Eternal Friendship - Pokémon Christmas Chronicles von abgemeldet (Adventskalender des Pokemon Fanfiction Zirkels (2008)) ================================================================================ Kapitel 6: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt ---------------------------------------------------------- Autor: Wort: Kirche Genre: One Shot Charaktere: Shuu, Haruka Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt Seit Tagen hatte es nun schon geschneit. Sämtliche Straßen und Häuser waren von einer dicken Schicht weißen Schnees überzogen. Dieses Jahr würde es garantiert weiße Weihnachten geben. Schließlich dauerte es nicht mehr lange zu diesem besonderen Fest und die Witterungslage sollte sich bis dahin auch nicht mehr ändern. Es war wieder ein Tag wie jeder andere in der letzten Zeit. So ziemlich alle in dieser kleinen Stadt waren unterwegs, um noch diverse Geschenke und andere wichtige Dinge für das kommende Fest zu besorgen. Unter ihnen auch ein 13-jähriger, der dick eingepackt mit Mütze, Schal, Handschuhen und einer wärmenden Jacke eine Tüte je Hand trug und ab und zu an den hell erleuchteten Schaufenstern stehen blieb, um nach weiteren Geschenkideen Ausschau zu halten. Begleitet wurde er von einem leichten Schneefall, der jedoch von Minute zu Minute stärker wurde, bis er zu einem richtigen Schneesturm heranwuchs. Mit dem Schal halb vor dem Gesicht, versuchte der Junge irgendwo Schutz zu suchen, was sich allerdings relativ schwer erwies. Er wollte sich schon in einer kleinen Nische verkriechen, als er den Umriss eines riesigen Gebäudes ausfindig machte. Er huschte schnell über die verschneite Straße und lief danach die wenigen Treppenstufen dieses Gebäudes empor, bevor er die mit Schnee bedeckte Türklinke hinunter drückte und endlich Schutz vor diesem Unwetter gefunden hatte. Nachdem er sich etwas den Schnee von seiner Kleidung klopfte, wollte der Junge wissen, in welcher Unterkunft er denn nun sei, die eine nicht verschlossene Eingangstür hatte. Als er sich umdrehte und seine Umgebung genauer betrachtete, entwich ihm ein schweres Seufzen von den Lippen. „Wieso musste ich mir ausgerechnet DIESEN Ort aussuchen?“ Ohne zu zögern griff er sich seine Tüten, murmelte noch, dass er den restlichen Weg nach Hause schon noch finden werde, und war dabei, wieder zu gehen. Doch mit einem Mal hielt er inne und horchte auf. „Was zum…?“ Mit zusammengekniffenen Augenbrauen versuchte er das Geräusch zu identifizieren und stellte dazu seine Tüten wieder auf den Boden und blickte in das Innere des Gebäudes. „Da ist doch jemand. Und dieser jemand…weint!“, stellte er erstaunt fest und konnte nun nicht anders, als dieser Tatsache auf den Grund zu gehen. So sehr ihm jedoch die Vorstellung missfiel noch länger an diesem Ort zu verweilen als unbedingt nötig. Während er vorsichtig den langen Gang entlangging, guckte er sich um. Dabei verzog er immer wieder die Miene, da die Vorstellung in einer Kirche zu sein, einfach grausig war. Er konnte dieses Gotteshaus einfach nicht leiden. Während andere hier ein und aus gingen, wollte er seinen Fuß wenn möglich niemals in dieses Gebäude setzen. Der Junge steuerte direkt auf den Altar am Ende des Ganges zu. Auf dem Treppenabsatz davor erblickte er eine in sich zusammengesunkene Gestalt. Knie dicht angezogen, Arme verschränkt und den Kopf irgendwo dazwischen. Vorsichtig näherte er sich dieser Person, da er sie nicht verschrecken wollte. Zögernd räusperte er sich. „Ähm…hallo.“ Ein kurzes Zucken durchfuhr den Körper der Person, bevor sie vorsichtig den Kopf hob und den Jungen anschaute. „W…wer bist du?“, fragte das Mädchen heiser, ehe sie sich ein paar Tränen aus den Augen wischte. „Ähm…ich? Ich..ähm…ich bin… Mein Name ist Shuu.“, antwortet der Junge und kratzte sich dabei verlegen am Nacken. „Ich bin eigentlich nur zufällig hier. Wollte auch eigentlich gerade wieder gehen, als ich jemanden weinen hörte. Und das warst dann wohl du.“, lächelte Shuu etwas gezwungen und schaute verlegen zur Seite. „Nimm die Mütze ab.“, sagte das Mädchen plötzlich. „Bitte?!“, erwiderte Shuu verwirrt. „Du sollst die Mütze abnehmen. Schließlich sind wir hier in einer Kirche. Das solltest du wissen.“, sagte das Mädchen wieder mit heiserer Stimme. „Oh! Entschuldige bitte!“, sagte Shuu mit gespielter Tonlage und verdrehte dabei die Augen. Dennoch zog er sich seine Mütze vom Kopf, woraufhin seine grünen Haare zum Vorschein kamen und in alle Richtungen abstanden. „Schon besser.“, bemerkte das Mädchen und drehte ihr Gesicht von dem vor ihr stehenden Jungen weg. Nachdem keine weitere Reaktion mehr zu erwarten war, übernahm Shuu die Initiative. „Ähm…ich will nicht unhöflich sein, aber darf ich fragen, weshalb du vorhin geweint hast? Vielleicht kann ich dir ja helfen.“ Das Mädchen gab ein lustloses Seufzen von sich und blickte wieder zu Shuu. „Ich glaub eher nicht, dass du mir helfen kannst. Es ist ziemlich aussichtslos.“ „Wenn du mir dein Problem nicht sagst, kann ich dir wirklich nicht helfen.“, sagte Shuu etwas ungeduldiger und setzte sich neben dem Mädchen auf die Treppe. „Meine Stimme! Meine Stimme ist das Problem!“, fuhr sie ihn an soweit es mit ihrer krächzenden Stimme ging, worauf sie kurz husten musste. „Du hörst dich wirklich nicht gut an.“ „Danke, das weiß ich auch ohne dich.“ „Aber gleich deshalb zu weinen…“ „Du hast ja keine Ahnung!“ „Dann erzähls mir doch!“ Nach ihrem kleinen Wortgefecht starrten sie sich gegenseitig in die Augen. Das Mädchen gab aber kurze Zeit später auf und holte tief Luft. „Na schön. Du scheinst ja eh keine Ruhe zu geben, ehe du meine üble Lage kennst.“ Sie räusperte sich noch einmal stark, um ihre Stimme so normal klingen zu lassen, wie möglich. „Es ist so, dass ich meine Stimme dringend brauche. Ich singe sehr, sehr gerne, weshalb ich auch im Kirchenchor bin. Für Weihnachten proben sie auch schon ganz fleißig. Nur ich kann mit meiner Heiserkeit nicht dran teilnehmen und wenn sich das nicht schnell bessert, werd ich dieses Jahr überhaupt nicht mitsingen können…“ Bei dem Gedanken daran, sammelten sich wieder einige Tränen in den Augen des Mädchens. „Aber bis Weihnachten ist es ja noch etwas hin.“, meldete sich Shuu wieder zu Wort. Er hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört und nur seine Mütze in seinen Händen hin- und her gedreht. „Bis dahin wirst du sicher wieder gesund. Außerdem wär es besser, wenn du nicht länger in diesen kalten Gemäuern bist. Da ist es kein Wunder, dass du dir ne Erkältung eingefangen hast.