Abenteuer an der Pokémon Akademie von Taja ================================================================================ Kapitel 4: Der Unterricht beginnt --------------------------------- Als am nächsten Morgen 7.45 Uhr die Sonne die ersten sanften Strahlen über die Akademie warf, saßen die 20 Schüler der C-Klasse vollständig versammelt und gespannt in ihrem Klassenraum. Selbst Paula war es gelungen ohne jegliche Probleme pünktlich aus den Federn zukommen und nach einem gemütlichen Frühstück mit Gonni und Tifi nun entspannt auf ihrem Platz zu sitzen. Das einzige was nun noch fehlte um die erste Stunde beginnen zu können, war der Lehrer. Die meisten störte das aber nicht weiter, denn sie hatten schon die ersten Freundschaften geschlossen und quatschten einfach noch ein bisschen mit ihren Klassenkameraden. Auch Paula hätte gern mit Tifi ihre angeregte Unterhaltung vom Frühstück fortgesetzt, doch die saß leider drei Plätze weiter hinten und sie hatte keine Lust sich über zwei Köpfe hinweg anzuschreien. Sie überlegte sich gerade aufzustehen und zu ihrer neuen Freundin zu gehen, als plötzlich die Türe aufflog. Das Geschnatter verstummte augenblicklich. Alle sahen erwartungsvoll zur Tür. Doch zunächst tat sich nichts. Erst nach einigen spannungsgeladenen Sekunden erschien ein etwas untersetzter Mann, der total steif, fast roboterartig auf den Lehrertisch vor der Klasse zuging. Die etwas längeren, schon stark grau-melierten Haare, die auf seinem sonst kahlen Kopf zwei seitliche, federartige Kränze bildeten, wippten dabei eigenartig im Takt. Mit der Hakennase, auf deren Höcker eine kleine bügellose Brille klemmte, im recht faltenreichen Gesicht und seinen schmalen Augen sah er irgendwie leicht kauzig aus. Seine Kleidung bestand aus einer, für Lehrer eher sehr untypischen, Kombination aus brauner Dreiviertelhose, blauen Karohemd, gelber Weste und quietschgrüner Krawatte. Über Mode schien sich der etwas seltsam anmutende Mann wohl keine großen Gedanken zu machen. Er machte eigentlich überhaupt nicht den Eindruck, als würde er sich auch nur über irgendwas Gedanken machen. Am Lehrertisch blieb er abrupt stehen und wandte sich der Klasse mit ausdruckslosem Gesicht zu. Erwatungsvolle Stille setzte ein. Die Schüler wussten nicht so richtig, was sie von diesem Auftritt halten sollten. Und so verstrich eine Minute. Es verstrichen zwei Minuten. Und auch nach Drein hatte er immer noch nichts gesagt, sondern starrte einfach nur über die Köpf seiner neuen Schüler hinweg auf die Wand. Erst als einer der Schüler den Mund aufmachte, ließ er sich zu einer Äußerung hinreißen. „Was bin ich?“, fragte er mit krächzender Stimme in die Klasse hinein. Alle sahen sich verwundert an. Was bitte meinte er nur damit? Woher sollten sie denn bitte wissen, wer er war? Ein unterschwelliges Gemurmel setzte ein, denn jeder erkundigte sich erst mal beim Nachbarn, was er von dem eigenartigen Verhalten des Mannes hielt. Die meisten zuckten nur ahnungslos mit den Schultern, doch schließlich getraute sich einer der Schüler eine unsichere Antwort zu geben: „Unser Lehrer?“ Doch es erfolgte nicht die geringste Reaktion. „Unser Lehrer, der seinen Text vergessen hat?“ Über Gonnis Kommentar mussten alle lachen, sodass sich die vor Ratlosigkeit angespannte Atmosphäre lockerte. Und so folgte eine Salve nicht wirklich ernst gemeinter Vorschläge, bei der jeder versuchte den anderen an Absurdität zu übertreffen. „Eine Steinstatue?“ „Ein Eisblock?“ „Ein Baum?