blühte lila Klee. Die Mauern waren mit Efeu berankt, auch wenn er sich oft hinter Reihen von hohen Büschen, die zu Schachfiguren getrimmt worden waren, versteckte. Der Vorhof verlief in beide Richtungen und verschwand schließlich zu beide Seiten des Schlosses. Eine einzelne Tür sah Serena, eine prunkvoll geschnitzte Tür aus Rotholz, die massive vier Meter hoch war und glitzernde Buntglasfenster auf beiden Seiten besaß. Serena stand auf und ging darauf zu, hörte, wie ihre Tennisschuhe auf dem Weg aufkamen. Sie legte beide Hände auf die Tür und drückte. Sie schwang auf, einfach und geräuschlos. Im Schloss war es dunkler, wenn auch nicht viel. Licht aus den bunten Fenstern ergoss sich auf dem Boden und der breite Flur war mit großen Wandleuchtern erleuchtet, die ein flackerndes orangefarbenes Licht vom Boden bis zur Decke warfen. Der Boden sah aus wie ein riesiges schwarz-weißes Schachbrett, und eine dünne Linie aus kunstvollen Teppichen lief genau durch die Mitte. Eine Reihe Türen säumte die Wände und ein paar gigantische Gemälde hingen zwischen den Lichtquellen. Serena tat ein paar vorsichte Schritte in den Flur hinein. „Sollten hier nicht Ritter und Adelige umherlaufen? Oder wenigstens Mägde und Diener?“, murmelte sie. „Ich nehme allerdings an, es ist gut, dass ich noch niemanden getroffen habe. Sie hätten mich wahrscheinlich wegen unbefugten Betretens verhaftet, oder noch schlimmer.“ Ohne es sich bewusst zu sein, strich sie sich den Rock um die Beine glatt. Ein Tumult am Ende des Flures drang an ihr Ohr. Erneut von Neugier ergriffen, verlängerte Serena ihre Schritte und joggte so leise sie konnte in Richtung des Lärms. Sie kam zu einem großen Zimmer in dem viele Menschen standen und schweigend die Ereignisse beobachteten, die sich vor ihren Augen abspielten. Serena sah sich um und bemerkte, dass die Überzahl der Zuschauer einfach gekleidet war, die Frauen in einfachen schwarzen Baumwollkleidern und die Männer in schwarzen und weißen Tuniken, und Serena fragte sich, ob dies die verschwundenen Bediensteten des Schlosses waren. Während sie sich durch die Menschenmasse drängelte, konnte sie eine Frauenstimme hören, die anscheinend zusammenhanglose Silben ausrief, bevor eine laute, näselnde Stimme mit einem Wort antwortete: „Nein!“ Serena stand bald weit vorne in der Zuschauergruppe. Zwei hohe Stühle, die auf einem zentralen Sockel standen, mit rotem, in Gold eingefasstem Stoff bezogen, Knöpfen und Bändern verziert, ließen sie annehmen, dass sie den Thronsaal des Schlosses gefunden hatte. Der Sockel war, im Gegensatz zum Rest des gefliesten Raumes mit einem tiefrotem Teppich belegt. Die umgebenden Wände waren hoch, reckten sich dem Himmel entgegen und trafen auf eine runde Buntglaskuppel, die es dem Sonnenlicht erlaubte, in bunten Strahlen auf den Boden zu fallen. Auf den Thronen saß ein älteres Paar. Sie waren prächtig in feine Roben gekleidet. Di Frau hatte lange, dicke schwarze Haare und saß steif in einem enganliegenden Mieder da, ihr gelber Rock allerdings floss extravagant bis über ihre Knöchel auf den Boden. Ihre rechte Hand lag zu einer Faust geballt in ihrem Schoß, die andere schloss sich um den Rand eines rosa Babybettchens, welches zwischen den beiden Thronen stand. Der Mann, sein Haar fast genauso lang wie das der Frau und von einer schweren goldenen Krone mit dem Emblem eines Halbmondes in der Mitte hinunter gedrückt, saß unbeweglich da; seine Arme ruhten auf denen des Thrones. Sein Gesicht, auf dem sich erste Fältchen des Alters zeigten, war zu einer schrecklich wütenden Fratze verzogen. Der König und die Königin wurden