“ Shuu rümpfte die Nase. Dann stand er auf und setzte sich wieder seine Mütze auf. „Ich halt es hier auch keine Sekunde länger aus. Verstehe auch gar nicht, wie du überhaupt hier an diesem…grässlichen Ort sein kannst!“, sagte er noch in abwertendem Tonfall, bevor er sich umdrehen und gehen wollte. Doch das Mädchen sprang ebenfalls auf und stellte sich in seinen Weg. „Wa…Was soll das heißen „grässlich“? Und überhaupt: warum sprichst du so abfällig über diese Kirche?“ „Soll das heißen, du bist gerne hier?“ Shuu schaute das braunhaarige Mädchen vor sich mit einem skeptischen Blick an. „Sehr sogar. Ich bin jeden Tag hier.“ Daraufhin musste Shuu so stark stöhnen, dass das Mädchen ihm einen sowohl fragenden als auch besorgten Blick zuwarf. „Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein? Wie hältst du es bloß an diesem be…“, ein stechender Blick des Mädchens ließ sofort sein eigentliches Wort sich in Luft auflösen und er besann sich anders, „Ich würde hier nie freiwillig sein.“ Mit einer Hand an seiner Schläfe, schüttelte Shuu verständnislos seinen Kopf. „Und warum bist du dann hier?“ Shuu blickte auf. „Weil ich ausversehen hier Schutz vor dem Sturm draußen gesucht habe und als ich gerade wieder gehen wollte dich weinen gehört habe. Entschuldige bitte!“, antwortete er ihr provokativ. „Ach so, na schön! Dann kannst du ja auch jetzt ruhig wieder gehen!“, sagte das Mädchen jetzt nun etwas lauter, wobei sie sich wegen ihrer Heiserkeit ziemlich anstrengen musste. „Mach ich auch!“, rief Shuu ihr zu, während er sich auf den Weg zum Eingang machte. „Ich werde jedenfalls HIER bleiben, weil es mir HIER gefällt!“, mühte sich das Mädchen zuletzt noch ab, bevor sie wieder einen kleinen Hustenanfall bekam. Shuu blieb daraufhin kurz stehen, drehte sich aber nicht um. „Mach doch was du willst. Dann wirst du dieses Jahr eben nicht singen. Selbst Schuld!“, rief er ihr über die Schulter zu, bevor er endgültig zum Tor ging und wieder seine Tüten ergriff. „Ich werde singen. Gott wird mir dabei schon helfen.“, sagte das Mädchen leise zu sich selber, ehe ihr ein paar Tränen in die Augen stiegen und sie das Zufallen der schweren Tür hörte. -- „Wieso mach ich das jetzt nochmal?“ „Weil du mir gestern Abend von diesem kranken Mädchen erzählt hast und es als Arzt meine Pflicht ist, ihr zu helfen. Deshalb.“ „Ja, aber kannst du ihr das nicht geben?“ „Shuu. Ich muss in die Praxis und bin eh schon spät dran. Außerdem, was ist schon dabei?“ „Dad! Ich…und Kirche. Du weißt, wie das ist!“ Draußen vor der Stadtkirche auf dem Gehweg standen Shuu und sein Vater, der gerade seine Hand auf den Kopf seines Sohnes legte und seufzte. „Ich weiß. Aber sieh es mal so: zum einen hilfst du einem Menschen und zum anderen warst du gestern ja auch dort. Da wird dich ein zweites Mal schon nicht umbringen.“ Lachend wuschelte der junge Mann durch die grünen Haare seines Sohnes. „Ja aber…“ Mit einer schnellen Bewegung sah der Vater auf seine Uhr. „Oh! Ich muss los. Und vergiss nicht, was ich dir gesagt habe, wie die Medizin einzunehmen ist.“ „Dad!“, rief Shuu seinem Vater zu, der gerade zur gegenüberliegenden Straßenseite laufen wollte. „Wir sehen uns später!“, lautete nur die Antwort mit einem kurzen Wink. Leicht fassungslos starrte Shuu seinem Vater hinterher, wie er durch die Menschenmasse hindurch schlüpfte und bald nicht mehr zu sehen war. Mit einem tiefen Seufzen wandte er sich nun zur Kirche hinter ihm und schaute zu ihrer Turmspitze empor. Sie war von feinem Schnee eingehüllt, der jetzt im Schein der Sonne leicht glitzerte. Nach dem gestrigen Schneesturm war die gesamte Landschaft in einer dicken weißen Decke eingehüllt. Nur die Straßen und Gehwege waren geräumt und gestreut worden. Es war ein herrlicher Wintertag. Viele Kinder nutzten den Tag zum Schneemann bauen oder zum Rodeln gehen. „Wahrscheinlich ist sie eh nicht hier. Bestimmt nicht bei diesem Wetter.“, sagte sich Shuu, der nun die Treppe zur Kirche hochging und mit einem mulmigen Gefühl die schwere Eisentür aufzog. Wieder war es menschenleer. Vorsichtig ging Shuu den Gang entlang und schaute sich nach dem Mädchen um. „Hm. Dacht ichs mir doch. Keiner hier. Dann werd ich mal wieder gehen.“ Ohne zu zögern wollte er sich wieder umdrehen und gehen, als er eine bekannte Stimme hörte. „Hey!“ Die Stimme schallte durch den gesamten Raum. Sofort drehte Shuu sich um und blickte empor zur Orgel. „Ich dachte du wolltest nicht mehr herkommen. Erstaunlich!“ „Ja…also ich…ähm…mein Vater ist Arzt und hat mir eine Medizin gegeben, die dir bestimmt weiterhelfen kann!“, rief er dem Mädchen zu, die nun ein erstauntes Gesicht machte und mit dieser Tatsache nun überhaupt nicht gerechnet hatte. Dieser nerv tötende Junge ist doch tatsächlich wegen ihr nochmal hergekommen und bringt ihr auch noch Medizin mit! Aber wieso sollte er so etwas machen? Nach diesem Auftritt gestern. „Mo…Moment.“, stotterte sie und musste erst mal ihre Gedanken ordnen. „Wieso machst du sowas? Ich meine, warum willst du mir helfen?“ Verzweifelt schaute sie auf den Grünschopf. „Tja, das hab ich mich auch gefragt…“, sagte Shuu zu sich selbst, ehe er dem Mädchen antwortete. „Naja, sagen wir, ich kenne deine Lage sehr gut und ich weiß, wie es ist, wenn man etwas, das man sehr gerne mag, nicht machen kann.“ Schnell riss er sich zusammen, bevor er noch mehr von seiner Vergangenheit preisgab. Er wollte ihr jetzt nicht seine Geschichte erzählen und hoffentlich würde sie auch nicht mehr danach fragen. „Außerdem musst du wieder gesund werden. Niemand ist gerne über die Feiertage krank. Also? Willst du sie jetzt?“ Das Mädchen wusste erst nicht so recht, was sie sagen sollte. Doch sie wollte ihn nicht zu lange auf eine Antwort warten lassen. „Ähm…ja. Warte, ich komme runter.“ Kurze Zeit später stand sie auch schon leicht außer Atem vor ihm. Shuu übergab ihr das kleine Päckchen und erklärte ihr noch schnell, worauf sie zu achten hatte. Allerdings wollte er nicht noch länger bleiben und war gerade dabei aufzubrechen, als ihn das Mädchen nochmal kurz aufhielt. „Vielen Dank, nochmal…ähm…“ „Shuu“ „Ah ja, richtig. Danke Shuu. Und sag das deinem Vater bitte auch!“ Shuu warf ihr einen leicht fragenden Blick zu und musterte sie. „Oh! Ähm…entschuldige bitte. Ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Haruka.“, sagte das braunhaarige Mädchen und lächelte leicht verlegen. Shuu dagegen seufzte und wandte sich zum Gehen um. „Moment! Warte!