Heiligabend von Meroyui (für Nuru) ================================================================================ Kapitel 1: Zusammen ------------------- 24. Dezember. Heiligabend. Ein Tag, den man mit Personen verbringen sollte, die man liebt. Aber es gibt auch Menschen, die an diesem Tag arbeiten müssen und eigentlich dachte ich, dass ich zu diesen Leuten gehöre. Deswegen habe ich bei Freunden und bei meiner Familie abgesagt. Natürlich könnte ich auch nachkommen, aber zu meiner Mutter fahre ich doch fast drei Stunden und ich habe kein Auto. Also kann ich das vergessen. Und meine Freunde verbringen ihre Zeit mit ihrer Freundin, oder ihrem Freund. Ich wollte da einfach nicht reinplatzen. Aber das ist doch verständlich, oder? Ich hoffe zumindest, dass es so ist. Außerdem hatte ich auch irgendwie Angst vor einer Absage. Ein leiser Seufzer ging über meine Lippen. Ich ging ziellos durch meine kleine Wohnung und suchte in meiner Kommode im Flur nach ein paar Kerzen. Ich hatte es nicht sonderlich weihnachtlich eingerichtet, eben weil ich dachte, ich müsste arbeiten. Doch mein Chef hatte mir spontan frei gegeben. Ich sollte doch bei meiner Familie oder Freunden sein. Ich fand diese Geste so nett, dass ich nicht ablehnen konnte, auch wenn arbeiten wohl noch angenehmer war, als Weihnachten ganz allein verbringen. Es würde bloß noch zwei Stunden dauern, bis der erste Weihnachtstag begann. Ich zündete die gefundenen Kerzen mit meinem Feuerzeug an, stellte sie auf den kleinen Couchtisch. Ich machte mir einen Kakao, weil ich jetzt irgendwie keinen Tee oder Kaffee trinken wollte. Die Meisten waren wohl gerade beim Weihnachtsessen. Bei mir würde es bei Instant Nudeln bleiben. Ein besinnliches Fest… Während ich meine Nudeln schlürfte, lief im Fernsehen ein typischer Weihnachtsspielfilm mit viel Schnee und für Kinder auch noch süße Tiere dabei. In meine dicke Wolldecke gehüllt blieb ich auf meinem Sofa sitzen, lehnte mich zurück, die Füße ebenfalls heraufgezogen. Ich fragte mich immer wieder, was wohl gerade meine Freunde machten, aber ich wollte nicht anrufen und nachfragen. So viel Taktgefühl hatte ich schließlich sie an so einem Tag nicht zu stören. „Hach.“ Wie sollte ich den Tag nur rumkriegen? Selbst wenn es nur noch zwei Stunden waren, waren es lange Stunden. Ich würde erst Morgen meine Freunde sehen. Ich betrachtete den kleinen Stapel Geschenke, der an der Wand stand. Ich hatte für alle etwas besorgt, weil ich einfach gern Sachen verschenkte. So war ich. Ich hatte mir viel Mühe gemacht, hatte nichts kaufen wollen. Das wäre mir zu unpersönlich. Ich hoffte, dass sie sich darüber freuten. Ich stellte die halbleere Packung mit den Nudeln wieder auf den Tisch und griff nach dem Kakao, so lange er noch warm war. Denn einen abgekühlten Kakao wollte ich mir nicht zugute führen. Ich nahm bloß zwei Schluck von dem noch angenehmen Kakao, als es klingelte. Verwundert stellte ich die Tasse wieder ab. Huh? Wer klingelte denn bitte um diese Uhrzeit und vor allem auch noch an Heiligabend? Verdutzt erhob ich mich und schlenzte auf meine Wohnungstür zu. Es war mir doch nicht zu verübeln, dass ich verblüfft war, als ich Reita vor mir sah, der halb eingeschneit war und am ganzen Körper bibberte, da er nicht einmal eine Jacke trug, sondern bloß einen nicht sonderlich warm aussehenden Pullover. „Reita… was machst du denn hier?“ „Du bist ja doch zu Hause.