“ „Ein Zombie?“ „Quatsch, der ist einfach jemand der nen Besenstiel verschluckt hat.“ „Ne, ein Bügelbrett.“ „Ach wo, der is einfach nur durchgeknallt.“, spottete jemand. Doch so sehr sie auch lachten, nach etwa 10 Minuten fielen keinem mehr sinnlose Vorschläge ein. Es kehrte allmählich wieder Stille ein. Und der seltsame Typ hatte immer noch keinerlei Regung gezeigt. Langsam wurde es fast schon unheimlich. Nachdem sich ein paar weitere Minuten nichts getan hatte, wurde es einer von ihnen zu bunt. „Also ich weiß ja nicht, worauf ihr noch warten wollt, aber ich geh jetzt.“ Das Mädchen mit den roten Haaren stand auf und fing an ihre Sachen einzupacken. Einige sahen sie erstaunt an, beschlossen dann aber, dass das gar keine so schlechte Idee war, da der Lehrer sich anscheinend überhaupt nicht daran störte. Doch jemand anderen störte es dafür umso mehr. Scherze zu machen, das war ja okay, aber so respektlos zu sein, einfach aus dem Unterricht zu verschwinden, das konnte sie nicht zulassen. Und so warf Taja leise das ein, was sie schon die ganze Zeit vermutet, aber nicht zu sagen getraut hatte: „Ein Xatu?“ Während die meisten diesen zaghaften Einwurf in mitten des Papierraschelns und Stühlerückens nicht mitbekamen, gab es einen, der es sehr wohl vernommen hatte. Plötzlich kam Leben in das starre Gebilde am Lehrertisch. „Richtig.“, schallte es begeistert durch die Klasse. Alle drehten sich verwundert um, denn sie hatten keinen Schimmer, was gerade geschehen war. Der Mann da vorn bewegte sich ja plötzlich. Nach dem er sämtliche Gliedmaßen ausgeschüttelt hatte, wandte er sich mit strahlenden Lächeln den verdutzten Schülern zu. Das die meisten immer noch etwas unschlüssig in der Gegend rumstanden, schien ihm nicht im Geringsten zu kümmern. Stattdessen wandte er sich an die Schülerin, die ihn erlöst hatte: „Wirklich sehr gut, wie bist du darauf gekommen?“ „Naja, die steife Körperhaltung mit den an die Seite gepressten Armen und der in die Zukunft gerichtete, ausdruckslose Blick haben mich an dieses Vogel-Pokémon erinnert.“, erklärte sie leicht unsicher. „Ganz wunderbar.“ Er strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Dann setzt euch mal hin und wir beginnen mit dem Unterricht.“ Ein Stöhnen ging durch die Klasse. Die meisten schauten grimmig zu ihrer Mitschülerin und irgendjemand murmelte „Spielverderberin“, was Taja dazu veranlasste sich möglichst klein zu machen und unter ihrer Bank zu versinken. Sie hatte niemanden verärgern wollen, doch aus dem Unterricht abzuhauen, obwohl der Lehrer vorne stand, fand sie nicht in Ordnung. Die anderen aber anscheinend schon und so musste sie den Unmut der Klassenkameraden, denen gerade eine Freistunde durch die Lappen gegangen war, ertragen. Maulend nahmen sie wieder Platz und versuchten dem komischen Typen, der sich Lehrer nannte, ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Der war inzwischen richtig aufgetaut und setzte mit Begeisterung in der Stimme zu einer Rede an: „Nun meine lieben Schüler, ich bin Professor Morris. Meine kleine Demonstration sollte euch einen Ausblick in die wundervolle Wissenschaft der Verhaltensforschung geben. Ihr werdet hier lernen Pokémon zu beobachten, mit ihnen zu kommunizieren, ein Pokémon in seinem Wesen zu verstehen, wie es zu denken und fühlen, ja ihr werdet sogar lernen, wie ein Pokémon zu sein. Es ist viel Feingefühl notwendig, doch wenn ihr diese geheimnisumwobene Kunst meistert, werdet ihr mit euren Pokémonpartnern zu einer unschlagbaren Einheit verschmelzen und ein tiefes Verständnis für die Welt dieser faszinierenden Wesen entwickeln. Ihr werdet eins mit dem Universum.