“, rief Haruka ihm schnell hinterher. „Was ist?“ „Würdest du mir bitte mal sagen, warum du immer so schnell aus der Kirche raus willst?“ „Was soll ich denn noch hier? Du hast die Medizin, mehr kann ich nicht für dich tun, oder?!“ „Ähm…naja, schon. Aber…“ „Nichts aber. Ich muss noch ein paar Besorgungen machen. Man sieht sich.“ Und damit verschwand Shuu auch schon aus der Tür und ließ Haruka allein zurück. „Was ist bloß los mit ihm?“ Etwas enttäuscht sah Haruka zur Tür, durch die Shuu vor ein paar Sekunden hinausgegangen war. Danach griff sie entschlossen zur Medizinflasche und verschwand ebenfalls. -- „Welche Sorte hättest du denn gerne?“ „Oh…ähm…geben Sie mir einfach die mit Orangengeschmack, bitte!“ „Aber gerne doch.“, und mit einem Lächeln übergab die junge Apothekerin Shuu die von ihm gewünschte Tüte. Nachdem er bezahlt hatte, machte sich Shuu sofort auf den Weg. Er hatte sich geschworen nur ganz kurz zu bleiben. Nur alles abgeben und dann sofort wieder raus. Keine Sekunde länger als nötig. Das würde er schon schaffen. Nach einem kräftigen Atemzug betrat Shuu zum dritten Mal die Kirche. Allerdings fiel es ihm wesentlich leichter als bei den letzten Malen. „Haruka?“, fragte er mit gedämpfter Stimme und horchte, ob er eine Antwort bekommen würde. Kurz darauf ging seitlich an der Wand eine Tür auf und Haruka schaute mit dem Kopf heraus. „Shuu! Das ist aber mal eine Überraschung!“, witzelte sie ein wenig, kam aber ganz aus der Raum getreten und ging auf Shuu zu, der ihr einen genervten Blick zuwarf. „Ich dachte, das hier könntest du gebrauchen. Schließlich solltest du deinen Hals in nächster Zeit schützen und weiter kurieren lassen. Hier…“ Daraufhin hielt er ihr eine kleine Plastiktüte hin, die Haruka auch sofort entgegennahm und in ihr umher wühlte. „Ist das…ein Schal? Und…Hustenbonbons! Oh…vielen Dank, Shuu. Das ist echt nett von dir!“ „Also der Schal ist eigentlich von mir, aber ich brauch ihn nicht mehr. Den kannst du gerne haben. Und bei den Halsbonbons wusste ich nicht, welche Geschmacksrichtung du bevorzugst. Ich hoffe das ist so in Ordnung.“, erklärte Shuu und kratzte sich verlegen am Nacken. „Das ist mehr als in Ordnung! Ich weiß gar nicht, was ich sa…“ Plötzlich bekam Haruka wieder einen kleinen Hustenanfall, der aber schon nach kurzer Zeit wieder abklang. „Alles in Ordnung?“, fragte Shuu etwas besorgt. „Du solltest weniger reden und lieber deinen Hals schonen. Ich werd dich auch nicht länger stören. Wollte auch nur…“ „…kurz bleiben. Versteh schon.“, unterbrach Haruka und setzte Shuus Satz fort. „Willst du nicht wenigstens noch eine Tasse Tee mittrinken? Es ist sonst niemand hier. Bitte!“ Durch ihren flehenden Blick gab sich Shuu dann doch geschlagen und willigte ein. Zusammen gingen sie zu dem Raum, aus dem Haruka hinausgekommen war. Dort befand sich nämlich eine kleine eingerichtete Küche. Hier gab es nicht sehr viel, aber neben einem kleinen Kühlschrank, einigen Kommoden, gab es auch einen Wasserkocher, eine Mikrowelle und ein Spülbecken. „Was möchtest du? Wir haben Pfefferminze, Roibos, Hagebutte, Früchte, Schwarzen Tee, grünen Tee, Zitro…“ „Schwarzen, bitte.“, unterbrach Shuu sie schnell, bevor sie noch weitere hundert Teesorten auflistete. Wenige Minuten später hatten beide eine dampfende Tasse in den Händen und wärmten sich daran. Ein fruchtig herber Geruch erfüllte den kleinen Küchenraum. Lange Zeit standen beide sich nur gegenüber und tranken ihren Tee, während Shuu aus dem Fenster schaute und Haruka in ihr dampfendes Getränk, ehe sie die Stille unterbrach. „Sag mal, Shuu. Wieso willst du eigentlich immer so schnell aus der Kirche raus? Da muss es doch einen Grund geben. Würdest du mir den erzählen? Ich kann das nämlich überhaupt nicht verstehen.“ Haruka blickte von ihrer Tasse auf und schaute zu Shuu. Doch der Anblick erschreckte sie ein wenig. Shuu blickte noch weiter aus dem Fenster, doch sein Gesicht war völlig angespannt. Außerdem biss er sich auf die Lippe, sodass Haruka dachte, gleich würde er vor Schmerz aufschreien. Doch Shuu blickte stur aus dem Fenster und rührte sich nicht mehr. „Shuu? Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Haruka jetzt vorsichtig. Als keine Reaktion kam, sagte sie seinen Namen etwas lauter. Daraufhin drehte er sich endlich zu ihr um. „Schon okay. Ich…“ Shuu hielt kurz inne und blickte geistesabwesend zu Haruka, bis er sich wieder zusammenriss. „Danke für den Tee, aber ich muss jetzt wirklich gehen. Bis dann.“ Daraufhin stellte er seinen Becher ab und ging ohne ein weiteres Wort aus der Küche. Haruka konnte ihm nur hinterher starren. „Shuu…“ Während dessen war Shuu auf dem Weg nach Hause. Allerdings musste er stark mit den Tränen kämpfen, was der eisige Wind nicht gerade erleichterte. Nein! Er wollte jetzt nicht schwach werden. So viele Jahre hatte er es überstanden. Da würde er jetzt nicht wieder mit anfangen. Er dürfe nur nicht daran denken. An die Zeit vor sechs Jahren. -- Der Wind peitschte die knorrigen Äste des Baumes an das Fenster. Vorsichtig und noch etwas verschlafen öffnete Shuu seine Augen. Er hatte diese Nacht kaum ein Auge zugetan, und wenn, dann wurde er von Albträumen geplagt. Langsam setzte er sich auf und rieb sich durch sein Gesicht. Nach einem tiefen Seufzer entschied er sich endlich aufzustehen und fertig zu machen, um danach gemütlich zu frühstücken. In der Küche angekommen bemerkte er, dass sein Vater schon wieder längst unterwegs war. Also schmierte er sich ein Toast mit Marmelade und lehnte sich an den Tisch, um das triste Wetter zu beobachten. Heute würde er garantiert keinen Fuß vor die Tür setzen. Vor allem würde er heute nicht in die Kirche gehen. Dreimal waren eindeutig genug. Ein wenig Ruhe würde ganz gut tun. Und ein bisschen Musik hören. Als Shuu wieder in seinem Zimmer war und seinen CD Player einschaltete, legte er sich auf sein Bett und lauschte der Musik. Doch nach einiger Zeit fing es an ihn zu langweilen, nicht zuletzt, da er die vielen Musikstücke schon in- und auswendig kannte. Eine Zeit lang lief er planlos durch das Haus und wusste nicht so recht etwas mit sich anzufangen. Daher beschloss Shuu doch ein wenig draußen spazieren zu gehen und auf andere Gedanken zu kommen. Schnell die Winterjacke übergezogen sowie Mütze und Handschuhe genommen und raus in die Winterlandschaft. Das vorher noch ungemütliche Wetter hatte sich ein wenig beruhigt, sodass es recht erträglich war, sich draußen aufzuhalten. Ohne genau zu wissen, wo er eigentlich hinwollte, lief Shuu einfach seiner Nase nach. Vorbei an den vielen Geschäften, in denen er in letzter Zeit mindestens schon einmal gewesen war, den vielen Glühweinständen, die von Tag zu Tag mehr wurden, und an den vielen Menschen, die noch im Weihnachtsstress unterwegs waren. Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem Shuu wieder realisierte, welchen Weg er ging. Und dieser kam ihm nun mehr den je bekannt vor. Mit den in seine Jackentaschen gesteckten Händen stand er dem riesigen Gebäude gegenüber. Ein langer Seufzer entfuhr ihm. „Hätt ich mir ja denken können, dass mein Weg mich ausgerechnet hier her führt. Aber heute nicht…“ Seine Füße waren jedoch schneller. Noch ehe er sich versah, stand er schon im Eingangsbereich der Kirche. Shuu wollte schon weiter hineingehen, als ihm etwas einfiel. Sofort nahm er sich seine Mütze ab und hielt sie vorerst in seiner Hand. Nun schritt er weiter ins Innere, wobei er abermals feststellen musste, dass die Kirche menschenleer war. Selbst Haruka konnte er nirgendwo entdecken. Selbst als er leise ihren Namen flüsterte, gab es diesmal keine Antwort. Allerdings war Shuu schon irgendwie froh, alleine zu sein. Mit vorsichtigen Schritten ging er den langen Mittelgang entlang und versuchte dabei, möglichst leise zu sein, um ja keine Aufmerksamkeit zu erregen. Es dauerte nicht lange bis er sich vorne im Altarbereich befand und sich in die vorderste Bankreihe setzte. Dort saß er lange Zeit und hing seinen Gedanken nach. Irgendwann holten ihn aber die Erinnerungen von vor sechs Jahren wieder ein und auch seine Albträume von letzter Nacht gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Diese waren so intensiv, dass Shuu seine Hände über seinen Kopf schlug und seine Augen so fest zusammenpresste, dass er hoffte, dass all die Erscheinungen in seinem Kopf verschwinden würden. Er wand sich, weil ein Bild in seinem Kopf nicht verschwinden wollte. Er sah seine Vergangenheit, seine Mutter, die vor ihm lag und er hörte seinen Vater, der immer wieder seinen Namen rief. „Shuu.“ Sein Vater wollte, dass er endlich geht. „Shuu!“ Der Ruf wurde immer drängender, aber er wollte einfach nicht weggehen. „SHUU!“ Das Rütteln an seiner Schulter ließ ihn endlich aufschrecken und seine Augen öffnen. Panisch schaute er sich um. Erst realisierte er, dass er in der Kirche war und nicht mehr ein kleiner, siebenjähriger Junge, danach, dass nicht sein Vater nach ihm gerufen hatte, sondern Haruka. Entsetzte blaue Augen starrten Shuu an und er merkte, wie er leicht keuchte. „Was ist bloß los mit dir? Du warst völlig panisch und hast geschrien. Und…du schwitzt!“ „Was…?“, brachte Shuu mühsam hervor und strich sich mit der nackten Hand über die Stirn. Und tatsächlich hatte er Schweißperlen auf der Stirn. Allerdings war es kalter Schweiß. Angstschweiß. „Ich…ich…“ Fassungslos stammelte Shuu vor sich hin. Die Bilder in seinen Gedanken waren so real. Als wäre alles gerade passiert. Haruka blickte besorgt auf Shuu herunter, bis sie ihre Hand auf seine Schulter legte und ihn mit sanfter Stimme ansprach. „Komm. Wir trinken jetzt erst mal einen heißen Kakao zusammen. Du bist ganz blass und brauchst dringend etwas Warmes.“ Daraufhin führte sie ihn in die Küche und bereitete sich und Shuu das süße Getränk zu. Nach ein paar wohltuenden Schlucken, bemerkte Haruka erleichtert, dass Shuu wieder eine gesunde Hautfarbe annahm. Daraufhin fasste sie den Entschluss, ihn nochmal zu fragen. Vielleicht würde sie ja jetzt eine Antwort von ihm erhalten. „Du, Shuu…“, fing sie vorsichtig an und wartete, bis er ihr seine Aufmerksamkeit gab, „…vielleicht wär es einfach besser, wenn du deinen Kummer von der Seele redest. Es wird dir danach bestimmt besser gehen. Bitte erzähl mir, was dich bedrückt.“ Während Haruka geredet hatte, war Shuus Blick zu seinem dampfenden Getränk gewandert und seine Hände hatten sich fester um den warmen Becher gelegt. Vielleicht hatte Haruka ja recht. Vielleicht würde es ihm wirklich besser gehen, wenn er ihr alles erzählen würde. „Es hat alles damit zu tun, was vor sechs Jahren passiert war.“ Shuu begann einfach zu erzählen, ohne noch irgendwelche Fragen an Haruka zu stellen, ob sie sich sicher sei, die Geschichte zu hören oder ob sie überhaupt Zeit hätte. Haruka saß einfach nur da und hörte ihm aufmerksam zu. Schließlich ist dies nun ein sehr wichtiger Punkt im Leben von Shuu und jetzt würde sie ihn endlich besser verstehen können. „Damals war ich sieben Jahre alt. Ich wohnte zusammen mit meiner Mutter und meinem Vater in einer anderen Stadt. Dort lebten wir recht glücklich und hatten auch vor, von dort niemals wegzuziehen. Doch kam es alles ganz anders.“ Shuu musste kurz schlucken, da er wieder einen Kloß im Hals verspürte, jetzt aber nicht nachgeben wollte. Schließlich wollte er es endlich jemanden erzählen. Dennoch war der Gedanke an die Vergangenheit ziemlich niederschmetternd. „Mein Vater hatte erfolgreich bei einem Arzt einen Assistenz-Job angenommen und konnte dort auch viel leisten. Meine Mutter leitete ein eigenes Blumengeschäft und war in der Stadt sehr beliebt. Viele Stammkunden wurden zu den innigsten Freunden meiner Eltern. Meine Eltern hatten dort eine richtige Existenz aufgebaut, die sie so schnell nicht hatten zerstören wollen. Wenn meine Mutter nicht so plötzlich gestorben wäre…“ Jetzt hatte er es endlich gesagt. Es war endlich raus. Dabei fiel es ihm gar nicht so schwer, dass zu sagen, obwohl sich in ihm langsam eine Leere ausbreitete. Schnell nahm er noch einen wärmenden Schluck, um dieser aufkommenden Leere entgegenzuwirken. Haruka dagegen musste erst mal verdauen, was sie gerade zuhören bekam. Shuus Mutter war tot. Sie war gestorben als er noch klein war. So langsam schien sie zu begreifen, ließ ihn aber dennoch weitererzählen. „Ich kam gerade aus der Schule, als ich von meinem Vater hörte, dass etwas mit Mutter passiert wäre. Ich dachte, sie hätte wieder einen Schwächeanfall bekommen und wäre ins Krankenhaus gebracht worden. Das hatte sie öfter, da ihr Immunsystem nicht sehr stark war. Aber obwohl sie körperlich schwach war, war ihre geistige Stärke umso größer. Sie hatte nie aufgegeben, egal wie schlimm es um sie stand. Nur an dem Tag war ihr Kraft wie ausgelöscht… Als mein Vater und ich im Krankenhaus ankamen und zu ihr ins Zimmer gingen, war sie bereits tot. Ich weiß noch, wie ich auf ihrem Bett lag und nicht mehr aufhören konnte zu weinen. Mein Vater musste mich regelrecht auf dem Boden wegschleifen, weil ich nicht von meiner Mutter weggehen wollte. Damals hatte ich es schon nicht verkraftet und wie es aussieht, hab ich es bis heute nicht.