Angel Stories von ZerosWolf (Engel gibt es - und sie haben auch Gefühle) ================================================================================ Kapitel 6: Erwachen ------------------- Elfen und Feen. Vampire und Werwölfe. Engel und Harpyien. Die legendären Kreaturen die der Volksmund geschaffen hat. Sei es nun aus Angst oder Hoffnung, aus Wahn oder Aberglauben. Es gibt keinen Beweis der ihre Existenz belegt. Und dennoch glauben Menschen immer wieder, ihnen begegnet zu sein. Besonders das Engelbild tritt häufig auf. Ich bin Professor der Psychologie. Es ist meine Aufgabe den Hintergrund dieser Wahnvorstellungen zu erforschen. Derzeit behandele ich einen sehr interessanten Fall in einer Jugendstrafanstalt. Ein sechzehnjähriges Mädchen das im Glauben lebt, sie wäre die Wiedergeburt eines Engels. Sie selbst hat darauf bestanden ins Gefängnis zu gehen. Laut eigener Aussage habe sie im Affekt ihre „Engelsfähigkeiten“ angewendet, als ihr Freund bei einem Banküberfall ums Leben kam, um die drei Bankräuber zu töten „indem sie ihre Seelen vernichtete“. Tatsächlich gibt es keinerlei Hinweise darauf, durch welche Ursache die Männer starben, es scheint aber ein natürlicher Tod gewesen zu sein. „Schreiben Sie wieder einen Artikel über mich?“, fragt das blonde Mädchen, das im Türrahmen steht. Ich habe ihr Eintreten nicht bemerkt. „Ich bin nicht verrückt, auch wenn Sie das gerne der ganzen Welt erzählen.“ „Das ist eine gewagte Behauptung.“ Ein kleiner Blick auf meinen Terminplan sagt mir, dass sie keinen Termin bei mir hat. „Was führt Sie zu mir? Hat der Engel in Ihnen angefangen zu sprechen?“ Meine Patientin verdreht die Augen. Frech und respektlos ist sie geworden. Ich erinnere mich noch an die erste Sitzung. Ganz klein hat sie sich gemacht und schüchtern aus ihren zweifarbigen Augen zu mir hochgesehen. Erstaunliche Augen. Ein Spiel der Genetik. Das Linke ist groß, rund und blau. Das Rechte ist eher schmal und mandelförmig, und die Iris eine durchgängige grüne Fläche ohne Pupille. Dennoch kann sie laut augenärztlichem Befund mit beiden Augen sehen. Ein befreundeter Anatomieprofessor brennt nur darauf das rechte Auge in einer Autopsie untersuchen zu dürfen. „Der Engel hat nicht gesprochen.“, sagt sie leise. „Er hat jemanden elektrisch gegrillt.“ „So so.“ Es ist nicht das erste Mal, dass Sie aggressive Reaktionen ihrerseits auf den Engel schiebt. „Bitte beschreiben Sie genauer.“ „Ich habe eine neue Zellengenossin bekommen.“ Logisch, die vorherige durfte gestern wegen guter Führung gehen. „Sie meinte die Chefin spielen zu müssen und beide Betten für sich zu beanspruchen: Eines für sich und meines für ihre Puppe.“ Ich erinnere mich, dass ich eine weitere Patientin zugewiesen bekommen habe. Wieder weniger Zeit für den Golfclub. „Ich sollte dann auf dem Boden schlafen. Das habe ich mir aber nicht gefallen lassen und die Puppe auf ihr Bett gelegt, da meinte sie mich angreifen zu müssen.“ Sie zeigt mir Blutergüssen an ihrer Schulter und den Armen. „Was dann passiert ist weiß ich nicht mehr.“ Die gleiche Ausrede. Immer wieder. „Als ich zu mir kam lag die Neue rauchend auf dem Fußboden. Das Mädchen aus der Nachbarzelle meinte, ich hätte auf die Zellenlampe gezeigt und schon wurde sie von einem Blitz aus der Stromleitung getroffen. Sie lebt aber noch.“ Langsam kommt sie näher an den Schreibtisch heran. „Die Blackouts kommen immer öfter. Ich glaube, dass das vollständige Erwachen nicht mehr weit ist.“ Wieder dieser Erwachen-Unsinn. „Sie glauben also, dass Ihnen bald Flügel wachsen und Sie davon fliegen?“ Ungläubig schüttele ich den Kopf. „Wollen sie wissen was ich glaube?