“ Spätestens beim letzten Satz war nun allen klar, dass ihr Lehrer ein wenig verrückt war. Doch der störte sich gar nicht an den skeptischen Blicken seiner Schüler, sondern erzählte weiter voll Enthusiasmus, was das Fachgebiet der Verhaltensforschung zu bieten hatte. Anscheinend war er Forscher mit Leib und Seele. Und so waren die Schüler der C-Klasse nach anderthalb Stunden bestens über seine zahlreichen Forschungsausflüge und neuen Erkenntnissen über die Verhaltensweisen der Pokémon informiert. Auf Grund des ungewöhnlichen Professors allerdings mehr oder weniger begeistert. „Und wie fandest du den Lehrer?“, fragte Tifi Paula, zu der sie sich in der Pause gesellt hatte. „Komischer Typ. Aber auch irgendwie witzig.“ Sie hatte die Stunde eigentlich ganz amüsant gefunden. Und Verhaltensforschung schien ein Fach zu sein, wo man nicht viel zu lernen brauchte, also würde es ihr wohl gefallen. „Ja, ich fand’s auch ganz gut. Er kann super erzählen.“ Auch Tifi hatte der, mehr zur Märchenstunde gewordene, Unterricht gefallen. Auf die praktische Stunde am Donnerstag freuten sie sich beide schon. Was konnte schon so schwierig daran sein, ein paar Pokémon zu beobachten? Das würde sicherlich lustig werden. Doch nun hatten sie sich erst mal auf die nächste Stunde einzustellen. Allgemeine Pokémonkunde bei Prof. Amber stand auf dem Stundenplan. Und die Lehrerin ließ auch nicht lange auf sich warten. Pünktlich zum Klingeln, waren alle auf ihren Plätzen und hatten ihre Aufzeichnungen der ersten Stunde hervorgekramt. Doch Prof. Amber hatte erst mal noch etwas anderes zu klären: „So, bevor wir nun zum eigentlichen Unterricht kommen, gibt es mal wieder etwas Organisatorisches. Als Schüler dieser Akademie habt ihr natürlich auch etwas Mitbestimmungsrecht und deshalb wird in jeder Klasse ein Klassensprecher und sein Stellvertreter gewählt, die eure Interessen vertreten und bei Problemen der Mittler zu Lehrern sein sollen. Ich weiß, ihr kennt euch noch nicht so gut, aber wir müssen das trotzdem heute schon machen. Also gibt es irgendwelche Freiwilligen die sich zur Wahl stellen?“ Alle schauten erstaunt, als keine Sekunde später in der vordersten Reihe eine Hand nach oben schoss. Paula bekam gleich wieder schlechte Laune, als sie erkannte, dass es sich bei der Übereifrigen um das Mädchen mit den Sommersprossen handelte. „Ah ja, Vivi. Du stellst dich also zur Wahl?“, vergewisserte sich Prof. Amber. Die Angesprochene bestätigte: „Ja, ich würde diese Aufgabe gern übernehmen.“ Die Lehrerin nickte und schrieb ihren Namen an die Tafel. Kaum war sie fertig, meldete sich ein Junge aus der Wandreihe schüchtern. „Kevin, du auch?“, hakte die Lehrerin etwas besorgt nach, denn sie schätzte den Jungen nicht unbedingt als geeigneten Kandidaten ein. Er nickte, schien aber gerade auch nicht mehr sehr glücklich mit seiner Entscheidung zu sein. „Sonst noch jemand?“ Ihr Blick wanderte hoffnungsvoll durch die Klasse. Doch die Hände blieben unten. Offensichtlich hatte keiner so richtig Lust den Job zu übernehmen. Es hatten sich zwei „Dumme“ gefunden und damit war für die meisten das Thema gegessen. Doch ihre Lehrerin hatte da eine ganz andere Vorstellung. „Ich weiß ja Klassensprecher sein, ist vielleicht nicht die einfachste Aufgabe, aber es bringt auch eine Menge Chancen euch im Umgang mit anderen Menschen zu erproben und zu lernen Verantwortung zu übernehmen. Ihr müsst für eure Klasse einstehen und auch vor Konfrontationen mit Lehrern keine Scheu haben. Ich denke für diese Aufgabe wäre am besten jemand geeignet, der gern redet, zu seiner Meinung steht und sie ohne Angst vor Konsequenzen äußert.