“ Gedankenverloren blickte Shuu auf den Fußboden vor sich. Haruka dagegen musste jetzt mit ihren Tränen kämpfen. Selbst ihre Stimme musste sie kontrollieren, ansonsten würde sie wohl wegbrechen. „Und wie…ist deine Mutter gestorben?“, fragte sie ruhig. „Sie sollte ein Blumengesteck zu der Stadtkirche bringen. Als sie dort angekommen war und gerade die Kirche betreten hatte, knickte sie aus unerklärlichen Gründen weg und blieb regungslos auf dem Boden liegen. So zumindest hat es der damalige Pfarrer erzählt. Obwohl der Krankenwagen relativ schell kam und Vorort auch gute Erste-Hilfe geleistet wurde, konnte man nichts mehr unternehmen. Nachher stellte sich heraus, dass meine Mutter von Geburt an einen Herzfehler hatte und sie nicht älter als 30 werden würde. Immerhin hatte sie es geschafft, noch zwei Jahre länger zu leben. Sie hatte eben einen starken Willen, aber letztendlich…“, Shuu hielt kurz inne, dann schüttelte er den Kopf, „Das Schlimme ist nur, dass meine Mutter von ihrem Herzfehler die ganze Zeit wusste. Sie wusste schon als kleines Kind, dass sie früher oder später sterben würde. Und trotzdem hat sie nie ein Anzeichen von Angst gezeigt. Ich hab sie immer fröhlich und unbeschwert erlebt. Sie hat ihre Krankheit die ganze Zeit für sich behalten. Uns hatte sie nie davon erzählt. Selbst mein Vater wusste von nichts. Sie wollte wohl, dass wir uns nicht ständig Sorgen um sie machten.“ Mit einem letzten Schluck aus dem Becher leerte Shuu diesen und stellte ihn beiseite auf den Tisch. Mit zusammengefalteten Händen starrte er noch immer auf den Fußboden. „Und…was hat das alles mit deinem Hass auf die Kirche zu tun?“, fragte Haruka, doch hätte sie die Frage am liebsten wieder zurückgenommen, da sie jetzt dachte, Shuu würde nun lauter werden und nun seine ganzen Gefühle loswerden. Aber das tat er nicht. Shuu blieb noch immer so ruhig, auch wenn seine Stimme ein klein wenig ernster wurde. „Naja. Genau in dem Moment, als meine Mutter die Kirche betrat, ist sie umgefallen. Für mich war das immer ein Grund, dass Gott das Leben meiner Mutter mit einem Schlag ausgehaucht hatte. In meinen Augen war er dafür verantwortlich und das hat sich im Laufe der Jahre auch nicht geändert. Ich konnte es nie verstehen, warum er ausgerechnet meine Mutter zu sich genommen hat. Ich empfand das einfach unfair. Ich konnte ihm einfach nicht verzeihen. Vor allem wollte ich das auch nicht. Mit sieben Jahren. Irgendwen musste ich ja verantwortlich machen. Und da war für mich Gott am naheliegendsten.“ Ein leichtes hämisches Grinsen zuckte über Shuus Gesicht. Doch kurz danach verhärtete es sich wieder. „Und ab dem Zeitpunkt, dem Tod meiner Mutter, verabscheute ich die Kirche.“ Jetzt kannte Haruka endlich die wahre Bedeutung hinter Shuus Verhalten. Allerdings wusste sie jetzt nicht, wie sie ihm helfen konnte. Ob sie ihm überhaupt helfen konnte. Das war eine schwierige Situation. Sie hatte eine ganz andere Kindheit erlebt. Daran dachte sie jedoch gerne zurück. „Weißt du, Shuu… das mit deiner Mutter tut mir schrecklich leid. Und solch einen Schmerz, wie du ihn erleiden musstest, könnte ich nie nachvollziehen, da ich dies in derart noch nie erlebt hatte. Ich kenne nämlich das Gefühl, eine Mutter zu haben, nicht…“ Shuu blickte auf. „Was soll das heißen…?“ Ein leichtes Lächeln zuckte über Harukas Lippen. „Ich bin ohne Mutter aufgewachsen. Wenn man so will auch ohne richtigen Vater. Meine leiblichen Eltern habe ich nie kennengelernt. Der Pfarrer dieser Kirche hat mich eines Tages als Windelkind auf den Treppenstufen vor dieser Kirche aufgefunden und großgezogen. Das ist jetzt knapp zwölf Jahre her. In dieser Zeit bin ich mit der Kirche aufgewachsen. Für mich ist sie ein Ort der Geborgenheit. Hier kann ich meine Ruhe haben und mich zurückziehen. Außerdem fühl ich mich hier Gott sehr nahe und ihm verdanke ich, dass ich wohlbehalten hier aufgewachsen bin. Immerhin hatte der Pfarrer mich im Winter auf der verschneiten Treppe gefunden. Es war ein Wunder, dass mir bei diesen eisigen Temperaturen nichts passiert ist.“ Haruka stand auf nahm Shuus Becher und füllte sowohl seinen als auch ihren Becher mit neuem, heißen Kakao. Dankend nahm Shuu seinen Becher entgegen und war erstaunt über Harukas Vergangenheit. „Du siehst also, es gibt auch gute Seiten.“, lächelte sie Shuu an. Dieser dachte einen Moment darüber nach, bis er ihr schließlich antwortete. „Ja, da hast du allerdings recht.“ Eine Zeit lang schwiegen beide und tranken nur ihren Kakao. Beide dachten sowohl über ihre eigene als auch über die Vergangenheit des anderen nach. Bis Shuu wieder das Wort ergriff. „Es ist nur schade, da meine Mutter so gerne mir beim Klavierspielen zugehört hat. Ich hab so lange geübt, bis ich ihr Lieblingsstück perfekt spielen konnte. Sie war jedesmal so glücklich, dass ich am liebsten nie aufgehört hätte.“ Bei dem Gedanken daran musste Shuu lächeln. „Du spielst Klavier?“, fragte Haruka erstaunt. „Nicht mehr. Nach Mutters Tod hatte ich noch versucht weiter zu spielen, doch klang es nie wieder so wie früher. Als ich dann eines Tages bei einem Sturz mein Handgelenk gebrochen hatte und eine lange Zeit nicht spielen konnte, war es dann endgültig aus. Mir fehlte die Übung, meine Inspiration war weg und unseren Flügel mussten wir auch verkaufen, da wir Geld für den Umzug brauchten und wir den Flügel sowieso nicht mit hierher schleppen konnten. Dabei hatte ich es geliebt zu spielen und sogar an Wettbewerben hatte ich teilgenommen, wo ich auch recht erfolgreich war. Aber jetzt…Ich weiß gar nicht, ob ich es überhaupt noch könnte.“ „Ah! Jetzt weiß ich was du meintest, als du mir die Medizin gebracht hast. Von wegen, du weißt, wie es ist, wenn man etwas, dass man sehr gerne hat, nicht machen kann. Du hast an deine Situation gedacht, stimmts?“ Ein leichtes Nicken von Shuu verriet, dass sie Recht hatte. „Tja, Gott sei Dank, kann man sagen. Denn ohne dich würde ich wohl noch immer Trübsal blasend hier herum hocken!“ „Vermutlich. Aber deine Stimme hört sich ja wieder besser an.“ „Dank dir. Ich weiß gar nicht, wie ich mich bei dir und deinem Vater bedanken kann!“ Shuu winkte mit einer Hand ab. „Das brauchst du nicht. Solange du zu Weihnachten wieder im Chor singen kannst, ist alles in Ordnung.