“ Ich brauche keine Antwort auf diese Frage. Menschen wie sie interessieren sich nicht für meine Thesen. Dennoch fahre ich fort: „Meiner Diagnose nach haben sie aus dem Trauma der Unterdrückung durch Ihre dominante Zwillingschwester und der Vernachlässigung durch Ihre Eltern eine dissoziative Persönlichkeitsstörung entwickelt. Der „Engel“ ist ein Mittel zur Selbstverteidigung der immer dann auftritt, wenn Sie nicht mehr weiter wissen.“ „Meine Schwester wurde bevorzugt weil unsere Eltern glaubten sie wäre der Engel.“ Wieder die alte Leier. „Und wie kommen Ihre Eltern auf solche Ideen? Ich vermute, dass sie durch bereits vorhandene, unbehandelte psychische Erkrankungen in Ihrer Familie beeinflusst wurden. Die Geschichte, dass eine Fremde zu ihnen gekommen ist und sagte, dass sie ein Engelskind bekommen ist doch sehr abwegig. Die Idee werden sie wohl aus der Bibel haben.“ Meine Patientin sieht mich nicht an. Ihr Gesicht verrät nicht, was in Ihren Kopf vorgeht. „Ich schlage vor, dass wir endlich mit einem Behandlungsansatz für multiple Persönlichkeiten beginnen. Es wird Zeit, dass Sie mit ihrem anderen Ich kommunizieren lernen.“ „Und wie habe ich dann meine Zellengenossin gegrillt?“ „Das war ein dummer Zufall, eine defekte Stromleitung. Ich werde einen Techniker zu Ihnen schicken.“ Schweigend steht sie auf und geht zur Tür. Bevor sie den Raum verlässt dreht sie sich noch einmal zu mir um. „Ich bin nicht verrückt, bald werde ich es Ihnen beweisen können.“ Dann geht sie. So ein trauriger Fall. Gerade will ich mit meinem Bericht fortfahren, da höre ich Tumult vom Innenhof. Ich schaue aus dem Fenster hinter mir und sehe eine Gruppe Gefangener die meine Patientin einkreisen. Das ist die Gelegenheit Ihre zweite Persönlichkeit in Aktion zu erleben. So schnell ich kann renne ich nach draußen. Meine Patientin liegt am Boden. Eine kräftige Achtzehnjährige hat sie geschlagen. „Dein Bodyguard ist weg!“, ruft sie triumphierend. „Jetzt werden wir dir deine hochnäsige Art schon austreiben!“ „Ich habe doch gar nichts gemacht!“, ruft meine Patientin aufgebracht. „Du hast Brigitte wehgetan!“, kreischt ein Mädchen aus der zweiten Reihe. Sie drückt eine hässliche, auseinanderfallende Stoffpuppe an sich. Wahrscheinlich die neue Zellengenossin. Es ist klar, dass die anderen Mädchen dies als Vorwand sehen meine unbeliebte Patientin zu verprügeln. Ein gut gewählter Ort und Zeitpunkt, die Wärter sind gerade alle zum Mittagessen. Es ist für mich sehr spannend, solches Verhalten in der freien Natur zu beobachten. „Du wirst dich nie mehr aufspielen!“, ruft die Achtzehnjährige und stürmt auf meine Patientin zu. In diesem Moment passiert etwas Unglaubliches. Ein goldener Lichtstrahl fällt vom Himmel auf die Angegriffene. Sie richtete sich auf und schwebte über dem Boden. Ihre bisher schulterlangen Haare wachsen unaufhörlich bis ein Haarband aus dem Nichts erscheint und sie zu einem Pferdeschwanz bindet. Ich wage kaum meinen Augen zu trauen. Dem Mädchen erscheint ein rundes Zeichen auf der Stirn und das runde blaue Auge wird grün und nimmt die Form des Rechten an. Ihre ganze Ausstrahlung verändert sich. Und dann kommt das, was ich nie glauben werde. Weiße Flügel sprießen aus ihrem Rücken, ohne die Kleidung zu beschädigen. Ich glaube zu träumen. Die Angreifer weichen zurück. Das Mädchen mit der Puppe stolpert und fällt auf Ihren Hintern. Die anderen Gefängnisinsassinnen ergreifen die Flucht. Der Engel sieht das Mädchen schweigend an. Was er wohl mit dem Grund für Seine Schmerzen anstellen wird? Dann wendet er sich von ihr ab und kommt auf mich zu. Ein geheimnisvolles Lächeln erscheint auf seinen Lippen. „Mir sind Flügel gewachsen und nun fliege ich davon.“ Dann breitet sie die weißen Schwingen aus, schlägt kräftig mit ihnen und verschwindet in den Himmel. Nur wenige Sekunden dauert es, bis der Engel, der meine Patientin war, nicht mehr zu erkennen ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)