Unbreakable von Jefferson (The life of a marine) ================================================================================ Kapitel 11: Hate ---------------- Sie hatten ihn fortschicken wollen, hielten ihn für einen dummen, schaulustigen Jungen. Doch sie taten es nicht, konnten es nicht – er ging von allein, ohne dass jemand ihn zwingen musste oder konnte. Zuvor noch war Smoker zu dem leblosen Körper getreten. Die Augen waren weit geöffnet, glanzlos, tot. Die langen, blonden Strähnen teilweise rot gefärbt vom Blut, in dem sie lag. Zitternd stieß der Junge die Luft aus, ballte die Hände zu Fäusten. Er konnte, wollte, einfach nicht wahr haben was er dort sah. Und in seinem Kopf drehte sich alles nur um eine einzige Frage: Was war passiert? Warum war es passiert?! Irgendwann war ihm schlecht geworden, er konnte sie nicht mehr ansehen, rappelte sich auf, lief davon. Es mochte einfach nicht in seinen Kopf, dass die Frau die dort lag, seine Mutter sein sollte. Und doch. Ihm war die ganze Zeit über bewusst gewesen, dass es nur eine Frage der Zeit gewesen war, bis sie unter der psychischen Last und all dem Druck zusammenbrechen würde… und sich eines Tages vielleicht selbst das Leben nehmen würde. Auch, wenn sie sich niemals hatte etwas anmerken lassen in letzter Zeit. Was Smoker wirklich schockte war, dass er nichts hatte tun können. Seine Mutter war ihm einfach genommen worden! Von einem auf den anderen Tag war sie nun auf einmal nicht mehr hier. Und je mehr er darüber nachdachte, umso wütender wurde der Junge. William, dieser Dreckskerl, dieser elende Pirat, war Schuld an dieser Situation, so viel war sicher! Wäre er nicht gewesen, würde seine Mutter noch leben… ohne Sorgen, vermutlich fröhlich. Und ohne ihn. Aber Smoker wusste, dass sich der Kerl seiner gerechten Strafe nicht würde entziehen können. Niemals. Ganz gleich, wie lange es dauern würde. * Es hatte scheinbar unendlich lange gedauert, bis die Sonne untergegangen war. Sein Kopf musste zunächst ein wenig klarer werden, er musste sich sicher sein, was er nun tun wollte. Ziellos wanderte der Junge durch die Straßen, am Rande nahm er wahr, wie die Turmuhr Mitternacht schlug. Inzwischen überschlugen seine Gedanken sich auch nicht mehr, er hatte es geschafft, sie zu sammeln. Und inzwischen war Smoker klar geworden, was ihn hier noch hielt: Gar nichts. Mit seiner Mutter war der letzte Grund gegangen, das letzte Band gekappt. Logue Town war kein Zuhause mehr für ihn. Diese Stadt war nur noch eine Ansammlung von Häusern in denen sich nirgendwo ein Mensch aufhielt, der sich um ihn kümmerte. Der sich darum scherte, ob er noch lebte oder nicht. Mörderische Wut suchte sich ihren Weg an die Oberfläche und sie trieb Smoker zurück nach Hause, in das Haus in dem er aufgewachsen war. Dorthin, wo sein Vater sich aufhalten würde. Wo der Kerl darauf wartete, dass sein Sohn nach Hause kam. Die Straßen waren verlassen gewesen, niemand war dem Jungen begegnet. Glücklicherweise – er wusste nicht, wie er sonst reagiert hätte in seiner grenzenlosen Wut. Vielleicht hätte sich diese dann irgendwo ein Ventil gesucht. Gespenstisch laut klangen die Schritte seiner Schuhe auf dem Kopfsteinpflaster, während der Mond ungewöhnlich hell sein fahles Licht verteilte. Wut – sie war es, an die sich Smoker verzweifelt klammerte, sich daran fest hielt. Würde sie gehen, würde