“ „Du und dein Vater, ihr kommt doch zu Weihnachten in die Kirche, oder?!“ Ein skeptischer Blick traf Shuu, der daraufhin leicht geschockt war. „Du stellst echt in Frage, ob mein Vater zu eurem Chor kommt? Das hat er bisher jedes Jahr gemacht…“ „Ich meinte eigentlich dich. Ob du auch kommst.“ Shuu überlegte einen Moment, was für Haruka zu einer nicht enden wollende Geduldsprobe wurde. „Naja, ich wüsste nicht, warum ich…“ Shuu zog seine Antwort extra in die Länge, um Haruka ein wenig aufzuziehen. „…warum ich nicht auch dieses Jahr dabei sein sollte!“ Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht. „Wie? Was? Soll das etwa heißen, dass…“ „…ich bisher jedes Weihnachten beim Chor dabei war? Genau das soll es heißen.“, vollendete Shuu Harukas Satz, die noch immer völlig neben sich stand. Doch als sie Shuus süffisantes Grinsen wahrnahm, realisierte sie erst das Ganze. „Argh! Du hast nie erwähnt, dass du zur wichtigsten Zeit in die Kirche gehst. Und dann machst du es auch noch so spannend! Ich dachte echt für einen Moment, dass du nicht kommen würdest.“ „Du hast mich ja nie gefragt, ob ich sonst in die Kirche gehe. Immer nur, warum ich nie so lange hier bleiben würde.“ Sein selbstsicheres Grinsen ließ nicht nach. Es verstärkte sich eher nur, als er sah, wie Haruka sich wegen einer solchen banalen Sache dermaßen aufregte. Sie machte die Mücke zum Elefanten. „Aber du hast dich immer so abwertend gegenüber der Kirche geäußert, dass ich dachte, du würdest niemals zu einem Gottesdienst oder so gehen!“ „Ich bin ja jetzt auch hier, oder?!“ „Ja schon, aber, aber….ach, mach doch was du willst!“ Und mit verschränkten Armen wendete sich Haruka von Shuu ab und schaute aus dem Küchenfenster. Shuu dagegen musste anfangen zu lachen, als er Harukas beleidigtes Gesicht sah. Doch Haruka wusste genauso gut wie Shuu, dass sie gar nicht wirklich böse war. Eher freute sie sich, dass Shuu die Kirche doch nicht so sehr hasste, wie sie zu Anfang gedacht hatte und sie war froh, dass er jedes Jahr zum Chor gekommen war. Genauso wie er auch dieses Jahr dabei sein würde. -- Ein Geruch von Glühwein, heißen Kastanien und Tannenduft stieg Shuu in die Nase, als er dem Weihnachtsmarkt näher kam. Obwohl es noch mittags war, gab es schon viele Leute, die hier den ersten Punsch oder Glühwein zu sich nahmen und sich leicht angeheitert unterhielten. Andere standen vor den zahlreichen Ständen und erkundeten das Angebot, das von handgemachten Wollschals bis hin zu eleganten Schmuckhalsketten reichte. Shuu allerdings ging nur aus Neugierde über den Weihnachtsmarkt. Vielleicht würde er ja das eine oder andere Geschenk doch noch hier finden. Als er gerade an einem Stand voller Weihnachtssterne stand, rief jemand seinem Namen. Diese Stimme war ihm seit den letzten Tagen mehr als vertraut geworden und er wusste sofort, um wen es sich handelte. Ohne aufzublicken, wartete er, bis sie neben ihm stand. „Du bist auch mal außerhalb der Kirche? Das ist ja erstaunlich!“, sagte er gespielt überrascht. „Hey! Was soll das denn heißen?“, sagte Haruka empört und knuffte seine Schulter. „Ich kann auch sehr wohl nach draußen gehen! Aber ich bin nicht hier, um mich von dir ärgern zu lassen.“ „Nicht?“, sagte Shuu wieder mit einem Grinsen. Haruka wollte darauf jetzt nicht noch einmal drauf eingehen, sondern wechselte gleich das Thema. „Eigentlich wollte ich etwas über den Markt schlendern, aber da du schon mal hier bist, kannst du auch gleich mal zu mir mit nach Hause kommen, da ich ne kleine Überraschung für dich habe.“ Shuu zögerte und schaute Haruka fragend an. Irgendwie war ihm das nicht ganz geheuer. Als Shuu noch immer keine Anstalten machte, ihr zu folgen, drehte Haruka ihn mit dem Rücken zu sich um und schob ihn vorwärts vom Weihnachtsmarkt runter. „Jetzt hab dich nicht so. Mein Vater ist auch da…“ „Moment. Sagtest du nicht, dass…“ Haruka rollte mit den Augen. „Mein Ziehvater, wenn du so willst.“, meinte sie nur und schob Shuu weiter, bis er vernünftig wurde und Haruka zu ihr nach Hause folgte. Wie Shuu feststellen musste, war das kleine Haus gar nicht weit von der Kirche entfernt. „Hätt ich mir auch denken können…“, murmelte Shuu, als er davor stand. Haruka war bereits an der Eingangstür und schloss diese auf. „Nun komm schon. Starr keine Löcher in die Luft!“, forderte sie ihn auf und wollte gerade auf ihn zu gehen und ihn ins Haus schieben, als er dann doch schnell ins Haus huschte. „Geh doch schon mal ins Wohnzimmer. Ich mach uns noch schnell einen Tee.“ Daraufhin war sie auch schon verschwunden. Shuu allerdings war es unangenehm, einfach so durch das Haus zu spazieren, doch ehe er dumm in der Gegend stand, ging er zur Tür, auf die Haruka vorher gewiesen hatte und betrat das Wohnzimmer. Es war nicht sehr groß, aber größer, als Shuu es erwartet hatte. Durch die vielen Fenster war es sehr hell, was die helle Einrichtung noch unterstützte. Shuu wollte allerdings nicht durch das ganze Zimmer gehen, um dann irgendetwas zu entdecken, was er besser nicht gesehen hätte. Daher entschied er sich einfach auf das Sofa zu setzen und darauf zu warten, dass Haruka wiederkommen würde. Doch konnte er es sich nicht verkneifen seinen Blick im Raum umherschweifen zu lassen. Nachdem er fast das ganze Zimmer erblickt hatte, blieben seine Augen an einem Gegenstand hängen. Einem großen Gegenstand. Shuu stand auf und musste es sich aus nächster Nähe anschauen. Dabei merkte er, dass es auf einer Art Erhebung in einer Nische stand. Obwohl es von einem weißen Laken bedeckt war, wusste Shuu, um was es sich handelte. Er wollte gerade das Tuch anheben. „Dann hast du es also entdeckt?“, fragte Haruka mit einem Lächeln, als sie mit einem Tablett ins Wohnzimmer kam und dieses auf den Tisch vor dem Sofa abstellte. Shuu drehte sich daraufhin ruckartig um. „Wieso? Soll das heißen, DAS ist die große Überraschung, die du mir zeigen wolltest?“ Sofort blickte er sich wieder zu dem verborgenen Gegenstand um. „Nimm doch mal das Laken ab.“, ertönte es aus der Richtung, wo Haruka stand. Doch war die Stimme wesentlich tiefer und eine ganz andere. Als sich Shuu abermals umdrehte, sah er neben Haruka den Pfarrer stehen, ihren Ziehvater, der zu dem Teetisch noch eine Schale mit Gebäck hinzu stellte. „Oh. Schönen Guten Tag, Herr Pfarrer!“, grüßte Shuu den Älteren, doch dieser winkte ihn ab. „Nicht doch. Nenn mich ruhig Hiro, Shuu. Schön, dass du hergekommen bist.