“ Sie ließ ihren Blick noch einmal über die Köpfe ihrer Schüler schweifen, doch es fühlte sich anscheinend niemand angesprochen. Also musste sie zu anderen Mitteln greifen. „Da eine Wahl mit nur zwei Kandidaten recht langweilig ist, würde ich gerne selber noch jemanden vorschlagen.“ Da niemand Widerworte gab, sprach sie weiter: „Also ich würde diese Schülerin gern zur Wahl stellen.“ Sie ging an die Tafel und schrieb einen weiteren Namen an. In der Klasse riss jemand ziemlich erschrocken die Augen auf, als sie sah, wie ein P an der schwarz-grünen Wand erschien, sich gleich darauf ein A dazu gesellte und auch noch ein U die ganze Sache weiter führte. Als auch noch ein L und wieder ein A hinzugefügt wurden, musste diejenige, deren Namen nun vollständig an der Tafel stand, heftig schlucken. Damit hatte sie nun nicht gerechnet. Nicht, das sie was gegen diesen Job gehabt hätte, aber sie hätte sich eigentlich lieber auf die Schule und das Training von Glumanda konzentriert, anstatt sich mit den Problemen ihrer Klassenkameraden herumzuschlagen. Nicht, das sie nicht gern jemanden half, aber sie ahnte, dass diese Aufgabe wohl anstrengend sein würde und darauf hatte sie irgendwie nicht wirklich Lust. „Und Paula, was sagst du dazu?“, erkundigte sich Prof. Amber mit hoffnungsvollem Ton. „Ich na ja, weiß...“, stammelte sie vor Unentschlossenheit. „Sehr schön, dann machst du also mit.“ Die Lehrerin lächelte zufrieden und ließ Paula überhaupt keine Chance sich eventuell noch rauszureden. „Dann können wir ja jetzt abstimmen. Jeder bekommt einen kleinen Zettel und schreibt dann seinen jeweiligen Favoriten für das Amt des Klassensprechers oder Stellvertreters auf. Die Kandidaten dürfen sich nicht selber wählen. “ Sich selber wählen? Selbst wenn sie es gedurft hätte, wäre sie nie auf diese Idee gekommen. Paula hoffte nur inständig, das ihre Mitschüler sie ebenso für keine gute Wahl hielten. Als sie jedoch Tifi mit einem freudestrahlenden Gesicht ihren Zettel beschreiben sah, wusste sie, dass sie zumindest eine Stimme schon hatte. Hoffentlich tat nicht auch noch Gonni ihr diesen vermeintlichen Freundschaftsdienst. Als die Blätter wieder eingesammelt wurden, schielte sie argwöhnisch auf den Behälter. Prof. Amber stellte ihn neben sich auf den Schreibtisch, begann ein Wahlzettel nach dem anderen herauszuziehen und einen Strich beim Namen des genannten Kandidaten zu machen. Schnell ließ sich erkennen, das ihre Mitschüler Kevin wohl ebenso für keinen guten Vertreter hielten. Er bekam grade mal 2 Stimmen als Stellvertreter und eine als Klassensprecher. Dagegen wuchs die Zahl ihrer Striche für Paulas Geschmack viel zu schnell an. Sie hatte durch ihren unerschrockenen Auftritt am gestrigen Morgen wohl bei einigen bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber auch Vivi schien viele Sympathisanten in der Klasse zu haben und so lieferten sie sich ein ziemliches Kopf an Kopf Rennen. Paula wurde immer nervöser und Vivis giftiger Blick machte die ganze Angelegenheit nicht gerade besser. Sie wollte doch eigentlich gar nicht, aber darum schien sich hier keiner zu kümmern. Schließlich stand es 9 zu 9 beim Klassensprecher. Die letzte Stimme würde also entscheidend sein. Als die Lehrerin ihre Hand ein letztes mal in die Box steckte, wurde Paula mulmig zu Mute. Sie hoffte inständig wenigstens nur Stellvertreter zu sein und nicht die ganze Verantwortung am Hals zu haben. Prof. Amber las sich den Zettel durch, ging dann zur Tafel und setzte den letzten Strich. Und das ausgerechnet bei ihrem Namen. ‚Na toll.’ Paula war alles andere als begeistert und ihre Konkurrentin sah nicht unbedingt erfreut aus. Nur Prof. Amber strahlte ehrlich, als sie Paula zu ihrem neuen Posten gratulierte. „Dann ist es also beschlossen, Paula wird Klassensprecher.“ „Aber ich will doch...“, versuchte die, sich mit dieser Entscheidung eher bestraft fühlende, Schülerin aufzubegehren. Doch Prof. Amber überging sie einfach: „Sehr gut, dann nimmst du also die Wahl an.“ Darauf hatte sie von Anfang an hinausgewollt und sie würde sich nun sicherlich nicht durch die Widerrede ihrer Schülerin den Plan kaputt machen lassen. Sie wusste aus Erfahrung, dass der C-Klasse meist einige Probleme ins Haus standen und eine Vertreterin die nicht auf die Klappe gefallen war und sich auch von Respektspersonen nicht einschüchtern ließ, würde auf jeden Fall von Vorteil sein. Außerdem sah sie darin eine Chance für das Mädchen zu lernen ihr Temperament zu zügeln. Und sie konnte so noch besser ein Auge auf die Kleine werfen. Die Lehrerin beglückwünschte auch die Stellvertreterin zu ihrer Position. Als sie jedoch den grimmigen Blick sah, den Vivi ihrer Mitschülerin zu warf, als sie sich auf gute Zusammenarbeit die Hände reichen mussten, stieg leiser Zweifel in ihr auf, das dies so problemlos verlaufen würde. Doch das würde sich bestimmt mit der Zeit geben. Hoffte sie zumindest. Nachdem die beiden Mädchen nun notgedrungen ihre Wahl angenommen hatten, erledigten sie noch schnell den Papierkram und durften sich dann wieder setzen. Paula schlich leicht geknickt zu ihrem Platz zurück. Sie fragte sich wirklich, für was sie eigentlich immer bestraft wurde. Gut, es gab schlimmeres als Klassensprecher zu sein, aber doch nicht ausgerechnet mit der zusammen. Na das konnte ja sehr lustig werden. Und Vivi schien das genauso zu sehen, denn sie zog ein Gesicht wie 3 Jahre Regenwetter. Doch nun galt es erst mal wieder dem Unterricht zu folgen, bei dem sich Prof. Amber den ersten Starterpokémon und ihren Fähigkeiten zuwand. Und da dieses Wissen die Grundlage für ihre Laufbahn als erfolgreicher Pokémontrainer bildete, war es ratsam genau zu zuhören. Nachdem sie nach Bisasam dann gleich auch noch Glumanda behandelten und deshalb ein großes Bild der Feuereidechse an der Tafel hing, hatte Paula die ganze Klassensprechersache schon wieder verdrängt und schmachtete mit funkelnden Augen das Gemälde an. Als die Glocke sie in die Pause schickte, wurde Paula allerdings gleich wieder an ihre neues Amt erinnert, denn Tifi kam auf sie zugehüpft und umarmte sie stürmisch. „Herzlichen Glückwunsch. Find ich richtig toll. Du wirst bestimmt ne sehr gute Klassensprecherin.“ „Naja, ich weiß nicht, ob das wirklich so ne gute Wahl war.“ Paula war immer noch skeptisch, ob sie das nun gut oder schlecht finden sollte. Aber Tifi hatte keine Zweifel an den Fähigkeiten ihrer Freundin: „Ach was, das schaffst du schon.“ „Aber zusammen mit der?“, murmelte Paula grummlig und schielte kurz zu ihrer Mitschülerin Vivi hinüber. „Ihr müsst euch nur erst mal kennen lernen. Vielleicht versteht ihr euch ja doch ganz gut.