alles in Hilflosigkeit und Verzweiflung umschlagen. Zwei Gefühle, die ihn unnötig schwach machen würden. Etwas, das er sich gegen seinen Vater nicht erlauben konnte und durfte! Er brauchte die Kraft, alle Kraft die er aufbringen konnte, um sein Vorhaben durchzusetzen. * Krachend schlug die Tür auf und ohne sich Mühe zu geben leise zu sein, polterte er die Treppe hinauf, in sein Zimmer. Der Junge machte sich nicht einmal die Mühe, irgendwo Licht zu machen. Das war gar nicht notwendig. Hastig zerrte Smoker einen Seesack unter dem Bett hervor, er war blau und recht klein. Etwas Größeres benötigte der Junge auch nicht. Immerhin besaß er nicht sonderlich viel Hab und Gut. Kleidung wurde hinein gestopft, ein Bild fiel darauf, dann packte Smoker hastig den Rucksack und huschte – nun doch etwas leiser – hinunter in die Küche. Vielleicht wäre es besser, wenn er zunächst seine Sachen packte und ihn dabei niemand stören konnte. Es war still, unten in der Küche. Nur das leise Ticken der Uhr war zu hören, während das Mondlicht durch das kleine Fenster schien. Es beleuchtete die wenigen Schränke und den winzigen Tisch mit den vier Stühlen in der hinteren, rechten Ecke des Raumes. Und es reichte aus, um einige Dinge zu erledigen. Hastig öffnete Smoker einen Vorratsschrank und packte die wenigen Dinge ein, die darin noch gelagert waren, ein. Ein ganz klein wenig Schinken, ein halbes Brot, eine Wasserflasche. Zu vertieft war der Junge in seiner Arbeit gewesen. Denn den zornigen Mann in der Küchentür bemerkte er nicht. “Wohin so schnell?“ Abrupt schnellte Smoker hoch, drehte sich auf dem Absatz herum. Und als er in das zornige und gleichzeitig spöttische Gesicht blickte, knurrte er, biss die Zähne zusammen. „Ich verschwinde.“ – „Ach ja?“ Wie gerne hätte er diesem Kerl die Fresse poliert! Würde sich für alles rächen, was der Mistkerl ihm angetan hatte… „Wer will mich davon abhalten? Du?“, forderte Smoker ihn heraus. Es war ganz schön gewagt, ja. Aber im Moment das Einzige, was er tun konnte, um seiner Wut Luft zu lassen. Denn seinem Vater war er trotz der Kraft die er in den letzten Jahren zugelegt hatte, nicht gewachsen. Das wusste er. Und Smoker war schon immer ein Mensch gewesen, der – egal was er versuchte sich einzureden – doch immer mit beiden Beinen im Leben gestanden hatte und alles realistisch sah. William schnappte sichtlich nach Luft. Er hatte wohl nicht erwartet, dass sein Sohn sich eines Tages so gegen ihn auflehnen könnte. „Wo ist deine Mutter?!“, fuhr er seinen Sohn schließlich an, das Gesicht wutverzerrt. In Smokers Zügen hingegen spiegelten sich in diesem Moment Schmerz und Hilflosigkeit, welche er hastig versuchte daraus zu verbannen. „Sie wird nicht wieder zurück kommen“, gab er lediglich von sich, wandte das Gesicht ab. Sie würde nie mehr zurück kommen. Weder zu diesem brutalen Mistkerl, noch zu ihm – ihrem Sohn. Und eines Tages würde dieser gottverdammte Pirat dafür zahlen, dass er seine Mutter in den Tod getrieben hatte! Er sah seinen Vater wieder an, wütend die Augen verengt. Doch es war nicht mehr die Wut allein. Es war blanker Hass. „Was hast du ihr angetan? Warum?!“ Er wolle es wissen, wollte verstehen, warum das alles passiert war. Doch sein Vater lachte nur höhnisch auf. „Was passiert ist? Ich weiß nicht, wovon du redest, du dummer Bengel!