“ Shuu blickte Haruka skeptisch an und dachte daran, wie sie ihn hier hergezogen und geschubst hatte. Haruka sah seinen Blick und dachte an das gleiche, weshalb sie unschuldig tat und lieber den Tee in jede der Tassen goss. „Darf ich?“, fragte Shuu Hiro und deutete auf das weiße Laken. „Natürlich.“, antwortete Harukas Ziehvater und nickte Shuu dabei aufmunternd zu. Anfangs zögerte Shuu, doch als er den weichen Stoff in den Händen hielt konnte er es nicht mehr erwarten. Ein kraftvoller Armzug reichte und Shuu hielt das Laken noch in beiden Händen, während es auf dem Boden auflag. Beim Anblick von dem, was sich darunter befand, weiteten sich Shuus Augen und ein leichtes Zittern durchfuhren seine Arme. Nachdem er das Laken aus seinen Händen hat gleiten lassen, ging er einen weiteren Schritt darauf zu und wusste nicht, was er sagen sollte. Sanft strich er über die schwarze Lackschicht und ließ seine Hand über die weißen und aus Ebenholz bestehenden schwarzen Tasten gleiten. „Ein wunderschöner Flügel, den ihr hier habt.“, stellte Shuu fasziniert und überwältigt fest. „So einen ähnlichen hatten wir früher auch gehabt.“ „Bist du sicher? Vielleicht schaust du noch mal etwas genauer hin.“, wies ihn Haruka drauf hin. Etwas verdutzt schaute Shuu zu ihr, doch sie bekräftigte ihre Aussage, indem sie mit dem Kopf nickte. Daraufhin wurde Shuu doch etwas neugierig und erkundigte jeden Winkel des Flügels. Daraufhin entdeckte er auch den Namen des Flügelerbauers. „Der ist aus dem Hause Kawai? Das müsste dann auch eine RX-2 sein. Und auch noch eines der ersten Modelle, als sie erschienen waren. Das…das gibs doch nicht!“ Fassungslos starrte Shuu auf den Flügel. Dann kam ihm ein Gedankenblitz woraufhin er zu einer Seite des Musikinstrumentes ging und sich davor hockte und etwas suchte. Dann stand er plötzlich auf und drehte sich zu Haruka und Hiro. „Dieser Flügel…wo habt ihr den her?“ Shuus Stimme war ruhig, dennoch konnte man seine Anspannung deutlich hören. Es war Hiro, der antwortete. „Zusammen mit meiner Frau hab ich diesen Flügel auf einer Aktion ersteigert. Das war vor etwas mehr als fünf Jahren. Der Anbieter dieses Flügels war dein Vater.“ Shuu stand regungslos vor dem Flügel. Dann setzte er sich langsam auf den kleinen Absatz und faltete seine Hände zusammen. „Schon als ich den Flügel zum ersten Mal sah, hatte ich ein komisches Gefühl. Aber als ich gerade eben diesen einen kleinen Kratzer entdeckt hab, der normalerweise völlig untypisch war, da wusste ich bereits, dass es unser Flügel war.“ „Bist du jetzt sauer?“, fragte Haruka vorsichtig. Shuu blickte verwundert auf. „Nein. Wieso sollte ich? Ich bin froh, dass der Flügel nicht an irgendjemanden verscherbelt wurde. Und wer von euch spielt darauf, wenn ich fragen darf?“ „Naja. Eigentlich spielt keiner von uns.“, musste Hiro verlegen zugeben. „Es ist eher so, dass ich damals bei der Auktion fand, es wäre eine lohnende Investition und vielleicht würde schon irgendjemand darauf spielen. Erst hatte ich auf Haruka gehofft, aber ihr Talent lag eher im Singen, als im Spielen. Seitdem stand es unbenutzt hier im Wohnzimmer.“ „Ah, so ist das also.“, murmelte Shuu und stand wieder auf, um sich zu den beiden zum Tee dazuzugesellen. „Wo willst du hin?“, fragte Haruka entsetzt. „Willst du nicht drauf spielen?“ „Wie bitte?“ Erstaunt blieb Shuu stehen. Mit diesem Vorschlag hatte er nicht gerechnet. „Oh ja, bitte. Haruka hat mir erzählt, dass du Klavier spielen würdest. Daher war es auch mein Vorschlag, dir diesen Flügel zu zeigen.“ „Haruka…“ Shuu wendete sich an sie und schaute sie etwas verstimmt an. „Ich sagte dir doch, dass ich nicht mehr spiele. Schon vergessen?“ Wütend setzte er sich aufs Sofa und nahm einen Schluck Tee. „Aber du kannst es doch wenigstens versuchen!“, flehte Haruka ihn an. „Vielleicht kannst du es ja doch noch, nur musst du dir das auch selbst zutrauen.“ Shuu erwiderte nichts darauf, sondern blickte Haruka von seiner Tasse aus immer noch beleidigt an. „Wie kommt es, dass du nicht mehr spielen willst, Shuu?“, fragte Hiro höflich. „Es ist nur… Ich hab seit vielen Jahren nicht mehr gespielt und wahrscheinlich werd ich eh keinen Ton mehr treffen.“, seufzte Shuu und ließ den Kopf hängen. „Woher willst du das wissen, wenn du es nicht wenigstens versuchst?“, versuchte Hiro Shuu weiter aufzumuntern. „Komm. Nimm noch einen Keks und dann versuchst du es einfach. Denk einfach an etwas Schönes. Denk daran, wie sich dein Vater und auch deine Mutter freuen würden.“ Shuu musste unweigerlich an die alte Zeit zurückdenken. An das liebevolle Gesicht seiner Mutter und ihr Lächeln, als er ihr immer ihr Lieblingslied vorgespielt hatte. „Also schön. Ich machs.“, gab Shuu sich geschlagen und trottete zum Flügel hinüber. Dort ließ er sich auf den kleinen Hocker nieder und legte seine Finger auf die Tasten. Während er tief Luft holte, dachte er an die schöne Zeit von früher. Dann drückte er ein paar Tasten hinunter und lauschte nach ihrem Klang, bevor er drauf los spielte. Es war, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Als hätte er niemals aufgehört zu spielen. Wenn er jetzt an das glückliche Gesicht seiner Mutter dachte und an seinen Vater, der liebevoll einen Arm um ihre Schulter gelegt hatte, dann konnte er auch nicht mehr aufhören zu spielen. Seine Finger bewegten sich über die Tasten, als ob sie darauf tanzen würden. Es war ein wunderbares Gefühl, sie so hin und her zu bewegen. Und dazu der Klang der Melodie, die durch den Raum hallte. Nach einigen Minuten erklang der letzte Ton, der noch eine Zeit lang im Raum umher schwang, ehe er sich langsam in Luft aufzulösen schien. Sofort drang lauter Beifall zu Shuus Ohren. Haruka und Hiro waren sogar aufgestanden und applaudierten ihm. „Sehr schön! Sehr schön!“, lachte Hiro und kam auf Shuu zu, um ihm auf den Rücken zu klopfen. „Das hast du sehr gut gemacht, Junge! Als ob du nichts anderes machen würdest.“ Auch Haruka war dazu gekommen. „Das war…wundervoll, Shuu!“, war das einzige, was sie herausbringen konnte. „Weinst du etwa?“, fragte er vorsichtig. „Was? Ach Quatsch. Ich hab nur was im Auge.“ Daraufhin drehte sie sich um und rieb sich das Auge, während Shuu und Hiro lachend zurück zum Teetisch gingen und darauf warteten, dass auch Haruka sich wieder dazu setzen würde, nachdem sie sich wieder gefasst hatte. „Sag mal Shuu, was hältst du davon, wenn der Flügel wieder zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückkehrt?“ „Was meinst du, Hiro?