von zwei Männern flankiert, beide anscheinend in ihren späten Jugendjahren oder in den frühen Zwanzigern, beide finster blickend. Vor ihnen stand ein gutaussehender junger Mann, der seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag noch nicht überschritten haben konnte, obwohl sein langes Haar schon silberweiß war wie das des Königs, und ein hübsches, blondes Mädchen neben ihm. Das Mädchen schien gleichzeitig angsterfüllt und wütend zu sein, beide Hände waren vor ihrer Brust gefaltet, ihre blauen Augen sahen flehend einen vertrauten, kindergroßen Mann an. „Kaspar?“, fragte sie und knetete die Hände. „Nein.“ „Heinz?“ „Nein.“ „Beelzebub?“ „Nein?“ „Rippenbiest? Hammelswade? Schnürbein?“ „Nein. Nein. Nein.“ Der kleine Mann lachte bösartig. „Noch weitere Versuche, Eure Hoheit?“, spottete er und zog an einer orangefarbenen Haarsträhne. Die Dame stampfte irritiert mit dem Fuß auf. „Aber ich habe jeden Namen im gesamten Königreich versucht!“ „Und keiner ist meiner gewesen!“ Der Zwerg erhob beide Arme. „Nun gib mir dein erstgeborenes Kind, so wie du es vor drei Nächten am Tag ihrer Geburt hättest tun sollen. Du hast keine andere Wahl.“ „Hör auf!“, schrie der junge Mann mit den silbernen Haaren und stellte sich zwischen das Mädchen und den Zwerg. „Das ist genug! Du wirst uns unsere Tochter nicht wegnehmen. Ich befehle dir zu gehen, du Unmensch! Hör auf meine Frau und meine Familie zu terrorisieren!“ „Sie hat den Handel mit mir abgeschlossen! Im Gegenzug dafür, dass ich Stroh in Gold gesponnen und ihr Leben gerettet habe, so wie ich sie zu deiner Frau gemacht habe, werde ich der Besitzer ihres erstgeborenen Kindes. Dieses Kindes!“, kreischte er und zeigte auf das Bett. Wie zur Antwort erklang ein schrilles Heulen aus dem Bettchen und die Königin hob das Baby heraus und drückte es sich an die Brust. „Du bist nicht der Besitzer dieses Kindes. Das ist mein Kind! Sie ist von meinem Blut!“, schrie der Mann hysterisch. Der Eindringling schüttelte nur den Kopf. „Da liegt Ihr falsch. Sie gehört jetzt mir. Tretet beiseite!“ „Wachen! Verhaftet den Mann!“, schrie der König und stand von seinem Thron auf. Sein Gesicht war vor Zorn gerötet, als er den Zwerg ansah. „Heute sollte ein Tag des Feierns sein; ein Festmahl und ein Ball sollten gehalten werden, nicht nur zur Taufe meiner Enkelin sondern auch zur Verlobung meines Sohnes. Du wirst diesen Tag nicht ruinieren! Vorher werde ich dich hängen lassen!“ Der kleine Mann schüttelte nur den Kopf, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. „Ihr glaubt alle, dass ihr mich überlisten könnt?“ Er lachte, als zwei Wachen herbei eilten, ihn bei den Armen packten und in die Luft hoben. Aber die freien Hände des Bösewichts bewegten sich, seine Finger spreizten sich weit und sofort ließen die Wachen ihren Gefangenen los, flogen nach hinten und landeten mit Getöse auf dem Boden. „Ich kann euch alle töten, wenn ich es will! Nun gebt mir das Kind!“ Die Königin drückte das Baby beschützerisch an ihren Leib, ihre Augen glitzerten vor unvergossenen Tränen. „Gibt es nichts, was wir tun können?“, flüsterte sie ihrem Ehemann zu. Seine Frustration wuchs und so ging der Zwerg nach vorne bis er auf der Plattform stand, nur ein paar Meter von den Eltern des Babys entfernt. „Gebt mir das Kind.“, zischte er und starrte die verängstigte junge Frau an, die sich hinter ihrem Ehemann versteckte. „Du bist derjenige, der falsch liegt.“, gab Serena bekannt und trat aus der Menge hervor. „Du wirst dieses Kind nicht bekommen, so sicher, wie dein Name Rumpelstilzchen ist!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)