“, versuchte Tifi ihr gut zu zureden. Das konnte sich Paula nun beim besten Willen nicht vorstellen. Sie wusste nicht wirklich warum, aber sie mochte sie einfach nicht. „Na ja, werden wir sehen.“ Doch nun stand erst mal das nächste Fach auf der Tagesordnung. Noch während sich einige über ihr zweites Frühstück hermachten oder ein bisschen quatschten, flog die Türe auf und ein großer, schlanker Mann mit kurzen dunklen Haaren marschierte ein. Mit seinem schwarzen Seidenhemd und ebenfalls schwarzer Stoffhose, macht er einen ziemlich noblen Eindruck. „Bitte setzen sie sich.“, wies er zur Begrüßung an. Die Schüler sahen sich alle leicht verwirrt an, denn nach ihren Uhren hatten sie noch mindestens 5 Minuten Pause. Doch das schien ihm völlig egal zu sein, denn er stand erwartungsvoll vor der Tafel. „Muss ich mich wiederholen?“ Er sah sie mit einem ruhigen, doch zugleich gestrengen Blick an. Und alle sahen Paula an. Offensichtlich erwarteten sie wohl von ihr, dass sie sich ihres Amtes gleich mal würdig erwies und dem Professor seinen Fehler in der Zeitplanung mitteilte. Ihr gefiel das nicht wirklich, doch als sie sah, das Vivi den Mund öffnete um diese Chance sich zu profilieren zu nutzen, handelte sie ohne groß nachzudenken. „Wir haben aber noch Pause.“, schoss es aus ihr heraus. Und sie bereute es gleich wieder, denn der Lehrer fixierte nun allein sie mit seinem durchdringenden Blick. „Wer sagt das?“, fragte er ruhig und sachlich. „Ähm, die Schulordnung.“ Sie hatte zwar keine Ahnung, ob das wirklich da drin stand, denn sie hatte es immer noch nicht für nötig gehalten einen Blick in den Wälzer zu werfen, doch sie hoffte einfach auf ihr Rateglück. Er zog eine Augenbraue hoch und sah so aus, als würde er jeden Moment ein Donnerwetter loslassen. Doch dann entspannte er sich wieder und erklärte nüchtern: „Ich bin euer Lehrer. Mit mir beginnt und endet der Unterricht.“ Damit war die Sache für ihn wohl geklärt. Und da niemand dem wirklich etwas entgegenzusetzen hatte, verzogen sich alle auf ihre Plätze. „Nun dann, lasset uns beginnen.“ Kaum hatte er den Satz vollendet, ertönte das Stundenklingeln. Die Klasse musste grinsen. Da hatten sie ihr Ziel also doch noch erreicht. Doch ihr Lehrer verzog keine Mine und setzte stattdessen unbeeindruckt seine Rede fort: „Mein Name ist Professor Weston. Ich werde euch sowohl in Theorie als auch Praxis in die hohe Kunst des Pokémonkampfes einweisen. Schärft eure Sinne, lauscht, schwatzt nicht und wir werden eine unbeschwerte Zeit genießen.“ Der Professor ließ seinen gestrengen Blick über die Klasse streifen. Er hatte erneut eine C-Klasse zugeteilt bekommen, die im Allgemeinen eine Mischung von Disziplinlosigkeit und Aufmüpfigkeit, aber auch großes Potenzial beherbergte. Mit diesen zum Großteil etwas älteren Schülern war es nicht immer unkompliziert, da sie sich meist nicht mehr so formen ließen wie die sonstigen 12-jährigen Neulingen, doch bisher hatte er noch jeden zu einem ordentlichen Trainer gemacht. Und genaue Kenntnis über Regeln und eine vernünftige Strategie war da das A und O. Deshalb begann er auch ohne Umschweife mit diesem Themengebiet. Außer der überraschend sonoren Stimme des Lehrers war während der ganzen Zeit nur das Kratzen der Schreibgeräte auf dem Papier und vielleicht ab und zu ein leises, vorsichtiges Gähnen zu hören. Noch verhielten sie sich ruhig, doch wenn sich die Unsicherheit der ersten Tage gelegt hatte, würde es sicherlich die ein oder andere Unstimmigkeit geben, da war sich der erfahrene