“, fragte Shuu ratlos. „Naja, meinst du nicht, es wär sowohl für dich als auch für deinen Vater eine große Freude, wenn der Flügel bei euch steht?“ Beinahe hätte Shuu die Teetasse fallen gelassen, als er Hiros Vorschlag hörte. „Bitte was? Das ist nicht dein Ernst, oder? Das geht doch nicht!“ „Und ob das geht!“, mischte Haruka sich mit ein. „Shuu, das wär doch die Gelegenheit deinem Vater die größte Freude überhaupt zu machen. Wenn er sieht, dass du wieder spielst und das auf eurem Flügel!“ „Ja aber…“, wollte Shuu widersprechen, wurde jedoch von Haruka forsch unterbrochen. „Nichts aber. Ich hab doch gesehen, wie viel Freude du gerade beim Spielen hattest. Und ihr werdet sicher noch irgendwo Platz dafür haben.“ „Also da gäbe es schon eine Stelle…“, überlegte Shuu, verwarf aber schnell den Gedanken wieder, „Moment! Nein, nein, nein. Das geht nicht. Wie wollt ihr ihn überhaupt in die Wohnung transportieren?“ „Darüber mach dir mal keine Sorgen. Das gibt es genug Möglichkeiten.“, zwinkerte Haruka ihm zu und so langsam fielen Shuu keine Gründe mehr ein, die dagegen sprechen könnten. Daher gab er sich mit einem Seufzer geschlagen, woraufhin Haruka einen wahren Luftsprung machte und ihren „Vater“ umarmte. Aber tief im Inneren wusste Shuu selbst, dass die Idee einfach fantastisch war und sein Vater darüber garantiert glücklich sein würde. -- „Jaa…noch ein Stückchen. Noch ein bisschen weiter… uuuuund stop! Vielen Dank. Jetzt steht er genau richtig!“ Als die Männer weg waren, begutachtete Shuu den Flügel, der gerade mit viel Einsatz in die Wohnung getragen wurde. Wie sie das allerdings geschafft hatten, war Shuu immer noch rätselhaft. Aber er war hier. Unbeschadet. „Und, was hab ich dir gesagt?“ „Ja, schon gut. Du bist die beste, Haruka.“, zog Shuu sie auf und rollte mit den Augen. „Ich weiß.“, setzte Haruka noch dazu und konnte nicht anders, als breit zu grinsen. „Und? Wie wirst du deinem Vater diese Überraschung zeigen?“, fragte sie Shuu, der nun etwas ratlos drein blickte. „Hm, ich weiß noch nicht genau, aber mir wird schon etwas einfallen.“, entgegnete Shuu. Daraufhin verabschiedeten sich die beiden und Shuu holte ein großes dunkles Laken und bedeckte den Flügel fürs erste damit. „Ich muss versuchen, Vater nicht vor Morgen hier vorbeischauen zu lassen. Das wird sich schon irgendwie einrichten, denke ich.“ Als sein Vater am Abend nach Hause kam, brauchte Shuu sich keine weiteren Gedanken zu machen. Denn sein Vater ging schnurstracks in die Küche und machte sich schnell was zu essen, bevor er in seinem Schlafzimmer verschwand. „Das ging ja einfacher als gedacht…“, dachte sich Shuu. „…und nachts wird er garantiert auch nichts davon mitbekommen.“ Bald ging auch Shuu in sein Zimmer und bereitete sich auf den nächsten Tag vor. Am nächsten Morgen war Shuu extra früher aufgestanden, als sein Vater. Nachdem er Kaffee gekocht und das Frühstück vorbereitet hatte, ging er zum Flügel und begann einzelne Noten zu spielen. Als er bemerkte, dass auch sein Vater aufgestanden war, fing er an das Lied seiner Mutter zu spielen. „Shuu?“, hallte es durch die Wohnung. „Shuu bist du das?“, fragte erneut sein Vater, der nun etwas schlaftrunken in das Wohnzimmer kam. Erst jetzt realisierte er, dass sein Sohn an einem ihm sehr bekannten Flügel saß und spielte. „Was zum…?“ „Guten Morgen, Vater! Und, was hältst du davon?“, fragte Shuu unschuldig und amüsierte sich etwas über die Reaktion seines Vaters. Doch dieser sagte gar nichts, sondern kam nur auf Shuu zu und umarmte ihn. „Ach Shuu, wie hast du das denn geschafft?“, fragte sein Vater ihn unter Tränen. „Das erzähl ich dir alles beim Frühstück.“, antwortete Shuu ruhig und erwiderte die Umarmung seines Vaters, bevor sie gemeinsam in die Küche gingen. „Hoffentlich hört er auch irgendwann mal wieder auf zu weinen.“ „Ach nun sei doch froh, dass er so glücklich ist!“ Shuu verdrehte die Augen. Er und Haruka saßen in der Kirche auf dem Treppenabsatz vor dem Altar. Haruka ein paar Stufen über ihm. „So verquollen wie seine Augen waren, kann er wahrscheinlich gar nicht richtig arbeiten!“, schimpfte Shuu. „Wenn es anders herum gewesen wäre, hättest du sicher auch so viel geweint.“, zog Haruka ihn auf. Shuu drehte sich daraufhin abrupt zu ihr um. „So ein Quatsch. Ich hätte höchstens mit den Schultern gezuckt und das wärs auch schon gewesen!“ Jetzt ließ er sich wieder zurücksinken und kreuzte beleidigt die Arme vor der Brust. Haruka musste daraufhin kichern. „Ach weißt du, vor ungefähr einer Woche saßen wir auch hier. Weißt du noch?“ „Allerdings warst du diejenige, die hier heulend gesessen hat.“, sagte Drew und musste selbstgefällig grinsen. „Ja, aber dann hast du mir geholfen und mich aufgebaut, auch wenn es anfangs nicht sehr freundlich zuging.“ Shuu dachte an die Zeit zurück. Wie nerv tötend Haruka am Anfang doch war und jetzt… „Ich bin froh, dass wir Freunde geworden sind, Shuu.“, unterbrach Haruka seine Gedanken. „Find ich auch.“, gab er zurück. „Und ich freu mich schon auf den Weihnachtschor. Ebenso wie mein Vater. Der möchte dich übrigens auch gerne kennenlernen, nachdem ich ihm vorhin die ganze Geschichte erzählt hab.“ „Du kannst ihm sagen, dass ich mich darauf freue, ihn kennenzulernen.“ „Mach ich.“, sagte Shuu und glaubte, dass das Gespräch jetzt zu Ende sei. „Und Shuu.“, fing Haruka wieder an. „Ja?“ „Vielen Dank nochmal für alles.“ „Ich glaub ich muss mich eher bei dir bedanken, Haruka.“ Daraufhin fingen beide an zu lachen. Nun war das Gespräch aber wirklich zu Ende. „Ach, Haruka…“ „Hm?“ „Ich werde trotzdem jedes Jahr in die Kirche nur zu deinem Weihnachtschor kommen. Sonst nicht.“, sagte Shuu trotzig. „Waaaas? Das ist jetzt nicht dein ernst, oder?“ Haruka starrte völlig fassungslos zu Shuu, der jetzt allerdings nicht anders konnte, als zu lachen, während Haruka immer wieder versuchte auf ihn einzureden. Shuu wusste jedoch, dass er wenigstens ab und zu in der Kirche vorbeischauen würde, um Haruka zu sehen. Durch sie ist er nicht mehr so von der Kirche abgeneigt. Schließlich hat er hier sie und ihren Ziehvater kennengelernt. Und beide haben ihm und seinem Vater ein ganz großes Geschenk gemacht. Dafür war Shuu mehr als dankbar. Schließlich fühlte er sich nun auch wieder seiner Mutter etwas näher. Zum einen durchs Klavierspielen, zum anderen auch hier in der Kirche. Das Weihnachtsfest dieses Jahr würde wieder eines der fröhlichsten sein, die er je erlebt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)