“, war seine Antwort, ohne dass er damit wirklich meine Frage beantwortete. „Äh, ja. Ich hab erst kurzfristig erfahren, dass ich doch nicht arbeiten muss, aber Reita, warum hast du denn keine Jacke an?“ „Weil ich keine angezogen habe.“, gab er bloß zurück und er schob mich aus der Tür, damit er reinkommen konnte. Wahrscheinlich war ihm einfach ziemlich kalt, weil er sonst nicht so unhöflich wäre und einfach unerlaubt meine Wohnung betrat. Aber ich nahm es hin, weil ich ja eigentlich unhöflich war, da ich ihn nicht hereingebeten hatte, obwohl ich nichts gegen seinen Besuch hatte. Während Reita aus seinen Schuhen schlüpfte, fragte ich ihn, warum er denn nicht mehr bei seiner Familie sei, schließlich hatte er dort feiern wollen, wie er es mir erst letzte Woche noch gesagt hatte. Reita wischte sich grob den Schnee aus den Haaren und zuckte mit den Schulten. „Hatte eine Auseinandersetzung.“ „Mit deinen Eltern?“, fragte ich irritiert und er nickte nur. Ich seufzte leise. Das war irgendwie vollkommen untypisch für ihn. Aber wenn er sogar wegrannte, dann musste es etwas Ernstes sein und da wollte ich ihn nicht wieder wegschicken. „Ist dir sehr kalt?“ Er nickte nur stumm und ich packte ihn einfach am Handgelenk und zog ihn hinter mir her in das beheizte Wohnzimmer, wo ich ihn hinter mir seufzen hören konnte. Ich verfrachtete meinen Überraschungsgast auf das Sofa, wickelte ihn in die Wolldecke und drückte ihm meinen Kakao in die Hand, den er stumm entgegen nahm. Wir hatten schon öfter aus der gleichen Tasse getrunken, da würde ihn das dieses Mal auch nicht stören. Ich ließ mich neben ihn auf das Polster sinken, zog meine Beine wieder an und irgendwie sah es niedlich aus, wie er in der Decke eingewickelt meinen Kakao trank. Er bemerkte wohl, dass ich ihn so blöde ansah und er fragte mich auch, ob ich ein Passfoto wolle. „Hm, vielleicht.“ Daraufhin sagte er nichts, trank lieber noch einen Schluck Kakao, ehe er ihn wieder abstellte, lehnte sich zurück und schloss entspannt die Augen. „Warum bist du ausgerechnet zu mir gekommen?“, fragte ich ihn schließlich, drehte meinen, auf der Rückenlehne liegenden Kopf in seine Richtung und er sah mich an. „Schließlich hast du gedacht, dass ich gar nicht da bin.“ „Keine Ahnung, ist halt so.“, erwiderte er lediglich und ich lachte leise. Na, ganz wie er meinte. „Lach mich nicht aus, ich kann ja auch wieder gehen.“ „Ich hab nie gesagt, dass ich das will.“ Und da ich ganz aufmerksam war, bemerkte ich, wie er unter seinem Nasenband leicht rot wurde. Oh ja, Heiligabend verbringt man mit den Menschen, die man liebt. Während ich in meine Gedanken versank, bemerkte ich nicht, dass ich ihn schon wieder die ganze Zeit ansah und das war ihm merklich unangenehm, denn schließlich streckte er eine Hand aus und schnippte mir gegen die Stirn. „Ich weiß, dass ich geil bin, aber glotz nicht so, sonst fallen dir noch die Augen aus.“ Daraufhin sah ich tatsächlich weg, richtete meine Aufmerksamkeit auf eine der flackernden Kerzen. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen ihn nicht so dauerhaft anzustarren, sonst würde er irgendwann noch etwas merken. Ich war der festen Überzeugung, dass meine kleine Verliebtheit gegenüber Reita bald wieder verschwinden würde, also musste ich da nichts Großes draus machen, blieb einfach so sitzen. Noch eine Stunde bis zum ersten Weihnachtstag. Ich zog meine Stirn nachdenklich kraus und ich bemerkte Reitas Seitenblick, den dieses Verhalten wohl irritierte, ehe ich schließlich einfach aufstand und zu dem kleinen Haufen Paketen ging. Dort musste ich nicht lange suchen, bis ich das fand, was ich für Reita gemacht hatte. Er sah relativ bescheuert aus, wie er mich jetzt anstarrte, sodass ich breit grinsen musste. Ich ließ mich wieder neben ihm nieder und drückte ihm das Paket in die Hand. „Für mich?