Lehrer sicher. Doch solang es keine Probleme gab, wollte er auch keine heraufbeschwören und wandte sich der umfangreichen Wissensvermittlung in Sachen Grundregeln des Pokémonkampfes zu. Es war zwar alles ziemlich interessant und sicherlich auch wichtig, doch das Pausenklingeln war auf Grund der Fülle des gelehrten Stoffes für alle eine echte Erlösung. Oder zumindest hätte es sein können, wenn Prof. Weston sich von den Stundenzeiten hätte beeindrucken lassen. Doch er überzog gleich mal unberührt 5 Minuten. Dann ließ er seine Schüler mit einem Hinweis aber schließlich doch noch gehen. „Nun dann enden wir hier. Ich sehe sie nach der Mittagspause wohlbehalten im Trainingsstadium. Essen sie nicht zu üppig. Ein zu gefüllter Magen senkt die Konzentrationsfähigkeit.“ Damit waren sie nun wirklich entlassen. Jeder verkrümelte sich so schnell es ging, ehe er es sich doch wieder anders überlegte. Fast alle führte der Weg sofort, denn mit der dritten Stunde war die Mittagszeit bereits erreicht, in die Mensa, um sich nach dem anstrengenden Unterricht erst mal zu stärken. Nur eine hatte ein ganz anderes Ziel. Taja ließ ihren Magen knurren so viel er wollte und machte sich lieber auf in die Zuchtstation. Sie musste unbedingt versuchen Flemmli zu überzeugen mitzukommen. Das Mädchen wollte sich gar nicht erst ausmalen, was passieren würde, wenn sie zur Kampfstunde ohne Pokémon aufkreuzte. Der Lehrer hatte zwar einen ruhigen, aber auch sehr strengen Eindruck gemacht und sie schon damit ziemlich eingeschüchtert. Sie wollte nun wirklich nicht herausfinden ob der kühl wirkende Mann auch andere, ungemütlichere Seiten hatte. Also führten Tajas Schritte sie eilends in Richtung Aufzuchtgehege. Als sie dort ein paar Minute später ziemlich außer Puste ankam, wurde sie gleich freudestrahlend von der alten Oma, die gerade in der Rabatte vorm Haus Blumen goss, begrüßt. „Wie schön dich zu sehen, Kindchen. Möchtest du Flemmli besuchen?“ Taja erwiderte das Lächeln und nickte. „Ich hoffe ihr werdet schnell Freunde, damit das arme Ding nicht mehr so allein ist.“ „Das hoffe ich auch.“ Und wie Taja das hoffte, denn sie sollte schließlich in einer halben Stunde mit ihrem Pokémon in der Trainingsarena sein. Wie sie das schaffen wollte, war ihr aber selber noch schleierhaft. Doch versuchen wollte sie es, nein musste es sogar. „Darf ich hinter gehen?“, erkundigte sich Taja. „Ja natürlich, ich wünsch dir viel Glück.“ Die alte Frau sah dem jungen Mädchen hoffnungsvoll hinterher. Kaum war es außer Sicht stellte sie die Gießkanne weg und ging ins Haus. Ihr Ziel war ein kleiner Lagerraum in dem ein alter Schrank stand, der schon so lange nicht mehr angerührt worden war, dass sich schon eine dicke, fette Staubschicht gebildet hatte. Die Schublade klemmte ein wenig, als die Dame versuchte an den Inhalt zu gelangen, doch schließlich gab sie nach. In mitten von alten Papieren und allerlei Krimskrams, lag ein kleiner rot-weißer Ball. Behutsam nahm sie ihn in ihre knochigen Finger und hielt ihn ins Licht. Die von der langen Zeit des nutzlosen Herumliegens matt gewordene Oberfläche zierte ein langer Kratzer. Woher er stammte, wusste einzig dieses kleine verstörte Flemmli, das nun bereits seit drei Jahren wie versteinert auf seinem Platz saß und, wie es der alten Frau immer schien, auf Erlösung wartete. Ein Lächeln fuhr über ihr runzliges Gesicht. Mit dem Ball in der Hand ging sie wieder hinaus ins Sonnenlicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)