“ William holte aus, sein Vorhaben war klar: Er wolle seinem Sohn eine Ohrfeige geben. Doch nicht mit ihm! Smoker war kein dummer Junge mehr, der das mit sich machen ließ! Geschickt und schnell wich dieser zur Seite aus, knurrte leise. „Lass mich zufrieden! Keiner hält mich auf! Erst recht nicht du!“ William hatte ihm keine zufrieden stellende Antwort gegeben. Doch so gerne er auch erfahren hätte, was passiert war… er konnte nicht riskieren, hier zu bleiben. Er wolle sein eigenes Leben leben. Verschwinden von hier. Smoker griff nach seinem Rucksack, hängte ihn sich sehr schnell um die Schulter, ballte dann eine Hand zur Faust – und vergrub diese mit aller Kraft die er hatte, in der Magengrube seines Vaters. Der schnappte nach Luft, keuchte. Und es hatte die erwünschte Wirkung. Er ließ von seinem Sohn ab, dieser schob sich hastig an ihm vorbei und lief – ohne weiter darüber nachzudenken – den Gang hinunter, um dann hinter sich laut krachend die Haustüre zufallen zu lassen. Es klang so endgültig in seinen Ohren. Und das war es wohl auch. Er würde hier her nie mehr zurück kehren. Es gab keinen Grund mehr. Genauso wenig wie er nie erfahren würde, warum seine Mutter gestorben war.. Was sie dazu veranlasste, was sie in diese tiefe Verzweiflung getrieben hatte, sich das Leben zu nehmen. ********************************************************************* „Glaubst du wirklich, dass du ihm etwas bedeutet? Er ist doch nichts anderes als ein unvorhersehbares Kind, treib sich immer mehr auf den Straßen herum! Das muss sogar dir auffallen!“ Williams Stimme wurde lauter, wütender. Es schien fast so, als müsse er einfach nur wieder seiner Wut Luft lassen, holte aus, schlug Carol ins Gesicht. Hilflos senkte diese den Kopf, ballte die Hände zu Fäusten. Doch sie sagte nichts, starrte lediglich auf den blanken Küchentisch. Nur, um ihren Mann nicht ansehen zu müssen. Oh, wie sehr sie das verabscheute, auch nur mit einem Gedanken daran zu denken, dass dieser Mensch ihr Mann war. Dass sie ihn hatte heiraten müssen und einen Sohn mit ihm gezeugt hatte! Wieder kamen ihr die Tränen, doch erneut schluckte die junge Frau um sie hinunter zu schlucken. Will wurde immer mehr wie sein Vater, je älter er wurde. Er wurde ihm immer ähnlicher, er wurde immer schwieriger zu erziehen. Und damit kam sie nicht klar, sie war schlichtweg überfordert. Wie sollte es auch anders sein? Sie war nicht auf ein Kind vorbereitet gewesen! Damals, als er in ihr Leben getreten war, war alles so schön gewesen. Ja, damals war Carol verliebt gewesen in einen jungen Mann. Er hätte ihr eine so viel schönere Zukunft bieten können als William! Er hatte nicht viel Geld gehabt, doch mehr als dieser Mann hier. Er wäre sicherlich ein wunderbarer Vater gewesen. Ganz anders als dieser Mann hier vor ihr, der sie schlug. Mit William hatte sie keine Kinder gewollt. „Wo warst du heute?!“ Die zornige Stimme ihres Ehemannes rissen sie aus ihren Gedanken und verschreckt blickte die junge Frau auf. „Ich wa-„ Ihr Kopf flog zur Seite, schon zeichnete sich ein roter Abdruck auf ihrer Wange ab und die Tränen rollten über ihre Wangen. Ohne, dass die Frau etwas dagegen tun konnte. „Lüg mich nicht an!