“ „Nein, das ist für deine Schwester, nimm es ihr mit.“, meinte ich so ernst, dass er schließlich nickte, wenn er auch dabei leicht geknickt wirkte. Ich begann leicht zu lächeln und drückte mich kurz an ihn, schenkte ihm eine Umarmung. Nur ganz kurz. Manchmal kann ich eben auch nicht anders. „Du glaubst auch alles, Reita.“ Er brummte nur. „Also ist das jetzt für mich?“ Ich gab einen zustimmenden Laut von mir. „Ich … hab aber gar nichts für dich…“ „Musst du auch nicht. Weihnachten ist das Fest der Liebe, du Depp. Da geht es drum, was zu schenken, ohne was zu erwarten, also. Jetzt mach’s auf, ich will dein Gesicht sehen!“ Er sah mich mit gehobener Braue an, nickte dann aber und machte sich gerade daran, das Geschenk auszupacken, als ich ‚Stop’ rief. „Ich will dein ganzes Gesicht sehen.“ Verwundert blickte er zu mir, blinzelte mich an, als sei ich von einem anderen Stern. „Muss das sein, Uruha?“ „Ja. Sonst kannst du mir das Geschenk gleich wiedergeben!“ Daraufhin seufzte er und ließ seine Hände in seinen Nacken wandern, wo er den Knoten seines Nasenbandes öffnete. Das war mir schon Geschenk genug, denn er nahm es nur ab, wenn wir wirklich allein waren und dann auch nur zu besonderen Anlässen, also an Tagen wie heute. Ich begann zu lächeln und er schaffte es zu einem schiefen Schmunzeln, was leicht gezwungen wirkte, als er das Band auf den Tisch legte. Dann erst widmete er sich wieder dem Geschenk und dieses Mal war ich nicht gewillt, ihn dabei zu unterbrechen. Als er fertig war mit Auspacken blinzelte er. „Ein Schal?“ „Ja, ich hab ihn selbst gestrickt!“, erwiderte ich stolz. Ich wollte halt was Persönliches schenken und da hatte ich extra Stricken gelernt. Ich fand den Schal irgendwie ziemlich gelungen. Ich hatte ihn extra rot gemacht, weil ich wusste, dass Reita rot mochte. Er blickte mich an und lächelte, schälte sich gleichzeitig ein bisschen aus der Decke und wickelte sich sein Geschenk gleich um, was mich glücklich machte. So würde er immer etwas mit mir herumtragen. Jedenfalls im Winter. Er zog mich in eine Umarmung, die uns beide fast von der Couch beförderte. „Reita.“ „Danke.“, murmelte er mir ins Ohr und eine angenehme Gänsehaut legte sich auf meinen Körper. Er zog mich mehr zu sich, wickelte die Decke um uns beide, drückte mich an sich und ich genoss es. Ich schmiegte mich seufzend an ihn. Ja, Weihnachten kann toll sein. Und plötzlich ist es mir egal, wie lange es noch dauert, bis der erste Weihnachtstag anfängt, denn jetzt habe ich das Wichtigste ja bei mir. „Uruha?“, fragte er dann nach einiger Zeit. „Hm?“ „Ich mag dich, glaub ich.“ Und ich begann zu lachen. In unserem Alter noch ‚Ich mag dich’ zu sagen, fand ich irgendwie süß. Wir sollten doch eigentlich so erwachsen sein und ‚Ich liebe dich’ sagen können, oder? Aber es war putzig. „Du bist, wie ein kleiner Junge!“ „Nerv nicht!“, knurrte er und brachte mich damit dazu wieder leise zu lachen. Meine Antwort vermittelte ich ihm, indem ich mich mehr an ihn kuschelte und ich konnte noch spüren, wie sein Griff um mich fester wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)