Ohne Seele von ElarionEulenschwinge ================================================================================ Kapitel 2: Mondblut ------------------- Die letzten Strahlen der Sonne vergoldeten die Dächer – die einzige Art von Gold, die man in diesem Teil der Stadt zu sehen bekam. Vesna stand am geöffneten Fenster und blickte hinaus auf die Straße. Wann er wohl kommen würde? Kurz nach Sonnenuntergang konnte sie ihn wohl nicht erwarten, er musste ja erst aus seinem Grab steigen… Sie nahm den Kamm und fuhr fort, ihr Haar zu entwirren. Sie hatte es seit Tagen – oder waren es Wochen? – nicht gekämmt. Jetzt schämte sie sich dafür. Natürlich war es Unsinn. Er wollte nur ihr Blut, was scherte es ihn, wie sie aussah? Dennoch hatte sie noch einmal Wasser vom Brunnen geholt nachdem Victor fortgegangen war. Hatte sich gründlich von Kopf bis Fuß gewaschen, und ihr Nachthemd angezogen. Ihr einziges, halbwegs sauberes Kleidungsstück, denn Victor verbot ihr, im Bett etwas zu tragen. So war es noch recht ansehnlich, ein Andenken an bessere Zeiten. Vesna streichelte über die gestickten Rosenranken. Ihre Mutter hatte sie gefertigt, in mühevoller Kleinarbeit, „Damit du Glück in der Liebe hast“. Ob sie wohl manchmal noch an ihre Tochter dachte? An ihre dumme, ungehorsame Tochter, die nicht auf die Warnungen ihrer Eltern hatte hören wollen? Vesna hatte einmal versucht zu fliehen. Victor hatte sie zurückgeholt, und so verprügelt, dass sie tagelang bettlägerig gewesen war. Doch selbst wenn es ihr gelänge, was hatte es für einen Zweck? Wie sollte sie ihren Eltern ins Gesicht schauen? Es wäre nur zu verständlich, wenn Vater und Mutter sie in Schimpf und Schande wieder fortjagen würden. „Warum weinst du?“ Vesna blinzelte. Es war dunkel geworden, nur der volle Mond erhellte noch ihr Zimmer. Und Er war gekommen. Saß draußen auf dem Fensterbrett, als hätte er nie etwas anderes getan. Nackt. Er musste frieren. „Komm herein“ Er tat es, schloss das Fenster. „Es ist kalt hier.“ „Ich hatte nicht genug Geld für Kohlen“ Vesna sah schuldbewusst zum Ofen. „Die Silbermünze hat Victor genommen“ „Wo ist er jetzt?“ „Er trinkt sich wohl im „Brünstigen Eber“ einen an“ murmelte sie. „Warum willst du das wissen?“ Der Besucher wich ihrem Blick aus. „Nur so. Er ist dann wohl lange genug weg“ „Ja“ Eine Weile herrschte Schweigen. Vesna betrachtete den Körper des Jungen. Bleiche Haut spannte sich über die Knochen. Fast wie ein Skelett sah er aus. „Du hast Hunger.“ Sie schob ihren Ärmel zurück, bot ihm ihr Handgelenk dar. „Trink“ Er zögerte „Du hast nicht genug Blut“ flüsterte er, legte etwas aufs Fensterbrett. Eine weitere Silbermünze. „Ich hätte dir etwas zu Essen bringen sollen“ „Es ist egal. Trink“ Sie wollte es wieder sehen. Wie seine Wangen runder wurden, seine Haut rosiger. Diesen Blick in seinen grauen Augen. „Dann…“ er biss sich auf die Unterlippe, blickte Vesna zögernd an. „Lass mich das Blut trinken, das du ohnehin verlierst“ Es dauerte eine Weile, bis sie begriffen hatte. Er wusste es, musste es riechen können… Ihre Wangen wurden heiß. Albern musste sie aussehen, wie sie da errötete als wäre sie eine Jungfrau. „Ja“ wisperte sie mit gesenktem Blick. „Warte“ Sie nestelte an dem Gürtel, den sie immer trug, wenn sie doch einmal wieder blutete. Häufig geschah es nicht mehr, sie wusste auch nicht warum. Vielleicht war sie einmal zu oft bei der Engelmacherin gewesen. Endlich fiel der Gürtel, mitsamt dem blutigen Tuch das er hielt. „Danke…“ der Junge kniete nieder, ergriff den Saum ihres Nachthemds. „Sagst du mir deinen Namen? Es fühlt sich falsch an, sonst“ „Vesna“ „Ich bin…ich war einmal Liviu“ Die Härchen an ihrem Bein stellten sich auf, als er den Stoff ihres Nachthemds nach oben schob. Fast erwartete sie, dass sie wieder dieses taube Gefühl bekommen würde, das sie immer hatte, wenn ein Freier sich an ihr ergötzte. Aber es kam nicht. Natürlich nicht. Das hier war etwas völlig anderes. Liviu wollte nur ihr Blut. Nichts sonst. Seltsam fühlte es sich an, wie er mit seiner Zunge in ihr Inneres vordrang, um auch noch den letzten Tropfen Blut aufzulecken. Aber Liviu tat ihr nicht weh, wie die Engelmacherin mit ihren groben Händen es immer getan hatte, wenn sie Vesna untersuchte. Sie hatte noch nie einen Mann gesehen, der so abgemagert war. Jeder Wirbel auf seinem Rücken stach deutlich hervor. Sein dunkles Haar streichelte ihre Oberschenkel. Dann, viel zu früh, war er fertig. Blickte zu ihr hoch. „Danke“ Jetzt würde er wohl gehen. Schade. Vesna blickte auf den Gürtel und die Binde, die verlassen auf dem Boden lagen. Viel Blut war es nicht, das sie in ihren Tagen verlor. Ob es reichen würde? „Wann hast du das letzte Mal getrunken?“ fragte sie „Bevor du mir begegnet bist?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)