“ Dabei hatte sie doch noch nicht einmal etwas gesagt! Er hätte sowas nie getan… der Junge, den sie noch immer liebte. Obwohl es so viele Jahre her war. Doch heute – heute hatte sie ihn gesehen…. Carol war auf der Straße unterwegs gewesen, nur um schnell ein paar Dinge auf dem Markt einzukaufen. Denn das war das Einzige, was sie dort draußen erledigen durfte. Sie hatte nur eben etwas Brot gekauft, dann war sie über die Hauptstraße zurück nach Hause geeilt. Und noch ehe reagieren hatte können, war sie gegen jemanden gelaufen, beinahe wäre sie zu Boden gefallen, hätte ihre Einkäufe fallen lassen. Doch schon hatte jemand sie am Arm gepackt und sie aufgefangen. Carol hob benommen den Kopf, blickte auf – und sah in das freundlichste Lächeln dass sie je gesehen hatte. Das Lächeln, das sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte… „Anjo…?“ Sie klang schüchtern, als sie in das Gesicht des Mannes sah. Dieser sah kurz etwas verwundert aus, dann strahlte er sichtlich. „Carol!“ Er hatte sie wieder erkannt. Als das Mädchen, mit dem er früher so viel Zeit verbracht hatte, mit dem er sich früher so gut verstanden hatte. „Oh Carol, ich freue mich richtig, dich zu sehen!“ Doch scheinbar lag die Freude einzig und allein bei ihm. Sie lächelte nur gezwungen, befreute sich etwas hilflos aus seinem Griff. Es tat weh, ihn so zu sehen. Denn es war nur zu deutlich, dass er sich freute, sie zu sehen. Und zu begreifen, wie es alles hätte sein können, wenn ihr Leben damals anders verlaufen wäre. „Ich… Anjo, ich muss nach Hause.“ Um ihn nicht anzusehen, nicht in die schönen, hellblauen Augen sehen zu müssen, senkte sie den Blick und starrte auf den Boden. Das tat sie sehr oft. Vor allem, um ihrem Mann nicht in die Augen sehen zu müssen. Dieses Mal aber wusste sie, dass sie damit jemanden verletzte. Dass sie damit ihn verletzte. „Es tut mir Leid“, fügte sie hinzu. Er hingegen lächelte nur wieder, legte eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie sanft, ihn anzusehen. „Wir haben uns so lange nicht gesehen, Carol. Ich möchte dich gerne wieder sehen. Ich habe dich vermisst. Du weißt, was damals hätte aus uns werden können. Bis heue habe ich es nicht verstanden.“ Nun klang er traurig, genauso wie das Lächeln auf seinem Gesicht wirkte. Zitternd wandte die junge Frau sich ab. „Ich weiß Anjo. Ich weiß es. Und es tut mir Leid.“ Ehe er noch etwas erwidern konnte, war sie an ihm vorbei gelaufen, die Hauptstraße hinunter, ihn einfach zurück lassend. Und kaum dass sie ihn hinter sich gelassen hatte, kullerten die Tränen über ihre Wangen. Oh, und wie sie wusste, wie es hätte sein können! Anjo hatte sie geliebt. Und sie hatte ihn geliebt. Doch seine Eltern waren gegen die Heirat gewesen. Ob er sich inzwischen von ihnen losgesagt hatte? Er hatte versprochen das zu tun, für sie. Doch dann war William in die Stadt gekommen. Er hatte, ohne lange zu überlegen, Carol gewaltsam zu seiner Frau genommen. Und ihr alles genommen, sie in ein Leben geworfen, das sie niemals so gewollt hatte. Nun, da ihr das alles vor Augen geführt worden war, fühlte es sich noch viel schlimmer an als zuvor. Ihr Ehemann, der sie tyrannisierte, schlug. Ihr Sohn, dem sie keine Mutter sein konnte. Weil sie selbst so unfähig war. Unfähig und schwach. Zu schwach, sich zu befreien aus diesem Teufelskreis. Auszubrechen. Es war unmöglich. Und doch – Carol wusste, dass sie so nicht mehr weiterleben konnte. Nicht mit der Aussicht auf das Leben, das sie hätte haben können, doch nie bekommen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)